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Full text of "Zeitschrift für Ethnologie"

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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


ETHNOLOGIE. 


Organ  der  Berliner  Gesellschaft 


für 


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Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redactions-Commission: 


A.  Bastian,  R.  Virchow,  A.  Voss. 


Neunundzwaxizigster  Jahrgang. 

1897. 


Mit  S  Tafeln. 


BERLIN. 

Verlag  von  A.  Asher  &  Co. 

1897. 


Inhalt 

Seite 

Otto  Schoetensack,  Vor-  und  Frühgeschichtliches  aus  dem  italienischen  Süden 
und  aus  Tunis     (Hierzu  Tafel  I  und  II  und  41  Zinkographien  im  Text) 1 

S.  Weissenborg,  Ueber  die  verschiedenen  Gesichtsmaasse  und  Gesichtsindices, 
ihre  Eintheilung  und  Brauchbarkeit 41 

Paul  Bhrenreich,  Materialien  zur  Sprachenkunde  Brasiliens.  Vocabulare  von 
Purus-St&mmen 59 

K.  Th.  Preuss,  Künstlerische  Darstellungen  aus  Kaiser-Wilhelms-Land  in  ihrer  Be- 
deutung für  die  Ethnographie  (mit  199  Zinkographien  im  Text) 77 

Paul  Reinecke,  üeber  einige  Beziehungen  der  Alterthümer  China's  zu  denen  des 
skythisch-sibirischon  Völkerkreises  (mit  21  Abbildungen  im  Text) 141 

Hrolf  Yaughan  Stevens,  Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen 
von  Malacca.    Bearbeitet  von  Dr.  Max  Bartels ' 173 

Besprechungen : 

Franz  Tappeiner,  Der  europäische  Mensch  und  die  Tiroler.  Meran  1896.  S.  86. 
—  G.  A.  J.  Hazeu,  Bijdrage  tot  de  kennis  van  het  Javaansche  tooneel.  Leiden  1897. 
8.37.  —  L.  Niederlo,  0  puvodu  Slovanu.  v  Prazc  1896.  S.  88.  —  J.  Matiegka, 
Zkoumäni  kosti  a  lebek  Seskych  v  kostnicfch  venkovsk^ch.  v  Praze  1896.  S.  40.  — 
Derselbe,  Nälezv  Lateneskö  ze  severozäpadnich  Cech.  v  Praze  18%.  S.  40.  — 
Fr.  V.  Hellwald,  Die  Erde  und  ihre  Völker.  4.  Auflage  von  Dr.  W.  üle.  Stutt- 
gart, Berlin,  Leipzig  S.  72.  —  Jacob  Robin  söhn,  Psychologie  der  Naturvölker. 
Ethnographische  Parallelen.  Leipzig.  S.  73.  —  Franz  Krön  eck  er,  Von  Java's 
Feueroergen.  'Oldenburg  und  Leipzig.  1897.  8.  78.  —  A.  Götze,  Die  Vorgeschichte 
der  Neumark.  Würzburg  1897.  S.  73.  —  A,  Für tw Angler,  Intermezzi.  Kunst- 
geschichtliche  Studien.  Leipzig  und  Berlin  1896.  8.  74.  --  Mark  Lidzbarski,  Ge- 
schichten und  Lieder  aus  den  neuaramäischen  Handschriften  der  Berliner  Bibliothek. 
Weimar  1896.  S.  75.  —  Rud.  Prietzc,  Beiträge  zur  Erforschung  von  Sprache  und 
Volksgeist  in  der  Togo  -  Kolonie.  Berlin.  S.  76.  —  Festschrift  zur  XXVIIL  Ver- 
sammlung der  Deutschen  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Lübeck  1897.  S.  139.  — 
Rud.  Virchow.  Rassenbildung  und  Erblichkeit  (Bastian -Festschrift).  Berlin  1897. 
S.  164.  —  H.  Steinthal,  Dialekt,  Sprache,  Volk,  Staat,  Rasse  (ebendaselbst)  1897. 
S.  166.  —  Paul  Ehrenreich,  Anthropologische  Studien  über  die  ürbewohner  Bra- 
siliens, vomehmlicli  des  Pnrus  -  Gebiets.  Mit  zahlreichen  Abbildungen  imd  Tafeln. 
Braunschweig  1897.  S.  165.  —  Moriz  Hörn  es,  Zur  prähistorischen  Formenlehre. 
Zweiter  Theil.  IV.  Italische  Bronzefiguren.  Wien  1897.  S.  1G7.  —  C.  H.  Stratz, 
Die  Frauen  auf  Java.  41  Abbildungen  im  Text.  Stuttgart  1897.  S.  168.  —  Paul 
Schellhas,  Die  Göttergestalten  der  May ä- Handschriften.  Dresden  1897.  S.  168.  — 
Albert  Grünwcdel,  Buddhistische  Studien.  Veröffentlichungen  aus  dem  Kgl.  Museum 
für  Völkerkunde.  V.  Mit  97  Abbildungen.  Berlin  1897.  S.  170.  —  Graf  Eugen  Zichy, 
Voyages  en  Caucase  et  en  Asie  Centrale.  T.  I  — II.  Mit  149  Tafeln  und  88  Text- 
Abbildungen.  Budapest  1897.  S.  171.  —  Zeitschrift  für  Griminal  -  Anthropologie, 
Gefängniss- Wissenschaft  und  Prostitutionswesen.  Berlin  1897.  S.  207.  —  F.  v.  Luschan, 
Beitrl^e  zur  Völkerkunde  der  deutschen  Schutzgebiete.  Erweiterte  Sonderansgabe  aus 
dem  „Amtlichen  Bericht  über  die  erste  deutsche  Colonial- Ausstellung"  in  Treptow  1896. 
Berlin  1897.  S.  208.  —  Adolf  Heilborn,  AUgemeine  Völkerkunde  in  kurzgefasster 
Darstellung.  Leipzig  1^98.  S.  209.  —  Otto  Schell,  Bergischo  Sagen.  Elberfeld  1897. 
S.  209.  —  F.  W.  K.  Müller,  Samoanische  Texte,  üntw  Beihülfe  von  Eingeborenen 
gesammelt  und  übersetzt  von  0.  Stübel.  Berlin  1896.  S.  210.  —  C.  R.  Häntzschel, 
Reisehandbuch  für  Amateur-Photographen.    Halle  a.  S.    1896.    S.  212. 

Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft  fQr  Anthropologie^  Ethnologie  nnd 

Urgeschichte 

mit  besonderer  Paginirung. 

Ein  chronologisches  Inhalts-Verzeichniss  der  Sitzungen,  sowie  ein  alphabetisches  Namen* 
und  Sach  -  Register  befinden  sich  am  Scnlusse  der  Verhandlungen. 


Nachrichten  tther  deutsche  Alterthnmsfnnde  1897 

mit  besonderer  Paginirung  und  Register. 

289389 


Verzeichniss  der  Tafeln. 


Tafel   I.    Ansicht  der  Felsengräber  bei  Cassibüe  (Sicilien)  (Zeitechr.  S.  20). 
„     II     Thongefässe  aus  den  Nekropolen  Karthagos  (Zeitschr.  S.  31-33). 


Verzeichniss  der  Zinkographien,  Autotypien  und 

Holzschnitte  im  Text. 

(A.  =  Autotypie,  H.  =  Holzschnitt,  Z.  -  Zinkographie.) 

1.  Zeitsohrift  fftr  Ethnologie,  1897. 

Seite     2.    Prähistorische  Thongefässe  der  Falisker  ans  dem  Territorio  di  Falerii   (Moseo 
Nazionale,  Seziono  extranrbana,  Rom)  (^^)Abb.)« 

„        5.    Prähistorische  Bronzen  und  Thongefässe  aus  Sucssulae.    (Sammlung  Spinelli 
in  Cancello,  Mitt«Mtalien)  (6  Abb ). 
6.    Prähistorische  Thongefässe  (wie  die  vorigen)  (3  Abb.). 

n        9.    Prähistorische  Steingeräthe  aus  Bari  und  Cotrone  (5  Abb.\ 

j,  12.  Omamentirte  Kupferaxt  von  Cosonza;  prähistorisches  Feuerstoinmcsser  von 
Policoro  in  der  Basilicata  und  polirtes  grünes  Steinbeil  aus  dem  Museum  von 
Reggio  di  Galabria  (10  Abb.). 

„  14.  Prähistorische  Steinartefakte  aus  Gneis  und  Obsidiau,  aus  dem  Musoum  in 
Reggio  di  Galabria  (8  Abb.) 

M      21.    Nephritbeil  ans  dem  Museum  in  Castrogiovanni  (Sicilien)  (3  Abb.). 

„  22.  Prähistorisches  Thongefäss  aus  dem  Museo  nazionale  in  Palermo  und  Nephrit- 
beil von  Castrogiovanni  aus  der  mineralogisch  -  geologischen  Universitäten- 
Sammlung  in  Palermo  (4  Abb.). 

„  23.  Zwei  Nephritbeile  und  ein  Basaltbeil  von  Lipari  aus  der  zuletzt  genannten 
Sammlung  (10  Abb.?. 

„  24.  Bronzeschaftcelt  aus  Qirgenti  in  dem  zuletzt  genannten  Museum  und  zwei  Stein- 
beile in  dem  Museum  in  Cefalü  (8  Abb.). 

^  26.  Prähistorische  omamentirte  Thonscherben  aus  der  Grotta  di  San  Francesco 
(Sicüien)  (4  Abb.). 

„  27.  Prähistorische  omamentirte  Thonscherben  und  Thongefässe  in  dem  Museum 
in  Palermo  (5  Abb.). 

n       28.    Fenersteinmesser  aus  dem  Bardo-Museum  in  Tunis  (4  Abb.). 

,  29.  Zwei  eiserne  Dolche  und  sechs  Kupferbeile  aus  der  Nekropole  von  Byrsa,  in 
dem  Musee  St.  Louis  in  Karthago  (HAi>b). 

„  :n.  Prähistorischem  Thongefäss  mit  eingeritzten  Ornamenten  aus  den  Nekropolen 
von  Karthago:  in  dem  Mu8<^e  St   Louis  in  Karthago. 

n  105.  Künstlerische  Darstellungen  ans  Kaiser- Wilhelms -Land.  Monsrhengostaltcn 
(10  Abb.). 

„     106.    Dasselbe.    Gesichtsdarstellungen  (7  Abb.). 

„     108.    Dasselbe.    Nasenomament  (7  Abb.). 

„     109.    Dasselbe.    Augenomament  I  (12  Abb.). 

^     111.    Dasselbe.    Augenomament  II  (li^  Abb.). 

„     113.    Dasselbe.    Nasen-,  Augen*  und  Mundoraament  (10  Abb.). 

,     115.    Dasselbe.    Yogelkopforoaraent  I  ;10  Abb.). 

„     118.    Dasselbe.    Omament  des  Vogelkopfpaares  ;17  Abb.). 

»     119.     Dasselbe.    Vogelkopfomament  II  (U  Abb,). 


Seite  121.  Dasselbe.    Spiralornament  (d  Abb.). 

„     12:?.  Dasselbe.    Fischoroament  (13  Abb.). 

^     124.  Dasselbe.    Krokodil-  mid  Eidechsenornament  (10  Abb.). 

.,     125.  Dasselbe.    Salamander-  und  Ohrenomament  (16  Abb.). 

„     129.  Dasselbe.    Ornament  des  fliegenden  Vogels  (8  Abb.). 

^     131.  Dasselbe.    Worm-  und  Yogelkopfomament  (8  Abb.). 

„     132.  Dasselbe.    Ornament  dos  hangenden  Pteropus  (15  Abb.). 

„     133.  Dasselbe  (6  Abb.). 

n     134.  Dasselbe  (6  Abb.). 

,     135.  Dasselbe.    KanuTerzierung. 

^     136.  Dasselbe  (12  Abb.). 

.     138.  Dasselbe.    Textilo  Muster  (6  Abb.). 

„     139.  Dasselbe.    Verzierung  eines  Holzschwertes. 

„     142.  Chinesische  Metallspiegel  ^2  Abb.). 

..     144.  Skythische  und  sibirische  Metallspiegel  (4  Abb.). 

„     146.  Kaukasischer  Metallspiegel,  chinesischer  Opferkessel  und  verschiedene  Bron'/c 
artefakte  (32  Abb.). 

147.  Chinesischer  Opferkessel  (2  Abb.). 

148.  Alter  chinesischer  Dreifiiss  (A.). 

149.  Skythischer  Bronzekessel  (A.). 

150.  Metallkessel  aus  dem  Wolgagobiet. 

151.  Skythische  Stangenbekrönung  (A.). 
151.  Chinesisches  Klapperinstruroent  (2  Abb.). 

153.  Sibirisches  Bronzemesser  und  chinesische  MessermQnzcn  (3  Abb.). 

154.  Chinesisches  Bronzeschwert  (Z.). 
161.  Sibirisches  und  chinesisches  Thieromament  (2  Abb.). 


2.  Verhandlungen  der  Berliner  öesellschaft  für  Anthropologie, 

Ethnologie  und  Urgeschichte,  1897. 

Seite   36.  Bronze-Üme  Ton  Topolno,  Kr.  Schwetz  (A.). 

87.  Dieselbe  (A.). 

„      41.  Situationsplan  der  Fundstelle  von  Topolno. 

„      45.  Situationsplan     der    prähistorischen    Fundstelle    Reiser 'sehe     Ziegelei     bei 

Lobositz  a.  d.  Elbe. 

9       46.  Neolithischc  Wohnstätte  daselbst. 

„       4'5.  Walzenförmiges,  durchbohrtes  Thongeräth  von  dort. 

n      48.  Grrabstätte  daselbst. 

„      49.  Urne  von  dort  (2  Abb.). 

„      50.  Grabstätte  daselbst. 

„      50.  Bronzenadel  von  dort. 

r      55.  Urnen  von  Leibsch  (Spreewald)  (2  Abb.). 

„      56.  Ebenfalls. 

59.  Situationsplan  des  Schlossbergs  von  Mehlken,  Kr.  Carthaus 

62.  Thonscherben  von  dort  (8  Abb.). 

62.  Tapfenstein  bei  Mehlken,  Kr.  Carthaus. 

75.  Fussspnren  Christi  auf  dem  Oelberge. 

99.  Bosnischer  Holzstempel  zum  Stempeln  des  Brodos  (2  Abb.). 

100.  Holzlöffel,  Holztasse  und  Vogelflöte  aus  Bosnien  (3  Abb.). 

101.  Wäscheklopfer  und  Spinnrocken  aus  Bosnien  (5  Abb.). 
103.  Spindel,  Wetzsteinbehälter  und  Rasirmesserkastcn  aus  Bosnien  (5  Abb.). 

105.  Metalleinlagen  in  Holz  (4  Abb.). 

106.  Desgleichen  (2  Abb.). 

107.  Desgleichen  (3  Abb.). 


▼I 

Seite  106.  Desgleicheii  (2  Abb.). 

„  109.  Desgleichen  (3  Abb.). 

^  116.  Holzsieb,  HolEtncbter,  Löffel  und  hölierner  Steltfuss  der  Lappl&nder  ((>  Abb.). 

,.  124.  Pr&historische  Bronzegerfttbe  (4  Abb.). 

^  126.  BronzefibeL 

.  184.  Aegyptischer  Inschrütstein  ans  der  XVIII.  Dynastie. 

•  186.  Aegjptische  Mnmienköpfe  mit  Dnrcbbohmng  detScbftdelgmndes  (4  Abb.). 

„  141.  Urne  und  prähistorische  Thonscherben  von   der  Moorschanzc  bei  Qoedlinburg 

(6  Abb.). 

„  142.  Sitnationsplftne  Ton  dort  (2  Abb.).            ^ 

„  143.  Desgleichen. 

„  143.  Verzierter  Thonscherben  Yon  dort. 

«  144.  FnndsteUe  eines  menschlichen  Schädels  daselbst  (A.). 

„  145.  Desgleichen  (A.). 

„  145.  Verzierte  Thonscherben  von  dort  (4  Abb.). 

,»  146.  Desgleichen  nnd  ein  Stcininstmment  von  dort  (8  Abb.). 

„  149.  Schädel  von  dort. 

„  160.  Ebenfalls  (2  Abb.). 

,  151.  Ebenfalls  (3  Abb.). 

y  155.  Bakwiri-Schädel,  Kamenin  (2  Abb.). 

„  164.  Darstellung  alt-assyrischer  Rnhebetten  (A.). 

„  169.  Spinnwirtcl  in  Thon  (8  Abb.). 

^  169.  Skarabäen-Gemme  von  Sadersdorf»  Kr.  Gnben  (3  Abb.). 

r,  171.  Sitnationsplan  des  Burgwalls  von  Königsbrunn,  Cujavien  (2  Abb.). 

„  172.  Prähistorische,  omamentirte  Thonscherben  von  Königsbninn,  Cujavien  (A.). 

„  178.  Pr&historische  Thongefässe  von  dort  (2  Abb.), 

„  174.  Desgleichen  (8  Abb.). 

,  175.  Bronzeanhänger  und  Schalen  von  dort  (8  Abb.). 

r>  177.  Gewellte  Bronze  Urne  von  Zerbst 

«  190.  Brahmanen-Schulo  in  Vemag,  Kaschmir  (A.). 

^  196.  Hindu-Tempel  bei  Bhavanyar,  Kaschmir  (A,). 

B  199.  Tempel-Ruinen  von  Martand  (Kaschmir)  und  Tänzergruppe  von  Shangus  (2  A.). 

„  202.  Blick  auf  den  Jhilam  bei  Srinagar  und  die  Ali  Hamadani-Moschec  in  Srinagar 

(Kaschmir)  (2  A.). 

M  206.  Eingeborene  von  Kaschmir  (A.). 

,  204.  Armbr&ste  der  Bakwiri  (2  Abb.). 

9  209.  Thongefässe  von  Dshawat,  Gouv.  Baku,  Transkankasien  (A.). 

„  211.  Dnrchlochter  Steinhammer  von  Horadies,  Gouv.  Eliäabethpol. 

„  214.  Geflügelte  Lanzenspitzc  von  Obomik,  Prov.  Posen. 

^  215.  Lanzenspitze  ebendaher. 

j,  221.  Bronzeschwert  aus  der  Peene  bei  Demmin  (3  Abb.). 

n  223.  Steinbeil,  Beibstein  und  Urnen  von  Wilmersdorf,  Kr.  Bceskow-Storkow  ^4  Abb.\ 

„  227.  Karte  von  Knün  und  Istrien. 

y,  229.  Scherben  aus  der  Höhle  von  St  Cantian,  Istrien. 

„  289.  Kupferboil  von  Augustenhof,  Kr.  Wirsitz,  Prov.  Posen  (2  Abb.'  (Kyproljr])!«). 

y,  242.  Bronzekeule  von  Butzke,  Pommern. 

„  245.  Bronzekenlen  (5  Abb.). 

n  247.  Prähistorische  Thonfigur  aus  Sabnitz,  Bezirk  Bruz,  Böhmen  (3  Abb.). 

.  249.  Menschlicher  Kopf  auf  Thonschiefer  von  HororoöHtz  bei  Prag. 

„  250.  Gefässscherben  mit  Stierkopfhcnkel  vcn  Podbaba  bei  Prag. 

^  852.  ThOnemer  Stierkopf  von  einem  Prunkgefässe  von  Ccmyvnl,  Böhmen. 

„  258.  Thönemer  Stierkopf- Ansguss  von  einem  Prunkgefäss  von  Wiesscu  boi  Saaz, 

Böhmen. 

•  255.  Stierfiguren  in  Stein  vom  Schlauer  Berge,  Böhmen  (2  Abb.). 

„  'J.Vi.  Thongeflss  mit  Widderkopf  aus  dem  Hritdek  von  rnglau. 


VII 

Seite  257.    Vogel  von  Thon  von  Havron  bei  Bröx. 
„     261.    Kinderklapper  von  Thon  von  Lnckau,  I^iederlausitz  (3  Abb.). 
„     262.    Urne  und  Bronzering  vom  Webrmnlilenberg  bei  Biesenthal,  Kr.  Ober-Barnim 

(3  Abb.). 
„     263.    Bronze-Armring  vom  grossen  Werder  im  Liepnitz-See,  Kr.  Nieder-Bamim. 
„     273.    Kochtöpfe  der  Ababde  aus  Talkschiefer,  NordostrAMca  (8  Abb.). 
^     274.    Tabakspfeife  der  Abäbde  und  Bischarin  ans  Talkschiefer. 
,     286.    Frührdmische  Fibel  mit  Inschrift  ans  Bheinhessen  (8  Abb.). 
„     290.    Bronze- Armringe  von  Czemowitz  (4  Abb.   A.). 
n     818.    Römische  Thonscherben  von  dem  Zwiesel,  Ober-Bayern  (2  Abb.). 

,  819.    Bronzefibeln  ebendaher  (2  Abb.). 

„  821.    Steinartefakte  von  Au  bei  Hammerau,  Bezirk  Traunstein  (19  Abb.). 

„  828.    Neolithisches  Thongefäss  ebendaher. 

„  826.    Gräber-Schädel  von  Chajcar,  Guatemala  (2  Abb.). 

„  330.    Europäische  Tättowirungen  (6  Abb.). 

,  831.    Desgleichen  (4  Abb.). 

„  3.38.    Kartenskizze  der  Gegend  der  Slouper  Höhleo,  Mähren. 

«  860.    Situationsplan  der  Nekropolen  von  St  Canzian,  Istrien. 

^  898.    Das  Sud-  und  das  Nordzeichen  dos  alten  Aegyptens  (2  Abb.). 

„  894.    Stilisirte  Ornamentik  ans  Aegyptens  neolithischer  Zeit  an  Thongefässen   aus 

der  Zeit  bis  zur  lY.  Dynastie  (Gruppenbild). 

„  895. .  Wappenpflanze  von  Ober-Aegypten  (Gruppenbild). 

„  400.    Aegyptische  Hieroglyphe  des  Gesichts  (Z.). 

„  414 — 415.    Tättowirungen  der  Wadjidji,  Africa  (3  Z.). 

„  418—119.    Tättowirungen  und  Zahnfeüungen  derselben  (8  Z.). 

•  422.    Zahnfeilung  und  Tättowirung  eines  Mgaga,  Africa  (2  Z.). 

„  427.    Geometrische  Zeichnungen  eines  Mtussi-Schädels  (2  Z.). 

„  480.    Situationsskizze,  der  Schwedenschanze  bei  Görbitzsch,  W.-Stemberg  (Z.) 

„  487.    Alte  Fundstelle  am  Küchent«ich  bei  Stemberg  (Z.). 

^  440.    Thonscherben  und  Feuersteinstücke  aus  der  Stemberger  Gegend  (46  Z.). 

n  441.    Stein  mit  Hnfspuren  von  Tomow,  Kr.  West-Stemberg  (1  Z.). 

„  448.    Steinbeil  vom  Umenfeld  bei  Görbitzsch  (Z.). 

,  445.    Thonscherben  und  Feuersteinstücke  vom  Lindhörst  bei  Lüdersdorf,  Kr.  Teltow 

(8  Z.). 

„  447.    Grosse  Scheibenfibel  aus  Bronze  von  Wnstrow,  W.-Priegnitz  (1  Z.). 

„  448.    Ornamente   an  Thonscherben   vom  Kiebitzberg  bei   Gandow,   West-Priegnitz 

(26  Z.). 

n  451.    Gewellte  Bronzeume  von  Nijmegen,  Holland  (Z.). 

„  484.    Haar  eines  Kaukasiers  innerhalb  des  Haarbalges  (1  Z.). 

„  489.    Armband  aus  Bronze  mit  Anhängsel  von  Serrieres  bei  Neuchatel  (1  Z.). 

„  492.    Knotenzeichen  der  Müller  in  Baden  (12  Z.). 

,  497.    Gewellte  Strichverzierung  an  Scherben  des  Kr.  Teltow  (2  Z). 

^  499.    Giebelverzierungen  in  Ostpreussen  (58  Z.). 

„  507.    Drei  geometrische  Ansichten  eines  Thurmkopfes  von  Arica  (8  Z.). 

„  561—567.    ümrisszeichnungen  gefeilter  Zähne,  Tättowirungen,  Brüste  und  Nasen 

von  Wadjidji,  AMca  (18  Z.). 

„  587^588.    Anidke  Germanen-Darstellungen  aus  Bronze  in  Paris  (8  A.). 

y,  589.    Gefäss  vom  Tjpns  UnStice  von  LibÖany  in  Böhmen  (1  Z.). 

«  589.    Terrasigillata-Scherben  von  Podbaba  bei  Prag  (1  A.). 

j,  590.    Keulenkopf  aus  Bronze  von  Königgrätz  (2  A.). 

„  593.    Altslavisches  Gefäss  ans  dem  salzigen  See  bei  Eisleben  (1  A.). 

9  601.    Trudenfnss  bei  Wilshofen,  Bayern  (2  Z.). 

„  605—606.    Drei  geometrische  Ansichten  eines  Jaunde  -  Schädels  von  Kamerun  (8  Z.). 

n  617—619.    Altperuanische  Thon-Gefässe   mit  Darstellungen   von   Gesichts-  u.  s.  w. 

Yerstümmelungen  (9  Z.). 


viir 


3.  Naohricliteii  über  deutsche  Alterthumsfimde,  1897. 

Seite   8.    Bronxe-Scbmucksachen  von  Clempenow,  Pommern  (6  Abb.) 
„     15.    Tbongefäss  und  Scberbon  der  Yölkerwandorangszeit  ans  Beble,   Kr.  Csamikaa, 

Posen  (3  Abb.). 
^     16.    MeroYingische  Email  Perlen  aus  DoUgen,  Kr.  Prenslaa  (2  Abb.). 
,     17.    Situationsplan  der  Ufigelgr&ber  auf  dem   Brommbarge  in  der  Wesaenstedter  i 

Heide,  Kr.  Uelzen. 
„     19.    Tbongef&88e  und  Nadeln  daher  (A.). 
»     20.    Tbongef&sse  von  da  (A.). 
^     21.    Durchschnitt  eines  Grabes  von  dort. 
„     23.    Desgleichen. 
„     80.    Eiserne  Nadel  von  dort 

„     84.    Hfigelgrftber  bei  Schlagenthin,  Kr.  Tuchel  (6  Abb.). 
„     86.    Steinkiste  bei  Kl.-Kensau,  Kr.  Tuchel. 
n     86.    Steinerne  Pfeilspitse  aus  der  Gegend  von  Graudens. 
9     87.    Feuerstein-Geräthe  vom  Liepnitz* Werder,  Kr.  Nieder-Bamim  (4  Abb.). 
„     88.    Steinbeil  aus  dem  Freigrunde  bei  Wilmersdorf,  Kr.  Beeskow-Storkow  (8  Abb.). 
f,     89.    Fenersteinmesser    aus   einem   Umengrabe   bei   Vehlefanx,    Kr.  Ost -Havelland 

(2  Abb  ). 
^     40.    Prähistorische  GegenstJUide  vom  Schlossberg  bei  Biesenthal,  Kr.  Ober -Barnim 

(6  Abb.). 

•  41.    Kupferne  Doppelaxt  von  Börssum. 

n  44—45.    Bronze-Hohlcelte  von  Bergen  auf  Bügen  (4  Abb.). 

„  46.    Bronze-  und  Steingerftthe,  ebendaher  (8  Abb.). 

„  47.    Brouze-Hohlcelte  von  Heringsdorf,  Kr.  Usedom-Wollin  (8  Abb.). 

^  48.    Fingerring  von  Bronze  von  Hammelstall,  Uckermark. 

„  77.    Thonschale  aus   dem   langobardisch-s&chsischen  Friedhofe  bei  Nienbüttel,   Kr.  | 

Uelzen  (A.  und  1  Abb.).  i 

^  78.    Desgleichen  (2  A.). 

„  79.    Bronzeschnallen  u.  s.  w.  ebendaher  (8  Abb.).  | 

•  80.    Desgleichen  und  Fibel,  ebendaher  (4  Abb.). 

.,  82.  Hügelgrab  am  Losenmeere  in  der  Haarstorfer  Feldmark,  Kr.  Uelzen,  Skizze. 

^  83.  Nadel  und  Speerspitze,  ebendaher  (2  Abb.). 

^  84.  Bronze-  und  Thonfunde,  sowie  Perlen  von  dort  (6  Abb.). 

^  87.  Bronzen,  sowie  Verzierungen  und  Querschnitte  (6  Abb.). 

,  91.  Urnen  von  Schlepzig,  Kr.  Lübben,  in  der  NiederUusitz  (4  Abb.). 

n  92.  Spiral-  und  Bfigelring,  ebendaher  (2  Abb ). 


I. 

Vor-  und  Frühgeschichtliches  aus  dem  italienischen 

Süden  und  aus  Tunis 

von 
Dr.  OTTO  SCHOETENSACK  in  Heidelberg. 

Hierzu  Tafel  I  und  II. 


Auf  einer  Studienreise,  welche  badische  Philologen  untet  Führung 
des  Heidelberger  Archäologen  Prof.  von  Duhn  nach  dem  italienischen 
Süden  und  Tunis  vom  27.  Februar  bis  3.  Mai  1896  unternahmen,  sammelte 
ich  einige  Notizen,  die  ich  gern  vervollständigt  und  zu  einem  Ganzen  ab- 
gerundet hätte.  Da  der  Zweck  der  Reise  in  erster  Linie  der  war,  die 
Theilnehmer  mit  den  Resten  des  classischen  Alterthums  und  mit  der 
Topographie  der  historisch  interessanten  Statten  bekannt  zu  machen,  so 
blieb  nur  wenig  Zeit  übrig,  Sonderinteressen  nachzugehen;  ich  bin  daher 
nur  im  Stande,  Bruchstücke  zu  bieten. 

In  Rom  hielten  wir  uns  auf  der  Durchreise  nach  dem  Süden  fünf 
Tage  auf.  In  den  prähistorischen  Abtheilungen  der  Sammlungen  war  da- 
durch nur  ein  Umblick  möglich. 

Im  Neuen  Capitoliuischen  Museum  befinden  sich  etruskische  Thon- 
särge  in  Baumstammform.  Die  Bestattung  von  Leichen  in  ausgehöhlten, 
der  Länge  nach  durchschnittenen  Baumstämmen  ist  eine  u.  a.  in  Süd- 
deutschland, Westfalen  und  auch  auf  der  kimbrischen  Halbinsel,  hier  aus 
der  Bronzezeit,  beobachtete  Sitte.  Da  das  Holz  der  Särge  nur  in  Aus- 
nahmefällen erhalten  ist,  so  sind  wir  auch  nicht  im  Stande,  über  die  Ver- 
breitung und  Dauer  dieser  Bestattungsweise  in  den  verschiedenen  Ländern 
genügende  Auskunft  zu  geben.  Der  Ersatz  des  vergänglichen  Materials 
durch  Terracotta  konnte  nur  bei  einem  Volke  stattfinden,  das,  wie  die 
Etrusker,  es  in  der  Thonplastik  auf  solch  hohe  Stufe  der  Vervollkommnung 
gebracht  hat.  Der  Vorgang  selbst  beweist,  wie  sehr  man  beflissen  war,  in 
den  Formen  wenigstens,  an  den  althergebrachten  sepulcralen  Gebräuchen 
festzuhalten.  , 

In  dem  Museo  Etrusco  Gregoriano  möchte  ich  auf  die  vertical  ge- 
riefelten Redware  Pithoi  mit  horizontalen  Streifen  eingepresster  Thier- 
figuren  hinweisen^   von  denen  nur   einige   in    der   offici eilen  Publication, 

ZelUchrift  für  Ethnologie.    Jabrg.  1897.  1 


2  0.  Schoetehsack: 

Band  II,  Tafel  100,  abgebildet  sind;  im  Miisee  du  Louvre  befiudet  sich 
eine  weitere  Aozalil  derartiger  Gcfösae.  Die  I'resstechnik  dersolbeD  lehnt 
aich  offenbar  an  iJstlicho  Metallvorbilder  an,  wie  aie  ans  in  den  griechischen 
Kunstanfängen  begegnen,  von  denen  anch  die  bronzezeitlichen  Funde  des 
Nordens  und  diejenigen  der  Hallstattzeit  Mitteleuropas  beeinflusst  erscheinen. 
Es  wäre  eine  verdienstvolle  Arbeit,  die  Ornamente  der  Redware  Pithoi 
zuBammenzustellen ,  wodurch  sich  mancherlei  Beziehungen  zwischen  den 
genannten  Culturkreison  ergeben  dürften. 

Die  im  Palazzo  di  l'apa  Ginlio  untergebrachte  Sezione  extraurbana 
del  Mnseo  N^azionale,  die  unter  der  Leitung  Barnabei's  steht,  weist  eine 
Falle  altitalischer  Grabfunde  auf.  In  einem  Räume  sind  sämmtÜche 
Pläne  über  die  im  Faliskcr  Lande  erfolgten  Ausgrabungen  ausgestellt, 
in  einem  anderen   Saale   sind  die   Grabfunde   vereinigt,    welche    aus    der 


-Nekropole  von  Monterano  stammen.  K»  ist  dies  eine  im  Xorden  <Ies 
Territorio  di  Falerii  gelegene  kleine  Anholie.  die  als  der  L'rsitz  der  Faltsker 
gilt.  Man  hat  hier  tombe  a  pozzo.  a  fosMt  und  a  camera  (letztere  mit 
Sarkojihagen  darin)  aufgedeckt.  Die  tomlie  a  pozzo  lieferten  an  den 
Villanova-Typns  erinnenide  thünerne  Aschenurnen  mit  Beigaben  von 
Bronzeschmuck.  Von  den  tombe  a  fossa  ergaben  die  ältesten  in  der 
Teclmik  ebenfalls  ziemlich  primitives  Topfgeschirr,  das  in  der  Fonn  und 
in  den  Ornamenten  ebenfalls  manche  Anklänge  an  die  Hallstatt-Periode 
aufweist.  Bei  einigen  dieser  Gefllsse  fällt  der  eigenthQmlich  gestaltete 
Ausguss  auf,  der  an  die  Schnabelkannen  von  Kissarlik  und  Cypern  er- 
innert (Fig.  l).  Hin  Geßss  (Fig.  2)  stellt  einen  Untersatz  für  einen 
bauchigen  Topf  dar.  Zum  Aufhängen  kleinerar  Geisse  sind  Haken  aus 
Thon  angebracht.     Bei   einem  doppellienkeligen  Becher  (Fig.  3)  sind   die 


Vor-  und  Frühgeschichtliches  aus  dem  italienischen  Süden  u.  s.  w.  3 

Buckeln  mit  Bronzeknöpfen  geziert,  die  in  den  weichen  Thon  eingedrückt 
wurden.  Sie  sind  hier  wohl  den  Nieten  von  Metallgefässen  nachgebildet, 
bezw.  rein  ornamental  verwendet.  In  der  reinen  Steinzeit,  in  der  bereits 
vielfach  Thongefasse  mit  Buckeln  vorkommen,  hatten  letztere  ursprünglich 
nur  den  Zweck,  eine  bessere  Handhabe  für  das  Gefäss  zu  bieten;  sie  sind 
nichts  weiter  als  primitive  Henkel.  Sehr  bald  bildeten  sich  diese  zu  einem 
Ornament  heraus,  das  zur  Hallstatt -Zeit  eine  ausgedehnte  Anwendung 
findet  und  bekanntlich  die  Keramik  gewisser  Culturkreise  geradezu 
charakterisirt.  Auch  ganz  mit  eingedrückten  Bronzeplättchen  bedeckte 
Thongefasse  finden  sich  unter  dem  Grabinventar  der  Falisker-Ghräber  der 
vorgenannten  Art.  Ein  Unicum  ist  femer  eine  Brandume  einfacher 
konischer  Form,  deren  Deckel  einen  aus  Thon  nachgebildeten  Helm  dar- 
stellt. —  Es  erscheinen  auch  phönikische  Importstücke  und  später  sodann 
gefirnisste  Vasen,  auf  die  wir  hier  nicht  weiter  eingehen  können. 

Bezüglich  der  musterhaft  geordneten  Funde,  die  in  dem  unter  Leitung 
von  Pigorini  stehenden  Museo  preistorico-etnografico  untergebracht  sind, 
genügt  es,  auf  die  in  dem  BuUettino  di  paletnologia  Italiaua  niedergelegten 
Berichte  dieses  verdienstvollen  Forschers  und  seiner  Mitarbeiter  Chierici 
und  Strobel  hinzuweisen. 

Im  Museo  Nazionale  in  Neapel  ist  die  reiche  Collection  von  Fibeln, 
die  sich  in  der  Abtheilung  der  Bronzen  befindet,  für  unsere  Zwecke  be- 
sonders lehrreich,  da  sie  uns  gestattet,  einen  vollkommenen  Ueberblick 
über  die  Entwickelung  dieses  chronologisch  so  wichtigen  Geräthes  in 
Campanien  zu  gewinnen.  Allerdings  muss  man  sich  die  Mühe  nehmen, 
bei  der  Feststellung  der  Fundorte  auf  die  Kataloge  des  Museums  zurück- 
zugehen, da  die  Gegenstände  aus  verschiedenen  alten  Sammlungen  her- 
stammen, worauf  bereits  Hr.  Virchow  (in  dioser  Zeitschrift  1883,  Verh. 
8.  319)  aufmerksam  machte 

Für  die  älteste  Geschichte  Campaniens  sehr  instructiv  ist  ferner  eine 
Sammlung,  welche  die  in  der  Nekropole  des  alten  Suessula  gemachten 
Grabfunde  vereinigt  und  sich  im  Landhause  der  Familie  Spin  eil  i  bei 
Cancello  befindet.  Durch  die  grosse  Liebenswürdigkeit  des  Besitzers  wurde 
uns  nicht  nur  eine  genaue  Einsichtnahme  der  Sammlung  gestattet,  sondern 
es  wurde  auch  eine  Anzahl  von   Gräbern  in  unserer   Gegenwart  geöffnet. 

Einen  zusammenfassenden  Bericht  über  die  Nekropole  von  Suessula 
gab  F.  von  Duhn  in  den  Römischen  Mittheilungen  1887,  S.  235ff.,  ferner 
in  der  Rivista  di  storia  antica  e  scienze  affini  1895,  Nr.  3,  p.  31  ff. 

Die  ältesten  Gräber,  tombe  a  pietra,  reichen  darnach  vom  Ende 
des  VII.  bis  zum  Ende  des  VI.  Jahrhunderts.  Sie  zeigen  die  bei  den 
Oskem  allgemein  geltende  Sitte  der  Bestattung.  Der  Todte  wird  mit 
reichen  Beigaben  in  der  blossen  Erde  oder  in  einem  Holzsarge  beigesetzt. 
Die  Beigaben  bestehen  aus  Bronzeschmuck,  besonders  Fibeln,  monochromen 


4  0.  Schobtbnsaok: 

Thongefässen  mit  eingeritzten  oder  erhabenen  Ornamenten,  bemalten  Yasen 
des  geometrischen,  protokorinthischen  und  korinthischen  Stils,  die  theils 
über  Kyme  eingeführt,  theils  nach  griechischen  Vorbildern  im  Lande  ge- 
fertigt sind,  schwarzfigurigen  Yasen  und  Scarabäen.  lieber  dem  Grabe 
erhebt  sich  ein  Haufen  von  weissen  Kalksteinen,  der  wohl  als  Monument 
diente.  Kings  um  diesen  Steinhaufen  finden  sich  rohe  einheimische  Thon- 
gefässe  mit  den  Eesten  des  Leichenmahls,  grosse  Bronzegefasse,  sowie 
weitere,  dem  Inventar  des  Grabes  selbst  entsprechende  Beigaben. 

Im  V.  Jahrhundert  tritt  dann,  wohl  durch  den  Einfluss  des  nahen 
griechischen  Kyme  veranlasst,  neben  der  Bestattung  der  Leichenbrand 
auf.  Die  Asche  des  Todten  wird  in  einer  Bronzeume  beigesetzt  und 
diese  nebst  einigen  Beigefässen,  meist  attischer  Provenienz,  in  einen  würfel- 
förmigen Behälter  von  vulkanischem  Tuff,  der  innen  roth  ausgemalt  ist, 
gestellt.  Damit  die  Gefässe  einen  festen  Stand  haben,  sind  für  den  Fuss 
derselben  jeweils  Yertiefungen  in  dem  Boden  des  Behälters  angebracht. 
Fibeln  fehlen  jetzt  als  Beigabe.  Das  Aufhören  dieser  tombe  a  cubo  di 
tuf  0,  hängt  wohl  zusammen  mit  dem  am  Ende  des  Jahrhunderts  erfolgten 
Einbruch  der  samnitischen  Stämme.  Man  kehrt  allgemein  zur  nationalen 
Bestattungsweise  zurück,  die  übrigens  nie  ganz  durch  den  Leichenbrand 
verdrängt  worden  war. 

Es  erscheinen  nun  die  bis  zum  Ende  des  UI.  Jahrhunderts  reichenden 
tombe  a  tufo  o  a  mattoni.  Der  Todte  wird  in  einem  aus  vulkanischem 
Tuff  gefertigten  Sarkophage,  bezw.  in  einem  aus  Tuffblöcken  oder  Ziegeln 
zusammengesetzten  Kistengrabe  beigesetzt,  das  horizontal  oder  dachförmig 
abgedeckt  ist.  Diese  Gräber  bilden  eine  Fortsetzung  der  tombe  a  pietra. 
Ebenso  wie  bei  diesen  finden  sich  auch  ausserhalb  des  eigentlichen  Grabes 
zum  Theil  werthvolle  Beigaben.  Für  diese  Gräber  ist  die  Mitgabe  von 
Esswaaren  für  den  Todten  charakteristisch.  Unter  den  Beigaben  tritt  die 
Bronze  zurück,  und  Eisen  tritt  an  deren  Stelle.  In  dem  Grabinventar 
treffen  wir  neben  Spiralfibeln,  die  sich  an  griechische  Muster  anlehnen, 
altitalische  Typen,  wie  halbkreisförmige,  mit  kurzem  o<ler  langausgezogenem 
Fusse,  oft  mit  festsitzenden  oder  auch  anhangenden  Zierathen  (Vogel- 
figuren  u.  dgl.)  versehen  (Fig.  4),  ferner  kahnförmige  Fibeln,  wozu  wir 
mit  O.  Tischler  (Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns, 
München  1881,  S.  54)  auch  diejenigen  rechnen  möchten,  deren  ein  Kreis- 
segment bildender,  aus  gleich  dünnem  Draht  wie  die  Nadel  gefertigter 
Bügel  eine  Anzahl  von  perlen-  oder  ringförmigen  Schmuckgegenständen, 
darunter  Bernstein,  trägt.  Eine  gleiche,  mit  einem  Stück  Bernstein  ge- 
schmückte Fibel  trafen  wir  auch  im  Neapler  Museum  unter  Nr.  86  481, 
Fundort  Kyme.  Schlangenfibeln  kommen  in  mannichfacher  Ausführung 
vor.  Diejenigen  mit  kugligen,  knötchenartigen  Verdickungen  auf  dem 
Bogen  sind  auch  von  Orsi  in  der  der  III.  Sikeler- Periode  angehörigen 
Nekropole  Finocchito  bei  Note  aufgefunden  (BuUettino  1894,  Taf.IY,  Fig.  8). 


Tor  und  PrQhgeschichtlicbes  aas  dem  italieoiscben  SSden  d.  b.  w.  5 

Eioige  Fibeln  haben  die  Gestalt  eines  Hundes    (Notizie  degli  scari  1878, 
Taf.  IV,  Fig.  9),  eine  andere  die  Gestalt  einer  Zange  (Fig.  5) '). 

Die  keramiecben  Erzeugnisse  wurden  theils  direct  importirt,  theils 
durch  die  griechische  £iDfnhr  beeinÖnsst.  Mit  der  Einnahme  von  Kyme 
wird  diese  Periode  unterbrochen;   der  attische  Import  hört  auf,   und  die 

Fig.  4-    Vi 


Q 


einheimische  Technik  beginnt  sich  zu  entfalten.  Von  den  ältesten  Producten 
fahren  wir  eine  primitiv  in  Relief  gearbeitete  männliche  Figur  an,  die  der 
"Wandung  eines  dunkelgrauen  Gef^sses  aufgelegt  war  (Fig.  6);    leider    ist 

1)  Beifiglich  der  in  den  GioMherioglichen  vereinigten  Sammlangen  lu  Karlsntbe  be- 
lindlicben  Fnndo  von  Snessnla  »ergl.  K.  Scbumacher's  Torlrcffliche  Arbeit:  ,Be- 
«chraibuDg  der  Sammlung  antiker  Bronzen",  Karlsruhe  1890. 


6  0.  SCHOCnmAOK: 

hiervon  uur  ein  Scherben  erhalten.  Dann  treten  Qefässe  mit  eingeritzten 
Ornamenten  auf,  wie  Fig.  7:  eine  mit  eingeritzter  doppelter  Spirale  gezierte 
Amphora,  mid  Fig.  8:  ein  becherartiges  Öef&SB  mit  eingeritztem  knospen- 
artigem Ornament.  Dieselbe  Form,  aber  in  schönem  gelblichrothem  Thon, 
zum  Theil  mit  reichen  Verziemogen,  zeigen  Pig.  9  nnd  10.  Wahrend  aof 
eraterem  Gefäsae  noch  rein  geonietriache  Verzieningeu  angewendet  sind.  — 
die  rings  um  den  Hala  angebrachten  Buckeln  sind  wohl  auf  metallene  Vor- 
bilder zurückzuführen,  —  zeigt  letzteres  ala  Schmuck,  wie  es  das  Ansehen 
hat,  herabbangende,  unten  beschwerte  StofTzipfel.  Die  gleiche  Verzierung 
io  eingedrückten,  achnnrartigen  Strichen  erscheint  auf  der  Kanne  Pig.  11.  — 
Eine  Hausume  mit  schrägem  Dach  hat  an  der  tiiebelseite  eine  Tiereckige, 
an  den  Ecken  etwas  abgerundete  OefFnung.  Andere  Einzelheiten  sind  au 
dem  in  Fig.  V2  wiedergegebenen  Häuschen  nicht  dargestellt. 

Fig.U.    '/, 
Fig.  10.     '/* 


Dna  R.  Museo  archeologico  iu  Taranto  weiat  neben  den  von  P.  Orai 
im  Bullettino  1890,  p.  132,  erwähnteu  monochromen,  durch  Eindrücke  in 
den  feuchten  Thon  geometrisch  vorzierten  Oeflissen  ein  umfangreiches 
und  äusserst  lehrreiches  Material  auf,  das  Beziehungen  zu  Sicilien 
(Castelluccio.  I.  Sikeler- Periode  Orsi's),  dann  aber  auch  zu  Mittelitalien 
und  selbst  zu  Oberitalien  (Villanova)  aufweist.  Die  meisten  Gefässc  der 
Sammlung  stammen  indeas  aus  den  seit  dem  VTIl.  Jahrb.  t.  Chr.  um  den 
Tarontiuiitchen  Meerbuaen  herum  angelegten  griechischen  Ansiedelungen 
oder  sind  doch  sichtlich  unter  dorn  Einflusao  derselben  entstanden. 

Die  ältoxti-n  Zeugen  für  die  Anwesenheit  des  Menschen  im  Lande, 
gesclilagene  oder  geachliffene  Steingeräthe,  scheinen  noch  nicht  ilireti  Hin- 


Vor-  and  Frühgeschichtliches  aus  dem  italienischen  Süden  u.  s.  w.  7 

gang  in  das  Museum  gefunden  zu  haben  ^),  was  um  so  mehr  zu  bedauern 
ist,  als  doch  in  nächster  Nähe  am  Mare  piceolo  di  Taranto,  sodann  auf  der 
den  Tarentiniseben  Meerbusen  im  Nordosten  begrenzenden  salentinischen 
Halbinsel  an  zahlreichen  Punkten  geschlagene  Feuersteinartefakte  gefunden 
sind.  Giustiniano  Nicolucci,  im  Bullettiuo  1879,  p.  140,  berichtet  über 
diese  dem  Richter  Luigi  de  Simone  in  Lecce  gehörigen  Gegenstände. 
Es  befinden  sich  darunter  fein  gearbeitete  Pfeil-  und  Lanzenspitzen  aus 
Feuerstein,  sodann  auch  Messerchen  aus  Obsidian.  Geschliffene  Stein- 
geräthe  enthält  die  betreffende  Privatsammlung  nicht,  wie  denn  Nicolucci 
überhaupt  nur  wenige  geschliffene  Steinbeile,  darunter  ein  Nephritbeil,  das 
sich  ebenfalls  in  seinem  Besitze  befindet,  aus  jener  Gegend  bekannt  ge- 
worden sind.  Es  tritt  dazu  noch  ein  bei  Statte ,  Commune  di  Taranto, 
gefundener  Axthammer  mit  doppelkonischer  Durchbohrung,  aus  einem 
sehr  dichten  Kalksandstein  gefertigt.  Zufolge  der  von  Colini  im 
Bulle ttino  1892,  p.  149  erschienenen  Abhandlung  über  „Martelli  o  mazzuoli 
litici  con  foro  rinvenuti  in  Italia^  ist  dies  der  einzige  aus  ganz  Unter- 
italien bekannt  gewordene  perforirte  Steinhammer,  und  es  erscheint  be- 
merkenswerth,  dass  dieser  gerade  in  einer  Gegend  aufgefunden  ist,  aus 
der  auch  von  megalithischen  Gräbern  berichtet  wird.  Im  südöstlichen 
Theile  der  salentinischen  Halbinsel  befinden  sich  nehmlich  nach  Nicolucci 
(Vol.  XXIII  degli  Atti  dell'  Accademia  Pontaniana;  vergl.  auch  die  Notiz 
im  Bullettino  1893,  p.  346)  noch  sieben  leidlich  gut  erhaltene  Megalith- 
gräber, die  in  ihrem  Aufbau  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  im  Norden 
und  Westen  Europas,  sowie  auf  Corsica  vorkommenden  haben.  Als  ihnen 
besonders  eigenthümlich  ist  der  Umstand  zu  bezeichnen,  dass  nicht  alle 
Wandsteine  aus  einem  Stück  bestehen.  Die  den  Deckstein  tragenden 
Pfeiler  sind  vielmehr  ziemlich  häufig  aus  mehreren,  bis  zu  fünf,  auf- 
einander gelegten,  etwa  20  cm  dicken  Stücken  hergestellt.  Diese  Bauweise 
war  natürlich  nur  möglich  bei  einem  sich  plattig  absondernden  Materiale, 
wie  es  der  in  jener  Gegend  vorkommende  Kalkstein  darbietet.  Aehn- 
liches  habe  ich  weder  bei  den  von  mir  in  Gemeinschaft  mit  Ed.  Krause 
auf  das  Eingehendste  untersuchten  Megalithgräbern  Nordwestdeutschlands, 
noch  bei  den  vielen  mir  zu  Gesicht  gekommenen  Abbildungen  aus  anderen 
Ländern  beobachtet.  Ferner  fällt  mir  bei  den  Dolmen  von  Otranto  be- 
sonders auf,  dass  die  Wandsteine  meist  sehr  weit  auseinanderstehen,  so 
dass  sie  Säulen  gleichen,  auf  denen  der  Deckstein  ruht.  Nur  ein  Grab, 
das  von  Cande,  zeigt  leidlich  gut  aneinanderschliessende  Wandsteine. 
Die  vielen,  z.  B.  bei  dem  Grabe  von  Grassi,  um  die  Kammer  herum 
liegenden  Steine  lassen  in  mir  die  Yermuthung  aufkommen,  dass  die 
Zwischenräume    zwischen   den    Säulen   vielleicht   durch  Steine    ausgefüllt 


t)    Das   Yon   Orsi   1.  c.   erw&hnte    geschlififene   Steinbeil   and  einige   Bronzewafifen 
konnten  mir  nicht  vorgezeigt  werden. 


8  0.  S0H0BTBN8ACK: 

waren.  Der  sich  plattig  absondernde  Kalkstein  eignet  sich  nehmlich  ganz 
vorzüglich  zum  Anfbau  mörtelloser  Wände,  wie  die  im  südlichen  Apnlien 
über  das  ganze  Land  vertheilten,  nach  vielen  Tausenden  z&blenden  Rund- 
bauten darthuen.  Diese,  bereits  in  dieser  Zeitschrift  1881,  Yerh.  S.  135, 
von  Hm.  Virchow  erwähnten,  etwa  3  m  hohen,  mit  einem  Eingang  ver- 
sehenen, oben  in  einem  runden  Zeltdach  endigenden  Schutzhütten  für  die 
in  den  Olivenpflanzungen  beschäftigten  Arbeiter  sind  aus  plattigem  Wellen- 
kalk ohne  jedes  Bindemittel  kunstvoll  aufgebaut.  Die  Dolmen  der  Terra 
d'Otranto  zeigen  im  Uebrigen  nichts  Auffälliges.  Die  Kammer,  die  meist 
von  einem,  zwischen  3  und  5  m  langen  Stein  gedeckt  wird  (bei  dem 
Megalithgrabe  von  Grassi  scheinen  3  kürzere,  zusammen  5,50  m  lange 
Deoksteine  verwendet  zu  sein),  ist  stets  über  1  wi,  in  einigen  Fällen  bis 
nahezu  3  m  breit.  Da  die  Wandsteine  durch  die  auf  ihnen  ruhende  Last 
meist  aus  ihrer  Lage  gedrückt  werden,  so  ist  die  ursprüngliche  Breite, 
wie  ich  mich  bei  der  Untersuchung  der  Megalithgräber  Nordwestdeutsoh- 
lands  überzeugt  habe,  stets  nur  annähernd  zu  ermitteln.  Die  Kammer 
ragt  meist  1  m  aus  der  Erde  hervor;  eine  Orientirung  nach  einer  be- 
stimmten Himmelsrichtung  scheint  nicht  stattgefunden  zu  haben.  Alle 
diese  Monumente  befinden  sich  so  nahe  der  Küste,  dass  man  das  Meer 
von  ihnen  aus  sehen  kann.  Nach  der  Angabe  der  dort  ansässigen  Land- 
bewohner sind  sie  in  früherer  Zeit  viel  zahlreicher  gewesen. 

Ausser  den  Dolmen  kommen  in  der  Terra  d'Otranto  noch  einzeln 
aufgerichtete  Steine  (Menhirs)  vor.  Dieselben  sind  im  Querschnitt  vier- 
eckig und  haben  eine  Höhe  bis  zu  4,4()  m  über  dem  Erdboden.  Sie  sind, 
an  einigen  Orten  gedrängter,  meist  aber  vereinzelt  stehend,  über  die 
salentinische  Halbinsel  hin  zerstreut.  Femer  finden  sich  auf  dem  ge- 
nannten Gebiete  auch  Tumuli,  die  aus  Steinen  bis  zur  Höhe  von  10  wi, 
bei  einem  Durchmesser  von  30  m  an  der  Basis,  errichtet  sind.  Eine 
systematische  Untersuchung  dieser  Hügel  hat  noch  nicht  stattgefunden. 

Die  grosse  Seltenheit  der  durchbohrten  Steinhämmer  im  südlichen 
Italien  und  auf  den  Inseln  (von  Sardinien  sind  nur  drei,  von  Sicilien  nur 
einer  bekannt  geworden),  erklärt  sich  wohl  durch  den  Umstand,  dass  das 
Metall  hier  durch  seefahrende  Händler  viel  früher  eingeführt  wurde,  als  in 
Oberitalien  und  in  dem  sich  nördlich  daranschliessonden  Ländercomplex. 
Bei  uns  im  Norden  bediente  man  sich  noch  viele  Jahrhunderte  hindurch 
geschliffener  Steinhämmer,  die  man  denjenigen  aus  Metall  nachbildete,  als 
letzteres  schon  Gemeingut  der  meisten  Bewohner  des  südlichen  Italiens 
geworden  war. 

Uebrigens  hat  die  den  Tarentinischen  Meerbusen  im  Westen  begrenzende 
Basilicata  zahlreiche  Funde  von  interessanten  Steingeräthen  ergeben,  wo- 
rüber im  Bullettino  1880.  p.  77,  1890,  p.  138  und  in  den  Notizie  degli 
seavi  189H,  p.  53  berichtet  wird.  Es  finden  sich  dabei  auch  sogenannte 
megalithische,  durch  Schlag  hergestellte  Feuersteinbeile  vom  Typus  Saint- 


Vor-  nnd  FröligeichiclitlicheB  ans  dem  italienigchpa  Süden  u.  s.  w.  9 

Acheul  (vergl.  darüber  auch  diese  Zeitschrift  1881,  Verh.  S.  135),  auf  die 
wir  noch  zurückkommen  werden.  Die  von  Lacava  in  der  Lncania 
Ifltterana  (MSrz  1885)  beschriebenen  kyklopischen  MIaueni,  die  sieh  auf 
isolirten  Bergkegeln  des  Gebirges  noch  in  ansehnlichen  Resten  erhalten 
haben,  weisen  darauf  hin,  dass  hier  noch  mancher  Aufschluss  durch  den 
Spaten  zu  erwarten  ist. 

Einen  allenfalls  an  die  Steinzeit  erinnernden  Gegenstand  aus  dem 
Tarentiner  Museum  wollen  wir  nicht  anerwilhnt  lassen:  Es  ist  dies  der 
durchbohrte  kegelförmige  Zahn  eines  Potwais  (Physeter  macrocephalus). 
Daes  dieser  Zahn  als  Schmuck  gedient  hat,  wird  durch  die  an  dem  einen 
Ende  ausgeführte  Bohrung  wahrscheinlich.  In  der  BrQsseler  Sammlung 
befinden  sich  unter  den  belgischen  Höhlenfunden  zahlreiche  derartige 
Artefakte. 

Kg.  13.    V. 


In  Bari,  dessen  Museum  nichts  von  steinzeitlichen  Funden  aufzuweisen 
hat,  obgleich  in  der  Provinz  Bari  umfangreiche  Funde  der  neolithischen 
Periode  gemacht  sind  (cf.  Bullettino  1876,  p.  207",  fand  sich  noch  Gelegen- 
heit, eine  interessante  Sammlung  von  Feuerateingeräthen  zu  besichtigen, 
die  vou  dem  Monte  Gargano  stammen.  Sie  wurden  von  einem  dort  an- 
sässigen Geistlichen  gesammelt  und  befinden  sich  jetzt  im  Besitze  des 
Hm.  Morelli,  der  Besitzer  einer  Apotheke  iu  Bari  ist  und  zugleich  eine 
naturwissenschaftliche  Lehrthätigkeit  daselbst  ansflbt.  Ausser  einem  durch 
Schleifen  hergestellten  cylindrischen,  über  30  cm  langen  Feuersteingeräth, 
das  einem  zugespitzten  Stabe  gleicht,  ist  eine  Serie  von  mehreren  hundert 
gesclilogenen  Silex-Instrunieuten  vertreten,  worunter  zwei  grosse  Beile  vom 
Typus  Saint-Acheul  besonders  hervorzuheben  sind.  Das  eine,  durch  die 
Liebenswürdigkeit  des  Hrn.  Morelli  in  den  Besitz  dos  Verfassers  über- 
gegangene Artefakt,  dessen  Form  sich  aus  der  beifolgenden  Abbildung 
(Fig.  13)  ergiebt,  ist  185  mm  lang  und  an  einem  Ende  85  mm  breit.    Das 


10  0.  S0H0£T£N8A0K: 

Material  ist,  wie  der  frische  Bruch  zeigt,  ein  dunkelgrauer  Feuerstein. 
Die  Flächen  des  Beiles  zeigen  eine  gelblichweisse,  schwachglänzende 
Patina,  die  in  relativ  dicker  Schicht  aufliegt.  Da  diese  auch  die  abge- 
brochene äusserste  Spitze  bedeckt,  so  ist  das  Instrument  offenbar  schon 
zur  Zeit  des  Gebrauches  schadhaft  geworden. 

Im  Bullettino  1876,  Taf.  I\  (siehe  auch  den  Text  desselben  Jahrgang» 
p.  122  und  228)  ist  ein  ebenfalls  durch  Schlag  hergestelltes  Feuersteinbeil 
abgebildet,  das  bei  Ceppagna,  Provincia  di  Molise,  gefunden  wurde  und 
in  auffälliger  Weise  dem  unserigen  gleicht,  nur  ist  es  noch  etwa  50  mm 
länger.  Auch  aus  den  Abruzzen,  ferner  aus  den  Provinzen  Umbria,  An- 
cona,  Bologna,  Parma  und  Verona  (Bullettino  1878,  p.  129)  sind  derartige 
Funde  bekannt  geworden.  Wir  haben  also  längs  der  adriatischen  Küste 
vom  Po -Gebiete  an  bis  zum  Golf  von  Taranto  eine  fortlaufende  Kette 
derselben. 

Bei  Erwähnung  eines  Feuersteinbeiles  vom  Typus  Saint- Acheul,  da» 
mit  anderen  neolithischen  Artefakten  zusammen  im  Yeronesischen  gefunden 
wurde,  macht  Pigorini  (im  Bullettino  188ff,  p.  97)  darauf  aufmerksam, 
dass  in  Italien  besagter  Typus  vielleicht  überhaupt  nicht  nur  der  paläo- 
lithischen  Epoche  zuzuzählen  ist,  sondern  dass  derselbe  auch  noch  einer 
späteren  Periode  anzugehören  scheint,  so  dass  sich  also  paläolithische  und 
neolithische  Typen  gemischt  vorfänden.  Eine  ähnliche  Ansicht  sprach 
J.  Allen  Brown  in  seiner  im  Journal  of  the  Anthropol.  Institute  of  Great 
Britain  and  Ireland  1892  veröffentlichten  Abhandlung:  „On  the  continuity 
of  the  palaeolithic  and  neolithic  periods^  in  Bezug  auf  England  aus.  Wie 
aber  Professor  Boyd  Dawkins  in  derselben  Zeitschrift  1894  in  einem 
Aufsatze:  „On  the  relation  of  the  palaeolithic  to  the  neolithic  period*^  aus- 
führt, können  die  von  J.  Allen  Brown  vorgebrachten  Beweise  für  die 
Continuität  der  beiden  Perioden  nicht  als  stichhaltig  angesehen  werden, 
da  die  betreffenden  Funde,  auf  die  sich  letztgenannter  Forscher  stützt, 
sich  nicht  mehr  in  primärer  Lage  befanden.  Boyd  Dawkins  hält  viel- 
mehr daran  fest,  dass  die  paläolithische  und  die  neolithische  Periode  für 
ganz  t]uropa  streng  von  einander  zu  trennen  sind. 

Gerade  Italien,  und  besonders  der  dem  adriatischen  Meere  zu  gelegene 
Theil,  dürfte  noch  berufen  sein,  in  dieses  noch  nicht  genügend  aufgehellte 
Gebiet^)  Licht  zu  bringen,  sobald  die  Fundumstände  der  sogenannten 
megalithischen  Feuersteinbeile,  darunter  auch  derjenigen  des  Monte  Gargano, 
besser  erforscht  sein  werden. 

1)  Bekanntlich  sind  neuerdings  auch  in  Africa,  im  Soroallande,  dorch  H.  W.  Seton- 
Karr  zahlreiche  Steingerlihe  aufgefunden,  die  Sir  John  Et  ans  als  palAolithische  bt^stimmt 
hat  Diese  Artefakte  scheinen  sich  nicht  von  den  in  Europa  und  Asien  aufgefundenen 
aus  der  gleichen  Epoche  lu  unterscheiden,  und  man  ist  geneigt  anzunehmen,  dass  zwischen 
den  Bewohnern  der  drei  Erdtheile  in  pal&olithischer  Zeit  ein  Zusammenhang  bestand* 
Vergl.  Joum.  of  the  Anthrop.  Institute  VoL  XXV  ;Kebruary  1*?%^  p.  271— •;4  und  Procee- 
ding»  of  the  Rojal  Societj  Vol.  LX,  p.  19. 


Vor-  und  Frühgeschichtliches  aus  dem  italienischen  Süden  u.  s.  w.  1 1 

Bei  Cotrone,  das  wie  Taranto  im  Bereiche  des  pliocänen  Kalkes  ge- 
legen ist,  nähern  wir  uns  dem  Granitmassiv  des  bis  zu  1930  m  ansteigen- 
den Silagebirges,  welches  im  nordöstlichen  und  südwestlichen  Theile  kry- 
stallinische  Schiefer  aufweist.  Die  Privatsammlung  des  Marchese  Lucifero 
in  Cottrone  gab  uns  Gelegenheit,  die  Gesteine  dieser  Formationen  in  den 
in  der  Umgegend  gefundenen  Steinbeilen  kennen  zu  lernen.  Es  möge 
daraus  das  in  Fig.  14  abgebildete,  aus  schieferigem  Gestein  gefertigte 
Artefakt  hervorgehoben  werden,  das  eine  ringsumlaufende  Rille  aufweist, 
die,  wie  man  dies  aus  analogen  Geräthen  amerikanischer  Naturvölker  ent- 
nehmen kann,  zur  Befestigung  eines  Stieles  gedient  hat.  Hr.  Deich- 
müller beschreibt  in  dieser  Zeitschrift  1895,  Verh.  S.  136  ein  derartiges, 
in  der  Dresdener  Sammlung  befindliches  Werkzeug,  das  von  einem  nord- 
amerikanischen Indianerstamme  herrührt,  und  Hr.  A.  Voss  führt  verschiedene 
Fundorte  derartiger,  mit  Rillen  versehener  Steingeräthe  auf,  die  zum  Theil 
flache  oder  abgerundete  Schlagflächen  zeigen^).  Es  werden  genannt: 
Hissarlik  (zweite  Stadt),  El  Argar  in  Spanien,  das  Kupferbergwerk  auf 
dem  Mitterberge  bei  Bischofshof en  im  Salzburgischen,  Böhmen,  die 
preussische  Provinz  Sachsen  und  Scandinavien.  Da  diese  Funde  mehrfach 
in  Bezirken  gemacht  sind,  in  denen  früher  Bergbau  betrieben  wurde,  so 
nimmt  man  an,  dass  die  Werkzeuge  dort  zum  Zerkleinern  von  Erzen 
gedient  haben.  (Jebrigens  ist  ein  solches  Geräth  auch  besondws  geeignet 
zum  Eintreiben  von  Holznägeln  oder  zum  Zermalmen  von  Knochen,  wie 
denn  nach  Hrn.  R.  Virchow  der  Führer  der  nordamerikanischen  inter- 
nationalen Polar-Expedition  nach  Point  Barrow,  Mr.  John  Murdoch,  eine 
derartige  Verwendung  der  von  ihm  mitgebrachten  Rillenhämmer  seitens 
der  Eingeborenen  angiebt.  Das  Steingeräth  von  Cotrone  ist  an  dem  einen 
Ende  mit  einer  spitz  zulaufenden  Schneide  versehen  und  dürfte  demnach 
mehr  zum  Spalten  von  Holz  oder  dergl.  gedient  haben. 

Die  übrigen  in  besagter  Privatsammlung  befindlichen  Steinbeile  sind 
entsprechend  den  durch  die  Flüsse  aus  den  Bergen  herabgeschwemmten 
Gerollen  vielgestaltig;  am  Bahnende  mehr  oder  weniger  verjüngt,  nähern 
sie  sich  meist  der  Mandelform;  aber  auch  ganz  flache,  annähernd  oblonge 
Formen  kommen  vor.  Der  Querschnitt  ist  flachoval  bis  fast  kreisrund;  ein 
viereckiger  Querschnitt  ist  nicht  dabei. 

Femer  befindet  sich  in  der  Sammlung  des  Marchese  Lucifero  eine 
Kupferaxt  (der  Strich  zeigt  wenigstens  die  rothe  Farbe  des  Kupfers,  eine 
genaue  Untersuchung  wäre  erwünscht),  die  wegen  der  eigenartigen,  durch 
Punziren  auf  den  Flächen  hergestellten  Zeichnung,  die  unsere  Abb.  Fig.  15 

1)  Nebenbei  mag^  hier  die  Bemerkang  Platz  finden,  dass  die  Steinaxt  ans  Catania, 
die  Freiherr  von  Andrian  in  seinen  .«Prähistorischen  Studien  ans  Sicilien'  abbildet,  sich 
nicht,  wie  in  dieser  Zeitschrift  a.  a.  0.  vcrmuthet  wird,  in  der  Wiener  Sanunlnng,  sondern 
im  Moaeo  nazionale  in  Palermo  befindet,  ebenso  wie  die  dnrch  von  Andrian  abgebildeten 
Thongef&sse  aus  Sicilien. 


0.  SOHOKTENSACK : 


infolge  des  reducirten  Maassetabes  mangelhaft  wiedergiebt  *).  bemerkenewertb 
eracheint.    Die  Axt  wurde  in  der  Ctegend  von  CosenzR  gefunden.    Auf  der 


> 


Fig.  16.    V, 


1)  Die  Striche  Mni  alle  io  Zickiack-  beiir.  Wellenlinien  i 
8  die  Mittellinie  der  banniartiKen  Fipnr  atideiitPt 


Vor-  und  Frühgeschichtliches  aus  dem  italienischen  Süden  u.  s.  w.  13 

einen  Seite  derselben  sind  bäum-  oder  federartige  Figuren  dargestellt,  die 
zum  Theil  durch  eine  starke  Patina  zugedeckt  sind,  auf  der  anderen  Seite 
erscheinen  vier  mit  den  Ecken  zusammenstossende  Quadrate,  zwei  schräg- 
liegende Kreuze  und  ein  kleines,  gerade  stehendes;  das  daneben  liegende 
Feld  lässt  wegen  der  Patina  die  Zeichnung  nicht  erkennen. 

Eine  andere  bronzene  (?)  Axt  ähnlicher  Gestalt,  aber  ohne  Verzierungen, 
befindet  sich  in  der  Sammlung  des  Marchese  Albani  in  Cotrone.  Es  ist 
dies  ein  Grabfund  von  Spezzano  Albanese,  ebenfalls  aus  der  Gegend  von 
Cosenza.  Die  Albani 'sehe  Sammlung  enthält  auch  eine  Anzahl  kunstvoll 
gearbeiteter,  bis  zu  15  cm  langer  prismatischer  Messer  aus  hellgrauem 
durchsichtigem'Feuerstein  mit  Schlagmarken  am  breiten  Ende  der  Haupt- 
fläche. Die  Abbildung  eines  solchen  geben  wir  in  Fig.  16  wieder.  Diese 
Feuerstein -Artefakte  stammen  von  Policoro  in  der  Basilicata;  das  Roh- 
material wird  wohl  den  in  dieser  Provinz  anstehenden  mesozoischen 
Schichten  entnommen  sein. 

Ueber  die  Funde  von  Steingeräthen  in  Calabrien  besitzen  wir  werth- 
voUe  Nachrichten  von  D.  Lovisato,  früher  im  Lande  selbst  domicilirt, 
jetzt  Professor  der  Mineralogie  an  der  Universität  in  Cagliari  auf  Sardinien. 
In  den  Mem.  della  R.  Accademia  dei  Lincei,  1885  und  in  den  vorauf- 
gehenden Jahrgängen,  sowie  im  Bullettino  1889  und  1894  sind  388  ge- 
schliffene Steinbeile  beschrieben,  die  zum  weitaus  grösseren  Theile  in  der 
Provinz  Catanzaro,  zum  kleineren  Theile  in  der  Gegend  von  Cosenza  und 
Reggio  gefunden  wurden.  Wie  allenthalben  ist  ausgesucht  zähes  und 
hartes  Material  dazu  verwendet:  Porphyr,  Diorit,  Tremolit,  Nephrit  (26)*), 
Sillimanit,  Eklogit,  Jadeit  (2),  Chloromelanit  (1).  Serpentin  ist  nur  wenig 
gebraucht,  ebenso  sind  jüngere  vulkanische  Gesteine  sehr  selten  unter  den 
Artefakten.  Die  verhältnissmässig  grosse  Anzahl  von  Funden  geschliffener 
Steinbeile,  sowie  auch  in  der  Gegend  von  Squillace  aufgefundener  Werk- 
zeuge aus  geschlagenem  Feuerstein  (Bullettino  1883,  p.  115)  beweist 
jedenfalls,  dass  Calabrien,  und  besonders  das  um  den  Golf  von  Squillace 
gelegene  Gebiet,  schon  in  einer  sehr  weit  zurückliegenden  Zeit  nicht 
spärlich  besiedelt  war. 

Das  städtische  Museum  von  Reggio  di  Calabria  weist  eine  ziemlich 
grosse  Anzahl  geschliffener  Steinbeile  auf,  deren  Material  aus  dem  Gneiss- 
gebiete des  Aspromonte  stammt.  Es  sind  namentlich  aus  dem  Gebirge  herab- 
geschwemmte Amphibolgesteine  verwendet,  die  im  Querschnitt  meist  noch 
die  Geröllform  erkennen  lassen.  Ein  fein  polirtes  grünliches  Steinbeil 
(Fig.  17)  weist  der  Länge  nach  einen  Schnitt  auf  und  zeigt  also  eine  vor- 
geschrittene Technik.  Ein  nirgends  mit  einer  Schneide  versehenes  Gneiss- 
artefakt (Fig.  18)    gleicht  den  von  Schliemann  in  Hissarlik  gefundenen, 

1)  Die  in  Klammem  gesetzte  Zahl  bedeutet  die  Anzahl  der  von  dem  betreffenden 
Minenüe  gefundenen  Beile:  bezüglich  Nephrit  heisst  es:  .Yentisei  oggetti  di  nefrite  o 
minerale  nefritoide  o  nefrite  impora." 


H  0.   SOHOBTENSACK : 

dem  Körper  niner  Violine  nicht  unähnlich  ausseheadeu  Qegeudt&aden. 
ÄusBerdem  treten  uns  hier  Messerchen  aus  dunkel^auem  Obaidiftii  ent- 
gegen, Ton  denen  Fig.  19  und  20  eine  Vorstellung  geben  mögen.  Die 
eine  Seite  dieser  zierlichen  Instrumente  stellt  eine  convex  gebogene  Fläche 
dar,  während  auf  der  anderen  Seite  mehrere  zam  Theil  concav  verlaufende 
Flächen  ersebeinen. 

PiftlS.     '/.  Pig.19.    •/.  FiR  20.     *, 


Nach  Minh  Palnmbo  (Bullettino  1875,  p-  165)  kommen  Obsidian- 
messer  auf  dem  coutioeotalen  Theile  Italiens  nördlich  bis  zum  Po-Gebiete 
vor,  sodann  auf  Sicilien  (die  Gegend  südlich  von  Cefalii  weist  die  meisten 
Fundorte  auf,  im  Innern  der  Insel  ist  Caltanisetta  zu  nennen),  Sardinien, 
Capri,  Pianosa  und  Elba.  Vereinzelt  sind  auch  Nucloi  von  Obsidian 
nebst  abgespaltenen  Meseerchen  gefunden  worden,  so  bei  Reggio  di  Calabria 
und  bei  Ruto.  Die  Farbe  des  von  den  Liparischen  Inseln  stammenden 
Obsidian  ist  silbergrau  bis  sammetsohwarz ,  auch  olivenfarbig  oder  weiss 
perlfarbig.  Die  flaschengrQne  Varietät  kommt  weder  auf  Lipari,  noch 
sonstwo  in  Italien  vor;  Funde  derartiger  Obsidiunartefakte  lassen  also  auf 
Import  aus  anderen  Ländern  schliessen.  Die  bis  jetzt  in  Italien  ge- 
fundenen Obsidianwerkzenge  scheinen  alle  der  neoUthischen  Zeit  anzu- 
gehören. 

Von  Torgriechi sehen  Thongefftssen  aus  dem  Musoum  von  Reggio  sind 
einige  bereits  im  Bullettino  1K90,  p.  48  beschrieben.  Es  befindet  sich 
darunter  ein  in  der  Form  gemiliges,  mit  Graphit  aberzogenes,  flaches 
Oefäss,  das  auf  dem  oberen  Theile  der  konisch  gestalteten  Ausbauchung 
mit  drei  Buckeln  geschmückt  ist.  Andere  gleichzeitig  aufgefundene  Ge- 
fässe  sind  roher  gearbeitet.  — 

Von  Bii'ilien,  das  wir  nunmehr  betreten,  ist  nur  das  Pelontanische 
Gebirge,  das  den  nordöstlichen  Zipfel  der  Insel  einnimmt,  aus  dem  gleichen 
Urgestein,  wie  der  gegenüberliegende  Aspromoute,  aufgebaut;  der  übrige 
Theil  des  Eilandes  besteht  der  grosaen  Hauptsache  nach  aus  tertiären 
Schichten,  die  ausser  den  Schwefel  und  Steinsalz  fahrenden  Gjpsen  Kalk- 


Vor-  und  Frühgeschichtliches  aus  Sicilien.  15 

und  Sandsteine,  Mergel  und  Thone  aufweisen.  Cretacische  und  jurassische 
Bildungen  treten  nur  vereinzelt  auf.  Basalte,  die  ira  Bereiche  des  Aetna 
und  des  Val  di  Note  zu  mächtiger  Entwickelung  gelangten,  sind  in  kleineren 
Lagern  über  einen  grossen  Tlieil  von  Sicilien  verbreitet.  An  geeignetem 
Rohmaterial  für  die  zu  schlagenden  und  zu  schleifenden  Steinwerkzeuge 
fehlte  es  hier  also  nicht. 

Der  südöstliche  Theil  der  Insel,  die  Provinz  Syrakus,  ist  von  Paolo 
Orsi  in  geradezu  mustergültiger  Weise  durch  den  Spaten  erforscht.  Seit 
dem  Jahre  1889  ist  dieser  Gelehrte  in  ebensq  unermüdlicher  und  ent- 
behrungsvoller, wie  zielbewusster  Arbeit  damit  beschäftigt,  dort  Grabungen 
ausführen  zu  lassen,  welche  die  bisher  nur  spärlich  gebrachten  Nach- 
richten über  die  älteste  Bevölkerung  Siciliens  in  dankenswerther  Weise 
vervollständigen.  Eine  grosse  Anzahl  von  Nekropolen,  sowie  auch  eine 
Ansiedelung  der  Sikeler,  mit  denen  wir  fortan  die  Sikaner  in  Hinsicht 
ihrer  Cultur  identificiren  können,  wurde  systematisch  untersucht.  Die 
aufgefundenen  Gegenstände  sind  im  Königlichen  Museum  zu  Syrakus 
vereinigt.  Die  Ergebnisse  dieser  Forschungen  sind  im  Wesentlichen 
folgende : 

Die  ältesten  Culturreste,  die  zum  Theil  aus  natürlichen  Grotten  zu 
Tage  gefördert  wurden,  zeigen  uns  eine  noch  ganz  in  der  Steinzeit  lebende 
Bevölkerung,  deren  Werkzeuge  und  Waffen  aus  geschlagenem  Kiesel,  ge- 
schliffenem Basalt  und  bearbeitetem  Bein  bestanden.  Die  von  den  Mahl- 
zeiten zurückgebliebenen  Knochen  rühren  von  Hausthieren  her,  die,  der 
Skeletbildung  nach  zu  urtheilen,  halbwild  lebten.  Es  sind  vertreten: 
Wildziege,  Schaf,  Rind,  eine  grössere  (Bos  priraigenius  domesticus?)  und 
eine  kleinere  Rasse  (Bos  brachyceros  Rütimeyer?),  Schwein  (Sus  palustris 
Rütimeyer),  sowie  zwei  Varietäten  des  Hundes,  eine  kleinere  (Canis 
Spalletti,  Strobel?)  und  eine  grössere  (Canis  palustris  Rütimeyer).  Ausser- 
dem sind  gefunden  Reste  von  Mustela  und  vereinzelt  Muschelabfälle. 
Eigentliche  Waldthiere  fehlen.  —  Die  Keramik  beschränkt  sich  auf  die 
Herstellung  von  Gefässen,  die  aus  freier  Hand  geformt,  mit  zum  Theil 
weiss  ausgefüllten  Eindrücken  geometrischer  Figuren  überladen  und  bei 
offenem  Feuer  gebrannt  sind. 

Von  der  durch  diese  Funde  nachgewiesenen,  im  eigentlichen  Sinne 
prähistorischen  Bevölkerung  verschieden  war  die  sikelische,  die  den  Nach- 
richten der  Alten  zufolge  ihre  Dörfer  mit  Vorliebe  auf  steilen,  schwer 
zugänglichen  Höhen  anlegte.  Ihre  einstige  Existenz  bezeugen  uns  fast 
nur  noch  die  zahlreichen  Grabkammern,  die  meist  in  die  abfallenden  Fels- 
wände unterhalb  der  Ansiedelungen  eingehauen  sind.  Die  Oeffnung  der 
Kammer  ist  gewöhnlich  senkrecht  angelegt,  und  es  musste  deshalb  bei 
schräg  abfallendem  Felsen  ein  nach  oben  offener  Vorraum  geschaffen  werden. 
Wurden  die  Gräber  ausnahmsweise  nicht  in  einen  Abhang  eingearbeitet, 
wie  auf  Plemmyrion  und  theilweise  auf  Thapsos,  so  wurde  ein  senkrechter 


16  0.   SCHOETBNSAOK: 

Schacht  hergestellt,  und  von  diesem  aus  führte  eine  seitliche  Oeffnung  in 
die  Kammer.  Der  Verschluss  des  Einganges  geschah  durch  Platten,  welche 
meist  in  Falze  eingelassen,  durch  eingekeilte  Steinsplitter  befestigt  und 
vielfach  noch  durch  Trockenmauern  gesichert  wurden.  Die  Zahl  der  un- 
berührten Gräber,  welche  wissenschaftlich  erforscht  werden  konnten,  ist 
nur  gering. 

Wenn  auch  die  meisten  Gräber  in  früherer  Zeit  schon  geöffnet  und 
zum  Theil  ihres  Inhaltes  beraubt  worden  sind,  so  gestatten  doch  die  noch 
übrig  gebliebenen  Gegenstände,  sowie  die  Construction  der  Gräber  selbst, 
in  der  Cultur  der  Sikeler  drei  Perioden  zu  unterscheiden*),  und  die  erste 
derselben  mit  der  Zeit  der  Cultur  von  Hissarlik  (Troja),  die  zweite  mit 
der  darauffolgenden  mykenischen  Epoche  (etwa  1500 — 800),  die  dritte  mit 
der  erneuten  Herrschaft  des  geometrischen  Stils  in  Griechenland  (etwa 
1000—700)  gleichzusetzen. 

In  der  ersten  Periode  sind  die  Grabkaramern  eng  und  niedrig 
(Höhe  etwa  1  m,  Bodenfläche  etwa  2  qrn).  Sie  haben  im  Grundriss  und 
Durchschnitt  eine  unr<»gelmässige  Gestalt  und  lassen  sich  in  ihrer  Form 
etwa  mit  einem  Backofen  vergleichen.  Die  Aushöhlung  wurde,  nach  einigen 
in  den  Gräbern  gefundenen,  abgenutzten  Basaltbeilen  zu  urtheil^n,  haupt- 
sächlich wohl  mit  diesem  primitiven  Werkzeuge  ausgeführt.  Wie  Hr.  Orsi 
uns  mitzutheilen  die  Güte  hatte,  haben  die  durch  ihn  vorgenommenen 
praktischen  Versuche  ergeben,  dass  mit  diesen  Instrumenten  allein  die 
Arbeit  kaum  hergestellt  werden  konnte.  Es  ist  deshalb  auch  an  die  an 
anderen  Orten  aus  vorgeschichtlicher  Zeit  beobachtete  Absprengung  des 
Gesteins  durch  Erhitzung  und  schnell  darauf  erfolgende  Abkühlung  zu 
denken.  In  der  Kammer,  zu  welcher  eine  50 — 75  cm  hohe  fensterartige 
Oeffnung  von  viereckiger  Gestalt  führt,  war  eine  grössere  Anzahl  von 
Leichen  untergebracht.  Sie  wurden  in  hockender  Stellung  vielfach  an  die 
Wand  gelehnt  und  mit  zahlreichen  Thongefässen  versehen,  so  dass  sie  wie 
zu  einem  Mahle  vereinigt  erscheinen.  In  mehreren  Fällen  fand  man  aber 
auch  die  Kammer  buchstäblich  mit  Skeletten  vollgepfropft.  Dass  die 
Leichen  vor  der  definitiven  Beisetzung  skelettirt  wurden,  wird  von 
Hrn.  Orsi  (BuUettino  1892,  p.  81)  in  einzelnen  Fällen  als  wahrscheinlich 
angenommen.  Stichhaltige  Anhaltspunkte  dafür  habe  ich  aber  nirgends 
finden  können. 

1    Die  y^neolithische)  vorsikelische  Periode  mit  folgenden  Fondorten:    Stenti- 
nello,  Palazzolo,  Acreide  and  mehrere  Punkte  in  unmittelbarer  X&he  von  S}Takus. 
Die  ;aeneolithischey  erste  Sikeler-Periode: 
a;    Nükropolen:    Melilli,   Bemardina,   Cara  della  Signora  (CasteUuccio),  Cava  della 

Secchiera  und  CoUe  Tabuto  bei  Ragusa. 
b^    Die  sikelische  Niederlassung  von  Castellnccio. 
Di«'  der  Bronzezeit  aogehörige  zweite   Sikeler-Periode   mit   den  Nekropolen: 
Plemmyrion,  Molinello,  Cozzo  del  Pantano,  Milocca,  Pantalica  und  Thapsos. 

Die  der  ersten  Eisenzeit  angehörige  dritte  Sikeler-Periode  mit  den  Nekro- 
polen: (Pantalica),  Tremcnzaoo,  Finoccluto. 


Vor-  und  Fröhgeschichtliches  ans  Sicilien.  17 

Die  den  Todten  mitgegebenen  Schmuckgegenstände  sind  sehr  primi- 
tiver Natur.  Es  finden  sich  aus  Stein  oder  einheimischem  fossilen  Harz 
hergestellte  Perlen  und  ringartige  Scheibchen,  ganz  kleine  mit  einem 
Loch  zum  Anhängen  versehene  Steinbeile  und  Muscheln,  ein  durchbohrter 
Haifischzahn  u.  dergl.  Bronze  kommt  äusserst  selten  vor  und  nur  als 
Sckmuck;  es  fanden  sich  längliche  doppelkonische  Perlen,  Beste  einer 
dünnen  Spirale  und  Aehnliches.  In  einem  völlig  unberührten  Grabe  wurde 
auch  ein  halber  Eisenring  gefunden.  Diese  Metallsachen  sind  sehr  wahr- 
scheinlich eingeführt,  ebenso  wie  die  kunstvoll  gearbeiteten  Knochenplatten, 
die  auf  ihrer  Oberfläche  in  einer  Beihe  angeordnete,  an  Scarabäen  er- 
innernde, knopfartige  Erhebungen  zeigen  und  in  dieser  Zeitschrift  1891, 
Verh.  S.  411  abgebildet  sind.  Wie  Hr.  Virchow  ebendaselbst  ausführte, 
kennen  wir  ähnliche  Knochenarbeiten  aus  Hissarlik. 

Bei  den  in  den  Gräbern  gefundenen  Thohgefässen,  die  ohne  Töpfer- 
scheibe gearbeitet  und  bei  offenem  Feuer  gebrannt  sind,  kann  man  zwei 
Gattungen  unterscheiden:  Erstens  Gefässe  meist  von  kleineren  Dimensionen, 
welche  nur  die  braune  Farbe  des  Thones  zeigen  und  selten  durch  ein- 
gedrückte oder  eingestochene  Ornamente  verziert  sind.  Zweitens  Gefässe 
aus  gelblichem  oder  hellröthlichem  Thon  mit  einem  gelblichen  oder  lebhaft 
rothen  Farbüberzuge.  Sie  sind  durch  erhabene  Bänder  oder  durch  schwarz- 
braun aufgemalte,  oft  der  Flechtkunst  entnommene,  geometrische  Zeich- 
nungen geschmückt.  Unter  den  mannichfaltigen  Formen  der  Yasen  sind 
hervorzuheben  doppelkonische  Kelche  und  ein-  oder  zweihenkelige  Becher 
von  gefälligem  Aussehen. 

Die  Erforschung  der  Abfälle  einer  sikelischen  Niederlassung  bei 
Castelluccio  vervollständigt  das  Bild,  welches  die  Gräber  ergeben.  Es 
fanden  sich  Knochen  vom  Bind  (die  beiden  schon  in  der  neolithischeü 
Periode  erwähnten  Bässen),  Schwein,  Schaf,  von  der  Ziege  und  vom  Edel- 
und  Damhirsch,  vereinzelt  auch  vom  Hund  und  Pferd.  Ferner  wurden 
zahlreiche  Silexmesser,  abgenutzte  Basaltbeile,  eine  elliptische,  als  Hand- 
mühle gedeutete  Basaltplatte,  wie  ähnliche  aus  Troja  und  Therasia  bekannt 
sind,  zu  Werkzeugen  verarbeitete  Knochen,  auch  eine  verzierte  Knochen- 
platte, wie  die  oben  erwähnten,  zahlreiche  Gefässscherben,  thönerne  Spinn- 
wirtel  und  hornförmige,  vielleicht  als  Talisman  gebrauchte  Gegenstände 
gesammelt. 

In  der  zweiten  Periode  wird  die  Grabkammer  geräumiger;  sie  hat 
meist  einen  kreisrunden  oder  leicht  elliptischen  Grundriss  mit  einem 
mittleren  Durchmesser  von  2,5 — 3  m  und  eine  etwa  1,5  m  hohe,  vielfach 
kuppeiförmige  Decke,  wie  die  Tholoi  des  mykenischen  Culturkreises. 
Unten  an  der  Wand  läuft  eine  niedrige  Bank  hin.  Eine  oder  mehrere,  in 
regelmässigen  Abständen  angelegte  Nischen  und  eine  Vorkammer  erweitem 
den  Baum  des  Grabes.  Die  Eingänge  werden  etwas  grösser  nnd  nähern 
sich   der  Thürform.    Bemerkenswesth  ist,    dass    in    einigen  Gräbern    der 

Z«it«cbrifl  für  Ethnologie.    Jahrg.  1Ö97.  2 


19  0.  8OH0«nDI8A0E: 

Nekropole  von  Thapsos,  welche  eine  jüngere  Phate  dieser  Periode  dar- 
stellt, sowohl  der  Eingang  der  Kammer  wie  daa  aua  gut  behanenen.  Steinen 
heimstellte  Thor  des  Yorraumes  architektonische  Gestalt  bekommen  haben. 
Ebenda  finden  sich  Quadermauerp  als  Stütze  der  Decke  oder  als  Yer- 
kleidong  des  Einganges.  Die  gute  Arbeit  der  Steinblöoke  nnd  der  Yer- 
schlussplatten  ist  bedingt  dnrch  die  Anwendung  von  Metallwerkzeugen. 
Die  YeryoUkommnung  der  Technik  wird  auf  denselben  fremden  Einfluss 
zurückzuführen  sein,  der  sich  durch  die  Funde  der  Gräber  selbst  genauer 
feststellen  lässt. 

Für  die  Art  der  Beisetzung  der  Todten  ist  auch  in  dieser  Periode 
noch  die  Yorstellung  eines.  Mahles  massgebend.  Sie  werden  im  Kreise 
herum  hockend  oder  sitzend  bestattet  In  der  Mitte  stand  gewöhnlich  ein 
grosses  Gefäss,  welches  wahrscheinlich  ein  Getränk  enthielt;  kleinere  Ge- 
fisse  neben  den  Todten  sollten  als  Schöpf-  und  Trinkgeschirr  sowie  als 
Speiseteller  dienen.  In  Thapsos  findet  sich  als  üebergang  zur  dritten 
Periode  auch  die  Bestattung  in  ausgestreckter  Lage;  die  Schädel  der 
Todten  sind  nach  der  Peripherie  der  Kammer  gerichtet 

Die  beigegebenen  y  technisch  noch  ebenso  wie  in  der  ersten  Periode 
unvollkommenen,  einheimischen  ThongefiLsse  zeigen,  abgesehen  Ton  ge- 
wissen Beziehungen  zur  früheren  Keramik,  in  ihren  Formen  eine  auffalleüde 
Anlehnung  an  metallische  Yorbilder.  Charakteristisch  sind  kesseiförmige 
Gefässe  mit  hohem,  scharf  abgesetztem  Fusse  und  hohen  yerticalen,  oben 
in  zwei  Homer  endigenden  Griffen  oder  mit  spitzohrenförmigen  Henkel- 
ansätzen. Die  Bemalung  verschwindet,  an  ihre  Stelle  treten  eingeritzte 
und  eingedrückte  oder  in  Relief  aufgesetzte  Ornamente;  nur  vereinzelt 
sind  die  Yersuohe,  Thiere  und  den  Menschen  darzustellen.  Auch  aus 
Thon  sehr  roh  geformte  Idole  sowie  Nachbildungen  von  Sesseln,  die  als 
Spielzeug  für  Kinder  gedeutet  werden,  sind  hier  zu  erwähnen.  In  Form 
und  Technik  scheiden  sich  deutlich  von  den  einheimischen  keramischen 
Producten  die  vielen  eingeführten  mykenischen  Gef&sse. 

Aus  dem  Culturkreise  von  Mykenae  stammen  auch  die  zahlreichen 
Bronzebeigaben,  neben  welchen  die  Steingeräthe  mehr  und  mehr  zurück- 
treten. Es  fanden  sich  Schwerter,  Dolche,  Messer,  Meissel,  Yiolinbogen- 
fibeln  und  die  ersten  Schlangenfibeln.  Auch  Reste  von  MetallgefiLssen, 
welche,  wie  wir  oben  annahmen,  die  einheimische  Keramik  beeinflussten, 
wurden  aufgelesen.  Die  Einwirkung  mjkenischer  Kunst  zeigen  femer  die 
mit  sculpirten  Spiralmotiven  verzierten  Yerschlussplatten  zweier  der  zweiten 
Periode  zuzuzählenden  Gräber  von  Castelluccio.  —  Eisen  tritt  in  dieser 
Epoche  nur  in  spärlichen  Resten  auf. 

In  der  dritten  Periode  wird  die  Grrabkammer  wieder  etwas  kleiner. 
Der  Grundriss  ist  quadratisch  oder  rechteckig,  mit  einer  Fläche  von  etwa 
2,5  qm.  Die  Decke  ist  eben.  Die  Höhe  der  Kammer  beträgt  ge» 
wohnlich  kaum  1  m.      Der  Eingang  ist  eine  wirkliche   kleine  Thür   von 


Vor-  und  Frähgesehiolitlicheui  aus  Sicilien.  19 

uiigef&hr.0,75  m  Höhe.  Die  Yeisohlussplatte  warde  mweiton  durch  einen 
Querbalken,  dessen  Einlasslöcher  noch  an  den  Seiteh  des  Eihglingea  zu 
sehen  sind,  gehalten,  unten  an  einer  Wand  der  Kammer  ist  eine  niedrige 
bankartige  Erhöhung  im  Stein  ausgearbeitet  Auf  ihr  ruhte  der  Kopf  des 
nun  immer  in  ausgestreckter  Lage  bestatteten  Todten;.  Die  Kammer  barg 
vielfach  nur  ein,  in  der  Begel  nicht  mehr  als  drei  Skelette. 

Steinwerkzeuge  kommen  nicht  mehr  vor;  jedoch  erhält  der  Todte 
noch  Oefiässe,  Gebrauchs-  imd  Schmuckgegenstände  mit  in  das  Grab.*  Die 
einheiiüische  Keramik  sinkt  immer  mehr.  Sie  beschränkt  sich  auf  die 
Herstellung  schüsselartiger  Gefässe,  bauchiger  Töpfe  mit  oylindrischem 
Halse  und  spitzen,  schon  in  der  zweiten  Periode  Yorkommenden  Henkel- 
ausätzen, Kannen  mit  runder  oder  dreiblatt£5rmiger  Mündung  (Wohl  in 
Nachahmung  griechischer  Vorbilder).  Die  Bemalung  der  Gefässe  ist  ganz 
verschwunden,  und  auch  die  Verzierung  durch  Einritzung  ist  spärlich. 
Noch  gebraucht  der  einheimische  Töpfer  keine  Scheibe  oder  höchstens 
eine  ganz  primitive  Dreh  Vorrichtung;  auch  der  Brand  bei  geschlossenem 
Feuer  ist  ihm  noch  unbekannt.  Der  Niedergang  der  einheimischen  Töpfer- 
kunst erklärt  sich  durch  den  immer  stärker  werdenden  Import  griechischer 
Gefasse,  die  sich  von  den  Producten  jener  durch  die  vollendete  Technik 
und  die  Bemalung  unterscheiden.  Man  glaubt  zwei  Gattungen  zu  erkenoen: 
Gefässe  von  fein  geschlemmtem  hellem  Thon,  die  aus  dem  griechischen 
Osten  zu  stammen  scheinen,  und  solche  von  einem  etwas  gröberen,  mit 
feinen  Lavastückchen  gemengten  Thon,  die  wohl  im  Lande  selbst  von 
Chriecben  hergestellt  sind.  Es  kommen  Schüsseln  und  flache  Schalen  mit 
verticalen  oder  horizontalen  Henkeln,  E^nnen  mit  Dreiblattmündung  und 
schlauchförmige  Gefässe,  sogenannte  Askoi,  vor.  Als  Verzierungen  finden 
sich  in  brauner  Fimissfarbe  aufgemalt  umlaufende  Striche  und  Bänder, 
Zickzack-,  selten  Wellenlinien^  sodann  senkrechte  Striche,  welche  metopen- 
artige  Felder  abgrenzen,  und  als  Füllung  der  letzteren  Zickzack-  oder 
wellenförmige  Linien.  In  diesem  Zusammenhange  sind  noch  als  vereinzelte 
Funde  von  Castelluccio,  das  in  der  Hauptmasse  seiner  Gräber  übrigens 
der  ersten  Periode  angehört,  zwei  Scherben  mit  concentrischen  Kreisen 
und  Darstellungen  von  Vögeln  zu  erwähnen.  Diese  Gefösse  gehören  dem 
geometrischen  Stile  an,  der  für  uns  besonders  durch  die  Funde  am  Dipylon 
bei  Athen  repräsentirt  wird,  und  weisen  damit  für  die  Chronologie  der 
Ghräber  auf  das  neunte  oder  achte  Jahrhundert  Vielleicht  noch  in  den 
Anfang  des  siebenten  Jahrhunderts  gehören  zwei  geometrische  Gefässe  der 
sogenannten  protokorinthischen  Gattung,  eine  Schale  und  ein  Becher. 

Ebenso,  wie  diese  Gefässe,  sind  auch  die  Gegenstände  aus  Metall  den 
Sikelem  von  aussen  zugegangen.  Neben  den  Schlangenfibeln  der  gewöhn- 
lichen Form  kommen  solche  mit  knötchenartigen  Ansätzen  am  Bügel  vor. 
Am    häufigsten   aber   sind   die  Kahnfibeln.    Eine   grosse  Spirale   gehörte 

vielleicht   einer  Fibel  an,    deren  Form   uns   besonders  aus  Griechenland 

2» 


«20  0.  Scuoitbnsaok: 

bekannt  ist  Als  weiteren  Schmnok  erhält  der  Todte  Armringe  ans  Draht 
in  niehrfachen  Windungen,  Fingerringe,  Kettchen  und  bikonisohe  Perlen, 
welche' schon  in  der  ersten  Periode  vorkommen,  in  der  zweiten  dagegen 
fehlen.  Diese  Dinge  sind'  aus  Bronze  hergestellt  Neben  ihr  findet  sich 
nun  schon  häufig  das  Eisen,  das  sowohl  zu  Schmuckgegenständen  (Schlangen- 
fibeln, Ringen),  ab  auch  zu  einschneidigen  Messerklingen  verarbeitet  ist 
deren  Form  sieh  nicht  an  die  frflheren  Bronzemesser  anschliesst  Searabäen 
und  Perlen  aus  einer  bläulichen  Pasta  erscheinen  zuerst  in  dieser  Periode; 
ob  sie  von  Griechen  oder  Phönikern  eingeführt  sind,  lässt  sich  bis  jetzt 
noch  nicht  entscheiden. 

'  Zu  dieser  dritten  Sikeler- Periode  gehören  auch  die  Felsengräber  bei 
Cassibile  (•- Kakyparis),  die  wir  auf  der  Abbildung  Taf.  I  erblicken^). 
Dieser  von  Syrakus  etwa  li  km  entfernte  Ort  ist  mit  der  in  sAdlicher 
Richtung  nach  Noto  f&hrenden  Eisenbahn  leicht  zu  erreichen.  Wir  be- 
aienten  uns  aber  eines  Gefährtes,  um  gleichzeitig  auch  den  Genuss  der 
prächtigen  Landschaft  zu  haben.  Durch  Oliven-  und  Agrumenpflanzungen 
führte  uns  der  Weg  anfangs  vom  Meere  ab  hinter  der  Penisola  della 
Maddalena  vorbei,  bis  wir  uns  diesem  wieder  genähert  hatten  und  zwischen 
ihm  und  dem  CoUe  Bpineta  in  dem  Orte  Cassibile  Halt  machten.  Ton 
hier  aus  marschirten  wir  meist  über  holpriges,  ganz  mit  Steinen  übersäetes 
Gelände  zu  der  etwa  2  km  westlich  vom  Orte  in  Terrassen  aufsteigenden 
Gebirgswand.  Schon  aus  ziemlicher  Feme  konnten  wir  die  vielen  vier- 
eckigen Löcher  in  den  Felsen  erkennen,  die  wie  Fenster  in  einem 
mächtigen  Gebäude  erschienen.  Die  Felsen,  die  nur  eine  äusserst  dürftige 
Vegetation  aufweisen,  wurden  von  Ziegen  abgeweidet,  und  seit  undenk- 
licher Zeit  dienen  die  Kanmiem  den  Hirten  als  Unterschlupf.  Daher  ist 
in  diesen  Zellen  nichts  mehr  von  dem  einstigen  Inhalte  der  Gräber  vor- 
handen. Der  verwitterte  Zustand  des  Gesteins,  der  sich  namentlich  durch 
die  herabgefallenen  Blöcke  zu  erkennen  giebt  lässt  hoffen,  dass  einzelne 
Kammern  von  diesem  Geröll  bedeckt  und  noch  unberührt  sind.  Hier  ist 
also  vielleicht  noch  dem  Spaten  des  Forschers  Gelegenheit  geboten,  wichtige 
Funde  hervorzuholen.  Nach  dem  viereckigen  Grundriss  und  der  sontftigeD 
Construction  der  Kammern  gehört  die  Nekropole  in  die  letzte  Periode. 
Bei  genauer  Betrachtung  der  Abbildung  vermittelst  der  Lupe  kann  man 
übrigens  auch  die  Einzelheiten  der  Steinmetzarbeit  insbesondere  die  Falze 
an  den  Eingangsthüren  gewahren;  auch  der  Maassstab  ist  durch  die  oben 
links  von  dem  mächtigen  Felsblocke  im  Vordergrunde  erkennbaren  Peiv 
sonen  gegeben.  Zwischen  den  zwei  links  Stehenden  ist  ein  angefangenes 
Grab  zu  sehen,  ein  zweites  rechts  darüber. 

1)  Der  Lichtdruck  ist  dem  Werke :  „Ans  dem  dänischen  Sfiden*"  entBommfii,  das  mit 
rnterstätsiiDg  des  Qrossh.  bad.  Minist,  fär  Jiistit,  Caltni  und  (Jnteiricht  im  Ktmstrerlage  tod 
J.  Nöhrin^  in  Lübeck  erschienen  ist.  Die  150  Lichtdrocko  darin  sind  nach  OriginalaofDahmen 
des  genannten  Herrn,  der  an  der  Eingangs  erwähnten  Stndienroijie  theilnahm,  angefertigt. 
Vei  Text  daiu  ist  Ton  den  Führern  und  den  Mitgliedern  der  Keisegesellschaft  verfasst. 


Toi-  ond  FrOhgecehichUidieB  aiia  SicUioD.  ^] 

Von  Syrakus  auB  ging  die  Fahrt  zurück  nach  Cstania,  nnd  nachdem 
dem  Aetna  bis  zur  Höhe  toq  Nicolosi  and  den  Honti  Rossi  ein  Besnch 
abgestattet  war,  fuhren  wir  durch  das  Thal  des  Dittaino  vielfach  duroli 
weite  Strecken  wobibestellter  Kornfelder  hindurch,  die  an  die  einstige 
Kornkammer  Italiens  gemahnten,  nach  Casä^ogioTanni ,  dem  Enna  der 
Alten,  das,  auf  einer  bis  997  m  ansteigenden,  allseitig  durch  Schluchten 
abgetrennten  Erhebung  aus  tertiftrem  Kalk  gelegen,  im  Alterthum'  als  nn- 
einnehmbar  galt.  —  Freiherr  Ton  Andrian  in  seinen  „Prihistorisohen 
Studien  ans  Sicilien",  Berlin  1878,  hatte  schon  der  Werkseuge  Erw&hnang 
getfaan,  die  eich  in  dem  dortigen  Museum  befinden,  sowie  derjenigen,  die 
„aber  den  Umweg  Catania  in  den  BeBitz  des  geologischen  Huseums  zu 
Palermo  gelangt  sind".  Weiter  heiset  es  a.  a.  0.  (S.  €7):  „Als  Material 
finden  wir  daselbst  verwendet:  Andesit,  Oang-Granit,  Serpentin  und  ISTephrit 
Aus  letzterem  bestehen  bei  weitem  die  meisten  Exemplare,  so  dass  dieseia 
seltene  Mineral  offeDbar%]>isch  fQr  diese 

Localität  genannt  werden  kann."    Diese  '  ^S-Sl-    *U 

Notiz  veranlasst  mit  Recht  Hm.  A.  B. 
Meyer  (Nene  BeitrSge  zur  Kenntniss 
des  Nephrit  und  Jadelt,  Berlin  1891, 
3.  .33)  zu  der  Au^orderung,  liier  nach 
dem  Rohmaterial e  zu  suchen.  Dem- 
gegenflber  machte  ich  zunächst  feststellen, 
dass  ich  unter  den  im  Museum  zu 
Casb^giovanni  aufbewahrten  4  Stein- 
beilen nnr  eines  vorfand,  das,  soweit 
dies  durch  Autopsie  feststellbar  ist,  aus 
Nephrit  besteht.  Die  Form  ist  ans  der 
beifolgenden  Abbildung  (Fig.  21)  kennt- 
lich. Die  Länge  beträgt  140,  die  grösste  ._ 
Breite  60  und  die  Dicke  24  mm.  Das  ^^  '^^ 
Beil  ist  kuDstvoll  geschliffen,  die  Farbe  ^ — 
des  Minerals  ist  dnnkelgrfln.     Hr.  von 

Andrian  (a.a.O.  9.  9*i  und  Taf.  111)  erwähnt  ferner  2  Nephritbeile  von 
Castrogiovanni  nnd  fOgt  zu  dem  einen  die  Bemerkung  hinzu :  „Universitäts- 
Sammlong,  Palermo",  zu  dem  anderen  die  Worte:  „Tn  Catania  erworben". 
Es  scheint  also,  dass  diese  beiden  Beile  sich  derzeit  ebenso  wie  ein 
Nephritmeissel  von  Lentini  in  besagter  Bammlung  be&nden.  Ich  traf 
diese  durch  die  von  Andrian'sche  Abbildung  genau  fixirten  Gegenstände 
in  Palermo  nicht  an,  wohl  aber  ein  anderes  Nephritbeü  von  Castrogiovanni 
und  zwei  solcher  von  Lentini,  die  unter  „Palermo"  näher  beschrieben 
werden  sollen.  Es  wären  jetzt  also  vier  Nephritbeile  von  dem  „Nabel 
Siciliens^  bekannt  In  einen  Platz,  der  zu  den  verBchiedensteo  Zeiten 
die  flachtende  Bevölkerung  einer  weiten    Umgebung   aufnahm,   gelangten 


23  "'0.  SoHovnxuoK: 

natflrlich  sehr  viel«  Habseligkeiten  von  aaawärts.  Die  Wabracbeinlichkeit, 
den  anstehendeii  !Nepbrit  bier  anfzufindeQ ,  erscbeint  demnaoh  d«cb  niebt 
80  groBB.  —  Die  Abrig^n  im  Besitze  des  HuseumB  Ton  Caatrogiovaani  be- 
findlioben  3  Steinbeile  Bind  aaa  einem  dunkeln  barten  Oestein  gefertigt 
Sie  bsben  alle  einen  ovalen  Querschnitt  Während  zwei  Exemplare  nar 
roh  zn  einem  Beil  hergericbtete  Oerfille  'darstellen,  ist  das  dritte  sehr 
sanber  in  triangnlSrer  Form,  also  nach  dem  Bahnende  sieb  stark  ver- 
jflngend,  gesobliffen. 

Anob  das  Moseo  communale  Ton  Oirgenti  hat  eine  Anzahl  polirter 
Steinbeile  tob  eleganter  mandelffirmiger  Gestalt  aufzuweisen,  worunter 
sich  aber  kein  Nephrit  befindet.  Ausserdem  seien  hier  noch  mehrere 
mnldenartige  Sarkophage  ans  Terracotta  erwähnt  <)io  suf  jeder  Seite  mit 
swfli  ionischen  SXulenomamenten  en  relief  versehen  sind.  Die  Technik 
dieser  mit  grosser  Sachkenntnis  gearbeiteten  Stflcke  ist  bemerkenswertb. 


Fi«i;82.    '/,.  Fig.  23. 


I 


In  dem  Mnseo  nazionale  und  in  der  mineralogisch  -  geologischen 
Sammlung  der  Universität  zn  Palermo  sind  die  von  Hm.  von  Andrian 
a.  s.  O.  veröffentlichten  Funde  niedei^legt.  Von  dem  in  erstgenanntem 
Museum  inzwischen  hinzugetretenen  Material  möge  hier  noch  ein  rOthlich 
gebranntes,  im  Bruch  scbwarzgraues  Tbongeßss  Erwähnung  finden,  das 
ohne  Drehscheibe  hergestellt  ist  Es  zeigt,  wie  ans  Fig.  22  zu  ersehen, 
ein  Strichomament,  das,  in  den  feuchten  Thon  eingedrfickt,  das  ganze 
Qetlm  bedeckt  Der  obere  Tbeil  trägt  eine  Antahl  von  Doppellinien,  die 
nnregelmässig  gestrichelt  sind  (auf  der  kleinen  Skizze  tritt  die  Unregel- 
mässigkeit nicht  genflgend  hervor)  nnd  in  einem  rechten  Winkel  zusammen- 
stoBsen.  Von  diesen  durch  ein  Horizontalband  getrennt,  weist  der  untere 
Tbeil  des  Gefftsses  verticale  Doppellinien,  ebenfalls  mit  Btricbelnng  auf. 
Der  Fund  stammt  ans  einem  neolithiscben  Grabe  alla  Moarda  presso 
Palermo  nel  commune  di  Honreale  (cf.  Bullettino  1885,  p.  122,  nnd  Xotizie 
degli  scavi  1884,  p-  '260).  Gestrichelte  Doppellinien  erscheinen  auch  auf 
dem  bei  von  Andrian  Taf.  tV,  Fig.  5  abgebildeten  neolithiscben  Oefäas 
aus  den  (irotten  von  Villafrati. 

Die  Universitäts-Sammlung  enthält  folgende  Nephrit-Artefakte.  (Nr.  75 
Hin.-Sanjmlnng):  Nephritheil  von  Castrogiovanni.   Die  Farbe  des  Minerals 


Tor-  und  FrGligeBclncbtGth«e  aoi  SIcUien.  33 

ist  dunkelgrün '(wolkig)i  Das  Beil  ist  mit  rnftaeiger  Sorgfalt  gearbeitet, 
die  Schneide  verletzt.  Lfinge  50,  gröBste  Breite  88,  Dicke  13  mm.  -  Die 
Form  ist  aus  Fig.  23  ersichtlicb. 

(Nr.  80  MiD.-Samml.).  Nepliritbeil,  im  Hfthlenlebm  bei  Lentini  ge- 
funden. Das  Mineral  ist  grsugrfln  (wolkig).  Die  Oberflfiche  des  Beiles 
zeigt  durchweg  eine  feine  Politur.  Im  Querschnitt  ist  es  nahezu  oblong. 
Die  Schneide  ist  scharf  Und  unverletzt.  L&nge  61,  grOsate  Breite  45,  Dicke 
8  mm.     Abbildnug  in  Fig.  34. 

(Nr.  81  H:iD.-8amml.).  Nephritbetl  von  Lentini.  Farbe  dunkelgrfln, 
wolkig,  dunkler  als   die   beiden    anderen  Nephrite.    Die  Oestalt   ist  aut 


I 


Fig.  25  zu  ersehen.  Lftnge  122,  grössle  Breite  70,  Dicke  21,  an  ! der 
stumpfen  Schneide  (b)  12  mm.  Hier  und  am  Bahnende  sind  noch  Oer&ll- 
Bpnren  sichtbar,  während  die  Flachen  im  flbrigen  glatt  geschliffen  sind. 
Das  Werkzeug  ist  also  noch  unvollendei  Der  Tiereckige  Quer- 
schnitt (a),  den  dasselbe  aufweist,  legt  die  Vermuthung  nahe,  dass  es 
durch  Zerschneiden  eines  grösseren  Stückes  hergestellt  ist  Dies 
würde  för  eine  vorgeschrittene  Technik  sprechen.  Es  wSre  festzustellen, 
ob  fthnlich  gestaltete  Steinbeile  sonst  noch  in  Sicilien  gefanden  sind. 
Nephritbeilchen  mit  oblongem  Querschnitt  sind  nur  von  Salda  (Sidon) 
nnd  Mugheir  bei  Arkah  (sfldlich  vom  Euphrat),  ein  drittes  von  Kleinasien, 


-24 


O.  Sghobtbmsaox: 


ohne  a&here  Ortsaagabe  (alle  im  Britischen  Museain,  Tergl.  diese  Zeitachr. 
18S7,  S.  122—126),  bekannt  geworden. 

Im  Museo  nasionale  sind  ansserdem  noch  InutatioDen  von  3  grflnen 
Steinbeilen  ausgestellt,  die  io  einem  Grabe  bei  Virgini  gefunden  sind. 
Das  Material  der  Originale  scheint  noch  nicht  bestimmt  zu  sein.  Ee  sind 
Flachbeile  von  Iftnglicher,  dreieckiger  Gestalt,  daa  eine  etwa  400  mm,  die 
beiden  anderen  nnr  je  etwa  90  mm  lang.  Leider  konnte  ich  nichts  Näheres 
darüber  in  Erfahrung  bringen.  Der  Fund  wftre  also  noch  weiter  su  ver- 
folgen.  Sodann  ist  aus  dem  genannten  Huseum  noch  ein  mit  umlaufender 
Rille  Tersehenes  Steinbeil  zu  erwähnen,  das  in  der  Form  so  ziemlich  dem 
bei  von  Ändrian  Taf.  I,  Fig.  3  abgebildeten,  in  der  mineralogischen 
UniTersitäts-Sammlung  zu  Palermo  befindlichen  Basaltbeile  gleicht  Beide 
sind  bei  Catania  gefunden. 


Pig-27.    ■/, 


I 


Aus  letzterwähnter  Sammlung  wären  noch  acht  Basaltbeile  anzufahren, 
die  von  der  Isola  di  Lipari  stammen.  In  der  Länge  von  5 — 14  cm 
schwankend,  haben  sie  alle  einen  TorzQglichen  Schliff  nnd  die  gleiche  ge- 
fällige Form,  die  unsere  Abbildnng  (Fig.  26)  wiedergiebt  Der  Basalt 
steht  auf  der  genannten  Insel  an,  wie  Professor  Audrea  di  Blasi  in 
Palermo  mir  mitzutheiten  die  (ifite  hatte.  Wir  sehen  hier  wieder,  dass, 
sobald  nicht  ilie  sehr  rerschieden  gestalteten  Gerolle  für  die  Steinbeile 
verwendet  wurden,  sich  an  den  betreffenden  Fabrications  -  Centreu  Typen 
ausbildeten,  die  uos  allenfalls  alx  Fohrer  dieneu  können,  ähnlich  wie  dies 
bei  den  Gerätlien  aus  Metall  der  Fall  ist. 

Auch  zwei  Bronze-Schaftcelte  mit  aufstehenden  Kanten  befinden  sicli 
im  mineralogischen  Dniversitäts-Museum  zu  Palermo.  Dos  in  Fig.  27  ab- 
gebildete Instrument  ist  in  der  Nähe  der  Tempel  von  (Ürgenti  gefuiiilen, 
das  andere,  von  etwas  kürzerer  und  breiter  Form,  bei  Giarre  in  der  Provinz 


Vor*  and  Frühgesehiciitlichea  ans  Sicilien.  25 

Gatania;  sie  gleichen  durchaus  den  in  Mittel-  und  Nordeuropa  vorkommen- 
den, die  der  Bronzezeit  ängehö^n. 

Die  Sammlung  des  Barons  Mandraliska  in  Cefalü,  jetzt  im  Lyceums- 
gebäude  daselbst  untergebracht,  hat  ebenfalls  zwei  Nephritbeile  aufzu- 
weisen. Das  eine  (Fig.  28)  ist  von  heller  meergrüner  Farbe,  der  Quer- 
schnitt ist  OTal.  Länge  102,  grösste  Breite  45,  Dicke  18  mm.  Das  andere 
(Fig.  29)  ist  dunkelgrün,  der  Querschnitt  bildet  ein  Kreissegment.  Die 
Schneide  ist  verletzt.  Länge  100,  grösste  Breite  57,  Dicke  14  mm.  Beide 
Stücke  zeigen  auf  der  sauber  geschliffenen  Oberfläche  einzelne  Erosionen, 
die  ich  als  Geröllspuren  ansehe.  Ausserdem  befindet  sich  in  dieser 
Sammlung  ein  Basaltbeil  vom  Typus  der  liparischen,  wie  wir  solche  aus 
dem  Museum  in  Palermo  kennen,  sowie  ein  grösseres  breites,  ziemlich 
roh  gearbeitetes  Beil  aus  einem  dunklen  Amphibol-(?)  Gestein.  Den  ge- 
nauen Fundort  dieser  Gegenstände  konnte  man  mir  nicht  angeben;  die 
CoUection  zeigt  aber  einen  localen  Charakter,  und  deshalb  ist  zu  vermuthen, 
dafts  auch  die  Steinbeile  dem  früheren  Besitzer  aus  der  Umgebung  von 
Cefalü  zugetragen  sind. 

Auf  dem  Monte  San  Giuliano,  dem  £ryx  der  Alten,  der  auf  seinem 
751  m  hohen  Gipfel  jetzt  ein  recht  verödetes  Städtchen  trägt,  das  unter 
den  mittelalterlichen  Befestigungen  noch  bedeutende  Beste  einer  aus 
mächtigen  Quadern  errichteten  Stadtmauer  mit  phönikischen  Steinmetz- 
zeichen aufweist,  befinden  sich  zwei  kleinere  Sammlungen.  Die  eine  in 
dem  vom  Baron  Agostino  Pepoli  renovirten  Schlosse,  die  andere  im 
Gemeindehause.  Ausser  sehr  kleinen,  zierlich  gearbeiteten  trapezoideu 
Obsidianmesserchen  sind  noch  einige  geschliffene  Steinbeile  von  grosser 
Dimension,  mandelförmiger  Gestalt  und  breitovalem  Querschnitt  anzuführen. 

Das  Museum  von  Palermo  enthält,  aus  der  Commune  di  Monte  San 
Giuliano  stammend,  einen  prächtigen  Nucleus  und  vier  Messerchen  aus 
fleischfarbigem  Silex.  Femer  sind  nach  A.  Salin  as  (Notizie  degli  scavi 
1882,  p.  361)  in  der  benachbarten  Grotta  di  San  Francesco  zahlreiche 
Feuersteinartefakte  nebst  Eüchenresten  (Muschelschalen)  aufgefunden. 
Die,  wie  ich  mich  überzeugen  konnte,  in  dem  jurassischen  Kalkstein  des 
Eryx  massenhaft  vorkommenden  Silicat- Concretionen,  die  zum  Theil  den 
plattigen  Kieselsäure  -  Absonderungen  der  englischen  Kreide  gleichen, 
eignen  sich  wahrscheinlich  recht  gut  für  die  Herstellung  derartiger 
Werkzeuge, 

Als  fernere  Zeugen  einer  uralten  Besiedelung  dieser  sagenumwobenen 
Stätte  möchte  ich  noch  eine  Anzahl  Thongefässscherbeu  erwähnen.  Aussen 
und  innen  von  unansehnlich  grauer  Farbe,  zeigen  sie  nach  Art  der  neo- 
lithischen  Technik  tief  eingedrückte  geometrische  Ornamente.  Es  sind 
nur  gerade  oder  schwach  gebogene  Linien  verwendet,  die  zu  Zickzacken, 
ineinandergeschalteten  Dreiecken  und  mäanderartigen  Figuren  zusammen- 
gesetzt sind.    Ob  die  Furchen  ursprünglich  weiss  ausgefüllt  waren,  konnte 


26  0.  SCBOBTEMAOS: 

ich  nicht  feststellen.  Die  15  bis  20  m>»  dicken  Seherben  sind  aus 
rohem  Materisle  ohne  Scheibe  gefertigt  and  in  offener  Flamme  sehr 
schwach  gebrannt;  Fig.  30  befindet  sieh  in  der  Sammlnng  im  Schlosse, 
Fig.  31 — 33  im  Hmiicipio. 

Femer  seien  noch  Beete  bemalter  Thongeftsse  aus  der  Sammlung  im 
Schlosse  angeführt,  die  in  der  Bemalung  AnkUnge  an  die  aus  pbönikischen 
Gräbern  Eortbagos  stammende  l^opfwaare  zeigen,  in  den  Formen  aber, 
insoweit  sich  solche  aus  den  Scherben  erschliessen  lassen,  zum  Theil 
eigenartig  erscheinen.  Der  ziemlich  gat  geschlemmte  Tbon  derselben  ist 
mit  der  Scheibe  geformt  mid  im  Ofen  gleichmissig  gebrannt.    Die  fiber 

Pif.81.    '/, 


5  mm  dicken  Scherben  haben  eine  bedeutende  HSrte  und  geben  beim 
Aneinaaderschlagen  einen  hellen  Klang.  Sie  haben,  auch  im  Bruch,  eine 
hellrßthlich  gelbe  Farbe  (nach  Radde's  Farbenscala  St  and  33r),  und  sind 
theils  mit  einem  hellen  Brami  (Radde  il%  thails  mit  einem  sepiaartigen 
Dunkelbraun  (Badile  4d — «)  bemalt.  Ein  tieftss,  das,  nach  der  Kundung 
des  Scherbens  zu  urtheilen,  einen  Durchmesser  von  etwa  SOon  gehabt  haben 
(Iflrfte,  zeigt  ein  tO  mm  breites  hellbraunes  Horizontalband,  das  oben  und 
imten  wiederum  von  einem  '2  mm  breiten  dunkelbraunen  Rande  eingefasst 
ist.    Senkrecht  hierzu  sind  nachlftssig  mit  dem  Pinsel  hingeworfene,  parallel 


Vor-  und  Früh^MchfchUiches  aus  Sicilien.  27 

Uofende  SchlangeaKnien  angebracht  (Fig.  34).  Eio  Scherben  (Fig.  35) 
leigt  an  der  Stelle,  an  welcher  der  Bauch  des  Ge^ses  im  rechten  Winkel 
ambiegt,  einen  Vorepning  mit  vertikaler  DDrcbbobrung,  die  daranf  hin- 
weiMt,  dass  das  Gef&sB  an  durchgezogenen  Schnflren  getragen  wurde.  Es 
sind  aber  auch  wohl  ausgebildete  Henkel  und  zwar  ein  flacher  vertikaler, 
•owie  ein  runder  horizontaler,  beide  durch  dunkelbraune  Strichelung  Ter- 
uert,  vertreten;  letsterwftbnter  ist  in  Fig.  36  abgebildet. 

Noch  ist  ein  in  der  Stadtsammlang  befindliches,    etwa    16  an  hohes 
Doppelgef&ss  zu  erwfthnen,  das  aus  einem  schwach  gebrannten  rSthlichen 

Fig.  86.    •/. 


Pi(r.86. 


Thone  besteht  und  nur  eingedrückte  rohe  Ornamente,  ohne  Bemalung, 
aufweist  Von  diesem  möge  die  eilig  angefertigte  Skizze  C^'g-  3^)>  >» 
der  A  die  Vorder-,  B  die  Seitenansicht  des  Get&aae»  zeigt,  eine  Vorstellung 
geben.  Die  Rflckaeite  ist  in  gleicher  Weise  veniert  Die  Verbindung 
zwischen  den  beiden  Geissen  ist  hohl,  so  dass  die  Flüssigkeit  darin  ein 
gleiches  Niveau  zeigen  musste.  Gefunden  ist  es,  wie  man  mir  sagte,  auf 
dem  Eryx;  Nftherea  war  nicht  in  Erfahrung  zu  bringen.  Die  primitive 
Verrierung  durch  Strichornament  gestattet  uns  wohl,    das  Gefäsa  der  vor- 


28  O.  SoBornKUcnt: 

griechiflcbea  Zeit  zuzuweisen,  wofür  auch,  soweit  wir  uqb  eriDuern,  die 
Tecbnik,  insbesondere  das  Fehlen  der  Spuren  der  TOpferaoheibe  sprichi 
Naohdem  wir  mit  dem  von  Palermo  ausgebenden,  in  Trapani  halteoden 
Dampfer  die  zwischen  Sicilien  und  der  sfrikaniscben  Efiste  gelegene  Insel 
Pantelleria  angelaufen,  welcbe  Paolo  Orsi  in  letster  Zeit  ebenfalls  in 
seinen  Forscbungsbereich  gezogen  bat  (nach  Bullettioo  1895,  p.  150,  und 
Notizie  degli  scavi  1895,  p.  240  sind  die  „Sesi"  benannten  uralten  Stein- 
baateu  auf  Pantelleria  keine  Wohnungen,  sondern  Grftber),  langten  wir 
mit  Anbrach  des  Tages  in  Tonis  an.  Wenige  Stunden  darnach  befanden 
wir  uns  schon  im  Bardo-Uuseom,  aber  das  jetzt  ein  Ton  seinem  trefTlichen 
Leiter  Hrn.  P.  Ganckler  Terfaaster  Fflhrer  (Tunis  1896)  vorliegt,  w&brend 
«in  ausfflhrlicher  Katalog  in  Vorbereitung  ist.  Die  archäologischen  Samm- 
lungen enthalten  Gegenstände  sehr  verschiedener  Herkunft:  alle  Zeitepochen 
und  alle  Gegenden  des  zur  Regentschaft  Tunis  gehörigen  Gebietes  sind 
hier  vertreten. 

Es  befinden  sich  darunter  auch  etwa  400  ge- 
^g'88.    V«  Bcblagene  Fenersteine,    die   aus    der   Gegend   von 

Gafsa  (Capsa)  stammen.  Diese  sind  zu  ziemlich 
langen  Messern  von  trapezoidem  Querschnitt,  wo- 
von Fig.  38  eine  Probe  giebt,  zu  Schabern  u.  a. 
herrichtet 

Femer   sei    auf   die    primitive    Scnlptur    hin- 
gewiesen, welche  ein  auf  Carthago  gefundener,  im 
1  Bardo-Museum  aufgestellter,    im  Umriss  eirunder, 

dabei  aber  fiach  gehaltener  menschlicher  Kopf 
von  Lebensgrösse  zeigt.  Die  ganz  roh  markirten 
Gesichtszflge  sind  in  den  Granit  etwa  8  mm  tief 
eingehauen.  Die  Rfickseite  zeigt  eine  phQnikiscbe 
Inschrift,  die,  wie  mir  Hr.  (iauckler  mitzstheiten 
die  Güte  hatte,  einer  Publication  in  den  „Col- 
lections  duHusee  Alaoui"  zufolge  dem  Vlll.  oder 
VII.  Jahrhundert  v.  Chr.  angehört.  Ein  ganz  ähn- 
licher Kopf  aus  basaltischem  Gestein  befindet  sich  im  Musee  St.  Louis 
auf  Carthago. 

Scblipssltch  wollen  wir  noch  erwähnen,  worauf  Hr.  von  Dubn  iu 
seinen  Reisebemerkungon  aus  Carthago  und  Tunis  (Archäologischer  An- 
zeiger I89t>,  S.  91). bereits  aufmerksam  machte,  dass  anch  libysche  Stelen, 
namentlich  aus  dem  Krumirgebiete.  sowie  in  met^lithischen  Gräbern  des 
Landes  gefundene  Gegenstände  dem  Bardo-Mnseum  einverleibt  sind.  Dabei 
ist  besonders  anzuerkennen,  dass  man  die  Funde  nicht  nach  gleichartigen 
Gegenständen  aufgestellt  hat,  sondern  dass  man  sie.  so  wie  sie  gemacht 
wurden,  beisammen  gelassen  haL 


Vor-  und  FHhKMchichtlicIieB  ans  Tonis.  29 

Aas  dem  Vusee  St.  Louis  auf  Carthago,  dessen  reiche  Entfaltang  wir 
der  rastloaeQ  ThKtigkeit  von  A.  L.  Delattre  Terdaaken^),  wollen  wir 
einige  Gegenstände  n&her  besprechen,  welche  die  altpanischeo  Nekropolen 
am  B^rrsa-Abbange  ergeben  haben.  In  den  aus  mächtigen  Quadern  her- 
gestellten Sarkophagen,  die  meist  dachf&rmig  abechliesaen,  oder  in  ge- 
räumigen Grabkammem,  die  nach  Art  von  BruDnen  aas  tief  in  den  Boden 
eingesenkten  m&cbtigeD  Platten  zusammengesetzt  sind,  wurden  die  Todten 
beigesetzt  Auch  in  den  Fels  gehauene  oder  in  das  Erdreich  gearbeitete 
Cbftber    kommen  vor.     Leichenbrand    ist  ebenfalls  beobachtet.     Kinder 

Fig.K».    V, 


J  Ji  I 


wurden  in  Amphoren  bestattet.  Der  Boden  des  Gefässes  wurde  einge- 
schlagen, und  nach  Einführung  des  kleinen  Leichnames  ein  Steinverschluss 
hergestellt. 

1}   Hieranf  beiBgliche    Publicationea    dei    Reverend    Per«    Delattre,    Hbsiontüre 
d'Afriqne: 

,  1.  Fooille»  d'un  cimetiero  rumain  i  Carthage,  Bevue  aich^ologiqne,  Paris  1889. 

3.  Lea  tombeaoi  puniqnes  de  Csrthage,  Lfon  18W. 

8.   L«s   tombeanx  paniqnes  de   Caithige,   La  necropole   de   Saint  Louii,   Reroe 
archcol.,  Paris  1691. 

4.  Fonilles  arcbeologiqnes  dans  le  flane  sud'Ouest  de  la  cotlinc    de    Saint  Louis, 
BalletiD  archeoL,  Paris  lf9!t. 

b.  Cartliage,   Necropole  puniqun  de  U  collioe  Saint  Louis,   Eitrsit  des   Hissions 
catholiqnes,  Lyun  1896. 


30  0.  SCHOSTEMSAOK: 

Das  Material  zu  den  Quadern,  ein  muschelreicher  Eotlktuff,  der  an 
der  Luft  schnell  verwittert,  unter  der  Erde  aber  eine  grosse  Festigkeit 
behält,  wurde  auf  der  Halbinsel  Cap  Bon  bei  El-Aouaria  gebrochen,  wo 
man  noch  jetzt  die  alten  Steinbrüche  sehen  kann. 

Den  Todten  wurden  ausser  zahlreichen  Thongefässen  namentlich 
Schmuckgegenstftnde  mitgegeben.  Gold,  Silber  und  Eisen  sind  selten 
dazu  verarbeitet;  aus  letzterem  Metall  sind  Fingerringe  gefunden,  die 
einen  Edelstein  fassten.  Bronze  ist  am  meisten  verwendet;  es  sind  auch 
runde  Spiegel  ohne  Stiel  daraas  gefertigt,  femer  kleine  Glocken  und 
Münzen;  letztere  sind  häufig,  um  als  Schmuck  getragen  werden  zu  können, 
durchbohrt.  Ausserdem  kommen  Elfenbeinarbeiten,  Smaltsachen  (Perlen, 
Scarabäen),  bemalte  Strausseneier  u.  a.  vor.  Waffen  wurden  sehr  selten 
in  das  Grab  gegeben.  Hierher  zu  zählen  sind  messerartige  EUngen  und 
Spitzen  aus  Eisen.  In  einem  Grabe,  welches  seinem  Inventar  nach  (ägypto- 
phönikische  Smaltsachen)  zu  den  ältesten  der  Byrsa  gehört,  wurden  auch 
zwei  eiserne  dolchartige  Gegenstände  gefunden,  von  denen  wir  durch  die 
Liebenswürdigkeit  Delattre^s  eine  photographische  Wiedergabe  (Fig.  39) 
beifügen  können.  Sie  wurden,  wie  aus  beigelegenen  Eupferresten  noch 
zu  erkennen  war^  an  einem  metallbeschlagenen  Gürtel  getragen.  Das  eine, 
40  cm  lange  Geräth,  das  eine  gerade,  breite  und  flache  Elinge  hat,  die 
von  dem  Griff  durch  eine  Querstange  getrennt  ist,  gleicht  einem  Eurz- 
schwerte;  es  war  von  einem  Holzfutteral  umgeben,  von  dem  noch  Spuren 
erhalten  sind.  Das  andere,  mit  einem  in  Antennen  endigenden  Griff,  hat 
ganz  das  Ansehen  eines  Wetzeisens;  es  ist  42  cm  lang. 

Femer  wurden  auch  die  in  Fig.  40  abgebildeten  sechs  Eupferbeile  ^) 
gefunden.  Diese  laufen  alle  am  Bahnende  in  einen  Dom  aus,  zur 
besseren  Befestigung  am  Stiele.  Zwei  von  ihnen  sind  zu  gleichem  Zwecke 
auch  durchbohrt  Ohne  Dom  sind  sie  durchschnittlich  10  cm  lang.  Die 
Gestalt  dieser  Beile  erinnert  lebhaft  an  die  der  ältesten  Eupferbeile,  die, 
den  Steinbeilen  nachgebildet,  in  Mittel-  und  Nordeuropa  jetzt  in  ziemlicher 
Anzahl  aufgefunden  sind  (vergl.  M.  Much,  Die  Eupferzeit  in  Europa, 
Jena  1893,  und  Oscar  Montelius,  „Findet  man  in  Schweden  Ueberreste 
von  einem  Eupferalter ?*  im  Archiv  für  Anthropologie  1895).  Bei  Perrot 
et  Chipiez,  Histoire  de  Tart  dans  Tantiquite  HI,  868  ist  ein  phönikisches 
Bronze(?)beil  von  Cypem  abgebildet,  das  noch  die  Gestalt  eines  Steinbeiles 
hat.  Es  nähert  sich  in  der  Form  dem  dritten  Beile  der  von  uns  in  Fig.  40 
wiedergegebenen;  doch  zeigt  es  keinen  Domfortsatz.  Es  wäre  erwünscht 
zu  wissen,  ob  dieser  überhaupt  den  Beilen  phönikischer  Provenienz  eigen 
ist,  oder  ob  dies  nur  eine  Eigenthflmlichkeit  der  Carthagischen  ist.    Auch 

1)  Nach  einer  gfitigen  Mittheilnng  des  Abb^  Delaitre  Tom  2.  Januar  hat  tich  bei 
der  chemischen  Unterenchnng,  die  auf  unsere  Veranlassung  vorgenommen  wurde,  er- 
geben,  dass  das  Metall  der  Beilchen  gediegenes  Kupfer  (du  cuitto  natif)  isf,  und  nicht 
Bronie,  wie  man  bisher  glaubte. 


Tor-  und  Frühgesohiohtliches  aus  Tunis.  31 

wäre  ea  wissenswerib^  ob  solche  mit  Dom  versehenen  Kupfer-  oder  Bronze- 
beile noch  anderswo,  vorkommen ,  um  durch  ähnliche  Funde  allenfalls 
Aufscbluss  über  die  Beziehungen  der  Phöniker  zq  den  anderen  Ländern 
zu  erhalten. 

Ausser  zahlreichen  im  Lande  gefertigten  Thongef^en  sind  auch 
ziemlich  häufig  eingeführte  altgriechische  Vasen  (protokorinthische,  ko- 
rinthische und  schwarzfigurige)  in  den  Gräbern  gefunden.  Die  einheimische 
Keramik  scheint  aber  fast  gar  nicht  durch  das  eingeführte  Fabrikat  beein- 
flusst  worden  zu  sein;  sie  bringt  vielmehr  Jahrhunderte  hindurch  nal^ezu 
unverändert  die  gleichen  schwerfälligen^  an  altphönikische  und  ägyptische 
Muster  erinnernden  Formen  hervor.  Wie  bei  diesen  beschränkt  sich  die 
Ornamentik  beinahe  nur  auf  braune  oder  schwarze  Bänder,  die  das  Oefiäss 
horizontal  umgeben. 

unter  der  einheimischen  Topfwaare,  die  aus  gut  gereinigtem  Thone 
mit  der  Scheibe  geformt  und  im  Ofen  gleichmässig  gebrannt  ist,  kann 
man  zwei  Arten  unterscheiden:  die  eine  von  hellgelbgrauer  Farbe  (nach 
Badde's  Farbenscala  orangegrau  34^  besteht  aus  einem  chamotteartigen, 
äusserst  dauerhaften  Materiale,  die  andere  von  lebhaft  rothen  Farbentönen 
(nach  Radde  Zinnober,  Cardinalton  und  Uebergang  nach  Orange,  1  und  2, 
A-f  und  r-s)  ist  zerbrechlicher.  Die  in  Nabeul^  etwa  70  km  SO.  von  Tunis, 
hergestellten  Wasserkrüge,  die  in  den  Bazaren  von  Tunis  feilgeboten 
werden,  zeigen  im  Bruch  genau  das  gleiche,  lebhaft  rothe  Material  wie 
die  betreffenden  carthagischen.  Sie  sind  aber  mit  einer  gelblichen  Farbe 
überzogen,  so  dass  sie  äi(sserlioh  der  Chamottewaare  gleichen.  In  der 
Form  und  der  Bemalung  des  modernen  Oeschirrs  ist  eine  Tradition  aus 
dem  Alterthum  unverkennbar;  insbesondere  erinnern  die  Pflanzenomamente 
und  die  herumlaufenden  Thierstreifen  lebhaft  an  altgriechische  Muster. 

Auf  Tafel  11  geben  wir  eine  Auswahl  von  charakteristischen  Formen 
der  einheimischen  Thongefässe  aus  den  punischen  Nekropolen  Carthagos. 
Die  gleiche  Form  erscheint  in  der  Regel  in  chamottefarbigem  und  rothem 
Thon;  doch  scheint  nur  der  letztere,  mit  wenigen  Ausnahmen,  durch 
horizontale  braune  und  schwarze  Streifen  verziert  zu  sein. 

Fig.  1.  Kelchartiges  Oeftss  aus  rothem  Thon  mit  kugeligem  Bauch 
und  gesondertem  Fuss. 

Fig.  2.  Einhenkeliger  Krug  aus  gelbem  Thon  mit  kleeblattfOrmiger 
Mündung. 

Fig.  3  und  8.  Becher  aus  rothem  Thon,  durch  braune  Horizontal- 
bänder verziert. 

Fig.  4.  Becherartiges  Oefäss  ohne  Boden  aus  grauem  Thon,  das 
durch  rothe  und  schwarze  horizontale  Streifen  verziert  ist,  die  zum  Theil 
schon  verwischt  und  daher  auf  der  Abbildung  nicht  mehr  deutlich  zu 
sehen  sind.  Delattre  denkt  hierbei  an  ein  trommelartiges  Listrument, 
wie  die  arabische  Derbouka.     Die  Thontronmiel   ist   offenbar   eines    der 


32  O.  SoaOfiTBMSACK: 

ältesten  weitverbreiteten  Musikinstnimente,  wie  anoh  die  Funde  ans  stein- 
zeitlichen  Gräbern  Thüringens  und  der  Altmark  ergeben  haben  (vergl. 
diese  Zeitschrift  1893,  S.  165  und  Taf.  XHI). 

Fig.  5.  Flaschenf^rmiges  Gef&ss  mit  kugeligem,  durch  umlaufende 
mattschwarze  Bänder  verziertem  Bauche,  hohem  geschwungenen  Halse, 
grosser  Mündungsscheibe  und  verticalem  Henkel.  Der  lebhaft  rothe 
Thon  trägt  noch  einen  Ueberzug  aus  gleichfarbigem,  feiner  geschlemmtem 
Materiale. 

Fig.  6  a  und  6.  Kleine  flaconartige  G^fftsse  ohne  Henkel,  wie  sie  aus 
rothem  und  gelbem  Thone  vorkommen. 

Fig.  7.  Einhenkeliges  kugeliges  Gefäss  mit  gesondertem  Fuss  und 
Hals.  An  den  Bauch  ist  eine  Röhre  angesetzt,  durch  welche  die  Flüssig- 
keit aus  der  Flasche  gesogen  wird.  Diese  Art  von  Gef&ssen  wurde  stets 
nur  bei  Einderskeletten  zusammen  mit  einem  durch  Feuer  am  unteren 
Theile  geschwärzten  Schälchen  gefunden.  Es  scheint  also  dem  Todten 
vor  dem  Verschluss  des  Grabes  noch  ein  warmes  Getränk  (Milch?)  ge- 
spendet zu  sein.  Derartige  thönerne  Kinderfläschchen  mit  angesetztem 
Mundstück  finden  sich  übrigens  auch  häufig  in  Gräbern  der  Hallstattzeit 
in  Deutschland.  Noch  jetzt  sind  ähnliche  Saugfläschchen  aus  Thon  in 
Nordafrica  und,  wie  wir  zu  beobachten  Gelegenheit  hatten,  auch  auf 
Sicilien  in  Gebrauch. 

Fig.  9  und  16.  Lampe  aus  gelbem  Thon,  die  nahezu  regelmässige 
Beigabe  der  Todten  bildend.  Der  Rand  eines  Tellers  ist  an  drei  Stellen 
nach  innen  mehr  oder  weniger  eingebogen,  wodurch  zwei  schnabelartige 
Falten  entstehen  ^  die  als  Dochthalter  dienen.  An  vielen  Exemplaren 
kann  man  noch  deutlich  die  Brandspuren  sehen;  auch  fand  man  in  einigen 
Lampen  Reste  verkohlten  Dochtes,  so  dass  angenommen  werden  darf,  dass 
dieser  beim  Schliessen  des  Grabes  noch  brannte.  Aehnlich  gestaltete 
Lampen,  mit  langem  Fuss  versehen,  sind  nach  Delattre  noch  jetzt  bei 
den  Arabern  und  auf  Inseln  des  Mittelmeeres,  z.  B.  auf  Malta,  in  Gebrauch. 
Auch  scheint  es,  dass  die  Phöniker  ebenfalls  derartige,  mit  hohem  Fuss 
versehene  Lampen  hatten,  da  das  Musee  St.  Louis  und  dasjenige  von 
Cagliari  je  ein  Exemplar  aufweisen,  das  unten  einen  entsprechenden 
Ansatz  zeigt.  Neben  punischen  Lampen  wurden  auf  Carthago  auch 
griechische  gefunden,  deren  Formen  aber  den  einheimischen  Töpfer  nicht 
beeiiiflusst  zu  haben  scheinen. 

Fig.  10  und  15.     Kleine  einhenkelige  cylindrische  Töpfe. 

Fig.  11.  Ein  Teller  aus  rothem  Thon.  Auf  derartigen  Tellern  pflegen 
die  Lampen  zu  stehen. 

Fig.  12.  Doppelhenkeliges,  unten  kugeliges,  nach  oben  birnenförmig 
in  die  Länge  gezogenes  Gefäss  ans  rothem  Thon,  das  mit  einem  Deckel 
nach  Art  der  chinesischen  Mützen  versehen  ist.  Die  gleiche  Deckelform 
findet  sich  auf  den  Brandumen  aus  den  tombe  a  pozzo  von  Cometo,    die 


Vor-  nnd  FrQhgeschtchtlieheB  aas  Tuuig.  33 

nach  Julea  Martha,  L'art  etrusqae  p.  36,  Paris  1889,  den  ältesten 
etrugktscben  Nekropolen  angeh&ren.  Die  Verzierung  besteht  aus  braunen 
Horisontalbändem  und  senkrecht  dazu  verlaufenden  Schlangenlinien.  Von 
gleicher  Form  kommen  auch  kleinere  Oefässe  bis  zur  Grösse  eines 
Sbrftusseneies  vor. 

Fig.  13.  Eine  grosse  Amphora,  wie  sie  häufig,  in  die  Ecke  der 
Grabkammer  oder  einer  Nische  gestellt,  gefanden  werden.  Sie  enthielten 
wohl  den  Wasserrorrath  fOr  den  Todten,  da  niemals  Rückstände  darin 
gefanden  wurden.  Die  abgebildete  Amphora  hat  eine  auesergewahnliche 
Form;  meist  sind  sie,  wie  das  (iefäss  Fig.  13,  aber  unten  spitz  zugebend, 
gestaltet. 

Fig.  14.    Untersatz  aus  rothem  Thon  fdr  grössere  GefUsse. 

Besonders  erwähnt  zu  werden  verdient  das 
in  Fig.  41  abgebildete  graue,  monochrome  Ge-  Fig.  41.    V4 

^s,  das  sich  von  den  flbrigen  in  der  Form  und 
den  Verzierungen  unterscheidet.  Diese  sind 
nehmlich  eingeritzt.  Sie  zeigen  zwischen 
baumartigen  Zeichnungen  jeweils  parallel  lanfende 
verticale  Schlangenlinien.  Den  letzteren  be- 
gegnen wir  wieder  bei  dem  bemalten  Gewisse 
Fig.  12  und  anf  dem  bereits  beschriebenen 
Scherben     vom     Eryx.      Perrot    et    Chipiez, 

Histoire  de  l'art  dans  l'antiquite  m,  685,  erwähnen  ph&nikische  Gefässe 
von  Gypern,  die  ebenfalls  nur  eingeritzte  Ornamente  aufweisen  und  die 
dort  als  die  ältesten  bezeichnet  werden.  Der  Form  nach  schliesst  sich 
das  Gefites  im  Muaee  St.  Louis  dem  bei  Perrot  m,  669  abgebildeten 
von  Jernealem  an,  das  nach  genanntem  Autor  das  einzige  bis  jetzt  be- 
kannt gewordene  Thongefllss  ans  Syrien  sein  soll,  welches  gut  erhalten 
auf  uns  gekommen  ist.  Leider  ISsst  sich  Ober  die  Herkunft  unseres  Ge- 
ffisses,  nach  Delattre's  gfltiger  Uittheilung,  nichts  Zuverlässiges  mehr 
feststellen.  Nehmen  wir  an,  dass  es  phönikischer  Provenienz  ist,  so  müssen 
vir  es  wegen  der  eingeritzten  Ornamente  sehr  frQh  datiren  und  es  einer 
Zeit  zuweisen,  in  der  nur  vereinzelt  solches  Fabricat  von  Syrien  aus  an 
die  Kosten  des  libyschen  Meeres  gelangte;  denn  wären  derartige  Ge^se 
im  Lande  selbst  gefertigt  worden,  so  mOsste  mehr  derartiges  auf  Carthago 
gefunden  sein. 

Schliesslich  sind  noch  schlauchartige  Gefässe  ans  den  panischen 
Nekropolen  Carthagos  anzufahren.  Diese  stellen  häufig  auch  vierfflssige 
Thiere  schematiscb  dar,  ähnlich  wie  solche  bei  Perrot  m,  692 — 93  er- 
wähnt sind.  — 

Der  Rackweg  von  Tunis  fahrte  nns  über  Sardinien  nach  Livomo. 
In  Cagliari  hatten  wir  Gelegenheit,  das  R.  Hnseo  di  Antichitä  unter 
FQhmsg    der    hervorrj^jenden    Kenner    sardinischer   AlterthOmer,   Ettore 

Zaiuakrifl  lür  BlbaoloKf«.    Jatirf.  18*1.  g 


34  0.  Sohovtbnsaok: 

Pais  und  Filippo  Nissardi,  zu  besichtigen.  Erstgenanntem  Forscher 
verdanken  wir  die  vortreffliche  Abhandlung:  ^La  Sardegna  prima  del 
dominio  romano",  Memorie  delF  Accademia  dei  Lincei  1881,  259ff.,  welche 
grundlegend  für  die  Beurtheilung  sardischer  Vor-  und  Frühgeschichte 
ist  Ueber  die  an  zahlreichen  Punkten  der  Insel  aufgefundenen  Bronze- 
figuren besitzen  wir  Aufsätze  des  genannten  Gelehrten  im  Bullettino 
archeologico  sardo  von  1884.  Das  Material,  in  welches  durch  das  Auf- 
treten von  Palsificaten,  denen  leider  auch  La  Marmora  in  seinem  rühm- 
lichst bekannten  Werke:  ^Voyage  en  Sardaigne^,  Paris  1839/40,  eine 
grosse  Beachtung  schenkt,  eine  grosse  Verwirrung  gekommen  war,  liegt 
nunmehr  gesichtet  vor  uns.  Von  den  als  acht  anerkannten,  beiläufig 
gesagt  15 — 20  cm  hohen,  Figuren  werden  diejenigen  mit  vier  Armen  und 
Augen  als  Gottheiten  gedeutet,  andere  als  Priester  und  Laren  oder  Hirten. 
Die  Mehrzahl  scheint  heroisirte  Krieger  darzustellen,  deren  gehörnter 
Helmschmuck  besonders  hervortritt.  Ausserdem  sind  noch  die  bis  15  cm 
langen  bronzenen  Schiffchen  zu  erwähnen,  deren  Vordertheil  meist  in 
den  Kopf  eines  Kindes  endigt. 

Betrachtet  man  die  Figuren  in  ihrer  Gesammtheit,  so  wird  einem 
bald  klar,  dass  man  es  hier  nicht  mit  den  ersten  Kunstanfängen  der  ein- 
heimischen Bevölkerung,  sondern  mit  einer  Anlehnung  an  überkommene 
Muster  zu  thun  hat.  Die  ganze  Kunstweise,  sodann  aber  auch  Einzel- 
heiten, wie  z.  B.  ein  steinerner  Untersatz,  in  den  eine  Bronzefigur  einge- 
lassen war  und  der  in  seiner  Gestalt  der  bei  Perrot,  Histoire  de  Tart 
dans  Tantiquite  lU,  310  abgebildeten  Stele  aus  der  phönikischen  Nieder- 
lassung von  Sulcis  verwandt  ist,  weisen  auf  die  Phöniker  hin,  die  bereits 
vor  dem  ersten  Jahrtausend  v.  Chr.  mit  Sardinien  in  Berührung  gekommen 
sind.  Als  Carthago  die  Führung  über  die  Colonien  im  westlichen  Mittel- 
mehr übernahm,  traten  sardische  Soldaten  häufig  in  pnnische  Dienste. 
Als  Votivgeschenke  der  glücklich  Heimgekehrten  dürften  daher  auch  mit 
Recht  die  bronzenen  Schiffchen   und  die  Kriegerfiguren  aufzufassen  sein. 

Die  in  dem  Museum  zu  Cagliari  befindlichen  Modelle  einiger  besonders 
interessanten  Nuraghi  und  Tombe  dei  giganti  ermöglichen  einen  genauen 
Einblick  in  den  Bau  dieser  durch  La  Marmora's  vorzügliche  Skizzen 
bekannt  gewordenen  Monumente.  Dass  die  Nuraghi  in  erster  Linie  Ver- 
theidigungszwecken  gedient  haben  müssen,  geht  namentlich  aus  den  zu 
Gruppen  vereinigten  hervor,  die,  wie  die  19  Nuraghi  della  Giara  (Provinz 
d^Isilli)  ein  ausgedehntes  erhöht  gelegenes  Terrain  flankiren,  also  ein 
Refugium  in  grossartigem  Maassstabe  darstellen.  Ueber  den  Zweck  der 
Tombe  dei  giganti  kann  kein  Zweifel  sein,  da  wiederholt  Skeletreste  in 
denselben  gefunden  sind  (Bullettino  di  paletnologia  italiana  1890,  134). 
Da  sie  sich  häufig  in  der  Nähe  der  Nuraghi  befinden,  so  bringt  man  sie 
mit  diesen  in  Beziehung  und  nimmt  an,  dass  in  diesen  Gräbern  hervor- 
ragende Personen  aus  der  Nuraghi-Periode  bestattet  sind.     Allerdings  ist 


Vor-  and  Frnhgeschichtliches  ans  Sardinien.  35 

ja  beiden  Arten  von  Monumenten  das  gemeinsam,  dass  sie  aus  behauenen 
Steinen  ohne  Verwendung  von  Kalkmörtel  errichtet  sind. 

Ausser  besagten  Resten  finden  sich  auf  Sardinien,  und  zwar  eben- 
falls häufig  in  der  Nähe  der  Nuraghi,  künstliche  Grotten,  die  sich  viel- 
fach aus  mehreren  Räumen  zusammensetzen.  Es  wurden  in  ihnen  ge- 
funden: Reste  menschlicher  Skelette,  rohes  Topfgeschirr,  geschlagener 
Feuerstein  und  Obsidian,  geschliffene  Steinbeile,  und  in  dem  obersten 
Theile  einer  Grotte  auch  Bronze.  Eine  systematische  Erforschung  derselben 
ist  seit  einer  Reihe  von  Jahren,  u.  a.  durch  Lovisato  in  Cagliari,  in  die 
Hand  genommen.  Die  Ergebnisse  derselben  werden  im  Bullettino  di 
paletnologia  italiana  veröffentlicht. 

Es  möge  dem  Verfasser  gestattet  sein,  an  dieser  Stelle  dem  Gross- 
herzoglich badischen  Ministerium  der  Justiz,  des  Cultus  und  Unterrichts 
für  die  Zulassung  zu  der  eingangs  genannten  Studienreise  tiefgefühlten 
Dank  auszusprechen;  ebenso  den  Führern  derselben,  Hrn.  Prof.  Dr.  von 
Duhn  und  Hrn.  Oberbaudirector  Dr.  Durm.  Von  diesen  Herren  empfingen 
wir  eine  meisterhafte  Interpretation  der  ehrwürdigen  Baudenkmäler 
Siciliens  aus  der  Griechenzeit;  der  Archjäolog  wusste  uns  den  Zauber  des 
italienischen  Südens  voll  zu  erschliessen  und  unser  Interesse  für  die  dort 
noch  erhaltenen  Zeugen  des  classischen  Alterthums  fortgesetzt  im  höchsten 
Maasse  wach  zu  erhalten.  Dabei  war  es  den  persönlichen  Beziehungen 
unseres  allverehrten  Führers  zu  danken,  dass  uns  ausser  den  öffentlichen 
Museen  auch  zahlreiche  Privatsammlungen  zugänglich  gemacht  wurden. 
Ihren  Besitzern  sowie  den  Leitern  der  öffentlichen  Sammlungen  sind  wir 
für  ihr  ausserordentliches  Entgegenkommen  zu  dauerndem  Danke  verbunden. 


Besprechungen. 


Frauz  Tappeiner.  Der  europäische  Mensch  und  die  Tiroler.  Meran 
1896.  Selbstverlag  durch  S.  Pötzelberger,  Buchdruckerei,  gr.  4.  53  S. 
nebst  Maasstabellen. 

Der  Verl,  seit  vielen  Jahren  überall  bekannt  als  einer  der  eifrigsten  Helfer  auf  dem 
Qebiete  der  exakten  Anthropologie  und  als  der  beste  Kenner  der  somatologischcn,  ins- 
besondere  der  craniologiscben  Eigenscbaften  seiner  tirolischen  Landslonte,  hat  in  seinen 
alten  Tagen  von  Neuem  eine  Rundreise  durch  Mitteleuropa  unternommen,  um  in  den 
dortigen  Sammlungen  durch  unmittelbare  Anschauung  und  durch  sorgf&ltige  Messungen 
sichere  Materialien  xu  einer  Vergleichung  der  Tiroler  mit  anderen  Völkern  Europas  und  Asiens 
zu  gewinnen.  Er  hatte  vorher  in  seinem  Ueimathlande  8400  lebende  Erwachsene  untersucht 
und  8651  Sch&del  und  Köpfe  gemessen.  Nach  diesen  Messungen  berechnet  er  1,1  pCt 
Langschftdel^  16,1  Mittel-Ijifigsch&del,  82,7  Kunschldol;  von  letzteren  waren  85,{»8  pCt. 
Rundsch&del  oder,  wie  er  in  Parenthese  hinzufugt,  hjperbrachjeephal  (S.  18).  Unter  1>27 
tiroler  Beingruftschädeln  fand  er  834  =  41,4  pCt  hjperbrachjeephal  (Vergleichungstabelle) 
Man  begreift  danach,  dass  ihn  vorzugsweise  die  Frage  nach  der  Abstammung  dieser  Kurz- 
köpfe intoressirte,  und  da  nicht  wonige  Anthropologen  eine  mongolische  oder  wenigstens 
mongoloide  Einwanderung  in  Europa  angenommen  haben,  auch  eine  ZurückfQhrung 
der  europftischen  Kurzköpfe  auf  eine  andere,  als  die  mongolische  Rasse  sich  nicht 
darbot,  so  entschloss  er  sich  kurzweg,  wenigstens  die  Schädel  der  Ost-,  West-  und 
Nord-Mongolen,  so  vieler  er  habhaft  werden  konnte,  in  den  Kreis  seiner  genaueren  Be- 
stimmungen zu  ziehen.  Ref ,  der  wochenlang  Augenzeuge  seiner  mikhseligen  Untersuchungen 
gewesen  ist^  kann  bezeugen,  dass  er  unermüdlich  vom  Morgen  bis  zum  Abend  an  der 
Arbeit  gewesen  ist.  So  gelang  es  ihm,  45  Schädel  von  Ost-Mongolen  und  141  von  West- 
und  Nord-Mongolen  seinen  Erörterungen  zu  Grunde  zu  legen. 

Das  Gesamratergebniss  war  ein  negatives,  d.  h.  er  kam  zu  der  Ueberzeugung.  data 
von  einer  mongolischen  Einwanderung  in  Europa  keine  Rede  mehr  »ein  könne  ^S.53). 
Die  europäischen  brachjcephiüen  Schädel  sind  nach  ihm  so  wesentlich  verschieden  von 
den  moDgolischen,  dass  ,die  europäischen  Brachjcephalen  keine  Nachkommen  der  Mon- 
golen sein  können  und  dass  daher  eine  prähistorische  Einwanderung  von  Mongolen  aus 
Asien  ein  anthropologischer  Irrthum  ist*  (S.  48).  Er  ist  vielmehr  überzeugt,  dass  die 
Tiroler  Schädel  wesentlich  identisch  sind  mit  den  Schädeln  aus  Südbajem,  SQd- Württem- 
berg, Sudbaden,  der  Ost-  und  Nordschweix,  sowie  mit  denen  aus  Oberitalien,  Salzburg, 
Ober-  und  Nieder -Oesterreich,  Kärnten,  Steiermark,  Krain,  Istrien  und  Albanien,  und 
weiter  sehr  ähnlich  den  prähistorischen  illjrischen  Schädeln  (S.  47).  Er  kommt  dann 
auch  zurück  auf  seine  alte  Vermuthung,  dass  die  Tiroler,  die  er  als  Nachkommen  der 
Rhäter  auffasst,  mit  den  Illjriern  nahe  verwandt  (S.  88),  und  gleich  ihnen  arischen  Stanunes 
seien.  Aber  er  schliesst  sich  der  neueren  Auffassung  an,  dass  die  Arier  schon  ursprünglich 
in  Europa  ansässig  waren  und  nicht  etwa  eingewandert  seien  (S.  18),  und  dass  der  brachj- 
cephale  Zweig  derselben  bis  in  die  Diluvialzeit  zurückreiche. 

Seine  Darstellung  ist  durchweg  von  dem  frischen  Enthusiasmus  getragen,  den  er 
sich  so  glücklich  bis  in  sein  hohes  Alter  bewahrt  hat.  Auch  zeigt  sie  in  ihren  Grund- 
lagen jene  Zuversichtlichkeit  wirklichen  Glaubens,  welche  über  manche  Lücken  hinweg- 
hilft Ref.  will  nicht  verschweigen,  dass  er,  obwohl  in  manchen  Haupt^ichon  sehr 
geneigt,  seinem  hochverehrten  Freunde  rechtzugeben,  doch  mehr  Detail  gewüoscht 
hätte.  Nur  das  Detiül  gewährt  die  Möglichkeit  einer  wissenschaftlichen  Diskussion  und 
sichert  die  Dauerhaftigkeit  des  Sieges.  Darum  will  Ref.  auch  den  Wunsch  nicht  unter- 
tlrucken,  das^i  der  Verf.  in  einer  späteren  Veröffentlichung  die  Einzelheiten  seiner  Uuter- 
»«ui'hung   geben    möchte.     Wir   erfahren    nicht   eiomal,    was   für  Nekropolen    es   gewesen 


Besprechungen.  37 

sind,  deren  Sch&del  gemessen  worden:  der  Yerf.  giebt  uns  nur  Summen  oder  Procent- 
xahlen  fär  grosse  CoUektivgrappen,  aber  gar  keine  Einzolzahlen.  So  fasst  er  die  Sfid- 
slaren,  Rossen,  Czechen,  Polen  und  Kosaken  zo  einer  Collektiveinheit  zusammen,  während 
doch  bekannt  ist,  dass  gerade  in  der  Graniologie  dieser  Völker  oder  St&mme  die  grössten 
Verschiedenheiten  zo  Tage  treten. 

Indess  das  Detail  l&sst  sich  nachbringen.  Wer  selbst  der  Grenze  des  menschlichen 
Lebens  n&her  steht,  der  begreift  die  Eile,  welche  ein  alter  Forscher  hat,  die  Haoptergebnisse 
seiner  Arbeiten  an  das  Licht  des  Tages  zo  bringen.  Seien  wir  froh,  dass  wir  hier  in 
einer  leicht  fibersichtlichen  Form,  zogleich  in  einer  yerfohrerischen  Darstellong,  die  Summe 
der  Erfahrungen  eines  rfihrigon  ond  vorurtheilslosen  Forschers  vor  uns  haben.  Was  er 
ons  bietet,  ist  nicht  bloss  die  Quintessenz  seines  anthropologbchen  Wissens:  man  kann 
sagen,  es  ist  auch  das  Bekenntniss  seines  anthropologischen  Glaubens.  Möge  ihm  dafür 
warmer  Dank  ausgesprochen  sein,  verbunden  mit  dem  Wunsche,  dass  es  ihm  noch 
vergönnt  sein  möge,  aus  der  reichgefullten  Schatzkammer  seiner  Erfahrungen  auch  die 
Einzelheiten  seines  Materials  vorzoffihren.  Rod.  Virchow. 


Godard  Arend  Johannes  Hazeu:  Bijdrage  tot  de  kennis  van  het  Javaan- 
sche  tooneeL  Acadeniisch  Proefsohrift  ter  verkrijging  van  den  graad 
van  Doctor  in  de  Taal-en  Letterkunde  van  den  Oost-Indischen  Archipel, 
van  de  Rijks-Universiteit  te  Leiden.     203  Seiten  8vo.    Leiden  1897. 

Die  Anschaoong,  dass  die  Javaner  ihr  Theater  (tooneel)  von  den  Indem  entlehnt 
hatten,  ist  in  dem  bisher  gewöhnlich  angenommenen  Umfange  nicht  zutreflfend.  Man 
moss  bei  der  Beortheilong  dieser  Frage  das  Technische  ond  die  Art  der  Aosffihrong  von 
dem  Inhalte  der  Stocke  onterscheiden.  Der  letztere  ist  allerdings  gewöhnlich  der  in- 
dischen, oder  genaoer  der  Sanskrit  -  Literatur  entnommen,  namentlich  dem  Mahäbhärata, 
wenn  er  auch  nicht  selten  mit  acht  javanischen  Bestandtheilen  ond  allgemein  malajisch- 
poljmesischen  Mythen  ontermischt  wird.  Bei  dem  Schattenspiel,  dem  Wajang- Spiel  mit 
ausgeschnittenen  Poppen,  das  den  Indern  in  dieser  Form  ganz  fremd  ist,  sind  alle  tech- 
nischen Bezeichnongen  (ffir  die  Puppen,  den  Erz&hler,  den  Leinwandschirm,  die  Lampe, 
die  Kiste  u  s.  w.)  nicht  dem  Sanskrit,  sondern  der  javanischen  Sprache  entnommen; 
schon  in  Manoscripten  des  11.  ond  12.  Jahrhonderts  wird  das  Schattenspiel  als  etwas 
allgemein  Bekanntes  erwähnt,  ond  es  linden  sich  darin  die  auch  heote  noch  gebr&och- 
liehen  Aosdrücke.  Seine  Erfindong  und  Entstehung  mnss  daher  ganz  erheblich  frfiher, 
als  diese  Periode,  angesetzt  werden,  und  f&llt  vor  den  Einfluss  des  Brahmanismos  ond 
Boddhismos  in  Java.  Von  den  Chinesen  ist  das  Spiel  aoch  nicht  entlehnt,  ond  bei 
dem  birmanischen  Schattenspiel  ist  eine  Einfuhr  von  Java  nach  Birma,  aber  nicht  um- 
gekehrt, zo  vermothen,  da  sich  bei  demselben,  wie  aoch  in  der  birmanischen  Hofeprache, 
noch  javanische  Worte  erhalten  haben. 

Sehr  wahrscheinlich  ist  es,  dass  das  Schattenspiel  orsprünglich  religiöse  Bedeotung 
hatte;  es  sollte  die  Seelen  der  Vorfahren  herbeirufen,  um  Segen  zo  bringen  ond  allerlei 
Unheil  abzowenden.  Das  Phantastische  in  den  Figuren  findet  dadurch  aoch  seine  £r- 
kl&ning,  dass  dieselben  nicht  das  Bild  der  betreffenden  Persönlichkeit,  sondern  dasjenige 
seiner  schattenhaften  Seele  darstellen  sollen.  Manches  von  dem  aoch  noch  heote  streng 
eingehaltenen  Cerranoniell  macht  diese  Annahme  sehr  glaob würdig:  das  Weihraochopfer, 
die  Mosik,  das  Gebet,  die  Aoffuhmngen  bei  Nacht  o.s.  w.  Der  Dalang,  der  Erz&hler,  ist 
froher  wahrscheinlich  der  Priester  gewesen,  später  das  durch  Weihrauch  ond  Mosik  in 
Extase  versetzte  Mediom  ond  erst  spftter  hat  sich  dann  der  Stand  der  berofismftssigen 
Recitatoren  aosgebildet» 

Aosser  dem  Wajang-  oder  Schattentheater  kommt  noch  das  Topeng-  oder  Masken- 
theater in  Java  vor.  Aoch  dieses  blickt  aof  ein  sehr  hohes  Alter  zorück»  es  ist  sicherlich 
»och  eine  altjavanische  Erfindong  ond  hat  wahrscheinlich  den  gleichen  Zweck,  wie 
anfHrfiDS^h  das  Wajrang- Spiel,  nehmlich  die  Geister  der  Vorfahre»  in  die  Masken  zu 
rufen.     Die    dabei    auch    gebräuchlichen   Thiermaskcn   lassen    auf   eine   Thierverehrung 


H8  Besprechungen. 

dchliessen.  Die  Masken  verden  Yermittebit  kleiner  Querhölzer  im  Monde  gehalten.  Jetst 
unterscheidet  man  zwei  Arten  des  Maskentheaters,  das  Topeng  babakan  oder  barangan 
und  das  Topeng  dalang.  Ersteres  wird  von  herumziehenden  Schauspielern  auf  der  Strasse 
aufjgeführt,  wobei  nur  Bruchtheile  von  Theaterstücken,  oft  ganz  modernen  Inhalts,  sowie 
Lieder  und  Tftnze  geboten  werden.  Das  Topeng  dalang  ist  weiter  nichts,  als  eine  Um- 
formung des  Wajang- Spieles.  Wie  bei  diesem,  sind  die  Schauspieler  kostümirt  und,  wie 
bei  diesem,  sind  sie  eigentlich  nur  Puppen.  Nicht  sie  sprechen,  sondern  der  Dalang  trSgt 
auch  hier  das  Theaterstück  vor.  Trotzdem  muss  man  diese  beiden  Arten  des  Theaters 
als  ursprünglich  unabh&ngig  von  einander  entstanden  betrachten.  Eine  dritte  Art  der 
Vorstellungen,  die  allmählich  zu  verschwinden  beginnt,  früher  aber  viel  häufiger  war  und 
schon  aus  dem  15.  Jahrhundert  beglaubigt  wird,  ist  das  Wayang  beber,  eine  Yorführung 
gemalter  Bilderrollen,  zu  denen  aus  dem  Repertoire  der  Wajang  -  Spiele  die  nöthige  Er- 
klärung gegeben  wird.  Auch  dieses  ist  eine  javanische  Erfindung.  Ebenso  ist  difi  fernere 
Ausbildung  des  javanischen  Theaters  eine  im  Wesentlichen  einheimische  geblieben. 
Ausser  den  Lederpuppen  wurden  später  glatte  bekleidete  Uolzpuppen  gefertigt,  die  durch 
einen  Ausschnitt  in  dem  Schirme  gezeigt  wurden.  Dann  folgten  rund  gearbeitete  Pappen 
und  endlich  unmaskirte  Menschen.  Theils  hiemach,  theils  nach  dem  Inhalt  der  StAcke 
hat  man  besondere  Namen  für  die  Theaterspiele  gebildet.  Man  unterscheidet  Wajang 
purwa,  W.  gHok,  W.  kalitik  oder  karucel,  W.  golek  und  W.  wong. 

Wajang  purwa  scheint  seinen  Namen  zu  haben  von  den  parwa,  den  Abtheilongen 
des  Mahäbhärata,  den  Sanskrit  Stoffen,  die  den  altjavanischen  Mjthen  aufgepflanzt  worden. 
W.  g<^dog,  in  dem  immer  nur  aus  dem  Panji-Cjklus  Vorführungen  vorkommen,  bedeotet 
entweder  Ausdehnung,  nehmlich  des  vorigen,  oder  Pferd,  nach  einer  Bezeichnung,  die  sich 
stets  im  Namen  des  Helden  findet  W.  kalitik  oder  karucel  hängt  wahrscheinlich  mit  der 
Bedeutung  „klein  werden*"  zusammen,  und  findet  seine  Erklärung  darin,  dass  die  hölzernen 
Figuren,  mit  denen  es  gespielt  wird,  bedeutend  kleiner  erncheinen,  als  die  Schattenbilder. 
W.  golek  mit  der  Bedeotong  „rand"*  spielt  auf  die  rund  gearbeiteten  Figuren  an,  nnd  W. 
wong,  nur  von  Menschen  gespielt,  bedeotet  onmaskirt  Letzteres  wird  namentlich  in 
neoerer  Zeit  von  den  einheimischen  Fürsten  sehr  begünstigt,  hat  sich  aber  bei  dem  Volke 
bisher  nur  geringer  Beliebtheit  zu  erfreuen  und  wird  als  ein  Verstoss  gegen  das  Alt- 
hergebrachte sogar  als  Unglück  bringend  betrachtet. 

Wajang  madja  ist  eine  neue  Bezeichnung,  die  sich  auf  den  Sagenstoff  bezieht  und 
„die  mittlere  Zeit"  bedeutet.  Von  der  Beschwörung  ond  Verehrung  der  Vorfahren 
soeben  die  Fürsten  in  neuerer  Zeit  das  Wajang-Spiel  zur  Unterweisung  in  der  Geschichte, 
also  zu  Lehrzwecken  hinüberzuführen.  Bei  den  Aufführungen  haben  sich  uralt  her- 
gebrachte, feststehende  Gebräuche,  sogar  ganze  Formeln  erhalten,  die  von  dem  Lehrer  auf 
den  Schüler  übergehen.  Eine  Anzahl  von  Kunstausdrücken  wird  vom  Verfasser  erläutert, 
der  betont,  dass  aoch  in  der  Anordnung  der  Aufführungen  die  Javanen  ihren  eigenen  Weg 
gegangen  seien.  Es  hat  sich  eine  besondere,  wahrscheinlich  wenig  über  hundert  Jahre 
alte  literator  heraosgebildet,  welche  die  Wajang-Stücke  ihrem  Inhalte  nach  wiedergiebt 
Theils  sind  das  die  Pak^ms,  welche  in  grösserer  oder  geringerer  Knappheit  eigentlich  nur 
eine  dem  Erzähler  verständliche  Anleitung  geben,  theils  aber  die  Lakon^s,  in  welchen 
sogar  in  Versen  der  Gang  des  Stückes  aosführlich  erzählt  wird. 

Der  Verfasser  giebt  dann  eine  Schilderung,  wie  die  indischen  Sagen  den  altjavanisehen 
Mjthen  aufgepfropft  ond  mit  diesen  verqoickt  ond  bisweilen  fast  bis  zor  Unkenntlichkeit 
umgeformt  sind.  Als  Belag  hierfür  wird  das  Theaterstück  Palasara  analjsirt  Den  Be- 
schlnss  macht  ein  Verzeichniss  der  technischen  Aosdrücke.  Eine  Aofzählong  von  29  Thesen 
ist  der  Doktorschrift  angehängt.  Max  Bartels. 


Niederle^  L.     0   pdTodu  Sloyaoii.     Studie  k  sloTansk^m  staroiitnostanL 
V  Praie  1896.     149  8.  in  8^    (üeber  den  Ureprung  der  Slaven). 

Zo  den  brennendsten  Fragen  der  Gegenwart   gehört  anstreitig  die  über  Entstahong 
nnd  Abgrenzong  der  verschiedenen  Nationalitäten  onseres  Continents.    Während  non  über 


Besprechangen.  39 

die  Entwicklung  der  Germanen  und  Gelten  als  Nationalitäten  bereits  eine  umfangreiche 
Literatur  existirt,  ist  diese  Frage  in  Betreff  der  Slaven  noch  nicht  mit  den  Hlilfsmitteln 
der  neueren  wissenschaftlichen  Forschungen  behandelt  worden.  Es  war  daher  eine  dankens- 
werthe  Aufgabe,  welche  Herr  Niederlo  sich 'in  der  obigen  Abhandlung  gestellt  hat,  alle 
bisherigen  Resultate  der  vergleichenden  Sprachforschung,  der  Anthropologie  und  Archäologie 
über  den  Ursprung  der  Slaven  übersichtlich  zusammenzufassen,  und  wir  können  gleich 
hinsuf&gen,  dasf  er  diese  Aufgabe  erschöpfend  und  mit  beherrschender  Sachkenntniss 
gelöst  hat 

Das  Studium  der  vergleichenden  Linguistik  fuhrt  nach  sorgfältiger  Prüfung  aller  oft 
einander  widersprechenden  Ansichten  der  verschiedenen  Forscher  doch  zu  dem  Schlüsse,  . 
dass  die  Slaven  vor  ihrem  selbständigen  Auftreten  als  solche  lagen  mit  den  lettischen  ^  n  v  ^t 
Völkerstämmen  einheitlich  zusammengelebt  haben  müssen;  dass  dieser  letto - slavische 
Spracbstamm  femer  sich  einst  von  der  gemeinsamen  arischen  Ursprache  abgezweigt  hat 
und  wahrscheinlich  zuerst  noch  in  Berührung  blieb,  einerseits  mit  dem  germanischen, 
andererseits  mit  dem  iranischen  Sprachstamm,  wenn  er  nicht  überhaupt  mit  einem  von  ihnen 
früher  eine  einheitliche  letzte  Gruppe  der  arischen  Sprachfamilie  bildete.  Ob  aber  diese 
Slaven  wirklich  ein  Theil  der  ursprünglichen  Arier  oder  nur  arisirte  Fremdlinge  waren, 
darüber  giebt  die  Sprachforschung  keinen  Aufschluss. 

Die   Anthropologie   lehrt   unzweifelhaft,    dass    die    heutigen    Slaven   ihrer    Körper- 
beschaffenheit  nach  keinen  einheitlichen  Tjpus  zeigen,  ja  dass  einzelne  slavische  Stämme 
sich   darin   mehr  von   einander   unterscheiden,  als   von  ihren  nichtslavischen  Nachbarn. 
Aber  mit  Becht  hebt  der  Verfasser  hervor,  dass  ganz  dasselbe  von  den  übrigen  Nationen 
Europas  gilt.     Im  Allgemeinen  kann  man  nur  sagen,   dass  der  Procentsatz   der  Brachy- 
cephalio  unter  den  Slaven  in  der  Richtung  nach  Norden  und  Osten  abnimmt,  nach  Süden 
und  Westen  zunimmt.     Und  dies  gilt  in  noch  höherem  Grade  von  der  Complexion:  die 
Nord-  und  Ostslaven  haben  einen  viel  höheren  Procentsatz  von  Blonden  aufzuweisen,  als 
die  Süd-  und  Wettslaven.  —  Allein  die  Untersuchung  von  Gräberschädcln  aus  dem  8.— 16. 
Jahrhundert  von  Seiten  zuverlässiger  Forscher  ergab  andererseits  auch,   dass  die  Slaven 
im  Ganzen  in  früheren  Jahrhunderten  viel  mehr  Dolichoccphale  aufwiesen,  welche  mit  dem 
germanischen  Reihengräbortypus  vollständig  übereinstimmten,  dass  dieser  Typus  mit  den 
Jahrhunderten  abnahm  und   die   Zahl  der   Brachjcephalen   zunahm.     Die  Ansicht  von. 
Europäus,  dass  jene  Erscheinung  durch  eine  starke  Einwanderung  von  langschädeligen 
Finnen   im  8.  - 12.  Jahrhundert  zu   erklären   sei,  verwirft  der  Verf.  mit  Recht,  weil  die 
Finnen  im  Allgemeinen  mehr  kurz-  als  langschädlig  seien  und  gerade  die  doHchocephalen 
Elemente  der  Slaven  die  ursprünglichen  arischen  Abkömmlinge  repräsentiren,  welche  sich 
nach  und  nach  mit  der  brachjcephalen  Urbevölkerung  Mitteleuropas  (die  sich  längs  der 
gaoieo  Alpenkette  hin  nach  Osten  bis  zum  Balkan*  und  nach  Asien  hinein  verfolgen  lässt), 
vermischt  haben,  ganz  so  wie  dies  bei  den  Germanen  und  den  Gelten  nachgewiesen  sei. 
Je  näher  jener  brachjcephalen  Alpenzone,  desto  kurzköpfiger  und  dunkler    sei  im  All- 
gemeinen die  Bevölkerung,  je  weiter  nach  Norden,  um  so  mehr  dolichocephal  und  blond. 
Hiemach  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  Lettoslaven  gemeinschaftlich  mit  den  Germanen 
and  vermuthlich  auch  mit  anderen   arischen  Stämmen  ursprünglich  eine  verwandte,  im 
Mittel  dolichocephale  Qrappe  bildeten,  welche  im  Laufe   der  Zeit  die  helle  Complexion 
entwickelte.     Erst  später,   als  sich  die  Stämme  schon  sprachlich  von  einander  getrennt 
hatten,  entwickelten  sich  weiterhin  in  den  verschiedenen  Gegenden  die  anthropologischen 
Verschiedenheiten.    Diese  Trennung  vollzog  sich  nach  den  Ergebnissen  der  archäologischon 
and  lingoistischen  Forschung  am  Ende   der  neolithischen  Periode   oder  im  Beginn  der 
Kupferzeit,  als  die  Lettoslaven  nördlich  der  Karpathen  am  oberen  Dnieper  in  der  Gegend 
des  Pripet  und  der  Beresina  sassen.     Während  nun  der  germanische  Stamm  im  Norden 
sich  bald  eine  eigenartige  Metallkultur  schuf,  ist  von  einer  besonderen  slavischen  Kultur 
noch  lange  nicht  die  Rede;  die  einzige  eigenartige  Erscheinung  ist,  dass  schon  früh  eine 
•tari[e  Beeinflussung  der  Slaven  von  Seiten  Inner-Asiens,  besonders  von  dem  uraltaischen 
Culturcentram  aus  sich  geltend  macht. 

Wann  die  Letten  von  den  Slaven  sich  trennten,  ist  ungewiss.  Nach  der  Verwandt- 
schaft des  Sprachbaues  haben  sie  noch  lange  gemeinschaftlich  gelebt,  doch  waren  sie 
einige  Jahrhunderte  v.  Chr.  Geburt  schon  sicher  geschieden. 


40  Besprechungen. 

Ein  sorgfältiges  Vcrzeichnisi  der  ganxen  einschl&gigen  Literatur  und  ein  Excurs  über 
das  Yerh&ltniss  der  Ugrofinnen  xn  den  Slaren  schliesst  die  fleissige  Arbeit. 

Lissaner. 

Hatiegka,  J.  Zkoumani  kosti  a  lebek  cesk^ch  y  kostnicich  venkovsk^ch. 
V  Praze  1896.  42  S.  8*»  und  7  Tabellen.  Aus  Rozpravy  ceske  Akad. 
Cis.  FrantiSka  Jozefa  Y.  2.  Xo.  42  (Studien  über  Öechenschädel  aus 
Beinhäuseni  in  der  Provinz). 

Der  Herr  Verfasser  hat  gegen  900  Sch&dcl  aus  den  Beinhftusem  von  Melnik,  Badin 
und  Ti'ebivlicc  im  nördlichen  Böhmen  untersucht,  welche  rerschiedcnen  Zeiten  entatammen 
und  den  Terschiedensten  Alters-  und  Bernfsklassen  angehören.  Aus  diesem  reichen 
Material  crgiebt  sich  zunächst,  dass  der  öechische  Schädel  im  Allgemeinen  brachjrcephal 
(83,88),  Ton  mittlerer  Höhe,  leptoprosop,  mesosem  und  mesorrhin  ist;  dass  die  Capacität 
femer  bei  den  Männern  eine  sehr  grosse  (1558,5  ccm\  bei  den  Frauen  dagegen  eine  sehr 
kleine  (1287,5)  ist.  Der  weibliche  Schädel  ist  Oberhaupt  mehr  brachjccphal,  aber  etwas 
weniger  hoch,  als  der  männliche.  Von  besonderem  Interesse  ist  ein  Vergleich  dieser  Schädel 
mit  denjenigen,  welche  der  Verfasser  früher  aus  dem  8.— 12.  und  aus  dem  16.  Jahr- 
hundert untersucht  und  in  seinen  Crania  bohemica,  Prag  1891,  sowie  in  den  Schriften  der  Prager 
Academie  von  1898  Teröffentlicht  hat  Damach  erscheint  der  modeme  Schädel  kürzer, 
niedriger  und  breiter,  im  Ganzen  mehr  abgerandet  und  von  grösserem  Umfang;  auch  das 
Gesicht  ist  heute  etwas  breiter,  aber  im  Ganzen  kleiner.  WflJirend  der  mittlere  Index  der 
männlichen  Schädel  aus  dem  8.— 12.  Jahrhundert  76,97  beträgt,  steigt  er  im  16.  Jahr- 
hundert anf  80,77  und  in  der  späteren  Zeit  auf  88,19;  die  Mher  häufige  „Reihengräber- 
form* ist  fast  verschwunden,  während  die  breitep  Typen  zugenommen  haben.  Die  Fest- 
stellung dieser  Thatsache  für  Böhmen  ist  das  besondere  Verdienst  des  Verfassers. 

Eine  Vergleichung  des  Sechischen  Schädels  mit  dem  der  benachbarten  Völker  zeigt, 
dass  derselbe  am  meisten  den  bayrischen  Schädeln  (Ranke)  gleicht,  welche  den  Ueber- 
gang  zu  den  Schädelformen  des  übrigen  Deutschlands  bilden,  wie  die  mährischen  zu  denen 
der  nördlichen  Slaven.  Ja  die  Sechischen  Schädel  sind  den  bayrischen  ähnlicher,  als  die 
von  Nieder -Oesterreich  oder  von  Baden  nach  den  zahlreich  vorliegenden  Untersuchungen 
von  Zucke rkandl  und  Ecker.  Mit  Recht  schliesst  der  Verfasser  daher,  dass  es  weder 
einen  specifisch  deutschon,  noch  einen  specifisch  slavischen,  viel  weniger  noch  einen 
specifiseh  öechischen  Schädeltypus  giebt 

Eine  genaue  Beschreibung  der  Fxtremitätenknoehen  schliesst  die  für  die  kraniologische 
Kenntniss  der  mitteleuropäischen  Völker  wichtige  Arbeit  Lissaner. 

Matiegka,  J.    Nalezy  Lateneske  ze  severozäpadnich  Cech.    v  Praze  1896. 

Pamätky  archaeol.     XVIL,  S.  271-284  und  Tfl.  29-31.     (La  Tene- 

Funde  aus  dem  nordwestlichen  Böhmen). 
Durch  die  Ausgrabungen  bei  Liebhansen,  welche  der  Verfasser  in  der  obigen  Ab- 
handlung sorgfältig  beschrieben  und  abgebildet  hat,  wird  die  grosse  Zahl  der  Fnndorte 
aus  der  La  Tenezeit  in  Böhmen  um  eine  wichtige  Stätte  vermehrt.  Hier  wurde  ein  Skelet- 
gräberfeld  aufgedeckt,  welches  reiche  Beigaben  enthielt^  besonders  Schwerter,  Lanzea- 
spitsen,  Schildbeschläge,  Armbänder,  Fibeln,  Ketten  von  der  charakteristischen  Form  der 
älteren  La  Tenezeit.  Die  prachtvollen  (Iflrtelketten  sind  aus  Eisen  und  Bronze,  zum  Theil 
mit  rothem  Email  verziert;  unter  den  Armbändern  sind  besonders  zahlreich  die  Formen  mit 
hohlen  Halbkugeln,  aber  auch  die  gepressten  blauen  Glasringe,  sowie  die  Lignitringe  sind 
gut  vertreten,  —  die  Fibeln  haben  den  Charakter  der  Mhen  La  Tenezeit  mit  inrflck- 
gelegtem,  aber  unverbundenem  Fussende.  —  Die  Skelette  lagen  zum  Theil  in  den  Ueber- 
resten  einer  alten  Ansiedelung  mit  Abfall-  und  Aschengruben,  welche  Stein  und  Bein- 
geräthe,  sowie  viele  omamentirte  Scherben   aus   älteren  Culturperioden,  besonders  der 

Hallstattzeit  enthielten. 

Ausser  diesem  Gräberfelde  werden  noch  2  kleinere  Fundstätten  mit  Ija  Tene-Beigaben 
von  Gross-Czemosek  und  von  Wrhinitx,  ebenfalls  im  nordwestlichen  Böhmen,  eingehend 
beschrieben.  _    .  Lissaner. 


IL 

üeber  die  verschiedenen  Gesichtsmaasse  nnd  Gesichts- 
indices,  ihre  Eintheilung  und  Brauchbarkeit 

Von 
Dr.  S.  WEISSENBERQ  in  Elisabethgrad,  Russland. 

Die  jetzt  übliche  Eintheilung  der  Gesichtsindices  ist  diejenige  der 
Frankfurter  Verständigung.  Die  Verfasser  der  letzteren  waren  sich  aber 
sehr  gut  bewusst,  dass  die  von  ihnen  gegebene  Eintheilung  nur  eine 
provisorische  sei,  was  aus  der  Bemerkung:  „eine  Aenderung  in  der  Ab- 
grenzung der  verschiedenen  Gesichts-,  bezw.  Obergesichts -Indices  bleibt 
vorbehalten"  —  zur  Genüge  erhellt.  Wie  wenig  die  Eintheilung  der 
Frankfurter  Verständigung  der  Wirklichkeit  entspricht,  ist  aus  folgendem 
Beispiel  zu  sehen.  So  sind  nach  derselben  die  Werthe  für  den  Koll- 
mann'schen  Gesichtsindex  denjenigen  für  den  Virchow'schen  gleich;  nach 
beiden  sind  Gesichter  bis  90,0  breit,  solche  über  90,0  schmal  zu  nennen. 
In  Wirklichkeit  ist  aber  der  Vircho  w'sche  Gesichtsindex  bedeutend  grösser, 
als  der  Kollmann'sche,  da  die  malare  Gesichtsbreite  sich  zur  Jochbreite,  ^ 
wie  93 :  138  (siehe  Messtabellen  V  und  VI)  verhält. 

Die  Unbequemlichkeiten  der  Eintheilung  der  Frankfurter  Verständigung 
werden  schon  lange  gefühlt;  aber  erst  vor  Kurzem  wurde  ein  Versuch 
gemacht,  eine  neue  Eintheilung,  die  mehr  den  Thatsachen  entspricht,  zu 
ermitteln.  Leider  dehnte  aber  Hr.  Szombathy^)  seine  Berechnungen 
nur  auf  die  Vircho  waschen  Indices  aus,  ohne  die  übrigen  Gesichtsindices 
zu  berücksichtigen.  Insbesondere  ist  es  Rud.  Vircho w,  der  schon  seit 
mehreren  Jahren  bei  jeder  Gelegenheit  auf  die  Nothwendigkeit  neuer  Be- 
rechnungen und  hauptsächlich  auf  den  Mangel  einer  mesoprosopen  Gruppe 
hinweist").  Auf  Anregung  und  mit  liebenswürdiger  Unterstützung  des 
letzteren  unterzog  ich  mich  der  Arbeit,  auf  Grund  eines  grösseren  Materials 
die  verschiedenen  Gesichtsindices  zu  berechnen  und  mit  einander  zu  ver- 
gleichen; es  sei  mir  gestattet,  auch  an  dieser  Stelle  dem  hochverdienten, 
trotz  seines  Alters  jugendfrischen  Meister  unserer  Wissenschaft  dafür 
meinen  ergebenen  Dank  zu  sagen.    Auch  bin  ich  den  Herren  Geh.  Rath 


1)  Z.  f.  E.  1895,  Verh.  S.  268. 

2)  Z.  f.  E.  1891,  Verh.  S.  68;  1896,  Verh.  S.  274. 

Z«ittchrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1697. 


42  8-  Weissenbbro: 

A.  Baer  und  weiland  Geh.  Rath  G.  Lewin  für  die  freundliche  Erlaubniss, 
das  unter  ihrer  Leitung  stehende  Material  messen  zu  dürfen,  zu  Danke 
verpflichtet. 

Von  dem  Gesichtspunkte  ausgehend^  dass  das  Bestreben  der  Anthropo- 
logen dahin  gerichtet  sein  muss,  das  Maass-Schema  zu  vereinfachen,  begnügte 
ich  mich  mit  der  Entnahme  nur  einiger,  jetzt  am  meisten  gebrauchter  Maasse, 
die  meiner  Meinung  nach  ausreichen,  um  ein  Gesicht  mehr  oder  weniger 
zu  charakterisiren.  Von  verschiedenen  Autoren  wurden  ja  verschiedene 
Gesichtsmaasse  vorgeschlagen  und  genonmien;  es  ist  aber  hier  nicht  der 
Ort,  auf  eine  Kritik  derselben  einzugehen.  Meine  Aufgabe  war  nur,  die 
wenigen  von  mir  genommenen  Gesichtsmaasse  und  die  aus  ihnen  folgenden 
Indices  auf  ihre  Brauchbarkeit  zu  untersuchen,  und  zweitens  auf  Grund 
irgend  einer  festen  Basis  zu  versuchen,  eine  Eintheilung  der  Lidices  zu 
geben. 

Eine  solche  natürliche  Basis  zur  Eintheilung  der  Gesichtsindices 
schien  mir  vom  theoretischen  Standpunkte  aus  die  Eörpergrösse  zu  sein. 
Da  die  Gesichtsindices  zum  Zähler  Längenmaasse  haben,  so  besteht  viel- 
leicht zwischen  den  ersteren  und  der  Eörpergrösse  ein  Abhängigkeits- 
verhältniss  und  zwar  ein  solches,  dass  grösserer  Höhe  auch  grössere  Lidices 
entsprechen.  Bestände  ein  solches  Yerhältniss  zwischen  Gesichtsindices 
und  Eörpergrösse,  dann  hätten  wir  eine  natürliche  Basis  für  die  Ein- 
theilung der  ersteren,  indem  diejenigen  Lidices,  die  der  kleinen,  mittleren 
lind  grossen  Eörperhöhe  entsprechen,  selbstverständlich  auf  Grund  eine» 
grossen,  verschiedenartig  zusammengesetzten  Materials  berechnet,  bezw. 
als  chamae-,  meso-  und  leptoprosope  bezeichnet  werden  müssten.  Dem 
ist  aber,  wie  folgende  kleine  Tabelle  zeigt,  nicht  so,  weil  der  Procent- 
satz der  Leptoprosopie  bei  den  Uebermittelgrossen  im  Allgemeinen  zwar 
etwas  grösser,  aber  dem  bei  den  Untermittelgrossen  nicht  gerade  entgegen- 
gesetzt ist. 

(Tabelle  I  siehe  nebenstehend.) 

Da  nun  so  eine  Eintheilung  der  Gesichtsindices  auf  Grund  dieser 
natürlichen  Basis  sich  nicht  ermitteln  lässt,  bleibt  nichts  mehr  übrig,  als 
eine  solche  auf  Grund  der  jetzt  allgemein  üblichen  Methode  zu  versuchen. 
Es  ist  die  Methode  der  Mittelzahlen:  aus  einer  grösseren  Reihe  von 
Messungen  wird  der  Mittelwerth  für  irgend  einen  Lidex  berechnet  und 
die  übrigen  um  denselben  gruppirt. 

Bevor  wir  aber  zu  den  Indices  übergehen,  wollen  wir  die  zusammen- 
setzenden Elemente  derselben,  die  einzelnen  Maasse,  kurz  besprechen. 

Mein  Material  bestand  ursprünglich  aus  200  männlichen  Litemirten 
des  Gefängnissen}  in  Plötzensee  und  KX)  Prostituirten  der  betreflFenden 
Charite- Abtheilung.     An  diesen  bestimmte  ich  folgende  Maasse: 

1.  Eörperlänge. 

2.  Ganzgesichtslänge  vom  Ilaarrand  bis  zum  Einn. 


lieber  die  Terschiedenen  Gesichtamaasse  und  Gtosichtsindices. 


43 


3.  Gesichtslänge  von  der  Nasenwurzel  bis  zum  Kinn. 

4.  Mittelgesicbtslänge  von  der  Nasenwurzel  bis  zum  Alveolarrande 
des  Oberkiefers. 

5.  Jochbreite  —  die  grösste  Entfernung  zwischen  den  Jochbögen. 

6.  Malare  Gesichtsbreite  nach  Virchow  von  dem  unteren  vorderen 
Höcker  des  einen  Wangenbeins  bis  zu  demselben  Punkte  des 
anderen. 

Tabelle  L    TerhSltnlss  nrlschen  KSrpergrösse  und  Gesichtsindex« 


Gesichtsindex 

Eörpergrösse 

nntermittelgross             übennittelgross 
<  1650                          >  1660 

200  dentscbe  Mftnner 

kurz  <  90 

lang   >  90 

100  deatsehe  Fräsen 

kun 

lang 

100  Jndea 

kurz 

lang 

68  Baschkiren 
kurz %   .   .   . 

54,0-74,0  pCt. 
19,0—26,0  „ 

72,0-72,7   „ 
27,0-27,3   „ 

36,0-77,6  „ 
11,0-28,4  „ 

26,0-92,9  „ 

88,0—69,3  pCt. 
89,0—80,7   „ 

1,0-100    „ 

37,0-69,8  „ 
16,0-30,2  „ 

.«i4.0— 85.0   „ 

lang 

75  Papnas 

kurz 

lang 

2,0-  7,1   „                    6,0-16,0   „ 

66,0-88,7   „                 12,0-92,3  „ 
7,0-11,3  „          ,          1,0-  7,7   , 

Da  das  (auf  S.  42  unten)  erwähnte  Material  zur  Aufstellung  einer 
allgemein  gültigen  Eintheilung  mir  nicht  als  ausreichend  erschien,  erstens 
wegen  der  ungenügenden  Zahl  der  Gemessenen  und  zweitens  wegen  der 
Einheitlichkeit  derselben  der  Volksangehörigkeit  nach,  so  fügte  ich  noch 
folgende  Völkerschaften  hinzu: 

100  Juden    (S.  Weissenberg,    Die   südrussischen  Juden,    Arch.  für 

Anthropologie,  B.  XXIII). 
50  Jüdinnen  (ibidem). 
68  Baschkiren  (S.  Weissenberg,  Ein  Beitrag  zur  Anthropologie  der 

Turkvölker,  Z.  f.  E.  Ig92). 
15  Meschtscherjaken  (ibidem). 

70  Ostafrikaner  (R.  Virchow,   Kopfmessungen    an  Ost-Afrikcmem, 
•  Z.  f.  E.  1893,  Verh.  S.  484)*). 


1)  Die  Mindeijfthrigen  ausgeschlossen. 


44 


S.  Wbissembbrg; 


10  Westafrikanerinnen  (L.  Conradt,   Anthropologische   Aufbabmen 
im  Adeli-Lande,  Z.  f.  E.  1894,  Verh.  S.  164)0. 

77  Papua-Männer  un^ 

12  Papna- Frauen  (O.  8c  hei  long,  Beiträge  zur  Anthropologie  der 
Papuas,  Z.  f.  E.  1891)*). 
Ich  verfügte  also  im  Ganzen  über  ein  Material  von  702  Individuen 
verschiedener  Abstammung  und  beiderlei  Geschlechts;  leider  fehlen  in 
meinen  Berechnungen  Amerikaner*).  Ich  bin  weit  entfernt  daran  zu 
denken,  dass  dieses  Material  vollkommen  ausreicht,  um  eine  einwandsfreie 
Classificirung  der  Gesichtsindices  geben  zu  können.  Berücksichtigt  man 
aber,  dass  das  der  Arbeit  zu  Grunde  liegende  Material  aus  vier  Erdtheilen 
stammt  und  dass  die  individuellen  Schwankungen  im  Allgemeinen  grösser 
sind,  als  die  Rassenschwankungen,  so  wird  man  vom  wissenschaftlichen 
Standpunkte  die  Zahl  der  Beobachtungen  wohl  für  genügend  erklären 
müssen,  was  man  vom  praktischen  Standpunkte,  wie  ich  hoffe,  um  so 
eher  thun  wird,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  ich  sämmtliche  Berech- 
nungen, den  Gesichtsindex  nach  K  oll  mann  ausgenommen,  selbst  aus- 
führen musste,  weclhe  Arbeit  doch  durchaus  nicht  zu  den  angenehmen 
und  anregenden  gerechnet  werden  kann. 

Die  einzelnen  Maasse  sind  in  den  Tabellen  11 — VI  zusammengestellt^ 
und  zwar  sind  sämmtliche  Werthe  für  dieselben  in  aufsteigende  arith- 
metrische  Reihen  mit  einer  Differenz  von  5  mm  geordnet. 

Tabelle  II.    GaacgestehtaMhe  (Haarirreiiie— Kimii). 


Schwankungs- 
breite 

Deutsche 
(minnl.) 

Deatsche 
(weibl.) 

1 

Ost- 
Afrikaner 

1 

West- 
nerinnen 

Papua- 
Männer 

Papoa- 
Fraaen 

Summa 

146—160 

^-. 

^-. 

1 

151—166 

— 

— 

— 

— 

— 

166—160 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

1 

161—166 

2 

9 

^^^ 

1 

1 

— 

6 

17 

166—170 

6 

21 

4 

8 

1 

2 

87 

171-175 

18 

17 

9 

1 

8 

48 

176-180 

84 

81 

4 

2 

8 

— 

74 

181-186 

84 

11 

14 

2 

8 

— 

64 

186-190 

86 

7 

12 

1 

— 

— 

66 

191  - 196 

86 

2 

11 

— 

8 

— 

62 

l%-200 

28       ' 

1 

— 

11 

1       — 

1 

8 

— 

87 

1)  Die  MindeijAhrigen  ausgeschlossen. 

2)  Da  nicht  alle  Beobachter  slmmUiche  oben  angefahrten  f&nf  Gesichtsmaasse  bestammt 
haben,  so  reducirt  sich  diese  Zahl  bei  einigen  Maanen  fast  auf  die  HAlfte. 


Ueber  die  renehiedenen  Oesichtsmaasse  und  Gesicbtsindices. 


45 


Schwankungs- 
breite 

Deutsche 
(männl.)  ' 

1 
Deutsche  ^ 

(weibl.) 

Ost- 
Afrikaner 

West- 
Afrika- 
nerinnen 

Papua- 
Männer  < 

1 

Papua- 
Frauen 

Summa 

201—205 

6 

^^^ 

1 

^_„ 

2 

9 

206-210 

4 

( 

1 

— 

— 

— 

5 

211—216 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

1 

216—220 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

1 

221—226 

— 

— 

1        "" 

— 

i 

— 

— 

226-280 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

1 

Zahl  der  Ge- 
messenen . 

198 

100 

1 

1 

70 

10 

18 

7 

403 

Minimum  .   . 

162 

160 

167 

1 

165 

167 

162 

150 
(Deutsche) 

Maximum»   . 

210 

196 

230 

188 

206 

166 

230 
(Ostafrikaner) 

Differenz  .  . 

48 

46 

,        ^ 

23 

88 

4 

80 

Mittel    .   .   . 

186 

176 

188 

176 

186 

164 

183 

Tabelle  in.    GesichtshShe  (Nasenwnrzel— Kinn). 


Schwankungs- 
breite 

Deutsche 
(männlich) 

Deutsche 
(weiblich) 

Juden 

Jüdinnen 

Baschkiren 

Meschtscher- 
jaken 

1      Ost-Afrikaner 

West-Afrika- 
1        nerinnen 

u 

a> 

fl 

& 

s 

1 

08 

SS 

&• 

08 
P-l 

Papua-Frauen 

Summa 

86-  90 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

1 

91—  96 

— 

— 

— 

1 

— 

1 

— 

— 

— 

1 

2 

96—100 

— 

— 

— 

2 

__ 

— 

— 

6 

5 

8 

16 

101-106 

6 

— 

10 

— 

1 

5 

4 

6 

2 

31 

106-110 

6 

20 

9 

17 

5 

2 

11 

1 

16 

4 

91 

111-116 

10 

82 

15 

1     11 

7 

2 

12 

— 

20 

1 

110 

116-120 

65 

82 

87 

6 

28 

7 

18 

28 

201 

121-126 

67 

9 

24 

2 

16 

4 

11 

— 

6 

— 

128 

126-180 

60 

1 

10 

1 

18 

— 

7 

— 

82 

181-186 

17 

1 

6 

— 

4 

— 

5 

f 

2 

— 

34 

186-140 

4 

„_ 

— 

1 

. 

— 

— 

— 

6 

141—145 

1 

— 

1    _ 

\ 

— 

1 

— 

^'~ 

— 

2 

Zahl  der  Ge- 
messenen . 

200 

100 

100 

60 

68 

16 

70 

10 

77 

12 

702 

Minimum  .  . 

108 

101 

107 

95 

107 

110 

101 

98 

96 

90 

90 
(Papua-Frau) 

142 

188 

184 

129 

187 

125 

144 

108 

182 

114 

144 
(Ostafrikaner) 

Differenz  .   . 

84 

'     32 

27 

84 

80 

16  i 

48 

10 

86 

24 

54 

Mittel    .   .  . 

128 

116 

119 

110 

1 

122 

117 

116 

101 

113 

108 

118 

m 


S.  Weibbbnbero: 


Tabelle  IT.    Mittelgesiobt  (NMenwnriel— oberer  AlTeolarrand). 


1}  Nasenwonel  bis  Mond. 


West- 

SchwankuDgs- 

Deutsche 

Deutsche 

Ostr 

Afrika- 

Papua- 

Papua- 

SiiminA 

breite 

(m&nnl.) 

(weibl.) 

AfHkaner 

nerinnen 

M&nner 

Franeu 

51-55 

2 

_ 

2 

56-60 

... 

1 

— 

8 

5 

8 

12 

61—65 

2 

7 

1 

5 

14 

8 

82 

66—70 

20 

80 

14 

2 

28 

5 

99 

71—75 

64 

45 

28 

.» 

22 

1 

155 

76-80 

81 

15 

28 

— 

5 

— 

124 

81-85 

82 

2 

6 

— 

1 

— 

41 

86-90 

1 

2 

— 

— 

— 

8 

91-95 

— 

— 

1 

— 

— 

1 

Zahl  der  6e- 

meesenen  . 

200 

100 

70 

10 

77 

12 

469 

Minimmn  .  . 

62 

60 

65 

57 

52 

56 

52 
(Papua^ 

MaxiiDiim .   . 

89 

82 

91 

68 

85 

72 

91 
(OstafrikaneiO 

Düferenx  .   . 

27 

22 

26 

11 

88 

16 

89 

Mittel    .  .   . 

76 

72    . 

79      . 

68 

69 

64 

74 

Tabelle  Y.    Joehbreite» 


8chwaiikung8- 
breite 

tsche 
Innlich) 

«'S 
•Sa 

0 

4> 

c 

chkiren 

chtscher- 
:en 

»4 

s 

< 

;t-Afrika- 
innen 

9 
0 

.s 

0 

0 
0 

l 

0 

Summa 

1     Ä 

^ 

t0 

Ha 

2 

3 

O 
2 

1 

P-l 

1 

116-120 

1 

8 

"^ 

9 

121-125 

.. 

7 

•— 

8 

^ 

2 

8 

— 

1 

21 

126-180 

5 

i     81 

8 

17 

.-> 

1 

5 

2 

8 

3 

80 

181-185 

25 

,     82 

80 

17 

4 

8 

17 

8 

25 

5 

161 

186—140 

76 

24. 

80 

6 

17 

7 

25 

1 

21 

2 

209 

141-145 

66 

8 

24 

— 

28 

1 

15 

^^ 

18 

— 

156 

146—150 

24 

— 

8 

— 

18 

8 

8 

— 

5 

— 

61 

151-156 

4 

■^^ 

^~ 

^"* 

1 

-^ 

l 

1    ■"- 

6 

Zahl  der  Ge- 

messenen  . 

200 

100 

100 

50 

68 

15 

70 

10 

77 

12 

702 

129 

116 

126 

120 

188 

180 

120 

119 

126 

118 

116 
(Deutsche) 

Maximum  .   . 

154 

144 

150 

140 

162 

149 

168 

186 

160 

188 

164 
(Deutscher) 

Differenz  .   . 

26 

28 

24 

20 

19 

19 

K\ 

17 

24 

20 

;» 

Mittel    .   .   . 

140 

182 

188 

180 

148 

189 

187 

128 

189 

181 

188 

Ueber  die  rerschiedeaen  Gesichtemaane  und  Gesichtsindices. 


47 


1 

rabeUe  TL 

Malare  Breite  (nach  Yirchow). 

Sohwankungs- 
breite 

Deutsche 
1            (m&nnlich) 

Deutsche 
1        ,    (weibHch) 

Juden 

Baschkiren 

Meschtscher- 
jaken 

Ost-Afrikaner 

West-Afrika- 
nerinnon 

Papua-M&nner 

Papua-Frauen 

Summa 

56*-  60 

1 

1 

_ 

2 

1 

8 

61—  65 

— 

— 

— 

— 

—        — 

— 

6 

5 

11 

66—  70 

— 

— 

_ 

—        — 

1     — 

,    17 

4 

21 

71-  75 

— 

— 

1 

28 

2 

25 

76—  80 

— 

8 

—    '     — 

14 

— 

17 

81-  85 

4 

7 

* 

1 

1          8 

1 

11 

— 

8^ 

86—  90 

24 

40 

25 

2 

2          9 

2 

— 

104 

91—  95 

68 

27 

28 

7 

8        16 

^^ 

1 

— 

145 

96—100 

82 

22 

88 

24 

6 

18 

2 

1 

188 

101-105 

21 

1 

8 

28 

8   1     11 

:  2 

1 

74 

106-110 

5 

— 

2 

5 

-         10 

1 

— 

— 

28 

111-115 

1 

, 

1 

—          2 

1 

> 

5 

116-120 

— 

— 

1 

-          l 

1       8 

1 

4 

Zahl  der  Ge- 
messenen . 

200 

1 

100  ; 

100 

68 

15 

70 

10 

77 

12 

652 

Minimum  .   . 

82 

76    , 

88 

85 

88        88 

84 

58 

60 

58 
(Papua) 

Maximum .   . 

112 

1 

101 

1 

107  1 

1 

112   j 

i 

105 

117 

118 

97 

74 

118  (West- 
Afrikanerin) 

Differens  .   . 

80   1 

j 

25 

24  1 

27 

22        84 

84 

39 

14 

60 

Mittel    .   .   . 

% 

91 

95  1 

100 

% 

98 

105 

74 

66 

93 

Was  bei  der  Betrachtung  dieser  Tabellen  zuerst  in  die  Augen  fällt, 
ist  die  verschiedene  Beständigkeit  der  einzelnen  Maasse,  ihre  yerschiedene 
Schwankungsbreite,  deren  Grad  aus  folgender  Zusammenstellung  klar  wird: 


Tabelle  YIL    Schwankangsbreite  der  Gesichtsmaasse* 


Gesichtsmaasse 

Mittelwerth 

1 

Schwankungs- 
breite 

1 

Yorhältniss 
zwischen  beiden 

Gansgesichtfihöhe 

Gesichtahöhe 

Mittelgesichtshöhe 

Jochbreite 

Malare  Breite 

188 
118 

74 
188 

93 

80 
54 
89 

38 
60 

43,7 
45,8 
52,7 
27^ 
64,5 

Aus  dieser  TabeUe  folgt,  dass  die  Gesichtsmaasse  eine  Schwankungs- 
breite von  43,7  bis  64,5  zeigen,  und  zwar  variiren  die  Gesichtshöhen   im 


48 


S.  Weissenbebo: 


Allgemeinen  mehr  als  die  Gesichtsbreiten.  Auf  die  Ursachen  dieser  Er- 
scheinung werden  wir  später  noch  zurückkommen. 

Zweitens  zeigen  die  Tabellen,  dass  die  Frauen  im  Allgemeinen  viel 
kleinere  Gesichtsmaasse  haben,  als  die  Männer,  was  im  Einklänge  mit 
ihrer  geringeren  Körpergrösse  steht.  Eine  Ausnahme  bilden  nur  die  West- 
afrikanerinnen  in  Bezug  auf  ihre  malare  Breite,  welches  Maass  bei  ihnen 
den  grössten  Werth  —  105  —  zeigt. 

Yersuchen  wir  die  Gesichtsmaasse  nach  ihrer  Grösse  zu  classificiren, 
so  wird  für  die  Ganzgesichtshöhe  etwa  180  irnn  der  mittlere  Werth  sein, 
wobei  dann  die  Papua-Frauen,  die  deutschen  Frauen  und  die  Westafrika- 
nerinnen  eine  kleine,  die  deutschen  und  die  Papua-Männer,  nowie  die  Ost- 
afrikaner eine  grosse  Ganzgesichtshöhe  haben  würden.  Die  Gesichtshöhe 
beträgt  im  Mittel  etwa  120  mm;  danach  haben  die  Deutschen  und  Baschkiren 
ein  langes,  die  Juden  und  Meschtscherjaken  ein  mittellanges,  die  deutschen 
Frauen,  die  Ostafrikaner  und  Papua-Männer  ein  kurzes,  und  endlich  die 
Jüdinnen,  Westafrikanerinnen  und  Papua-Frauen  ein  sehr  kurzes  Gesicht. 
Das  Mittelgesicht  zeigt  eine  mittlere  Länge  von  75mm,  wobei  die  deutschen 
Männer  und  die  Ostafrikaner  ein  langes,  die  deutschen  Frauen  ein  mittellanges, 
die  Papua-Männer  ein  kurzes,  die  Westafrikanerinnen  und  Papua-Frauen 
ein  sehr  kurzes  Gesicht  haben.  Die  Jochbreite  misst  im  Mittel  etwa 
140  mm'^  dieselbe  ist  bei  den  Baschkiren  gross,  bei  den  Deutschen,  Juden, 
Meschtscherjaken,  Ostafrikanern  und  Papua-Männern  mittelgross,  bei  den 
deutschen  und  Papua- Frauen  klein,  und  endlich  bei  den  Jüdinnen  und 
Westafrikanerinnen  sehr  klein  zu  nennen.  Die  malare  Breite  zeigt 
einen  mittleren  Werth  von  etwa  95  mm^  wobei  die  Westafrikanerinnen 
eine  sehr  grosse,  die  deutscheu  Männer,  die  Baschkiren,  Meschtscherjaken 
und  Ostafrikaner  eine  grosse,  die  deutschen  Frauen  und  die  Juden  eine 
mittelgrosse,  die  Papuas  eine  sehr  kleine  malare  Breite  haben. 

Folgende  tabellarische  Zusammenstellung  wird  wohl  eine  bessere  und 
leichtere  Uebersicht  über  diese  Verhältnisse  geben. 

Tabelle  YIU.    Einthellmig  der  Gesiehtsmaasse. 


Maass 


Ganz- 
gesichtshöhe 


Gesichtshöhe 


sehr  klein 


<  166 

Papaa-Franen 

164 


<  110 
Jüdinnen  110 
West- Afrika- 
nerinnen 101 
Papua-Frauen 
108 


klein 


166-176 

deutsche  Frauen 

175 

West-Afrika- 

nerinnen  176 


111—115 

deutsche  Frauen 

115 

Ost-Afrikaner 

116 

Papua-M&nner 

118 


mittelgroBS 


176—186 


116—120 
Juden  119 
Meschtscher- 
jaken 117 


gross 


186—195 
deutsche  Männer 

186 
.Ostafrikaner  188 
Papua-Mftnner 
I  186 

121—125 
deutsche  Mfinner 

128 
^schkiren  122 


sehr 
gross 

>  196 


>  126 


Ueber  die  Tenehiedenen  Gesiehtsmaasse  und  Gesichtsindices. 


49 


Maass 

sehr  klein 

• 
klein               mittelgross 

gross 

sehr 
gross 

Mittel- 
gesichtshöhe 

<  65 
West-Afrika- 
nerinnen 63 
Papua-Frauen 
64 

66—70 
Papua-Männer 

69 

t 

71    76                 76—80 

deutsche  Frauen  deutsche  Männer 

72                        76 

Ost- Afrikaner  79 

>80 

Jochbreite 

<  180 
Jüdinnen  130 
West-Afrika- 
nerinnen 128 

181—186       1       186-140             141-146 
deutsche  Frauen|  deutsche  Männer  Baschkiren  148 
132                      140 
Papua-Frauen        Juden  188 
181               Meschtscher- 
jaken  139 
OstaMkaner  137 1 
Papua-Männer  ^ 
139 

>  145 

Malare 
Breite 

<85          • 
Papua-Männer  , 

74 
Papua-Frauen 

66 

1 

86—90 

91—96                96—100 
deutsche  Frauen  deutsche  Männer 
91                         96 
Juden  96        Baschkiren  100 

Meschtscher- 
jaken  96 

Ost-Afrikaner  98 

1 

>  100 
West- 
Afrika- 
nerinnen 
105 

Man  sieht  aus  dieser  Tabelle,  dass  nicht  immer  sämmtliche  Maasse 
irgend  eines  Volkes  in  dieselbe  Rubrik  fallen;  das  Gesieht  ist  also  absolut 
nicht  nach  allen  Richtimgen  gleichmässig  entwickelt. 

Gehen  wir  nun  zu  den  Gesichtsindices  über,  so  finden  wir  dieselben 
in  den  Tabellen  IX — XIII  zusammengestellt: 


Tabelle  IX.    Ganzgesichtsindex  (Haar  — Kinn:  Jochbreite). 


Schwankungs- 

Deutsche 

Deutsche 

Ost- 

West- 
Afrika- 

Papua- 

Papua- 

RnTTiTnfl 

breite 

(mftnnl.) 

(weibl.) 

Afrikaner 

All  tAir' 

nerinnen 

M&nner 

Frauen 

kjuuiutci 

106—110 

1 

1 

115- 120 

6 

1 

— 

— 

1 

8 

120—126 

19 

10 

3 

1 

1 

2 

36   * 

125-180 

44 

23 

12 

2 

2 

1 

84 

130-186 

62 

31 

13 

1 

7 

2 

106 

135—140 

47 

21 

19 

2 

4 

1 

94 

140—145 

25 

9 

12 

3 

3 

— . 

62 

145-150 

3 

3 

2 

— 

— 

^^ 

8 

150—155 

2 

2 

2 

1 

— 

7 

156—160 

— 

— . 

6 

•1^ 

1 

^^■^ 

6 

160—165 

— 

_ 

— 

— 

— 

— 

166—170 

1 

— 

— 

1 

Zahl  der  Ge- 

messenen . 

198 

100 

70 

10 

18 

7 

403 

Minimum  .   . 

115,1 

108,7 

118,1 

124,4 

124,6 

117,4 

108,7 
(Deutsche) 

Maximum .  . 

151,5 

152,5 

165,8 

152,8 

165,8 

139,0 

165,8 
(Ostafrikaner) 

Differenz  .   . 

36,4 

43,8 

47,7 

28,4 

31,2 

21,6 

67,1 

Mittel    .   .   . 

132,9 

1 

132,6 

137,2 

136,7 

133,8 

126,2 

132,6 

50 


S.  WeiSSENBEBO: 


Tftbelle  X«    Geslchtsliidex  (Kollmann). 


8chwankungs- 

« 

breite 

Deutsche 

;    (m&nnlich) 

1 

1 

Deutsche 
(weiblich) 

a 

1          Jüdinnen 

'  Baschkiren 

1        1  Meschtscher- 
1    jaken 

Ost- Afrikaner 

West-Afrika- 
nerinnen 

1 

o 

B 

3 

a 

0 

1 

• 

Summa 

65—  70 

^^^ 

^.^ 

^.^ 

^^^ 

^^^ 

1 

1 

^^^ 

1 

70-  75 

1 

1 

2 

2 

3 

— 

3 

2 

4 

5 

28 

75—  80 

18 

5 

7 

6 

9 

1 

15 

6 

•32 

2 

85 

80-  85 

82 

81 

29 

17 

28 

9 

15 

8 

80 

8 

197 

85-  90 

% 

86 

85 

19 

21 

4 

20 

^^        ( 

12 

2 

245 

90-  95 

44 

21 

23 

4 

4 

1 

9 

-^ 

8 

— 

114 

95-100 

18 

6 

8 

2 

8 

— 

5 

—    , 

— 

82 

100—105 

1 

— 

1 

— 

— 

— 

2 



— 

— 

4 

105—110 

— 

"^ 

. 

— 

1 

— 

— 

— 

1 

Zahl  der  Ge- 
messenen  . 

200 

100 

100 

50 

68 

15 

70 

10 

77 

12 

702 

Minimum  .  . 

74,0 

74,6 

72,8 

72,8 

74,0 

75,8 

72,1 

74,0 

70,0 

71,0 

70 
(Papua) 

Maximum .   . 

101,5 

98,8  100,8 

96,8 

98,5 

92,3  108,1 

82,3 

98,0 

88,1 

108,1 
(Ostafrikaner) 

Differenz  .  . 

27,5 

23,7 

28,0 

23,5 

24,5 

16,5 

86,0 

8,8 

23,0 

17,1 

38,1 

Mittel    .   .   . 

87,8, 

1 

87,1 

86,2 

84,6 

1 

85,3 

84,2 

88,9 

78,9 

81,8 

78,6 

85,5 

TftbeUe  XL    ttesiehtsiBdex  (Virchow). 


1 

Schwankungs- 

o*^5 

^s  •^« 

breite 

Se 

•w  s 

Diea     1 

«   C     ' 

Ä>=. 

Ol 


ä      ^ 


00 


s 


_   B 


U4 

B 
« 

00 

o 


I 

CS 


I     B 

-SS'C 


« 

B 
S 

HS 

a 
9* 


s 


Summa 


•85-  90 
90-  95 
95—100 
100-105 
105-110 
110-115 
115-120 
120-125 
126-130 
130-185 
185-140 
140-145 
145-150 
150—155 


1 
8 
19 
40 
58 
28 
27 
9 
10 


10 
16 
18 
21 
20 
11 
2 


—  1 


1 

1 

8 

11 

81 

19 

14 

5 

5 

3 

1 


1    * 

5 
13 
16 
12 
10 

5 

4 

1 

1 


1 
2 
8 
2 
4 
8 


8 
4 

5 

11 

18 

10 

8 

5 

6 
o 

1 
1 


2  -  '    — 

4  —  — 

1  —  — 
2 


1  — 

1     I    —  ,    — 

1  — 

6  — 

6  1 

8  '      1 

15  I      1 

8  !      4 


2 

4 

4 

9 

13 

52 

79 

lU 

121 

81 

60 

28 

31 

15 


üeber  die  verschiedenen  Qesichtsmaasse  und  Gesichtsindices. 


51 


Schwankungs- 
breite 

Deutsche 
(männlich) 

Deutsche 
(weiblich) 

a 

a 
2 

ja 
o 

ä 

Meschtscher- 
jakcn 

o 

p 

£ 
< 

o 

West-Afrika- 
nerinnen 

Papua-Männer 

Papua-Frauen 

1 

Summa 

155-160 

__ 

1 

^_^^ 

^H^v 

1      , 

9 

2 

12 

160—165 

— 

— 

— 

— 

8 

1 

9 

165—170 

— 

^mmm 

— 

— 

1 

— 

5 

6 

170-175 

— 



— 

— 

— 

— 

— 

2 

1 

8 

175-180 

— 



— 

— 

— 

— 

5 

1 

6 

180—185 



— 

— 

— 

— 

— 

1 

1 

185-190 

— 

— '• 

— 

m^a^ 

— 

1 

— 

1 

190-195 

— 



— 

— 



— 

— 

— 

— 

195—200 

— 

— 

■ 

— ^ 

— 

— 

200—205 

— 

— 

— 

— 



— 

1 

— 

1 

Zahl  der  Ge- 
messenen . 

200 

100 

1 

100 

68 

15 

70 

10 

77 

12 

652 

Minimum  . . . 

108,0 

108,0  104,8 

102,8 

107,6 

100,0 

86,2 

117,5 

188,5 

86,2  (West- 
Afrikuierin) 

Maximum.  . 

149,4 

154,6 

155,8 

147,1 

188,8 

169,4 

120,2 

201,7 

177,4 

201,7 
(Papua) 

Differenz  .   . 

41,4 

51,6 

50,5 

44,8 

25,7 

69,4 

84,0 

84,2 

88,9 

116,5 

Mittel    .   .   . 

128,1 

126,4 

1 

125,8 

122,0 

1 

121,9 

117,8 

96,2 

152,7 

156,1 

126,9 

Tabelle  XII.    MittelgesiehtBindex  (K oll  mann). 


Schwankungs- 
breite 

Deutsche 
(männl.) 

Deutsche 

(weibl.) 

1 

1      Ost- 
Afrikaner 

1 

I 

West- 
Afrika- 
nerinnen 

Papua-' 

Männer 

1 

Papua- 
Frauen 

Summa 

35-40 

_ 

2 

2 

40-46 

1 

1 

— 

■  • 

5 

8 

10 

45—50 

-22 

11 

8 

7 

88 

5 

86 

50-55 

94 

48 

84 

8 

80 

8 

207 

55-60 

68 

40 

17 

— 

7 

1 

.      188 

60-65 

15 

5 

10 

— 

80 

65-70 

a^B 

— 

1 

1 

Zahl  der  Ge- 
messenen . 

2C0 

100 

70 

10 

77 

12 

469 

Minimum  .   . 

48,6 

48,5 

46,4 

45,2 

89,8 

42,8 

89,8 
(Papua) 

Maximum.   . 

68,6 

68,8 

67,5 

52,8 

59,8 

57,6 

67,5 
(Ostafrikaner) 

Differenz  .   . 

20,0 

19,8 

21,1 

7,6 

20,5 

14,8 

28,2 

Mittel    .  •   • 

54,8 

54,5 

57,7 

49,2 

1 

49,6 

48,8 

58,6 

52 


8.  WnSSBMBERO: 


TabeUe  XIU.    Mittelgesielitoliidex  (Yirchow). 


Scbwankungs- 
breite 

Deutsche 
(mftnnL) 

Deutsche 
(weibl.) 

Ost- 
Afrikaner 

West- 
Afrika- 
nerinnen 

Papua- 
M&nner 

Papua- 
Frauen 

Summa 

60—  56 

^„^ 

1 
__ 

1 

1 
1 

_^ 

1 

65—  60 

— 

1 

1 
1 

6 

— 

— 

8 

60—  65 

1 

1 

4 

1 

— 

7 

66-  70 

7 

^ 

6 

1 

^— 

19 

70—  76 

87 

15 

22 

— 

3 

"" 

77 

76—  80 

62 

87 

14 

1 

7 

— 

121 

80—  86 

66 

24 

10 

— 

5 

— 

96 

86-  90 

26 

14 

6 

— 

18 

1 

66 

90-  96 

10 

2 

6 

— 

18 

6 

86 

96—100 

— 

,        1 

2 

— 

14 

2 

19 

100—106 

1 

— 

— 

— 

7 

1 

9 

106-110 

— 

— 

— 

4 

1 

5 

110-116 

— 

— 

— 

— 

5 

6 

116-120 

— 

— 

— 

1 

1 

120-126 

— 

i 

r 

1 

1 

— 

1 

Zahl  der  Ge- 

1 

messenen  . 

200 

100 

70 

10 

77 

12 

469 

Minimom  .   . 

• 

62,0 

60,0 

60,0 

52,6 

71,4 

86,1 

62,6  (West- 
Afrikanerin) 

Maximnm .   . 

101,1 

96,8 

96,8 

76,2 

122,4 

116,1 

122,4 

(P«püa) 

Differeni  .   . 

89,1 

86,8 

86,8 

28,6 

61,0 

80,0 

69,8 

Mittel    .   .  . 

79,2 

79,1 

80,6 

60,0 

98,2 

97.0 

79,6 

Auch  hier  fällt  zuerst  in  die  Augen  die  veracbiedene  Schwankungs- 
breite der  Indices,  —  der  eine  ist  mehr,  der  andere  weniger  beständig. 
Folgende  kleine  Tabelle  giebt  den  Ausdruck  für  dieses  Verhältniss. 


Tabelle  XIY.    Sehwankmigsbreite  der  Geslchtsindlces. 


Qesichtsindex 


Oanigesichtsindex 

Oesichtsindex     nach     Koll- 
mann 

tieMchtsindex  nach  Yirchow 

Mittelgesichtsindex  n.  Koll- 
mann 

Mittelgesichtf  -  Index      nach 
Yirchow 


Mittelwerth 


182,6 

86,5 
126,9 

68,6 

79,6 


Schwanknngs- 
breite 


67,1 

88,1 
116,5 

28,2 

69,8 


YerhUtaiss 
nnschen  beiden 


42,8 


44,4 

90,6 

61,8 
87,6 


Ueber  die  Terschiedenen  Gesiehtsmaasse  und  Gesichtsindices.  53 

Betrachten  wir,  wie  wir  es  schon  bei  den  Gesichtsmaassen  (siehe 
Tab.  YII)  gethan  haben,  das  Yerhältniss  zwischen  absoluter  Schwankungs- 
breite und  Mittelwerth  für  irgend  ein  Maass  als  den  Ausdruck  fär  die 
relative  Schwankungsbreite  desselben  Maasses,  so  müssen  wir  aus  obiger 
Tabelle  schliessen,  dass  die  Yirchow'schen  Gesichtsindices  fast  eine 
doppelt  so  grosse  Schwankungsbreite  haben,  als  die  Eo  11  mann 'sehen. 

Geschlechtlich  lässt  sich  keine  deutlich  ausgesprochene  Differenz  fest- 
stellen; jedoch  zeigen  die  Frauen  im  Allgemeinen  etwas  geringere  Werthe, 
als  die  Männer,  was  sich  aus  der  geringeren  Körperhöhe  der  ersteren, 
die,  wie  Tab.  I  lehrt,  mit  dem  Gesichtsindex  in  einer  gewissen  Beziehung 
steht,  zur  Genüge  erklärt.  Virchow  will  beobachtet  haben*),  dass  ein 
Einfluss  der  Sexualität  nicht  bloss  in  dem  Sinne  besteht,  dass  die  Weiber 
mehr  zur  Chamae-,  die  Männer  ihehr  zur  Leptoprosopie  neigen,  sondern 
auch  in  der  Weise,  dass  gewisse  Stämme  im  Grossen,  auch  bei  den 
Männern,  einen  mehr  weiblichen  Gesichtstypus  zeigen.  Darüber  werden 
weitere  Untersuchungen  Aufschluss  geben  müssen. 

Gehen  wir  jetzt  zu  der  Eintheilung  der  Gesichtsindices  über,  so  lehren 
uns  die  Tabellen,  dass  die  bis  jetzt  gebrauchte  Zweitheilung  nicht  genügend 
ist,  da  hierfür  die  Indices  zu  grosse  Schwankungen  zeigen.  Es  ist  eine 
mesoprosope  Gruppe  einzuschieben,  deren  Umfang  aber  ein  geringer  sein 
muss,  da  andernfalls  alles  mesoprosop  sein  wird  und  wir  anstatt  einer  ge- 
naueren Charakterisirung  nur  eine  Vermischung  der  Merkmale  herbeiführen 
werden.  Virchow  schlägt  für  den  am  meisten  gebrauchten  Eollmann- 
schen  Gesichtsindex  vor'),  die  untere  Grenze  der  Mesoprosopie  desselben 
auf  75  festzusetzen,  so  dass  diese  Gruppe  einen  Umfang  von  15  Einheiten 
—  75  bis  90  —  haben  wird.  Bei  einer  solchen  Eintheilung  wird,  wie 
wenigstens  meine  Berechnungen  lehren^  fast  alles  mesoprosop  und  be- 
sonders die  Chamaeprosopie  eine  höchst  seltene  Erscheinung  sein,  da  von 
702  Gesichtern  bei  solcher  Eintheilung  151  einen  lepto-,  527  einen  meso- 
und  nur  24  einen  chamaeprosopen  Index  zeigen,  die  Mittelwerthe  aber 
alle  in  die  mesoprosope  Gruppe  fallen  (siehe  Tabelle  X).  Da  der  Eoll- 
mann'sche  Gesichtsindex  im  Grossen  und  Ganzen  nicht  mehr,  ab  z.B. 
der  Kopfindex,  varürt,  so  schlage  ich  vor,  denselben  folgendermaassen 
einzutheilen: 

Extreme  Chamaeprosopie 65,1 — 70,0 

p,  .    .  Ultrachamaeprosopie 70,1 — 76,0 

*^       *^     ^  Hjperchamaeprosopie 76,1 — 80,0 

Chamaeprosopie 80,1—86,0 

Mesoprosopie  <  Mesoprosopie 85,1 — 90,0 


1)  Z.  f.  E.  1891,  Verh.  8.  68. 
2}  Z.  1  E.  1896,  S.  274. 


54  S.  Weissenbero: 

[  Leptoprosopie 90,1—  %,0 

j                  .    )  Hjperleptoprosopie 95,1-100,0 

Leptoprosopie  '  ültraleptoprosopie 100,1-105,0 

I  Extreme  Leptoprosopie 105,1—110,0 

Die  Eintheilung  der  übrigen  Indices  ist  aus  der  Tab.  XY  ersichtlich« 
Für  den  Ganzgesichtsindex  liegt  die  Grenze  der  Leptoprosopie  bei  135, 
und  es  haben  die  Ostafrikaner  und  die  Westafrikanerinnen  ein  langes,  die 
deutschen  Männer  und  Frauen  und  die  Papua-Männer  ein  mittellanges,  die 


Tabelle  XV.    Elntheilnog  der  Gesichtsindlees. 


Index 


Ganz- 

gesichts- 

indez 


Gesichts- 

indox 

nach 

Kollmann 


Gesichts- 
index 
nach 

Virchow 


MiHel- 

gcsichts- 

index 

nach 

Kollmann 


Mittel- 
gesichts- 

index 

nach 
Virchow 


hyper- 
chamaeprosop 


<  125 


<80 
West- 
Afrikanerinnen 

78,9 
Papua-Fraaen 

78,6 


<  110 

West- 

Afrikanerinnen 

%,2 


<45 


<  66 
West- 
Afrikanerinnen 
60,0 


chaniaeprosop        mesoprosop 


hyper- 
leptoprosop         lopto- 

^  prosop 


125,1—130 

Papua-Fraoen 

126,2 


80,1-86 

Jüdinnen  84,6 

Mescht«cher- 

jaken  84,2 

Ost-Afrikaner 

88,9 

Papua-Männer 

81,8 

llOjl— 120 

Ost -Afrikaner 

117,3 


45,1—50 
West- Afrika- 
nerinnen 49,2 
Papua-Männer 

49.6 
Papua-Frauen 

48,8 

65,1-Tö 


180,1—136  135,1—140 

deutsche  M&nner  Ost-Afrikaner 

132,9  187,2 

deutsche  Frauen  West-Afrika- 

182.6  nerinnen  186,7 
Papua-Männer 
188,8 

85,1  -90  90,1-96 

deutsche  Männer 

87,8 

deutsche  Frauen 

87,1 

Juden  86,2 

Baschkiren  86,3 

I 

'     120,1-180 

d.  M&nner  128,1 

deutsche  Frauen 

126,4 

Juden  126,8 

Baschkiren  122,0 

Meschtscher- 
.  '  jaken  121,9 

50,1—66  65.1-60 

deutsche  Männer    Ost-Afrikaner 

64,8  67,7 

deutsche  Frauen 
64,6 


180,1-140 


>  140       ^ 


>95 


>  140 
Papum- 
Männer 

162,7 
Papua- 
Frauen 

166,1 

>  60 


76,1-85  85,1-95            >  96 

deutsche  Männer  Papua-Männer      Papua- 

79,2  98,2             Frauen 

deutsche  Frauen  97,0 

79  1 
Oätafrikaner  80,6 


Papua  -  Frauen  ein  kurzes  Ganzgesicht.  Für  den  Kollmann'  sehen 
Gosichtsindex  «glaube  ich  die  alte  Grenze  für  die  Leptoprosopie  be- 
stehen lasnen  zu  müssen,  obgleich  der  mittlere  Werth  für  denselben  bei 
85  liefet.  Es  ist  aber  erstens  zu  berücksichtigen,  dass  dieser  Index  am 
meisten    gebraucht   wird  und   dasa  eine  neue  Eintheilung   desselben  viel- 


lieber  die  verschiedenen  Gesichtsmaasse  und  Gesichteindices.  55 

leicht  Verwirrung  und  unnöthige  Umrechnungen  veranlassen  wird,  zweitens 
fehlen  in  meinen  Tabellen  die  langgesichtigen  Amerikaner,  die  das  allge- 
meine Mittel  heben  würden,  und  drittens  stimmt  die  alte  Eintheilung  mit 
der  Eintheilung  der  übrigen  Indices  überein.  Es  werden  also  die 
Deutschen,  Männer  und  Frauen,  Juden  und  Baschkiren  meso-,  die  Jüdinnen, 
Meschtscherjaken,  Ostafrikaner  und  Papua -Männer  chamae-,  die  West- 
afrikanerinnen  und  Papua-Frauen  hyperchamaeprosop  sein.  Die  Grenzen 
für  den  Mittelgesichtsindex  nach  Eollmann  sind  im  Vergleich  zur 
Frankfurter  Verständigung  etwas  zu  verschieben;  die  Leptoprosopie  beginnt 
hier  nicht  mit  50,  sondern  mit  55,  und  es  sind  die  Ostafrikaner  lepto-, 
die  Deutschen,  Männer  und  Frauen,  meso-,  die  VTestafrikanerinnen  und 
Papuas  chamaeprosop.  Die  Eintheilung  des  Gesichts-  und  Mittel- 
gesichtsindex nach  Virchow  ist  von  derjenigen  der  Frankfurter  Ver- 
ständigung ganz  verschieden,  da  diese  Indices  bedeutend  grössere  VTerthe 
zeigen,  als  die  Verfasser  der  Verständigung  angenommen  haben.  Beim 
Gesichtsindex  nach  Virchow  beginnt  die  Leptoprosopie  mit  130*),  und  es 
haben  die  Deutschen,  Männer  und  Frauen,  Juden,  Baschkiren  und  Mesch- 
tscherjaken ein  mittellanges,  die  Ostafrikaner  ein  kurzes,  und  die  Westafrika- 
nerinnen  ein  sehr  kurzes  Gesicht.  Beim  Mittelgesichtsindex  nach  Virchow 
beginnt  die  Leptoprosopie  mit  85  *),  und  es  zeigen  die  Papua-Frauen  Hyper- 
lepto-,  die  Papua-Männer  Lepto-,  die  Deutschen,  Männer  und  Frauen,  und 
die  Ostafrikaner  Meso-,  die  Westafrikanerinnen  Hyperchamaeprosopie.  Da 
die  Virchow'schen  Indices  eine  grosse  individuelle  Variation  zeigen,  so 
scheint  mir  die  Eintheilung  nach  zehn  Einheiten  berechtigt  zu  sein. 

Wie  bei  den  Gesichtsmaassen,  so  lässt  sich  auch  hier  constatiren, 
dass  nicht  immer  sämmtliche  Indices  für  irgend  ein  Volk  in  dieselbe 
Kategorie  fallen.  Das  Gesicht  ist  also  auch  relativ  bei  einigen  Völkern 
ungleichmässig  entwickelt.  Auf  diese  interessante  Erscheinung  wird 
künftighin  mehr  zu  achten  sein. 

Eine  genauere  Gesichtscharakteristik  der  hier  in  Betracht  gezogenen 
Völkerschaften  zu  geben,  steht  ausserhalb  meiner  Aufgabe. 

Es  bleibt  nun  noch  übrig,  die  besprochenen  Maasse  und  Indices  auf 
ihre  Brauchbarkeit  zu  prüfen.  Wie  ich  schon  einleitend  bemerkt  habe, 
müssen  wir  nach  Vereinfachung  des  Maass-Schemas  streben.  Wir  müssen 
aus  der  Fülle  der  vorgeschlagenen  Maasse  diejenigen  heraussuchen,  die 
uns  mehr  oder  minder  constante  Resultate  geben,  und  alles  das,  was  von 
verschiedenen  Zufölligkeiten  abhängig  ist,  als  unnützes  Material  über  Bord 
werfen.  Da  die  Indices  von  den  Maassen  abgeleitet  werden,  so  hängen 
sie  von  den  letzteren  ab  und  ihre  Brauchbarkeit  deckt  sich  mit  der- 
jenigen der  Maasse,  weshalb  wir  hauptsächlich  die  letzteren  zu  untersuchen 
haben. 


1)  Davon  steht  in  der  Frankfarter 'Verständigung  nichts.  Virchow. 


56  S.  Weibsenbbho: 

Ein  brauchbares  Maass  muss  folgenden  Forderungen  gerecht  werden: 

1.  Die  Messpunkte  müssen  leicht  zu  finden  sein. 

2.  Sie  mOssen  festen  anatomischen  Punkten  entsprechen. 

3.  Das  Maass  muss  am  Lebenden  und  am  Schädel  genommen  werden 
können. 

4.  Die  Messung  darf  keine  Unzufriedenheit  erregen. 

Examiniren  wir  unsere  Maasse  auf  diese  Forderungen,  so  müssen  wir 
sagen,  dass  nur  die  Jochbreite  allen  entspricht.  Die  drei  Gesichtslängen 
enthalten  alle  ein  sehr  veränderliches  Element:  die  Zähne,  deren  Grösse, 
Abnutzung  und  Ausfallen  nach  Individuum  und  Rasse  stark  variirt,  wes- 
halb diese  Maasse  fast  doppelt  so  grosse  Schwankungen  zeigen,  als  die 
Jochbreite  (siehe  Tabelle  VII).  Benutzen  wir  dasselbe  Kriterium,  so 
müssen  wir  die  malare  Breite  als  das  schlechteste  Maass  bezeichnen,  was 
wohl  damit  zusammenhängt,  dass  die  Ansatzpunkte  desselben  sehr  schwer 
genau  zu  bestimmen  sind. 

Als  weiteres  Kriterium  für  ein  brauchbares  Maass  können  die  Mess- 
fehler dienen,  die  bei  der  Entnahme  desselben  gemacht  wurden.  Ich  bin 
auf  diese  Fragen  schon  in  meiner  Abhandlung  über  die  südrussischen 
Juden  kurz  eingegangen;  ich  führe  die  dort  angegebenen  Messfehler 
für  die  Gesichtsmaasse  von  mir  (an  Juden)  und   Schellong  (an  Papuas) 

hier  wieder  auf: 

Messfehler  von 


,  '^ 


Schellong  Weissenberg 

Gesichtshöhe ^    1,6  mm  2  mm 

Joehbreite 1>0  »  0  , 

Malare  Gesichtsbreite 898  «  4   „ 

Auch  hier  ninmit  die  Jochbreite  den  ersten,  die  malare  Breite  den 
letzten  Platz  ein. 

Es  sei  noch  kurz  darauf  hingewiesen,  dass  die  Ganzgesichtshöhe  am 
Schädel  nicht  bestimmt  werden  kann,  da  die  Haargrenze  am  letzteren 
nicht  markirt  ist  und  der  Punkt  4  nur  bei  der  Entnahme  der  Mittel- 
gesichtshöhe in  Betracht  kommen  kann;  jedenfalls  ist  das  Instrument  bei 
einem  ansteckender  Krankheit  verdächtigen  Material  jedesmal  zu  des- 
inficiren. 

Schliessen  wir  von  den  Maassen  auf  die  Indioes,  so  müssen  die 
Kollmann'schen  Indices,  die  auf  die  Joehbreite  bezogen  werden,  viel 
verlässlicher  sein,  als  die  Yircho waschen,  die  von  der  malaren  Breite 
ausgehen,  was  auch  in  der  That  durch  die  Tabelle  XIY  bestätigt 
wird. 

Als  letztes  und  am  meisten  ausschlaggebendes  Kriterium  für  die 
Brauchbarkeit  der  Maasse  und  Indices  ist  das  Yerhältniss  derselben  am 
Lebenden  und  am  Schädel  zu  betrachten.  Ich  konnte  an  4  Köpfen  solche 
Messungen   anstellen;    die   Tabelle  XYI   bringt   die   Maasse   am   Schädel 


üeber  die  verschiedenen  Gesichtsmaasse  und  Gesiehtsindicet. 


57 


nnd  am  Kopfe  neben  einander.  Selbstverständlich  sind  die  Maasse  am 
Schädel  kleiner,  als  am  Eopfe;  die  malare  Breite  zeigt  aber  manchmal 
auch  ein  umgekehrtes  Verhalten,  was  am  besten  ihre  geringe  Zuverlässig- 
keit beweist.  Dem  entsprechend  zeigen  die  Yir  che  waschen  Indices  be- 
deutend grössere  Differenzen,  als  die  Eo  lim  ann 'sehen.  Im  Ganzen 
schwanken  die  Differenzen  zwischen  folgenden  Werthen: 


Gesichtshöhe 

Mittelgesichtshöhe 

Jochbreite 

Malare  Breite 

Gesichtsindex  nach  Kollmann  .  .  . 
Gesichtsindex  nach  Vircbow  .  .  .  . 
Mittelgesichtsindex  nach  Kollmann. 
Mittelgesichtsindex  nach  Yirchow  . 


.... 


+  1,0  bis  +  6,0 

0 

n     +    6,0 

+  2,0 

n     +     6,0 

-6,0 

n     +12,0 

-8,0 

n     +    4,6 

-8,3 

.    +18,7 

-0,8 

»    +  8,6 

-8,1 

n     +15,4 

Tabelle  XYI.  Die  Gesichtsmaasse  am  Lebenden  nnd  am  Sehldel« 


Maasse 


Neu- 

geborener 

M 

•r    1     c    1 

«s        S    1 

nö 

M 

's 

MS 

O 

o 

o 

•s 

W 

oo 

Q 

2ViJfthriger 


_ 

o 

TS 

^4 
o 

MS 

M 

33 

N 

•2 


Gesichtshöhe .  .  . 

Mittelgesichtshöhe 

Jochbreite  .... 

Malare  Breite   .   . 

Gesichtsindex  nach 
Kollmann .   .   . 

Gesichtsindex  nach 
Virchow.  .   .   . 

Mittelgesichtsindex 
nach  Kollmann 

Mittelgesichtsindex 
nach  Yirchow  . 


45  40  +6 

32  30  +2 

70  67  1+3 

49  49  0 

64,3  59,7+4,6 

91,8  81,6+10,2 

45,7  44,8+0,9 

65,3  61,2+4,1 


81       75 
53       47 

96    I  91 


+  6 
+  6 
+   ö 


62       67     -  5 

84.4  !  82,4  j+  2,0 

i 
I 

180,6  111,9  +  18,7 

55,2    51,6  +  3,6 

I 

r 

86.5  i  70,1 1+  15,4 


21  jähriger 


(    na 


78j&hriger 


o 

^^S 

o 

108 

ja 
c 

bd 

GQ 

fl 
te 


123    |122 
78       71 


130 
85 

94,6 

144,7 

56,1 

85,9 


125 
87 

97,6 

140,2 

56,8 

81,6 


+1 

98 

+  2 

62 

+  6 

128 

-2 

102 

-3,0 

76,6 

+  4,5 

96,1 

-0,7 

48,4 

+  4,3 

60,8 

94 

62 

126 

90 


+  4 

0 

+  2 

+  12 


74,6  +  2,0 


104,4 


-8,3 


49,2  1-0,8 


68,9 


-8,1 


Nach  alledem  müssen  wir  die  Yirchow'schen  Indices  als  sehr  wenig 
brauchbar  bezeichnen;  sie  stehen  jedenfalls  den  Eollmann'schen  in  jeder 
Beziehung  nach,  und  ihre  Berechnung  ist  künftighin  aufzugeben.  Ich  will 
damit  nicht  sagen,  dass  die  malare  Breite  aus  den  Maass-Schemata  gänzlich 
zu  streichen  ist  Sie  kann  uns  speciell  am  Schädel  brauchbare  Dienste 
leisten,  aber  nicht  im  Yerhältniss  zur  Gesichtshöhe,  sondern  zur  Joch- 
breite, wodurch  wir  einen  Ausdruck  für  das  Vorstehen  der  Jochbeine  er- 
langen werden.  Ich  möchte  noch  besonders  auf  den  Mittelgesichtsindex 
hinweisen,    der   sehr   exacte  Werthe   liefert   und   dessen  Berechnung   am 


ZeKsehrift  fir  Ethnologie.    JtJkTg,  1S»7. 


98  8.  WABSiSHBERo:  Ueber  die  Tencbiedenen  Gedchtsmaasse  o.  s.  w. 

Lebenden  viel  mehr  zu  üben  ist,  als  es  bis  jetzt  der  Fall  war,  wodurch 
wir  ein  brauchbares  Material  zum  Vergleiche  mit  solchen  Schädeln  ge- 
winnen können,  die  ohne  Unterkiefer  gesammelt  oder  gefunden  wurden. 

Streifen  wir  noch  zuletzt  kurz  die  Frage,  inwiefern  die  hier  am 
Lebenden  gewonnenen  Resultate  für  den  Schädel  passen,  so  lässt  sich  ja 
bei  einer  so  geringen  Zahl  von  Beobachtungen  nichts  Sicheres  darüber 
sagen.  Ich  glaube  jedoch,  dass  die  von  mir  festgestellten  Eintheilungen, 
wenigstens  für  die  Eollmann'^cben  Indices,  auch  auf  den  Schädel  passen, 
da  für  diese  Indices  die  Differenzen  zwischen  Kopf  und  Schädel  nach 
Tab.  XVI  gering  sind.  Für  die  Virchow'schen  Indices  bekam  Szombathy 
an  Schädeln  Mittelwerthe,  die  etwa  um  5  Einheiten  tiefer  stehen,  als  die 
meinigen.  So  beträgt  nach  ihm  der  Mittel- (Ober-)  Gesichtsindex  im 
Mittel  74,4  und  der  Gesichtsindex  126,6. 


Bemerkang  Aber  die  Ctoslchtsindices. 

Wenn  Hr.  Weissenbergin  der  Torstehenden  Abhandlung  den  Aosdrack  ^YircbowWhe 
Indices**  durchweg  in  dem  Sinne  gebrancht,  dass  er  im  Sinne  der  Frankfurter  Verst&ndigung 
damit  die  ans  der  Malarbreite  abgeleiteten  Gesichtsindices  meint,  so  möchte  es  erscheinen, 
als  wenn  diese  Berechnongsart  von  mir  gew5hnlicb  angewendet  würde.  Ich  habe  aber 
schon  früher  (Verband].  1896,  S.  274)  bemerkt,  dass  ^ich  mich  sp&ter  der  Kollmann'schen 
Methode  angeschlossen  nnd  die  Jochbogen-Distanz  angenommen  habe,  um  die  allgemeine 
Yergleichnng  zu  ermöglichen."  Alle  meine  Publikationen  sind  seit  Jahren  in  diesem  Sinne 
zu  Terstehen,  wo  nicht  ausdrücklich  der  malare  Index  genannt  ist;  für  den  Leser  wird 
also  nirgend  eine  Schwierigkeit  bestehen,  meine  Angaben  mit  den  gebr&nchlichen  in  Ver- 
gleich zu  bringen,  denn  sie  beziehen  sich  fast  ausschliesslich  auf  die  Ko  lim  an  naschen 
Indices.  Das  hindert  mich  jedoch  nicht,  dass  ich  den  malaren  Index  für  die  physio- 
gnomische  Betrachtung  des  Kopfes  als  den  mehr  correcten  ansehe.        Rud.  Virchow. 


III. 

Materialien  zur  Sprachenkunde  Brasiliens. 

Vokabulare  von  Purus- Stämmen. 

Von 

Dr.  PAUL  EHRENREIOH,  Berlin, 


Die  Thatsache,  dass  die  Stämme  am  Purus  und  Turua  sämmtlich  der 
grossen  Maipure-  oder  Aruakgruppe  angehören,  ist  für  die  Ethnographie 
Südamericas  von  hoher  Bedeutung.  Nunmehr  erscheinen  die  Aruakstämme 
Ostperus,  Boliviens  und  Hatte  grosses,  wie  die  Anti  und  Piro,  die  Baure 
und  Moxo,  die  Paressi  und  Guana  nicht  mehr  als  versprengte  Glieder 
jener  grossen  Yölkerfamilie,  sondern  stehen  mit  der  Hauptmasse  der 
Aruakvölker  nördlich  vom  Amazonas  in  fast  continuirlichem  Zusammen- 
hange. Von  der  Küste  des  Antillenmeers  bis  weit  in  das  Quellgebiet  des 
Paraguay  und  des  Madeira  hinein  lässt  sich  jetzt  eine  fast  ununterbrochene 
Reihe  von  Aruakstämmen  verfolgen,  in  deren  Sprachen  trotz  der  enormen 
räumlichen  Verbreitung  über  fast  dreissig  Breitengrade  noch  eine  merk- 
würdige grammatische  Uebereinstimmung  nachweisbar  ist. 

Bis  jetzt  war  die  Ethnogr^hie  des  Purus,  obwohl  dieser  Fluss  seit 
Chandless'  denkwürdiger  Forschungsreise  zu  den  geographisch  am  besten 
bekannten  Amazonas-Tributären  gehört,  noch  recht  unklar.  Die  wenigen, 
von  den  verschiedenen  Exploratoren  uns  überlieferten  Wörter  genügten 
zu  einer  sicheren  Glassificirung  nicht,  so  dass  noch  Brinton  (American 
race  p.  293,  294)  die  Paumari,  Araua  und  Pamana  zu  einem  be- 
sonderen „Araua  linguistic  stock"  vereinigt  und  die  in  den  kurzen  Voca- 
bularien  vorkommenden  Aruakwörter  für  Entlehnungen  erklärt 

Vom  Ipurina  sagt  er  (1.  c.  p.  294):  „It  contains  a  few  words  in 
common  with  the  Pammary,  but  probably  only  borrowed  by  both  from 
the  Arawak."  Dagegen  erkennt  er  im  Gegensatz  zu  Chandless  die 
Maneteniri  ganz  richtig  als  zur  Aruakfamilie  gehörig  (1.  c.  p.  291). 

Dass  die  Paumari,  Ipurina  und  Yamamadi,  die  Brinton  nicht  erwähnt, 
ächte  Aruakstämme  sind,  ergiebt  sich  aus  dem  jetzt  vorliegenden  reicheren 
Material  ohne  Weiteres. 

Von  den  Kanamari  des  Yurua,  die  sich  bis  an  den  Purus  verbreiten, 
ist  die  Zugehörigkeit  zu   dieser  Gruppe    längst   erwiesen.    Dasselbe   gilt 


60  ^'  EBRElUtSlCH: 

von  den  KatauiSi  am  Itaxy.  Nicht  zu  verwechseln  mit  diesen  Kana- 
mari  (Kanamirim)  ist  der  Ton  Chandless  ebenfalls  mit  diesem  Namen 
(oder  auch  als  Eanawary)  aufgeführte  Panostamm  des  Alto  Purus,  den  der 
englische  Reisende  irrthümlicher  Weise  mit  den  Maneteniri  identificirt 
(Brinton  1.  c.  p.  291).  Auch  die  Katiana  sind  nach  dem  geringen 
Material,  das  vorliegt,  den  Aruak  zuzurechnen.  Ueber  die  Uainamari, 
E  spinös  und  Cape  ebenes  ist  nichts  Genaueres  bekannt. 

Entschieden  nicht  amakisch  oder  überhaupt  ethnographisch  noch  nicht 
classificirbar  sind  am  Purus  nur  noch  die  Mura  im  Mündungsgebiet  des 
Stromes,  die  den  Panoetämmen  zugehörigen  Karipuna,  sowie  die  wahr- 
scheinlich karaibischen  und  den  Apiaka  des  Tocantins  verwandten  Arara 
oder  Yuma.  Letztere  gehören  eigentlich  dem  Madeiragebiet  an  und 
lassen  sich  nur  gelegentlich  an  den  rechten  Purus-Nebenflüssen  sehen. 

Die  vorliegende  Arbeit  behandelt  nur  die  von  mir  bei  den  Paumari 
und  Yamamadi  zusammengestellten  Wörterverzeichnisse,  während  die 
Sprache  der  Ipurina  den  Gegenstand  einer  besonderen,  ausführlicheren 
Abhandlung  bilden  wird.  Die  fünfjährige  Thätigkoit  der  South  American 
missionary  society  am  Purus  hat  wenigstens  die  Früchte  getragen,  das» 
wir  über  das  interessante  Idiom  der  Ipurina  ein  reichhaltigeres  Material 
besitzen,  als  über  irgend  eine  Sprache  des  Amazonas-Gebietes. 

Es  ist  dies  hauptsächlich  den  Bemühungen  des  Rev.  Jacob  Resyek 
Polak  zu  verdanken,  dessen  Original-Manuscript  ich  während  meines 
Aufenthalts  in  Sepatiny  excerpiren  konnte.  Die  bereits  abgeschlossene 
Bearbeitung  dieser  Notizen  musste  jedoch  zurückgehalten  werden,  da  Rev. 
Polak  inzwischen  ein  weiteres  Manuscript  veröffentlicht  hat,  durch  welches 
eine  eingehende  grammatische  Analyse  und  die  Zusammenstellung  eines 
ausführlichen  Glossars  erst  möglich  wird.  ^Die  aus  der  äusserst  unzweck- 
mässigen Anordnung  des  Sprachstoffs  in  Rev.  Polak's  Arbeit  erwachsenden 
Schwierigkeiten  haben  indess  die  Aufgabe  der  Bearbeitung  des  wichtigen 
Materials  zu  einer  so  complicirten  gemacht,  dass  die  Resultate  für  die 
vorliegende  Abhandlung  noch  nicht  zu  verwerthen  waren. 

Die  Paumari  (Pamari,  Pamauri)  oder  Pnrupuru,  —  ihr  eigentlicher 
Name,  nach  dem  auch  der  Fluss  benannt  ist,  —  sind  die  Bewohner  der 
Strominseln,  und  Lagunen  des  Mittellaufs  von  der  Mündung  des  Tapaua 
bis  in  die  Gegend  von  Hyutanaham. 

Ihnen  zuzurechnen  sind  die  Yuberi  des  Tapaua  und  die  Araua  des 
mittleren  Yurua.  Alle  diese  Stämme  leben  ausschliesslich  vom  Fisch- 
und  Schildkrötenfang,  hausen  in  eigenthümlichen  schwimmenden  Woh- 
nungen (auf  Flössen)  und  sind  schon  den  älteren  Reisenden  durch  ihre 
fleckige  Haut  aufgefallen,  eine  Pigmentkrankheit,  die  als  „mal  de  loa 
pintos^  in  weiten  Gebieten  des  äquatorialen  America  bekannt  ist  Der 
Civilisation  haben  sie  sich  von  allen  Purustammen  am  meisten  zugänglich 


Materialien  zur  Sprachenknnde  Brasiliens.  61 

gezeigt,  insofern  sie  sich  jetzt  eifrig,  theilweise  im  Dienste  der  Weissen, 
an  der  Kautschuk-  und  Copaivagewinnung  betheiligen  und  europäische 
Importartikel  einhandeln.  Als  „ciyilisirte^  Indianer  sind  sie  darum  auch 
rettungslos  dem  Alkoholismus  verfallen  und  werden  in  wenigen  Decennien 
gänzlich  verschwunden  sein.  Das  folgende  Vocabular  wurde  zu  Hyu- 
tanaham,  wo  sich  Paumari  der  benachbarten  Lagunen  zum  Zwecke  des 
Handels  in  der  Regel  allwöchentlich  einfinden,  aufgenommen. 

Sprachlich  sehr  nahe  verwandt,  aber  in  Sitte  und  Lebensweise  von 
den  Paumari  gänzlich  verschieden,  sind  die  Tamamadi  oder  Kapinamari, 
die  Bewohner  der  Urwälder  auf  dem  linken  Purusufer  vom  Mamoria  mirim 
bis  zum  Pauini,  nach  Westen  bis  zum  Yurua  streifend.  Sie  scheuen  die 
Nähe  der  Flussufer  und  leben  ausschliesslich  von  Jagd  und  Ackerbau  im 
Bereich  des  höheren  Landes,  der  „Terra  firma". 

Das  Yocabular,  das  erste,  welches  von  diesem  Stamme  bekannt  wird, 
wurde  ebenfalls  zu  Hyutanaham  und  während  des  Aufenthalts  auf  den  in 
der  Nähe  dieser  Factorei  befindlichen  Ansiedelungen  dieser  Wilden  auf- 
genommen. Die  Yamamadi  sind  den  Weissen  freundlich,  lassen  sich  aber 
auf  intimeren  Yerkehr  aus  Furcht  vor  ansteckenden  Krankheiten  und  vor 
der  Insectenplage  an  den  Flussufem  nicht  ein  und  haben  demgemäss  voll- 
kommen den  Charakter  eines  harmlosen  unverdorbenen  Naturvolkes 
bewahrt 

Das  Verhältniss  der  Idiome  der  Paumari  (P.),  Araua  (A.)  und  Yama- 
madi (Y.)  zu  anderen  bekannten  Aruak-Dialecten  mag  folgende  Uebersicht 
veranschaulichen : 

Kopf                    P.:  dadii  Y.:  ä-tati 

Kustenau:   nu-teu  Bare:           nototia 

Baniwa:       no  ideu  Layana:       tode 
Arawak:      da-shi 

Auge                    P.:  nukui  Y.:  d^nukbodi 

Kanamirim:  nuchii    Ipurina:  uky    Araiku:  noky    Arawak:  da-kui 

Hait&ipairi:  yctcui 

Nase  '  P.:  uiridi  kaudini       Y.:  auidi 

Guana:  agueiri    Arawak:  dasiri    Layana:  yghire    Manao:  nukiria 

Ipurina:  kiriti 

Zahn  P.:  i'-nul  Y,:  ä-änu 

Bare:  noy    Guana:  onhai    Manao:  nay    Kanamirim:  naü    Kariay:  naü 

,   ,     .     ,,^     ,„    ,    V  Y.:  ä9äwä  A.:  iLsafa 

kabotmi  (Handfläche)  ^  ' 

Arawak:  kabbu    Baniva:  nu^kapi,  naphi 

Unterarm  P.:  ^ahuni  Y.:  ä-yedabu 

Anti:  uchebo    Inselkaraiben  $  üjabu 


62 


P.  £urenr£igh: 


Fq88 


Sonne 


P.:  dameii 


Y.:  ädämä 


A.:  otama 


Marauha:  ni-taba    Eatoquina:  achman    Eustenaa:  ni-^apa 


saq>mi 
(mahl  Tag) 


Y.:  mahl 


A.:  mcihi 


Mond  P.:  { 

\  yast 


A.:  masstcu 


Cauixana:  maahliß 

Y. :  amuä 
amunä 
Goajira:  kashi    KauiSana:  ghezy    Kanamirim:  yaUchy    Taino:  7n<ma 

Sterne         P.:  buire  Y.:  amapiri  A.:  amoahua 

Marauha:  ybtru    Baniwa:  hiwin    Kauiäana:  pinta    Layano:  poragui 

Ipurina:  yuiriki    Anti:  impokiro 

Wasser       P.:  pahd  Y.:  pahd  A  :  paha 

Taino:  bagua    Taino:  cuhen  (Fluss)     Piapoco:  kahuni  (Pluss) 
Ipurina:  paan  —  (in  Zusammensetzungen) 

Feuer         P.:  zihö  Y.:  yetpü  A.:  sihu 

Goajiro:  siqui    Arawak:  hikkihi    Taino:  cuyo    üoxb,:  ßicu 

Uirina:  ßjce    Baure:  hioke^    yaki 

Hängematte  P.:  sihü  Y.:  ye(pu 

Ausser  acciu  im  Moxa  finden  sich  in  den  übrigen  Aruak- Sprachen 
keine  Anklänge  daran.  Dagegen  lässt  sich  die  merkwürdige  Aehn- 
lichkeit  der  Worte  für  Feuer  und  Hängematte  nachweisen  in: 


Atorai: 


Feuer 
tegherre 


Insel-Caraiben  2:  |  ^ 


Moxa 
Baure 


tmaiu    t 


\ 


Hängematte 
taneri 

bati 


a^ctu 


Haus 


A.:  zami 


Bogen 


Beil 


Topf 


t  Jucu 
l  yaki      / 

P.:  gura  Y.:  baid    yobä 

Goajiro:  pauru    Baure:  pari    Kustenau:    pai    Arawak:  bahff 
Kauisana:  bagnö    Taino:  &atb    Araiku:  pey    Aman:  fayny 

Jumana:  bähü 

P.:  kudaii  Y.:  didi^a  A. :  bigauaha 

Bare:  davidaja    Kustenau:  tutt    Tariana:  shidoa  (Pfeil) 


P.:  dyori 


P.:  siaha 


Y.:  pari 

(roajiro:  pore 

Y.:  dzoaha 

Bare:  diyawake 


Materialien  zur  Sprachenkunde  Brasiliens. 


63 


Laute: 


Paumari. 

Vocale:    a    ä    e    i    o    u 


at 

au 

( 

ei 

(getrennt 

ZU  sprechen) 

nasalirt: 

d 

i      0      u 

Consonanten: 

h 

Gutturale 

k 

9 

— 

X 

Palatale 

— 

tH 

«      y 

(%) 

Dentale 

t 

d 

n 

» 

8            Z 

r 

Labiale 

P 

b 

m 

w 

w 

dy  ist  fast  mouillirtes  d^  bisweilen  in  dz  übergehend. 

q>  ist  ein  rein  labialer,  weicher  Frikativlaut. 

Der  Accent  liegt  im  Allgemeinen  auf  der  Endsilbe. 

Vocabular. 

Nach  einem  Manuscript  Polak's  transseribirte  Wörter  sind  mit  P  bezeichnet. 


Namen  der  Finger: 

I.  (Daumen)  ^^ei-aptne  (hapeni  P.^ 
IL  ^eei-radyiuxihini  oder  dyeratini 

IIL  &iei  kaniani 

IV.  ^eei  panuni 
V.  ^eei  ka^eagdni 


Namen  der  Zehen: 

I.  dama  kananauani 
II.  dama  makanitai-dyaha 

m.  dama  dyararini 

lY.  dama  banuni 
V.  dama  ka&eagani 


Zunge 

abani 

Stirn 

uata 

Mund 

bodi 

Nase 

uiridi  kaudini 

Oberlippe 

•      • 

Auge 

nükui 

Unterlippe 

ixikanaboayani 

Augenlid  . 

nukuibatdnt 

Zahn 

inüi 

Ohr 

murubut 

Hand 

»eei  (Finger) 

Ohrloch 

kehatuüni 

Handfläche 

kabotini,  i^eei  kabudini  Haut 

a^aqpti 

Handrücken 

kaitani 

Kopfhaar 

dadika<püni 

Schulter 

amatusi 

Wimper 

nukuikaini 

Oberarm 

uedi 

Brauen 

kaidani 

Unterarm 

^äbunui 

Bart 

kanadaikedanini 

Ellbogen 

koboncü 

Hals 

näbidi 

Finger 

&eei 

Kinn 

kana^ai 

Nagel 

^eei  kanakotni 

Unterkiefer 

kaiaruni 

Fuss 

dameii 

Nacken 

matatoduni 

Oberschenkel 

kapaheii 

Kehle 

kadyururu 

Unterschenkel 

aueii 

Brust 

makoini 

Kopf 

dadii 

Brustwarze 

dyohü 

64 

P.  Ehrrnrbioh: 

Brost  weibl. 

dyehö 

Sonne 

saqn'ni 

Bauch 

kaganeii 

Sonne,  aufgeh. 

kamananina 

Nabel 

kdai 

Sonne,  Mittags 

sohv'cJiena 

Penis 

abaii 

Sonne,  unterg. 

ukalina 

Scrotum 

kancupdi 

Mond 

TTMseku^  yas% 

Gen.  mal. 

bäH 

Mond,  abneh. 

ayadina 

Anus 

dyeoihodini 

Mond,  voll 

nateramani 

Drüsen    des 

Mond,  zuneh. 

abinina 

Halses 

katunaii 

Kegen 

bahf 

Knie 

kadyot^i 

Kauch 

odyi 

Glavicula 

pamuri 

Feuer 

zihö 

Halswirbel 

nabiteni  awani 

Brennholz 

zihö 

Kreuz 

bakuri  auani 

Baum 

atia 

Genick 

mataiaruni 

Stein 

dyady 

Genickloch 

mataiudeni 

Erde 

nami 

Schulterblatt 

kaibasai 

Wald 

irui 

Kippe 

kaiaruni 

Himmel 

nama 

Sohle 

dameikabodini 

Sterne 

buin 

Ferse 

amabokuiy  kadyurini 

Tag 

ma/ii 

Knöchel 

kakarui 

Nacht 

mitdni 

Knochen 

dyaruni 

Kegenzeit 

paJid  kabiteni 

Gehirn 

kamohii 

Trockenzeit 

amoroki 

Kückenmark 

katateni 

Trockenzeit    (völlige    Trockenheit, 

(port:  miolho) 

wenn    die    Schildkröfen    heraus- 

Schädel 

kaiaruni  P. 

kommen 

batard 

Wirbelsäule 

bakcrenihauani  P. 

Blitz 

bat  tararitia 

Magen 

kahÜHuni  P. 

{cuncurihin  P.) 

Leber 

ueini  P. 

Donner 

baidanoma 

Lunge 

katarotoroni  P. 

{curicu  P.) 

Mastdarm 

guonihotini  P. 

Kegenbogen 

katopahatri 

Niere 

numhanUmtani  P. 

Haus 

ffurd 

Herz 

kanabitini  P. 

Hängematte 

zihü 

Darm 

kaitiani  P. 

Pfeil 

nbid 

Kippe,  grosse 

kacihani  kauwani  P. 

Harpune 

yumidi 

Kippe,  kleine 

kapatü  P. 

Wurfbrett 

aud  (Holz) 

Milz 

asara  P. 

Bogen 

kudatl 

Schwanz 

fndnd  P. 

(cudhahin  P.) 

Galle? 

napthoteni  P. 

Angelschnur 

uaa  {djumud  P.) 

Fett? 

asäffdni  P. 

Boje  (schwimmende  Blase,    welche 

Wasser 

pöhd 

den  Ort  der 

Harpune  im  Wasser 

Fluss 

tcaini  (Igarape,  Fluss-      anzeigt 

kobo 

arm,  nach  Polak  Sehne 

ahonni 

uahdtj) 

Kanu 

kanaua 

Materialien  znr  Sprachenkunde  Brasiliens. 


65 


Boder 

wanami 

Beil 

dycri 

Topf 

siaha 

Cuye 

ufu 

Korb 

suuru 

Matte 

dyureii  (weeruhyn  P.) 

„    (grosse) 

kanadi 

Reibholz 

rauikurdi 

Schemel 

adyadii 

Lippenzierrat 

hödini 

Kamm 

mai^a 

Mann 

knrahu 

(cudidja  aii  P.) 

Ehemann 

makira 

Weib 

gamuy  kuti  gamu^ 

mein  Weib 

^'^''}i^al 

kuH  i&an^  mein  Sohn 

Kind  / 

(i^diri  P.) 

Säugling 

pai&i 

Knabe 

makinaud 

Mädchen 

imainani 

Vater 

bii 

Matter 

mia 

Bmder,  älterer 

aadyu^  kuti  adytL, 

mein  Bruder 

Brader,  jüngerer  kaidyu^  kuii  kaidyu^ 

mein  j.  Bruder 

Schwester 

kaidyii 

Orossrater 

madü 

Vaterbruder 

aa'&u,     kuti  aha'&it 

mein  Vater,  cf. 

älterer  Bruder 

Vetter 

dj/auht 

Neffe 

ebia&iy     kuti  ebia&i, 

mein  Neffe 

Schwiegervater 

kuku 

Schwiegermutter  kukü{?) 

heirathen 

kudägdmu  (cf.  kuti- 

gamu^  mein  Weib 

schwanger  sein 

.  kadgahatki 

gebären 

kaunanini 

säugen 

djftho 

Oreis 

naarihhüi 

Greisin  gaimu  gödä 

Häuptling  kenädi 
Premder(wei88er)  kariwa 

Neger  pururuki 

Freund  amvkü 

Feind  ohihamaikiö 

Zauberarzt  arabanl 

Ausschlag  warotehä  (Flecken- 
krankheit) 

Narbe  cparariu 

Arznei  dyef^ua 

Fieber  baröa 

Schmerz  banakl 

Tabak  hddytri,  odyi  (Rauch) 

Cigarre  kcaüit 

Schnupftabak  naqmni 

Mais  yorud 

Maniokwurzel  bftdä 

Maniokmehl  kragut 
Maniokkuchen 

(Beiju)  aüy  butabani 

Batate  Wpari 

Carawurzel  adfiki 

Banane  ipäti 

Baumwolle  nicht  cultivirt 

Pfeffer  kasi 

Paranuss  muid*^ 

Pupunhafrucht  kauiri 

Bacabafrucht  kadyauiru 

Assaipalme  pareii 

Blatt  aua(pani 

Blüthe  aiMbununi 

Wurzel  damanyabof^ani 

Gras  hogöl 

Genipapo  benuki 

Urucu  aiddi 

Sorva  kuriate 

Bacury  yamururu 

Fisch  apaiaanä 

„     Pirarucu  babadi 

„    Tambaqui  iud 

„     Sorubim  bähämd 
(Platystoma) 


66 

P. 

Ehremreich: 

Delphin 

ba^öri 

Affe 

mcdcariy     kauina^ 

« 

durürü 

katcndri  (Coaita^ 

Frosch 

wadyakurakuru 

Ateles) 

Landschild- 

Hirsch 

pait^i.     hoteiri 

kröte 

uyuru 

Jaguar 

dyumai 

Flussschild- 

Tigerkatze 

yumahdmini 

kröte 

siriy  sancuparu 

Ameisenbär, 

Ei  der  Fluss- 

grosser 

hiwOa 

Schildkröte 

sin  pana(pa 

Ameisenbär, 

Alligator 

koset 

kleiner 

namahiaini 

Leguaii 

yuana 

Otter 

8€tbäü 

Eidechse 

kurut^ani 

Tapir 

datna 

Schlange 

makd 

Hund 

dyuhami 

y,     Lachesis 

guakamakä 

Fledermaus 

masi 

y>     Boa 

mapittri 

Termite 

dytimah 

Vogel 

ikita 

Ameise,  kleine 

ktidegamü 

Ei 

pancufd 

Ameise,  grosse 

Waldhuhn  (Jacu) 

(Tocandyra) 

manet 

waratokü 

Moskito 

bitd 

„      (Mutum] 

)  piu 

„    Pium 

mari 

Henne 

arakdua  (P.) 

Biene 

bähend 

Papagei 

wiru 

Honig 

tinald 

Arara 

arutä 

Wespe 

dyinabu 

Ente,  gr.  Art 

icadamd 

Schmetterling 

kamuktikuyu 

«      kl.  Art 

maduriri 

Spinne 

botanni 

Urubu 

maiuri 

Zecke 

kadyapa 

Adjectiva. 

gut 

dya-hamana  idd 

lang 

icadaki 

schlecht 

dya-hariki 

kurz 

torotorini 

krank 

kauamuni 

gross 

karää 

gesund 

kauamuni  manyd 

klein 

paiti  cm)  cf.  Kind 

dumm 

kadyunahi 

schwarz 

pururiki 

traurig 

kut 

weiss 

icaq  uriki 

lustig 

dyaha/nkif 

blau 

boruntki 

(cf.  schlecht) 

gelb 

adiki 

alt 

naariheuri  f 

roth 

nataraki 

jang 

maki    naud 

grün 
Verba. 

kuink-i  (blau?) 

essen 

bal 

rauchen 

kasisi 

trinken 

koaohai  (aawham  P.)  husten 

uhutu 

kochen 

akeiki 

niessen 

adisa 

waschen 

sokoi 

lachen 

hahani 

Materialien  zur  Sprachenkande  Brasiliens. 


67 


weinen 

a&ord 

sich  setzen          wite  (witarihetj  P.) 

singen 

ahi 

aufstehen            gümanani 

tanzen 

ka&yui 

fallen                  w^ni 

schlafen 

uada 

kommen              kaikai 

tödten 

abiniha 

gehen                  u-kat 

ikua&a  unahabiniki  laufen                   kedarehi 

(ich    will    tödten)  geben                   nuat 

port.:  von  matar 

nehmen               usartki 

jagen 

krahdi 

ich  weiss             u-gaki 

pfeifen 

bonoituni 

ich  weiss  nicht  u-garihida 

schlagen 

ubahi 

komme  her         hidaka 

schneiden 

naboahi 

ja                          aituini 

binden 

dabuhi 

nein                      inkamani 

werfen 

usunaht 

nichts                   nüa 

sich  lagern 

umdi 

uffura-na 

mein  Haus 

i-gurani 

dein  Haus 

guraharehu 

sein  Haus 

kutidyori 

meine  Axt 

Numeralia. 

1.  huarani  (hydhdan  P.) 

2.  baniki 

3.  huarabakw&eki 

4.  akobamakamaki 

5.  saaika  huaraniki 


6.    aauihuaran  karaauni 
10.    ^ieiku  bamihaniki  (=  beide 
Hände) 
Viel  äpöiki 


Yamamadt. 


Laute: 


Vocale: 


a        e 
au     (eu) 
t         u 


a 
ai 
nasalirt:        u 

Consonanten: 

Gutturale  k 

Palatale  z 

Dentale  t 

Labiale  p 

'  wurde  nur  notirt  in  ädzilali,  Brust. 
(p  ein  sehr  weicher  labialer  Frikativlaut. 
Der  Ton  ruht  meist  auf  der  Endsilbe. 


u 


(ist  voller  Kehlhauch). 


9  — 

z  dz 

d  n 

b  m 


X 
s 

9 


r 


y 
CO 

w 


70 


P.  Ehremreich: 


Stange  kayanini 

Urucuroth  ädätpd 

Baum,    aus    dem    das  Blasrohr  ge- 
fertigt wird  (Olho  de  boi) 

wcJcero 
Sorvafrucht         atpia 
Pilz  karaboni 

Waimbö  (Philodendron) 

q^aröma 
Genipapo  öra 

Binde  atorint 

Fisch  hodini  (Verbum?) 

yf    Piranha        uma 
^    Matrincham  yahcKpaha 
Giftschlange        makd 
AfiFe  yuihl  dzoihi 

yy     Coaita  bit/u 

Hirsch  baduä 

Aguti  od.  Cavia  «inamad,  sine 
Coelogenys  paca  wakuä 
Ameisenbär,  grosser 

^piri 
Tapir  aui 

Schwein  idyama 

Hund  yumahi 

Tatu  iW 

Paca  wakuä 

Waldhahn  (Jacu) 

kuyui 
y^  (Mutum) 

nuuü 
(Jahö) 

bakwpaua 
Arara  hidä 

Huhn  batari 

Ameise,  grosse  Art  (Tocandyra) 

yumü 
Wachs  warakana 

Piumfliege  anarikd 

Kopflaus  kaumati 

Käfer  kera 

Mistkäfer,  schwarzer     * 

tara 


Regenwurm        soomi 
krank  hukurutpä 

bitter  hdroni 

müde  sein  mahatöhini 

heiss  hatini  hioani 

es  giebt  tuHyuni 

es  giebt  nicht    kazauini 
essen  kabtnt\  tatpini 

verschlucken       idzumeni 
trinken  qxtuini 

kochen  uirokdni 

rauchen  asaq:mtnt 

husten  tuhunnini 

niessen  hatiH 

sich  schnäutzen  tiihinim 
lachen  hahänini 

weinen  0(  entnt 

singen  aiad 

schlafen  aviönini 

sterben  ahabeni 

concumbere         ahini 
kämmen  sirini 

Mais  abstreifen  x%bikani 
wegwerfen  karatini 

beerdigen  abinini 

bringen  aäd 

pressen  kayahuni 

reinigen  tcatari 

bellen  sabohu 

sich  verbrennen  iuani 
suchen  gauanini 

finden  uasini 

gehen  auani 

wimmern  ahini 

Fische  in  dar  Falle  fangen 

kimi^ni 
etwas  auf  den  Kopf  setzen 

itarini 
umrollen  uakini 

Sandfloh  extrahiren 

b'Uni 
schreien  haani 

kratzen  tamunini,  suAanni 


Materialieii  zur  Sprachenkunde  Brasiliens. 


71 


umwickeln 

schlagen 

schneiden 

binden 

geben 

bohren 

beissen 

zielen 


kinini 

nabohmi 

kani 

wetini 

dani 

warinini 

wazini,    wauntm 

wauanini 


abschälen 

zerbrechen 

zerreissen 


sinnt 


bakani 
peteni 


Zuckerrohr  saugen 


•■      •      • 


pflanzen 
fortgehen 


Beim  Kommen 
„      Abfahren 
„      Stillstehen 
Umdrehen 


eines  Dampfer  hiess  es 


uni    ich         ati    du        heyara     er 

dani    er  hat  gegeben 

at%  dani    ich  gebe 

ati  dani  danituiratuni    ich  gebe  Dir 

damini    Dir  ist  gegeben,  Du  hast  noch 


bakunini 

kamini 

damini 


kamini 
tokomä 
maiako 
kerohauhamini 


Zahlwörter. 


1  itarini 

2  (paumini 

3  uharini 

4  damini 

5  (paumini  q?aumini  itarini. 


Besprechungen. 


Friedrich  von  Hellwald.  Die  Erde  and  ihre  Völker.  Ein  geographische» 
Handbuch.  Vierte  Auflage,  bearbeitet  von  Dr.  W.  üle.  Stuttgart^ 
Berlin,  Leipzig,  Union,  Deutsche  Verlagsgesellschaft.  8.  58  Bogen  in 
29  Lieferungen  mit  etwa  400  Text-Dlustrationen,  29  ganzseitigen  Extra- 
Bildern  und  20  Eartenseiten. 

Es  liegen  lor  Besprechnng  vor  Liefemng  1  — 11,  in  der  9ten  kommt  America  mm 
Abschlass  und  beginnt  Africa. 

Die  dritte,  damals  ^gänzlich  omgearbeitete*^  Auflage  ist  1884  erschienen.  Von  ihr 
unterscheidet  sich  die  neue  vierte  Auflage  Tomehmlich  durch  besseren  bildlichen  Schmuck; 
Tielfach  haben  gute  moderne  Illustrationen  die  f&r  die  reifere  Jugend  geeigneten  Holz- 
schnitte des  Spemann^schen  Verlags  ersetzt.  Wollte  der  gegenwärtige  Verlag  aber  das 
Recht  in  Anspruch  nehmen,  anzuzeigen,  die  neue  Auflage  sei  „auf  den  heutigen  Stand 
der  Forschung  ergänzt*',  so  hätte  er  Hm.  Dr.  Ule  eine  ganz  andere  Freiheit  gewähren 
müssen,  nicht  nur  die,  dass  er  die  veralteten  statistischen  Zahlen  umänderte.  America 
hat  in  III  288,  in  IV  274  Seiten.  Diese  «möglichste  Wahrung  des  ursprüng- 
lichen Textes*  ist  jedoch  sehr  nachtheilig  gewesen.  Einmal  sind  viele  kleine  Ver- 
änderungen nothwendiger  Art  unterblieben.  So  z.  B.  FV  290,  III  290:  „in  den  achtzig  Jahren^ 
seitdem  Humboldt  jene  Qegenden  Venezuelas  besuchte*  —  statt  „nahezu  hundert* 
Jahren,  da  es  sich  um  1799  handelt.  Oder  nachdem  die  Sklaverei  in  Brasilien  aufgehoben 
ist,  findet  sich  doch  gleichlautend  IV  240  und  III  242:  in  der  Gesammtzahl  der  Be- 
wohner  Brasiliens  sind  „nicht  ganz  anderthalb  Millionen  Negersklaven  inbegriffen*. 
Drolligerweise  nimmt  III  246,  was  sinngemäss  ist,  die  Zahl  der  Neger  „seit  der  Unter- 
drückung der  Sklaren einfuhr  ab  und  zwar  theils  durch  Emancipation,  theils  .  .  .  ." 
und  nimmt  ihre  Zahl  aus  gleichem  Grunde,  was  nun  schlechterdings  nicht  mehr  angeht^ 
IV  243  „seit  der  Aufhebung  der  Sklaveroi  ab  und  zwar  theils  durch  Emancipation, 
theils  . .  .*.  Schon  Hellwald  hat,  III  251,  betreffs  der  Verbindung  Ton  Rio  de  Janeiro 
und  Petropolis  den  Satz  verbrochen:  „man  fährt  ....  nach  der  Eisenbahnstation  Mani, 
woselbst  die  Serra  de  Estrella  beginnt  und  fünf  bis  sechs  vierspännige  Wagen  der 
Diligence  bereit  stehen,  um  uns  nach  halbstündiger  Eisenbahnfahrt  nach 
Petropolis  weiterzuführen*.  Idem  IV  248.  Mit  solch  „möglichster  Wahrung  des  ur- 
sprünglichen Textes**  war  es  nun  gar  nicht  möglich,  den  grossen  Veränderungen,  namentlich 
der  wirthsc haftlichen  Verhältnisse  Rechnung  zu  tragen,  die  seit  zwanzig  Jahren  in  Nord* 
und  Südamerica  stattgefunden  haben.  Ob  man  über  Canada,  Britisch-Columbien,  Mexico, 
Venezuela,  Chile  oder  Argentinien  nachliest,  überall  findet  man  dank  der  Wahrung  des 
durchgängig  schon  1884  stark  veralteten  Textes  die  Zustände  so  urvorweltlich  geschildert, 
wie  sie  nur  noch  in  der  Erinnerung  der  ältesten  Leute  fortleben.  Es  versteht  sich  endlich 
auch  für  die  ethnographischen  Abschnitte  von  selbst,  dass  sie  nicht  „auf  den  heutigen 
Stand  der  Forschung  zu  ergänzen*  waren,  wenn  die  Hellwald'sche  Darstellung  tabu 
sein  sollte  und  die  Ergebnisse  mindestens  der  letzten  zwanzig  Jahre  fehlen  mutsten.  Was 
die  Amerikanistik  i.  B.  nur  in  Washington  geleistet  hat,  ist  auch  nicht  mit  einer  Zeile 
vermerkt  worden.  Wie  durfte  für  1897  Geltung  haben,  was  Martins  1867  veröffentliehte, 
und  der  Satz  stehen  bleiben,  dass  es  „eine  Brasiliersprache  giebt,  mit  der  sich  der  Reisende 
zur  Noth  bei  fast  allen  Stämmen  hindurchhelfen  kann*?  Hr.  Dr.  Ule  hätte  seinen  guten 
Namen  für  die  vierte  Auflage  nur  dann  hergeben  sollen,  wenn  man  ihm  auch  gestattete« 
sie  „gänzlich  umzuarbeiten*  und  mindestens  für  den  ganzen  Petitsatz  den  ursprüngliebtn 
Text  so  wenig  wie  möglich  lu  wahren,  —  er  hätte  aber  auch  dies  nicht  untemehoiea 
sollen,  um  seine  Zeit  und  seine  Kraft,  wie  bisher,  dankbareren  Aofjgaben  iuxuweis6&. 

Karl  von  den  Steinen. 


Besprechungen.  73 

Jacob     Robinsohn.       Psychologie     der    Naturvölker.       Ethnographische 
Parallelen.     Leipzig,  Wilh.  Friedrich,  ohne  Jahreszahl.     8.     176  8. 

Der  Titel  ^Psychologie  der  Naturvölker*  der  fleissigen  Arbeit,  die  den  Charakter  einer 
breit  angelegten  Dissertation  trägt,  ist  in  dem  einen  Bestandtheil  zu  eng,  in  dem  andern 
zu  weit.  „Zur"  Psychologie  der  „Naturvölker**,  aber  auch  in  grossem  Umfang  zu  der  der 
„Cnlturvölker^  bis  in  die  Neuzeit  liefert  das  Buch  Parallelen  für  die  9  Capitel:  „Die  Ent- 
deckung der  Seele,  Seelenmehrheit,  die  Gestalt  der  Seele,  die  Anthropophagie,  der  Cha- 
rakter der  Todten,  Bestattungsweisen,  das  Leben  nach  dem  Tode,  Menschenopfer  bei  Be- 
gräbnissen, Forsetzungs-  und  Vergeltungstheorie**.  Etwas  gar  zu  katalogartig  besteht  jeder 
dieser  Abschnitte  im  Wesentlichen  aus  einer  Aufzählung  von  —  insgesammt  544  —  Bei- 
spielen, die  für  die  grosse  Belesenheit  des  Verfassers  Zeugniss  ablegen  und  deren  Bezug- 
st eilen  hinter  dem  Text  verzeichnet  sind.  Karl  von  den  Steinen. 


Franz  Kronecker.  Von  Java's  Peuerbergen.  Das  Tengger-Gebirge  und 
der  Vulkan  Bromo,  2380  m  über  dem  Meeresspiegel.  Mit  10  Vollbildern' 
zwei  kleinen  und  einer  grossen  Karte.  30  S.  8vo.  Oldenburg  und 
Leipzig,  Schulze's  Hofbuchhandlung  (A.  Schwartz)  1897. 

Der  Verf.  hat  in  der  Begleitung  des  unseren  Lesern  wohlbekannten  niederländisch- 
indischen Capitains  a.  D.  Herrn  Fedor  Schnitze  einen  Ausflug  in  dieses  interessante 
vulkanische  Gebiet  Ost-Java's  gemacht,  den  er  in  anschaulicher  Weise  schildert.  Auch  in 
ethnographischer  Beziehung  bietet  dieser  Distrikt  Interesse,  denn  die  Tenggeresen 
bilden  eine  Gruppe  der  javanischen  Bevölkerung,  welche  sich  am  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts vor  den  eindringenden  Mohammedanern  hierher  zurückzog  und  auch  heute  noch 
die  brahmanische  Religion,  allerdings  nicht  mehr  in  ganz  reiner  Form,  bekennt 

Ihrem  Gotte  Bromo  veranstalten  sie  jährlich  einmal  in  grosser  Procession  zu  dem 
Vulkane  ein  Opferfest,  bei  dem  der  Hohepriester  Speisen,  Getränke,  lebende  Ziegen  und 
geachmuckte  Puppen  in  den  Krater  hineinwirft.  Die  letzteren  soUen  die  Vorfahren 
bedeuten.  Max  Bartels. 


(iötze,  A.,  Die  Vorgeschichte  der  Neumark.  Nach  den  Funden  dar- 
gestellt. Mit  126  Abbildungen.  63  Seiten  in  8**.  In  Commission  bei 
A.  Stuber's  Verlag,  Würzburg  1897.  (Sonderabdruck  aus  dem  Bericht 
des  Vereins  für  die  Geschichte  der  Neumark,  Heft  V.) 

Die  Provinz  Brandenburg  zerfiel  in  vorgeschichtlicher  Zeit  durch  ihre  Lage  und  die 
hydrographische  Beschaffenheit  ihres  Terrains  in  verschiedene  Culturgebiete,  welche  von 
einander  ganz  getrennt  existirten.  von  den  grossen  Cnlturströmen  nur  theilweise  berührt 
wurden  und  daher  eine  Reihe  localer  Typen  in  der  Keramik  entwickelten,  die  für  das 
Studium  der  heimischen  Vorgeschichte  von  grosser  Wichtigkeit  sind.  Die  Eenntniss  dieser 
Typen  rerdanken  wir  Hm.  Director  Voss,  der  an  dem  grossen  Material  des  Königlichen 
Museums  dieselben  studirte  und  sie  zugleich  als  chronologische  Leitformen  für  die  Mark 
Brandenburg  zu'fixiren  vermochte,  insoweit  sich  dieses  aus  den  oft  dürftigen  importirten 
Beigaben  erschliessen  liess,  welche  zeitlich  schon  gut  bestimmt  sind. 

In  der  vorliegenden  Abhandlung  hat  Hr.  Götze  in  dankenswerther  Weise  einen  Theü 
der  Schätze  des  Königlichen  Museums  und  der  dort  gewonnenen  Anschauungen  in  knapper, 
übersichtlicher  Form  zusammengefasst,  soweit  sich  dieselben  auf  die  Neumark  „und  die 
angrenzenden  Gebiete"  beziehen,  wie  der  Titel  doch  eigentlich  lauten  sollte.  Die  Neu- 
mark wiederholt  im  Kleinen  das  Bild  der  ganzen  Provinz  Brandenburg.  Auch  sie  gehörte 
verschiedenen  Cultnrgebieten  an,  auch  sie  entwickelte  eigenartige  Typen,  wie  den  Aurither 
und  den  Göritzer,   von   welchem  letzteren  wir  hier  zum  ersten  Male  überhaupt  Kenntniss 

Zeittcbrift  für  Etbiiologif.     Jahrg.    18»7.  6 


\ 


74  Besprechungen. 

erhalten;  doch  hat  der  Verf.  durch  allgemeine  einf&hronde  Einleitungen,  welche  er  jedem 
Abschnitt  vorausschickt,  dafür  gesorgt,  dass  dem  Leser  der  Zasammenhang  dieser  localen 
Formen  mit  den  breiteren  Galturströmen  in  den  Grenzgebieten  nicht  ganz  verloren  gehe. 
Die  typischen  Fundobjccte  sind  durch  klare,  skizzenhafte  Zeichnungen  illustrirt;  ein 
Fundverzeichniss  ist  jedem  Abschnitt  beigegeben.  So  wird  das  ßüchclchen  jedem  Local- 
forscher  unentbehrlich  werden  und  hoffentlich  bald  eine  neue  Autlage  erleben;  wir  wünschen 
dann  nur,  dass  der  Schluss  der  Bemerkung  auf  S.  32  fortbleibe,  dagegen  eine  kleine  Pund- 
karte  beigegeben  würde.  Lissauer. 


A.  Furtwängler.  Intermezzi.  Kunstgeschichtliche  Studien.  Mit  4  Tafeln 
und  25  Abbildungen  im  Texte.  92  Seiten,  gr.  4*.  Leipzig  und  Berlin. 
Giesecke  &  Devrient.     1896. 

Die  drei  ersten  Abhandlungen  dieses  schön  ausgestatteten  Werkes  wenden  sich  an 
den  Arch&ologen  von  Fach,  während  die  beiden  letzten  Aufsätze  auch  für  weitere  Kreide 
Interesse  bieten.  In  dem  ersten  Aufsatze:  „Ein  altgriechischer  Bronzekopf  des  Herzogs 
von  Devonahire"  wird  dieses  in  der  herzoglichen  Bibliothek  zu  Chatsworth  befindliche 
Stück  als  ein  Apollokopf  festgestellt,  der  den  Jahren  465  bis  460  v.  Chr.  entstammt  und 
mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  ein  Werk  des  berfihmten  Bildhauer  Pjthagoras  von  Samos, 
eines  Vorgängers  des  Phidias,  ist.  Der  zweite  Artikel:  »Der  Torso  Medici  und  der 
Parthenon"  sucht  diese  in  Paris  befindliche  Athene-Figur  als  die  Mittel-Statue  der  öst- 
lichen Giebelgruppe  vom  Parthenon  zu  erweisen.  ^Der  Münchener  Poseidonfries  und  der 
Neptuntempel  des  Domitius''  wird  in  der  dritten  Abhandlung  besprochen.  Der  schöne 
Fries  der  Glyptothek  mit  dem  Hochzeitszuge  des  Poseidon  wird  für  eine  Arbeit  aus  den 
Jahren  85—32  erklärt,  welche  die  Vorderseite  des  Altares  an  dem  von  Domitius  in  Born 
erbauten  Tempel  des  Neptun  geschmückt  hat  Die  beiden  Endplatten  dieses  Frieses 
griffen  auf  die  Seiten  des  Altares  über,  deren  Hinterseite  mit  einer  figurenreicheu  Dar- 
stellung der  Suovetaurilien  verziert  war,  welche  sich  in  Paris  im  Ivouvre  befindet 

Schon  auf  dem  Anthropologen  -  Congress  in  Spejer  hatte  Herr  Furtwängler  theil- 
weise  sein  viertes  Thema  besprochen:  „Das  Monument  von  Adamklissi  und  die  ältesten 
Darstellungen  von  Germanen."  Das  römische  Siegesdenkmal  von  Adamklissi  in  der 
Dobrudscha.  welches  bisher  für  ein  Bauwerk  des  Trajan  zur  Verherrlichung  seines  Sieges 
über  die  Daker  gehalten  wurde,  wird  hier,  gestützt  auf  Eigcnthümlichkeiten  der  Bekleidung 
und  der  Bewaffnung  der  auf  den  Reliefs  desselben  dargestellten  Römer,  in  eine  viel 
frühere  Zeit  verlegt.  Es  wird  für  das  Tropaeum  des  Marcus  Licinius  Crassus  erklärt, 
das  derselbe  nach  der  in  den  Jahren  29  und  28  v.  Chr.  erfolgten  Niederwerfung  der 
nordthrakischen  Stämme  und  der  Bastamer  errichtet  hat.  Die  an  dem  Denkmal  ange- 
brachten Barbaren figureu  lassen  nach  der  Bekleidung  und  der  äusseren  Erscheinung  drei 
verschiedene  Typen  erkennen. 

Der  eine  Typus  führt  die  Thraker  vor,  die  zur  Fettleibigkeit  neigten;  der  zweite 
macht  uns  mit  den  Geten  bekannt,  einem  den  Dakem  verwandten  Volke  mit  sträh- 
nigem, in  das  Gesicht  hängendem  Haar  und  schwachen,  hauptaächlich  das  Kinn  be- 
deckenden Spitzbärten.  Der  dritte  Typus  endlich  zeigt  die  Bastamer,  wie  aus  den  dar- 
gestellten Scenen  erhellt,  die  alt  getreue  Ülustrationen  zu  der  von  Dion  überlieferten 
Ueberrumpelung  und  Vernichtung  dieses  Volksstammes  angesehen  werden  müssen.  Die 
Bastamer  kennt  man  schon  aus  älteren  Ueberlieferungen  als  einen  kriegerischen  Germanen- 
btamm.  Sie  erscheinen  auf  den  Reliefs  ala  kräftige,  breitschulterige  Gestalten  mit  ent- 
blösstem  Oberkörper,  mit  edlen,  vollbärtigen  Gesichtern  und  mit  reichem,  nach  der 
rechten  Seite  hinübergekämmtem  Kopfhaare,  das  am  rechten  Ohre  in  einen  Knoten  ge- 
schlungen ist. 

Dieser  wichtige  Nachweis  bildlicher  Darstellungen  von  Germanen  hat  es  dem  Ver- 
fasser ermöglicht,  nach  der  Uebereinstimmung  in  der  Kleidung  und  der  Haartracht 
*auch  noch  eine  Anzahl  anderer  Werke  der  antiken  Kunst  als  Gemianen  vorstellend 
zu  erkennen.    Dahin  gehören  unter  Anderem  gewisse  Figuren  auf  der  Trajanstäule,  sowio 


Besprechungen.  75 

solche  aof  dem  C(^meo  des  Tiberius  in  Paris  und  auf  der  Gemma  Augustea  in  Wien. 
Der  relativ  geringe  künstlerische  Werth  der  Bildhauerarbeiten  von  Adamklissi  lässt  sie 
um  80  weribvoller  erscheinen,  als  sie  in  ihrer  naturalistischen  Weise  die  wirkliche  Er- 
scheinung der  damaligen  Germanen  zu  besonders  klarer  Anschauung  bringen. 

Den  Schlnss  des  Werkes  macht  die  Besprechnng  der  „Tiara  des  Saitaphames  im 
Lorme,*'  Es  handelt  sich  hier  um  eine  mit  reichem  Schmnck  getriebener  Figuren  be- 
deckte und  mit  einer  griechischen  Inschrift  versehene  goldene  Krone,  sowie  um  zwei 
goldene  Ohrringe  und  einen  Halsschmuck,  welche  angeblich  in  Olbia  gefunden  und  für 
eine  beträchtliche  Summe  von  der  Verwaltung  des  Louvre  angekauft  sind.  Ueber  die 
Aechtheit  oder  Unächtheit  dieser  Stücke  ist  schon  vielfach  gestritten  worden.  Furt- 
w&ngler  führt  für  die  letztere  eine  ganze  Anzahl  von  schwerwiegenden  Belegen  auf.  Dahin 
gehört  die  Art  des  Goldes,  sowie  gewisse  künstliche  Auflagerungen,  die  demselben  ein 
altes  Ansehen  verleihen  sollen.  Dahin  gehören  femer  die  modern  empfundenen  Stellungen 
gewisser  menschlicher  Figuren,  femer  Eigenthümlichkeiten  der  Gewandung,  bestimmte 
Grappen  figoraler  Darstellungen,  fßr  welche  die  sklavisch  nachgebildeten  Originale  in  ge- 
wissen kunsl geschichtlichen  Yeröfifentlichungen  nachgewiesen  werden  konnten,  endlich  auch 
die  Form  und  der  Inhalt  der  Inschrift.  Ebenso  vermochte  Verf.  auch  für  die  Ohrringe  und 
für  das  Halsgeschmeide  den  Beweis  der  Fälschung  zu  erbringen.  Für  die  Beurtheilung 
von  Fälschungen  ist  dieser  Aufsatz  sehr   interessant 

Den  einzelnen  Abhandlungen  ist  eine  Reihe  gut  ausgeführter  Abbildungen  beigegeben, 
welche  das  Verständniss  derselben  erheblich  erleichtern.  Max  Bartels. 


Mark  Lidzbarski.  Ge8chichten  nnd  Lieder  aus  den  ueuaramäischen  Hand- 
schriften der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin.  Vierter  Band  der  Bei- 
träge zur  Volks-  und  Völkerkunde.  Weimar.  Emil  Felber.  1896. 
XVI  S.  und  312  S. 

In  den  letzten  Jahrzehnten,  wir  könnten  sagen:  seit  Jacob  Grimm,  hat  sich  ein 
neues,  weit  reichendes  Gebiet  der  Litteratur-Geschichte  eröffnet,  das  wir  im  eigentlichsten 
Sinne  Geschichte  der  intemationalen  Litteratnr  nennen  könnten;  denn  es  handelt  sich 
um  eine  Volks-Iatteratur,  deren  Stoffe  sich  bei  allen  Culturvölkera,  ja  selbst  bei  manchen 
cnltorlosen,  wiederfinden.  Sie  umfasst  die  eigentliche  Unterhaltung,  zumal  der  niederen 
Stftade  der  Völker;  und  wie  sie  noch  vielfach  ungeschrieben,  bloss  mflndlich,  lebt,  so  war 
sie  ursprünglich  überhaupt  bloss  Gegenstand  mündlicher  Ueberlieferung,  und  wie  das 
ächte  Epos,  Volks- Schöpfung.  Es  sind  Märchen,  Schwanke,  Fabeln,  kurze  Lieder,  wie 
deren  jedem  Leser  bekannt  sind,  wie  sie  in  Indien,  Arabien  und  West-Asien  und  ganz 
Europa  in  den  yielfachsten  Varianten  im  Pantschatantra,  Tausend  und  einer  Nacht,  in 
mittelalterlichen  Sammlungen,  auch  bei  Lafontaine  und  Geliert  zu  lesen  sind. 

Hr.  Lidzbarski  hat  sich  nicht  bloss  die  Mühe  gegeben,  solche  Stücke,  wie  sie  in 
Syrien,  in  der  neuaramäischen  Sprache  nmgehen,  ins  Deutsche  zu  übertragen,  sondem 
auch  mit  ausserordentlichem  Fleisse  die  parallelen  Produkte  aller  Völker,  soweit  dieselben 
bekannt  sein  mögen,  anzumerken.  Der  Leser  wird  staunen,  hier  die  Geschichten  vom  be- 
tTo«enen  Teufel,  dem  Wettlauf  zweier  Thiere  verschiedener  Art,  vom  Milchmädchen,  dem 
FuAis  und  dem  singenden  Raben,  dem  Blinden  nnd  dem  Lahmen,  dem  Kaufmann  von 
Venedig  u.  s.  w.  in  syrischer  Variation  wiederzufinden.  Räthsel,  wie  bei  Turandot,  spielen 
im  Orient  eine  grosse  Rolle. 

Dass  ein  grosser  Theil  dieser  Stoffe  durch  Wanderung  von  einem  Volke  zum  anderu 
gelangt  ist,  erscheint  sicher,  wie  auch  dass  sie  auf  ihrer  Reise  vielfach  Schaden  genommen 
haben.  Doch  ist  dies  nicht  der  Ort,  die  Frage  zu  entscheiden,  woher  ursprünglichst 
diese  Stoffe  stammen.  Vieles  ist  sicherlich  aus  Indien  über  die  Mongolei  und  über 
Arabien  zu  uns  gekommen;  schwerlich  Alles.  Läge  der  Ursprang  nicht  tiefer,  so  wäre 
die  Verbreitung  nicht  zu  erklären.  Steinthal. 


76  ßesprechuQgen« 

Rudolf  Prietze.  Beiträge  zur  Erforschung  ron  Sprache  ^uud  Volksgeist 
in  der  Togo -Kolonie.  Separat -Abdruck  aus  der  Zeitschrift  filr  afri- 
kanische und  oceanische  Sprachen.  Berlin.  Jahrg.  HL  Heft  l.  gr.  8vo. 
64  Seiten. 

Die  kleine  Abhandlung  nimmt  nicht  nur  durch  ihre  Beschränkung  auf  das  deutsche 
Togo-Gebiet,  sondern  noch  mehr  durch  ihre  vorsichtige  und  geschickte  Verwerthung  des 
linguistischen  und  volkskundlichen  Materials  unser  Interesse  in  höherem  Maasse  in  An- 
spruch. Der  Verf.  gewann  dieses  Material  vorzugsweise  durch  Mittheilungen  des  Hftupt- 
Hngs  J.  C.  Bruce  aus  Klein-Popo,  der  in  der  Berliner  Kolonial- Ausstellung  als  Headman 
der  Togo-Leute  fungirte  und  dessen  ungewöhnliche  Einsicht  und  Zuverlässigkeit,  in  Ver- 
bindung mit  seiner  bereits  durch  Hrn.  Henrici  herbeigeführten  Schulung  in  der  Analyse, 
ihn  als  einen  Musterzeugen  erscheinen  Hessen. 

Der  Verf.  giebt  in  der  Einleitung  werthvoUe  Beiträge  zu  einer  üebersicht  der  ver- 
schiedenen Zweige  der  Ew*e-  (Ephe)  Sprache.  Der  in  Klein-Popo  {An^^ho)  gesprochene 
Dialekt  ist  von  dem  an  und  oberhalb  der  Keta-Lagune  herrschenden  i4n/o-Dialekt,  den 
die  Bremer  Missionare  zur  Schriftsprache  erhoben  haben,  verschieden,  namentlich  ist  er 
mehr  gemischt  und  lautlich  mehr  verwaschen.  Aber  er  nimmt  dafür  eine  centrale  Stellung 
ein,  so  dass  er  in  dem  östlichen  Dialekt,  dem  von  Dahome  {Fö  genannt),  weit  besser  ver- 
standen wird  und  dass  er  eine  sichere  Brficke  zwischen  den  ost-  und  westländischen 
Dialekten  bildet,  wahrscheinlich  auch  mit  der  Sprache  in  dem  Hinterlande,  dem  Herzen 
des  Ew^e-Volkes,  mehr  übereinstimmt  Auf  ihn  ist  der  deutsche  Beamte  und  Kaufmann 
in  dem  Verkehr  mit  der  Küstenbevölkerung  in  erster  Linie  angewiesen.  Freilich  nennen 
die  Eingeborenen,  sowohl  die  von  An^hoj  als  die  von  Anlö,  ihre  Sprache  nicht  Ew^e, 
sondern  Eijs^be\  als  den  Sitz  des  eigentlichen  Ew'e  bezeichnen  sie  das  Hinterland,  aber 
sie  gebrauchen  das  Wort  als  gemeinsamen  Namen  für  Nation  und  Sprache,  von  dem  sie 
nur  aus  politischen  Gründen  das  stammverwandte  Dahome  ausschliessen.  Nach  Henrici 
ist  die  Stadt  An^ho  vor  gegen  200  Jahren  von  eingewanderten  Ga-  (Akra-)  Leuten  und 
Fantf  (Aue  genannt)  erbant  worden:  beide  Stämme  sind  aber  durch  fortwährend  anziehende 
Ew^e-Elemente  volklich  und  sprachlich  „resorbirt*^,  so  dass  ihre  früheren  Idiome  nur  in 
den  Familiennamen  als  alte  Traditionen  gepflegt  werden. 

Die  genaueren  Ausführungen  des  Verf.  über  Laut-  und  Formenlehre,  insbesondere 
über  Schreibung  werden  in  trefflicher  Weise  erläutert  durch  mehrere,  ausführlich  wieder- 
gegebene Musterstücke,  welche  Rechtsfragen  oder  Parabeln  und  Mythologisches  behandeln, 
ganz  besonders  aber  durch  eine  Sammlung  von  117  Sprüchwörtem  oder  Sinnsprüchen* 
als  deren  Hüter  und  Mehrer  hauptsächlich  die  alten  Leute  angesehen  werden.  Es  ist 
freilich  nicht  leicht,  den  Sinn  der  meist  lose  zusammengefügten  Worte  in  einem  Sinn- 
spruche SU  erforschen,  aber   der  Verf.    giebt   vortreffliche  Erläuterungen.    Zum  Beispiel: 

Eine  Hand  knickt  nicht  Laus  (Sinn:  Zu  iweit  vermag  man,  was  der  Einzelne  nieht 
kann). 

t)ie  Ameise  spricht:  Wenn  wir  zusammensitsen,  beben  wir  dem  Grashupfer  das  Bein 
auf  (Sinn:  Vereinigt  werden  die  Schwachen  mächtig). 

Leere  Hand  geht  nicht  auf  den  Markt  (Sinn:  Wer  kaufen  will,  muss  Greld  haben  . 

Ein  Auge  kann  nicht  in  zwei  Flaschen  zugleich  sehen  (Sinn:  Man  thue  eines  nach 
dem  anderu\ 

Lüge  tödtet  Menschern.  * 

Auf  beiden  Füssen  kann  man  nicht  hinken;  man  fällt  um. 

Zunge  zerbricht  Haus. 

Alter  Papagei  lernt  nicht  Sprache. 

Ein  Auge,  das  gut  sieht,  übertrifft  das  Sprechen. 

Zunge  verdirbt  Menschen.  Hud.  Virchow. 


IV. 

t 

Künstlerische  Darstellungen  aus  Kaiser- Wilhelms-Land 
in  ihrer  Bedeutung  für  die  Ethnologie. 

Von 

Dr.  K.  TH.  PREUSS. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft 

vom  20.  M&rz  1897.) 


Eine  erstaunliche  Wandlung  und  Kräftigung  hat  im  letzten  Jahrzehnt 
die  Stellung  der  Ethnologie  zu  den  künstlerischen  Darstellungen  primi- 
tiver Völker  erfahren.  Die  ästhetische  Betrachtung,  die  Entscheidung  der 
Frage,  ob  ein  Stamm  entwickelten  Kunstsinn,  ausgebildete  Technik  in 
der  Verwendung  von  Instrumenten  und  Farben,  treffliche  Charakteristik 
der  dargestellten  Vorbilder  und  Reichthum  an  Omamentformen  besitzt, 
oder  das  Gegentheil,  —  diese  Betrachtungsweise  bildet  heute  den  ge- 
ringsten Theil  dessen,  was  die  Kunstschöpfungen  den  Ethnologen  lehren 
sollen.  Wie  man  die  Lebensäusserungen  der  Wildstämme  nicht  blos< 
daraufhin  prüft,  ob  sie  Intelligenz  und  entwickeltes  Gefühl  verrathen,. 
sondern  ob  sie  in  reicher  Gliederung  Tausende  von  Specialuntersuchungen  mit 
den  Offenbarungen  dieser  Geisteskräfte  anstellen,  so  hat  man  auch  den  Er- 
zeugnissen der  Kunst  verschiedene  Seiten  der  Forschung  abgewonnen,, 
indem  man  den  Inhalt  der  Darstellungen  zergliederte.  Dadurch  erst 
wurde  die  Betrachtung  der  Kunstschöpfungen  der  Naturvölker  auf  die 
Basis  bestimmter  Gedankenreihen  gestellt,  mit  denen  man  operiren  konnte. 
Die  bei  einem  Volke  immer  gleichbleibenden  Typen  in  der  Nachbildung 
concreter  Gegenstände,  die  geringe  Anzahl  der  Grundformen  in  den  „geo- 
metrischen^ Ornamenten  und  die  Beharrlichkeit  in  ihrer  Anwendung 
machen  die  künstlerischen  Darstellungen  zu  einem  hervorragenden  Hülfs- 
mittel  für  die  Feststellung  der  Verwandtschaft,  während  die  Erforschung 
der  hinter  ihnen  verborgenen  Bedeutung  uns  das  sociale  und  Seelenleben 
der  Völker  erschliesst. 

Nun  heisst  es  freilich  sich  im  letzteren  Punkte  mit  Resignation 
waffiien,  denn  der  Mund  des  Eingeborenen  pflegt  für  die  Bedeutung  der 
Darstellungen  oft  nicht  nur  die  erste,  sondern  auch  die  einzige  Quelle  zu 
sein.  Damit  ist  aber  nicht  gesagt,  dass  nicht  oft  das  „Was?''  der  Dar- 
stellungen  selbst   in    den   einfachsten   Omamentformen   ermittelt  werden 

Z«ittebrift  fnr  Etlinologie.    Jahrg.  1897.  7 


78  K   Th.  Preuss: 

könnte.  Sucht  man  zunächst  die  immer  wiederkehrenden  elementarsten 
Linien  der  scheinbar  complicirten  „geometrischen"  Ornamente  heraus  und 
schliesst  alle  durch  blosse  Zusammenstellung  der  ersteren  entstandenen 
Gebilde,  die  gewöhnlich  aus  der  Forderung  des  vorhandenen  Raumes 
hervorgegangen  sind,  sowie  die  uns  auf  dem  Wege  der  Technik  entge<?en- 
tretenden  Darstellungen  aus,  dann  pflegt  sich  irgendwo  ein  Motiv  zu  er- 
geben, das  eine  oder  einige  der  Grundformen  integrirend  in  sich  enthält.  Duroh 
Abschleifung  und  Schematisirung  dieses  Urbildes  pflegen  Figuren  zu  ent- 
stehen, aus  denen  oder  aus  deren  einzelnen  Theilen  sich  auf  dem  angegebenen 
Wege  noch  andere  Grundformen  aussondern  lassen,  und  so  fort,  bis  alle 
einfachsten  Linien  in  Urbildern  untergebracht  sind.  Zusätze  zum  Urbild 
dagegen  sind  entweder  auch  als  Rudimente  anderer  Bildungen,  oder  als 
Grundformen  zu  erkennen,  oder  aber  —  ein  schwieriger,  doch  seltener 
Fall  —  blosser  Lust  an  der  Linienführung  entsprossen.  Nur  darf  man  sich 
nicht  darauf  beschränken,  eine  Serie  von  gleichartigen  Gegenständen,  von 
Aexten,  Speeren  u.  dgl.  m.  nach  dieser  Richtung  hin  zu  untersuchen,  sondern 
man  muss  sfots  alle  Geräthe  einer  Gegend,  so  weit  sie  vorliegen,  hinzuziehen. 
Nur  so  kann  man  Fehlschlüssen  entgehen.  Freilich  giebt  es  bei  manchen 
Völkern  'fast  nur  Formen,  welche,  so  rudimentär  sie  auch  sind,  doch  wenig 
oder  keine  Entwickelung  hinter  sich  haben,  sondeni  selbst  als  Urbilder  ge- 
schaffen sind,  wie  bei  den  Bakairi^)  und  den  Orang  Semang").  Würde  man 
nur  diese  Art  von  Ornamentik  kennen,  so  könnte  man  in  der  That  an  jeder 
Feststellung  des  Inhaltes  der  Ornamente  am  Studirtisch  verzweifeln.  Aber 
auch  sonst  muss  dazu  das  Urbild  neben  den  Ableitungen  vorhanden  sein. 
Dabei  lässt  sich  die  Grenze,  wo  die  Reihe  hypothetisch  wird,  überall  angeben. 
Durch  die  Behandlung  von  mehreren  Tausenden  solcher  Darstellungen  in 
einem  geographisch  begrenzten  Gebiet,  wie  sie  dieser  Arbeit  zu  Grunde 
liegt,  und  dm-ch  die  Herstellung  von  weit  mehr  als  1000  Zeichnungen  der- 
selben bin  auch  ich  zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dass  sich  Gesetze 
für  die  Entstehung  der  geometrischen  Ornamente  werden  aufstellen  lassen. 
Vorläufig  jedoch  sei  nur  das  Eine  erwähnt,  —  was  sich  zwar  nie  für  alle 
Fälle  strict  beweisen  lassen  wird,  —  dass  jedes  Ornament  entweder  aus 
der  Technik  oder  aus  einem  Abbild  der  Natur  hervorwächst,  und  dass  nun 
durch  die  Anpassung  an  den  Raum  zwar  weitere  geometrische  Gebilde 
entstehen,  fast  nie  aber  ein  neuer  Gegenstand  der  Natur.  Und  doch  ist 
letzteres  gerade  die  Meinung  aller,  die  sich  nicht  oder  nicht  eingehend 
mit  der  Ornamentik  beschäftigt  haben:  wo  es  dem  Wilden  gerade  ein- 
falle, mache  er  aus  den  einfachsten  Linien  irgend  eine  beliebige  Thier- 
gestalt.  Zum  Glück  für  die  Forschung  ist  es  aber  gerade  umge- 
kehrt und  damit  ist  ein  fester  Halt  für  die  Beurtheilung  der  Entwickelung 

1)  von  den  Steinen,  Unter  den  Naturvölkern  Central-Brasiliens  Taf.  XX,  XXI. 

2)  A.   Grünwedel,    Die   Zaubermaster   der   Orang    Snnang  nach   H.    V.  Stevens, 
Zeitschr.  f.  Ethnol.  XXV,  S.  71ff. 


Künstlerische  Darstellangen  aus  Kaiser- Wilhelms-Land.  79 

und  die  Auffindi^ng  des  Urbildes  gegeben.  Wenn  trotzdem  die  Meinung 
des  Laien  sich  scheinbar  zuweilen  als  richtig  erweist,  so  bezieht  sich  diese 
Ausnahme  einmal  auf  die  Combination  des  dargestellten  Gegenstandes  mit 
Theilen  eines  anderen,  so  dass  das  Urbild  zwar  entstellt,  aber  nicht  ver- 
wandelt wird;  z.  B.  wird  der  ausgebreitete  Flügel  eines  Vogels  in  einen 
Fischsohwanz  verwandelt,  die  Gestalt  des  Vogels  bleibt  aber  im  Wesent- 
lichen bestehen;  oder  wenn  aus  einem  gleichschenkligen  Dreiek  mit 
Mittellinie  durch  Hineinsetzen  von  zwei  Punkten  als  Augen  ein  Gesicht  wird, 
80  bleibt  doch  das  Dreieck  uüverändert  und  es  erfolgt  keine  weitere  Aus- 
gestaltung des  Menschengesichts.  Es  ist  eben  eine  Combination  und  keine 
Verwandlung.  Im  anderen  Falle  kann  man  sicher  sein,  dass  die  Entwickelung 
nicht  vom  Dreieck  zum  Gesicht^  sondern  umgekehrt  erfolgt  ist. 

Die  zweite  Bestätigung  der  Laienanschauung  könnte  darin  liegen,  dass 
z.  B.  ein  einfacher  Griff  einer  Trommel,  welcher  nur  der  Zweckmässigkeit 
wegen  da  ist,  als  Thier  ausgestaltet  wird.  Da  haben  wir  die  Frage  nach 
den  Uranfängen  der  bildnerischen  Darstellung  vor  uns,  der  fast  nur  durch 
die  schlichte  Wahrscheinlichkeit  beizukommen  ist.  Da  die  Zweckmässig- 
keit früher  ist,  als  die  bildende  Kunst,  so  wird  sich  wohl  der  Vorgang 
oft  wiederholt  haben,  dass  die  Verzierung  zu  dem  rohen  Werkzeug  hinzu- 
trat^). Wo  es  sich  also  nicht  um  reine  Zweckmässigkeit  handelt,  wird 
man  eine  Eümmerform  eher  als  abgeleitet  ansehen;  im  anderen  Falle  ist 
es  schwer  zu  sagen,  ob  das  unvollkommen  geschnitzte  Thier  einer  Ent- 
wickelung zu  höheren  Formen  entgegengeht  oder  rudimentär  ist. 

Schwieriger,  als  das  Urbild  in  der  Darstellung  aufzuzeigen,  erscheint 
es,  auf  den  bestimmten  Gegenstand  hinzuweisen,  dem  es  in  der  Natur 
entspricht.  Mit  einiger  Sicherheit  wird  man  sagen  können,  dass  die  Dar- 
stellung eines  Menschen,  Säugethiers,  Vogels  oder  Fisches,  einer  Schild- 
kröte, Eidechse  oder  Schlange  u.  dgl.  m.  ursprünglich  beabsichtigt  war. 
Aber  auch  das  schon  ist  für  die  Feststellung  der  Verwandtschaftsverhältnisse 
vielfach  ausreichend.  Hauptaufgabe  ist  dabei,  nicht  die  natürliche  Vorlage 
aufzuweisen,  sondern  die  Form  der  Darstellung,  welche  für  die  einfachen 
Ornamente  der  Ausgangspunkt  war.  Denn  die  Vergleichung  eines  Thieres 
in  der  Kunst  mit  dem  Vorkommen  desselben  in  der  Natur  hat,  abgesehen 
von  weiten  Völkerwanderungen,  mehr  für  die  innere  Bedeutung  des  Kunst- 
werkes und  ab  und  zu  für  die  Bestimmung  der  Provenienz  eines  zweifel- 
haften Stückes  Werth.    Dann  erst  wird  man  diese  Ornamente  von  ähnlichen 


1)  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Anregungen  und  Ideen  zu  verfolgen,  welche  die 
primitiven  Völker  zu  Darstellungen  der  Natur  veranlassten.  Jüngst  hat  Frobenius 
(Die  bildende  Kunst  der  Afrikaner,  Mittheilungen  der  anthropologischen  Gesellschaft  in 
Wien  XXVn,  1—17)  in  kühnen  Zügen  eine  Skizze  der  Entwickelungsgeschichte  der  primi- 
tiven Kunst  in  Anlehnung  an  Grosse  (Die  Anfänge  der  Kunst.  Freiburg  1894)  gegeben, 
vroraus  ich  als  einigermaassen  beglaubigtes  Resultat  den  interessanten  Gedanken  erwähne, 
dass  die  Menschenfigur  zuweilen  aus  dem  Schädelpfahl  entstanden  sei,  worüber  von  ihm 
auch  sonst  (Westermanns  Monatshefte  1896,  Februar)  schon  gehandelt  worden  ist 

7» 


80  K.  Th.  Preuss: 

der  Nachbarbezirke,  welche  einen  anderen  Ursprung  haben,  unterscheiden 
können.  Denn  oft  bleibt  auch  an  den  geometrischen  Linien  das  Merkmal 
der  Entstehung  in  unscheinbaren  Besonderheiten  haften. 

Allerdings  ist  für  die  Feststellung  von  Yerwandtschaftsgruppen  noch 
ein  Punkt  bei  den  Darstellungen  zu  berücksichtigen. 

Das  Vorkommen  von  sogenannten  Ahnensäulen,  von  bestimmten  Ver- 
bindungen zwischen  Mensch  und  Thier,  von  Menschenfiguren  in  charakte- 
ristischer Thätigkeit  oder  derselben  Thiergattung  an  entsprechender 
Stelle  bestimmter  Geräthe  machen  den  Forscher  stutzig.  Hat  er  es  hier 
mit  Verwandtschaft  oder  mit  „Völkergedanken"  zu  thun?  um  so 
schwieriger  wird  die  Entscheidung,  als  die  ersterwähnten  Kreise,  die  den- 
selben Typus  der  Gestalten  und  ähnliche  „geometrische"  Ornamente  um- 
fassen, verhältnissmässig  kleine  Völkergruppen  aussondern,  die  letzteren 
Uebereinstimmungen  dagegen  sich  auf  weite  Gebiete  zu  erstrecken  scheinen. 
Auch  die  Darlegung  einer  solchen,  zu  derselben  künstlerischen  Composition 
bei  verschiedenen  Völkern  führenden  Idee  verschiebt  nur  die  Frage: 
„Verwandtschaft  oder  Völkergedanke?"  Wenn  uns  jemand  sagt,  alle  über- 
einanderstehenden,  zu  einer  Säule  vereinigten  Menschenfiguren,  wie  sie 
z.  B.  an  der  Nordwestküste  Americas,  auf  der  kleinen  Insel  Bili-Bili  in  der 
Astrolabe-Bai  *)  und  auf  der  Salomonsinsel  St.  Anna")  nachgewiesen  sind,  seien 
Ahnenfiguren,  so  hat  das  einen  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit.  Jede 
Verbindung  zwischen  Mensch  und  Thier  derselben  eben  erwähnten  Idee 
entsprossen  zu  denken,  oder  sogar  die  Darstellung  der  zahlreichen  einzelnen 
Augen  eben  darauf  zurückzuführen*),  hat  schon  viel  Willkür  zur  Voraus- 
setzung. Giebt  es  doch  ebenso  gut  auch  Nasen-,  Ohr-  und  Mund- 
ornamente. Vollends  wird  man  z.B.  Frobenius'  Menscheneidechsen*), 
die  erst  in  ein  paar  zweifelhaften  (oder  eigentlich  zweifellosen)  Exem- 
plaren nachgewiesen  sind,  und  ihre  Verbindung  mit  der  Fanany-Mythe 
der  Betsileo,  Madagascar,  als  einen  seiner  gelegentlichen  Gedanken- 
spähne  aufzufassen  haben,  die,  vorläufig  zwar  ohne  Begründung,  späterer 
Detailforschung  vielleicht  einen  Fingerzeig  geben  können.  Für  die  Frage, 
ob  Verwandtschaft  oder  Völkergedanke  vorliegt,  hat  aber  eine  Deutung, 
die  von  einer  beglaubigten  Angabe  oder  einer  im  einzelnen  Falle  auf- 
steigenden Vermuthung  auf  alle  anderen  mehr  oder  weniger  ähnlichen 
Erscheinungen  in  der  Kunst  schliesst,  naturgemäss  wenig  Werth.  Es 
wird  eben  nur  an  die  Stelle  concreter  Uebereinstimmungen,  mit  denen 
man  noch  nichts  anzufangen  weiss,  ein  abstracter  Gedanke  gesetzt,  dessen 
Zuverlässigkeit  noch  zu  beweisen  ist.     Den  sichersten  Weg  geht  deshalb 


1)  0.  Fi  nach,  Samoafalui;en.    Abbildung  S.  74. 
Q)  Guppy,  The  Saloinon  Islands.    Abbildung  S.  70. 

ö)  H.  Schurtz,  Das  Augenornament  und  verwandte  Probleme.    Leipzig  1895. 
4)  Frobenius,   Westermanns   Monatshefte   1895,  December.     Mitth.   Anthrop.   Ges. 
Wien  1897,  S.  7—9. 


KüDstlerische  Darstellungen  aus  Kaiser-Wilhelros-Land.  Sl 

die  Ornamentforschimg,  wenn  sie  nach  Feststellung  der  kleinen  Ver- 
wandtschaftskreise, welche  durch  die  Typen-  und  Formengemeinschaft 
unwiderleglich  geschaffen  werden,  allmählich  grössere  Kreise  zu  ziehen 
sucht.  Denn  auch  die  Ornamentformen  fordern  kategorisch  die  Beant- 
wortung der  Frage:  wo  hört  die  Verwandtschaft  auf?  und  wo  fangt  der 
Völkergedanke  an?  Die  geringe  Anzahl  der  überhaupt  existirenden  geo- 
metrischen Formen  macht  die  Frage  zu  einer  brennenden.  Immer  mehr 
stellt  es  sich  heraus,  —  und  es  wäre  wunderbar,  wenn  es  sich  anders  ver- 
hielte, —  dass  dieselbe  Form  bei  verschiedenen  Völkern  aus  den  mannich- 
fachsten  Nachbildungen  von  Naturobjecten  hergeleitet  ist.  Das  ist  mit 
ein  Grund,  weshalb  man  sich  vorläufig  begnügen  muss,  kleine  Bezirke,  in 
denen  zahlreiche  Anwendungen  derselben  Formen,  dieselben  ürmotive 
und  der  gleiche  Typus  ganzer  Figuren  vorkommen,  als  verwandt  auszu- 
sondern. Vereinzelt  besagt  das  gleiche  Ornament  gar  nichts  für  einen 
Völkerzusammenhang.  Mit  demselben  Urmotiv  zusammen  auftretend 
schliesst  es  den  Völkergedanken  ebenfalls  nicht  aus.  Nur  die  eingehendsten 
Studien  auf  grossen  Gebieten,  wie  sie  eines  Einzelnen  Kraft  weit  über- 
steigen, vermögen  hier  Klarheit  zu  verschaffen.  Der  Nachweis  der  Orna- 
mententwickelung ist  hier  berufen,  die  bedeutendste  Rolle  zu  spielen,  so- 
wohl als  Hülfsmittel  für  die  Probleme  der  Verwandtschaft  und  der  Völker- 
gedanken, wie  als  Selbstzweck,  da  die  Entwickelung  uns  in  die  seelischen 
Vorgänge  des  Künstlers  Einblick  verschafft.  Welche  Idee  auch  ursprünglich 
den  Wilden  veranlasst  haben  mag,  das  Urbild  der  Entwickelung  darzu- 
stellen, und  wie  sehr  auch  später  noch  die  alte  Idee  lebendig  sein  mag,  — 
immer  bildet  das  Ornamentbedürfniss,  die  Freude  an  symmetrischen 
Linien,  die  bewegende  Kraft  bei  der  Ausfüllung  des  vorhandenen  Raumes. 
Die  l^hantasie  hat,  wenig  eingeengt  durch  die  ursprünglich  maass- 
gebende  Idee,  freien  Spielraum,  aus  den  vorhandenen  Linien  neue  Com- 
binationen  zu  schaffen.  Auch  hier  kann  sich  ein  Ornament  zur  herrschen- 
den Stellung  emporschwingen  und  einen  Ornamentstil  hervorbringen, 
indem  alle  ürmotive  die  Tendenz  zur  Auflösung  in  diese  eine  Form,  z.  B. 
in  die  Spirale  oder  das  Wellenbaud,  erhalten.  Dann  heisst  es  doppelt  vor- 
sichtig sein  in  der  Auffindung  der  ursprünglichen  Ableitung. 

Viel  mehr  gebunden  ist  der  Künstler  an  den  einmal  herrschenden  Stil 
in  der  Gestaltung  ganzer  Figuren.  Nicht  nur,  dass  Haarfrisur,  Arm-, 
Ohr-  und  Nasenschmuck  stereotyj)  gebildet  sind  und  die  Bemalung  oder 
Tättowirung  wie  im  Leben  angewendet  wird;  auch  die  Verbindung  von 
Leib  und  Kopf,  die  Gesichtsform,  —  von  individuellem  Ausdruck  kann 
natürlich  keine  Rede  sein  — ,  Nase,  Ohren,  Augen  u.  s.  w.  pflegen  immer 
dieselben  zu  sein,  und  ebenso  ist  es  mit  der  Darstellung  von  Thieren. 
Wo  auch  die  Körperhaltung  stets  dieselbe  ist,  und  das  ist  sie  meisten- 
theils,  steht  man  unter  dem  Eindruck,  als  ob  nicht  die  Freude  an  dem 
Kunstwerk    die  Veranlassung  zur  Herstellung  gab,    sondern  eine  religiöse 


82  K.  Th.  Prboss: 

Idee   dazu  zwang,  als  ob  nicht  die  Form,   sondern  der  Inhalt  die  Haupt- 
sache war. 

Psychologisch  interessanter,  wenigstens  für  die  Kunstbetrachtung,  sind 
die  frei  geschaffenen  Gebilde.  Lebendige  Thätigkeit  und  charakteristische 
Linien  der  Figuren  gestatten  uns,  die  Auffassung  des  Künstlers  schftrfer 
zu  analysiren.  Welche  Körpertheile,  wo  und  wie  er  sie  angebracht  hat, 
um  die  Beschäftigung  des  Vorbildes  zu  kennzeichnen,  das  versetzt  uns 
unmittelbar  in  die  Werkstätte  embryonischer  Kunst.  Im  ersteren  Falle 
bedarf  es  natürlich  besonderer  Schulung,  um  den  gebräuchlichen  Typus 
bilden  zu  können,  und  drückt  man  einem,  der  sie  nicht  genossen  hat, 
den  Stift  oder  das  Schnitzwerkzeug  in  die  Hand,  so  wird  er  ähnlich 
einem  Kinde  sich  in  regel-  und  charakterlosen  Linien  ergehen.  Auch 
wird  er  manche  anderen  Gegenstände  zur  Darstellung  bringen,  als  die 
üblichen  seines  Stammes.  Der  Tierzehnjährige  Anuikung  aus  der 
Gegend  von  Finschhafen  zeichnete  mit  den  Buntstiften,  die  ihm  Dr. 
Schellong^)  während  einer  Krankheit  gab,  um  ihn  zu  beschäftigen,  u.  A. 
einen  Zaun,  den  Mond,  eine  Blume,  eine  Tarowurzel,  einen  Yamsknollen,  ein 
Holzschwert,  einen  Hund,  nach  welchem  ein  Krokodil  schnappt,  eine  Frao» 
die  ein  Tragnetz  häkelt,  u.  s.  w.,  alles  Motive,  welche,  wie  wir  sehen  werden, 
wohl  in  allen  den  zahlreichen  Urbildern  auf  den  Geräthen  jener  Gegend 
nicht  vorkommen^  und  Aehnliches  schreibt  3[aolay')  von  der  Astrolabe- 
Bai.  Dass  Anuikung  absolut  nichts  von  den  sauberen  Linien  seines 
Stammes  zeigt  und  deshalb  die  Zeichnungen  fast  durchweg  als  von  einem 
Mitgliede  jenes  Stammes  herrührend  nicht  erkannt  werden  würden,  kann 
man  hier  allerdings  dem  jugendlichen  Alter,  weniger  dem  Mangel  an 
Schulung  zuschreiben,  die  nicht  allen  zu  Theil  wurde,  wie  ich  eben  als 
Yermuthung  aussprach. 

Der  frei  schaffende  Künstler  dagegen  übt  sich  nur  vermöge  seines 
künstlerischen  Triebes.  Naturgemäss  muss  aber  auch  bei  individuellen 
Kunstversuchen  die  Nachahmung  Platz  greifen,  und  andererseits  kann 
ebenso  auf  der  ideellen  Kunst  durch  Vergessen  oder  Ueberwinden  der 
herrschenden  Idee  die  realistische  Kunstübung  erwachsen,  so  dass  beide 
Arten  sich  in  der  Praxis  gewöhnlich  schwerer  auseinanderhalten  lassen, 
als  hier  in  der  Theorie.  Namentlich  wäre  das  bei  der  Beurtheilung  der 
geometrischen  Ornamente  der  Fall,  wenn  sie,  was  wahrscheinlich,  und 
I.  Th.  bewiesen  ist,  aus  der  realistischen  Kunst  ebenso,  wie  aus  der  ideellen, 
entstehen  sollten. 

Damit  ist  uns  zugleich  die  Aussicht  eröffnet,  dass  es  doch  mitunter 
möglich  ist,  aus  der  genauen  Untersuchung  der  Darstellungen  einer  Gegend 


1)  Schellong,   Notixen  über   das   Zeichnen   der   Melsnesier.    Internst  Arch.  VUI, 
1895,  S.  68  und  Tsf.  IX. 

2)  MaclsjT,  EthnoL  Bemerkimgen  fiber  die  Papuas.    Naturk.  Tijdscbr.  Toor  KederL 
Indie,  Deel  86  (1876)  S.  882. 


Künstlerischo  Darstellangen  aas  Kaiser-Wilhelms-Land.  83 

ihren  profanen  oder  religiösen  Charakter  zn  erkennen.  Eenntniss  der 
Mythologie  und  des  Gebrauchs  der  verzierten  G^räthe  erleichtert  die 
Folgerung  sehr*).  Den  geometrischen  Linien  pflegt  dann  dieselbe  Be- 
deutung zuzukommen,  wie  dem  Urbilde,  so  mannichfaltig  sie  auch  aus- 
gestaltet sind. 

Die  Erklärung  der  freien  Darstellungen,  die  einen  Vorgang  schildern, 
einen  Gegenstand  lediglich  zur  Erinnerung  oder  zur  Lust  des  Künstlers 
fixiren  sollen,  ist  im  Gegensatz  zu  den  stereotypen,  ich  möchte  sagen, 
officiellen  Stammesfignren  und  -Ornamenten  zum  grössten  Theil  gefunden, 
wenn  man  nachweist,  was  sie  vorstellen.  Alle  Einzelheiten  des  historischen 
Hintergrundes  bleiben  natürlich  verborgen.  Je  mehr  die  künstlerische 
Lust  zurück-  und  die  blosse  Mittheilung,  das  Streben  nach  Festhaltung 
des  Torgangs  hervortritt,  desto  zahlreicher  häufen  sich  die  Symbole,  und 
da  man  gewöhnlich  nur  einen* engen  Kreis  von  Nachrichten  vermitteln 
will,  so  genügen  schliesslich  die  unscheinbarsten  Linien,  denen  der  Forscher 
ohne  Commentar  nicht  mehr  beikommen  kann,  wie  bei  den  australischen 
Botenstäben.  Die  frei  schaffende  profane  Kunst,  nicht  die  religiöse 
Yerzierungskunst  in  Schnitzerei  und  Malerei,  scheint  die  Vorstufe  der 
Bilderschrift  zu  sein,  in  der  feststehende,  meist  aus  dem  Gegenstande 
selbst  oder  aus  den  Silben  des  betreffenden  Wortes  theils  ideographisch, 
theils  phonetisch  gefundene  Symbole  zu  einer  Art  von  Gedanken-  oder  Wort- 
rebus aneinandergereiht  sind,  nicht  aber  auf  dem  Wege  des  Ornamentes 
abgeleitete  Formen.  Freilich  ist  es  selbstverständlich,  dass  in  dem  Suchen 
nach  Symbolen  auch  einmal  das  abgeleitete  Ornament,  dem  die  Bedeutung 
des  Urbildes  noch  anhaftet,  statt  dieses  in  der  Bilderschrift  Verwendung 
findet.  Andererseits  müsset  die  Attribute  der  Götter,  die  Darstellung 
mythologischer  Vorgänge,  überhaupt  alles,  was  in  religiöser  2iauberei 
ganze  Gedankenreihen  zum  Ausdruck  bringt,  als  ursprünglich  frei  er- 
fundene Symbole  und  damit  als  eine  Art  von  Bilderschrift  gelten. 

Eine  unentschiedene  Frage  ist  vorläufig,  wie  manche  Namenszüge, 
die  Tättowirungslinien  und  sogenannte  Handels-  und  Eigenthumsmarken 
entstanden  und  zu  erklären  sind.  Soweit  hier  nicht  ein  Totem  oder  dessen 
Omamentsymbol  für  den  Namenszug  in  Betracht  kommt,  scheint  dieser 
gewöhnlich  der  profanen  Kunst  nach  Art  der  Bilderschrift  anzugehören. 
L*gend  welche  beliebigen  Linien  ohne  Sinn  scheinen  dabei  ausgeschlossen  zu 
sein.  Die  Tättowirung  muss  im  Zusammenhang  mit  der  ganzen  Stammes- 
omamentik,  mit  deren  Linien  sie  übereinzustimmen  pfiegt,  beurtheilt 
werden.  Da  man  dieses  bisher  noch  nicht  gethan  hat,  lassen  sich  die 
widersprechenden  Meinungen,  welche  für  alle  Tättowirungen  a  priori  die- 
selbe Ursache  annehmen,    leicht   erklären.     Ob  die  sogenannten  Handels- 


1)  Das  leuchtende  Beispiel  bilden  H.  Stolpe 's  „Entwickelnngserscheinungen  in  der 
Ornamentik  der  Naturvölker".  Mittheilongen  der  Wiener  Anthropolog^chen  Gesellschaft 
XXn,  1892. 


\ 


84  K.  Th.  PRBÜ88: 

marken  an  GtegenBtänden  des  Handels  blosse  Linien,  also  lediglich  znr 
Unterscheidung  ausgewählt  sind,  möchte  ich,  wie  bei  den  Namenszügen, 
bezweifeln.  Eher  könnten  sie  durch  die  Technik  entstanden  sein.  Es 
bleibt  jedoch  in  jedem  einzelnen  Falle  noch  abzuwarten,  ob  das,  was  man 
schlechthin  als  Handelsmarken  bezeichnet,  sich  wirklich  als  solche 
herausstellt. 

Ethnographische  Eintheilung  des  Gebiets. 

Das  Museum  für  Yölkerkunde  zu  Berlin,  auf  dessen  Material  sich 
meine  Ausführungen  stützen  werden,  besitzt  ganz  einzig  dastehende  Samm- 
lungen aus  Kaiser- Wilhelms-Land,  die  ausser  der  Tbätigkeit  von  Dr. 
Finsch  den  Beamten  der  Neu- Guinea -Compagnie,  insbesondere  den 
leider  jüngst  Terstorbenen  Eärnbach  und  Landeshauptmann  Schmiele, 
femer  Regierungsrath  Rose,  Dr.  ScheUong  u.  A.  zu  yerdanken  sind. 
Zugleich  möchte  ich  an  dieser  Stelle  der  Direction  des  Museums  und 
Herrn  Dr.  von  Luschan,  die  mir  das  Material  zu  der  Arbeit  bereitwilligst 
zur  Verfügung  gestellt  haben,  meinen  yerbindlichen  Dank  aussprechen. 
Da  es  galt,  die  etwa  fünftausend  Stücke  zählenden  Sammlungen  einheit- 
lich aufzustellen,  die  Uebereinstimmung  der  Gegenstände  in  den  einzelnen 
Gebieten  aber  eine  geographische  Anordnung  ausschloss,  auch  keine 
historische,  anthropologische  oder  sprachliche  Gliedenmg  des  Volkes  vor- 
lag, so  war  es  nicht  möglich,  ein  System  für  die  Anordnung  zu  finden, 
wenn  man  nicht  Haddon^s  Spuren  folgen  wollte,  der  in  seinem  trefflichen 
Buch:  „The  decoratiye  Art  of  British  New  Guinea^  auf  Grund  der  künst- 
lerischen Darstellungen  fünf  scharf  Ton  einander  gesonderte  Districte  für  jene 
Gegend  aufgestellt  hat  Von  Spuren  des  Uebergknges  der  einzelnen  Formen 
merkt  man  wenig,  und  wo  geringe  Anklänge  in  einem  anderen  District  Tor- 
banden  zu  sein  scheinen,  da  sind  sie  sehr  unsicher.  Dieser  Einteilung 
entsprechen  zwar  einige  wenige,  nur  in  den  betreffenden  Gebieten  vor- 
kommende Geräthe  oder  Eigenthümlichkeiten  an  denselben,  sonst  aber 
nichts.  In  Kaiser -Wilhelms -Land  gestalten  sich  die  auf  dieselbe  Weise 
gewonnenen  Grenzen  anders.  Zwar  lassen  sie  sich  auch  mit  ziemlicher 
Sicherheit  festlegen,  aber  es  kommen  einige  Formen  des  einen  Districts 
theilweise  mit  denselben  Urbildern  im  Nachbardistrict  auch  vor,  während 
andere  Urmotive  im  Verlaufe  ihrer  Entwickelung  Veränderungen  er- 
fahren haben.  Dazu  kehrt  dieselbe  Composition,  die  Darstellung  der- 
selben Idee  in  mehreren  Districten  wieder.  Solche  Uebereinstimmungen 
erscheinen  nur  natürlich,  da  mit  der  Entfernung  vom  heimathlichen 
Stamm  der  mitgebrachte  Besitz  an  Ornamenten  und  Ideen  erst  all- 
mählich einer  Umbildung  und  Erneuerung  entgegengehen  kann. 

Die  Grenzen  aber  der  Kunstdistricte  von  Deutsch-Neu-Guinea  sind  fol- 
gende: Die  Küste  von  der  englisch-deutschen  Grenze  bis  Parsi-Point  am  Hoon- 
Golf  müssen  wir  ausser  Betracht   lassen,    da  aus  jener  Gegend  fast  über- 


Künstlerische  Darstellungen  aus  Kaiser- Wilhelms-Land.      .  85 

haupt  keine  Ethnographica  nach  Europa  gekommen  zu  sein  scheinen.  Ton 
dort  erstreckt  sich  der  erste  District,  welcher  der  von  Finschhafen  genannt 
werden  mag,  bis  Cap  Fortification,  wo  das  Südende  der  Landschaft  Poum  das 
Uebergangsgebiet  bildet.  Der  zweite,  der  District  Ästrolabe-Bai,  reicht 
dann  bis  Cap  Croisilles.  Von  den  entfernteren  Inseln  ist  die  Stellung  der 
Insel  Rook,  nach  den  spärlichen  omamentirten  Gegenständen  von  dort  zu 
urtheilen,  gleichmässig  zu  beiden  Districten  zu  rechnen,  d.  h.  unentschieden, 
Long-  und  Dampier  -  Insel  zum  zweiten.  Die  „Nordküste"  etwa  bis 
Berlin-Hafen  bildet  einen  weiteren  Bezirk,  dem  sich  die  Darstellungen 
der  deutsch -holländischen  Grenze,  etwa  bis  Tanah  Merah  als  vierter  an- 
schliessen.  Die  Gebiete  d^^s  Ramu-  und  Kaiserin  Äugustaäusses  schliesslich 
sind  wohl  ebenfalls  als  zwei  besondere  Districte  aufzufassen^). 

Es  entsteht  nun  die  grosse  Frage,  welche  Tragweite  eine  solche  Ein 
theilung  beanspruchen  kann.  Jedenfalls  decken  sich  die  Gebiete  durch- 
aus nicht  mit  den  örtlichen  Beziehungen,  und  ob  die  Sprachen  irgend- 
welche Uebereinstimmungen  und  Besonderheiten  entsprechend  den  Districten 
aufweisen,  diese  Entscheidung  muss  der  Zukunft  vorbehalten  werden.  Die 
Erklärung  für  das  Bestehen  der  Districte  wird  wohl  zum  guten  Theil  in 
dem  noch  zu  erforschenden  Wesen  der  Ornamentik  liegen.  Es  ist  also 
ein  Sprung  ins  Dunkle,  den  wir  unternehmen.  Das  darf  uns  aber  nicht 
abhalten,  dem  Fingerzeige  zu  folgen,  den  uns  die  Ethnologie  in  den  künst- 
lerischen Darstellungen  giebt,  wenn  w»r  das  Ende  auch  nicht  absehen 
können.  Ist  es  schliesslich  mit  dem  Studium  der  Sprachen  anders?  Auf 
welche  Weise  die  zahllose  Zersplitterung  und  völlige  Veränderung  ver- 
wandter Sprachen  vor  sich  geht,  lässt  sich  nur  in  wenigen  Punkten  ver- 
folgen; finden  sich  zweifellose  Uebereinstimmungen  in  zwei  Idiomen, 
80  ist  damit  noch  lange  nicht  der  Grad  der  Verwandtschaft  festgestellt; 
ja  ein  fremdes  Volk  kann  die  verwandte  Sprache  durch  besondere  Schick- 
sale zu  seiner  eigenen  gemacht  haben.  Aber  auch  in  der  Schwierigkeit, 
festzustellen,  ob  überhaupt  in  den  Sprachen  Verwandtschaft  vorliegt,  stimmt 
die  Ornament-  mit  der  Sprachforschung  einigermaassen  überein.  Ent- 
lehnungen, Mischungen  in  Folge  geschichtlicher  und  socialer  Verhältnisse, 
Wortveränderungen  hinsichtlich  des  inneren  Baues  aus  phonetischen  und 
anderen  Gründen,  onomatopoetische  Anklänge  und  zufällige  Ueberein- 
stimmungen, Verschiedenheiten  der  Wortbedeutung  und  Lauteigenthümlich- 
keiten  —  um  von  der  Betrachtung  des  Sprachbaues,  der  Syntax  und 
Formenlehre  ganz  zu  schweigen  —  werden  sorgsam    erwogen,    und   doch, 

1)  Die  von  Dr.  Fi n seh  auf  die  ersten  von  ihm  herübergebrachten  Samm- 
Inngen  gegründete  Eintheilung  des  Gebiets  in  drei  Bezirke  (Mitrafels  bis  Cap  Croisilles, 
den  French-Inseln  und  dem  westlichen  Neu-Pommem  mit  Ausschluss  der  Gazellen-Halb- 
hisel,  Cap  Croisilles  bis  l>allmannhafen  mit  den  Le  Maire-Inseln,  Dallmannhafen  bis 
Homboldtbai)  bezieht  sich  allein  auf  den  Charakter  der  Geräthe,  ist  nach  seinem  eigenen 
CJrtheil  nicht  scharf  ausgeprägt  und  dient  nur  zur  besseren  Uebersicht  der  Gegenstände. 
CEthnol.  Erfahrungen  II,  S.  41.) 


1 


86  *  K.  Th.  Preüss: 

muss  man  bekennen,  bleibt  der  Sprachforschung  noch  weitaus  das  Meiste 
zu  thun  übrig,  obwohl  die  Philologie  von  jeher  eine  angesehene  Wbsen- 
schaft  war  und  deshalb  viele  Arbeiter  aufzuweisen  hatte.  Freilich  wird 
man  der  Sprachforschung  die  Palme  zuerkennen  müssen,  weil  die 
Kenntniss  der  Sprache  das  nothwendigste  Mittel  ist,  in  den  Geist  eines 
Volkes  einzudringen;  aber  wie  oft  ist  da  der  Liebe  Müh'  vergebens, 
denn  ein  paar  Yocabeln  bringen  uns  auch  nicht  weiter.  Dafür  ist  es 
leichter,  Eunstproducte,  als  sprachliches  Material  heimzubringen,  und  für 
viele  Zwecke  genügen  erstere  ohne  Commentar.  Die  Ermittelung  der 
Bedeutung  aber  ist  ebenfalls  geeignet,  manches  Geheimniss  des  Geistes- 
lebens zu  entschleiern.  So  dürfen  uns  auch  die  mannichfachen  Probleme 
und  Hemmungen  in  der  Ornamentik  nicht  abhalten,  einer  vielleicht  reichen, 
vielleicht  mageren  Ernte  unsere  Kräfte  zu  leihen.  Die  kimstfrohen  Ge- 
biete Melanesiens,  unter  denen  Kaiser- Wilhelms-Land  einen  der  Höhepunkte 
in  der  Kunst  bezeichnet,  laden  dazu  besonders  ein,  und  es  ist  kein  Wunder, 
dass  gerade  Britisch-Neu-Guinea  das  erste  Land  ist,  das  eine  Classification 
nach  den  Darstellungen  erfahren  hat,  denn  dort  ist  man  weit  länger  mit 
den  Eingeborenen  beschäftigt,  als  in  unserem  Schutzgebiet. 

Charakteristische  Merkmale  der  Districte. 

Plastische  Menschenfiguren  und  Masken.  Schon  wenn  man 
in  grossen  Zügen  die  künstlerischen  Darstellungen  der  Districte  vor- 
legt, treten  die  merkwürdigen  Abweichungen  in  den  doch  an  Geräthen 
ziemlich  gleichartigen  Gebieten  klar  zu  Tage.  Wesentliche  Hülfsmittel 
würde  schon  der  Stil  der  plastischen  Kunstgegenstande  gewähren, 
wenn  sie  gleichmässig  aus  allen  Gegenden  vorhanden  wären.  Die 
Menschenfigur  im  District  Finschhafen  ist  besonders  aus  der  Gegend 
Finschhafens  bis  Cap  Cretin  und  von  den  Tami -Inseln,  aber  auch  von 
Parsi-  und  Fortification-Point  im  Museum  vertreten  und  hat  unverkennbar 
überall  denselben  Typus.  Sie  hat  meistens  eine  eigenthümliche  hockende 
Stellung,  wobei  der  Ober-  auf  dem  Unterschenkel  ruht,  ähnlich  Fig.  62*); 
auf  dem  Kopfe  fehlt  nie  die  manchmal  etwas  hohe  Mütze,  die  nach 
Finsch')  nur  den  Häuptlingen  zuzukommen  scheint,  während  sonst  nur 
Tapastreifen  um  den  Kopf  gewickelt  werden  oder  das  Haar  bloss  getragen 
wird.  Diese  Mütze  tragen  in  den  Darstellungen  aber  auch  Frauen  (Fig.  138), 
an  denen  Finsch*)  nur  ab  und  zu  filetgestrickte  Netzbeutel  „Andun" 
gesehen  hat,  in  denen  dos  Haar  lag. 


1)  Siehe  die  Teitfi^rcn  weiter  nnten. 

2)  Samoafahrtcn  S.  157,  179.  Ethnolo^sche  Erfahrungen  nnd  Beiogstücke  ans  der 
Südsee.  Theil  II.  S.  98.  Finsch  bildet  auch  einen  anf  dem  Bauche  liegenden  Papua 
an  einer  Kopfstütze  ab.    (Ethnol.  Atlas,  Taf.  III,  Fig.  1.) 

8)  Ethnol.  Elrfahr.  II.  S.  92.  VgL  auch  0.  Schellong,  Beitrfige  zur  .Anthropologie 
der  Papuas.  Zeit^chr.  f.  Ethnol.  XXIII,  1891,  S.  172  über  die  hohe  Frisur  und  Kopf- 
bedeckung der  Poum-Leute. 


Künstlerische  Darstellungeii  aus  Kaiser-Wilhelms-Land.  87 

Um  die  Augen  ist  die  von  Schellong*)  bei  dem  Barlum-Beschneidungs- 
fest  als  Zierde  der  Beschnittenen  (ssägus)  erwähnte  und  abgebildete  Be- 
malung angedeutet,  die  aus  Dreieckspyramiden  oder  unregelmässigen 
Zacken  über  und  unter  den  Augen  besteht  (Fig  11,  13,  16).  Die  lang 
herabhängenden  Ohrläppchen  mit  der  Last  des  Schmuckes  sind  wie  im 
Leben  stark  markirt,  und  die  Oberarme  zeigen  stets  die  zweizipfligen  ge- 
flochtenen Armbänder.  Das  Gesicht  ist  völlig  zwischen  den  Schultern  ver- 
graben^ so  dass  der  Bauchnabel  dicht  unter  dem  Kinn  sitzt.  Ist  das 
Gesicht  flach,  so  bezeichnet  oft  ein  tiefer,  ziemlich  horizontaler  Absatz 
den  oberen  Augenhöhlenrand  (?),  unter  dem  jedoch  die  Augen  nur  schwach 
angedeutet  sind,  und  der  von  zwei,  einander  mit  den  concaven  Seiten  zu- 
gekehrten Kreissegmenten  oben  und  unien  eingeschlossen  ist  (Fig.  66). 
Ebenso  tritt  der  Nasenrücken  wenig  hervor.  Die  Mitte  des  oft  wagerecht 
verlaufenden  eckigen  Kinns  zeigt  dann  gewöhnlich  einen  dreieckigen  Ein- 
schnitt, der  bei  Männern  und  Frauen  gleichmässig  vorkommt.  Ist  die 
Gesichtsfläche  gewölbt,  so  heben  sich  Augen  und  Nasenrücken  plastisch  fast 
gar  nicht  von  ihr  ab  und  sind  zum  Theil  nur  durch  die  Bemalung  der 
Umrisse  kenntlich.  Die  Gesichtsrurarandung  ruht  häufig  auf  einem  ebenso 
geformten  kragenartigen  Untersatz,  der  mit  zum  Gesicht  gehört.  Die  Augen 
können  auch  ovale,  seltener  (Fig  137)  runde  Form  annehmen  oder,  wie  bei 
den  Augen  von  Krokodilen,  Eidechsen  und  anderen  Thieren,  halbe  Ovale, 
mit  der  concaven  Seite  nach  aussen  gekehrte  Kreissegmente  sein  (Fig.  49,  62). 
Die  Geschlechtstheile  schliesslich  sind  in  decenter  Weise  zum  Ausdruck 
gebracht,  so  dass  Männer  und  Frauen  bisweilen  nur  mit  Mühe  erkannt 
werden  können  (Fig.  137,  138).  Soweit  die  allgemeinsten  Kennzeichen,  die 
auch  z.  Th.  auf  die  mir  nur  von  den  Tami -Inseln  und  Finschhafen  be- 
kannten Masken  Bezug  haben,  zum  Unterschiede  vom  District  Astrolabe- 
Bai.  Triftet  das  Gesagte  auch  nicht  immer  zu,  so  dient  es  doch  insofern 
{genügend  als  Merkmal,  als  es  im  Nachbardistrict  meist  gar  nicht  oder 
doch  in  anderer  Form  vorkommt. 

Hier  ist  der  Kopf  der  stehenden  Figur,  obwohl  auch  eiue  hohe,  oben 
sich  verjüngende  und  abgerundete  Mütze,  wie  im  Leben,  zuweilen  vor- 
kommt, mit  einer  tellerartigen  Bedeckung  versehen,  die  vielleicht  das 
Haar  darstellen  soll,  und  die  dreieckige  Bemalung  der  Augen,  welche  sehr 
selten  und  dann  meist  spitzer  und  unter  den  Augen  allein  auftritt,  ist 
nicht  nur  durch  Umrisse  angedeutet,  wie  gewöhnlich  im  District  Finsch- 
hafen, sondern  in  Farben  ausgeführt  •).  Das  Ohrläppchen  ist  z^ar  auch 
so  lang  ausgedehnt  dargestellt,  aber  nicht  so  als  solches  zu  erkennen. 
Der  Schmuck  sieht  gewöhnlich  wie  ein  grosser  Schildpattohrring  aus. 
Das  ganze  Ohr  ist  formloser,  lang  ausgedehnt  und  besteht  statt  aus  zwei 

1)  Das  Barlnmfest  der  Gegend  Finschhafens.   Internationales  Archiv  f&r  Ethnographie. 
n.    S.  160. 

2)  Finsch,  F.thnol.  Atl.    Taf.  XV,  Fig.  1. 


88  K.  Th.  PPEU88: 

oder  höchstens  drei  Gliedern,  aus  vielen  bis  zu  fünf.  Die  Bildung  des 
dünnen  Leibes  und  der  Arme  tritt  gegenüber  dem  langen  Gesicht  sehr 
zurück;  die  ganze  Gestalt  hat  aber  nicht  ein  so  buckliges  Aussehen,  wie  im 
Yorigen  District.  Das  Gesicht  ist  flach,  selten  mit  geringer  Rundung,  zum 
Kinn  spitz  zulaufend,  hier  aber  nicht  eckig.  Die  Augenhöhlen  sind  zur 
Stirn  durch  horizontal  verlaufende  Vertiefung  scharf  abgesetzt,  so  dass 
die  Stirn  vor  dem  übrigen  Gesicht  vorsteht;  in  ihnen  deuten  hohe  klotz- 
artige Rechtecke,  theilweise  an  den  Ecken  gerundet,  die  Augen  an.  Der 
Nasenrücken  ist  breit,  stark  herausgearbeitet  und  weniger  realistisch,  als 
im  District  Finschhafen.  Aus  dem  Munde  hängt  die  oft  gezahnte  Zunge 
oder  ein  anderer  Gegenstand  und  reicht  oft  soweit  herab,  dass  sie  sich 
oberhalb  der  markant  hervortretenden  Geschlechtstheile  mit  dem  Leibe 
verbindet,  der  an  dieser  Stelle  oft  im  rechten  Winkel  von  dem  sonst 
flach  verlaufenden  Rumpf  vorspringt,  oder  mit  dem  Penis  selbst  Manche 
Gestalten  sind  jedoch  nach  Finsch^)  ohne  ausgestreckte  Zunge,  wie  ich 
von  einpm  Kopf  am  Ende  eines  Kalkspatels  bestätigen  kann,  und  ebenso 
soll  der  Penis  zuweilen  ganz  klein  oder  gar  nicht  angedeutet  sein.  Der 
Mund  verschiebt  sich  in  Folge  der  ausgestreckten  Zunge  gewöhnlich  bis 
zum  Kinn  und  macht  einen  schnauzenartigen  Eindruck*).  Masken  sind 
mir  bis  jetzt  aus  dem  Gebiet  nicht  bekannt  geworden.  Freilich  muss 
bemerkt  werden,  dass  diese  Angaben  sich  auf  wenig  mehr  als  ein  Dutzend 
Figuren  beziehen,  die  von  Constantinhafen,  Bongu,  Bogadjim,  Friedrich- 
Wilhelms-Hafen,  der  Insel  Bili-Bili  und  der  Umgebung  des  Bagili-Lagers 
(zwischen  Gap  Croisilles  und  Junospitze)  stammen,  also  sich,  abgesehen 
von  ihrer  geringen  Zahl,  auch  nicht  auf  den  ganzen  District  Astrolabe- 
Bai  vertheilen*). 

Da  an  der  „Nordküste",  sowohl  in  Hatzfeldthafen  und  Umgebung,  wie 
bei  Cap  della  Torre  und  im  Westen,  in  Dallmannhafen,  auf  den  Inseln  Guap, 
d'Urville,  Aarsau  Bertraud  und  Roissy,  sowie  in  Berlinhafen  derselbe  Typus 
der  Menschengestalten  vorkommt,  so  ist  anzunehmen,  dass  auch  der  da- 
zwischenliegende Theil  der  Küste,  wenn  er  überhaupt  solche  Schnitzwerke 
aufzuweisen  hat,  diesem  Charakter  angehört  Die  meist  stehende  Figur  hat 
die  Hände,  die  sonst  auf  den  Oberschenkeln  zu  liegen  pflegen,  zuweilen  bis 
ans  Kinn  emporgehoben,  wo  sie  sich  nähern  oder  einen  von  dort  ausgehenden 
Fortsatz  umklammem.  Auf  dem  Kopfe  sitzt  ein  sich  bisweilen  in  mehreren 
Absatzen  zuspitzender  cyliuderförmiger  Knauf,  der  in  vielen  Fällen  zweifel- 
los die  dort  getragenen  Haarkörbchen  —  ein  solches  ist  einer  Figur  sogar 
in  natura  aufgesetzt  —  oder  den  abstehenden,  mit  Blättern  u.  dgl.  m. 
umwundenen  Haarschopf  andeutet,  oft  aber  auf  die  Darstellung  einer  zier- 
lichen kleinen  Eidechse  zurückzuführen  ist,  die,  auf  engem  Raum  die  Füsse 

1)  EthnoL  Erf.    IL    118. 

2)  Vgl  die  Abbildangen  bei  Finsch,  Samoafahrten.    S.  49,  78,  74. 

3)  S.  die  Abb.  bei  Schmelti,  Internat  Archiv  VIII,  1895,  Taf.  XVI,  Fig.  1  tmd  la. 


Künstlerische  Darstellungen  aas  Kaiser-Wilhelms-Land.  89 

aneinanderstellend,  den  Leib  stark  aufwärtsgekrümmt  hat^).  So  findet 
man  zuweilen  in  der  Astrolabe-Bai  einen  Vogel,  dessen  Schnabel  und 
Schwanz  vorn  und  hinten,  dessen  Füsse  seitlich  auf  dem  Kopf  den  Halt 
bilden,  in  ausgeprägten  und  rudimentären  Formen.  Die  Ohren  sind  hier 
meist  unscheinbar  und  normal  gebildet,  da  in  dieser  Gegend  der  Ohr- 
schmuck an  den  Rändern,  nicht  an  den  Läppchen  angebracht  wird.  Löcher 
mit  an  den  Enden  geknoteten  Baststreifen  oder  -Ringen  sind  deshalb  auch 
in  den  Ohrrändern  der  Figuren  Torhanden,  und  ebenso  tragen  die  durch- 
bohrten Nasenscheidewände  häufig  solche  Bastringe  oder  aus  dem  Vollen 
geschnitzte,  vom  z.  Th.  offene  Holzringe,  bezw.  Ovale,  die  zweifellos  den 
von  Finsch")  abgebildeten  Perlmutterschmuck  darstellen  sollen.  Dieser 
Schmuck  wird  gewöhnlich  in  mehreren  Exemplaren  getragen,  was  der 
Darstellung  entspricht.  Ueberhaupt  ist  der  Nase  eine  besondere  Sorgfalt 
zugewandt.  Sie  tritt  charakteristisch  hervor  und  ist  realistisch  geformt, 
hat  häufig  eine  gebogene  Gestalt  und  kann  sich  schnabelartig  verlängert 
bis  über  die  Brustwarzen  hinaus  erstrecken.  Auf  der  Roissy-Insel  kommt 
auf  den  Kopfstützen  stets  die  typische  Jndennase  vor.  Stark  gewölbt,  wo 
der  Schnabel  nicht  auftritt,  sind  die  Nasenflügel,  und  es  zieht  sich  von 
ihnen  oder  ungefähr  von  dieser  Stelle  aus  meistens  eine  Leiste  schräg  auf- 
wärts zur  Ohrgegend,  wo  sie  sich  mit  dem  oberen,  stark  vortretenden 
Augenhöhlenrand  verbindet,  so  dass  die  gewöhnlich  sehr  schräg  gestellten 
Augen  in  einer  vollständigen  Einbuchtung  liegen.  Diese  sind  auch,  wie 
im  District  Astrolabe-Bai,  erhaben,  aber  zierlicher  geschnitzt  und  haben 
in  der  Mitte  eine  ovale  Vertiefung.  Mehr  im  Westen,  etwa  von  Dall- 
mannhafen  an,  laufen  sie  in  den  äusseren  Winkeln  in  runde  Zacken  aus, 
wie  sie  A.  B.  Meyer  auch  vielfach  von  den  Masken  von  Taravay  (Ber- 
trand- und  Gilbert-Inseln)  abbildet  und  für  die  Darstellung  der  Augen- 
wimpern erklärt').  Aehnliches  kommt  aber  auch  anderwärts  als  am  Gesicht 
vor,  z.  B.  läuft  der  Leib  einer  Eidechse  unten  in  solche  Zacken  aus. 
Der  Mund  ist  häufig  garnicht  angedeutet,  bisweilen  aber  auch  wieder  bei 
der  ausgeprägtesten  Schnabelnase  noch  besonders  markirt.  Ein  senk- 
rechter, gerader  Fortsatz,  der  vom  Kinn  unterhalb  des  Mundes,  bisweilen 
auch  von  der  Stelle,  wo  der  nicht  angedeutete  Mund  Hegen  könnte,  aus- 
geht, endigt  in  der  Luft,  verbindet  sich  mit  dem  Leibe  oder  geht  in  den 
Penis  über.    Auch  in  der  Abbildung  von  F  in  seh*)  thut  das  der  schnabel- 


1)  Uebergangsformen  siehe  bei  Finsch,  EthnoL  Erf.  Taf.  XXIII,  Fig.  2  und  8. 
De  Clercq  und  Schmeltz  Ethnograph.  BeschrijviDg  van  Nederlandsch  Nienw  Guinea, 
Taf.  XXXVn,  Fig.  16. 

2)  EthnoL  Erf.  Taf.  XV,  Fig.  2. 

8)  Masken  aas  Neu-Guinea  und  dem  Bismarck-Archipel.  Public,  d.  KgL  Ethnograph. 
Hofinuseums  tn  Dresden  VII,  1889,  S.  6.    Taf.  VI— VIII. 

4)  EthnoL  ErL  Taf.  XXUI,  Fig.  2.  Weshalb  die  Gestalt  mit  einer  Maske  bekleidet 
sein  soll,  wie  Finsch  von  dieser  und  anderen  Figuren  hervorhebt,  ist  mir  unverständlich. 


90  K.  Th.  Preüss: 

artige  Fortsatz  erst,  nachdem  er  mit  dem  Kinn  vereinigt  ist.  Die  Geni- 
talien sind  theils  stark,  theils  weni?  ausgeprägt.  In  diesem  District  finden 
sich  auch  zuerst  die  Brüste  der  Frauen,  wenn  auch  selten^  zum  Ausdruck 
gebracht*). 

Sehr  ähnlich  sehen  auch  die  3Iasken  dieses  ganzen  Districts  ans,  die 
nach  Parkinson  bis  Berlin-Hafen  vorhanden  sind,  und  auch  bei  Cap  de 
la  Torre  vorkommen  sollen*).  Aus  der  Gegend  von  Hatzfeldthafen  liegen 
acht  Masken  vor,  die  sich  von  denen  im  Westen  im  Wesentlichen  nicht 
unterscheiden.  Die  Augen  der  Masken  sind  im  Unterschiede  zu  den 
Menschendarstellungen  gewöhnlich  nur  durch  concentrische  Bemalung, 
aber  in  derselben  Form  gebildet,  so  dass  auch  die  Einschliessung  wegfällt 
Weiter  im  Westen  beginnen  sich  die  Schnabelformen  zu  mehren,  bis  sie 
nach  unten  umbiegen  und  in  eine  Spirale  nach  innen  auslaufen').  Cha- 
rakteristische Stumpfnasen  mit  verdicktem  Ende  sind  dabei  aber  nicht 
ausgeschlossen.  Dass  das  Gesicht  bei  den  wirklieh  gebrauchten  Masken 
stärker  emporgewölbt  ist  und  der  Kinnfortsatz  überhaupt  wegfällt,  ist  nicht 
wunderbar;  dafür  haben  sie  mitunter  einen  Kinn-  und  Backenbart  aus 
Menschenhaar. 

Vom  mittleren  Augustafluss  kennt  man  die  ganz  abweichend  gebildete 
Helmmaske,  die  mit  Schmeltz  möglicher  Weise  als  Darstellung  einer 
Echidna  anzusehen  ist^).  Die  im  Museum  sonst  noch  vorhandenen  drei  kleinen 
Menschenfigürchen  lassen  sich  durch  ihre  rohe  Ausführung  leicht  von  denen 
der  Nordküste  unterscheiden.  Man  kann  sie  aber  mit  einiger  Sicherheit 
noch  als  verwandt  mit  denen  der  Nordküste  hinstellen.  Ueber  ihre  Herkunft 
weiter  aus  dem  Innern  oder  von  der  Mündung  ist  jedoch  nichts  bekannt*). 

Es  mögen  noch  kurz  die  Grössenverhältnisse,  die  Darstellung  als 
Kopf  oder  ganze  Figur,  die  Verbiudunjjf  mit  einander  und  mit  Thieren  und 
ihre  Verwendung  au  Geräthen  erwähnt  werden.  Der  District  finsch- 
hafen  weist  für  die  selbständigen  Gestalten  nur  geringe  Grösse  —  etwa 
10 — 20  c?/»  —  auf.  Selten  sind  so  gewaltige  Oolosse,  wie  Finsch  einen  in 
den  Samoafahrten  S.  175  abbildet.  Grössere  Keliefdarstellungen  bis  zu 
70  cm  fanden  sich  auf  Brettern  an  der  Aussenseite  eines  (temeindehauses 
(lum)  im  Dorfe  Suam  bei  Fiuschhafen.  Figuren  ohne  einen  Fortsatz 
nach  unten  sind  selten.  Zwei  Gestalten,  Frauen  darstellend,  sind  in  einem 
Falle  kunstvoll  aus  einem  Stück  Holz  geschnitzt,  so  dnss  der  unten  ge- 
schlossene Kaum  zwischen  den  Beinen  tlen  Rest  des  Holzes  wie  da«  Glied 

1)  Vgl.  auch  FiDsch,  Etbnol.  Atlas  Taf.  XV,  Fig.  4— 7. 

2)  A.  B.  Meyor  und  Parkinson,   Schnitiereien    und   Ma^ski^n    au.s    dem   Bismmrck- 
Arch.  und  Neu-Guinca.     Publ.  Hofmu^.  Dresden,  X,  S.  4. 

3)  Vgl.  auch  a.  a.  0.  Bd.  X,  S.  4  und  BtL  VII,  Abbildungen. 

4)  Schmeltz,    Intern.   Arch.  VIII,   18%.     166.  Abbildung  bei  A.  B.  Meyer,   PubL 
Dresd.  Mus.  IX,  Fig.  1. 

6)  Vi»n  einer  Darstellung  des   ^Grenx-Districts",  wie  des    Ramuilusses,   will   ich'  vor- 
Uufig  absehen. 


Künstlerische  Darstellungen  ans  Eaiser-Wilhelnis-Land.  91 

einer  Kette  festhält,  und  zwar  befindet  sich  jede  Figur  auf  einem  Ende 
des  Holzes.  Die  Kette  besteht  also  aus  drei  Gliedern:  Frau,  Holz,  Frau. 
Aehnlich  hängt  in  der  Astrolabe-Bai  eine  Menschenfigur  wie  ein  Ketten- 
glied an  einem  Balken,  aus  dem  sie  geschnitzt  ist^).  Gewöhnlich  ist  nur 
der  Kopf  dargestellt,  der  ebenso,  wie  die  ganze  Figur,  in  den  geöflfheten 
Kachen  eines  Krokodils  oder  in  eine  Latte  übergeht,  deren  Bemalung 
zuweilen  noch  den  Ursprung  vom  Krokodilrachen  verräth  oder  die  mit- 
unter in  einen  Fischschwanz  ausläuft.  Der  Krokodilrachen  kann  auch 
der  Menschenfigur  abgekehrt  sein,  und  auf  dem  Abumtau  Gabiang  von 
Suam  kriecht  ein  vollständiges  Krokodil  an  der  Rückseite  der  Figur  auf- 
wärts. Häufig  finden  sich  Doppelgesichter,  die  Hinterköpfe  mit  einander 
verwachsen,  oder  man  sieht  an  einem  Ende  des  Ganzen  ein  Gesicht  und 
am  anderen  ein  zweites,  das  nach  der  entgegengesetzten  Sichtung  schaut. 
Die  Köpfe  stehen  aber  nicht  über  einander,  sondern  mit  dem  Kinn  einander 
zugekehrt.  Das  Erstere  dagegen  kommt  bei  ganzen  Figuren  vor;  nur  ein- 
mal ist  auf  beiden  Seiten  des  verbindenden  Holzes  je  ein  Krokodil,  den 
Kopf  nach  entgegengesetzter  Richtung  gewendet,  dargestellt.  Schlangen- 
artige Thiere  kriechen  zuweilen  auf  der  Latte  zwischen  den  Beinen  oder 
zum  Kopfe  empor  (Fig.  137),  oder,  meist  nur  bei  Frauen,  von  den  Geni- 
talien abwärts.  Sie  ragen  bei  Reliefdarstellungen  von  oben  in  die  Mütze 
hinein  (Fig.  133).  Einer  Frau  kriecht  ein  Krokodil  zwischen  die  Beine, 
während  ein  anderes  mit  seinem  Rachen  am  Scheitel  liegt.  Der  Stations- 
vorsteher Mentzel  erwähnt  auch  Darstellungen  von  Menschen  und  Kroko- 
dilen au  den  Pfosten  der  Gemeindehäuser").  Die  Darstellung  der  Menschen- 
figur oder  des  Kopfes  findet  weiter  statt  an  den  Schmalseiten  oder  in  der  Mitte 
des  unteren  Theiles  der  Kopfstützen^  an  dem  Stielende  und  dem  Blatt  der 
Ruder,  an  den  Enden  der  Kanus  in  Finschhafen  *),  als  der  Träger  von 
kleinen  Mörsern  (Fig.  49),  an  der  Seite  von  längliclien  Holzschüsseln 
(Fig.  126,  127)  und  Tronmieln  (Fig.  128)  und  endlich  an  dem  Griff  oder  an 
dem  Uebergang  vom  Stiel  zur  Schaufel  bei  schaufelartigen  Löffeln.  An 
einem  solchen  Löffelgriff  steht  ein  Mann  auf  dem  Rücken  eines  eulen- 
artigen Vogels  mit  ausgebreiteten  Flügeln. 

Im  District  Astrolabe-Bai  hat  die  meist  viel  grössere  selbständige 
Menschenfigur  nach  unten  zu  keinen  Holzfortsatz,  dagegen  zuweilen  einen 
nach  oben  mit  rechteckiger  Oeffnung  zum  Aufhängen  oder  Aufstecken, 
oder  die  Gestalten  stehen  bis  zu  fünf  und  mehr  über  einander.  Ein 
Menschenkopf  hat  statt  des  Leibes  einen  mit  dem  Kopf  nach  oben  ge- 
kehrten Fisch.  Der  Vogel  auf  den  Köpfen  ist  bereits  erwähnt.  Als  Ver- 
zierung an  Geräthen  ist  die  menschliche  Gestalt  hier  nur  an  einigen 
Tanzrasseln  und  einmal  als  Griff  eines  Betelkalklöffels  verwendet. 


1)  Abbildung  bei  Fi n seh,  Samoafahrten,  S.  74. 

2)  Brief  an  Bastian  vom  21.  Juni  1888. 

3)  Finsch,  Ethnol.  Erf.  II,  8.63. 


92  K.  Th.  PreüSS: 

ßemerkenswerth  für  die  „Nordküste",  welche  auch  in  den  Ideen  allent- 
halben eine  grosse  Einheitlichkeit  aufweist,  ist  die  Unzahl  von  kleinen 
geschnitzten  Menschengestalten  und  Masken,  wie  sie  in  den  beiden  vorher 
erwähnten  Bezirken  gar  nicht  Yorkommen.  Sie  werden  an  den  Bart^),  die 
Brustschilde  und  Brustbeutel  gehängt,  erstere  wohl  auch  mit  dem  manch- 
mal vorhandenen  unteren  Ende  in  den  Erdboden  gesteckt*).  Daneben 
kommen  auch  grössere  Figuren  bis  zu  1  th  Höhe  vor.  Als  Ornament  ge- 
braucht ist  der  Menschenkopf  mit  nach  oben  gekehrtem  Gesicht  an  den 
Enden  der  Kopfstützen  -  Längsseiten  und  an  den  Rudergriffen.  Häufig 
schliesst  sich  daran  nach  einer  Unterbrechung  in  der  Verlängerung 
nach  aussen  der  offene  Rachen  eines  Thieres,  der  etwas  zwischen  den 
Zähnen  hält,  oder  über  den  vom  eine  Eidechse  schlüpft.  Diesen  Thier- 
rachen  als  Fortsetzung  des  nach  oben  gekehrten  Menscbenantlitzes  finden 
wir  auch  auf  einer  Kanuspitze  von  Venus -Huk*).  Bei  Kopfstützen  von 
der  Roissy- Insel  ist  es  an  einem  Kopf  an  jedem  Ende  noch  nicht  genug. 
Auch  an  den  Seiten  lugen  unter  der  Längsleiste  je  zwei  hervor,  und  die 
Endköpfe  haben  statt  der  Rachenfortsetzung  eine  ganze  Menschenfigur  im 
Munde.  Auch  auf  den  Ruderblättern  kommt  ein  Gesicht  vor,  zuweilen  als 
Doppelkopf  in  dem  Scheitel  des  Winkels  an  Aexten  und  unterhalb  der 
Spitze  von  Speeren,  das  Kinn  dieser  zugekehrt,  wo  der  Kinnfortsatz  oft 
zugleich  ein  gegengestellter  Widerhaken  ist.  Freilich  finden  sich  auch 
einzelne  Besonderheiten,  die  noch  nicht  für  die  verschiedenen  Gegenden 
des  Districts  nachgewiesen  sind.  So  auf  der  Roissy-Insel  die  vier  ein- 
ander den  Rücken  kehrenden  Figuren,  die  sich  bei  den  Händen  gefSEisst 
haben,  als  Untergestell  einer  Kopfstütze,  und  ähnliche  Combinationen 
jener  Insel.  Femer  zeigen  Schilde  der  Gegend  von  Hatzfeldthafen  den 
Menschenkopf  in  der  Mitte,  und  ein  kleines  Holzgefäss  von  da  hat  in  der 
Verlängerung  der  Längsachse  a^  Rande  je  einen  Kopf,  ähnlich  wie  bei 
den  Kopfstützen.  Eine  Merkwürdigkeit  des  ganzen  Gebiets  bleibt  noch 
zu  erwähnen,  das  ist  die  häufige  Zusammenkettung  von  Mensch  und  Ei- 
dechse. Häufig  ist  sie  auf  der  Stirn  oder  auf  dem  Hinterkopf  angebracht; 
sie  hat  ihren  Platz,  wie  erwähnt,  auf  dem  Kopfe  oder  kriecht  auf  der 
Rückseite  der  ganzen  Figur  entlang.  Im  letzteren  Falle  tritt  an  ihre 
Stelle  einmal  ein  Krokodil,  das  hinten  von  einer  Gestalt,  die  auf  einem 
zweiten  Kopfe  steht,  —  eine  einzigartige  Darstellung  in  diesem  District,  — 
herabkriecht.  Es  sei  jedoch  schon  hier  bemerkt,  dass  die  Eidechse  mit- 
unter nicht  von  der  auch  in  jener  Gegend  vorkommenden  Gestalt  eines 
Mannes  mit  erhobenen  Armen  zu  unterscheiden  ist,  wenn  die  Figur  nur 
eingeritzt  oder  schwach  erhaben  ist.    Zu  erinnern  ist  noch  an  die  sonst 


1)  A.  B.  Meyer  und  P.    Publ.  Dreadener  Mas.  X,  8.  4. 

2^  Vgl  Finsch,  Erf.  II,  S.  119. 

8)  Finsch,  Ethnol.  Atlis  Ttl  YII,  Fig.  6. 


K&nstlerische  Darstellangen  ans  Kaiser- Wilhelms-Land.  93 

nicht  vorkommende  Combination,  die  von  Pinsch*)  auf  einer  Eannspitze 
von  Dallmannhafen  abgebildet  ist:  ein  Krokodil,  dessen  Schwanz  in  ein 
menschliches  Gesicht  ausläuft. 

Plastische  Darstellung  von  Thieren.  Es  würde  kaum  ge- 
lingeU;  im  üeberblick  einen  klaren  Begriff  von  den  Stilarten  der 
plastischen  Thier- Darstellungen  zu  geben,  da  man  zu  sehr  ins  Detail 
gehen  müsste.  Auffallend  ist  es  jedoch  auf  den  ersten  Blick,  dass  in 
der  Astrolabe  -  Bai  Vogel-  und  Hunde  (?)- Köpfe,  —  ich  denke  bei 
letzteren  an  zwei  Thierköpfe  der  Tanzrasseln  im  Museum^  —  stark 
an  die  Bildung  von  Nase  und  Augen  im  menschlichen  Gesicht  erinnern. 
Auch  hängt  den  Hunden  (?)  die  Zunge  aus  dem  Maul.  Alles  Andere  also 
der  späteren  Ausführung  überlassend,  erwähne  ich  hier  nur,  welche  Thiere 
eine  Besonderheit  der  einzelnen  Districte  sind,  und  in  welchen  Ver- 
bindungen sie  auftreten. 

Ueberaus  reich  an  charakteristischen  Thiergestalten  ist  der  District 
Pinschhafen.  An  Säugethieren  sind  Schwein  und  eine  Art  von  Beutel- 
dachs (oder  Echidna?)  auf  dem  Untersatz  von  Kopfstützen,  ersteres 
auch  als  Reitthier  für  einen  Menschen  an  einem  „Haken**,  nachgebildet 
(Pig.  62).  Von  Reptilien  sind  die  Bildungen  von  Krokodilen  und  ihrem 
Rachen  z.  Th.  schon  erwähnt.  Erstere  erscheinen  aber  auch  in  Relief  an  den 
Kaims  und  letztere  am  Ende  von  Ruderstielen  (Fig.  74,  75).  Eidechsen 
habe  ich  nur  auf  der  ganzen  Länge  der  sanduhrförmigen  Trommeln  ge- 
funden. Einer  Schildkröte  wird  der  Leib  von  einer  Holzschüssel  gebildet. 
Schlangenartige  Thiere  in  Relief  an  den  Seiten  der  breiten  Schüsseln  in 
Verbindung  mit  der  Menschengestalt,  wie  vorher  angedeutet,  femer  auf 
Holzschwertem,  Trommeln,  als  Theile  von  Kopfstützen  und  als  Henkel 
von  Kürbiskörbchen  haben  eine  ebenso  grosse  Verbreitung,  wie  die  Vögel, 
die  am  Griff  von  Rudern  und  Sagoschaufeln  vorkommen,  als  Schnabel 
von  Kanus  und  Zierrath  vorspringender  Theile  der  Plattform,  als  Unter- 
theil  von  Kopfstützen  und  an  einem  Ende  einer  länglichen  kleinen  Holz- 
schüssel auftritt,  die  selbst  als  der  Körper  zu  betrachten  ist.  Merkwürdiger 
Weise  sind  aber  Fische  nur  in  der  Gestaltung  der  Schwanzflossen  als 
Kopfaufsatz  (Pig.  112),  und  sonst,  wie  hervorgehoben,  zuweilen  an  der 
Menschenfigur  zu  sehen.  Hauptmann  Dreger  erwähnt  allerdings  aus 
einem  Dorf  des  Hüon-Golfs  ohne  nähere  Angabe,  das  jedoch  wahrscheinlich 
nördlich  vom  Parsi-Point  gelegen  ist,  „Schnitzereien  von  Krokodilen  und 
Fischen"  an  den  Planken,  welche  die  Zimmerwände  bildeten").  Jedes 
dieser  Thiere  ist  von  Darstellungen  der  anderen  Districte  mit  Leichtig- 
keit zu  unterscheiden. 


1)  Ethnol.  Atlas  Taf.  VII,  Fig.  4. 

2)  Nachrichten  aus  Kaiser-Wilhehns-Land  1887,  S.  25. 

Z«itschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1897 


94  K-  Th.  Preuss: 

Während  hier  also  gar  keine  Thierfiguren  isolirt  auftreten,  kommen 
in  der  Astrolabe-Bai  einige  Vögel  mit  ausgebreiteten  Flügeln  und  gerade 
gewaltige  Fische  mit  einem  Loch  in  der  Mitte  zum  Aufstecken  Yor^). 
Von  Säugethieren  hat  F  in  seh')  eine  Hündin  abgebildet.  Dazu  kommen 
die  z.  Th.  schon  erwähnten  Thierköpfe  an  den  Tanzrasseln*)  und  das  Ton 
Schmeltz  eventuell  für  einen  fliegenden  Hund  gehaltene  Thier  an  der 
Seite  länglicher  Schüsseln^),  das,  etwas  anders  gestaltet,  auch  im  Museum 
vorkommt  (Fig.  146)  und  auch  vom  District  Finschhafen  bekannt  ist 
(Fig.  142,  143).  Nur  ein  Fisch  aus  einem  Gestell  mit  Tapaüberzug  auf  einem 
hohen  Kopfputz  wäre  noch  hierhin  zu  rechnen.  Diese  Thiere  sind  die 
einzigen,  die  zur  Verzierung  von  Geräthen  dienen*).  Die  Long-Insel  weist 
Beihen  kleiner  Vögel  auf  einer  Art  von  Triangel  als  Verzierung  der  Mast- 
spitze*) und  andere  an  den  Kanus  auf,  die  im  Stil  selbständig  erscheinen, 
in  den  „geometrischen  Ornamenten"  nach  der  Astrolabe-Bai,  in  der  Idee 
—  je  ein  Vogel  als  Ende  einer  Latte  —  nach  Finschhafen  hinneigen. 
Zwei  Fische  von  ebendort  als  Kanuverzierung  haben  statt  des  Kopfes 
einen  rechteckigen,  vorne  offenen  Rahmen,  vielleicht  zum  Aufstecken. 
Ihre  Ornamentik  ist  der  des  Districts  Astrolabe-Bai  verwandt.  Der 
Menschenkopf  von  Long-Insel,  —  das  sei  hier  gleich  eingefügt,  —  welchen 
Finsch')  als  Träger  der  Kanuplattform  abbildet,  ist  zu  wenig  charakte- 
ristisch, um  ihm  eine  ethnographische  Stellung  zuzuweisen. 

Ausser  den  Eidechsen,  Krokodilen  und  Krokodil(?)-Rachen  giebt  es  an 
der  Nordküste  die  complicirten  Thiergestalten,  welche  das  Widerlager  an 
den  Wurfhölzern  bilden,  die  nach  von  Luschan  Beuteldachs,  Krokodil, 
Buceros  und  eventuell  eine  Orthopterenart  vorstellen  sollen*).  Besonders 
wichtig  ist  für  uns,  dass  die  Stücke  in  dem  Typus  sämmtlich  ähnlich  sind 
imd  sich  auf  die  verschiedensten  Gegenden  des  Districts  von  Ilatzfeldt- 
hafen  bis  Dallmannhafen  vertheilen.  Auch  vom  Kaiserin  Augusta-Fluss 
(vom  Unterlauf?)  haben  wir  diese  Wurfhölzer  mit  denselben  Darstellungen. 
Ein  Vogelschnabel,  der  aus  einer  runden  Holzschale  herauswächst,  zeigt 
dieselbe  Manier  der  Ausführung.  Thierköpfe  an  Rudergriffeu  scheinen 
eine  Perameles-Art  vorzustellen.     Endlich  sind    zwei   selbständige   Thier- 


1)  S.  Finsch,  Samoafahrten,  S.  103.    Ethnol.  Atlas  XV,  Fig.  3. 

2)  Ethnol.  Atlas  XV,  Fig.  2. 

3)  Vgl.  die  Abbildung  vou  Schmeltz  im  Internat  Arch.  VIII,  1895,  Taf.  XVI,  Fig.  2. 

4)  a.  a.  0.,  Fig.  ö. 

6)  Auf  einer  Trommel  in  der  Colonial  -  Ausstellung  in  Berlin  1896  sah  ich  fliichtig 
ein  Thier,  das  wohl  einen  Vogel  darstellt.  Die  Trommelgriffe  der  Astrolabe  •  Bai, 
die  rweifellos  auch  auf  ein  Thiermotiv  lurückgehcn,  weichen  von  denen  des  Districts 
Finschhafen  durchaus  ab,  während  das  Museum  aus  Hatzfeldthafen  eine  ähnliclie  Form 
besitzt. 

6)  Finsch,  Ethnol.  Atlas  VIII,  Fig.  1. 

7)  a.  a.  0.  Taf.  VI,  Fig.  6. 

8)  Das  Wurf  holz  in  Neu-Holland  imd  Occanien.   Bastian-Festschrift  1896,  S.  149,  160. 


Künstlerische  Darstellongen  ans  Kaiser- Wilhelms-Land.  95 

gestalten  zu  erwähnen,  von  denen  die  eine,  wohl  eine  Eidechse,  in  der 
Längsrichtung  des  Schwanzes  eine  an  die  Darstellungen  der  Humboldtbai 
erinnernde  spitze  Handhabe  (zum  Einstecken?)  besitzt.  Die  andere,  die 
sehr  verstümmelt  ist,  wage  ich  nicht  zu  classificiren,  beide  aber  nehmen 
sich  fremdartig  aus^). 

Linienornamente.  Es  ist  nun  zwar  festgestellt,  dass  die  Typen  der 
Figuren  und  die  Ideen  in  ihrer  Composition  nur  dem  betreffenden  District, 
nicht  dem  Naehbargebiet  eigen  sind;  es  nehmen  femer  nur  sehr  wenige 
pl^tische  Gestaltungen,  die  eigens  namhaft  gemacht  sind^  eine  ungewisse 
Stellung  ein;  jedoch  krankt  die  ganze  Zusammenstellung  an  dem  Uebelstand, 
dass  nicht  alle  Darstellungen  in  jedem  Theil  des  Districts  nachgewiesen  sind. 
Diese  Lücke  soll  nun  die  Uebersicht  über  die  gemalten,  geritzten  und 
flach  geschnittenen  Gebilde*),  kurz  über  die  Linienomamentik  ausfüllen, 
die  natürlich  das  ausschlaggebende  Moment  in  einer  Arbeit,  wie  die  Yor- 
liegende,  sein  müssen.  Denn  es  ist  klar,  mit  Linien  lässt  sich  exacter 
operiren,  als  mit  Körpern,  für  die  das  Auge  der  einzige  Maassstab  ist. 
Linienomamente  lassen  sich  leichter  darstellen,  als  plastische  Gebilde, 
und  deshalb  werden  sie  eher  überall  vertreten  sein  und  leichter  in  die 
Museen  gelangen.  Bemerkenswerth  ist,  dass  fast  alle  der  Natur  abge- 
lauschten Typen  eine  Auflösung  in  sogenannte  geometrische  Ornamente 
erfahren  haben,  obwohl  es  natürlich  nicht  gelungen  ist,  alle  einfachsten 
Linien  auf  die  Urbilder  zurückzuführen,   wenn    auch  weitaus  die  meisten. 

Eine  hervorragende  Stellung  nimmt  die  tanzende  Menschenfigur,  oder, 
um  mich  präciser  auszudrücken,  eine  Menschengestalt  mit  erhobenen 
Händen  in  den  Eüsteudistricten  ein.  Es  ist  also  eine  Uebereinstimmung 
in  der  Idee;  die  Entwickelung  geht  in  jedem  District  ihre  mehr  oder 
weniger  eigenen  Wege,  In  den  Districten  Finschhafen  und  Astrolabe-Bai  ent- 
steht dadurch,  dass  die  Gestalten  Hände  und  Beine  vereinigen,  ein  örtlich 
modificirtes  fortlaufendes  Band,  das  aus  den  ovalen,  bezw.  rhombischen  oder 
strichartigen  Körpern  und  dem  gewinkelten  Zusammenstossen  der  Arme  und 
Beine  nach  oben  und  unten  gebildet  ist  (Fig.  1 — 10).  Da  an  der  „Nord- 
küste^  mit  Ausnahme  des  Motivs  der  erwähnten  Kopfstütze  von  der  Roissy- 
Insel  nur  die  einzelne  Menschenfigur  vorkommt,  muss  die  Entwickelung 
eine  andere  sein.  Aus  dem  Körper  und  den  in  Knieen  und  Ellenbogen 
sich  fast  berührenden  Armen  und  Beinen  wird  ein  regelrechter,    an    den 


1)  Desgl.  steht  der  aus  Federn  gefertigte  Fregattvogel  mit  ausgebreiteten  Flügeln 
an  der  Spitie  eines  Kanus  von  Yenus-Huk  (Finsch,  Ethnol.  Atlas  Taf.  VUI,  Fig.  4)  in 
nnierer  Kenntniss  der  Thierformen  jenes  Gebiets  vereinzelt  da. 

2)  Es  ist  natürlich  ein  vergebliches  Bemühen,  eine  scharfe  Theilung  zwischen  plastischen 
tmd  flach  geschnittenen  Ornamenten  herzustellen.  Man  darf  aber  auch  nicht  vergessen, 
dass  Eintheilung  nicht  Selbstzweck,  sondern  nur  des  besseren  Verständnisses  wegen 
4a  ist. 

8» 


96  K.  Th.  Preuss: 

Ecken  gerundeter  Mäander,  der  aber  doppelt  ist  und  erst  einfach  wird, 
wenn  Leib,  Arm  und  Bein  einer  Seite  sich  von  der  anderen  getrennt 
haben.  Natürlich  muss  sich  dazu  die  Figur  nach  oben  oder  unten  wieder- 
holen. Ferner  scheint  sich  hier  aus  Armen  bezw.  Beinen  allein  in  ge- 
winkelter Haltung  der  Sparren  und  daraus  die  Sparrenbahn  zu  entwickeln 
Im  Grenzdistrict  kommt  übrjgens  ein  ähnliches  Urbild  vor*). 

Ein  zweites  gemeinsames  Motiv  ist  der  fliegende  Hund  in  hangender 
Lage,  das  aber  nur  an  der  Nordküste  zweifellos  feststeht.  Das  Urbild 
ist  auf  der  Unterseite  einer  runden,  flachen  Holzschüssel  von  der  Insel 
Guap  wenig  erhaben  dargestellt  (Fig.  153)  und  schon  von  F  in  seh  mit 
Sicherheit  als  solcher  bezeichnet.  Statt  in  die  Füsse  zu  endigen,  ist  der 
spitz  zulaufende  Leib  zu  einem  Knopf  verbreitert,  der  Kopf  hängt  herab 
und  der  Körper  geht  in  der  Mitte  nach  rechts  und  links  zuerst  aufwärts, 
dann  in  spitzem  Winkel  abwärts  in  einen  breiten,  an  den  Enden  abge- 
rundeten Streifen  über:  der  zusammengeklappte  Flügel.  Als  Schleife  zum 
Durchziehen  eines  Baststreifens,  um  die  Schüssel  aufzuhängen,  dient  bereits 
die  schematische  Gestaltung  des  Urbildes:  zwei  senkrechte  Zapfen,  deren 
obere  Enden  durch  einen  nach  unten  convexen  Bogen  verbunden  sind.  Da» 
Schema  befindet  sich  natürlich  in  der  Fussgegend  des  aufgehängten  Fteropus, 
so  dass  die  hangende  Schüssel  dem  dargestellten  Thier  die  richtige  Lage  ver- 
leiht, und  auch  das  Schema  ist  sonst  immer  nur  in  der  natürlichen  Stellung, 
und  zwar  meistens  an  der  Unterseite  der  Kopfstützen,  angebracht.  Ein- 
geritzt und  in  Reihen  gegenübergestellt,  entstehen  sehr  hübsche  und  eigen- 
artige Muster  deren  weitere  Vereinfachung  eine  Menge  von  Variationen  und 
Formen  hervorbringt,  bis  der  Künstler  schliesslich  zu  einer  Art  von  Mäander 
und  gegoneinandergerichteten  Wellenbändem  gelangt,  deren  Höhepunkte 
mit  einander  verbunden  sind.  Uebrigens  kommt  letzteres  Motiv  auch  in 
der  Astrolabe  -  Bai  vor.  In  den  ausgesparten  Zwischenräumen  der  in- 
einandergreifenden Reihen  von  fliegenden  Hunden  ist,  wie  es  seheint, 
meist  ein  schematisch  gebildetes  Thier  mit  ausgebreiteten  Flügeln  za 
sehen,  und  es  ist  nicht  schwer  zu  vermuthen  und  hat  wohl  auch  einen 
hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit,  dass  darunter  der  fliegende  Hund  im 
Fluge  zu  verstehen  ist.  Da  wir  nun  im  District  Finschhafen  und  Astro- 
labe-Bai  auf  den  Armringen  von  Trochus  niloticus  ziemlich  genau  solche 
eigenartigen  Darstellungen  haben,  wie  das  erste  Schema  des  hangenden 
Fteropus  (Fig.  154,  155),  so  liegt  der  Schluss  nahe,  dass  auch  diese  Gebilde 
als  Urmotiv  dasselbe  Thier  haben.  Dazu  kommt,  dass  in  der  Astrolabe- 
Bai  ein  Thier  wiederkehrt,  das  dem  schematisch  gebildeten  fliegenden 
Hund  im  Fluge  an  der  Nordküste  einigermaassen  ähnlich  ist.  Dieses 
Urbild  kann  hier  jedoch  leicht  ein  Vogel,    ein  Schmetterling  oder  dergl. 


1)  Siehe  z.B.  De  Clercq  und  Schmeltz,  Tat  XXX II I,  Fig.  11. 


Künstlerische  Darstellungen  aus  Kaiser- Wilhelms-Land.  97 

fiein,  eine  Entscheidung  ^  die  für  uns  vorläufig  nur  secundäre  Bedeutung 
hat.  Im  ersteren  Fall  entwickeln  sich  ähnliche  Formen  in  Finschhafen, 
wie  in  der  Astrolabe-Bai,  von  denen  die  einfachsten  u.  a.  im  Winkel  zu 
einander  gestellte  Onippen  von  parallelen  Strichen  sind,  reihenweise  an- 
geordnet, im  zweiten,  wie  es  scheint,  Sechsecke  mit  parallelen  Seiten, 
zwischen  den  Diagonalen  eines  gestreckten  Rechtecks  liegende  Dreiecke 
und  liegende  Kreuze,  —  alles  Formen,  welche  nur  für  die  Astrolabe-Bai 
typisch  sind. 

Diese  Verschiedenheit  in  der  Bildung  geometrischer  Ornamente  wird 
es  auch  erklärlich  finden  lassen,  dass  gewisse  einfache  Formen,  wie  das 
Zickzackband,  das  ja  auf  die  mannichfachste  Weise  entstehen  kann,  in 
allen  Districten  wiederkehrt.  In  Britisch  -  Neu  -  Guinea  und  fast  überall 
sonst  ist  es  ebenfalls  vertreten.  Aber  auch  schon  da  trifft  man  Unter- 
schiede. Im  District  Finschhafen  z.  B.  ist  die  Spitze  meist  abgeschnitten, 
im  District  Astrolabe-Bai  gewöhnlich  gerundet  und  an  der  Nordküste  spitz 
zulaufend.  Ebenso  kommt  der  Sparren  in  allen  Eüstendistricten,  am  seltensten 
in  Finschhafen  vor  (Fig  17). 

Wenden  wir  ims  nun  den  einzelnen  Bezirken  zu.  Die  Nase  wird  im 
District  Finschhafen  zu  einem  Keil,  an  dessen  unterem  Ende  die  Nasenflügel 
in  Gestalt  zweier  abwärts  gebogenen  Haken  weit  vorstehen  (Fig.  17 — 23). 
Die  aus  zwei  flachen  Kreissegmenten  zusammengesetzten  Augen  sind  ein 
beliebtes,  vielfach  variirtes  Ornament  geworden  (Fig.  24 — 44),  der  Mund  wird 
ein  viel  gebrauchtes  Oval  (Fig.  45 — 47).  Das  Ohr  oder  Ohrtlieile  werden, 
allein  oder  mit  heterogenen  Gegenständen  zusammengesetzt,  verwendet. 
(Fig.  126 — 141).  Augen  und  Nase  bringen  mannichfaltige  Gebilde,  durunter 
eine  Art  von  lateinischem  Kreuz  (Fig.  53)  und  denselben  Mäander  hervor, 
.dessen  Entstehen  vorher  aus  der  tanzenden  Menschenfigur  beschrieben  ist 
(Fig.  50,  51).  Ein  besonderes  Wahrzeichen  des  Districts  ist  der  Vogelkopf, 
der  allein  und  zu  zweien,  mannichfach  zusammengesetzt  durch  viele,  durch- 
weg häufig  gebrauchte  Bildungen  zu  den  selten  angewandten  Formen  des 
Trapezes,  Halbkreises  und  Dreiecks  wird  (Fig.  57 — 81).  Auch  die  Anfänge 
einer  Spirale  scheinen  sich  davon  abzuleiten  (Fig.  96 — 103).  Einzeln  reicht 
der  Vogelkopf  bis  ins  Nachbargebiet  hinein.  Vom  Fischkörper  löst  sich  der 
Schwanz  ab  und  bildet  durch  Wiederholung  eine  Art  von  Sparrenbahn 
(Fig.  104  —  110).  Eidechse  und  besonders  Krokodil,  z.  Th.  in  phantastischen 
Formen,  fehlen  nicht,  und  die  Augen,  als  flache,  mit  den  convexen  Seiten 
einander  zugekehrte  Segmente,  sind  eine  viel  gebrauchte  Form  (Fig.  1 17  -122). 
Das  grosse  Oval  und  das  halbe  Oval  können  als  vom  Rachen  des  Krokodils 
abgeleitet  (Fig.  123 — 125),  ebenso  der  Kreis  und  das  Zahnornament  als  den 
dturgestellten  Naturbildem  direct  entnommen  gedacht  werden,  während  fast 
alle  anderen  Gebilde  als  Zusammensetzungen  (z.  B.  Fig.  190 — 192)  oder 
als  besondere  Thiere  gelten  können  (Fig.  168 — 173). 


98  K.  Th.  Prbubs: 

Geradezu  erstaunlich  ist  der  unterschied  zwischen  dem  District 
Astrolabe-Bai  und  dem  vorigen.  Dort  vorzugsweise  gerundete,  hier  meistens 
eckige  Figuren,  von  denen  einige  schon  genannt  sind.  Es  sind  noch 
zu  erwähnen  Dreiecke,  die  einander  so  nahe  liegen,  dass  sie  zusammen 
fast  ein  Quadrat  bilden^),  grosse  doppelte  Zackenlinien  mit  parallelen 
Querstrichen,  in  kurzen  Abständen  sich  wiederholend,  eine  besondere  Art 
des  Zahnomaments')  und  schräg  gestellte  parallele  Striche*).  Von  runden 
Ornamenten  treten  ausser  dem  ziemlich  seltenen  Kreis  und  halben  Oval 
das  Wellenband*);  die  einfache  Spirale,  wie  sie  gelegentlich  auch  im 
vorigen  Bezirk  erscheint,  und  eine  Art  von  rücklaufendem,  aber  im  Punkte 
des  Rücklaufens  unterbrochenem  Spiralband  *).  Die  Ableitung  dieser  Linien 
erscheint  weit  schwieriger,  als  im  District  Finschhafen.  Dazu  gesellt  sich 
die  Figur  eines  hockenden  Mannes  mit  hoch  emporgehobenen  Beinen 
oder  Theilen  derselben,  zwei  Typen  des  menschlichen  Gesichts,  von  denen 
der  eine  die  ausgestreckte  Zunge  bei  allen  Veränderungen  beibehält,  der  Fisch- 
körper mit  Schwanz  in  Reihen  und  ein  schreitender  Vogel.  Ein  Gesicht  mit 
breiten,  aufwärts  gerichteten  Nasenflügeln,  ähnlich  denen  an  der  Nordküste, 
sowie  ein  geometrisches  Ornament,  das  sich  an  der  Nordküste  schliesslich 
aus  dem  hängenden  Pteropus  entwickelt,  schliessen  sich  bereits  diesem 
District  an,    ohne  dass  ihre  selbständige  Entstehung  ausgeschlossen  wäie. 

Ungemein  fortgeschritten  ist  das  Linienomament  an  der  „Nordküste^, 
wo  auch  für  den  modernen  Geschmack  die  gefälligsten  und  doch  dabei 
eigenartigen  Muster  vorkommen.  Trotzdem  liegt  die  Entwickelung  so  klar 
vor,  dass  der  Ausgangspunkt  vieler  Formen  in  der  Menschenfigur,  dem 
Gesicht,  dem  hangenden  Pteropus  und  einem  anderen  Thier,  wahrscheinlich 
einer  Eidechse,  festzustellen  ist  Das  erste  und  dritte  Motiv  sind  bereits 
behandelt,  das  zweite  gebraucht  immer  die  Nase  und  die  gewaltig  zur  Aus- 
bildung gelangenden  Nasenflügel,  seltener  die  Augen,  die  sich  oft  zu  einem 
Riesenauge  vereinigen,  das  als  Mittelpunkt  zweier  Nasen  von  den  aufwärts 
gerichteten  Nasenflügeln  fast  im  Kreise  umgeben  ist  Es  entstehen  daraus 
Formen,  die  wie  froschartige  Thiere  aussehen.  Oft  sind  die  Nasenflügel 
spiralig  umgebogen,  und  dann  verbindet  sich  eine  übereinanderstehende 
Reihe  von  Nasenflügeln  durch  geschweifte  Linien  zu  rücklaufenden 
Spiralbändern,  ähnlich  wie  das  erwähnte  Spiralband  der  Astrolabe-Bai. 
Die  Spirale  wird  femer  im  Anschluss  an  die  Eidechse  (?)  ausgebildet 
Arme  und  Beine  umschliessen  zwischen  sich  eine  gewaltige  Spirale,  die 
von  den  Extremitäten  ausgeht,  so  dass  man  an  einen  fliegenden  Hund  mit 
ausgebreiteten    Flügeln   gemahnt   wird.     So    sehr   nun    auch    die    Spirale 


1)  Mtclay,  Boll.  Soc.  d'Anthrop.    Paris,  Tome  I,  Serie  8,  1878,  8.  627.    Fig.  7.  8. 

2)  a.  a.  0.  S.  628/29     Fig.  9,  10. 
8)  a.  a.  0.  Fig.  9,  12. 

4)  a.  a.  0.  S.  625/26,  629/30.    Fig.  8,  5,  11,  14. 
6)  a.  a.  0.  S.  629,  Fig.  13. 


Künstlerische  DarstellnDgen  ans  Kaiser-Wilhelms-Land.  •    99 

selbständig  werden  mag  nnd  fortlaufende  Bänder  erzengt,  immer  bleibt 
der  Thierleib,  wenn  auch  in  ganz  verzerrter  Form,  als  Unterbrechung  be- 
stehen, was  durchaus  nicht  Zufall  ist,  d.  h.  nicht  im  Wesen  der  geo- 
metrischen Linien  liegt,  wie  man  sich  an  den  Spiralen  Neu-Seelands  und 
Britisch-Neu- Guineas  überzeugen  kann.  Freilich  ist  damit  noch  immer 
nicht  gesagt,  aus  welchem  Vorbild  in  der  Natur  man  zur  Spirale  gelangt 
ist;  denn  sie  tritt  in  dem  District  überall  auf,  und  alle  Urbilder,  die  wir 
erwähnten,  enthalten  sie,  nicht  gerade  integrirend,  in  sich.  Mit  den  Formen 
des  fliegenden  Hundes  sind  neben  den  runden  die  geraden,  gewinkelten 
Linien  in  die  Ornamentik  des  Districts  eingeführt  Besonders  eigenthümlich 
aber  ist,  dass  nun  selbst  die  Spiralen  eckig  werden,  so  dass  es  „drei- 
eckige, viereckige,  ja  Kreuz-Spiralen **  giebt,  wenn  man  so  sagen  darf. 
Aber  auch  so  kommt  das  Kreuz  vor.  Damit  wären  nur  die  wesentlichsten 
Formen  des  Districts  angedeutet,  viel  bleibt  noch  zusammenzustellen  und 
zu  erklären. 

Wie  der  Kamufluss  zu  der  „Nordküste''  und  der  Astrolabe-Bai^  so  weist 
der  Kaiserin  Augustafluss  zu  ersterer  Beziehungen  auf.  Besonders  scheinen 
auch  hier  die  Spiralbänder  auf  das  Gesichtsmotiv  zurückzuführen,  wie 
auch  die  Nasenflügel  breit  und  nach  oben  gebogen  dargestellt  sind. 
Rhombus  und  Parallelsechsecke  erinnern  an  die  Astrolabe-Bai.  Allein  es 
ist  mehr  als  unwahrscheinlich,  dass  an  eine  Entlehnung  zu  denken  ist. 
Auch  ovale  und  blattähnliche  Formen,  deren  Erklärung  vorläufig  völlig 
aussteht,  mit  Gesichtern  dazwischen,  sind  dem  District  allein  eigen,  und 
das  Gesicht  auf  einer  Serie  von  Kreiseln  entwickelt  sich  durch  Wiederholung 
der  Nase  nach  allen  Seiten  zu  beliebig  oft  ausgeschweiften  regelipässigen 
Sternen.  Durch  Umgrenzung  derselben  mit  Linien,  die  den  Krümmungen 
folgen,  werden  diese  abgeschliffen  und  es  entsteht  eine  eckige  Figur, 
Vierecke  und  Dreiecke. 

Wenn  diese  Uebersicht  im  Grossen  und  Ganzen  erkennen  lassen  soll, 
dass  eine  geographische  Gliederung  der  künstlerischen  Darstellungen  von 
Kaiser- Wilhelms-Land  durchaus  möglich  ist,  so  wird  die  ausführliche  Be- 
handlung, die  ich  hoffentlich  Gelegenheit  haben  werde  in  einer  Reihe  von 
Aufsätzen  vorzulegen,  ein  Urtheil  gestatten,  wie  markant  die  gezogenen 
Grenzen  sind,  wie  nuancirt  die  trotzdem  bestehenden  Beziehungen,  wie 
weit  die  sonstige  Gliedenmg  des  Verkehrs,  der  Sprache  und  anderer 
Gemeinsamkeiten,  wovon  wir  freilich  wenig  wissen,  damit  parallel  läuft, 
und  schliesslich  dürften  auch  einige  Gedanken  über  die  Bedeutung  der 
Kunstwerke  am  Platze  sein. 

Der  District  Finschhafen. 

Bevölkerung.  Ueber  die  Eingeborenen  der  Strecke  von  der  eng- 
lischen Grenze  bis  Fortification  -  Point  haben  wir  nur  Nachricht  von 
Moresby,   Finsch   und   einigen   Beamten    der   Neu-Guinea-Compagnie.. 


I*  *. 


100.  K.  Th.  Prbüss: 

Die  2^1  der  Bevölkerung  südlich  vom  Cap  Parsi  scheint  sehr  gering  zu 
sein,  obwohl  die  Dörfer  weiter  nach  innen  auf  den  Bergen  liegen  und  so 
den  Besuchern  der  Küste  entgangen  sein  können.  Die  wenigen  Spuren 
von  Bevölkerung,  die  theils  Moresby*),  theils  Finsch*)  an  der  Verräther- 
Bai,  bei  Alligator-Point,  an  der  Herkules-Bai  bis  hinauf  nach  Cap  Parsi 
fanden,  dürfen  wir  wohl  übergehen.  Nach  einem  Vortrage  des  Corvetten- 
Capitäns  Rüdiger,  April  1897  in  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin, 
mehrt  sich  vom  Adolf-Hafen  an  die  Bevölkerung^  da  die  Berge  hier  zurück- 
treten. Zahlreiche  Bewohner  traf  er  hier  am  Rüdigerfluss  nach  einer 
Fahrt  von  zwei  Stunden  aufwärts,  während  die  Expeditionen  unter  Landes- 
hauptmann V.  Schleinitz  und  Hauptmann  Dreger  in  der  Baden-Bucht 
ein  Dorf  verzeichnen,  gegenüber  Longuerue-Insel  zwei,  in  der  Hessen- 
und  Nassau-Bucht  ebenfalls  je  eines  und  in  der  Bayern-Bucht  südlich  vom 
Cap  Parsi  fünf  Dörfer').  Wenn  wir  daher  erst  mit  Cap  Parsi  den  District 
Finschhafen  beginnen  lassen,  so  ist  eine  weitere  Ausdehnung  nach  Süden 
in  die  allerdings  geringer  bevölkerten  Gegenden  nicht  ausgeschlossen. 
Als  Centren  der  Bevölkerung  nach  Norden  sind  weiterhin  festgestellt 
ausser  Cap  Parsi  die  Schneider-Spitze,  die  Herzog-Seen  und  die  Mündung 
des  Markham- Flusses,  Arkona  und  Stubbenkam  er  und  der  Hänisch- 
Hafen*),  worauf  mit  der  Biegung  der  Küste  nach  Norden  die  Bevölkerung 
eine  gleichmässigere,  wenn  auch  nicht  zahlreichere  wird.  Nach  dem 
Innern  zu  liegen  die  äussersten  Dörfer,  zu  denen  man  gelangt  ist,  in 
etwa  10  km  Entfernung  von  der  Küste,  nehmlich  am  Sattelberg  im  Hinter- 
land von  Finschhafen*).  Dreger  hält  auch  den  Markham-Fluss  weiter 
hinauf  für  bewohnt*).  Eine  Grenze  der  Kai-Dörfer  am  Sattelberg  nach 
dem  Innern  zu  festzustellen,  ist  noch  nicht  gelungen.  Wenn  nun  Schellong 
die  etwa  20  km  lange  Küstenstrecke  vom  Nordende  des  Hüon-Golfs  bis 
Cap  Fortification  gesprochene  Jabim-Sprache  von  ungefähr  1000  Menschen 
gebraucht  sein  lässt,  und  ebenso  viel  der  im  Süden  sich  anschliessenden 
Bukaua- Sprache  an  der  Nordseite  des  Golfs,  den  Poum-Sprachen  im 
Norden  und  dem  Kai-Dialekt  im  Innern  am  Sattelberg  zuschreibt^),  so 
wird  man  sich  von  der  Spärlichkeit  der  Bevölkerung  einen  Begriff  machen 
können.  Doch  dürfte  die  Schätzung  wohl  zu  gering  ausgefallen  sein,  da 
Hr.  C.  Hellwig  allein  in  dem  grossen  Dorf  Tiggedu    in   der  Landschaft 

1)  DiscoYories  and  SanrejB  in  New  Guinea.    London  1876,  S.  276—76,  283. 

2)  Samoafahrten  S.  146-47,  149,  161,  154—55. 

8}  Nachrichten  ans  Kaiser- Wilhelms-Land  1887,  S.  18,  16—18,  mit  Karten  S.  28. 

4)  a.  a,  0.  S.  166—175,  mit  Karte  S.  197. 

5)  C.  Hellwig,  Nachrichten  aus  Kaiser- Wilhelms-Land  1889.  8.40-47  mit  Karte, 
1890,  S.  20—21.  Hnnstein  und  von  Kotxe  berichten,  dass  sie  etwa  25  il-m  in  der  Luft- 
linie (?!)  am  Bubnifluss  landeinw&rts  gelangten,  wo  sie  schliesslich  an  ein  „dem  Anschein 
nach  stark  bewohntes  Thal"  kamen.    Nachr.  aus  K.  WUh.-Land  1888,  S.  66. 

6^  Nachr.  aus  K.  Wilh.-Land  1887,  S.  174. 

7)  Schellong,  Die  Jabim-Sprache,  Leipxig  1890,  8.5. 


Künstlerische  DarstelluDgen  ans  Kaiser- Wilhelms-Land.  101 

Bukaoa  bei  einem  Feste  etwa  2000  Menschen  gezählt  hat.  Der 
Missionar  B am  1er  rechnet  aof  die  Kai-Sprache  allein  2 — 3000  Menschen^). 

Sprache.  Obwohl  gerade  die  Gegend  von  Finschhafen  Ton  der 
Nordostgrenze  des  Hüon- Golfs  an  sprachlich  am  besten  von  ganz  Kaiser- 
Wilhelms-Land  untersucht  ist  und  manche  üebereinstimmungen  und  Ab- 
weichungen in  den  Dialekten  festgelegt  sind,  fehlt  doch  viel,  um  Sprach- 
grenzen und  Yerwandtschafts -Verhältnisse  zu  bestimmen.  Danach  ist 
die  Sprachenkarte  in  den  Nachrichten  aus  Kaiser- Wilhelms-Land ')  und 
überhaupt  die  übliche  Eintheilung  in  die  Jabim-,  Bukaua-,  Tami-,  Kai- 
und  Poum-Dialekte  zu  beurtheilen.  Nach  Schellong,  der  z.  Th.  das  ürtheil 
von  V.  d.  Gabelentz  eingezogen  hat,  sollen  Jabim-  und  Bukaua-Dialekt 
einander  nahestehen,  während  der  Tami -Dialekt  sich  an  die  Insel  Rook 
und  Neu-Britannien  anschliesst,  und  Poum-  und  Kai-Dialekte  gewisse  Be- 
ziehungen zu  einander  haben*).  Selbstverständlich  ist  die  Bestätigung 
dieser  Bemerkungen,  welche  sich  auf  die  ersten  dürftigen  Sammlungen 
sprachlichen  Materials  stützen,  abzuwarten.  D reger  nennt  die  Sprache 
des  „Hüon-Golfs",  womit  er  die  Westküste  desselben  meint,  auch  schon 
im  Klange  von  der  Jabim-,  Kai-  und  Tami-Sprache  verschieden.  „Guttu- 
rale, fauchende  und  schnalzende  Laute^  sollen  dort  vorkommen*). 

Anthropologie.  Die  ausgezeichnete  Arbeit  von  O.  Schellong 
enthält  über  die  anthropologischen  Verhältnisse  der  Eingeborenen  aus 
der  Umgegend  Finschhafens  eingehende  Mittheilungen,  üeber  die  Anthro- 
pologie des  „IIüon-Golfs^  müssen  wir  uns  mit  einigen  Bemerkungen  des 
Hauptmanns  Dreger  begnügen.  Er  schreibt:^)  „Die  Gestalt  der  Ein- 
geborenen war  kleiner,  als  die  der  Jabim-  und  Tami-Leute,  und  auch  bei 
weitem  nicht  so  wohl  gebildet.  Der  Oberkörper  war  verhältnissmässig 
lang,  die  Arme  ebenso,  die  Hände  und  Füsse  plumper.  Ihre  ganze  Er- 
scheinung erinnert  oft  in  aufifälliger  Weise  an  die  in  den  Bergen  wohnen- 
den. Kai-Leute.  Die  Haut  der  Bewohner  der  Landschaft  zwischen  dem 
Markham-Fluss  und  Cap  Parsi  ist  hellroth,  an  gebrannten  Ocker  erinnernd, 
ohne  jedoch,  wenigstens  anscheinend,  damit  gefärbt  zu  sein.  Südlich  vom  Cap 
Parsi  fand  ein  Uebergang  ins  Stumpf-Graubraune  statt,  so  dass  die  Einwohner 
einen  erheblich  mehr  negerhaften  Eindruck  machen,  als  die  in  Finschhafen. 
Aber  auch  bei  den  Jabim  überragte,  wie  Schellong  berichtet,  die  Klafter- 
weite die  Körperhöhe  im  Durchschnitt  um  98ww,  und  ähnlich  war  es  bei  den 


1)  Nachr.  aus  E.  Wilh.-Land  1889,  S.  37.  W.  Grube,  Ein  Beitrag  zur  Kenntniss 
der  Kai-Dialekte.    Zeitschr.  f.  afrikan.  und  oceanische  Sprachen  I.  1895,  S.  84. 

2)  1887,  S.  28. 

3)  Schellong,  Die  Jabim-Sprache  S.  5.  Münchener  Allgemeine  Zeitung  vom 
16.  Februar  1889.  Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas.  Zeitschr.  f.  Ethnol.  XXIII, 
1891,  8.  169,  171,  172  Anm.  8,  178. 

4)  Nachr.  aus  K.  Wilh.-Land  1887,  S.  23. 

5)  a.  a.  0. 


102  K.  Th.  Preuss: 

Kai-Leaten;  dazu  vraren  ihre  Füsse  und  Hände  breit  und  plump.  Die 
Bewohner  der  Kai-Dörfer  bezeichnet  er  nach  der  geringen  Bekanntschaft, 
die  er  mit  ihnen  hatte,  als  kleine  dürftige  Gestalten  gegenüber  den 
kräftigen  Jabim.  Den  Poum- Leuten  wieder  wird  entschiedener  Progna- 
thismus  zugeschrieben,  der  bei  den  genannten  beiden  Stänmien  wenig 
hervortritt*). 

Ethnographie.  Wenn  wir  die  zweizipfligen,  eigenthümlich  geflochtenen 
Armbänder  und  die  Ovulabrustschmucke  in  Neu« Britannien,  auf  den  Prench- 
Inseln,  im  District  Finschhafen  und  im  District  Astrolabe-Bai  zugleich  finden, 
so  ist  damit  allein  ein  Zusammenhang  der  Bewohner  jener  Gebiete  gegeben; 
es  fragt  sich  nur,  ob  auf  dem  Wege  des  Verkehrs  oder  des  gemeinschaft- 
lichen Ursprungs.  Sonst  sind  als  für  unsere  beiden  Districte  gemeinsam 
besonders  dieselbe  Technik  der  Aexte,  die  Angelhaken,  die  Formen  der 
Kämme  und  langgestreckten  kahnförmigen  Holzschüsseln,  der  Gebrauch 
der  allerdings  Tariirenden  Kopfbedeckungen,  und  die  Brustbeutel  mit 
Hundezähnen  hervorzuheben.  Alles  Andere  ist  entweder  in  derselben 
Weise  noch  an  vielen  anderen  Orten  zu  finden,  oder  verschieden.  Es  ist 
daraus  ersichtlich,  dass  eine  lediglich  auf  Ethnographica  sich  gründende 
Gliederung  hier  sehr  misslich  ist;  denn  wir  würden  auf  diese  Weise  aus- 
gedehnte Bezirke  gewinnen,  die  wegen  der  grossen  Verschiedenheiten 
keineswegs  ein  geschlossenes  Ganzes  bilden,  mag  auch  die  genauere  Unter- 
suchung trotz  äusserer  Gleichartigkeit  noch  mehr  Verschiedenheiten  auf- 
weisen. Wohl  ist  das  wenige  Gemeinsame  ausschlaggebend  für  den  Zu- 
sammenhang, da  viele  eigen thümliche  Geräthe,  Stoffe  und  Formen  auf 
ganz  beschränktem  Raum  vorkommen,  wie  die  Kürbis-  und  Kokosnuss- 
schälchen  auf  den  Tami-Inseln,  die  langen  Schilde')  bei  den  Jabim,  eine 
Keulenform  mit  besonderem  Griff  und  vielleicht  die  Steinkeulen  bei  den 
Kai -Leuten  u.  s.  w.  Aber  wie  gesagt,  Uebereinstimmungen  reichen  mit- 
unter sehr  weit,  und  auch  auf  engem  Raum  wird  man  häufig  nicht  mehr 
Aehnlichkeit  finden,  als  auf  weitem,  da  unsere  Museen  ja  nicht  mit  allen 
vorkommenden  Dingen  und  ihren  Variationen  ausgestattet  sind.  Auf  diese 
>Veise  wären  also  unsere  beiden  Districte  schwer  weiter  zu  gliedern. 
Um  so  willkommener  muss  daher  die  Hülfe  der  Ornamentik  sein,  wo  sie 
so  entwickelt  ist,  wie  in  unserem  Gebiet. 

Bemerkenswerth  ist,  dass  in  der  Landschaft  Poum,  die  schon  zum 
District  Astrolabe-Bai  gehört,  die  fein  geflochtenen  eigenthümlichen  Haar- 
bänder jener  Ge«::ond  zuerst  vorkommen,  und  auch  die  „Kleidung"  nach 
Sc  hei  long  wie  in  Constantinbafen  ist*). 

1)  0.  öchellong,  Boitr&ge.  Zeitschr.  f.  Kthnolo^e  XXIII,  1891,  S.  158-169,  162, 
169—170,  178. 

2)  Daf^cgen  sollen  nach  Zöller  dit^se  Schilde  nur  bei  den  Kai- Leuten  vorhanden  sein 
(Dcutech-Neu-Guinea  1891  S.  12\ 

8)  Beitrftge,  Zeitachr.  f.  Ethnol.  XXIII,  1891,  S.  172. 


Künstlerische  Darstellungen  ans  Kaiser- Wilhelms-Land.  103 

Handel  und  Verkehr.  Obwohl  die  Eingeborenen  unseres  Gebietes 
keine  grossen  Seefahrer  sind,  die  den  Verkehr  weithin  tragen  könnten, 
60  weisen  doch  einige  Angaben  darüber  sogar  über  die  Grenzen  des 
Distriets  Finschhafen  hinaus.  Als  die  Expedition  Schneider  am  5.  De- 
cember  1887  in  der  Nassau-Bucht,  etwa  25  km  südlich  vom  Cap  Parsi,  mit 
den  Eingeborenen  in  Kampf  gerathen  war,  war  die  Nachricht  davon  bereits 
über  Land  nach  Finschhafen  vorausgeeilt,  als  die  „Samoa"  mit  den 
Expeditionsmitgliedern  dort  am  13.  December  eintraf*).  Die  Bewohner  der 
kleinen  Insel  Bili-Bili  südlich  von  Friedrich  Wilhelms-Hafen  in  der  Astro- 
labe-Bai  sollen  nach  dem  Bericht  dos  Freiherrn  von  Schleinitz  ihre 
Thontöpfe  bis  nach  Finschhafen  und  weiter  vertreiben'),  wodurch  freilich 
ein  directer  Verkehr  noch  nicht  behauptet  wird.  Auch  Schellong') 
schreibt  von  Eella,  dem  südlichen  Bili-Bili  —  „mit  Export  von  Koch- 
töpfen, desgl.  von  Djanem  (Schildpatt-Ohrringen)  und  mbi*'  (Armringe  aus 
Trochus  nil oticus)*):  „Von  diesem  Ort  war  zur  Zeit  meines  Aufenthalts  (in 
Finschhafen)  öfters  die  Rede.  Aus  einem  Gespräch  mit  Bewohnern  der 
Tami-Inseln  schien  hervorzugehen,  dass  sie  sich  dort  die  Grenze  des 
Himmelsgewölbes  denken.  Hier  steigen  die  Verstorbenen  in  die  Sterne 
zum  Himmel  hinauf,  die  Häuptlinge  in  die  grossen,  die  Frauen  in  die 
kleinen."  Es  erscheint  also  als  die  äusserste  sagenhafte  Grenze  der  be- 
kannten Welt.  Nach  Finsch*)  erstrecken  sich  dagegen  die  Fahrten  der 
Bili-Biliten  bis  nach  Karkar  (Insel  Dampier)  im  Norden  und  Cap  Teliata 
im  Süden,  —  also  nicht  einmal  bis  zur  Grenze  unseres  Distriets,  —  und 
ebenso  besuchen  Bewohner  dieser  Orte  die  Insel.  Die  Tami- Insulaner 
dringen  in  ihren  Segelkanus  bis  Neu -Britannien  und  zur  Insel  Rook  vor 
und  verhandeln  ihre  Producte,  Oocosnüsse,  Kürbisschälchen,  kahnförmige 
Holzschalen  mit  hübscher  Bemalung,  Schildpatt- Verzierungen  u.  dgl.  m. 
„weit  und  breit**  in  den  Küstendörfern  unseres  Distriets.  Andererseits 
kommen  die  Rook-Insulaner  bis  nach  Finschhafen*). 

Was  jewes  „weit  und  breit**  Schellongs  bedeutet,  wird  uns  vielleicht 
aus  der  Schilderung  des  Barium  -  Beschneidungsfestes  desselben  Autors 
näher  gebracht.  Bei  diesem  in  grösseren  Zwischenräumen  wiederkehren- 
den Festcyclus,  der  ein  ganzes  Jahr  in  Anspruch  nimmt,  waren  ^tls  Gast- 
geber,   bezw.   Gäste  Bukaua-,    Kai-,  Jabim-   und  Tami-Leute  vereinigt'). 


1)  Nachr.  aus  K.  Wilh.-Land  1887,  S.  167. 

2)  a.  a.  0.  1887,  8.  38. 

8)  Jabim-Sprache  S.  54  unter  .Eella**  und  Anm. 
4)  Schellong,  Jabim-Sprache  unter  („m)bi". 
6)  Ethnol.  Erf.  11,  S.  49. 

6)  Schellong,  Zeitschr.  f.  Ethnol.  a.a.O.  S.  178.  Münch.  Allgemeine  Ztg.,  15.  Febr. 
1889.    Finsch,  Ethn.  Erf.  n,  S.49. 

7)  Schellong,  Das  Barlumfest.  Internat.  Arch.  II,  1889,  S.  145 ff.  Für  die  auf  S.154 
aufgeführten  Dörfer,  die  an  dem  Fest  theilnahmen,  ist  leider  die  geographische  Lage 
meistens  nicht  zu  ermitteln. 


104  K.  Th.  Preoss: 

Einer  der  Tbeilnehmer  wollte  seiner  Zeit  in  Poum  beschnitten  sein. 
Aehnlich  hatten  sich  bei  einem  Fest  in  Tiggedu^  an  der  Grenze  der 
Landschaft  Bukaua»  dessen  Mittelpunkt  die  jungen  Mädchen  bildeten,  etwa 
2000  Personen  von  nah  und  fem,  theilweise  nach  tagelangem  Marsch,  ein- 
gefunden. C.  Hellwig  schreibt  darüber*):  »Es  waren  hier  Vertreter  der 
Perru-Stämroe,  aus  der  Nähe  von  Fortifications-Cap  sowohl,  wie  solche 
aus  dem  Innern  des  Hüon-Golfs,  aus  dem  eigentlichen  Bukaua,  —  sowohl 
die  scheuen  Bergbewohner,  wie  die  dreisteren  aus  den  Küstendörfem 
waren  vertreten^.  Bemerkenswerth  ist,  dass  auch  sonst  die  Stänune  in 
socialen  Beziehungen  stehen.  Heirathen  z.  B.  zwischen  Jabim  und  Poum 
sollen  gar  nicht  selten  sein*).  Jeder  „auch  nur  einigermaassen  gewitzte 
Papua^  spricht  femer  ausser  der  seinigen  eine  Nachbarsprache,  ältere 
Leute  sogar  zwei  bis  drei,  und  es  ist  Sitte,  die  vomehmeren  Knaben,  be- 
sonders die  Häuptlingssöhne  im  Alter  von  13  bis  15  Jahren,  zu  einem 
oft  mehrere  Tagereisen  weit  entfemt  wohnenden  befreundeten  Stamm  zu 
schicken,  namentlich,  damit  sie  die  Sprache  desselben  erlernen  und  die 
Beziehungen  zwischen  deu  Stämmen  auch  weiter  gepflegt  werden*). 

Lineare  Darstellungen.  Da  an  den  plastischen  Figuren  viele 
lineare  Ornamente  sind,  durch  deren  Elarlegung  oft  erst  das  Wesen  der 
ersteren  erkannt  werden  kann,  so  ist  es  zweckmässig,  hier  in  umgekehrter 
Reihenfolge,  als  in  der  Uebersicht  zu  beginnen.  Die  Muster  sind  auf 
Holz,  Schildpatt,  Kürbis,  Trochusschnecke  und  Bambu,  und  zwar  selten 
durch  Bemalung,  die  allerdings  gewöhnlich  hinzutritt,  sondem  fast  immer 
vermittelst  Schnitzerei  angebracht.  Die  Farben  sind  schwarz,  weiss,  roth. 
Einwirkung  des  Materials  auf  die  Darstellung  tritt  so  wenig  hervor,  dass 
wir  diesen  Punkt  vernachlässigen  können.  Nur  ist  zu  bemerken,  dass 
das  eigentliche  Feld  abwechselungsreicher  Combinationen  die  Kflrbis- 
körbchen  der  Tami-Inseln  sind.  Hier  ist  auch  das  menschliche  Gesicht 
in  kühnen  Curven  zum  Ausdruck  gebracht.  Mit  den  einfachsten  Linien 
sind  die  wenigen  Bambugeräthe  und  Trochusschnecken  verziert.  An 
ersteren  tritt  auch  Brandmalerei  auf.  Di^durch  bunte  Fäden  hergestellten 
Muster  in  den  gehäkelten  Taschen  tragen  natürlich  einen  ganz  anderen 
Charakter  und  weisen  auch  andere  Farben  auf. 

Die  Menschengestalt.  Beginnen  wir  mit  der  ganzen  Menschen- 
figur. Doch  müssen  wir  zur  Ableitung  der  Formen  auch  die  Darstellungen 
des  Districts  Astrolabe-Bai  zu  Hülfe  nehmen,  obwohl  kein  Zweifel  übrig 
bleiben  kann,  dass  trotzdem  der  Mensch  das  Urbild  ist.  Tanzende  Ge- 
stalten, die  einander  bei  der  Hand  gefas^t  haben,  würden  wir  ohne  Weiteres 
in  Fig.  3  erkennen,  allein  in  der  Literatur  kommt  die  Beschreibung  eines 
solchen  Tanzes  nicht  vor,    und  es  ist  klar,    dass  ein  Reihenomament  der 

1)  Nichr.  ans  K.  Wilhelm-Land  188i*,  S.  87. 

2)  Schell ong,  InUrnat  Arch.  II,  1889,  S.  146. 

8)  a.  a.  0.  146.   Den.,  Das  FamilieDleben  der  Papuas.    Z.  f.  Ethnol  XXI,  1889,  S.  16. 


RäDstlcriscbe  DantellnDgen  ans  Kaiser-Wilhelms-LaDd.  105 

MeDScheafigur  besonders  Arme  und  Beine  verbiiideD  wird.  Dass  jedoch 
das  Urbild  für  den  District  Finschhafen  (Fig.  1),  wie  es  auf  den  Lang- 
Bchilden  vorkommt,  oder  die  Darstellung  auf  der  Sepiaschale  (Fig.  2) 
tanzt,  hat  theils  wegen  des  Federkopfschmucks,  tbeils  wegen  der  erhobenes 
Hände  und  FOsse  die  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Federpntz,  Kopf  und 
Körper  sind  zwar  in  der  Fig.  1  in  drei  Theile  zerlegt.    Sie  geboren  aber 


Fig.  1—10.  HenscbengestalteD. 
1)  '/„  d.  wirk).  Gr.,  Theil  der  Bemalung  eines  Schildes,  Finschhafen.  —  2)  '/,.  Sepia- 
Khale,  Friedrieh  Wilhelms- Hafen.  —  S)  '/f  Bambubebälter,  ohne  ProvcnieDi.  Abreibung.  — 
4)  Vi-  Bambolianini,  Tiggedu.  —  6)  '/,.  Griff  eines  „Häuptlingsstabes",  Kai.  —  6)  '/.- 
BambubebftIteT,  ohne  Provenienz.  —  T)  '/<■  Desgl.  Kelana  bei  Cap  KOnig  Wilhelm  nördlich 
Tom  Cap  FortilicBtion.  —  8)  '/i-  Armband  aus  Trochus,  Finschhafen.  —  9)  '/,.  desgl., 
Cap  Cretin    -  10)  '/,.    Desgl.,  Finschhafen. 

zusammen,  und  auf  einem  anderen  Schilde  (Fig.  15)  ist  auch  der  mehr  rea- 
listisch gebildete  Federbuech  mit  dem  Kopfe  verbunden.  Wie  sich  nun  durch 
Vereinfachung  der  Formen  die  Henschenägur  entwickelt,  ist  ohne  Worte 
aus  den  Abbildungen  zu  ersehen.  Der  Kopf  verschwindet,  nnd  Arme  und 
Beine  werden  in  den  Reihenornamenten  einfache  gerade  Linien,  die  zwischen 
je  zwei  Gestalten  im  Winkel  zu  einander  auslaufen,    z,  Th.  auch  (Fig.  8) 


106  K.  Th.  pREfse: 

sich  Bchoeiden.  Auch  die  Fig.  7,  ia  welcher  die  Extremitäten  vom  Leibe 
getreant  sind,  ist  wohl  mit  Sicherheit  hierhin  zu  rechneu.  Nun  gehört, 
entsprechend  der  sonstigen  Ornamentik,  der  rhombische  Leib  der  Kflnimer- 
formen  ohne  Kopf  dem  Distrlct  Astrolabe-Bai  an,  —  die  betreffenden  Stücke 
ohne  Angabe  werden  durch  andere  darauf  ausgeführte  Muster  dem 
District  zugewiesen,  —  der  ovale  dem  District  Finschhafeo,  während  die 
gerade  Linie  des  Leibes,    wie  die  Armbänder,    auf  denen  sie   dargestellt 


1* 


Fig.  11-16.    OesichtsornBinent. 

11)  Vi-    Holwrhwert,  Jabiin.  —  12)    '/i-    Cocosnuss-SchSlchcn,  Tami-Inseln    —  13)  '/,. 

Holischwert,  ohao  ProveDioni.  Abreibuug.  —  14)  '/,.   Cocosnuss-Schilchen,  Tami-Inaeln.  — 

li)  Vw  Theil  derBemalung.'inesSchililes,  FinschUfeu.  —  16)  '/,.   Schildpalt- Armband, 

llüon-G<ilf'). 

ist,  bt'idt'n  Bezirken  eigen  ist.  Schliesslich  ki'uuen  auch  Arme  und  Beine 
wegfallen  und  es  bleiben  nur  ilie  Leiber  übrig:  Khomben  im  District 
Astrolabe-Bai,  parallele  Striche  (Fig.  l<f)  auf  den  Trochus-Armbändern. 
Die  Einschnürung,  welche  in  Fig.  D  der  Leib  am  Ansatz  der  Arme  und 
Beine  erfUlu-t,    ist  als  Resultat  der  Technik,    nehmlich  bei  der  Einritzung 

I)   Alle    Stücke    mit    der  Aiigabo  ,HQgii-fiolf*    aind    etwas    wcytlidi    vom   Cap   Parw 
gesammelt. 


Künstieiische  Darstellungen  ans  Kaiser- Wilhelms-Land.  107 

der  in  der  ZeichnuDg  schwarz  ausgeführten  Linien  zu  betrachten:  die 
Arme,  wie  die  Beine  jeder  einzelnen  Figur  haben  bei  ihrer  Fortsetzung 
zum  Rande  des  Armbands  den  Leib  oben  und  unten  verbreitert.  Ein 
Gentrum  der  Fabrication  solcher  Ringe  soll  in  unserem  District  die  InBel 
Rook  sein^).  Es  sind  übrigens  die  einzigen  ornamentirten  Gegenstände 
jener  Insel.  Sie  lassen  jedoch  die  Zugehörigkeit  zu  einem  der  beiden 
Districte  offen.  Aus  den  Kai -Dörfern  sind  die  Armringe  nicht  bekannt, 
wie  das  Material  von  dort  überhaupt  gering  ist,  aber  genügend,  um  die 
Zugehörigkeit  zum  District  ausser  Frage  zu  stellen. 

Das  Gesicht.  Die  Darstellung  des  Menschengesichts  hat  die  Eigen- 
thümlichkeit,  dass  gewöhnlich,  in  unseren  Zeichnungen  immer^  der  Feder- 
kopfschmuck, wie  er  beim  Tanze  z.  B.  am  Barlümfest  gebraucht  wird,  ab- 
gebildet ist.  Jedoch  ist  nur  der  Schmuck  der  Fig.  15,  die  übrigens  in 
Wirklichkeit  einen  ebensolchen,  vom  Kopf  getrennten  Leib  hat,  wie  Fig.  1, 
als  solcher  zu  erkennen.  Auch  der  hohe  Aufsatz  von  Fig.  11  entspricht 
einigermaassen  einer  Abbildung  bei  Schellong*).  Die  helmartigen  Zier- 
rathen  Fig.  12  und  13  erinnern  an  den  ebenfalls  abgebildeten'),  im  Museum 
befindlichen  Gesichtshelm,  einen  kegelförmigen,  spitzen,  von  Federschmuck 
überragten  Hut  aus  einem  mit  Bast  überspannten  Gestell,  der  vorn  ein 
Gesicht  trägt.  Auch  die  sonst  in  ähnlicher  Form  nicht  vorkommende,  in 
Fig.  13  oben  schwebende  Darstellung  kann  möglicher  Weise  noch  als  ein 
zweiter  Schmuck  gelten,  wenn  auch  dem  Künstler  zugleich  die  Gestalt 
eines  Thieres  vorgeschwebt  haben  mag.  Dieses  Thier  ohne  ähnliche  Typen 
benennen  zu  wollen,  ist  vollkommen  zwecklos.  Vermengung  von  Kopfputz 
und  bestimmten  thierischen  Formen,  nehmlich  Fischen,  werden  wir  noch 
später  begegnen  (Fig.  110),  und  es  ist  auch  als  Zierde  der  Beschnittenen, 
die  in  die  Armringe  gesteckt  wird,  ein  über  drei  Holzstäbchen  gespanntes 
Blatt  mit  einer  Feder  im  Museum  vorhanden,  das  einen  Fisch  darstellt. 
Dass  aber  sonst  Blätterschmuck  in  die  Armbänder  gesteckt  wird,  ist 
bekannt.  Auch  die  nicht  zu  erklärende,  aber  sicher  ein  Thier  darstellende 
Gestalt  in  Fig.  14  schwebt  über  dem  Kopfputz  eines  anderen  Gesichts  auf 
dem  Schälchen  Fig.  12,  wo  jede  der  symmetrisch  angebrachten  Gesichter 
eine  zweite  Verzierung  über  dem  Kopfputz  trägt.  Solche  Kopfputze  bilden 
hier  auch,  regelmässig  auf  der  Peripherie  eines  Kreises  vertheilt,  einen 
Stern.  Auf  der  Abbildung  (Fig.  12)  sind  davon  jedoch  nur  einige  Aus- 
läufer zu  sehen,  da  der  Stern  den  Boden  einnimmt.  Charakteristisch 
sind  die  Dreieck-  oder  Zickzackumrahmung  der  Augen,  die  der  erwähnten 
Bemalung  der  Beschnittenen  beim  Barlumfest  entspricht,  femer  die  Ohren, 
welche  meist  aus  je  zwei  einen  stumpfen  Winkel  bildenden  Linien  be- 
stehen (Fig.  11 — 13,  16),  und  die  wagereeht  stehenden  Nasenflügel,  welche 

1)  Schellong,  Jabimsprache  unter  „(in)bi''. 

2)  Das  Barlamfest    Internat.  Arch.  II,  1889,  8. 149. 
8)  a.  a.  0.  Taf.  YII,  Fig.  1. 


108  K.  Ts.  PREU88: 

an  den  Enden  nach  nnten  umbiegen.  Der  Mund  ist  zuweilen  mit  einer 
gemalten  Fortsetzung  nach  beiden  Seiten,  -wie  in  Fig.  17,  bedacht,  was 
Tielleicht  auch  der  Bemalung  der  Beschnittenen  entspricht*).  Die  Ver- 
bindung der  gewöhnlich  ovalen  Äugen  mit  der  Nase  ist  eine  verschiedene, 
ebenso  die  Form  der  letzteren,  welche  auch  bimförmig  (Fig.  17.  24) 
sein  kann. 


Fig.  IT— 23.    Nstcnornament. 

17)  Vj.    Kürbis-Schlichen,  Tami-Inseln.  —  18)  '/„    Schildpatt- Armband,  Finschhkfen.  — 

19)  '.',.    KürbiB-Schftlchen,   Tuni-Inseln.    Abreibung.  —  30)  ■/■'    Seitenbord  eines  KanD- 

modells,  desgl.  —  21)  */(•    desgL,  .Finschhafen  iiod  Umgebniig'.  —  22)  und  33)  Vi-    dmgl. 

Tami-Inaeln. 

Die  Nase.  Die  einzelnen  Theile  werden  auch  allein  zum  Gegenstand 
der  Darstellung  gemacht  werden.  Betrachten  wir  zunächst  die  Nase,  deren 
nach  unten  gekrümmte  Flügel  eich  spalten  und  dann  wie  gewaltige  Eber- 
liauer  abwärts  gerichtet  stehen  (Fig.  17  —  19).  Die  Entwickelung  zeigt  die 
Figurenreihe  17 — 23;  jedoch  habe  ich  dieses  Motiv  nur  an  wenigen  Ge- 
r&then  der  Tami-Inseln  und  Finschhafens  beobachten  können.  In  Fig.  20 
bilden  sogar  zwei  Nasen  der  Art  ein  neues  hObsches  Muster;  rein  orna- 
mentale Zähne  sind  zu  weiterer  Ausschmflckung  liinzuKefögt.  Fig.  21 
zeigt  jedoch  diese  Herrlichkeit  bereits  in  rohe  Schemen  verwandelt,  was 
auch  an  der  FIflchtigkeit  liegen  mag,  mit  welcher  die  Bemnlung  des  be- 
treffenden Kanumodells  ausgefährt  ist.  Derartige  Nasen,  jedoch  ohne  die 
Zweithoilung  der  FlQgvl  sehen  wir  auch  an  i\et  folgenden,  hOehst  merk- 
würdigen Fig.  22.  welche  oben  Augen  and  Nase,  etwa  wie  Fig.  13,  besitzt, 
dagegen    unten    ein   einziges  Auge  mit    den    üblichen   Zacken,    an    denen 


1)  TgL  die  Abbildung  bei  Schellong,  Barloinrest.    luteraat.  Arcb.  U,  8. 160. 


K&nsÜerische  DanUlluigen  aus  Kaiser- Wilhelms-Land.  109 

unfehlbar  die  Augennatur  zu  erkennen  ist,  obwohl  sonet  die  Augen  selten 
rund  gezeichnet  werden  (vgL  Fig.  137).  An  diesem  einen  Auge  hängt 
nnten  nach  rechts  und  nach  links  je  eine  kleine  Nase,  die  in  der  folgenden, 
sonst  ganz  ebenso  beschaffenen  Fig.  23,  von  der  hier  jedoch  nur  der  ünter- 
theil  zu  sehen  ist,  kaum  noch  ohne  Fig.  22  zu  erkennen  sein  würden, 
da  die  Nasenflflgellinien  am  unrechten  Orte  sitzen.  Jetzt  werden  wir  auch 
vermuthen  dürfen,  dass  in  Fig.  20  die  zwischen  den  beiden  gegeneinander- 
gerichteten  Nasen  befindliche  Darstellung  zu  ihrem  Mittelpunkt  ein  Auge 


Fig.34— 86.    Augenornament  I. 

24)  V,.  Kürbis-Kalebasse,  Cap  Forttfioation.  —  26)  '/••  Kürbis-Scbllchen,  Finschhafen.  — 
26)  '/,.  Schildpatt-Armband,  desgl.  Abreibung.  —  27)  '/*■  Ruderblatt,  Fiiucbbafeii.  — 
28)  Vi-  Selbständige  Figur  (Mensch  mit  Krokodil),  Cap  Cretin.  —  29)  '/,,  Lüffe Ist iel ende 
(Vogel),  „Finachhafen  ond  Umgebung*.  —  80—31)  '/,,  Trommel,  Tami-Insel.  Abreibung,  — 
82)  7^  Theil  einer  Trommel,  Fortifieation- Point-  —  88— M)  '/i-  Schildpatt-Ohrring  beiw. 
Armband,  Hüon-Golf.    Abreibung.  —  85)  Vi-    Trommel,  desgl 


110  E.  Th.  Preuss: 

hat,  das  vielleicht  die  gaoze  Gestalt  vertreten  soll.  Ob  die  Verbindungt- 
linien  mit  den  Rändern  die  Beine  andeuten  sollen?  Das  a  unten  in 
Fig.  19  ist  als  Beweis  europäischer  Cultur  nicht  zu  verkennen. 

Das  Auge  I.  Gegenüber  dem  spärlichen  Vorkommen  des  Nasen- 
ornaments ist  die  Verwendung  des  Augenornaments  sehr  häufig  in  der 
Gestalt  von  flachen,  mit  den  concaven  Seiten  einander  zugekehrten  Kreis* 
Segmenten,  denen  die  ^»Augendreiecke^  häufig  noch  anhaften  (Fig.  25^  26), 
oder  wenigstens  ihre  inneren  Seiten,  welche  vom  Zusammenstossen  der 
Augenbogen  an  schräg  nach  aussen  gerichtet  sind  (Fig.  28).  Letzteres  kommt 
auch  auf  Gesichtern  vor,  wo  dann  der  Band  des  Gesichts  die  andere  Seite 
des  „Augendreiecks"  bildet  (vgl  Fig.  66).  Wenn  nun,  wie  in  Fig.  29, 
die  Augen  in  einen  Strich  verkümmern,  so  nehmen  sie  sich  zusammen 
mit  den  eben  besprochenen  restirenden  Linien  der  „Augendreiecke"  als 
etwas  ganz  Neuartiges  aus.  Andere  Augen  wiederum  haben  oben  und  unten 
concentrische  Bogen,  die  am  höchsten  und  tiefsten  Punkt  einen  Zahn- 
auswuchs aufweisen  (Fig.  24,  32a),  ähnlich  wie  das  auch  bei  der  „geo- 
metrischen" Omamentirung  durch  kleine  Kreise  geschieht,  z.  B.  Fig.  180  am 
linken  Hinterfuss.  Vollständige  Augenbänder  zeigen  die  Trommel  Fig.  32 
und  die  Fig.  30,  31,  und  zwar  erstere  bei  c  mit  concentrischer  Einfassung. 
Besonders  lehrreich  ist  die  Ausfüllung  des  Raumes  zwischen  den  Augen 
dieser  Figuren.  Indem  man  nehmlich  nach  Art  der  Fig.  28  von  den  inneren 
und  äusseren  Augenwinkeln  schräg  aufwärts  Striche  zog  (Fig.  326),  die, 
wie  wir  wissen,  sich  von  den  „Augendreieckeu"  herschreiben,  und  diese, 
wenn  sie  nicht  zusammenstiessen,  durch  eine  oder  mehrere  Zacken  verband 
(Fig.  30,  31),  —  was  sehr  an  die  ursprünglich  an  den  Gesichtern  vor- 
kommenden erwähnten  Augenzacken  erinnert,  —  so  entstanden  zwischen 
je  zwei  Augen  oben  und  unten  dreieckige  Räume,  in  welche  theils  Zacken 
oder  Winkel  (Fig.  30  rechts,  326),  theils  Stücke  von  Ovalen  (Fig.  30  links, 
326)  geritzt  wurden.  In  der  Fig.  31  stehen  die  Augen  weiter  aus  einander 
und  sind  durch  ein  Ornament  verbunden,  das  später  noch  erklärt  werden  soll, 
das  der  Krokodilaugen.  Häufig  ist  noch  zwischen  jedem  Augenpaar  eine  Art 
von  Nase  angedeutet,  wie  in  Fig.  26.  Das  Ruderblatt  in  Fig.  27  zeigt  eine 
Reihe  von  Augen  über  einander  und  unten  als  Abschluss  ein  gewaltiges  Auge. 
Die  omamentale  Ausfüllung  des  zwischen  den  obersten  Augen  liegenden 
Raumes  durch  Theile  von  Ovalen  leitet  zu  den  Formen  Fig.  34  und  35 
über,  deren  Entstehung  auf  ähnliche  Weise  vorläufig  nicht  ganz  sicher  ist 
Dass  wir  aber  in  der  Mitte  von  Fig.  33  die  durch  viele  concentrische 
Linien  umgebenen  Augen  vor  uns  haben,  erscheint  kaum  zweifelhaft 
Schliesslich  bürgen  die  eingangs  der  Gruppe  aufgeführten  beiden  Gesiebter 
dafür,  dass  wir  es  in  der  ganzen  Serie  wirklich  mit  „Augen"  zu  thun 
haben.  Fig.  24  zeigt  noch  ein  vollständiges  Gesicht,  es  finden  sich 
aber   bereits    drei    überflüssige  Augen    darin;   Fig.  25  hat  ein  Augenpaar 


Künslleriacbe  DarstellangeD  ans  Kaiser-WilhelmB-Lind.'  ]]1 

mit  „Augendreiecken"  statt  des  Mundes,  während  die  Nase  zu  kurz  ge- 
rathen  ist.  Freilich  kann  das  Gesicht  auch  umgekehrt  „genossen"  werden, 
man  wird  dann  aber  die  einzelnen  Augen  nicht  als  StellTertretung  anderer 
Geaichtstheile  auffassen  können.  Wo  diese  Augen  überall  Torkommen, 
das  aufzuzählen,  ist  unmöglich.  Es  sei  also  nur  noch  auf  die  etwas 
Tariirten  Augen  in  der  Mitte  von  Fig.  5f>  und  183  aufmerksam  gemacht. 


3t..  58. 


Fig.  86— M.    Augonornament  II. 

86)  etwa  '/»■    Relief  auf  einem  Brett  bd  einem  Oemeindehana*!,  Suam  bei  Pinschhafen.  — 

87)  Vf   Schildpatt-Annband,  HSon-äolf.  —  38)  ■/*.    Ruderblatt,  Cap  Fortification.  —  89)  '/■■ 
Schildpatt- Ann  band,  WonDam,  Tami- Inseln.    Abreibung.  —  40«,  6  —  41)  Vi-  desgl.  Tami- 

Inseln.  —  42—44)  '/,.    Trommel,  Tami-InselD. 

Das  Auge  II.  Die  Augen  werden  aber  auch  anders  dargestellt, 
nehmlich  durch  ein  Segment,  das  von  einer  geraden  Linie  begrenzt  ist. 
Das  sehen  wir  häufig  an  geschnitzten  Köpfen,  besonders  wenn  der  obere 
Augenhöblenrand  oder  das  Ende  des  Augenlides,  die  Lidspalte,  durch 
einen  tiefen  Absatz  bezeichnet  ist  (Fig.  32  oben  links,  36,  66).  Isolirt 
bemerken  wir  derartige  Augen  in  Fig.  39.  Fig.  40a  zeigt  Gruppen  solcher 
Augenbögen  in  Staffeln  über  einander  gethürmt.  In  Fig.  40^  nehmen  die  ein- 
zelnen Augen  eine  winklige  Stellung  zu  einander  ein,  und  in  Fig.  41  ist  die 
Schrägstellung  derart  volleudet,  dass  nichts  mehr  den  Ursprung  verräth.  Die 
Freude  an  der  Gestaltung  neuer  Motive  war  der  Hebel  dazu.  Doch  wollen 
wir  noch  einen  weiteren  Beweis  dafür  liefern,  dass  das  Endglied  Fig.  41  in 
der  That  von  den  Äugen  hergeleitet  ist,  nehmlich  durch  die  Fig.  42 — 44, 
Obwohl  es  nicht  klar  erscheint,  ob  die  Halbkreisform  derselben  sofort  als 

1)  Die  ZeicbnuDgen  der  Pignren  auf  den  4  im  Museum  befindlichen  langen  Brettern 
könnten  nnr  anTollbommen  gcachefaen,  da  diese  magaiinirt  waren. 


112  K.  Th.  Priüss: 

Gesichtsumriss  gezeichnet  oder  auf  andere  Weise  entstanden  ist^)  und  erst 
später  mit  den  Kennzeichen  des  Gesichts  erfüllt  wurde,  so  deutet  doch  die 
Ausschmückung  des  inneren  Raumes  nicht  darauf  hin,  dass  jemals  andere 
Ornamente,  als  die  des  Gesichts,  darin  ihren  Platz  gefunden  haben.  Ebenso 
ist  es  mit  Fig.  46  und  den  anderen,  an  derselben  Stelle  der  Trommeln 
vorkommenden.  Halbkreisen;  sogar  in  Fig.  32  unten,  wo  statt  des  Halb- 
kreises noch  oder  schon  ein  Theil  eines  Ovals  entstanden  ist,  enth&lt  der 
Raum  dieselbe  Grrundeintheilung  des  Gesichts.  Wir  sehen  in  Fig.  42  die 
vollständigen  Augen  mit  Nase  und  Nasenflügel,  sonst  aber  wenigstens 
immer  den  unten  sich  verbreiternden  Nasenrücken  und  die  bis  zum  Ab- 
schluss  der  Nase  reichenden,  gewaltig  vergrösserten  Augenhöhlen,  die  in 
Fig.  43  mit  krummen,  den  Umrissen  einigermaassen  parallelen  Linien,  in 
Fig.  44  mit  den  schon  erwähnten,  schräg  zu  einander  verlaufenden  Segment- 
bündeln erfüllt  sind.  Inwieweit  also  letztere  mit  den  Augen  zusammen- 
hangen, kann  jetzt  jeder  selbst  entscheiden.  Diese  zweite  Art  von  Augen 
ist  ebenfalls  gar  nicht  selten,  und  wir  werden  ihnen  noch  öfters  begegnen. 
Jetzt  sei  nur  auf  die  Fig.  33  hingewiesen,  wo  beide  Augenarten  neben 
einander  vorkommen,  und  zwar  die  zuletzt  besprochenen,  wie  gewöhnlich,, 
am  Rande.  Fig.  37  zeigt  ein  Band  solcher  gegenübergestellter  Augen, 
und  setzt  man  dazu  die  „Augendreiecke",  so  hat  man  in  Fig.  38  ein  Muster, 
das  auch  angewandt  wird,  nachdem  die  Augen  in  gerade  Linien  ver- 
kümmert sind. 

Der  Mund.     Endlich   müssen    wir  auch  dem  Munde  sein  Recht  zu- 
kommen lassen.   In  Fig.  45  sieht  man  ein  Mensch  engesicht  mit  ungeheurem 
Munde,  der,  sich  im  Halbkreise  nach  oben  wendend,    mit  dem  die  Augea 
concentrisch   umschliessenden,   gezähnten    Segment   verwächst.     Die   un- 
gegliederte Nase  hat  auf  ihrem  Rücken  ein  Omamentbaufl,  das  nach  oben 
zu  durch  einen  normalen  Mund  abgeschlossen  wird.    Man  kann  eben  das- 
Gesicht,  wie  das  in  Fig.  25,  von  unten,  wie  von  oben  betrachten,  während 
die   Gesichtsrundung  eigentlich  das  Letztere  erfordert,    so   dass  dann  der 
normale  Mund  der   eigentliche  ist.     Diesen  kann  man  in  ähnlicher  Form 
auch   an   anderen   Gesichtern   beobachten    (Fig.  66).      Ein    solcher   Mund 
unterscheidet   sich    vom    Auge    durch    die    abgerundet    ovale   Form,    die 
manchmal  an  einer  Längsseite  eingebuchtet  ist,    gewöhnlich  durch  einen 
horizontalen  Schlitz  in  der  Mitte.    In  Fig.  46,    die  ebenfalls  ein  groteskes 
Gesicht  mit  dreieckigen,  an  der  Innenseite  tief  eingezackten  Augen  zeigt, 
ist  der  ganze  Nasenrücken  mit  Mündern  der  einen  Kategorie  bedeckt,  die 
unten  durch  den  eigentlichen  Mund,   welcher   der  zweiten  Kategorie  an- 
gehört, abgeschlossen  werden.    Die  Areie  Verwendung  des  Mundes  auf  dem 
wie  ein  Nasenrücken  gestalteten  Mittelomament  in  Fig.  48  und  die  Hori- 


1)  Eine  Yennathiuig  über  die  Art  der  Entstehung  vird  sp&ter  aasgesprochen  werden* 


EÜnstlerische  Dustellangen  ms  Kafser-WilhelmB-Luid.  113 

zontalreihen  von  Doppel-  und  einfachen  Mündern  in  Fig.  47  dOrften  nun 
ohne  WeJtereB  einleuchten. 

Aach  dieses  Ornament  wird  sehr  yiel  gebraucht.  Ich  verweiBe  nur 
auf  die  Fig.  121,  136  und  187. 

Auge  und  Nase.  Sehr  eigenartige  Gebilde  weist  das  Augen-Kasen- 
omament  auf.  Das  Gesicht  auf  dem  Miirser  Fig.  49  zeigt  eine  merkwürdige 
Form  der  Nasenflügel,  denn  solche  sind  es  und  nicht  etwa  der  Mund,  der 
iJfters  vernachlässigt  und  nie  so    enge  an    die  Nase    angeschloBsen   wird. 


Isgstsggl, 


Fig.  45  and  48.    Ornament  des  Mandes.    Fig.  49— M.    NaBeo-Angei 


45)  '/,.  KOrbis-SchKlcheii,  ohne  ProTenieni.  —  4G)  'U-  Tsomme!,  Finachhalen.  —  47)  '/.■ 
Bchildpatt-Armbimd,  Tami-Inaeln.  Abreibung.  —  48)  '/■-  SchildpatUOhMug,  Höon-Golf, 
desgl.  —  49)  '/,.  Mörser,  „Kaiser-Wilhelms- Land".  —  60)  '/*■  Trommel,  Finschhafen.  — 
61)  Vf  Trommel,  ohne  ProveDieni.  —  62—58)  >/>.  '3^^  eines  „HAuptlingsstabes",  Kai.  — 
54)  V«.    Stab,  Oap  Fortification. 

während  man  den  NasenSilgeln  stets  eine  besondere  Sorgfalt  erweist  und 
oft,  wie  erwähnt,  die  horizontale  Form  zuerkennt.  Eine  Reihe  solcher 
Nasen  nun,  mit  sehr  kurzem  Nasenrücken,  aber  gewaltigen  Flügeln  sieht 
man  in  Fig.  50  durch  Bogen  verbunden,  in  denen  ohne  Zweifel  die  eine 
bekannte  Augenart  II  zu  erkennen  ist.  Es  ist  femer  sehr  wahrscheinlich, 
dass  der  geschweifte  Mäander  Fig.  äl  eine  Folge  der  Abschleifung  dieser 
Darstellung  ist,  —  auf  welche  Weise,  ist  leicht  ersichtlich.  Wie  jenes 
Ornament,  kommt  auch  dieses  nur  auf  einer  einzigen  Trommel,  noch  dazu 


114  K.  Th.  Prkuss: 

ohne  Provenienz,  Tor;  allein  die  übrigen  Figuren  darauf  lassen  die  Her- 
kunft aus  unserem  District  nicht  zweifelhaft.  In  der  Erklärung  von  Fig.  52 
wird  man  vielleicht  weniger  glauben,  dass  zwei  gegeneinandergestellte 
Augenpaare  mit  Nasen,  durch  ein  Zickzackband  getrennt,  die  zum  Aus- 
druck gebrachte  Kreuzesform  abgeben.  Nasenrücken  und  -Flügel  haben 
nehmlich  hier  abweichend  von  der  sonstigen  Gewohnheit  der  Gegend, 
beide  Theile  genauer  zu  gliedern,  dreieckige  Form.  Nehmen  wir  nun 
zum  Beweise  die  Schildeinfassung  auf  den  Figuren  1  und  15  zu  Hülfe. 
Auf  beiden  Seiten  der  tanzenden  Menschengestalt  in  Fig.  1  sehen  wir  je 
eine  steigbügelartige  Form  flankirt  von  langgestreckten  unregelmftssigen 
Bogen,  die  in  der  Zeichnung  jedoch  nicht  ihre  völlige  Ausdehnung  zeigen. 
Die  Steigbügelform  ist  nichts  anderes,  als  die  typische  Nase  mit  Flügel; 
was  die  Bogensegmente  vorstellen,  kann  sich  nun  jeder  denken.  Aber  inner- 
halb der  letzteren  sehen  wir  wiederum  eine  Reihe  von  Segmenten,  welche 
die  typische  Augenform  II  repräsentiren.  Sie  sind  unterbrochen  von  Drei- 
ecken und  Rechtecken,  die  zuweilen  auch  an  den  nach  dem  Innern  des 
Schildes  zu  gelegenen  Ecken  abgeschliffen,  oder  überhaupt  unregelmässig 
gestaltet  sind.  Alles  zusammengenommen,  hoffe  ich,  wird  es  einleuchten, 
dass  wir  es  auch  hier  überall,  sowohl  im  Ganzen  wie  im  Einzelnen,  mit 
dem  Nasen -Augen -Ornament  zu  thun  haben.  Unkenntlicher  ist  dasselbe 
Motiv  auf  dem  zweiten  Schilde  Fig.  15,  von  dem  ausser  dem  oberen  Theil 
der  Malerei  in  der  Mitte  nur  die  obere  linke  Seite  zur  Reproduction  ge- 
bracht ist.  Aber  trotz  der  beuteiförmig  herabhangenden  Augen  und  der 
ganz  schematischen  Dreiecke  dazwischen  ist  die  Aehnlichkeit  mit  Fig.  1 
nicht  zu  verkennen,  und  verbunden  mit  derselben  Oertlichkeit  der  Dar- 
stellung ist  auch  dieselbe  Erklärung  zweifellos  am  Platze.  Gehen  wir  noch 
einen  Schritt  weiter.  Was  mögen  nun  wohl  die  weiter  von  den  Augen 
abstehenden  Dreiecke  und  Bogenformen  zwischen  den  Augen  der  Augen- 
bänder Fig.  30 — 32  darstellen,  die  wir  vorher  aus  den  Resten  der  „Augen- 
dreiecke"^,  verbunden  mit  dem  Bedürfniss  der  Ausfüllung  des  leeren  Raumes, 
erklärt  haben?  Vielleicht  auch  Nasen.  Die  Uuterscheidungsmöglichkeit 
in  der  Entwickelung  hört  hier  auf.  Doch  möchten  wir  die  letztere  Aus- 
sicht der  Erklärung  stark  in  Betracht  ziehen  und  nun  sogar  auf  die  senk- 
recht übereinandergestellten  Augen  in  Fig.  27,  34,  35  ausdehnen,  zwischen 
denen  dann  also,  ganz  deplacirt,  Nasen  als  Bogensegmente  erscheinen 
würden.  Doch  zurück  zu  unserer  Figurenreihe  52 — 54,  in  der  übrigens 
nur  die  Hälfte  des  abgewickelten  Ornamentes  zu  sehen  ist,  so  dass  also 
in  Fig.  52  in  Wirklichkeit  je  zwei  Nasen  und  zwei  Augen  oberhalb  und 
unterhalb  der  trennenden  Zickzacklinie  zu  sehen  sind.  Das  Ornament  zu 
einer  Seite  der  letzteren  kommt  übrigens  auch  allein  auf  einem  Schildpatt- 
Armband  vor.  In  Fig.  53  sind  die  Nasen  und  Augen  oben  und  unten,  von 
denen  letztere  den  abschliessenden  Strich  verloren  haben,  durch  die  be- 
kannte Menschenfigur  getrennt,    deren  Arme  und  Beine  in  Zickzacklinien 


Eünertlerbche  Dantellungen  aas  Euser-WUhelmB-Lsud.  115 

§chräg  auf-  Dnd  abwärts  aaslaufen.     Zwischen  den  letzteren  befinden  sich 
dann  noch  zwei  Aagen  des  Typus  I.   Endlich  ist  in  Fig.  54  die  Menscben- 


Fig  &6— 64.  Das  Togelkopf-OriiBmeDt  I. 
65)  '/•■  KannTemenmg,  Finflchhafeo.  —  66)  '/»■  Cocoanuss-SchSlcheo,  „Hatrfeldthafen',— 
67)  V,.  Angelhaken,  Hüon-Golf.  —  58)  '/>■  desgl.,  PinBchhafen.  —  59)  '/*■  Trommel,  Finsch- 
hafen.  —  60)  '/■■  Schildpatt- Arm  band,  Cap  Crctin.  Abieibaog.  —  61)  '/*•  desgl.  ,Finsch- 
hafen  beiir.  Tami-Inseln",  deagU  —  62)  '/,.  Haken,  Tami-Inseln.  —  68)  '/,.  Schildpatt- 
Annband,  Finschhafen.  —  64)  '/t-    desgl.,  H6od-GoU.    Abreibang. 


116  K.  Th.  Pbbüss: 

gestalt  in  der  Mitte  auf  einen  geraden  SMch  reducirt;  die  Zickzackreihen 
haben  mit  ihm  nichts  mehr  zu  thun,  die  A.ugen  in  der  Mitte  sind  unförm- 
liche Ovale  geworden,  die  Augen  oben  und  unten  nur  noch  als  Begrenzung 
der  Zickzacklinien  da,  die  Nasen  von  ihm  getrennt  und  ebenfalls  als 
Ovaltheil  gestaltet 

Der  Vogelkopf  I.  Unter  den  linearen  Tbierdarstellungen  unseres 
Districts  erlangt  die  höchste  Bedeutung  der  Yogelkopf,  weil  er  —  und 
augenscheinlich  immer  derselbe  bestimmte  —  zu  mannichfachen,  scheinbar 
geometrischen  Ornamenten  sich  umwandelt,  überall  auftritt  und  in  Ver- 
doppelung sehr  oft  Tbeile  von  Figuren  bildet,  in  denen  er  als  etwas  ganz 
Anderes,  als  Flügel  von  Vögeln,  als  Füsse  von  Schildkröten  u.  dgl.  m.  er- 
scheint. Immer  mehr  wird  uns  durch  dieses  Motiv  klar  werden,  wie 
mosaikartig  jedes  einheitliche  Ganze  aus  heterogenen  Elementen  zusammen- 
gesetzt ist,  und  welche  lange  Entwickelung  deshalb  die  Kunst  unseres 
Districts  erfahren  hat.  Vögel  in  linearen  Umrissen  sehen  wir  nur  zu 
beiden  Seiten  der  Fig.  55,  die  als  Qanzes  ebenfalls  einen  stilisirten  Vogel 
darstellt,  wie  aus  dem  Schwanztheil  unverkennbar  hervorgeht.  In  dem 
Tbeile  der  Figur,  den  man  für  den  Kopf  des  Vogels  ansehen  muss,  tauchen 
wiederum  zwei  Vogelköpfe  auf,  und  femer  zeigt  Fig.  56  einen  Vogel  wie 
zum  Fluge  ansetzend  oder  zur  Ruhe  übergehend,  dessen  geöffneter  Schnabel 
eine  gewellte  Doppellinie  bildet.  Das  Cocosnusskörbchen,  welches  die 
letztere  Darstellung  enthält,  hat  als  Provenienz  die  Angabe  Hatzfeldthafen, 
stammt  aber  wohl  von  den  Tami-Inseln,  sicher  aus  unserem  District  Alle 
diese  Gestalten,  für  die  Bilder  in  der  Natur  zu  suchen  unmöglich  ist, 
treten  nur  in  den  Fällen  auf,  die  durch  Zeichnung  fixirt  sind,  und  haben 
mit  „unserem^  Vogelkopf  nichts  zu  thun.  Jedoch  bemerken  wir  auch  bei 
diesen  Vögeln,  dass  die  oberen  Umrisse  des  Kopfes  ohne  irgend  welche 
Einbuchtung  in  die  Schnabellinie  übergehen.  Das  deutliche  Urbild  „unseres'' 
Vogelkopfes  sehen  wir  auf  dem  Angelhaken  Fig.  57  durch  die  weissen  Linien 
dargestellt.  Der  Kopf  ist  also  nach  links  gerichtet,  während  der  rechts  ge- 
kehtre  Haken  mit  Hülfe  desselben  Auges  einen  zweiten  Vogelkopf  zu  zeigen 
scheint.  Dass  dem  wirklich  so  ist,  erkennen  wir  an  Fig.  58.  Hier  dürften 
die  nach  beiden  Seiten  der  Augen  vorstehenden  gezahnten  Auswüchse,  wenn 
sie  nicht,  wie  häufig  in  diesem  District^  lediglich  omamentale  Zugabe  sind,  die 
Lidspalten  andeuten,  wogegen  die  vom  Auge  ausgehende  und  deil  Schnabel 
fast  theilende  Linie  des  linken  Vogelkopfes  in  Fig.  57  viellö^cht  als 
Sohnabelöffnung  gelten  soll.  Deutlicher  noch  bemerken  wir  diesen Xängs- 
streifen  in  der  schon  sehr  schematischen  Fig.  59,  obwohl  sein  Ansatz  am 
Auge  durchaus  sinnwidrig  ist 

Eine  weitere  Eigenthümlichkeit  liegt  darin,  dass  die  Unterseite  des 
Schnabels  ebenfalls  oft  bis  zur  Augenrundung  fortgesetzt  ist.  Durch  die 
scharfe  Krümmung  des  Schnabels  fühlte  sich  dann  der  Künstler  veranlasst 


KÜDstlerische  Darstellangen  aus  Kaiser-Wilhelms-Land.  117 

die  Spalte  den  Schnabel  schräg  durchschneiden  zu  lassen  (Fig.  61),  ja^  es 
kommen  sogar  zwei  Spalten  vor  (Fig.  64  untere  Ecke;  73).  Natürlich 
fehlen  auch  oft  beide  Spalten  und  zwar  nicht  nur  in  geschnittenen  Figuren 
(Fig.  60).  Wenn  sich  nun  der  Schnabel  immer  mehr  verkürzt,  wie  auf 
dem  Kopfe  des  Reiters  (Fig.  62),  wo  zwei  Vogelköpfe  hinter  einander 
parallel  angebracht  sind,  —  der  hintere  lugt  in  der  Zeichnung  gerade  noch 
hervor,  —  und  in  Fig.  63,  wo  der  Vogelkopf  einen  Kreis  bildet,  so  sehen 
wir  (Flg.  63,  64  unten)  nur  noch  eine  Oeffnung  in  dem  letzteren,  der  die 
Unterseite  des  Schnabels  vorstellt,  und  einen  kurzen  Zahnfortsatz  des 
Auges  (Fig.  63),  die  Schnabelspalte.  So  ist  auch  der  unvollkommene  Bing 
Fig.  64  oben  als  Vogelkopf  aufzufassen,  und  wahrscheinlich  entstehen  daraus 
die  Kreise  Fig.  64  oben.  Wo  und  an  welchen  Gegenständen  dieser  Vogel- 
kopf überall  vorkommt,  wie  ihn  hier  ein  Thierkopf  am  Ende  eines  Ruders 
im  Rachen  hält,  dort  ihn  der  Künstler  unter  dem  Schwanz  eines  Krokodils 
angebracht  hat,  darauf  wollen  wir  nicht  weiter  eingehen;  nur  auf  die 
Fig.  49  und  55  sei  aufmerksam  gemacht,  wo  er  die  Ohren  eines  Menschen 
bildet  und  unter  dem  Schwanz  der  Vögel  ruht  Anderen  Darstellungen  des 
Vogelkopfs  werden  wir  noch  später  begegnen  (Fig.  117,  124,  183,  142, 
143,  145  u.  s.  w.).  Vereinzelt  kommt  er  bis  Friedrich-Wilhelms-Hafen  vor, 
ist  aber  aus  den  Kai-Dörfern  im  Hinterlande  von  Finschhafen  bis  jetzt 
nicht  nachgewiesen. 

Das  Vogelkopfpaar.  Kommen  wir  nun  zu  den  mannichfachen 
Zusammensetzungen  dieser  Gebilde.  Die  gegen  einander  gerichteten  Vogel- 
kopfpaare der  Fig.  65,  in  denen  die  Oberseite  der  Schnäbel  vom  Be- 
rührungspunkt der  Köpfe  in  spitzem  Winkel  von  einander  absteht,  sind 
nach  dem  Vorhergehenden  ohne  Weiteres  als  solche  kenntlich,  und  es 
dürfte  also  auch  die  auf  einer  Seite  eines  anderen  Schwirrbretts  befindliche 
Darstellung,  welche  in  den  Verhandlungen  der  Gesellschaft  abgebildet  ist 
und  damals  als  Bremse  im  Fluge  gedeutet  wurde,  dasselbe  Motiv  enthalten  ^). 
Ganz  ihren  Ursprung  verleugnende  Haken,  aber  doch  Vogelköpfe,  deren 
Schnabeloberseite  aneinanderlehnt  und  oben  durch  ein  Querband  vereinigt 
wird,  sehen  wir  auf  dem  Menschenkopf  Fig.  66.  Gehen  die  Schnabelenden 
zusammen,  so  dass  die  Schnabeloberseiten  in  spitzem  Winkel  auseinander- 
laufen, so  entsteht  Fig.  67;  ein  geschlossenes  Gebilde  wird  daraus  in 
Fig.  68  durch  Verschmelzung  und  Abrundung  der  Schnabelspitzen.  Gleich- 
zeitig nehmen  die  Augen,  entsprechend  der  veränderten  Kopfgestalt,  ge- 
streckt ovale  Form  an,  indem  die  untere  Kopfseite  bis  zur  Spitze  des 
Schnabels  vorrückt.  Seitliche  Zusammenpressung  ergeben  dann  die  Fig.  69 
und  70,  und  das  Wegfallen  aller  Vertiefungen  eine  halbkreisförmige  Scheibe 
mit   drei  Einschnitten   (Fig.  71),    welche   schliesslich   auch    verschwinden. 


1)  1888,  8.  267  f. 


K.  Ts.  PSKUSS  : 


Gehen  wir  nochmals  zum  Ausgangspuokt  dieser  Reihe  (Fig.  67)  lurOck 
und  denken  une  die  Kopfe  in  derselben  Lage,  aber  ein  wenig  von  einander 
entfernt  und  die  Schnabelspitzen  durch  eine  Zacke  Terbunden,  so  haben 
wir  eine  Art  von  geschriebenem  grossem  lateinischem  M,  wie  es  die  Mitte 
des  Oyala^in  Fig.  61  zeigt. 


Fig.  ti5'8l.  OmameDt  des  VogeUopfpB&reE. 
66)  V)-  Schwirrbrett,  ohne  Provenienx.  —  66)  '/,,  LBffelBtielende,  C»p  Cretin.  —  67)  "/*- 
Dntertheil  t'mes  HolihRkcns,  Finsrhhart'n.  —  68)  'J,.  KklmtSmiige  Holuchüuel,  deigl.  — 
69—70)  '/..  VoD  einem  Togcl  «U  LOffelitielcnde,  desgl.  —  71)  '/,.  Von  einem  Vogel  als 
Kuiuachnabel,  iesgl  —  72)  '/,.  Trommel,  ohne  Provemeni.  —  7S}  */,.  Schildpatt-Armbaitd. 
Finiciihafca.  —  74)  '.,.  Oborer  Theü  eines  Kudcn,  Ansicht  toh  oben:  detgl.  —  76)  '/i- 
Uu«elbe  voa  der  Seite.  —  76)  ■,,.  Tom  Rücken  eincB  VageU  (loischen  den  Flflgeln)  am 
Ende  eines  Raden,  FiDscbbafen.  —  TT)  '/■■  Vr.ni  HQckcD  uinei  Erokodili,  du  in  einen 
Menschen  beisst.  C«p  Cretin.  —  78)  ' ,.  KopfitStie,  ohne  Pro*enien».  —  79)  V,.  DeagL, 
Tnnü-InMln.  —  80)  ■,,.  KaanvertieruDg,  Finichhiien.  —  81)  \^  Henkel  eine*  Kfirbit- 
schUchens,  ohne  Provenienz. 

Eine  andere  EDtwickcIungsreihe,  deren  Glieder  wohl  am  zahlreichaton 
Torkommen,  er&ffnen  Fig.  72  und  73,    wo  die  Schnabelspitzen  zusammen- 


Künstlerische  Darstellangen  ans  Kaiser- Wilhelms-Land. 


119 


BtosseD,  bezw.  in  einander  übergehen,  aber  die  Unterseite  der  Schnäbel 
einander  zugekehrt  ist.  Es  verschwindet  nun  bei  den  sechs  Vogelkopf- 
paaren im  Rachen  des  Krokodilkopfs  Fig.  74 — 75  das  kreisrunde  Auge, 
oder  es  ist  nur  noch  in  einer  unscheinbaren  Erweiterung  der  bis  zum  Auge 
sich  fortsetzenden  Schnabelspalte  erkennbar.  Es  kommt  nun  auch  nicht 
immer  darauf  an,  ob  noch  eine  Spalte  mehr  zu  dem  Ganzen  hinzutritt 
(Fig.  77).  Durch  Vereinfachung  der  drei  Unterbrechungen  in  den  Kopf- 
paaren entstehen  (in  Fig.  76,  80)  drei  symmetrisch  angelegte  Spalten, 
während  die  obere  Kante  eine  mehr  geradlinige  wird.  Ein  solches  Gebilde 
steht  z.  B.  als  eine  Art  aufgerichteten  Flügels  auf  dem  Rücken  des  stili- 
sirten  Vogels  (Fig.  80),  und  die  an  den  Schwanz  sich  anschliessende  Leiste 
zeigt  dasselbe  in  der  dritten  Erhöhung.  Die  anderen  Erhebungen  haben 
aber  bereits  eine  weitere  Verkümmerung  durch  Fortfall  der  Spalten  und 
Ausgestaltung  zu  einem  Trapez  erhalten,  was  aber  nur  in  diesem  Falle 
beobachtet  ist.  Tritt  der  Vogelkopf  aus  dieser  Paarung  heraus,  so  haben 
wir  die  gar  nicht  mehr  kenntliche  Form  Fig.  78,  die  durch  Anwendung 
gerader  Flächen  zu  Fig.  79  wird.  Endlich  verdient  das  Vogelkopfpaar 
auf  dem  Henkel  eines  Tami-Körbchens  Erwähnung,  das  durch  den  be- 
schränkten Raum  des  Geräthes  nicht  ganz  zur  Ausführung  gelangt  ist,  sich 
aber  an  die  Darstellungen  auf  dem  Schwirrbrett  (Fig.  65)  anschliesst. 
Etwas  Besonderes  besteht  hier  in  der  emporstrebenden  Zacke. 


^'\. 


SX, 


$9.  ^ 


ro^T^ 


Ä*. 


©^ 


Fig.  82-95.    Das  Vogelkopf- Ornament  IL 
82,  84—96)  Vr    Seitenbord  eines  Kanumodells,  Finschhafen.  —  83)  V,.    Desgl. 


Der  Vogelkopf  II.    Kehren   wir   aber   noch   einmal   zu   dem   ein- 
fachen  Vogelkopf    zurück,    der,    in     ein    rechtwinkliges    langgestrecktes 


120  ^-  '^H*  PREU88: 

Dreieck  eingeschlossen,  eine  völlige  Umwandlung  erfährt.  Die  Darstellungen 
finden  sich  an  den  Seitenborden  zweier  Kanumodelle,  wo  sich  in  langer 
Beihe  die  Dreiecke  immer  zu  je  zwei  zu  einem  Rechteck  zusammen- 
schliessen.  Die  Entwickelung  ist  zwar  sehr  lehrreich,  da  sie  von  der  ge- 
wohnten langsamen  Art,  in  der  sich  Glied  an  Glied  reiht,  abweicht,  aber 
es  ist  auch  psychologisch  nicht  ganz  klar,  wie  sie  so  schnell  in  völlig  ab- 
weichende Formen  stattfinden  konnte.  Es  scheint,  als  ob  hier  die  lediglich 
decorativ  ausschmückende  Phantasie  mit  flüchtigen  Strichen  malte,  denn 
wir  haben  hier  eines  der  wenigen  Beispiele  blosser  Malerei.  Der  Yogel- 
kopf  in  Fig.  82,  wo  der  Schnabel  wegen  des  Raumes  keine  Krümmung 
erfahren  konnte,  ist  um  so  eher  als  solcher  anzusprechen,  als  Fig.  83  die 
Form  noch  deutlicher  verräth,  während  die  drei  Zähne  unten,  da  solche 
regellos  auch  an  vielen  anderen  Stellen  der  gleichen  Figuren  auftreten, 
nur  decorative  Zuthat  sind  (vgl.  Fig.  20—21,  die  von  denselben  Modellen 
stammen).  So  sieht  man  in  Fig.  90  und  92  Zacken  am  Kopf,  in  Fig.  91 
an  Kopf  und  Schnabel.  Der  runde  Kopf  bleibt  mit  Ausnahme  von  Fig.  95 
überall  kenntlich.  Eine  ähnliche  Darstellung,  wie  Fig.  85,  zeigt  auch  noch 
in  der  Einbuchtung  des  (Schnabel-)  Dreiecks  den  Kreis.  Der  Schnabel 
wird  höchst  willkürlich  behandelt.  Er  wird  ganz  kurz  (Fig.  86)^  erscheint 
an  zwei  Seiten  der  Rundung  (Fig.  87,  92)  und  fängt  an  sich  zu  schlängeln« 
Den  geschlängelten  Schnabel  haben  wir  ja  auch  schon  an  dem  Yogel 
Fig.  56  wahrnehmen  können,  und  wir  werden  den  Uebergang  von  der 
geraden  zur  geschlängelten  Linie  noch  in  einem  höchst  eigenartigen  Falle 
beobachten  können.  Nachdem  das  Ganze  ein  blosses  Dreieck  mit  einer  Ein- 
buchtung geworden  ist  (Fig.  85),  theilt  sich  der  Schnabel  und  wird  wahllos 
an  einen  vollständigen  Vogelkopf  angesetzt  (Fig.  92).  In  Fig.  93  hat  er,  statt 
des  sonst  vorkommenden  einen,  noch  je  einen  Begleiter  au  beiden  Seiten;  in 
Fig.  94  sind  alle  drei  in  Schlangenlinien  aufgelöst  und  getrennt  vom  Kopf. 
Fig.  95  endlich  zeigt  nur  eine  Schlangenlinie  mit  Fortsätzen  an  einem  Ende. 
Jedenfalls  darf  mau  nicht  von  Fig.  93  ausgehen.  Denn  wir  können  beob- 
achten, dass  die  drei  Linien  überall  da  auftreten,  wo  der  Raum  etwas 
grösser  und  das  einschliessende  Dreieck  zu  einem  Trapez  wird.  Also 
erscheint  die  Ausfüllung  des  Raumes  als  die  Hauptsache  für  den  Künstler, 
wie  auch  die  Punkte  zwischen  den  beiden  Linien  Fig.  92  beweisen.  Es 
zeigt  sich  das  Festhalten  an  den  einmal  vorhandenen  Formen,  diese  sind 
aber  phantastisch  umgestaltet.  Deshalb  liegt  es  nicht  nahe,  bei  jeder 
Figur  an  ein  besonderes  Motiv  zu  denken. 

Die  Spirale.  Wenn  an  dieser  Stelle  zugleich  die  wenigen  Ansätze 
zu  Spirallinien  eingefügt  werden,  so  geschieht  es  deshalb,  weil  die  Ab- 
leitung vom  Yogelkopf  nicht  unmöglich  erscheint.  Die  Spiralanfänge 
Fig.  96  und  97  sind  zweifellos  Vogelköpfe.  Die  spiralige  Umbiegung  in 
Fig.  98,  welche  aber  nicht  eine  Fläche  ist  wie  in  der  Zeichnung,  sondern 


EfiiuUeriiche  DanUllnngeii  ans  Kaiser- Wilhelms- Land.  121 

einen  rechteckigen  Qnerschnitt  besitzt,  bat  die  Eigenthümlichkeit,  direct 
der  Kopf  eines  Vogels  mit  ausgebreiteten  Flügeln  zu  sein,  und  die  Spirale 
im  verbreiterten  Ende  Ton  Fig.  100  steht  offenbar  in  der  Mitte  eines  fast 
dreieckig  geformten  Vogelkopfes.  Als  zwei  Vögel,  deren  Schuftbel  in 
horizontalen  Linien  sich  Tereinigen,  kann  man  nun  die  Fig.  101  ansehen, 
welche  mit  dem  einfachen  Vogelkopfmotiv  der  Art  (Fig.  99),  wenn  wir  es 
denn  so  nennen    wollen,    auf   derselben  Trommel    Torkommt.     Wohl    aus 


Fig.  96-108.  Die  Spirale. 
96)  V,.  Kopfstütie,  Finschhafen.  -  97)  Zeichoniig  nach  Finsch,  Ethnol.  Atla«,  TaX.  VII 
Fig.  9.  Ksnnvonieiiing,  Hüon-Golf.  —  98}  Spitie  eines  Kanamodells,  „t'imchhafen  nnd 
Umgebung-,  —  IW)  ',.  Trommel,  Höon-Golf.  —  100)  '/,.  Theil  eines  TanzbeiU  für 
Fraaen,  Finschhufcu.  —  101]  '/••  I^ommel,  Hüon-Qolf.  —  103)  ■/..  Trommel,  ohne 
Provenienz.  —  lOS)  '/•■    KürbiBtörbchen,  Tami-Inseln. 

dieser  Gestaltung  (Fig.  101)  hervorgegangen  ist  das  eigenartige  Gesicht 
Fig.  102,  (las  auch  auf  einer  Trommel  von  Finschhafen  vertreten  ist.  Es 
erscheint  hier  zum  ersten  Mal,  dass  aus  einem  Motiv  ein  anderes  wird, 
jedoch  bleibt  der  Ursprung  unverkennbar.  Schliesslich  ist  das  spiralige 
Gewinde  Fig.  103  zu  erwähnen,  das  auf  einem  Tamikörbchen  unter  vielen 
anderen  frei  verwandten  Mustern  vorkommt  und  vielleicht  ebenfalls  kein 
directus  Vorbild  in  der  Katur  hat,  was  bei  der  Vergleichung  mit  der  frei 
verwandten    Spirale   auf  dem    Kürbis -Schäleben    in    Fig.  17   noch   mehr 


122 


K.  Th.  Fkeush; 


einleuchten  wird.  Das  Netzmotiv  in  derselben  Umrahmung  (Fig.  103) 
kommt  zwar  anch  in  der  Nähe  eines  Fiecbbandes  (Fig.  104)  vor,  anderer- 
seits lassen  sich  aber  diese  gestreiften  Muster,  die  aus  den  zwischen 
Doppellinien  aneinanderg^ereibten  kleinen  Rechtecken  oder  Quadraten  und 
aus  paralleler  Streifuug  entstanden  zu  seio  scheinen,  auch  an  ganz  hann- 
losen  Orten  verfolgen  (vgl.  auch  Fig.  113). 


flP. 


ft^^<S>WI§ 


Fig.  101-116.    Dbi  FiscborDkmeDl. 

104,  113)  '/('  Cocosnu)'s  -  Schlichen ,  .Hatifeldthafeu*.  —  106')  ■/,.  Kürbis  -  Schlichen, 
Finschhftfen.  —  lOG)  '/»■  Desgl.,  ohne  ProTenieni.  —  107)  etwa  '/w-  B****  »on  einem 
Oemeindehmn«,  Soam  bei  Finscbhafen.  —  108)  '  ,.  Ohnchmnck  (?)  mii  SchildpHtt,  HBon- 
Qolr.  —  lOV)  V,.  Plattform  einei  KannmodellB,  Finachhafen.  —  110,  111)  ■/,.  Schiriir- 
brett,  ohne  ProTenieni.  —  113)  '/•'  Oberer  Theil  eines  HenacbeDkopfes,  gnze  Figur, 
Cap  Cretin.  —  lU)  ",.  Scb:ift  eincB  Tanibciles  für  Kranen,  Tami-Inseln.  —  115}  Vr 
Schildpatt-Armbanil,  Cap  Cretin.  Abreibung.  —  116)  * ,.  D««gl.,  .Finscbhafen  oder  Tami- 
Inieln".    Desgl. 


Der  Fisch.  Das  Fischniotiv  scheint  auch  bSnfig  vorzukommen,  be- 
sondert auf  den  Tami-Inseln.  Nicht  nur  dass  der  Fisch  einzeln,  allerdings 
immer  stilisirt,  so  dass  er  leicht  von  denen  in  jedem  anderen  District  uuter^ 


Künstlerische  Darstellungen  aus  Kaiser- Wilhelms-Land.  123 

schieden  werden  kann,  auf  Tami- Körbchen  erscheint  (Fig.  12  und  106), 
er  bildet  dort  neben  und  hinter  einander  gestellt  und  theils  der  Länge 
nach  durchschnitten,  ganze  Bänder  (Pig.  104 — 105)  und  wird  in  der  Gestalt 
eines  Kochens  als  Schildpatt- Ohrschmuck  (?)  (Pig.  108)  yerwendet,  als 
Ausschmückung  der  Köpfe  auf  einem  Schwirrbrett  (Pig.  110 — 111);  ja  auf 
dem  Brett  eines  Gemeindehauses  in  Suam  hat  er  sogar  Beine  (Pig.  107).  Vom 
Hüon-Golf  bildet  Pin  seh  einige  Fische  vom  Seitenbord  eines  Kanus  ab*). 
Dass  der  Schmalbord  der  Plattform  eines  Kanumodells  (Pig.  109),  der,  wie 
wir  sahen,  in  ähnlicher  Form  auch  als  Yogel  dargestellt  wird  (Fig.  55), 
wegen  des  Fischschwanzes  ein  Fisch  sein  soll,  ist  nicht  anzunehmen,  denn 
der  Pischschwanz  allein  ist  ein  sehr  beliebtes  Motiv,  das  als  Aufsatz  der 
Tapamütze  (Fig.  112),  als  Vogel-  oder  Fledermausflügel  (Fig.  143),  als 
Ende  der  Latten  unten  an  den  Menschenfiguren,  als  Ornament  an  vielen 
langgestreckten  geometrischen  Gebilden  (Fig.  115),  und  schliesslich  auch 
hinter  einander  gereiht  als  Fischschwanzmuster  (Fig.  116)  auftritt.  Möglicher 
Weise  ist  allerdings  in  Pig.  114  noch  der  ganze  Körper  als  Sechseck 
stilisirt  zu  denken,  da  solch  langgestreckte  vereinzelte  Sechsecke  sonst 
nicht  auftreten. 

Eidechse  und  Krokodil.  Es  scheint,  als  ob  die  Eidechsen  nicht 
so  häufig  auftreten,  wie  die  Krokodile.  Von  unseren  Zeichnungen  dürfen 
wir  wohl  nur  Fig.  119  mit  drei  Leibern  und  drei  Paar  Beinen  und 
Pig.  120  als  Eidechsen  bezeichnen,  welches  überhaupt  die  einzigen 
linearen  Eidechsen-Darstellungen  sind,  die  ich  im  District  gefunden  habe. 
Das  übrige:  Fig.  117,  ferner  der  Doppelkopf  mit  Leib  —  der  hintere 
Theil  ist  weggelassen  —  in  Pig.  121,  Pig.  122  und  180  sind  wahrscheinlich 
Krokodile.  Auf  ihre  natürliche  Zehenzahl  hat  man  nicht  geachtet.  Es 
wiederholt  sich  bei  allen  die  Gestalt  der  Augen,  welche  aus  zwei  mit  den 
convexen  Seiten  einander  zugekehrten  Kreissegmenten  oder  entsprechenden 
Winkeln  bestehen.  Durch  concentrische  Einschliessung  kommen  wir 
zu  dem  Ornament  auf  dem  Kopfe  von  Pig.  117,  das  auch  vor  dem  vorderen 
und  hinter  dem  hinteren  Beinpaare  derselben  Figur  zu  sehen  ist  und  als 
Vorbild  für  ähnliche  frei  angewendete  Ornamente  (das  Augenband  in 
Fig.  31;  ferner  40a,  118,  120)  gedient  hat.  Ja,  wenn  der  Holzfortsatz  am 
unteren  Theile  selbständiger  menschlicher  Gestalten,  der,  wie  erwähnt, 
häufig  ein  schnappender  Elrokodilrachen  ist  (Fig.  66,  123),  das  Ornament 
trägt,  so  ist  es  als  Rudiment  des  ursprünglichen  Rachens  zu  betrachten.  Die 
Oeffiiung  dieses  Rachens  wird  gewöhnlich  durchbrochen  (Fig.  66)  oder  ver- 
tieft (Fig.  123),  aber  auch  nur  in  den  Umrissen  als  Hälfte  eines  Ovals  an- 
gedeutet (Pig.  136)  dargestellt.  Solche  halben  Ovale  kommen  nun  auch 
varürt  auf  den  Seiten  von  Vögeln  und  anderen  Thieren   und   überhaupt 


1)  Ethnol.  Atlas  Taf.  VH,  Fig.  9. 


124 


K.  Th.  Preu6S: 


in  der  „geometriachen"  Ornamentik  hSufig  vor  (Fig.  124,  180  zu  beiden 
Seiten  des  Kopfes  und  Schwanzes),  und  es  erscheint  als  nicht  zweifelhaft, 
dasa  sie  darauf  zorückzufübren  sind.  Den  ovalen  Trommelabttchlaas  nach 
unten  in  Fig.  32  werden  wir  also  anch  hierhin  rechnen.    Es  scheint,  als 


Fig  in-125.  Krokodil-  ond  Eidechsen-Ornament, 
llt)  ■/,.  Schildpatts  Armband,  Unon-Golf.  Abreibnug.  —  llt>)  'j^.  Kaouniodell-Scitetibard, 
FinschhafcD.  —  119)  ':,.  Schildpatt-Annband,  Cap  FortificaHon.  Abreibong.  —  120)  '/.- 
.SirilOffel"  an*  Katnuknocbfo-  Aiiona,  Bnkana.  —  12l)  ' ,.  Schildpatt- Armband,  Bfton- 
Oolt  Abreibnng.  —  183)  '/,.  Kfirbii-SchUchcn,  Tami-Insela.  —  129)  *.,i,.  H<'nscbciikopf 
mit  Kr altodi Ineben,  ohne  ProTenieiu.  —  124)  '/,.  SchLldpatt  -  Annband,  HBon-GolL 
Abreibung.  —  126)  ';',.    Trommel,  Tami-Inseln. 

ob  au  den  sanduhrf&rmigen  Trommeln  anch  die  Zacken  •  Darstellungen 
oben  und  unten  die  Tronimelendeo  als  Krokodilrachen  charakterisiren 
sollen.  Ohne  Weiteres  ist  das  verständlich,  wenn  zwei  Zacken,  wie  ia 
Fig.  125,  die  also  Ober-  und  Unterkiefer  TOrstetlen  würden,  vorhanden  sind. 


KfiDstlerische  UarstelluDgcii  aas  Kaiser- Wilhelm B-Laod.  125 


Fig.  136— 141.  Das  „Saiamauder"-  and  Ohien- Ornament. 
136)  ■/■•  Laogaeite  einer  HolischtUsel,  Finschhafen.  —  121)  '/i-  Desgl.,  H9on-Golf.  — 
128)  V,.  Trommel,  Hfion-Golf.  —  129)  '/,.  HoliBchwert,  Finacbhafen."  —  180)  ■/«■  Vom 
nntcKD  Fottaatt  eines  Henaehenkopfes,  Taroi-InselD.  —  181)  '/i-  Vom  unteren  Fortsati  einer 
Hensehenfignr,  .Fischel-Insel"  bei  Friedrich  Wilkelms-Hafen.  —  182)  '/■■  HoUschfiasel* 
Eeite,  Finschlufen.  —  188)  '/i-  Desgl.,  ohne  ProTanieni.  —  184)  etwa  '/>■  DesgL,  Finsch- 
bafen.  —  185)  '/*■  UeagL,  von  ebenda,  —  186)  '/i-  Doppelter  Uenschenkopf  mit  Thienachen, 
Tami-Inseln.  —  IST)  Vi'  Itnderblatt,  Hfion-Golf.  —  188,  189,  141)  Brett  eines  Oemeinde- 
hatue«,  Saam  bei  Finsehhafcn,  —  14(^  '/,.  EürbiskOrbchen,  Tami-Inseln. 
Ir  Eltiiuilogl«.    Imhtf.  is»i.  10 


126  K.  Th.  Prbüss: 

Die  Raohenöflfnung  hat  hier  wegen  der  Trommelgestalt  natürlich  die  Form 
einer  Art  Parabel  und  hat  auch  so  als  Vorbild  für  freie  Ornamentik  gedient. 
Aus  diesem  Motiv  entstehen  an  derselben  Stelle  die  Tielen  Zacken, wie  oben 
in  Fig.  32,  und  auf  diese  Fonn  wieder  sind  auch  die  fast  rechteckigen 
Rache  nöffnungen  zurückzuführen  (Fig.  174),  deren  Gestalt  durch  die 
Stellung  zwischen  und  den  Anschluss  an  die  Trommelgriffe  bedingt  ist.  Der 
durchbrochene  oder  vertiefte  Rachen  gestaltet  sich  aber  auch  im  Verein  mit 
dem,  was  er  darin  hat,  zu  einem  ganzen  Oval  (Fig.  75),  und  ich  bin  des- 
halb geneigt^  auch  diese  Ovale  davon  abzuleiten.  Die  coneentrische  Er- 
füllung mit  Linien,  die  Ausgestalhing  zur  Ellipsenform  oder  zu  ganz  ge- 
streckten Ovalen  (Fig.  61,  115,  143,  180)  ist  dann  die  Folge  rein  oma- 
mentalen Verfahrens.  Wir  sehen  also,  welche  gewaltige  Ausdehnung  das 
Krokodilomament  erlangt  hat. 

Der  „Salamander".  Eine  grosse  Rolle  in  der  Kunst  spielen  femer 
eine  Gattung  Thiere*),  deren  Augen  genau  so  gebildet  sind,  wie  die  der 
Krokodile  und  Eidechsen.  Treten  die  beiden  Augen  noch  näher  an- 
einander, so  entstehen  mitunter  liegende  Kreuze  (Fig.  126,  128),  die  aber 
in  der  freien  Omamentik  ni^ht  vorkommen.  Wir  können  von  den  Thieren 
zwei  Typen  unterscheiden.  Der  eine  Typus  hat  einen  geraden  Körper 
(Fig.  126),  der  andere  einen  gewundenen,  schlangenartigen  (Fig.  127),  der 
oft  an  dem  höchsten  Punkt  jeder  Windung  einen  im  Gegensatz  zu  der 
sonst  erhabenen  Darstellung  des  Thieres  eingeschnittenen,  kurzen,  schräg 
verlaufenden  Fortsatz  hat  (Fig.  137,  145  links),  wie  ein  Beinmdiment,  so 
dass  dieses  Thier  viele  Beine  zu  haben  scheint.  Doch  lässt  die  schema- 
tische Anordnung  bereits  auf  ihre  Unnatur  schliessen.  Femer  bemerkt 
man  zu  beiden  Seiten  unterhalb  des  Kopfes  oft  einen  (Fig.  126),  seltener 
zwei  (Fig.  131,  133  oben)  und  noch  weniger  drei  (Fig.  127)  grössere  drei- 
eckige, abstehende  Fortsätze,  die  ebenso  flach  wie  die  „Beine^  zur  Dar- 
stellung gebracht  sind.  Diese  Fortsätze  scheinen  ein  wesentliches  Merk- 
mal des  Thieres  zu  sein,  da  sie  fast  nur  fehlen,  wenn  der  Raum  das  An- 
bringen nicht  gestattet,  wie  in  Fig.  137,  wo  die  Beine  des  Menschen  im 
Wege  sind,  oder  auf  schmalen  Leisten,  die  ganz  von  dem  Leibe  einge- 
nommen werden.  Da  nun  noch  der  Leib  beliebig  lang  oder  kurz,  ja  der 
Kopf  allein  mit  rudimentärem  Leib  auftreten  kann  (Fig.  145  oben),  und 
—  was  für  den  Uneingeweihten  noch  erschwerend  hinzutritt  —  der  Kopf 
oft  mit  einem  verschiedenartigen,  rein  ornamentalen  Gebilde  (Fig.  126,  128) 
umgeben  ist,  so  wird  man  sich  von  der  Vielgestaltigkeit  dieses  Leviathans 
einen  Begriff  machen  können,  der  zwar  ein  und  dasselbe  Thier  vorstellen 
soll,  mit  dem  aber  zoologisch  wenig  anzufangen  ist.    Jedenfalls  ist  so  viel 


1)  Diese  mnssten,  obwohl  auch  in  Hochrelief-Schnitzerei  aaftretond  und  in  der  Ueber- 
sicht  unter  den  ^plastischen  Thierfiguron*'  aufgeführt,  des  Zusammenhanges  wegen  alle 
gemeinsam  unter  den  linearen  Gebilden  behandelt  werden. 


Künstlerische  Darstellungen  ans  Kaiser-Wilhelms-Land.  127 

klar,  dass  sich  aus  der  geraden  Form  des  hinten  sich  verjüngenden  Leibes 
die  geschlängelte  entwickelt  hat  und  nicht  umgekehrt,  da  letztere  zu 
typisch  für  ein  Thier  erscheint,  um  leicht  aufgegeben  zu  werden,  während 
erstere  durch  die  ungefällige  Länge  des  ungegliederten  Laibes  und  durch 
zweifellos  gelegentlich  vorkommende  Biegungen  des  natürlichen  Vorbildes 
Anlass  zur  Ausbildung  der  Schlangenform  erhält.  Wir  könnten  das  Thier 
wohl  für  eine  Art  Salamander  halten,  und  die  Fortsätze  unterhalb  des 
Kopfes  für  die  Eiemenbüschel;  allein  bis  jetzt  ist  noch  kein  Exemplar 
davon  in  jener  ganzen  Region  nachgewiesen,  und  die  Vergleichung  mit 
anderen  Ornamenten  wird  noch  ein  merkwürdiges  Licht  auf  diese  „Eiemen- 
büschel" werfen.  Wir  müssen  uns  also  mit  der  Hauptsache  begnügen, 
das  Urbild  in  der  Darstellung,  aus  dem  noch  verschiedene  andere  Formen 
hervorgehen,  möglichst  genau  festgestellt  zu  haben. 

Von  den  Zusammensetzungen  dieser  Figuren  erwähnen  wir  die  auf 
der  ganzen  Länge  einer  sanduhrförmigen  Trommel  befindliche  (Fig.  128), 
wo  oben  und  unten  je  ein  Kopf  ist,  während  die  Schwänze  ineinander 
übergehen.  Besieht  man  sich  daneben  Fig.  132,  so  kann  man  staunen, 
wie  aus  dieser  langen  Gestalt  durch  Einschrumpfen  der  Leiber  ein  Doppel- 
kopfornament  geworden  ist.  Die  lange  Form  der  zusammengesetzten  Figur 
dehnt  sich  auch  über  die  ganze  Klinge  der  Holzschwerter  aus;  jedoch  er- 
scheint gewöhnlich  an  einem  Ende  ein  Menschenkopf,  der  sich  manchmal 
gar  nicht  unmittelbar  an  den  langen  Leib  des  Thieres  ansetzt.  Dann 
nähert  sich  auch  der  Kopf  der  anderen  Seite  der  Menschengestalt;  denn  die 
typischen  Ohren  in  Fig.  129  und  die  Andeutung  der  Nase  und  des  Mundes 
lassen  den  menschlichen  Typus  nicht  mehr  zweifelhaft.  Schliesslich  haben 
wir  zwei  Menschenköpfe,  verbunden  durch  gerade  Doppellinien,  da  auch  die 
Schlangenwindungen  verschwinden^).  Der  Innenraum  der  Linien  ist  auf  vers 
schiedene,  in  dem  District  übliche  Weise  omamentirt  (vgl.  Fig.  105,  180). 
Das  Thier  tritt  aber  ähnlich  wie  das  Krokodil  noch  in  mehrfacher  anderer 
Weise  in  Beziehung  zur  Menschengestalt.  Wie  das  Krokodil  auf  einem 
Brette  an  einem  Gemeindehaus  in  Suam  bei  Finschhafen  einer  weiblichen 
Gestalt  mit  der  Schnauze  zwischen  die  ausgebreiteten  Beine  stösst  und 
der  Künstler,  da  es  wegen  des  breiten  Leibes  nicht  bis  an  die  Vagina 
reicht,  dem  Thier  einen  zweiten  Kopf  mit  Augen  aufsetzt"),  so  hat  „unser 
Thier"  eine  Verlängerung  am  Kopfe  mit  zwei  neuen  Fortsätzen,  um  an 
den  Penis  eines  Mannes  zu  gelangen  (Fig.  131*).  Ohne  Verlängerung  in 
derselben  Situation  erscheint  es  in  Fig.  137.  Wie  ein  anderes  Krokodil 
der  erwähnten  weiblichen  Gestalt  mit  dem  Rachen  an  den  oberen  Theil 
des  Kopfes  reicht"),  so  unser  Thier  in  Fig.  133.     Denn  was  sich  darunter 


1)  Abb.   bei   Schellong,  Barlumfest.    Internat.  Arch.  IL    1889,   T&U  VII,  Fig.  11. 

2)  Ploss-Bartels,  Das  Weih.    Leipzig  1897,  Fig.  175. 

8)  Die  Angabe   der  Provenienz   ist  wahrscheinlich  falsch.    Das   Stück  stammt  aus 
unserem  District. 

lO* 


128  K.  Th.  PreüSS: 

befindet,  ist  in  der  That  ein  menschlicher  Kopf  mit  hoher  Tapamfltze. 
Das  macht  der  Vergleich  mit  dem  Doppelkopf  in  Fig.  136,  wovon  jedoch 
nur  das  eine  Gesicht  und  die  Ohren  des  anderen  in  der  Zeichnung  zu 
sehen  sind,  zweifellos.  Von  den  drei  Theilen  der  Ohren  in  Fig.  133  haben 
die  beiden  unteren  die  sonst  übliche  Gestalt  des  untersten  Theiles,  nehmlich 
des  ausgereckten  Ohrläppchens  mit  seinem  Schmuck  bei  plastischen 
Menschenfiguren  (Fig.  137),  und  stehen,  abweichend  von  der  gewöhn- 
lichen Form,  beide  senkrecht  vom  Kopfe  ab,  was  auch  sonst  beobachtet 
wird  (Fig.  138).  Dass  der  obere  Theil  des  Ohres  noch  an  der  Mütze 
sitzt,  kommt  häufig  vor.  Augen,  Nasenrücken  und  -Flügel  sind  deutlich 
ausgebildet,  zu  beiden  Seiten  der  Nase  sitzt  ein  Vogelkopfomament,  die 
Fortsetzung  des  Kinnes  scheint  ein  rein  omamentales  Gebilde.  Es  könnte 
aber  auch  dadurch  der  Leib  mit  den  runden  Brustwarzen  angedeutet 
sein,  denn  dieses  eigenartige  Ornament  kommt  sonst  nicht  vor.  Der  untere 
Theil  von  zwei  anderen  ähnlichen  Zusammensetzungen  soll  das  Gesagte 
beglaubigen.  In  Fig.  134  ist  besonders  die  Nase  noch  deutlicher  zum 
Ausdruck  gebracht;  in  Fig.  135  hat  die  Tapamütze,  die  sich  hier  nicht 
vom  Kopfe  abhebt,  noch  eine  Wiederholung  der  zwei  seitlichen  Kopf- 
fortsätze unseres  Thieres  aufzuweisen,  und  zwischen  den  Vogelkopfpaaren 
ist  der  Mund  des  Menschengesichts  eingeritzt,  nicht  erhaben  geschnitzt, 
wie  das  übrige  Gesicht. 

Das  Ohr.  Wir  müssen  nun  zum  Verständniss  der  anderen  Formen 
noch  ein  wenig  bei  der  Bildung  des  Ohres  verweilen.  Der  in  flachem 
Relief  geschnitzte  Kopf  mit  hohem  Schmuckaufsatz,  wie  er  beim  Tanze 
gebraucht  wird,  in  Fig.  139  hat  ein  auch  sonst  so  dargestelltes  dreigetheiltes 
Ohr.  Der  oberste  Theil  wiederholt  sich  an  dem  Kopfschmuck,  und  ein 
solcher  Auswuchs  scheint  reines  Ornament  zu  werden,  wie  aus  den  Seiten 
der  fischförmigen  Gestalt  an  dem  Kopfaufsatz  in  Fig.  183  hervorgeht 
In  Fig.  140  haben  wir  als  Anfang  des  weiter  nicht  zur  Ausführung 
kommenden  Henkels  eines  Tamikörbehens  ein  Ohrläppchen,  das  jedoch 
der  Symmetrie  wegen  auch  auf  beiden  Enden  die  Andeutung  des  Schmuckes 
hat.  Fig.  141  endlich  zeigt  ein  Kreuz,  das  aus  zwei  concentrischen  Kreisen 
in  der  Mitte  und  vier  Ohren  besteht,  jedes  gestaltet,  wie  in  Fig.  139.  Ob 
freilich  die  Kreuzesform  selbst  durch  die  Zusammenstellung  der  Ohren  zu 
einem  Ganzen,  also  durch  eine  Art  von  Zufall  unter  Mitwirkung  des  Sinnea 
für  Symmetrie,  wie  bei  dem  Nasen- Augen-Ornament  Fig.  52 — 53,  entstanden 
ist,  oder  der  Nachbildung  eines  Naturgegenstandes  ihren  Ursprung  verdankt, 
müssen  wir  dahingestellt  sein  lassen.  Ersteres  ist  jedoch  wahrscheinlicher. 
Nun  geht  von  der  Vagina  der  weiblichen  Gestalt  in  Fig.  138,  die  die 
Beine  auseinandergebreitet  hat,  unser  Thier  aus,  den  Kopf  nach  unten 
gekehrt,  und  dieser  hat  —  ein  dreigetheiltes  Ohr  genau  wie  der  Mensch 
Fig.  139.  Es  liegt  also  die  Vermuthung  nahe,  dass  auch  alle  anderen 
Kopffortsätze  unseres  Thieres  nur  Ohrtheile  sind.     So  zeigt  das  Thier  in 


KönstleriBcbe  DarstelluiigeD  ftns  Eaiser-Wilhelins-Laiid. 


129 


Fig.  130  dreimal  die  zweitheilige  Ohrform,  z.  Tli.  in  typischer  Gestalt,  und 
Fig.  135  hat  ein  fiberfiflssigesOhrtheil  (also  im  Ganzen  Tier)  an  der  Taparofltze 
sitzen.  Alles  femer,  was  Aber  dasVorkommender^KjemenbÜschel"  sonst  noch 
gesagt  ist,  spricht  mindestens  nicht  dagegen.  Dass  sich  die  Ohren  gerade 
mit  diesem  Thier  Terbinden,  liegt  wahrscheinlich  daran,  dass  es  zu  den 
Todten  in  nahe  Beziehung  tritt  und  mit  ihnen  identisch  ist,  worauf  ein 
Bericht  hinweist.  Hat  es  doch  auch  in  Fig.  129  geradezu  ein  Menschen- 
autlitz.    Was  fOr  ein  Thier  es  aber  ist,  lassen  wir  dahingestellt  sei». 


Fig.  142— U9.    Das  Ornament  des  fliegenden  Vogels. 
142)  V».    Breitseite   einer  Holischflsael,  ohne   Provenienz.  —   US,  144,  147)  '/,. 
Knschhifen.    —  146)  ',,.    Desgl.,  von  ebenda.  —  146)  '/.■    Desgl., 
baten.  —  149)  '/,.    Desgl.,  Ansicht  des  Kopfes   von  oben,   ohne  Provenienz.  —  149)  '/>• 
Desgl.,  Finschhafen. 

Der  fliegende  Vogel.     Wir  haben    nun   noch   Zusammensetzungen 
des  erwähnten  Thieres,    das  wir  der  Kürze  halber  einen  „'Wunn'*  nennen 


130  K.  Tu.  Preuss: 

wollen,  mit  anderen  Thiergestalten  herrorzuheben.  Die  merkwürdigste 
Verwendung  findet  der  „Wurm"  in  der  Mittelverzierung  der  kahnf5rmigen 
Holzschüsseln.  Das  Ornament  dort  ist  augenscheinlich  als  einheitliche 
Figur  gedacht  worden,  die  ein  bestimmtes  Vorbild  in  der  Katur  repräsentirt. 
Die  einzelnen  Theile  sind  aber  derart  durch  andere  Motive  ersetzt  worden, 
dass  man  zur  Reconstruction  des  Ursprünglichen  nur  die  Form  des  Ganzen 
und  die  in  der  Auflösung  durch  andere  Motive  deplacirten  Füsse  hat. 
Fig.  142  zeigt  noch  am  besten  den  Urtypus,  einen  Vogel  oder  eine  Fleder- 
mausart mit  ausgebreiteten  Flügeln.  Die  Füsse  sind  noch  unter  dem 
Vereinigungspunkt  der  nach  links  und  rechts  weit  ausholenden  Flügel  als 
kleine  Erhebungen  kenntlich.  Der  Kopf,  der,  von  vorn  gesehen,  nichts 
das  ursprüngliche  Aussehen  Charakterisirendes  hat,  tritt  gegenüber  dem 
übrigen  Körper  nach  vom  hervor;  von  oben  gesehen  besitzt  er  bisweilen 
die  schon  erwähnte  Form  des  doppelten  Vogelkopfpaares  Fig.  68,  was 
natürlich  auch  eine  spätere  Einfügung  ist^  und  die  Fig.  147,  weniger 
Fig.  149  können  als  Ableitungen  davon  angesehen  werden.  Sonst  ist  das 
Ornament  auf  dem  Kopf  gewöhnlich  ein  Kreis  wie  in  Fig.  148,  oder  fällt 
ganz  fort.  Die  Verbindung  von  Kopf  und  Leib  wird,  wenn  die  Flügel 
„Würmer"  sind  (Fig.  144,  145)  zuweilen  durch  einen  „Wurmkopf^  mit 
kurzem  Leib  hergestellt  (Fig.  145),  der  auch  manchmal  statt  des  ovalen 
Leibes  in  Fig.  142  auftritt.  Die  Enden  der  Flügel  können  durch  Vogel- 
köpfe (Fig.  142)  oder  Fischschwflnze  (wie  in  Fig.  143)  ausgezeichnet  sein*). 
Nur  in  diesen  beiden  Fällen,  im  ersteren  immer,  im  letzteren  selten,  sind 
die  Füsse  der  ganzen  Gestalt  noch  angedeutet.  Ausserdem  sind  Flügel 
und  Leib  oft  durch  zwei  „Wurmköpfe"  mit  einem  Leib  (Fig.  144)  oder 
durch  einen  „Wurmkopf"  mit  zwei  Leibern  (Fig.  145)  gebildet.  Es  ist 
jedoch  anzunehmen,  dass  auch  in  der  Vereinigung  der  „ Wurmleiber "  in 
Fig.  144  früher  ein  Kopf  wie  in  Fig.  145  gewesen  ist,  da  hier  (Fig.  144) 
wieder  zu  beiden  Seiten  die  bekannten  Ohrtheile  auftreten  und  im  Museum 
eine  Darstellung  vertreten  ist,  wo  noch  unter  einer  ähnliehen  Fig.  wie  143  an 
dieser  Stelle  der  Wurmkopf  eingefügt  ist.  Es  fragt  sich  nun,  ob  das  Ge- 
bilde unter  diesen  eben  beschriebenen  fliegenden  Thiergestalten  auch  erst 
später  hinzugefügt,  also  rein  ornamental  ist,  oder  die  Umbildung  eines 
integrirenden  Theiles  des  (ianzen.  Wenn  wir  die  genau  an  derselben 
Stelle  vorkommende  Darstellung  Fig.  146  aus  Friedrich-Wilhelmshafen  im 
Xachbardistrict  zu  Hilfe  nehmen,  so  ergiebt  sich  wohl  das  Letztere.  Der 
unterste  Theil  muss  also  als  Schwanzfedern  des  nun  wohl  als  Vogel  zu 
bezeichnenden  Ganzen  in  Anspruch  genommen  werden,  obwohl  nichts  als 
die  Form  «larauf  hinweist  und  der  Umstand,  dass  im  District  Astrolabe- 
Bai   auch   bei   anderen  Vögeln   in  linearen  Formen  stets  so  die  Schwanz- 


1)  Die  rechte  Seite  der  Abbildungen  148—145  muss  Tom  Beschauer  ntch  Art  der  linken 
ergänzt  gedacht  werden. 


Künstlerische  Darstellungen  aas  Kaiser- Wilhelms-Land.  131 

* 

federn  dargestellt  werden.  Auffallend  ist  freilich  die  für  einen  fliegenden 
Vogel  winzige  Gestalt  der  lang  ausgestreckten  Beine.  Im  District  Finsch- 
hafen  dagegen  sind  auch  an  die  Stelle  des  Yogelschwanzes  andere  Motive 
getreten;  nur  etwa  Fig.  144  weist  hierin  noch  das  meiste  Ursprüngliche 
vor,  während  wir  in  Fig.  142  und  143  ein  Oval  mit  Vogelkppfpaar  unten 
haben  und  in  Fig.  145  ein  Yogelkopfpaar  ähnlich  wie  zu  beiden  Seiten 
des  Menschengesichts  Fig.  135.  Dabei  ist  noch  interessant^  dass  auch  in 
der  Mitte  des  «Ovals  Fig.  143  ein  doppelter  Yogelkopf  zu  sehen  ist  (vgl. 
Flg.  61,  Mitte). 


'ISO. 


Fig.  150— 152.    „Wurm"  und  Vogelkopfpaar. 

150)  V^.    Trommel,  Tami-Inseln.  —  151)  V^.    Desgl.,  Hüon-Golf.  —  152)  V4.    Desgl., 

Finschhafen. 

Vogelkopfpaar  und  „Wurm".  In  obenstehenden  Figuren,  welche 
sich  an  den  Trommeln  gegenüber  dem  eigentlichen,  roh  geschnitzten  Griff 
befinden,  scheint  das  bekannte  Vogelkopfpaar  (Fig.  69,  70)  mit  je  einem 
„Wurmkopf^  zu  beiden  Seiten  dargestellt  zu  sein.  Fig.  150  zeigt  sie  in 
deutlicher  Ausprägung.  Der  „Wurmkopf"  wird  Rudiment  und  verbindet 
sich  enger  mit  dem  ihm  zunächst  liegenden  Theil  des  Vogelkopfes,  so  dass 
in  der  Mitte  ein  bergartiger  Rücken  übrig  bleibt  (Fig.  151).  Die  weitere 
Entwickelung  nach  dieser  Richtung  und  Ausgestaltung  des  Mitteltheiles 
zu  einem  zweiten  Trommelgriff  zeigt  sich  in  Fig.  152.  Dabei  ist  zu  be- 
merken, dass  Vogelkopfpaare  allein  sehr  häufig  an  derselben  Stelle  der 
Trommeln  zu  bemerken  sind. 

Der  fliegende  Hund.  Die  Darstellung  des  fliegenden  Hundes  in 
ruhendem  Zustand  (Fig.  153)  ist  von  der  Insel  Guap  bei  Dallmannhafen 
an  der  Nordküste  früher  (S.  96)  erwähnt  worden  und  auch  die  sich  daraus 
ergebenden  „geometrischen"  Gebilde.  Die  Aufangsglieder  der  letzteren 
kommen  nun  auch  in  den  Districten  der  Ostküste  auf  Trochus- Armbändern 
vor,  in  dem  District  Astrolabe-Bai  auch  sonst,  und  zwar  nahezu  in  genau 
derselben  Form  (Fig.  154).  Nur  ist  der  Aufhängepunkt  vielleicht  ent- 
sprechend den  beiden  Beinen  ein  zweigetheilter,  und  auch  die  zusammen- 
geklappten Flügel  sind  zweitheilig  auslaufend  dargestellt.  Es  scheint  mir 
danach  zweifellos,  dass  man  auch  für  die  Ostküste  den  hangenden  Pteropus 
als  Naturmotiv  für  dieses  Anfangsglied  und  die  sich  daraus  ergebenden 
Gebilde  ansehen  muss.     Neben  dem   Thier  links   in  Fig.  154    folgt   nun 


132 


K.  Th.  Preuss: 


nach  rechts  ein  ebensolches  Gebilde  in  umgekehrter  Lage  und  dann  die 
bekannten  Menschengestalten.  In  Fig.  155  ist  der  aufgeh&ngte  Theil  mehr- 
fach gezackt  und  an  die  Flügel  noch  ein  nach  oben  gekehrtes  Glied  beider- 
seits angefügt,  dessen  Ursprung  nicht  klar  ist,  das  sich  aber  auch  allein 
in  derselben  Fig.  155  in  Reihen  angeordnet  zeigt.  In  diesen,  besonders 
aber  in  den  folgenden  Darstellungen  ist  die  Schwierigkeit  des  Materials 
und  der  schmale  zur  Verfügung  stehende  Raum  sehr  bei  der  Beurtheilung 
der  Entwickelung  in  Betracht  zu  ziehen,  die  im  Einzeln A  in  scheinbar 
regellose  Striche  ausläuft,  deren  Gesammtform  aber  immer  wieder  das 
Leitmotiv  oder  Theile  desselben  zum  Ausdruck  bringt.  Fig.  156  zeigt 
das  Urbild  auseinander  gezorrt  und  schematisch  gestaltet,    indem  die  auf- 


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Fig.  158 — 167.    Ornament  des  hangenden  Pteropas. 

158)  Vs-  Holxschüssel,  Insel  Guap  bei  Dallmannhafen.  —  Trochus-Armringe:  154)  etwa 
Vf.  Cap  Cretin.  —  155)  etwa  */,.  Finschhafen.  —  156)  */,.  „Deutech-Neu-Guinea".  —  167, 
161,  166)  V,.    Friedrich -Wilhebnehafen.  —  158,  162-164)  Vr    Finschhafen.  —  159)  »;,. 

Rook-Inseln.  —  160)  *,,.    Finschhafen. 

gehängten  Füsse  wie  die  absteigenden  Theile  der  Flügel  gleich  gebildet 
werden,  während  in  Fig.  157  von  der  Astrolabe-Bai  die  aufsteigenden 
Aeste  der  Flügel  eine  noch  mehr  horizontale  Lage  bekommen.  Dabei 
bedingen  es  stets  die  zum  Ausdruck  kommenden  oniamentalen  Bänder, 
dass  Theile  des  einen  Thieres  bereits  auch  solche  für  das  nebenstehende, 
umgekehrt  dargestellte  sind.  In  Fig.  158  sind  die  aufsteigenden  Aeste  der 
Flügel  bereits  wie  die  absteigenden  gebildet,  ohne  dass  doch  der  ähnliche 
Charakter  der  Füsse  und  der  abwärts  gerichteten  Flügel  verschwindet. 
Fig.  159  zeigt  <len  Fortfall  der  Füsse.    Nachdem  nun  noch  eine  Trennung  der 


Künstlerische  Darstellungen  ans  Eaiser-Wilhelms-Land.  133 

beiden  Plügeltheile  eingetreten  ist  (Fig.  160),  obwohl  andererseits  die 
Püsse  wieder  schematisch  vorkommen,  haben  wir  in  Fig.  161  das  Endglied 
der  einen  Entwickelungsreihe,  die  vollständige  Trennung  der  Flügel  und 
Flügeltheile  in  auf-  und  absteigende  Gruppen  paralleler  Striche,  die  auf 
anderen  Gegenständen  nur  im  District  Astrolabe-Bai,  z.  B.  auf  den  Kämmen, 
auftreten  (vgl.  jedoch  Fig.  109).  Die  Figurenreihe  162 — 167  enthält  nun 
die  noch  schwieriger  zu  beschreibende  Entwickelung  der  die  Füsse  und 
äusseren  Flügeltheile  vorstellenden  senkrechten  Striche,  hier  und  da  ver- 
bunden mit  einem  aufsteigenden  (inneren)  Flügelast,  was  herauszufinden 
wir  dem  Betrachter  überlassen  müssen.  Es  treten  schliesslich  Flügeläste 
und  Füsse  einander  gegenüber,  von  denen  erstere  durch  die  nicht  ganz 
geschlossenen  Rhomben,  letztere  durch  die  dazwischen  befindlichen  Strich- 
bündel repräsentirt  werden.  Sollte  man  nun  auch  im  Einzelnen  eine 
andere  Ausdeutung  für  angebrachter  halten,  so  ist  doch  die  Hauptsache, 
die  Ableitung  von  dem  bildnerischen  Urbild,  nicht  umzustossen. 


nio. 


Fig.  168—173. 

168)  Yi*    Unterseite   einer  Holzschüssel.    Abreibung.  —  169)  Vs-    Kürbiskörbchen,  ohne 

Proveniens.  —  170)  Vs*    Unterseite  eines  Vogelkopfes  an  einer  Schüssel,  Tami-Inseln.  — 

171—178)  Vi  bezw.  \',  und  Vj«    Schildpatt-Armband,  Finschhafen. 

Andere  Thiermotive.  Ausser  diesen  häufig  vorkommenden  Thier- 
motiven  und  ihren  „geometrischen"  Ableitungen  treten  noch  einige  andere 
auf,  die  in  ihrer  exclusiven  Form,  welche  durchweg  nur  einmal  beobachtet 
ist,  selbständig  ein  thierisches  Naturobject  darzustellen  scheinen.  Damit 
ist  zugleich  gesagt,  wie  schwierig  es  ist,  dasselbe  zu  nennen.  Möglicher 
"Weise  sollen  Fig.  168  und  169  Schlangen,  Fig.  170  eine  Raupe,  deren 
Kückenomament  ebenfalls  ganz  eigenartig  ist,  Fig.  172  eine  Eidechse  und 
Fig.  173  eine  Bremse  darstellen.  Unter  der  ganz  schematischen  Fig.  171 
hat  man  vielleicht  Schildkröten  ohne  Kopf  zu  denken,  wobei  die  wie 
Fühlhörner  gestalteten  Yorsprünge  vorn  und  hinten  die  Beine  vorstellen 
sollen.     Hierhin  ist  auch  das  nur  auf  einem  Schwirrbrett  vorhandene,  in 


Jen  Verhandlungen')  abgebildete  Thier  zu  rechueu,  das  damals  als  ruhende 
Bremse  gedeutet  wurde,  aber  wohl  ein  MeDSchenkopf  mit  Mütze  ist. 


Fig.  174-179. 

174)  '/„.    Trommel,    UuoD-GoU'.  —  176)    '/>•    Unterseite   eines   Vogels   am   Ende  ein«a 

ßuderstiels.  —  176)  '/,.  Trommel,  Hnon-Golf.  —  177  und  179)  '/,,   Desgl^  PinichhAfen.  — 

178)  7..    Desgl.,  C«p  Cretin. 

Die  einfachsten  Linien.  Auf  die»«  Weifie  wären  alle  Ornamente 
erklärt,  welche  sich  mit  mehr  oder  weniger  Sicherheit  auf  Vorbilder  der 
Xatur  zurückführen  lassen,  und  wir  können  nunmehr  Tersuchen,  im  Zu- 
sammenhang die  einfachsten  Linien  der  Omameutik  vorzuführen.  A  iiriori 
dürfen  wir  freilich  annelimcD,  dnss  auch  die  bis  jetzt  nicht  erörterten 
Muster  ihren  Ursprung  aus  der  Xatur  genommen  haben,  wenn  wir  es  nicht 
etwa  mit  einem  selten  vorkommenden  Fall  der  Technik  zu  tbun  haben, 
und  wir  werden  daher  Torsurhen,  auch  diesen  Ornamenten  ein  Datflrliches 
Vorbild  zu  geben.  Wenn  daher  von  freien  Ornamenten,  Mustcni  znr 
Ausfüllung  u.  dgl.  m.  geredet  wird,  so  ist  darunter  die  Anwendung  eines 
Ornaments,  losgerissen  von  seinem  Ursprung  und  verbunden  mit  anderen 
ebensolchen  Elementen,  verstanden. 

Das  einfachste  Ornament,  parallele  Linien,  tritt  nur  gelegentlich  als 
Menschenfiguren  (Fig.  10),  als  Theile  des  fliegenden  Hundes  (Fig.158— IW), 
als  .AngensegmentbOndel'^  (Fig.  41)  mid  als  eine  Art  von  Flechtmuster  zur 
Ausfüllung  von  Kaum,  also  rein  ornamental,  auf  (Fig.  103,  104).  Ebenso 
gielit  es  als  geometrisches  Uebilde  parallele  gezahnte  Linien  (Fig.  60,  80). 
Uie  häufig  vorkommenden  convergir enden  Linien  lassen  sirli  vom  Ober- 
kiefer des  Krokodils  (Fig.  174),  vom  Nasenrücken  (Fig.  19)  und  vom 
Vdgelschwanze  ableiten.  Einzelne  Zacken  werden  sehr  häufig  rein 
ornamental  verwandt,  ebenso  Reiben  von  Zacken  auf  den  Srhüdpatt- 
.\rniringen.  Zackenbänder  diigegen  sind  selten  und  nur  in  der  leicht 
gebiigenen  Form  der  Zacken  Fig.  'M  vorhanden.  Häufig  dagegen 
kommt  ein  Band  vor,  das  aus  zwei  jmrallelen  Linien  besteht,  die  von  ab- 

r  IS^ä,  S.  267.    Siebe  die  .lomcrknng  un  Schlüsse. 


KönstleriBche  DarGt-ellangen  ans  Kaiser- Wilbelms-LaDd.  ]35 

wecbselnd  aaf  jeder  Seite  hineinragenden  Zähueo  unterbrochen  sind,  also 
auch  eine  Art  Zackenband  mit  stark  abgestumpften  Spitzen  vorstellt 
(Fig.  180  unten  u.  s.  w.).  Durch  Hervorheben  der  zwischen  den  Zacken 
eines  gewöhnlichen  Zackenbandes  nach  einer  Seite  gerichteten  Winkel 
vermittelst  Ausfüllung  haben  wir  die  Zahnreihe,  das  gebräuchlichste  Orna- 
ment im  ganzen  District.  Während  nun  die  Zacke  vielleicht  auf  tech- 
oischem  Wege  oder  aus  dem  Zahnornament  entstanden  ist,  kommen  Zähne 
sehr  häufig  als  Theile  von  Darstellungen  der  Natur  vor,  die  spitze  Zahn- 
reihe als  Ende  der  Schwanzfedern  der  Vögel,  als.  Schuppenpanzer  und 
Fasse  der  Krokodile  (Fig.  180),  gelegentlich  auch  beim  Menachenmund  (Fig.  17, 
32).  Die  abgestumpfte  Zahnreihe  entspricht  gewöhnlich  dem  Gebiss  des 
Krokodils  (Fig.  123),  wie  des  Menschen.  Sehr  fraglich  ist,  ob  das  abge- 
stumpfte Zackenband  (Fig.  180  unten  links)  bereits  einer  freien  Verwendung 
des  Zahnmotivs,  wie  vorher  angedeutet,  seinen  Ursprung  verdankt.  Es 
erscheint  das  aber  wahrscheinlich,  da  durch  Gegenüberstellen  der  Zähne 
als  Unterbrechung  zweier  paralleler  Linien  eine  Beihe  schmaler  Sechsecke 
hervorgebracht  wird  (Fig.  17  rechter  Mundfortsatz),  die  nur  in  dieser  Weise 
vorkommen.  Desgleichen  ist  die  Verwendung  der  zwischen  parallelen  Linien 
auftretenden  kleinen  Rechtecke  oder  Quadrate  als  freie  Ornament irnng  durch 
senkrechte  Querstriche  aufzufassen  (Fig.  100,  144  u.  s.  w.).  Femer  sind  der 
seltene  Sparren  (Fig.  20)  und  das  Sparrenband  zu  erwähnen  (Fig.  186), 
zweifellos  abgeleitete  Ornamente;  woraus,  ist  schwer  zu  sagen.  Man  ver- 
gleiche jedoch  das  Fischschwanzband  Fig.  116. 


¥ig.  180.    '/n-    Kaiiuvenierang,  Finschhafen. 

Kommen  wir  nun  zu  den  krummen  Ornamenten.  Der  Kreis  lässt 
sich  stet»  schwer  in  seinem  Urspnm<i;  uachweisen.  Wir  haben  ihn  als 
rudimentären  Vogelkopf  kennen  gelernt,  und  wir  können  uns  nicht  ver- 
sagen, hier  noch  kurz  auf  die  Entstehung  einer  Reihe  von  Kreisen,  die  mit 
einer  schmalen  Leiste  bedeckt  sind,  aus  einer  Reihe  doppelter  Vogelköpfe, 
ähnlich  denen  in  Fig.  69  und  70,  hinzuweisen  (Fig.  176 — 178).  Es  sind  eine 
Art  von  Trommelgritfen,  die  den  eigeutlichen  Griffen  gegenüberstehen.    Das 


136 


K.  Th.  Pbeubs: 


AnfangBglied  igt  ein  einzelnes,  Bcliarf  auBgepr&gtes  Vogelkopfpaar,  ähnlich 
Fig.67;  daa  Endglied  sehen  wir  in  Fig.178.  Die  Kreise  sind  die  nrsprflnglich 
dreieckigen  Einechnitte  in  der  Mitte  der  Vogelkopfpaare  (Fig.  67,  69,  70,  Tgl. 


r 


Fig.  181—192. 
181)  </■■  Baderblatt,  Pfnsehhafen.  Abreibung.  —  162l  ■/,.  Querwand  der  Plittrorm  «ines 
KkDQ'Modells,  Tami-Inseln.  —  183)  '/m-  ^tett  an  einem  Gcmeindehaos,  Snam  bei  Finach- 
bafcn.  —  1S4)  ',].  Schildpatt- Arm  band,  .Finschhafen  bciw.  Tatni-Inacln".  Abreibung.  — 
lüb)  '!,.  Trommel,  Finschhafen.  —  186)  '/,.  Schildpatt -Armband,  Hüon-Uolf.  Abreibung.  — 
187)  ■/,.  Desgl..  Finachhafm.  —  188)  '/i-  Bambubchllter  Rx  Tabak,  Hüon-Golf.  — 
189)  '/i-    Schwirrbrett,  Finschhafen.  —  190-192)  ■/,.    Kflrbiekörbchen,  Tami-In«eln. 

Fig.  150  — 15"J'),  Die  Leiste,  unter  der  die  Vogelkopfpaare  an s<;e schnitzt  sind, 
tritt  als  etwas  Neues  hinzu,  ebenso  die  sonstigen  durchbrochenen  Tbeile 
an   den   Enden    derselben.     Wnw  nun  aus  der  Fig.  17S  durch  freie  Orna- 


1)  Slfhe  auch  Ak'  Abbildung  bH  Srhellong.  Inter 
Fig.  9. 


li..n»lis  .\rfbiv  18J'9,  Tif.  VII 


Künstlerische  Darstellungen  aus  Kaiser-Wilhelms-Land.  137 

mentirung,  Verschwinden  des  Vogelkopfpaarmotivs  und  Einfügung  einer 
kleinen  Holzsehüssel  in  die  Leiste  werden  kann,  sehen  wir  Fig.  179. 
Allein  es  fehlen  Zwischenglieder,  um  den  Bogen  unter  der  Schüssel  zu 
erklären.  —  Der  Kreis  kommt  aber  natürlich  auch  als  directe  Nachbildung 
von  Naturobjecten  vor,  als  Auge  und  After  (Fig.  175)  von  Thieren,  als  Brust- 
warzen (Fig.  137)  und  Bauchnabel  beim  Menschen.  In  der  freien  Ornamentik 
sind  immer  nur  kleine  Kreise  entsprechend  diesen  natürlichen  Darstellungen 
verwendet;  die  wenigen  grösseren  schliessen  sich  entweder  an  die  Kreis- 
form auf  dem  Boden  der  Kürbisschälchen  an  oder  entstehen  durch  Ab- 
Schleifung  aus  concentrischer  Einfassung  von  Ovalen  wie  in  Fig.  174,  die 
auf  derselben  Trommel  genau  dieselben  Formen  als  Gegenstück  hat,  nur 
dass  die  inneren  krummen  Linien  Ovale  sind,  während  erst  die  äussere  Um- 
Schliessung  ein  Kreis  ist.  Das  kleine  Oval  als  Menschenmund,  das  grössere 
und  das  halbe  Oval  als  Krokodilrachen  sind  bereits  entwickelt.  Nun  ist 
es  aber  möglich,  dass  auch  die  grösseren  Ovale  im  Menschenmunde 
ihr  Vorbild  (Fig.  32)  haben.  Schliesslich  kommen  nun  noch  kleine  ge- 
streckte Ovale  als  Abschleifung  der  durch  Gegenüberstellung  von  Zähnen 
zwischen  zwei  Parallelen  gebildeten  Sechsecke  vor  (Fig.  180  unten  rechts). 
Darstellungen  zweifelhaften  Urprungs.  Alle  anderen  in  unserem 
District  vorkommenden  Gebilde  werden  wir  als  Znsammensetzungen  und 
rein  omamentale  Erweiterungen  der  bis  dahin  vorgeführten  Linien  auf- 
zufassen haben.  Die  Füllung  des  kleinen  Kreises  in  Fig.  48,  das  Viereck 
mit  geschweiften  Seiten  zwischen  den  beiden  kleinen  Rundungen  in  Fig.  17 
und  ein  ebensolches  in  Fig.  101  werden  wir  nun  zu  erklären  wissen.  In 
Fig.  181  sehen  wir  eine  Reihe  von  Krokodilrachen,  in  Fig.  183  das  Fisch- 
schwanzmotiv; auch  Fig.  186,  Fig.  190  und  191  sind  uns  keineswegs 
fremd.  Allein,  um  nicht  ein  falsches  Bild  von  den  Kunstschöpfungen  zu 
erwecken,  die  wir  doch  zu  ihrer  richtigen  Beurtheilung  alle  kennen 
lernen  müssen,  habe  ich  auch  die  wenigen  Gebilde  reproducirt,  welche 
einen  fremdartigen  Eindruck  machen  und  deshalb  eine  besondere  Er- 
klärung verlangen,  die  aber  wegen  des  einmaligen  Vorkommens  nicht 
möglich  ist.  Dahin  gehört  das  in  der  Mitte  durchbrochene  Rechteck 
Fig.  182,  das  vielleicht  omamental  entstanden  ist,  femer  die  Rechtecke 
mit  den  Ohrtheilen  in  Fig.  183  oben  und  unten,  weiter  Fig.  184  und  185, 
welche  letztere  allerdings  rein  omamental  sein  kann.  In  Fig.  187  ist  die 
rechts  stehende  gestreckte  Figur,  entsprechend  dem  Schildpattplättchen  in 
einem  Cymbiummuschel- Brustschmuck,  vielleicht  eine  vorn  und  hinten 
gleich  aussehende  Eidechse  (vgl.  Fig.  119).  Dann  dürfte  auch  die  rechts 
davon  geritzte  Figur,  die  wegen  des  vorhandenen  Raumes  bogenförmig 
erscheint,  eine  solche  sein,  während  links  neben  den  wie  fliegende  Vögel 
aussehenden  Gestalten  Eidechsentheile  erscheinen  würden.  Die  Mittelfigur  in 
Fig.  188  wird  wohl  ebenfalls  ein  Thier  sein,  aber  auch  die  gestielten  Dreiecke 
zu   beiden  Seiten  haben  wahrscheinlich  direct  eine  thierische  Bedeutung. 


138  K.  Th.  Prguss: 

Auch  die  Dreieckaform  von  Fig.  189  erscheint  fremdartig,  obwohl  sie  durch 
Zufall  aus  dem  Oral  hervorgegangen  sein  kann.  Schliesslich  sind  in 
Fig.  190  die  spiraligen  Haken  neu.  und  in  Fig.  192  das  einem  lateinischen 
M  ähnliche  Gehilde.  Zugleich  lassen  die  Fig.  190—19-2  so  recht  die 
freie  Verwendung  der  Omamenttheile  verschiedenartigsten  Ursprunges  er- 
kennen. Zu  diesen  schwer  verständlichen  Mustern  seien  nur  noch  die 
Tättowirungsliuien  auf  den  Tami-Inseln  hinzugefflgt,  denen  man  nach 
Schellong')  häufig  begegnet  und  die  gewöhnlich  vier-  und  fünfeckige 
Figuren  darstellen  sollen,  während  sonst  Tattowirung  in  unserem  District 
nicht  vorkommt. 


Fig.  19S— 198.    Teitile  Muster. 

Taacheo:  19S)  ■/„.    FinschUren.  —  191  - 196)  '/.,■    Üeggl- —  197— 198)  '/^    Bussnm. 

nördlich  von  FinGcbluleD. 

Textile  Muster.  Die  braun,  dunkelgrAn  und  röthlicb-gelb  gefärbten 
Fäden,  welche  ausser  den  weissen  in  den  eigenartig  geknOpften  Taschen 
verwandt  werden,  bringen  natQrlicb  im  Gegensatz  zu  der  sonstigen  Ge- 
wohnheit des  Districts  nur  eckige  Muster  hervor,  deren  Zahl  aber  trotz 
der  vielen  Taschen  im  Museum  zu  klein  ist,  um  sie  bis  zu  ihrem  Ursprung 
zu  verfolgen.  Nach  den  gemachten  Erfahrungen  könnte  die  Hauptdarstellung 
in  Fig.  193  (auf  die  allein  es  ankommt,  da  die  anderen  Muster  der  Fignr 
nur  als  Umrisse  des  MittelstQcks  ersclieinen)  wieder  als  der  hangende 
Pteropus  gedeutet  werden;  ähnliche  Muster,  wie  in  Fig.  194 — 195,  ent- 
wickeln sich  aus  diesem  Thier  an  der  Nordkfiste.  Daran  wflrde  sich  der 
Form  nach  zunächst  Fig.  197  anscliliessen.  Fig.  196  erscheint  unten  un- 
regelmässig  gemustert:  Fig.  lOS  erinnert  sehr  an  Darstellungen  des  Districts 
Astrolabe-Bai  *). 

1)  Bcitrige.    Zeitschr.  f.  Elhnol.  XXIII.  1891,  Fig.  179. 

2)  Vgl.  auch  die  AbbiMun^cD  bei  Fiasch,  Elbnot.  Atlas  X,  Fig.  3:  bei  Schellong. 
Barlniiirest,  Inteniit.  Arch.  II.  Tjif.  VII,  Flg.2. 


Künstlerische  Darstellungen  aua  Kaiaer-Wilhelms-Land.  139 

Wean  es  nun  auch  nicht  möglich  war,  ein  erschöpfendes  Bild  der 
linearen  Ornamente  unseres  Diatricts  zu  geben  und  alle  bis  zu  ihrem  Ur- 
sprünge zu  verfolgen,  so  dürfte  doch  alles  Wesentliche  vorgeffilirt  und 
richtig  erklärt  sein,  und  kein  noch  so  reichhaltiges  Material  wird  hier 
mehr  als  Ergänzungen  bringen  können.  Damit  ist  aber  die  VeröfTentlichung 
dieser  Arbeit  gerechtfertigt. 


Anmerkung. 

Hittierweile  habe  ich  dorch  daa  Entttegen kommen  des   Herrn   Dr.  Lauterbach  in 
Stabelviti   Gelegenheit  gehabt,  seine   omfangTAichen   Sammlnngen  aas  K  ais  er- Wilhelm  s- 
Land  in  stndiren.    Trott  mancher  Variationen  der  darunter  befindlichen  Gegenstände  aus 
dem  Dietrict  Finschhafen  ergab  sich  durchweg  die  Bestätigung  alles  hier  Gesagten.   Selbst 
eine  Ergäniung  ist  nur  besnglich  der  nebenstehenden  Figur  ('/i 
der    wirklichen    Grösse)   Ton    einem    Holischwert   aus    Bukaua 
Dothwendig,  welche   ein    Gesicht    mit    dem    bekannten    hohen 
Kopfschmuek  zeigt.    Die  oberen  Theile  der  Obren,  die,  wie  wir 
winen ,    sonst    aus    je    zwei    einen    stumpfen   Winkel    bildenden 
Linien   besteben  (Fig.  11  —  18),    fehlen    oder    sind    mit    den    seit- 
lichen unteren  Forts Stxcn  desEopfaufsatiea  vereinigt  (Tgl.  Fig.  110). 
Damit  ist  anch   die   Figur  auf  dem    in    der   Anthropologischen 
Gesellschaft     1868    (Verhandlungen     XX,     S.   367)    vorgelegten 
Schwirrforett,   die   als  ruhende  Bremse  gedeutet  wurde,  ertl&rt 
Nor  ist  dort  die    Nase   so   lang,   dass   sie   ans   der    Gesichts- 
nmranilnng  herausragt.     Ausserdem   sind   die  Nasenüügel   und 
darunter  der  Mund  angedeutet,  während  die    eigenthürolich   ge- 
stalteten nnteren  seitlichen  Ausläufer  des  Kopfschmuckes  ganz  ge- 
trennt von  letzterem  sind  und  als  die  oberen  Ohrtheile  erscheinen.    Die  Abbildung  in  den 
VerhtutdloDgen  1888  ist  übrigens  in  nmgekehrter  Lage  zu  betrachten. 

Herrn  Ür.  Lauterbach  möchte  ich  auch  an  dieser  Stelle  für  die  genossene  liebens- 
würdige Gastfreundschaft  meinen  verbindlichen  Dank  abstatten. 


Besprechung. 


Festschrift  zur  XXVIII.  Versammlung  der  Deutschen  Anthropologischen 
Oesellschaft.  Lübeck,  1897,  Charles  Coleman.  gr.  S^"».  mit  43  Tafeln. 
Die  eben  geschlnssene  Generalversanunlung  der  Deutschen  AnÜiropologischcn  Gesellschaft 
in  Lfibeck  ha^  den  Mitgliedern  eine  ausserordentlich  werthvoUe  Festgabe  gebracht,  welche 
auch  weitesten  Kreisen  in  erwünschter  Weise  eine  Uebersicht  der  Schätze  gewähren  wird, 
die  in  dem  schOnen  neuen  Musenm  der  Stadt  Aufstellung  gefunden  haben.  Während  die 
weit  reicheren  und  seit  längerer  Zeit  gepflegten  Museen  der  beiden  Nachbarstädte  Schwerin 
nnd  Kiel  durch  treffliche  Bearbeiter  allgemein  bekannt  geworden  sind,  hat  es  für 
die  Lübecker  Sammlungen  an  einer  bequemen  und  sachverständigen  Uebersicht  gefehlt. 
Diese  ist  nonmehr  durch  das  Zusammenwirken  der  tüchtigsten  Kräfte  geschaffen  worden. 


140  Besprechung. 

Dabei  erhalten  wir  xugleich  einen  Einblick  in  die  Entwickelnng  der  Sammlungen  and 
in  die  Th&tigkeit  der  Männer,  welche  an  ihrem  Aufbau  gearbeitet  haben,  und  es  fSllt 
mancher  Lichtstrahl  auf  die  langsame  und  mfihselige  Geschichte  der  antiquarischen  und 
naturhistorischen  Studien  in  Norddeutschland  überhaupt  Der  erste,  Ton  Dr.  Th.  Hach  bear- 
beitete Abschnitt  bringt  einen  «geschichtlichen  Ueberblick  über  Forschungen  xur  vorgeschicht- 
lichen Alterthumskunde  in  Lübeck."  Aus  demselben  ergiebt  sich,  dass  für  das  lübeckische 
Gebiet  sichere  Nachrichten  über  Alterthumsfunde  vor  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  sich 
nicht  haben  ermitteln  lassen.  Als  erster  Autor  wird  Kunradt  von  Hövelen  genannt. 
Obwohl  schon  in  einer  Urkunde  von  1228  ein  Stenbedde  als  Grenxseichen  aufgeführt  wird, 
neben  tres  montes,  qni  Circumspice  te  sive  sedichvmme  nominantur,  so  wird  doch  über 
den  Inhalt  derselben  nichts  erwähnt  Ein  solcher  scheint  erst  durch  Jacob  von  Melle 
mehr  ins  Auge  gefasst  zu  sein,  der  1684 — 1748  als  Geistlicher  die  ersten  Stellen  in  der 
städtischen  Hierarchie  bekleidete.  Er  gründete  ein  Privat-Museum,  das  auch  naturgeschicht- 
liche Abtheilungen  und  eine  Trachten-Sanmüung  umfasste.  Aber  erst  1821  setite  die 
„Gesellschaft  zur  Beförderung  gemeinnütziger  Thätigkeif  einen  besonderen  Ausschuss  für 
das  Sammeln  und  Erhalten  der  Quellen  und  Denkmale  der  Geschichte  Lübecks  ein,  und 
erst  1842  wurde  dieser  Ausschuss  auf  die  Ausgrabungen  des  Mannes  aufmerksam,  der 
sehr  bald  das  Interesse  aller  Gelehrten  zu  erregen  wusste,  des  danudigen  OberfSriters 
Hang.  Dieser  fand  1845  die  schnell  berühmt  gewordene  Bronzeciste  von  Pansdorf^  nachdem 
er  schon  früher  die  Untersuchung  des  gräberreichen  Waldhusener  Reviers  in  grösserem 
Maassstabe  in  Angriff  genommen  hatte.  Hier  ward  1843  das  megalithische  Hünengrab 
aufgedeckt,  dessen  mächtiger  Steinbau  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  ist  Bei 
dieser  (Gelegenheit  trat  auch  der  zweite  Forscher  in  den  Vordergrund,  der  die  älteste  Ge- 
schichte seiner  Vaterstadt  durch  manche  werthvolle  Arbeit  aufgeklärt  hat,  der  Pastor 
Klug.  Später  folgten  auf  dieser  Bahn  Milde,  Arndt  und  Gross;  ihren  Nachforschungen 
vor  allem  ist  die  Aufdeckung  von  Alt-Lübeck  zu  verdanken. 

Den  zweiten  Abschnitt  der  Festschrift  bildet  der  Bericht  über  die  prähistorische  Ab- 
theilung des  Museums,  erstattet  durch  den  verdienten  jetzigen  Direktor  derselben,  Dr. 
K.  Freund.  Aus  demselben  verdient  vorzugsweise  Erwähnung  das  Capitel  über  Alt-Lübeck, 
das,  genau  genommen,  als  ein  Pfahlbau  bezeichnet  werden  sollte,  und  dessen  Funde  auf 
mehreren  Tafeln  durch  scharf  gezeichnete  Abbildungen  erläutert  sind.  Auch  das  Hünen- 
grab von  Waldhusen  (Taf.  XV)  und  manches  schöne  Bronzestück  sind  hier  dargestellt  Um 
so  empfindlicher  berührt  der  Mangel  einer  genügenden  Untersuchung  des  grossen  Ring- 
walles bei  Pöppendorf,  eines  zweifellos  slavischen  Burgwalles,  zu  dem  wohl  auch  die  von 
Hang  untersuchten  benachbarten  Grabhügel  mit  Skeletten  gehörten  XS.  20).  Nicht  un- 
erwähnt darf  das  1817  in  einem  Hügelgrabe  bei  Waldhusen  gefundene  Bruchstück  einer 
bekleideten  menscl\{ichen  Figur  aus  gebranntem  rothem  Thon  (Tat  V,  Fig.  6)  bleiben. 

Der  dritte  Abschnitt  ist  dem  „Museum  für  Völkerkunde**  gewidmet  Dr.  Karutz  be- 
schreibt kurz  die  gleichfalls  auf  Jacob  von  Melle  zurückführende  Entstehung  und  da«, 
gerade  in  neuerer  Zeit,  schnell  gesteigerte  Wachsthum  der  ethnologischen  Abtheilung. 
Die  ersten  Anfänge  gehen  schon  in  das  17.  Jahrhundert  und  auf  nordische  Stücke  zurück. 
Die  Neuzeit  hat  namentlich  polynesische  und  afrikanische  Sachen  gebracht  28  Tafeln  zeigen 
den  Reichthum  dieser  Abtheilung. 

Den  Schluss  machen  die  von  Dr.  H.  Lenz  übersichtlich  bearbeiteten  Anthropoiden, 
denen  Dr.  Prochownick  einen  kurzen  Bericht  über  die  Becken  hinzugefügt  hat  Seit 
den  bekannten  Untersuchungen  von  Bischoff  hatte  sich  die  Aufmerksamkeit  der  Ana- 
tomen dieser  Sammlung  zugewendet,  welche  durch  ihren  Reichthum  die  meisten  euro- 
päischen Museen  übertraf;  seit  jener  Zeit  ist  dieselbe,  namentlich  durch  zahlreiche  Skelette 
und  Schädel  von  Orang-Utans,  vermehrt  worden.  Unter  den  letzteren  befindet  nch  ein  sehr 
sonderbarer  Schädel,  der  nach  der  Ansicht  des  Ref.  als  ein  wasserköpfiger  zu  betrachten  sein 
dürfte  (Nr.  858,  Taf.  I,  Fig.  4—6,  S.  18).  Hr.  Lenz  giebt  seine  Gapacität  zu  686  ccai  an. 
Von  den  Zähnen  sind  die  Prämolaren  ausgebildet;  die  lateralen  Schneidezähne  im  Ober- 
kiefer ragen  erst  zur  halben  Länge  der  Krone  vor.   Das  Gebiss  ist  ein  .Milchzahngebist*. 

Rud.  Vir  che  w. 


V. 

lieber  einige  Beziehungen  der  Alterthümer  China's  zu 
denen  des  skythisch-sibirischen  Völkerkreises. 

Von 
P.  REINEOKE,  Mainz. 

Vorgelegt  in  der  Sitzung  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft 

vom  19.  Juni  1897. 

Unser  correspondirendes  Mitglied,  Hr.  Professor  Dr.  Friedrich  Hirth 
in  München,  hatte  die  Liebenswürdigkeit,  mir  aus  seiner  Bibliothek  einige 
chinesische  kunsthistorische  Werke  zum  Studium  der  chinesischen  Alter- 
thümer und  zum  Vergleich  derselben  mit  den  im  nördlichen  Asien  und 
in  Russland  ausgegrabenen  prähistorischen  Gegenständen  zur  Verfügung 
zu  stellen.  Bei  der  Durchsicht  dieser  Werke  fielen  mir  zahlreiche  Er- 
scheinungen auf,  welche  sich  direct  mit  den  Alterthümern  des  skythisch- 
sibirischen  Völkerkreises  in  Beziehung  bringen  lassen,  und  ich  halte  es 
deswegen  für  angebracht,  in  Kürze  darüber  zu  berichten.  Diese  Bemerkungen 
haben  lediglich  den  Zweck,  die  betheiligten  Fachgenossen  auf  diese  Be- 
ziehungen aufmerksam  zu  machen,  und  sollen  nicht  etwa  die  ganze  Frage 
in  erschöpfender  Weise  behandeln;  ich  beschränke  mich  deshalb  auch 
darauf,  hier  aus  der  umfangreichen  archäologischen  und  kunsthistorischen 
Literatur  der  Chinesen  zu  den  Vergleichen  nur  die  bekanntesten  Werke, 
das  Po-kvr-fu'lu  des  Kunstarchäologen  Wang  Fu  (Anfang  des  Xu.  Jahr- 
hunderts), das  Si-UHng-ku-kün  (Mitte  des  XVIII.  Jahrhunderts)  und  das 
Kin-schi'SO  der  Gebrüder  Fong  Yün-pöng  und  Fong  Yün-yüan  (im  Jahre 
1822  herausgegeben)  heranzuziehen.  Hm.  Hirth,  welcher  die  Güte 
hatte,  mir  die  Texte,  so  weit  erforderlich,  zu  interpretiren  und  alle 
nöthigen  Auskünfte  über  die  Beschreibung  zu  den  Illustrationen  dieser 
Autoren  zu  geben,  habe  ich  für  sein  freundliches  Entgegenkommen  bestens 
zu  danken. 

Spiegel. 

Gelegentlich  der  Publication  eines  kaukasischen  Brouzespiegels  (mit 
durchbohrtem  Knopf  auf  der  Rückseite)  durch  Hrn.  Virchow  (Zeitschr. 
f.  Ethn.  1890,  Verh.  S.  448—450,  Fig.  57)  wies  Hr.  Hirth  darauf  hin, 
dass    dieser    Spiegel    auf    altchinesische     Einflüsse     zurückgehen     könnte 

Zeitschrift  für  Etbiiologie.     Jnbrg.  18i)7.  11 


14J  P.  Beinecke: 

(Verhandl.  1891,  8.  808—809).  Hr.  Hirth  sprach  die  Verrouthuiig  niis. 
dass  dae  Stück  vielleicht  selbst  ein  Product  chineaiächeii  Kunstfleisses 
wäre;  jedoch  bei  einer  Sichtung  des  umfangreichen  prähistorischen  Materiales 
sowohl  aus  dem  Kaukasus  wie  aus  SOdrussland  and  Sibirien  müssen  wir 
diese  Vermuthuung,  und  ich  befinde  mich  hier,  wie  ich  glaube,  in  Tollster 
Uebereinstimm ung  mit  Hm.  Hirth,  etwas  anders  formuliren.  Es  bedarf 
dazn  zunächst  einiger  Aüsfflhrungen  über  Form,  Alter  und  Verbrejtung 
dieser  Spiegel;  wie  die  Beziehungen  der  chinesischen  Exemplare  zu  denen 
des  skythisch-stbirischen  Völkerkreises  zu  deuten  sein  dQrften,  werden  wir 
weiter  unten  im  Zusammenhang  mit  d»i  anderen  Gruppen  von  Analogion 
untttrsuehen. 

In  China  gab  es   in   sehr   alter,    frülier  Zeit  schon  Metallspiogel,    da- 
neben   solche    aus  Nephrit.     Jedenfalls    waren    die    ältesten  Formen,    von 

Fig.  8. 


Einracher  cbioesiacber  Hetallspiegel  mit 
dnrcbbolirtem  Knopf,  Räckseite  unvcr- 
liert;  nach   l'o-ku-fu-lv.  Buch  38,  p.  13. 


Bückscite  eines  chinesiscbco  Bronicspiegels  mit  Tranbrn 
muster;  nach   Si-U'ing-bu-kien,  C»p.  10,  p.  ', 


denen  bisher  jedoch  keine  Originale  oder  Abbildungen  in  chinesischen 
kunsthistorischen  Werken  bekannt  geworden  sind,  der  Oberwiegenden 
Mehrzahl  nach  kreisrunde  Scheiben  und  hatten  schon  im  Centrum  der 
Rückseite  einen  durchbohrten  Buckel  oder  ein  ausgebildetes  Oehr,  da 
sonst  die  Autoren  uns  sicherlich  von  einer  anderen  Form  berichtet  h&tten. 
Der  durchbohrte  Knopf  auf  der  Rückseite  diente  zum  Durchziehen  einer 
Schnur,  welche  als  Handhabe  des  Spiegels  verwendet  wurde;  Spiegel  mit 
Griffen,  etwa  wie  die  bekannten  griecliisclien  oder  etruskischen,  kommen 
unter  den  ältesten  chinesischen   Alterthflmem,    wie   es  scheint,    nicht  vor. 


Ueber  einige  Beziehungen  der  Alterthümer  Ohina^s  u.  s.  w.  143 

Eia  umfaDgreiches  Material  ist  uds  hingegen  aus  der  Periode  der  Dynastie 
Han  (206  v.  Chr.  bis  221  n.  Chr.)  und  aus  jüngeren  Zeiten  in  Illustrationen 
erhalten  (Po-*tt-eV/w,  Buch  28—30,  Si-ts'tng-ku-kiM,  Cap.  39—40,  Ätn- 
^chf'^o^  Abtheilung  Kinso  (Erklärung  der  Metallarbeiten),  Band  VI).  Eine 
Anzahl  derartiger  Spiegel,  speeiell  mit  Traubenmustem,  aus  der  Zeit  der 
ülteren  Han  (206  v.  Chr.  bis  9  n.  Chr.)  hat  Hr.  Hirth  in  seiner  Studie: 
^Ueber  fremde  Einflüsse  in  der  chinesischen  Kunst"  (München  und 
Leipig  1896)  reproducirt.  Zugleich  existiren  auch  Originale,  entweder  alte 
Originalstücke  oder  spätere  Nachgüsse  nach  solchen,  in  verschiedenen 
Museen  und  Sammlungen*),  welche  uns  eine  gute  Vorstellung  von  den 
Flachrelief-Ornamenten  auf  der  Spiegel-Kückseite  gewähren;  denn  diese  sind 
in  den  chinesischen  Illustrationen  in  herkömmlicher  Weise  nur,  als  wären 
sie  eingravirt,  wiedergegeben. 

Der  Durchmesser  der  Metallspiegel  schwankt  ganz  erheblich,  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  dürfte  er  sich  zwischen  6  und  20  ein  halten;  die  Form 
ist  zumeist  die  kreisrunde.  Nie  fehlt  auf  der  fast  regelmässig  mit  Orna- 
menten bedeckten  Rückseite  der  durchbohrte  Knopf.  Wir  bilden  hier  als 
Fig.  1  einen  unverzierten  Spiegel  ab,  welcher  den  einfachen  Typus  sehr 
deutlich  veranschaulicht.  Bei  den  Traubenspiegeln  (Fig.  2*)  findet  sich 
an  Stelle  eines  einfachen  Oehres  als  solches  die  Figur  eines  Vierfüsslers 
verwendet.  In  der  chinesischen  Zeichnung  musste  diese  vom  Kücken  her 
gesehen  und  in  der  gleichen  Manier,  wie  die  Flachrelief-Ornamente,  rings 
herum  ausgeführt  erscheinen;  jedoch  handelt  es  sich,  wie  man  sich  an  den 
Copien  oder  Nachgüssen  der  Originale  überzeugen  kann,  keineswegs  um 
eine  Flachrelief-Figur. 

Ihrem  Alter  nach  gehören  die  Spiegel,  von  welchen  wir  uns  an  der 
Hand  der  Illustrationen  und  der  erhaltenen  Bronzeoriginale  (bezw.  Nach- 
güBse)  eine  genaue  Vorstellung  machen  können,  vornehmlich  in  die  Zeit 
der  Han.  Diese  typischen  Geräthe  waren,  wie  gesagt,  jedoch  auch  schon 
früher  in  Gebrauch,  und  auch  noch  viel  später,  bis  durch  Einführung  der 
Glasspiegel  aus  Europa  die  metallenen  in  Fortfall  kamen.  Als  ein  be- 
merkenswerthes  Kennzeichen  der  altchinesischen  Stücke  giebt  ein  Autor 
des  elften  nachchristlichen  Jahrhunderts  an  (Verhandl.  1891,  S.  808),  dass 
bei  kleinen  die  Spiegelfläche  convex  geschliffen  war,  und  zwar  aus  dem 
Grande,  weil  der  Spiegel  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  ein  menschliches 
Gesicht  in  sich  aufnehmen  sollte;  im  elften  Jahrhundert  war  die  Kunst 
des  Convexschleifens  schon  verloren  gegangen. 

Bei  anderen  Culturvölkern  des  Alterthums  findet  sich  dieser  Spiegel- 
tvpiu  nicht,    wohl  aber  begegnen  wir  ihm   in  Sibirien,    im  Kaukasus,    in 


1)  Eine  Anxfthl  solcher  Stücke  ging  aus  der  Sammlong  Martucci  in  den  kgl.  bayrischen 
HofbeaiU  Über  und  befindet  sich  im  Ethnographischen  Mnseuin  su  München. 

2)  Das  Glicht  stellte  uns  Hr.  Hirth  gütigst  zur  Verfügung,  desgl.  das  zu  Fig.  12. 

11* 


U4 


P.  Bbikecke: 


Südrussland  und  in  Ungarn.  Das  älteste  zeitlich  bestimmbare  Exemplar, 
eine  dicke  Bronzescheibe  von  10  cm  Durchmesser  mit  verdicktem  Rande 
und  einem  scharf  vorspringenden  Oehr  auf  der  Rückseite  (Fig.  3),  stammt  aus 
einem  skythischen  Kurgan  im  Kreise  Skwira,  6ub.  Kiew  (Zbiör  wiadomosci 
u.  s.  w.  Yin,  Krakau  1884,  Taf.  III,  1);  es  reicht  unbedingt  noch  bis  in  das 
sechste  vorchristliche  Jahrhundert  zurück,  wie  aus  den  mit  ihm  gefundenen 


Fig.  3. 


Fig.  4. 


Skythischer  Metallspiegel   aus  Süd- 
russland;   Dach    Zbi6r    wiadomo.^ci, 
iaS4,  Taf.  III,  1. 


Metallspiegel  ans  Sibirien; 

nach    Martin,   Tage   da 

bronze  etc.,  XXVII,  6. 


Fig.  5. 


Fig.  6 


Motallspicgcl  aus  Sibirien; 
h  Martin 
XXYII,  8. 


Metallspiegel  ans  Sibirien: 
nach  Martin  I.e.,  XXVII,  12. 


nach  Martin  1.  c. 


Elektron-Ringelchen  (ibidem  Taf.  III  2),  zu  welchem  in  Griechenland  mehr- 
fach wohl  datirbare  Gegenstücke  existiren  (z.  B.  Archäol.  Zeitung  1884, 
Taf.  Vni,  9,  11),  hervorgeht.  Dem  fünften  Jahrhundert  v.  Chr.  gehört 
ein  ähnlicher  Spiegel  an,  welcher  in  dem  bekannten  Kurgane  Perepjetowka 
im  Kreise  Wasilkow,  Gub.  Kiew,  gefunden  wurde  (abgebildet  bei  Kohn- 
Mehlis,  Materialien,  I,  Taf.  IX,  1);  die  Zeitbestimmung  wird  hier  durch 
eine  Anzahl  von  Goldblechzierrathen  (ibidem  Taf.  XI,  4,  5)  gegeben.  Auch 
noch    in   anderen   skythischen  Grabhügeln  Südrusslands  wurden  derartige 


Ueber  einige  Beziehungen  der  Alteithnmer  China's  u.  s.  w.  145 

Geräthe  ausgegraben;  in  den  reich  ausgestatteten  Fürstengräbem  scheinen 
sie  jedoch  zu  fehlen,  hier  kamen  wenigstens  immer  nur  Spiegel  mit  Orififen 
zum  Vorschein.  In  Ungarn,  wo  jüngst  eine  Reihe  sehr  alter  skythischer 
Gräber  nachgewiesen  wurde,  hat  man  sie  bisher  nicht  beobachtet^);  hin- 
gegen treffen  wir  sie  in  grosser  Anzahl  in  Sibirien  au,  ebenso  in  der 
Nekropole  von  Ananino  (Aspelin,  Antiqu.  du  Nord  finno-ougrien,  293,  324, 
326,  468;  Martin,  L'Äge  du  Bronze  etc.,  XXVH,  1—11,  18,  XXXI,  59; 
Heikel,  Antiqu.  de  la  Siberie  occidentale,  XII,  3,  XVII,  5).  Neben  den 
Spiegeln  mit  Knopf  auf  der  Rückseite  (der  Knopf  ist  entweder  einfach 
ringförmig,  öhsenförmig,  oder  wird  von  vier  isolirten  Stützen  getragen) 
giebt  es  in  Sibirien  auch  solche  mit  einer  Thicrfigur  als  Oehr  (Aspelin, 
3'J5:  Martin,  XXVII,  12—17);  die  Stilisirung  dieser  Vierfüssler  ist  die 
nämliche,  wie  die  der  zoomorphen  Darstellungen  auf  zahllosen  anderen 
skjthisch-sibirischen  Objecten,  und  es  handelt  sich  deswegen  auch  bei  diesen 
Geräthen  um  ein  einheimisches  Fabrikat.  Der  Durchmesser  der  sibirischen 
Spiegel  schwankt  etwa  zwischen  6  und  lA  cm;  das  Metall  ist  Bronze  und 
Kupfer,  genaue  Analysen  scheinen  noch  nicht  vorzuliegen.  Wir  bilden  hier 
als  Flg.  4—6  nach  Martin  einige  Exemplare  ab,  welche  einen  guten  Ver- 
gh*ich  mit  den  chinesischen  erlauben;  Fig.  5  zeigt  am  Knopf  ein  Ornament, 
welches  stark  an  chinesische  Muster  erinnert. 

Derselbe  Spiegeltypus  kehrt  in  einer  wesentlich  jüngeren  Periode  in 
einer  anderen  Gruppe  osteuropäischer  Fundstätten  wieder.  In  den  grossen 
kaukasischen  Necropolen  der  späteren  Kaiserzeit  und  der  Völkerwanderungs- 
zeit gehört  er  zu  den  ganz  gewöhnlichen  Beigaben  (Chantre,  Rech, 
anthrop.  dans  le  Caucase,  III,  pl.  VII,  VIII,  IX;  Kondakoff  et  Tolstoi, 
Antiquites  de  la  Russie  meridionale,  Fig.  396;  Zeitschr.  f.  Ethn.  1890, 
Verh.  S.  449;  Zbior  wiadomosci  etc.,  Krakau,  VIII,  Taf.  IV,  9,  10,  11). 
Er  findet  sich  weiter  auch  in  Ungarn  und  Niederösterreich  in  Gräbern 
der  Völkerwanderungszeit;  zu  meinem  Nachweise  derartiger  Stücke  aus 
Ungarn  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  1896,  S.  12,  Note  3)  habe  ich  noch  eines  aus 
dem  Comitate  Bereg  (Arch.  Ertesito  1897,  p.  37,  Fig.  4  —  gefunden  mit 
einer  Zweirollenfibel  u.  s.  w.),  und  ein  anderes  aus  dem  Biharer  Comitat 
(wohl  soeben  im  Arch.  Ert.  publicirt),  welches  angeblich  mit  eisernen 
Steigbügeln  und  anderen  Objecten  der  magyarischen  Heidenzeit  zusammen 
gefanden  sein  soll,  nachzutragen.  Sie  bestehen  übrigens  fast  stets  aus  einer 
sehr  zinn-  oder  zinkhaltigen  Legirung.  Fig.  7  stellt  einen  solchen  spät- 
zeitlichen Spiegel  aus  dem  Kaukasus  dar,  Fig.  8,  Nr.  18  einen  ungarischen. 

Unbedingt  müssen  diese  beiden  Gruppen  von  Spiegeln,  die  älteren 
hkythisch-sibirischen  und  die  jüngeren  aus  dem  Kaukasus  und  Ungarn,  in 


#  

1)  Eine  von  mir  Im  Arch.  Ertesit'«,  1897,  p.  16,  Fig.  56,  publicirte  Scheibe  aas  einem 
ikythischen  Grabe  in  Siebenbürgen,  welches  n.  a.  eine  iweischleifige  Bogenfibel  enthielt, 
geholt  zu  einem  Spiegel  mit  Griff:  es  fehlt  ihr  das  typische  Oehr  auf  der  Rückseite. 


Mctollspiegel  aus  einem  kaokaeisrlioD  Grabe; 
Tergl.  ZeiUchi-.  f.  Ethn.  1390,  Vorh.  S.  449.         J       ^Chinesisclier  Opferkessel; 

nach  /Vtu-f'u/u,  Buch  3,  p.  U. 


Metallspiegel  a.  s.  w.  ans  der  Nekropole  von  Csorns,  Ungarn; 
vergl.  Ärch.  Krteait :,  1889,  p.  266. 


Ueber  einige  Beziehungen  der  Alterthümer  China^s  n.  s.  w. 


147 


irgend  einem  Zusammenhange  stehen.  Auf  die  wahre  Bedeutung  der 
Bronzescheiben  mit  Oehr  aus  den  Skythenkurganen  und  ihre  Verbindung 
mit  den  kaukasischen  Exemplaren  machte  zuerst  C.  Neyman  (Zbiör 
wiadomoici  etc,  1884,  p.  37 — 47)  aufmerksam;  allerdings  berücksichtigte  er 
weder  die  sibirischen  noch  die  ungarischen  Analogien,  und  auch  von  den 
chinesischen  Formen  hatte  er  keine  Vorstellung.  Mit  den  griechischen 
Weissmetallscheiben  (von  Klappspiegeln),  welche  zwar  auch  ohne  Griff 
nnd  kreisrund  sind,  denen  jedoch  das  characteristische  Oehr  fehlt,  lassen 
sieh  jedoch  die  unsrigen  durchaus  nicht  in  Beziehung  bringen. 


Fig.  10. 


Fig.  11. 


ChineBischer  Opferkessel; 
nach  Po-ku'fU'iu,  Buch  10,  p.  24. 


Chinesischer  Opferkessel; 
nach  Po-ku'Cu-lu,  Buch  18,  p.  27. 


Opferkessel  und  Gefässe. 

Neben  den  Spiegeln  sind  unter  den  chinesischen  Alterthümem  die 
Opferkessel  von  hervorragender  Bedeutung.  Es  sind  dies  dick  gegossene, 
weite  flache,  oder  mehr  langgestreckte  cylindrische  runde  Becken,  auf  drei 
Füssen  mhend ;  am  Rande  des  Beckens  haben  sie  zwei  senkrecht  gestellte 
Handhaben.  Eine  Abart  dieser  eigenartigen  GefiLssgattung  ist  nicht  rund, 
aondem  rechteckig,  und  hat  in  Folge  dessen  vier  Füsse.  Füsse  und  Hand- 
haben waren  nicht  etwa  besonders  angesetzt,  vielmehr  sind  alle  Theile 
«lieser  Kessel  als  ein  einziges  Stück  gegossen.  Die  Zahl  der  Abbildungen 
«ierartiger  Gefässe,  welche  die  chinesischen  Autoren  als  Opfergefässe  be- 
zeichnen, ist  eine  ganz  enorme,  vgl.  Po-ku-fu-lu,  Buch  1 — 5,  18,  19;  St- 
iiing^ku-tiM,  Cap.  1 — 7,  30,  31;  Kin-schi-so^  Kin-so,  Band  I.  Wir  bringen 
hier  (Fig.  9 — 11)  einige  Abbildungen  von  solchen  grossen  Opferkesssein 
aus  dem  Pa-ku-fu-lu.  Fig.  12  ist  ein  Original,  welches  Hr.  Hirth  im 
Jahre  1892  photographirt  hat  (T'oung-Pao,  VII,  p.  487,  488). 


148  P-  Reinecke: 

Die  Form  der  KeBsel  kann  sehr  weoliaelD,  jedoch  bei  allen  finden 
sich  die  typischen  gössen  Griffe.  Die  FOsse  sind  oft  kurz,  häufig  wieder 
ziemlich  lang,  oder  sie  bilden  eine  Art  Dreifussgestell ,  welches  dann 
anscheinend  vom  eigentlichen  Kessel  getrennt  gegossen  ist.  Die  Becken 
mit  kreisrundem  Querschnitt  sind  entweder  weit  und  flach,  pauken- 
förmig,  oder  mehr  langgestreckt,  oder  haben  sogar  eine  Einziehung  am 
Halse,  oder  sind  endlich  TerhättniHsmässig  hoch  und  nahezu  cylindrisch. 
Die  breiten  Griffe  entspringen 
'^'   "■  meist  direct  am  Rande;   sie 

sind  mehr  oder  minder  recht- 
eckig, mit  etwas  abgerun- 
detem oberen  Balken.  In 
der  Regel  steigen  die  Hand- 
haben fast  oder  geradezu 
senkrecht  an;  gelegentlich 
biegen  sie  sieh  auch  etwas 
nach  aussen  aus,  seltener  sind 
sie  seitlich  etwas  unterhalb 
des  Randes  angesetzt.  Die 
Mehrzahl  der  Kessel  ist  mit 
einem  oder  melireren  oma- 
mentalen Streifen  (mit  Oma 
menten  der  ältesten  chine- 
sisclien  Kunstrichtung)  in 
Flachrelief,  welches  in  der 
chinesischen  Zeichnung  na- 
türlich wieder  wie  gravirt 
Alter  Ureifuss,  bekannt  unter  dem  NaDien  Wu-ttchiuia'  erscheint,  verziert. 
ting,  vom  Jahre  812  »or  Chr.    Das   Original   befindet  q^^^^     besonders    fallen 

»ich  im  baddti ist ii eben  Kloster  anf  der  Silberinsfl  bei  n   r    t.      i  j- 

Chmkiang,  wq  obige  Abbildung  von  Prof.  Hirth  1802  ^^'  •'i^»«"  Opferhecken  die 
anfgenommeD  wurde  Vgl.  T'auBg-pao,  Vol.  Vif,  p.487  ff,  Grössenunterachiede  der  ein- 
zelnen Exemplare  auf.  Es 
giebt  eine  ganze  Reihe  sehr  kleiner,  nur  etwa  einen  halben  Fuss  hoher 
Kessel,  andere  sind  ungefähr  einen  Fuss  hoch,  wieder  andere  bis  etwa 
zwei  Fuss.  Es  dürfte  kaum  mög)i<'h  sein,  fflr  diese  Differenzen  in  den 
Grössen  eine  dem  wahren  Sachverhalt  nahe  kommende  Erklärung  zu 
finden.  Ich  wäre  geneigt  anzunehmen,  dass  die  kleinen  Btficke  etwas 
jüngere  Copien  nach  den  grossen  Kesseln  sind,  sei  es  nun,  dass  solche  für 
Kunstliebhaber,  deren  es  in  China  schon  in  alter  Zeit  gab,  oder  gleichfalls 
wieder  für  den  Opferdienst  beigestellt  wurden.  Die  chinesischen  Autoren, 
welche  fflr  die  wechselnde  Grösse  derselben  typischen  Grundform  keine  Er- 
klärungen bringen,  setzen  die  Originale,  von  welchen  eine  Anzahl  noch 
heute  existirt,  in  die  Periode  Schang  (zweites  vorchristliches  Jahrtausend): 


Ueber  oiDigo  BeiiehuDgeo  der  Alterthflmer  Chin«'s  u,  s.  w.  ]49 

•lif    kleineren  Exemplare    kömiten    vielleicht    noch    in    derselben  Periode 
□uch^ebildet  sein. 

Mit  der  GrÜsse  wechselt  natürlich  auch  das  Üewicht.  Sämmtlicho 
Ki-Bsel  sind, dick  aus  Bronze  gegossen;  das  Gewicht  schwankt  zwiBchen 
wMng:c<n  Pfunden  und  einem  Centner.  Das  Original  z.  IJ.,  welches  Hr. 
Hirtli  pUotogrnpliirte,  konnte  wegen  seiner  relativen  Gri^sae  und  Schwere 

( 

Fig.  13. 


Skythtscher  BroDiekeuel  aus  Uagkni;  vergl.  Hampel,  Skjth.  Denkm.,  S.  11. 

Too  einem  Manne  nur  mit  Mfihe  fortgeschleppt  werden.  Auf  chinesischen 
Gemälden  findet  sich  gelegentlich  dargestellt,  wie  ein  Mann  einen  solchen 
Opferkessel  trägt;  auf  den  Bildern  handelt  es  sich  dann  stets  um  grosse 
und  offenbar  sehr  schwere  Stücke. 

Wir  haben  bemerkt,  dass  das  immer  Wiederkehrende,  Typische  an 
diesen  Opferkesseln  neben  der  Form  des  Beckens  der  dicke,  schwere  Guss 
and  die  chsracteristischen  Griffe  seien.  Durchmustern  wir  die  Alterthümer 
Sibiriens  und  der  westlichen  Skvthenländer,  so  stossen  wir  in  diesen  Ge- 
biet4-n  auf  ganz  ühnlich  gestaltete  Geräthe,  von  nahezu  gleicher  Form  und 


150 


P.  Reineckb: 


Grösse  des  Beckens,  mit  denselben  grossen,  senkrecht  stehenden  Griffen  am 
Rande,  und  gleichfalls  von  sehr  bedeutendem  Gewicht. 

Es  handelt  sich  einmal  um  die  mehr  paukenfömiigen,  weiten  Gefässe 
aus    skythischen  Kurganen  der  Zeit  des  fünften  und  vierten  Jahrhunderts 

V.  Chr.,  von  welchem  Typus  sowohl 
Fig.  14.  in    Sibirien   und    am    Pontus,   und 

zwar  in  grösserer  Anzahl,  als  auch 
in  Ungarn  (ein  Exemplar,  augeb- 
lieh  in  (>-8zöny  gefunden)  und  Ost- 
galizien  (zum  Funde  von  Sapohowo, 
Kreis  Borszczow,  wie  vor  Kurzem 
erst  erkannt  wurde,  gehörend)  Ge- 
genstücke existiren.  Fig.  13*)  stellt 
ein  derartiges  Stück  vor.  Eine  weit 
jüngere  Gruppe,  welche  durch  einen 
geschlossenen  Fund  aus  Schlesien 
(Höckricht,  Kreis  Ohlau)  datirt  wird, 
ist  repräsentirt  durch  langgestreckte, 
nahezu  cylindrische  Kessel,  welche 
desgleichen  in  Sibirien,  Russland, 
Ungarn  und  dann  auch  in  Schlesien 
nachgewiesen  wurden;  in  Südruss- 
land fehlen  sie,  wohl  aber  sind  sie 
im  Wolgagebiet  vertreten.  Zeitlich 
wären  sie  ungefähr  in  die  Völker- 
wanderungsperiode zu  stellen.  Fig. 
14  ist  ein  Exemplar  aus  dem  Wolga- 
gebiet, dessen  Griffe  noch  nicht  jene 
reiche  Bekrönung,  wie  wir  sie  an 
einigen  ungarischen  beobachten, 
zeigen.  Das  Material  über  diese 
Kessel  ist  vereinigt  in  den  Ethnol. 
Mitth.  aus  Ungarn,  IV,  S.  9 — 15; 
Zeitschr.  f.  Ethn.  1896,  S.  12—13, 
24—25;  Arch.  ErtesitJ,  1897,  p.  4. 
Einige  andere  chinesische  Gefässformen  lassen  sich  vielleicht  auch 
noch  mit  solchen  des  skythisch -sibirischen  Völkerkreises  vergleichen, 
z.  B.  die  sphärischen  Bronzevasen  mit  hohem,  verhältnissmässig  weitem 
Halse  {Si'tsHng'ku-ki&n  Cap.  26,  p.  51,  52)  mit  gewissen  südrussischen 
Silbergefässen  (Antiqu.  du  Bosph.  Cimm.,  XXXIV,  1,  8,  XXXV,  1,  2; 
Ossowski,    Wielki    Kurhan    Ryzanowski,    IV,    1),    oder   die    schlanken 

1)  Die  Stöcke  su  Fig.  8,  13-16  sind  von  Um.  J.  Hampel  freundlichst  hergeliehen. 


Metallkessel  aus  dem  Wolgagebiet; 
vergl.  Hampel,  Skyth.  Denkm.,  S.  U. 


Uobet  einige  Umiehungen  der  Alterthümer  China's 


151 


Vast-D  Hu  BH  (Po'hu-t'u-lu,  Buch  1l*,  Si-Wing-ku-kÜn,  Cap.  19)  mit  dem 
(icnes  bei  Martin,  L'Age  du  Bronze  etc.,  XXXKI,  3.  Ana  Mangel  au  hin- 
reicbendem  Verj^leic  Iismaterial  legen  wir  jedoch  hierauf  kein  besonderes 
(!e«icht. 


Fig.  16. 


FijT.  1 


Skj'thische  StangcnbekrOnung  aas  Ungarn; 
Tergl.  Uainpel.  Skjth.  Dentm.,  S.  1. 


Chineiischei  EUpperinstromenti 
nach  Kin-ichi'io.,  Abth. 
Kin-to,  Bd.  Iir,  fol.  61. 


Klapperin  Strumen  te. 

Eioe  andere  Kategorie  Acht  skythischer  (iegenstände  sind  Stangen- 
ItekröDungen ,  welche  sich  aus  einem  Hohlkegel,  dessen  Wandung  von 
<ireieckigeD  OeffnuDgeu  durchbrochen  ist  und  der  in  der  Kegel  eine  Kugel 


142  P-  Beikeckb: 

(Verhandl.  1891,  S.  808—809).  Hr.  Hirth  sprach  die  Vermuthung  ans. 
dasB  das  Stfick  vielleicht  selbst  ein  Product  chinesischen  Kunstfleisses 
wäre;  jedoch  bei  einer  Sichtung  des  umfangreichen  prähistorischen  Materiale!« 
sowohl  aus  dem  Kaukasus  wie  aus  Sfldrussland  und  Sibirien  mfissen  wir 
diese  Vermuthunng,  und  ich  befinde  mich  hier,  wie  ich  glaube,  in  vollster 
Uebereinstimmung  mit  Hm.  Hirth,  etwas  anders  formnliren.  Es  bedarf 
dasn  zunächst  einiger  Ausführungen  Ober  Form,  Alter  und  Verbrejtang 
dieser  Spiegel;  wie  die  Beziehungen  der  chinesiscbeu  Exemplare  zu  denen 
des  skythisch-sibirischen  Völkerkreises  zu  deuten  sein  dürften,  werden  wir 
weiter  unten  im  Zusammenhang  mit  den  anderen  Gruppen  von  Analogien 
untersuchen. 

In  China  gab  es  in  sehr  alter,    frflher  Zeit  schon  Metallspiegel,   da- 
nel>en    solche    aus  Nephrit.     Jedenfalls    waren    die    ältesten  Formen,    von 

Fig.  2. 


Einfacber  chiDesischer  Hetallspiegel  mit 
dnrchbolirtem  Knopf,  B&cliaeite  noTer- 
lieit;  nach  l'o-tv-t'u-lu.  Buch  38,  p.  IS. 


B&ckseite  eiocs  chinesiscbeD  BroniespiegeU  mit  TraabeB- 
tnii>t«t;  Dach  Si-tting-ku-kie«,  Cap.  40,  p,  *. 


denen  bisher  jedoch  keine  Originale  oder  Abbildungen  in  chinesischen 
kunsthistorischen  Werken  bekannt  geworden  sind,  der  Qberwiegenden 
Hehrzahl  nach  kreisrunde  Scheiben  und  hatten  schon  im  Centrum  der 
RQckseite  einen  durchbohrten  Buckel  oder  ein  ausgebildetes  Oehr,  da 
sonst  die  Autoren  uns  sicherlich  von  einer  anderen  Form  berichtet  hätten. 
Der  durchbohrte  Knopf  auf  der  Rilckseite  diente  zum  Durchziehen  einer 
Schnur,  welche  als  Handhabe  des  Spiegels  verwendet  wurde;  Spiegel  mit 
OrifTen,  etwa  wie  die  bekannten  griechischen  oder  etruskischen,  kommen 
unter  deu  ältesten  chinesischen   Alterthflmern.   wie   es  scheint,    nicht  vor. 


Ueber  einige  Beziehungen  der  Alterthümer  China^s  u.  s.  w.  143 

Ein  umfangreiches  Material  ist  uns  hingegen  aus  der  Periode  der  Dynastie 
Han  (206  v.  Chr.  bis  221  n.  Chr.)  und  aus  jüngeren  Zeiten  in  Illustrationen 
«rhalten  {Po-ku-t^u-lu,  Buch  28 — 30^  Si-ts^ing-ku-kiM^  Cap.  39—40,  Kin- 
^ch'f'^i^o^  Abtheilung  Kin-so  (Erklärung  der  Metallarbeiten),  Band  VI).  Eine 
Anzahl  derartiger  Spiegel,  speciell  mit  Traubenmustem,  aus  der  Zeit  der 
älteren  Han  (206  v.  Chr.  bis  9  n.  Chr.)  hat  Hr.  Hirth  in  seiner  Studie: 
-„Ueber  fremde  Einflüsse  in  der  chinesischen  Kunst"  (München  und 
Leipig  1896)  reproducirt.  Zugleich  existiren  auch  Originale,  entweder  alte 
Originalstücke  oder  spätere  Nachgüsse  nach  solchen,  in  verschiedenen 
Museen  und  Sammlungen^),  welche  uns  eine  gute  Vorstellung  von  den 
Flachrelief-Ornamenten  auf  der  Spiegel-Rückseite  gewähren;  denn  diese  sind 
in  den  chinesischen  Dlustrationen  in  herkömmlicher  Weise  nur,  als  wären 
sie  eingravirt,  wiedergegeben. 

Der  Durchmesser  der  Metallspiegel  schwankt  ganz  erheblich,  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  dürfte  er  sich  zwischen  6  und  20  cm  halten;  die  Form 
ist  zumeist  die  kreisrunde.  Nie  fehlt  auf  der  fast  regelmässig  mit  Orna- 
menten bedeckten  Rückseite  der  durchbohrte  Knopf.  Wir  bilden  hier  als 
Fig.  l  einen  unverzierten  Spiegel  ab,  welcher  den  einfachen  Typus  sehr 
deutlich  veranschaulicht.  Bei  den  Traubenspiegeln  (Fig.  2")  findet  sich 
an  Stelle  eines  einfachen  Oehres  als  solches  die  Figur  eines  Vierfüsslers 
verwendet.  In  der  chinesischen  Zeichnung  musste  diese  vom  Rücken  her 
gesehen  und  in  der  gleichen  Manier,  wie  die  Flachrelief-Ornamente,  rings 
herum  ausgeführt  erscheinen;  jedoch  handelt  es  sich,  wie  man  sich  an  den 
Copien  oder  Nachgüssen  der  Originale  überzeugen  kann,  keineswegs  um 
eine  Flachrelief-Figur. 

Ihrem  Alter  nach  gehören  die  Spiegel,  von  welchen  wir  uns  an  der 
Hand  der  Illustrationen  und  der  erhaltenen  Bronzeoriginale  (bezw.  Nach- 
güsse) eine  genaue  Vorstellung  machen  können,  vornehmlich  in  die  Zeit 
der  Han.  Diese  typischen  Geräthe  waren,  wie  gesagt,  jedoch  auch  schon 
früher  in  Gebrauch,  und  auch  noch  viel  später,  bis  durch  Einführung  der 
Olasspiegel  aus  Europa  die  metallenen  in  Fortfall  kamen.  Als  ein  be- 
merkenswerthes  Kennzeichen  der  altchinesischen  Stücke  giebt  ein  Autor 
•des  elften  nachchristlichen  Jahrhunderts  an  (Verhandl.  1891,  S.  808),  dass 
bei  kleinen  die  Spiegelfläche  convex  geschliffen  war,  und  zwar  aus  dem 
Orunde,  weil  der  Spiegel  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  ein  menschliches 
Gesicht  in  sich  aufnehmen  sollte;  im  elften  Jahrhundert  war  die  Kunst 
des  Convexschleifens  schon  verloren  gegangen. 

Bei  anderen  Culturvölkern  des  Alterthums  findet  sich  dieser  Spiegel- 
typus nicht,    wohl  aber  begegnen  wir  ihm  in  Sibirien,    im  Kaukasus,    in 


1)  Eine  Anzahl  solcher  Stücke  ging  aus  der  Sammlung  Martucci  in  den  kgl.  bajrischeu 
Hofbesitz  über  und  befindet  sich  im  Ethnographischen  Museum  zu  München. 

2)  Das  Glicht  stellte  uns -Hr.  Hirth  gütigst  zur  Verfügung,  desgl.  das  zu  Fig.  12. 

11* 


144 


P.  Reikeckb: 


Südrussland  und  in  Ungarn.  Das  älteste  zeitlich  bestimmbare  Exemplar, 
eine  dicke  Bronzescheibe  von  10  cm  Durchmesser  mit  yerdicktem  Rande 
und  einem  scharf  yorspringenden  Oehr  auf  der  Rückseite  (Fig.  3),  stammt  aus 
einem  skythischen  Kurgan  im  Kreise  Skwira,  Gub.  Kiew  (Zbiör  wiadomosci 
u.  s.  w.  VIII,  Krakau  1884,  Taf.  HI,  1);  es  reicht  uubedingt  noch  bis  in  das 
sechste  vorchristliche  Jahrhundert  zurück,  wie  aus  den  mit  ihm  gefundenen 


Fig.  3. 


Fig.  4. 


Skythischer  Metallspiegel   aus  Sfid- 

russland;    nach    Zbiör    wiadomosci, 

1884,  Taf.  III,  1. 


Metallspiegel  aus  Sibirien; 

nach    Martin,   Tage   da 

bronze  etc.,  XXVII,  6. 


Fig.  5. 


Fig.  6 


Metallspiegel  ans  Sibirien: 

nach  Martin  1.  c, 

XXVII,  8. 


Metallspiegel  ans  Sibirien: 
nach  Martin  1.  c,  XX VII,  12. 


Elektron-Ringelchen  (ibidem  Taf.  HI,  2),  zu  welchem  in  Griechenland  mehr- 
fach wohl  datirbare  Gegenstücke  existiren  (z.  B.  Ärchäol.  Zeitung  1884, 
Taf.  Vni,  9,  11),  hervorgeht.  Dem  fünften  Jahrhundert  v.  Chr.  gehört 
ein  ähnlicher  Spiegel  an,  welcher  in  dem  bekannten  Kurgane  Perepjetowka 
im  Kreise  Wasilkow,  Gub.  Kiew,  gefunden  wurde  (abgebildet  bei  Kohn- 
Mehlis,  Materialien,  I,  Taf.  IX,  1);  die  Zeitbestimmung  wird  hier  durch 
eine  Anzahl  von  Goldblechzierrathen  (ibidem  Taf.  XI,  4,  5)  gegeben.  Auch 
noch    in    anderen    skythischen  Grabhügeln  Südrusslands  wurden  derartige 


Ueber  einige  Beziehangen  der  Alterthümer  China's  n.  s.  w.  1 45 

Geräthe  ausgegraben;  in  den  reich  ausgestatteten  Fürstengräbern  scheinen 
sie  jedoch  zu  fehlen,  hier  kamen  wenigstens  immer  nur  Spiegel  mit  GriflFen 
zum  Vorschein.  In  Ungarn,  wo  jüngst  eine  Reihe  sehr  alter  skythischer 
Gräber  nachgewiesen  wurde,  hat  man  sie  bisher  nicht  beobachtet^);  hin- 
gegen treflFen  wir  sie  in  grosser  Anzahl  in  Sibirien  au,  ebenso  in  der 
Nekropole  von  Ananino  (Aspelin,  Antiqu.  du  Nord  finno-ougrien,  293,  324, 
326,  468;  Martin,  L'Age  du  Bronze  etc.,  XXVII,  1—11,  18,  XXXI,  59; 
Heikel,  Antiqu.  de  la  Siberie  occidentale,  XII,  3,  XVII,  5).  Neben  den 
Spiegeln  mit  Knopf  auf  der  Kückseite  (der  Knopf  ist  entweder  einfach 
ringförmig,  öhsenförmig,  oder  wird  von  vier  isolirten  Stützen  getragen) 
giebt  es  in  Sibirien  auch  solche  mit  einer  Thierfigur  als  Oehr  (Aspelin, 
325;  Martin,  XXVII,  12 — 17);  die  Stilisirung  dieser  Vierfüssler  ist  die 
nämliche,  wie  die  der  zoomorphen  Darstellungen  auf  zahllosen  anderen 
skythisch-sibirischen  Objecten,  und  es  handelt  sich  deswegen  auch  bei  diesen 
Geräthen  um  ein  einheimisches  Fabrikat.  Der  Durchmesser  der  sibirischen 
Spiegel  schwankt  etwa  zwischen  6  und  li  an;  das  Metall  ist  Bronze  und 
Kupfer,  genaue  Analysen  scheinen  noch  nicht  vorzuliegen.  Wir  bilden  hier 
als  Fig.  4—6  nach  Martin  einige  Exemplare  ab,  welche  einen  guten  Ver- 
gleich mit  den  chinesischen  erlauben;  Fig.  5  zeigt  am  Knopf  ein  Ornament, 
welches  stark  an  chinesische  Muster  erinnert. 

Derselbe  Spiegeltypus  kehrt  in  einer  wesentlich  jüngeren  Periode  in 
einer  anderen  Gruppe  osteuropäischer  Fundstätten  wieder.  In  den  grossen 
kaukasischen  Necropolen  der  späteren  Kaiserzeit  und  der  Völkerwanderungs- 
zeit gehört  er  zu  den  ganz  gewöhnlichen  Beigaben  (Chantre,  Rech, 
anthrop.  dans  le  Caucase,  III,  pl.  VH,  VIII,  IX;  Kondakoff  et  Tolstoi, 
Antiquites  de  la  Bussie  meridionale,  Fig.  396;  Zeitschr.  f.  Ethn.  1890, 
Verh.  S.  449;  Zbiör  wiadomosci  etc.,  Krakau,  VUI,  Taf.  IV,  9,  10,  11). 
Er  findet  sich  weiter  auch  in  Ungarn  und  Niederösterreich  in  Gräbern 
der  Völkerwanderungszeit;  zu  meinem  Nachweise  derartiger  Stücke  aus 
Ungarn  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  1896,  S.  12,  Note  3)  habe  ich  noch  eines  aus 
dem  Comitate  Bereg  (Arch.  Ertesito  1897,  p.  37,  Fig.  4  —  gefunden  mit 
einer  Zweirollenfibel  u.  s.  w.),  und  ein  anderes  aus  dem  Biharer  Comitat 
(wohl  soeben  im  Arch.  6rt.  publicirt),  welches  angeblich  mit  eisernen 
Steigbügeln  und  anderen  Objecten  der  magyarischen  Heidenzeit  zusammen 
gefunden  sein  soll,  nachzutragen.  Sie  bestehen  übrigens  fast  stets  aus  einer 
sehr  zinn-  oder  zinkhaltigen  Legirung.  Fig.  7  stellt  einen  solchen  spät- 
zeitlichen Spiegel  aus  dem  Kaukasus  dar,  Fig.  8,  Nr.  18  einen  ungarischen. 

Unbedingt  müssen  diese  beiden  Gruppen  von  Spiegeln,  die  älteren 
skythisch-sibirischen  und  die  jüngeren  aus  dem  Kaukasus  und  Ungarn,  in 


1)  Eine  von  mir  im  Arch.  Ertesit^',  1897,  p.  16,  Fig.  56,  publicirte  Scheibe  ans  einem 
skythischen  Grabe  in  Siebenbürgen,  icelches  n.  a.  eine  aweischleifige  Bogenfibel  enthielt, 
gehört  zn  einem  Spiegel  mit  Griff;  es  fehlt  ihr  das  typische  Oehr  auf  der  Rückseite. 


1 


MetalUpi«ge]  ans  einem  kkokuischeo  Onbo; 
Tergl.  Zeitacbr.  f.  Etbn.  1890,  Vorh.  S.  4tö.         J       ^CbinMUcher  Opferkes»e); 

DRcb  t'o-kit-fa-la,  Bach  8,  p.  11. 

Hg.  a 

^  ^^  ^^^  ^  1 

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/^ 


■I 

i 

4 


^.^.^.^|^.■l.^l:^^.^.^- 

Mettllapiegel  d.s.  w.  uu  der  Nekropola  Ton  CBoma,  Ungirn: 
v«rgl.  Arch.  ErtMitö,  1889.  p.  S66. 


üeber  einige  Beziehungen  der  Alterthümer  China^s  u.  s.  \?. 


147 


irgend  einem  Zusammenhange  stehen.  Auf  die  wahre  Bedeutung  der 
Bronzeseheiben  mit  Oehr  aus  den  Skythenkurganen  und  ihre  Verbindung 
mit  den  kaukasischen  Exemplaren  machte  zuerst  C.  Neyman  (Zbiör 
wiadomo^ci  etc,  1884,  p.  37 — 47)  aufmerksam;  allerdings  berücksichtigte  er 
weder  die  sibirischen  noch  die  ungarischen  Analogien,  und  auch  von  den 
chinesischen  Formen  hatte  er  keine  Vorstellung.  Mit  den  griechischen 
Weissmetallscheiben  (von  Klappspiegeln),  welche  zwar  auch  ohne  Griflf 
und  kreisrund  sind,  denen  jedoch  das  characteristische  Oehr  fehlt,  lassen 
sich  jedoch  die  unsrigen  durchaus  nicht  in  Beziehung  bringen. 


Fig.  10. 


Fig.  11. 


Chinesischer  Opferkessel; 
nach  Pu-ku'fu'lv,  Buch  10,  p.  24. 


Chinesischer  Opferkessel; 
nach  Po-ku-Cu'lu,  Buch  18,  p.  27. 


Opferkessel  und  Gefässe. 

Neben  den  Spiegeln  sind  unter  den  chinesischen  Alterthümem  die 
Opferkessel  von  hervorragender  Bedeutung.  Es  sind  dies  dick  gegossene, 
weite  flache,  oder  mehr  langgestreckte  cylindrische  runde  Becken,  auf  drei 
Füssen  ruhend;  am  Rande  des  Beckens  haben  sie  zwei  senkrecht  gestellte 
Handhaben.  Eine  Abart  dieser  eigenartigen  Gefiässgattung  ist  nicht  rund, 
sondern  rechteckig,  und  hat  in  Folge  dessen  vier  Füsse.  Füsse  und  Hand- 
haben waren  nicht  etwa  besonders  angesetzt,  vielmehr  sind  alle  Theile 
dieser  Kessel  als  ein  einziges  Stück  gegossen.  Die  Zahl  der  Abbildungen 
derartiger  Gefässe,  welche  die  chinesischen  Autoren  als  Opfergefässe  be- 
zeichnen, ist  eine  ganz  enorme,  vgl.  Po-ku-fu-luy  Buch  1 — 5,  18,  19;  St- 
tsUnff-ku-kiM,  Cap.  1 — 7,  30,  31;  Kin-schi-so^  Ktn-so,  Band  I.  Wir  bringen 
hier  (Fig.  9 — 11)  einige  Abbildungen  von  solchen  grossen  Opferkesssein 
aus  dem  Po-ktt-fu-lu,  Fig.  12  ist  ein  Original,  welches  Hr.  Hirth  im 
Jahre  1892  photographirt  hat  (T'oung-Pao,  VH,  p.  487,  488). 


148  F.  Üeisec-ke: 

Diu  F<jpni  iUt  Kossol  kann  si'lir  wci-list-ln,  ji'iiDch  l"'i  iillt-ii  finden 
»icli  iliu  ty|iisclifii  groäst'ii  Orifl'r-.  Die  Ffissi-  siii<l  oft  kurz,  liftufig  wit-d^r 
/.icmlirli  laii^.  nder  »ii>  hilili'ii  riiii'  Art  DrL'ifiiss;;osti>)l.  welches  danu 
»iiät-heinniid  vom  (.'i<;i>ntlirli<-ii  Ki-hncI  •rt'tn'iiiit  •ri'gOÄscii  ist.  Die  Bt>ckeTi 
mit  kn>ianiiidem  QuiT^chiiitt  siml  i'iitwcdi.-r  weit  und  tincli,  paukon- 
förinig,  oil<'i-  mi'lir  ljinfi{;t'«tri'ckt.  oiIit  luilicn  Bnjriir  i'lm-  Hinziehuiij^  am 
llalsi-,  odi>r  sind  cnilliili  viTlinllnissni:1ssi<;  hdcli  und  nalit-KU  cylindrisoh. 
Die  lircitcn  ( iriifc;  entspringen 
''■'■    "  meist    direet  am  Hitiirle:    sie 

sind  mt'lir  «ider  minder  reclit- 
i'(-ki>;.  mit  ctwii»  nbgertiii- 
i|<>l<-m  nlicri-n  Itiilkeii.  Iii 
der  lie^'cl  Hti'igen  die  lliiad- 
Imlieii  ftixt  oder  geradezn 
wenkrcelit  nii :  fiidegentlich 
liiei;i'ii  sie  sich  iiucll  etwas 
nai'li  anssi'ii  ans,  stdtoner  sind 
üie  iieitlicli  etwas  unterhalb 
dett  liandes  nn^enetzt.  Die 
Melirxiilil  der  Ki-ssel  ist  mit 
einem  oder  nielirerrn  oma- 
mentaU-11  Streifen  (nitt  Oma 
ninnten  iler  iiltrgten  ohine- 
tiisülien  Knnstrielitiin>;)  in 
Flaetirelief.  ^¥elIdle8  in  der 
cliinesiaelien  Zeielniuag  na- 
tflrlioli  wieder  wie  gravirt 
Alter  l'fMfii^!^,  bekannt  iiutcr  dem  Nhiiii'ü  l\'u-hchiian-  erflidieint,  verziert. 
ling,  vuin  Jahr.'  812  vor  Clir.    Das   OrigiMl   bffimiot  ^•.^,^.,     |,i,8onder8     falleu 

weh  ini  butidliwtigthi'n  RlnstiT  mit  ilor  Silbfrin-ivl  Lei   ....  .^  p    u     .  ,. 

Chinliang,  iro  ob!«.  AbbiMung  yo«  Prof.  Hirtb  1>iH2  ■"''  '''•^*''"  Op^-'b.'ckeil  die 
anrKenommen wiinie  \V1  'I''viiiig-pav,Vol.\'l\,iiA>i'it{.  'IrÖKsennnterachiede  der  ein- 
zehien  Kxemplare  auf.  Es 
giflbt  eine  j^anzc  Heihe  t»ehr  kleiner,  nur  etwa  einen  liallion  Fnss  hober 
Kessel,  andere  sind  ungefähr  einen  Fun»  iioeli,  wieder  andere  bis  etwa 
zwei  Fuss.  Ka  dürfte  kaum  möglieli  sein,  filr  diese  Differenzen  in  den 
Grössen  eine  dem  wahren  Hadiverlialt  nahe  kiinnm'ndo  Krkläruag  zu 
finden.  leli  wäre  geneigt  anzunehmen,  dass  die  kleinen  Stücke  etwas 
jüngere  Copien  naeli  den  grossen  Kesseln  siud.  sei  es  nun.  das»  solche  filr 
Kuuatliebliaber,  <leren  es  in  China  sehon  in  alter  Zeit  gab.  oder  ;^leichfitll8 
wieder  für  den  Opferdienst  liergestellt  wunlen.  Die  ehinesischen  Autoren, 
welche  für  die  wechselii<le  (irlsse  ilersellieu  typischen  (irundforni  keine  Er- 
klärungen bringen,  setzen  die  Originale,  von  welchen  eine  Anzahl  noch 
heute  existirt.  in  die  l'eridde  Schang  (zweites  vorchristüehes  Jahrtausend); 


Üeber  einige  Beziehnngen  der  Alterthümer  China's  u.  s,  w.  )49 

die    kleineren  Exemplare    könnten    vielleicht   noch    in   derBelbeii  Periode 
Dachgebildet  sein. 

Mit  der  Grüsse  wechselt  natürlich  auch  das  (ilewicht.  Sämmtliche 
Kessel  sind. dick  aus  Bronze  gegossen;  das  Gewicht  schwankt  zwischen 
wenigen  Pfunden  und  einem  Gentner.  Das  Original  z.  H.,  welches  Hr. 
Hirth  pliotographirte,  konnte  wegen  seiner  relativen  Grösse  und  Schwere 

( 

Hg.  18. 


Skjrthiacher  Broniekeaael  aua  Ungarn;  rergl.  Hsmpel,  Slcjth.  Denkm.,  S.  II. 

von  einem  Manne  nur  mit  Mühe  fortgeschleppt  werden.  Auf  chinesischen 
Gemälden  findet  sieh  gelegentlich  dargestellt,  wie  ein  Mann  einen  solchen 
Opferkessel  trägt;  anf  den  Bildern  handelt  es  sich  dann  stets  um  grosse 
und  offenbar  sehr  schwere  Stücke. 

Wir  haben  bemerkt,  dass  das  immer  Wiederkehrende,  Typische  an 
diesen  Opferkesseln  neben  der  Form  des  Beckens  der  dicke,  schwere  Guss 
und  die  chsracteristischen  Griffe  seien.  Durchmustern  wir  die  Alterthümer 
Sibiriens  und  der  westlichen  SkythenUnder,  so  stossen  wir  in  diesen  Ge- 
bieten auf  ganz  ähnlich  gestaltete  Geräthe,  von  nahezu  gleicher  Form  und 


150 


P.  Reineckb: 


fflülilliilBjl 


Grösse  des  Beckens,  mit  denselben  grossen,  senkrecht  stehenden  Griffen  am 
Rande,  und  gleichfalls  von  sehr  bedeutendem  Gewicht. 

Es  handelt  sich  einmal  um  die  mehr  paukenförmigen,  weiten  Gefasse 
aus    skythischen  Kurganen   der  Zeit  des  fünften  und  vierten  Jahrhunderts 

V.  Chr.,  von  welchem  Typus  sowohl 
Fig.  14.  in    Sibirien   und    am    Pontus,  und 

zwar  in  grösserer  Anzahl,  als  auch 
in  Ungarn  (ein  Exemplar,  angeb- 
lieh  in  (>-Szony  gefunden)  und  Ost- 
galizien  (zum  Funde  von  Sapohowo, 
Kreis  Borszczow,  wie  vor  Kurzem 
erst  erkannt  wurde,  gehörend)  Ge- 
genstücke existiren.  Fig.  13')  stellt 
ein  derartiges  Stück  vor.  Eine  weit 
jüngere  Gruppe,  welche  durch  einen 
geschlossenen  Fund  aus  Schlesien 
(Höckricht,  Kreis  Ohiau)  datirt  wird, 
ist  repräsentirt  durch  langgestreckte^ 
nahezu  cylindrische  Kessel,  welche 
desgleichen  in  Sibirien,  Russland, 
Ungarn  und  dann  auch  in  Schlesien 
nachgewiesen  wurden;  in  Südruss- 
land fehlen  sie,  wohl  aber  sind  sie 
im  Wolgagebiet  vertreten.  Zeitlich 
wären  sie  ungefähr  in  die  Völker- 
wanderungsperiode zu  stellen.  Fig. 
14  ist  ein  Exemplar  aus  dem  Wolga- 
gebiet, dessen  Griffe  noch  nicht  jene 
reiche  Bekrönung,  wie  wir  sie  an 
einigen  ungarischen  beobachten, 
zeigen.  Das  Material  über  diese 
Kessel  ist  vereinigt  in  den  Ethnol. 
Mitth.  aus  Ungarn,  IV,  S.  9 — 15; 
Zeitschr.  f.  Ethn.  1896,  S.  12—13, 
24—25;  Arch.  lilrtesitS,  1897,  p,  4. 
Einige  andere  chinesische  Gefässformen  lassen  sich  vielleicht  auch 
noch  mit  solchen  des  skythisch -sibirischen  Völkerkreises  vergleichen, 
z.  B.  die  sphärischen  Bronzevasen  mit  hohem,  verhältnissmässig  weiteai 
Halse  (Si'ts^ing-ku-kiM  Cap.  26,  p.  51,  52)  mit  gewissen  südrussischen 
Silbergefässen  (Antiqu.  du  Bosph.  Cimm.,  XXXIV,  1,  3,  XXXV,  1,  2; 
Ossowski,    Wielki    Knrhan    Ryzanowski,    IV,    1),    oder   die    schlanken 


Metallkessel  aus  dem  Wolgagebiet; 
Tergl.  Hampel,  Skjth.  Denkm.,  8. 14. 


1)  Die  Stöcke  in  Fig.  8,  IS- 15  aind  tou  Um.  J.  Hampel  freundlicbst  hergeliehen. 


Uober  einige  Bczichnngen  der  AlterthQmer  Chin. 


151 


Vasen  Hu  gp  (JPö-k-u-fu-lu,  Buch  12,  Si-ia'ing-ku-kün,  Cap,  19)  mit  dem 
Gef^  bei  Martin,  L'Ä^e  du  Bronze  etc.,  XXXIII,  3.  Ans  Mangel  an  hin- 
reichendem Vergleiehsniaterial  legen  wir  jedoch  hierauf  kein  besonderes 
Gewicht. 

Fig.  16. 


SkTthiscbe  StaDgenbekrOnDDg  «ds  Ungarn; 
vergl.  Hsinpcl,  Sk^tk  Denkm.,  S.  1. 


Cbiaeaisches  Klapperinstrainent; 
UMh  Kin-$cli-,-$o,  Abtb. 
Kin-40,  Bd-  III,  fol.  61. 


Klapper!  nstrumente. 

Eine  andere  Kategorie  acht  akythischer  Cregenstände  sind  Stangen- 
bekrdnungen,  welche  sich  aus  einem  Hohlkegel,  dessen  Wandung  tou 
dreieckigen  Oeffnungeu  durchbrochen  ist  und  der  in  der  Kegel  eine  Kugel 


152  P.  Reinboke: 

enthält,  sowie  einem  Dom  oder  einer  Tülle  (alles  als  ein  Stück  ge- 
gossen), zum  Aufstecken  auf  einen  Stab,  zusammensetzen.  Der  Zweck 
dieser  Objecto,  welche  häufig  paarweise  gefunden  werden,  ist  unbekannt. 
Sie  wurden  in  grosser  Zahl  in  Südrussland  ausgegraben,  andere  kamen  in 
Rumänien  und  Ungarn  (Fig.  15  ist  ein  ungarisches  Exemplar)  zum  Vor- 
schein, verwandte  Objecto  auch  in  Sibirien.  Die  Literatur  hierüber  ist  zu- 
sammengestellt in  den  Ethnol.  Mitth.  aus  Ungarn,  IV,  S.  2 — 9,  Zeitschr.  für 
Ethnol.  1896,  S.  25 — 27.  Sie  gehören  ausschliesslich  vorrömischen  Zeiten  an. 
Auf  chinesischem  Boden  begegnen  wir  ähnlichen  Bronzegegen- 
ständen, welche  die  chinesischen  Autoren  als  Tanzrasseln,  Klappern  bei 
Pantomimen  u.  s.  v-  ausgeben  {Po-ku-fu-lu,  Buch  26,  p.  47  u.  f.;  St-ö'tw^ 
ku'kihi,  Cap.  37,  p.  11—20;  Kin-scht-so,  Abth.  Kin-so,  Band  m,  fol.  60,  61). 
Diese  Bassein  bestehen  aus  einer  Schafttülle  und  einem  runden,  aus  zwei 
flachen  Kugelabschnitten  sich  zusammensetzenden,  von  zahlreichen  läng- 
lichen Fenstern  durchbrochenen  Korbe,  in  dessen  Innerem  sich  eine  eiserne 
oder  bronzene  Kugel  befindet;  sie  sind  gleichfalls  als  ein  Stück  gegossen. 
Hr.  Hirth  überwies  dem  Museum  für  Völkerkunde  eine  derartige  Klapper 
aus  Bronze,  deren  Grösse  etwa  die  gleiche,  wie  bei  den  skythischen,  ist 
Das  Exemplar,  welches  wir  abbilden  (Fig.  16),  ist  gleichfalls  ausgegraben 
worden,  und  zwar  in  Kü-föu^  dem  Geburtsort  des  Confucius.  Als  ihr 
Alter  wird  übereinstimmend  die  Periode  Ban  bezeichnet.  Die  chinesischen 
Erklärer  wissen  jedoch  nicht  recht,  was  sie  mit  diesen  Instrumenten  anzu- 
fangen haben,  und  ihre  Vermuthung,  es  handle  sich  um  Theater-Requisiten, 
ist  an  sich  sehr  unzulänglich  und  unwahrscheinlich.  Es  ist  möglich,  dass 
diese  Objecto,  deren  Uebereinstimmung  mit  den  skythischen  unverkennbar 
ist,  sich  direct  mit  ihnen  in  Parallele  stellen  lassen;  allerdings  wird  erst 
der  sichere  Nachweis  ihres  Zweckes  hier  ausschlaggebend  sein. 

Messer,  Hellebarden,  Schwerter  u.  s.  w. 

Eine  äusserst  bezeichnende  Gattung  der  sibirischen  Alterthümer  sind 
die  Bronzemesser,  von  welchen  in  den  sibirischen  Sammlungen  zahllose 
Exemplare  liegen.  So  mannichfaltig  ihre  Grösse  und  ihre  Verzierung  auch 
erscheint,  so  zeigen  sie  jedoch  fast  sämmtlich  ein  auffallendes  Merkmal, 
welches  sie  sofort  von  den  meisten  prähistorischen  Bronzemessem  aus 
Europa  unterscheidet,  nehmlich  eine  gegen  die  Schneide  zu  gerichtete 
Biegung  oder  vielmehr  Knickung  am  unteren  Ende  des  Ghriffes,  an  der 
Uebergangsstelle  zur  Klinge.  Eine  Fülle  von  derartigen  Messern  wird  im 
Museum  von  Minussinsk  aufbewahrt  (vgl.  Martin  1.  c,  XI — XX,  sodann 
femer  Aspelin,  1.  c,  180 — 217;  Radioff,  Sibirische  Alterthümer  (russ.), 
Heft  1  n.s.w.).  Fig.  17  ist  dem  Atlas  von  Martin  entnommen;  die  charakto- 
ristische  Knickung  ist  hier  sehr  deutlich  ausgeprägt,  die  Länge  des  Messers 
beträgt  26,5  cwi. 


Ueber  einige  Beziehungen  der  Alterthümer  China's  u.  s.  w. 


153 


Das  Alter  dieser  Bronzemesser  lässt  sich  nur  ungefähr  bestimmen. 
Bei  denjenigen,  welche  eine  entwickelte  Thieromamentik  in  skythiscbem 
Geschmack  aufzuweisen  haben,  käme  etwa  die  zweite  Hälfte  des  letzten 
Torchristlichen  Jahrtausends  in  Betracht;  die  übrigen  dürften  kaum 
zeitlich  von  diesen  verschieden  sein,  höchstens,  dass  die  gänzlich  unver- 
zierten  etwas  älter  sind. 

In  China  müssen  wir  vollkommen  ähnlich  gestaltete  Messer  voraus- 
setzen.   Es  sind  zwar  keine  Originale,  meines  Wissens  wenigstens,  bekannt 

Fig.  17. 


Bronzemesser  aus  Sibirien:  nach  Martin,  1.  c,  XIII,  1. 


Fig.  18. 


Chinesische  Messermünzen;  nach  Kin-schl-so,  Bd.  IV,  fol.  28. 

geworden,  auch  fehlen  Abbildungen  prähistorischer*)  Messer  bei  chinesischen 
Autoren;  jedoch  gewähren  uns  die  bekannten  Messerraünzeu  einen  gewissen 
Anhalt  dafür.  Diese  Münzen  (Fig.  18)  copiren  ziemlich  getreu  die  Form 
alter  Messer,  welche  schwerlich  noch  zur  Zeit,  wo  diese  Münzen  aufkamen, 
in  Gebrauch  gewesen  sind.  Den  chinesischen  Exemplaren  ist  gemeinsam 
mit  vielen  sibirischen  Stücken  der  deutlich  abgesetzte  Griff,  der  Ring  am 
freien  Griffende,  vor  Allem  aber  die  Knickung  nach  einwärts.  Auf  die 
mehr  rasirmesserförmige  Gestaltung  der  Klinge  ist  wenig  Gewicht  zu 
legen,  da  jedenfalls  die  Messermünzen  sich  an  Vorbilder  mit  der  gewöhn- 
lichen Klingenform  anlehnten  und  diese  Abänderung  erst  bei  den  Münzen 
eintrat.  Was  ihr  Alter  anbetrifft,  so  gehen  diese  Münzen  nach  oben 
wohl  kaum  über  das  dritte  Jahrhundert  v.  Chr.  hinaus  (C.  T.  Gardner  im 
Joum.  of  the  Manchester  Geographical  Society,  1889,  p.  248  u.  f.). 


1)  Wir  wollen  im  Folgenden  mit  „pr&historisch''  alle  diejenigen  ausgegrabenen  chine- 
sischen Alterthümer  bezeichnen,  welche  entweder  in  den  Werken  nicht  beschrieben  oder 
abgebildet  werden,  oder  von  welchen  die  Autoren  keine  oder  nur  ungenügende  Er- 
klärungen zu  geben  im  Stande  sind,  unbekümmert  um  ihr  Alter,  welches  zum  Theil 
kaum  über  das  erste  vorchristliche  Jahrtausend  hinausgehen  dürfte. 


156  P-  Reinecke: 

doch  findet  sich  der  Typus  auch  in  der  europäischen  Bronzecultur  verbreitet: 
wir  wollten  sie  aber  nicht  gänzlich  übergehen. 


Es  fragt  sich  nun,  wie  diese  vielfachen  Beziehungen  zu  deuten  sind. 
Ganz  einfach  ist  diese  Frage  nicht  zu  beantworten,  doch  hoflfen  wir  eine 
immerhin  befriedigende  Antwort  geben  zu  können.  Zuvor  jedoch  haben 
wir  noch  einem  Einwände,  welcher  uns  möglicher  Weise  gemacht  werden 
dürfte,  zu  begegnen. 

Man  könnte  anführen,  die  Thatsache,  dass  Verbindungen  zwischen  den 
Alterthümern  Chinas  und  Sibiriens  existirten,  sei  schon  lange  bekannt. 
Worsaae  war  es,  welcher  in  seiner  Studie:  „Fra  Steen-og  Bronzealderen 
i  den  gamle  og  den  nye  Verden"  (Aarböger  for  Nordisk  Oldkyndighed 
1879)  zuerst  derartige  Vermuthungen  aussprach.  Er  stützte  sie  jedoch 
nur  auf  einige  zweifelhafte  Analogien  und  vor  allem  ging  er  nicht  auf  die 
chinesischen  Illustrationen  selbst  ein,  und  darum  haben  die  Ausführungen 
seiner  Studie  im  allgemeinen,  wie  in  diesem  speciellen*  Falle,  nur  einen 
ganz  problematischen  Werth.  Allerdings  darf  uns  das  nicht  befremden, 
wenn  wir  berücksichtigen,  dass  damals  das  sibirische  Material  noch  so  gut 
wie  unpublicirt  war;  aber  trotzdem  hätte  AVorsaae  seinen  Andeutungen 
eine  andere  Fassung  geben  müssen.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  dem  be 
kannten  Aufsatze  Sophus  Müllers:  „Ursprung  und  erste  Entwiokelung  der 
europäischen  Bronzecultur"  (Arch.  f.  Anthr.  XV),  in  >velchem  gelegentlich 
auch  unser  Thema  gestreift  wird.  Heute,  wo  wir  die  prähistorischen  Alter- 
thümer  mit  ganz  anderen  Augen  anzusehen  gelernt  haben  und  das  vor- 
handene Material  durch  neue  Funde  und  umfangreiche  Ausgrabungen  sich 
ungemein  vermehrt  hat,  ist  es  uns  eher  möglich,  die  Schwierigkeiten, 
welche  die  Aufhellung  so  verworrener  Beziehungen  darbietet,  klarer  zu 
überschauen,  und  in  unseren  Vermuthungen  vorsichtiger  und  zurückhaltender 
zu  sein. 

Die  oben  constatirten  Beziehungen  zwischen  den  Alterthümern  Chinas 
und  des  skythisch- sibirischen  Völkerkreises  sind  von  zweierlei  Gesichts- 
punkten aus  zu  betrachten.  Zum  Theil  verrathen  sie  einen  gewissen  Zu- 
sammenhang dieser  beiden  archäologischen  Provinzen  und  lassen  die  Zu- 
gehörigkeit der  prähistorischen  Denkmäler  Chinas  und  Nordasiens  zu 
einem  gemeinschaftlichen  grösseren  Kreise  erkennen;  andererseits  offen- 
baren sie  auch  eine  starke  Beeinflussung  der  Völker  Nordasiens  und 
ihrer  Verwandten  im  östlichen  Europa  in  etwas  jüngerer  Zeit  durch  die 
bereits  auf  einer  vorgeschritteneren  Stufe  stehende  chinesische  Cultur. 

Das  auffallende  üebereinstimmen  einer  Anzahl  von  Formen  von 
Waffen  und  Werkzeugen,  so  der  Kurzscliwerter,  Aexte,  Messer,  u,  s.  w. 
eventuell  auch  der  Klapperinstrumente,  ist  jedenfalls  nur  darauf  zurück- 
zuführen,   dass   in  China,  wie  in  Nord-Asien,  eine  in    den  meisten  Typen 


Ueber  einige  Beziehangen  der  Alterthümer  China's  a.  s.  w.  157 

gleichartig  entwickelte  Bronzecultur  yerbreitet  war,  und  zwar  stand  diese 
tum  europäischen  Bronzealter  und  der  yorderasiatischen  Gruppe  (Assyrien, 
Kaukasus,  Persien)  in  directem  Gegensatz.  Worsaae,  welchem  das 
Verdienst  bleibt,  das  seiner  Zeit  bekannte  prähistorische  Material  von 
Ostasien  gesammelt  zu  haben  (1.  c.  p.  307  u.  f.),  sprach  diesen  Gedanken 
nur  sehr  oberflächlich  aus  und  wollte  zugleich  auch  weitere  Verbindungen 
constatiren,  welche  wir  selbst  heute,  noch  nach  mehr  als  zwei  Decennien, 
in  Abrede  stellen  müssen.  Mit  den  Torgeschichtlichen  Bronzen  aus  Japan 
haben  die  sibirischen  und  chinesischen  wenig  zu  thun,  und  noch  yiel 
weniger  können  wir  Berührungen  mit  den  Funden  aus  dem  nordwestlichen 
Amerika,  welche  man  jüngst  erst  wieder  nachgewiesen  zu  haben  glaubte 
(Zeitschr.  f.  Ethn.,  Verh.  1896,  S.  75 — 76),  annehmen;  schon  allein  ein  ober- 
flächlicher Vergleich  der  betreffenden  herangezogenen  Objecto  lässt  die 
Nichtigkeit  dieser  Vermuthungen  erkennen. 

E»  wäre  erwünscht,  wenn  einmal  von  fachkundiger  Seite  ans  den 
chinesischen  Autoren  das  vorhandene  Material  über  Waffen  und  Werkzeuge 
unter  den  chinesischen  Alterthümem  zusammengestellt  würde.  Augen- 
blicklich, wo  schon  allein  der  Vergleich  zwischen  den  ausgegrabenen 
Originalstücken  und  den  nur  in  Illustrationen  erhaltenen  und  meist  von 
den  chinesischen  £rklärern  falsch  gedeuteten  Objecten  auf  Schwierigkeiten 
stösst,  lassen  sich  alle  diese  Verhältnisse  kaum  oder  nur  wenig  überblicken. 
Soyiel  ist  jedoch  gewiss,  dass  viele  Jahrhunderte  hindurch  in  China  ein 
hoch  entwickeltes  Bronzealter  blühte  und  dieses  noch  bis  in  verhältniss- 
mässig  späte  Zeiten  andauerte;  der  grösste  Theil  der  von  Hm.  Hirth  so 
benannten  „Periode  der  spontanen  Entwickeluog  der  chinesischen  Kunst'' 
(Ueber  fremde  Einflüsse  in  der  chinesischen  Kunst,  S.  1  und  f.)  wird  von 
dieser  Bronzezeit  eingenommen.  In  manchen  Gegenden  Chinas,  z.  B.  im 
Gebiete  der  Völkerschaften,  welche  von  den  Chinesen  unter  dem  Namen 
Man  beschrieben  werden  (in  den  südwestlichen  Provinzen  und  einem 
Theile  Hinterindiens),  waren  sogar  bis  zum  Beginne  unserer  Zeitrechnung 
noch  bronzene  Waffen  in  Gebrauch  (vgl.  Bastian-Pestschrift,  8.  493,  Note  6 
zu  S.  492).  Bedeutende  zeitliche  Differenzen  brauchen  demnach  zwischen 
den  chinesischen  und  sibirischen  Bronzeobjecten  nicht  vorzuliegen. 

Neben  diesen  Beziehungen,  welche  wir  einfach  als  gleichartige  Ent- 
wickelungen  gewisser  Typen  innerhalb  eines  grösseren  einheitlichen  Cultur- 
kreises  bezeichnen  dürfen,  müssen  wir  jedoch  auch  noch  directe  Ueber- 
tragungen  einiger  characteristischen  chinesischen  Formen  zu  den  Völkern 
Sibiriens  voraussetzen.  Nach  unserer  Ansicht  kann  die  üebereinstimmung 
der  Spiegel  und  der  Opferkessel  nur  auf  diese  Weise  erklärt  werden.  Die 
singulare  Spiegelform  mit  dem  Oehr  auf  der  Rückseite  kommt  in  China 
schon  in  sehr  alter  Zeit  vor.  Derartige  Stücke  gelangten  wahrscheinlich 
auf  dem  Uandelswege  zu  den  Völkern  Sibiriens,  wurden  von  diesen 
nachgebildet  und  auch  weiter  in  verschiedenen  Zeiten  zu  den  verwandten 

ZeltMkrIft  fir  Ethnolofi«.    Jahrg.  181*7.  \2 


154  P-  Reineckb: 

Von  anderen  Werkzeugen  oder  von  Waffen  des  ehineaiscben  Alter- 
tbums  wäre  hier  nur  nocli  wenig  beranzuziebeu.  Die  Hellebarden  (eine 
Abbildung  findet  sich  bei  Evan  >t.  Ancient  bronze  imple* 
Fig,  19.  ',,  menta,  p  -I&i;  einige  aus  dem  Kinsclü-M  publicirte 
Hr.  Hirth  im  T'oung-pao.  VU,  p.  494,  405)  stehen 
ziemlich  isolirt  da;  vielleicht  liessen  sie  sich  mit  ge- 
wissen sibirischen  Metallpickeln  (wie  Aspelin,  'Hi. 
226—2-28;  Badioff,  Sib.  Alterth.,  Taf.  XVI.  XVII) 
zusammenbringen,  doch  mag  dies  vorläufig  dahin- 
gestellt bleiben.  Die  Pfeil-  und  Lanzenspitzen  bieten 
ebeofallB  zu  wenig  schlagende  Vergleichspunkte. 

Ueber  die  Schwerter  lassen  sich  auch  nur  einige 
Worte  sagen.  Im  Kin-icM-ao,  Abtbeilung  Kin-ao. 
Band  II,  fol.  17,  18,  ferner  im  Si-ti'inff-ku-ki^, 
Cap.  38,  sind  einige  Bronzeschwerter  abgebildet,  deren 
Länge  kaum  ein  halbes  Meter  überschreitet  und  sich 
meist  weit  unter  diesem  Maass  hält.  In  Bezug  auf 
ihre  Länge  würden  diese  Kurzschwerter  sich  den  be- 
kanuten  sibirischen  und  skythischen  aus  Bronze  und 
Eisen  gegenüberstellen  lassen,  während  sie  etwa  zu 
den  prähistorischen  Schwertern  aus  Kuropa  in  scharfem 
Gegensatz  stehen;  doch  ist  die  Form  des  Griffes  bei 
den  chinesischen  wieder  eine  etwas  andere.  Bevor 
man  jedoch  weitere  Schlüsse  ziehen  kann,  bedarf  es 
jedenfalls  noch  eines  genaueren  Studiums  der  Werk- 
zeuge und  Waffen  unter  den  chinesischen  Alterthümeni 
und  der  Erklärungen  der  Kunsthistoriker;  vorläufig 
sind  unsere  Kenntnisse  gerade  dieser  Gruppe  chine- 
sischer Altsachen  nur  von  ganz  massigem  Umfange, 
und  wie  die  uns  in  Xllustrationen  erhaltenen  Objecte 
mit  den  in  China  ausgegrabenen  prähistorischen 
Bronzen  in  Einklang  zu  bringen  sind,  ist  noch  ganz 
unbestimmt 

Ein  sehr  interessantes,  in  Shanghai  erworbenes 
chinesisches  Brouzeschwert  (Fig.  19)  besitzt  Hr. 
Hirth  in  seiner  Sammlung.  Es  hat  eine  Länge 
von  etwas  mehr  als  ZC>  cm,  davon  gehen  12  cm  für 
den  Griff  ab  Die  Grifffläche  ist  beiderseits  canne- 
lirt,  die  mittlere  Rippe  setzt  sich  auch  auf  die  Klinge 
fort;  das  obere  Ende  weitet  sich  etwas,  aus  und  zeigt, 
gleichsam  in  heraldischer  Paarung,  zwei  gegen  ein- 
ander auBspringende.  in  ganz  primitiver  Weise  aus- 
geführte Thierfiguren.     Das  untere   Ende  des  Griffes 


lieber  einige  Beziehungen  der  Alterthümor  China's  u.  s.  w.  155 

erweitert  sich,  ohne  besonders  abgesetzten  Uebergang,  zur  zweischneidigen 
Klinge;  diese  trägt  auf  der  einen  Seite  uralte  chinesische  Charactere, 
welche  die  chinesische  Herkunft  des  Stückes,  die  sonst  noch  zweifelhaft 
sein  könnte,  mit  voller  Sicherheit  nachweisen.  Hr.  Hirth  stellte  im 
Jahre  1889,  unter  Zuziehung  des  damals  der  chinesischen  Gesandtschaft 
attachirten    Hrn.    Tschang    Tö-i    (des    späteren    Lehrers    des    Englischen 

beim  Kaiser  von  China),  die  Lesung  Hiwtachöu  ^Affl  ^^^^-  ^^^  Gewicht 
des  Schwertes  beträgt  \bO  g^). 

Wir  haben  es  hier  mit  einem  ausgesprochenen  Kurzschwert  zu  thun, 
welches  auffallend  an  gewisse  sibirische  Kurzschwerter  von  Bronze  oder 
Kupfer  erinnert.  Zwar  fehlt  der  herzförmige,  oft  etwas  modificirte  Theil 
am  unteren  Ende  des  Griffes,  welcher  sonst  das  Characteristicum  des  sky- 
thischen  äxivdxrjg  ist;  doch  stimmen  andere  Merkmale  wieder  direct  mit 
sibirischen  Exemplaren  überein,  so  z.  B.  die  geringe  Länge,  die  Form  als 
ausgesprochenes  Kurzschwert,  ferner  die  Gliederung  des  freien  Griffendes 
(vgl.  z.  B.  Radioff,  Sibirische  Alterthümer  (russisch),  Bd.  I,  2,  1891, 
Taf.  EK,  3,  12),  die  Cannelirung  des  Griffes,  die  Verzierung  des  Knaufes 
mit  Thieromamenten  u.  s.  w.  Beim  Durchblättern  der  Atlanten  sibirischer 
Alterthümer  von  Aspelin,  Ujfalu,  Radioff,  Martin  u.  s.  w.  wird  man 
auf  zahlreiche  Anklänge  stossen.  und  was  das  Fehlen  des  rein  herz- 
förmigen oder  mehr  oder  minder  modificirten  Stückes  zwischen  Griff  und 
Klinge  anbetrifft,  so  verweise  ich  nur  auf  Ujfalu,  Exp.  scientif.  en  Russie 
etc ,  vol.  YI,  Atlas  archeol.,  PI,  17,  und  Radioff,  Sib.  Alterth.,  Taf.  X,  15, 
XI,  9,  Text  p.  61,  wo  man  ähnlichen  Erscheinungen  begegnet.  Jedenfalls, 
das  wird  man  zugeben,  steht  das  chinesische  Kurzschwert  den  sibirischen 
sehr  nahe  und  verräth  zu  diesen  viel  mehr  Beziehungen,  als  etwa  zu  den 
in  Vorderasien  (Assyrien,  Kaukasus,  Nord-Persien)  vorkommenden  Kurz- 
schwert-Typen. 

Nicht  allzu  selten  sind  unter  den  prähistorischen  Alterthümern  aus 
China  auch  Bronzeäxte  mit  Schaftloch,  von  einer  Form,  welche 
gelegentlich  in  Sibirien  und  weiter  auch  unter  den  vorgeschichtlichen 
Bronzen  Europas  angetroffen  wird.  Die  chinesischen  Autoren  bezeichnen 
sie  (abgebildet  sind  solche  im  Po-hu-fu-lu^  Buch  26;  Si-tsHug-hu-kien, 
Cap.  37,  38;  Kin-scht-ao,  Abth.  Kinso,  Band  11)  als  Hellebarden,  Theater- 
hellebarden, Tanzäxte,  und  setzen  sie  in  die  Zeit  der  Dynastien  Tschöu 
und  Han.  Häufig  sind  die  Aexte  mit  Ornamenten  der  ältesten  chinesischen 
Kunstübung  verziert.  Die  Deutung  dieser  Waffen  ist  natürlich  ebenso, 
wie  bei  den  Klapperinstrumenten,  eine  ziemlich  willkürliche  und  jedenfalls 
nicht  ernst  zu  nehmen.  Für  uns  haben  diese  Aexte  nicht  ein  specielles 
Interesse;    wir    kennen    zwar    ähnlich    gestaltete    Stücke    aus    Sibirien, 


1)   Es  mag  dahingestellt  bleiben,  ob  das  Schwert  ein  uraltes  Original  oder  etwa  ein 
jüngerer  Kachgnss  sei;  jedenfalls  ist  die  Form  uralt. 


156  P.  Rbingckb: 


doch  findet  sich  der  Typus  auch  in  der  europäischen  Bronzecultur  verbreitet; 
wir  wollten  sie  aber  nicht  gänzlich  übergehen. 


Es  fragt  sich  nun,  wie  diese  vielfachen  Beziehungen  zu  deuten  sind. 
Ganz  einfach  ist  diese  Frage  nicht  zu  beantworten,  doch  hoffen  wir  eine 
immerhin  befriedigende  Antwort  geben  zu  können.  Zuvor  jedoch  haben 
wir  noch  einem  Einwände,  welcher  uns  möglicher  Weise  gemacht  werden 
dürfte,  zu  begegnen. 

Man  könnte  anführen,  die  Thatsache,  dass  Verbindungen  zwischen  den 
Älterthümem  Chinas  und  Sibiriens  existirten,  sei  schon  lange  bekannt 
Worsaae  war  es,  welcher  in  seiner  Studie:  „Fra  8teen-og  Bronzealderen 
i  den  gamle  og  den  nye  Verden"  (Aarbeger  for  Nordisk  Oldkyudighed 
1879)  zuerst  derartige  Vermuthungen  aussprach.  Er  stützte  sie  jedoch 
nur  auf  einige  zweifelhafte  Analogien  und  vor  allem  ging  er  nicht  auf  die 
chinesischen  ülustratiouen  selbst  ein,  und  darum  haben  die  Ausführungeu 
seiner  Studie  im  allgemeinen,  wie  in  diesem  speciellen  *  Falle,  nur  einen 
ganz  problematischen  Werth.  Allerdings  darf  uns  das  nicht  befremdeu, 
wenn  wir  berücksichtigen,  dass  damals  das  sibirische  Material  noch  so  gut 
wie  unpublicirt  war;  aber  trotzdem  hätte  Worsaae  seinen  Andeutungen 
eine  andere  Fassung  geben  müssen.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  dem  be 
kannten  Aufsatze  Sophus  Müllers:  „Ursprung  und  erste  Entwickelung  der 
europäischen  Bronzecultur**  (Arch.  f.  Anthr.  XV),  in  welchem  gelegentlich 
auch  unser  Thema  gestreift  wird.  Heute,  wo  wir  die  prähistorischen  Alter- 
thümer  mit  ganz  anderen  Augen  anzusehen  gelernt  haben  und  das  vor- 
handene Material  durch  neue  Funde  und  umfangreiche  Ausgrabungen  sich 
ungemein  vermehrt  hat,  ist  es  uns  eher  möglich,  die  Schwierigkeiten, 
welche  die  Aufhellung  so  verworrener  Beziehungen  darbietet,  klarer  zu 
überschauen,  und  in  unseren  Vermuthungen  vorsichtiger  und  zurückhaltender 
zu  sein. 

Die  oben  constatirten  Beziehungen  zwischen  den  Älterthümem  China^s 
und  des  skythisch- sibirischen  Völkerkreises  sind  von  zweierlei  Gesichts- 
punkten aus  zu  betrachten.  Zum  Theil  verrathen  sie  einen  gewissen  Zu- 
sammenhang dieser  beiden  archäologischen  Provinzen  und  lassen  die  Zu- 
gehörigkeit der  prähistorischen  Denkmäler  Chinas  und  Xordasiens  zu 
einem  gemeinschaftlichen  grösseren  Kreise  erkennen:  andererseits  offen- 
baren sie  auch  eine  starke  Beeinflussung  der  Völker  Xordasiens  und 
ihrer  Verwandten  im  östlichen  Europa  in  etwas  jüngerer  Zeit  durch  die 
bereits  auf  einer  vorgeschritteneren  Stufe  stehende  chinesische  Cultur. 

Das  auffallende  Uebereinstimmen  einer  Anzahl  von  Formen  von 
Waffen  und  Werkzeugen,  so  der  Kurzschwerter,  Aexte,  Messer,  u.  s.  w. 
eventuell  auch  der  Klapperinstrumente,  ist  jedenfalls  nur  darauf  zurück- 
zuführen,   dass   in  China,  wie  in  Nord-Asien,  eine  in    den  meisten  Typen 


Ueber  einige  Bexiehangen  der  Alterthümer  China^s  n. s.w.  157 

gleichartig  entwickelte  Bronzecultur  yerbreitet  war,  und  zwar  stand  diese 
zum  europäischen  Bronzealter  und  der  yorderasiatischen  Gruppe  (Assyrien, 
Kaukasus,  Persien)  in  directem  Gegensatz.  Worsaae,  welchem  das 
Verdienst  bleibt,  das  seiner  Zeit  bekannte  prähistorische  Material  von 
Ostasien  gesammelt  zu  haben  (1.  c.  p.  307  u.  f.),  sprach  diesen  Gedanken 
nur  sehr  oberflächlich  aus  und  wollte  zugleich  auch  weitere  Verbindungen 
constatiren,  welche  wir  selbst  heute,  noch  nach  mehr  als  zwei  Decennien, 
in  Abrede  stellen  müssen.  Mit  den  vorgeschichtlichen  Bronzen  aus  Japan 
haben  die  sibirischen  und  chinesischen  wenig  zu  thun,  und  noch  viel 
weniger  können  wir  Berührungen  mit  den  Funden  aus  dem  nordwestlichen 
Amerika,  welche  man  jüngst  erst  wieder  nachgewiesen  zu  haben  glaubte 
(Ze^tschr.  f.  Ethn.,  Verh.  1896,  8.  75 — 76),  annehmen;  schon  allein  ein  ober- 
flächlicher Vergleich  der  betreffenden  herangezogenen  Objecto  lässt  die 
Nichtigkeit  dieser  Vermuthungen  erkennen. 

Es  wäre  erwünscht,  wenn  einmal  von  fachkundiger  Seite  aus  den 
chinesischen  Autoren  das  vorhandene  Material  über  Waffen  und  Werkzeuge 
unter  den  chinesischen  Alterthümem  zusammengestellt  würde.  Augen- 
blicklich, wo  schon  allein  der  Vergleich  zwischen  den  ausgegrabenen 
Originalstöcken  und  den  nur  in  Illustrationen  erhaltenen  und  meist  von 
den  chinesischen  Erklärern  falsch  gedeuteten  Objecten  auf  Schwierigkeiten 
stösst,  lassen  sich  alle  diese  Verhältnisse  kaum  oder  nur  wenig  überblicken. 
Soviel  ist  jedoch  gewiss,  dass  viele  Jahrhunderte  hindurch  in  China  ein 
hoch  entwickeltes  Bronzealter  blühte  und  dieses  noch  bis  in  verhältniss- 
massig  späte  Zeiten  andauerte;  der  grösste  Theil  der  von  Hm.  Hirth  so 
benannten  „Periode  der  spontanen  Entwickelung  der  chinesischen  Eunst^ 
(üeber  fremde  Einflüsse  in  der  chinesischen  Kunst,  S.  1  und  f.)  wird  von 
dieser  Bronzezeit  eingenommen.  In  manchen  Gegenden  Chinas,  z.  B.  im 
Gebiete  der  Völkerschaften,  welche  von  den  Chinesen  unter  dem  Namen 
Man  beschrieben  werden  (in  den  südwestlichen  Provinzen  und  einem 
Theile  Hinterindiens),  waren  sogar  bis  zum  Beginne  unserer  Zeitrechnung 
noch  bronzene  Waffen  in  Gebrauch  (vgl.  Bastian-Pestschrift,  S.  493,  Note  6 
zu  S.  492).  Bedeutende  zeitliche  Differenzen  brauchen  demnach  zwischen 
den  chinesischen  und  sibirischen  Bronzeobjecten  nicht  vorzuliegen. 

Neben  diesen  Beziehungen^  welche  wir  einfach  als  gleichartige  Ent- 
wickelungen  gewisser  Typen  innerhalb  eines  grösseren  einheitlichen  Cultur- 
kreises  bezeichnen  dürfen,  müssen  wir  jedoch  auch  noch  directe  üeber- 
tragungen  einiger  characteristischen  chinesischen  Formen  zu  den  Völkern 
Sibiriens  voraussetzen.  Nach  unserer  Ansicht  kann  die  üebereinstimmung 
der  Spiegel  und  der  Opferkessel  nur  auf  diese  Weise  erklärt  werden.  Die 
singulare  Spiegelform  mit  dem  Oehr  auf  der  Rückseite  kommt  in  China 
schon  in  sehr  alter  Zeit  vor.  Derartige  Stücke  gelangten  wahrscheinlich 
auf  dem  Handelswege  zu  den  Völkern  Sibiriens,  wurden  von  diesen 
nachgebildet  und  auch  weiter  in  verschiedenen  Zeiten  zu  den  verwandten 

Z«it*ehrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  18V7.  |2 


158  P-  Rbinecke: 

Stämmen  im  östlichen  Europa  gebracht.  Ebenso  verhielt  es  sich  wohl 
mit  den  Opferkesseln,  die  sicherlich  bei  den  skythischen  Stämmen  zum 
gleichen  Zweck  verwendet  wurden,  wie  in  China. 

Sichere  Andeutungen  eines  sehr  alten  Handelsverkehrs  der  Chinesen 
mit  den  Völkern  Sibiriens  liegen  uns  vor  in  einer  Reihe  chinesischer 
AlterthQmer,  welche  in  Sibirien  ausgegraben  wurden.  Eine  absichtliche 
Täuschung  ist  hierbei  ausgeschlossen,  da  man  solche  Funde  schon  im  ver- 
gangenen Jahrhundert  machte^).  Yomehmlich  sind  es  auffallender  Weise 
gerade  Spiegel,  dann  auch  Celte  u.  s.  w.,  welche  durch  ihre  Inschriften  in 
altchinesischen  Characteren  deutlich  ihre  Herkunft  verrathen.  Die  alten 
Werke  von  Witsen:  „Noord-  en  Oost-Tartarye",  und  Strahlenberg:  „Das 
Nord-  und  Oestliche  Theil  von  Europa  und  Asia^  bringen  Holzschnitte  der- 
artiger, in  Sibirien  ausgegrabener  Spiegel  (reproducirt  bei  Radloff^ 
Sibirische  AlterthQmer  (russisch),  Beilagen  p.  4^,  128);  femer  publicirte 
Heikel  (Antiquites  de  la  Siberie  occidentale,  XYH^  6)  ein  Exemplar. 
Ein  chinesischer  Hohlcelt  (von  sechseckigem  Querschnitt)  ist  abgebildet 
bei  Martin,  L  c.  XXXII,  10,  ähnliche  ohne  Inschrift  bei  Heikel,  II,  5, 
XI,  2  (vergl.  auch  IV,  4,  XV,  1,  2).  Auch  in  der  Ornamentik  der  alt- 
sibirischen Bronzen  haben  sich  Spuren  chinesischer  Beeinflussung  er- 
halten: z.  ß.  chinesisches  Cicadenmuster  auf  den  Hohlcelten  bei  Martin, 
I.  c.  n,  3,  5,  8,  10,  11,  chinesisches  Triskelen- Ornament  auf  Messern 
und  Spiegeln,  Martin,  XV,  26,  XX,  1,  2,  XXyn,  8u.  s.  w.  Die  kleinen 
Anhängsel  mit  sehr  roh  stilisirten  Gesichtsmasken,  welche  Martin  (XXIX, 
38 — 45)  als  chinesische  Arbeiten  bezeichnet,  halte  ich  jedoch  für  sibirische 
Nachbildungen  nach  griechischen  Vorlagen. 

Uanz  evident  ist  die  Nachbildung  der  Spiegel  bei  den  Stücken  mit 
einer  Thierfigur  als  Oehr.  Hier  liegen  die  chinesischen  Traubenspiegel 
zu  Grunde;  in  Sibirien  konnte  oder  wollte  man  nicht  das  reiche  Ornament 
der  Rückseite  derselben  copiren  und  begnügte  sich  bloss  mit  der  Thier- 
figur, welche  dem  barbarischen  Toreuten  offenbar  weniger  Schwierigkeiten 
bot  als  die  Wiedergabe  der  sehr  complicirten  Trauben-  und  Thiermuster. 
Diese  besondere  sibirische  Spiegelgmppe  erhält  ihre  zeitliche  Fixirung  also 
durch  die  Traubenspiegel. 

Uebrigens  sind  Thierfiguren  als  Griffe  u  s.  w.  in  China  ganz  allgemein 
verwendet  worden,  z.  B.  auf  ganz  flachen  Deckeln  von  sehr  alten  Metall- 


1)  üeber  Sibirien  scheinen  die  chinesischen  ImporUtäcke  nicht  hinaoigegang^n  zu 
sein.  —  Das  angebliche  Yorkommen  von  oralten  ostasiatischen  Bronieglocken  in  Eoropa, 
f(anz  speciell  in  der  Umgebung  von  Mains  (erwfthnt  in  Naue's  Pr&bistorischen  Blittern 
lS97f  8.  44—45;  Tergl.  dasn  anch  ebendaselbst  8.  64),  beruht  nur  auf  einem  neuen  Kunst- 
griff des  Alterthümerhandels,  seine  Artikel  in  der  glaubwürdigsten  Weise  ansupreisea. 
Die  Rheinlande  haben  schon  oft  dem  Kunsthandel  als  Fnndgebiet  f&r  in  sehr  modemer 
Zeit  importirte  Alterthnmer  dienen  müssen,  bisher  allerdings,  yod  Filschungen  nach  süd- 
russischen Goldsachen  lu  schweigen,  in  der  Regel  mehr  nur  für  spfttetruskische  Erzeugnisse 
italischer  Prorenienz. 


Ueber  einige  Beziehungen  der  Alterthümer  China^s  u.  s.  w.  159 

yasen  {Po-ku-t^u-lu^   Buch  26,    St-tsHug-ku-kiSn^   Cap.  37);    ein  derartiger 
Brauch  war  demnach  in  China  nicht  fremd,  wohl  aber  in  Sibirien. 

Das  hohe  Alter  der  grossen  Opferkessel  darf  uns  nicht  abhalten,  diese 
mit  den  ziemlich  genau  datirbaren  skythischen  Metallbecken  in  Verbindung 
zu  bringen,  denn  derartige  Gefässe  finden  sich  in  China  heute  noch  in 
Gebrauch.  Uralt  sind  bei  ihnen  nur  die  Form  und  die  Ornamentik;  eine 
Anzahl  von  erhaltenen  Originalen  mag  wirklich  aus  dem  zweiten  vor- 
christlichen Jahrtausend  stammen,  bei  anderen  kann  es  sich  hingegen  um 
etwas  jüngere  getreue  Wiederholungen  handeln.  Jedenfalls  war  diese 
Gefässgattung  in  der  Zeit,  welcher  die  ältesten  skythischen  Nachbildungen 
angehören,  in  China  allgemein  noch  beim  Opferdienst  in  Verwendung,  und 
nichts  steht  der  Ansicht  im  Wege,  dass  die  Barbaren  Sibiriens,  welche 
nur  über  einen  geringen  Formenschatz  verfügten  und  die  Mehrzahl  der 
Muster  ihrer  eigenartigen  Thieromamentik  von  benachbarten  Völkern  ent- 
lehnten, sich  nach  den  Vorbildern,  die  ihnen  direct  oder  indirect  von  dem 
überlegenen  Culturvolk  der  Chinesen  zugeführt  wurden,  ähnliche  schwere, 
grosse  Metallbecken  zum  Cultuszweck  anfertigten.  Deshalb  sind  auch  die 
meisten  skythischen  Kessel  ohne  jedes  Ornament;  auch  die  Vereinfachung 
des  Fusses  bei  den  sibirischen  und  westlichen  Exemplaren  scheint  dafür 
zu  sprechen. 

Wenn  einige  in  Ungarn  gefundene  völkerwanderungszeitliche  Kessel 
an  Stelle  von  einfachen  Griffen  solche  mit  einer  reichen  Bekrönung  zeigen, 
so  dürfen  wir  in  diesem  Falle  an  eine  selbständige  Weiterbildung  der 
ursprünglichen  Form  denken.  Aehnliches  kommt  bei  chinesischen  Opfer- 
vasen nicht  vor;  doch  sind  reich  decorirte  Griffe  desselben  Schemas,  wie 
bei  den  Kesseln,  bei  den  grossen  Metallglocken,  welche  gleichfalls  bis  ins 
zweite  vorchristliche  Jahrtausend  zurückgehen,  nichts  Seltenes. 

Eine  gewisse  Bestätigung  finden  unsere  Vermuthungen  hinsichtlich 
dieser  Kessel  in  einer  Mittheilung,  welche  Wosinsky  bei  der  Besprechung 
eines  der  ungarischen  Stücke  machte  (Arch.  Ertesito,  1891,  p.  431;  Ethn. 
Mitth.  aus  Ungarn,  IV,  S.  13);  die  an  dieser  Stelle  erwähnten  Opferkessel 
der  Mongolen  dürften  mit  den  chinesischen  identisch  sein. 

Die  hier  besprochenen  Beziehungen  dürfen  uns  jedoch  auch  wieder 
nicht  veranlassen,  etwa  die  Bedeutung  des  altchinesischen  Einflusses  auf 
die  Bevölkerung  Sibiriens  zu  überschätzen.  Abgesehen  von  dem  uralten 
Zusammenhange,  welcher  sich  in  einer  Reihe  von  einfachen  Waffen-  und 
Geräthformen  offenbart,  konnten  wir  nur  einen  directen  Import,  sowie  eine 
dadurch  hervorgerufene  Nachbildung  und  Weiterbildung  gewisser  typischer 
Geräthe  nachweisen;  in  der  Ornamentik  der  sibirischen  Alterthümer  sind 
sogar  auffallend  wenige  chinesische  Elemente  enthalten.  Diese  Beziehungen 
haben  somit  keine  tief  eingreifenden  Veränderungen  hervorgerufen;  dazu 
waren  die  Strömungen,  welche  vom  Westen,  vom  Schwarzen  Meere,  aus- 
gingen, zu  stark.    Es  ist  möglich,  dass  in  Sibirien  von  China  her  Einflüsse 

12' 


160  P*  Reineokb: 

schon  mehrere  Jahrhunderte,  bevor  die  Griechen  am  Pontus  mit  den 
Skythen  in  engere  Beziehung  traten,  sich  geltend  machten  und  die  Stämme 
am  Jenissei  und  Ob  eine  Anzahl  von  Geräthschaften,  die  sich  ihnen  als 
praktisch  erwiesen,  übernahmen,  noch  ehe  der  erste  Grieche  sich  am  nördlichen 
Gestade  des  Schwarzen  Meeres  niederliess.  Die  chinesischen  Formen  wurden 
beibehalten,  die  chinesische  Ornamentik  jedoch,  die  nicht  recht  hatte  Fuss 
fassen  können,  erlag  in  Sibirien  dem  griechischen  Elemente  yoUständig,  so 
wie  sie  bald  darauf  in  China  selbst,  auf  dem  Wege  über  Baktrien,  tod 
diesem  stark  beeinflusst  wurde. 

Der  eigenartige  sibirische  Stil,  welcher  uns  namentlich  auf  den  grossen 
goldenen  Platten  und  Schmuckgegenständen  mit  Edelstein-  und  Email- 
einlage (Eondakoff  und  Tolstoi,  Russische  Alterthümer  in  Kunst- 
denkmälem  (russ.),  Theil  HT)  entgegentritt,  sodann  aber  auch  in  der 
charakteristischen  Thieromamentik,  hat  sich  vomehmlich  auf  griechischer 
Grundlage  entwickelt.  Die  skythischen  Kurgane  Südrusslands,  in  welchen 
man  neben  rein  griechischen  Alterthümem  auch  solche  aufgefunden  hat^ 
die  sich  unzweifelhaft  als  barblirische  Nachbildungen  nach  griechischen 
Vorlagen  erweisen,  gewähren  uns  einen  hinreichenden  Anhalt  für  diese 
Annahme  und  deuten  uns  zugleich  die  Wege  an,  auf  welchen  diese  Ein- 
flüsse so  weit  nach  dem  Inneren  Nord-  Asiens  vordringen  konnten.  Weiter 
aber,  noch  über  das  Gebiet  der  sibirischen  Verwandten  der  skythischen 
Völker  Südrusslands  hinaus,  vermochten  sie  nicht  mehr  zu  wirken; 
nach  China  ist  die  griechische  Ornamentik,  welche  unter  den  älteren  Han 
von  so  hoher  Bedeutung  war,  auf  einem  ganz  anderen  Wege  gekommen. 

Dass  einige  der  fremden,  aus  China  stammenden  Formen,  wie  die 
Spiegel  mit  der  Oehse  und  die  grossen  Opferkessel,  sich  in  Sibirien  und 
auch  viel  weiter  westlich  durch  viele  Jahrhunderte  hindurch  halten  konnten, 
ist  bei  dem  Conservatismus  dieser  Völker,  für  welchen  die  Alterthümer 
Zeugniss  ablegen,  nicht  verwunderlich.  Und  wenn  wir  nun  weiter  aus  den 
abendländischen  Vorkommnissen  dieser  Typen,  welche  zum  Theil  erst  der 
Völkerwanderungszeit  angehören,  auch  auf  die  Nationalität  der  Leute 
schliessen,  die  diese  Gegenstände  fast  bis  in  das  Herz  von  Europa  mit 
sich  führten,  und  diese  Stämme  mit  den  alten  Einwohnern  Sibiriens,  deren 
nächste  Verwandte  in  Südrussland  von  den  Griechen  mit  dem  Collectiv- 
namen  Skythen  bezeichnet  wurden^  in  Verbindung  bringen,  so  dürfte  das 
die  einzig  richtige  Erklärung  hierfür  sein.  — 

Es  lassen  sich  hier  vielleicht  am  besten  noch  einige  seltene  Er* 
seheinungen  unter  den  chinesichen  Alterthümem  anführen,  welche  aller- 
dings nur  in  einem  losen  Zusanmienhange  mit  den  im  Voraufgehenden 
besprochenen  Beziehungen  stehen.  Es  handelt  sich  einmal  um  die 
Anwesenheit  und  Nachbildung  einer  för  gewöhnlich  als  griechisch 
bezeichneten  Gefässform  im  alten  China,  und    sodann    um   das  Vor- 


(Jeber  einige  BniehuDgen  der  AlterÜiSnier  Chinit's  n.  a.  w.  iQi 

kommeD  eines  sicherlich  aus  dem  Boden  Westsibiriens  stammenden  Gegen- 
BtandeB  in  einer  chinesischen  Sammlung. 

Im  Po-ku-t''u-lu,  Buch  16,  p.  18,  ferner  im  Kin-schi-to,  Abthetluog 
Km-io,  Band  m,  fol.  36,  ist  je  ein  Trinkbecher,  welcher  in  einen 
Stieikopf  ausgeht,  abgebildet.  Auf  den  ersten  Blick  muas  uns  bei  diesen 
absolut  unchinesischen  Geftssen  das  bekannte,  mit  einem  Thierkopf 
endende  Rbyton  rlee  classischen  Alterthums  eiofallen.  Derartige  Trink- 
becher waren  seit  dem  fünften  vorchristlichen  Jahrhundert  in  Griechen- 
land u.  8.  w.  sehr  beliebt  und  sind  auch  noch  in  sehr  später  classischer 
Zeit  in  Gebrauch  gewesen.  Aus  den  Skythenkurganen  Sadnisslands 
ist  das  Rbyton  io  vielen  prächtigen  Exemplaren  ans  Edelmetall  bekannt 
geworden;  diese  stellen  der  Mehrzahl  nach  stattliche  Trinkhörner  dar, 
nur  einige  stimmen  in  ihren  Dimensionen  mit  den  chinesischen  und 
den  tbönemen  griechischen  flberein.  In  den  chinesischen  Texten  wird 
nicht  erwähnt,  aus  welchem  Metall  diese  Gefässe  hergestellt  waren;  offen- 

Pig.  20.  Fig.  21. 


QoMenet  Schmnckatück  bds  Sibirien,  in  der         Nach  Km-ichi-to,  Abtbcilnng  Kia-io, 
Ermitage  befindlich.    Nach  Kondakoff  Bd.  IV.  fol.  27  «it  '/,  der  natürt.  Gr. 

et  Tolgtoi,  Fig.  348.  redncirt. 

bar  waren  sie  aas  Bronze.  Ueber  ihr  Alter  wird  nichts  gesagt,  sie  dürften 
jedoch  in  eine  verhaltnissmässig  alte  Zeit,  etwa  bis  in  die  Han-Periode, 
znrückreichen.  Der  Becher,  welcher  im  Po-ku-t^u-lu  abgebildet  ist,  kann 
an  einer  Kette,  welche  dem  Stier  durch  die  Nase  gezogen  ist,  getragen 
■werden;  sicherlich  ist  diese  Kette  nur  eine  chinesische  Zuthat.  Henkel 
wie  bei  den  kleineren  Exemplaren  des  Rbyton,  haben  die  chinesischen 
Bicher  nicht. 

Das«  es  sich  bei  der  auffallenden  Uebereinstimmung,  dieser  charak- 
teristiscben  Gef^sferm  lediglich  um  einen  Zufall  handle,  erscheint  mir 
TOlIig  ausgeschlosseD ;  rielmehr  glaube  ich  hierin  einen  neuen  Nachweis 
fremder,  westlicher  EinSfisse  in  der  chinesischen  Kunst,  ffir  welche  Hr. 
Hirth  bereits  in  seiner  mehrfach  genannten  Arbeit  ein  umfangreiches 
Material  gesammelt  hat,  erblicken  zu  dflrfen.  Auch  noch  das  Vorkommen 
anderer  antiker  Vasentypen,    so  z.  B.   der  Breitflasche    (pilgrira's    bettle). 


162  P.  Reinecke: 

welche  im  Alterthume  uud  weiter  auch  noch  in  frühchristlicher  und  mero- 
yingischer  Zeit  bekannt  war,  scheint  auf  derartige  Einflüsse  der  classischen 
Länder  zurückzugehen;  diese  machten  sich  jedoch,  wie  wir  nochmals  hervor- 
heben wollen,  keineswegs  auf  dem  Wege  über  Sibirien  geltend. 

Femer  haben  wir  hier  noch  eines  Curiosums  Erwähnung  zu  thun. 
Im  Kin'Scht^aOy  Abtheilung  Kinase,  Band  IV,  welches  die  Inschriften 
der  Münzen  behandelt,  ist  fol.  27  eine  durchbrochene  Metallplatte 
in  Silhouettenmanier  abgebildet,  welche  wir  sofort  als  ein  Gegen- 
stück zu  einer  ganz  bestimmten  Kategorie  westsibirischer  Alterthümer 
erkennen.  Das  Object  befand  sich  in  der  Sammlung  eines  der  Autoren 
des  Kin-achuso  und  wurde  zu  den  Münzen  gerechnet,  indem  es  die  Her- 
ausgeber direct  als  „Pferdemünze"  bezeichnen.  Es  wird  im  Text  be- 
schrieben als  ein  grosses  und  ein  kleines  Pferd,  unten  mit  einem  Quer- 
balken und  oben  mit  einer  sich  windenden  Hydra  (öcÄ't  Iöt');  die  Vorder- 
seite gleiche  der  Rückseite.  Angaben  über  das  Material ,  sowie  über  die 
(Grösse,  fehlen;  auch  enthalten  sich  die  Autoren  jeglichen  Urtheils  über 
das  muthmaassliche  Alter.  Im  Werke  von  Rondakoff  und  Tolstoi 
(Antiquites  de  la  Kussie  meridionale,  französische  Ausgabe  der  „Alterthümer 
Russlands  etc."),  in  der  Zusammenstellung  der  oben  schon  erwähnten 
goldenen  Schrauckgegenstände  aus  Sibirien,  findet  sich  p.  389,  Fig  348, 
eine  nahezu  identische  Zierplatte;  eine  Gegenüberstellung  beider  Ab- 
bildungen (Fig.  20  und  21)  lässt  erkennen,  dass  die  chinesische  Re- 
production,  deren  begleitender  Text  etwas  naiv  gehalten  ist,  eben 
weil  der  Autor  gar  nichts  damit  anzufangen  wusste,  einigermaassen  getreu 
ausgefallen  ist.  Ein  directes  Pendant  zu  der  im  Jahre  1844  angekauften 
Goldplatte  aus  der  Ermitage  können  wir  das  chinesische  Stück  nicht 
nennen;  ganz  abgesehen  von  der  differirenden  Grösse  der  entsprechenden 
Thiere  und  den  gelegentlich  angebrachten  langen  Stützen  des  chinesischen 
Exemplares,  fehlen  jedoch  auch  die  Details  der  Innenverzierung  der  Thier- 
leiber  durch  willkürlich  aufgesetzte  zoomorphe  Elemente.  Die  charakte- 
ristischen Cloisons  sind  dagegen  sehr  deutlich  wiedergegeben.  Das  Material, 
welches  bei  den  in  Sibirien  gefundenen  Objecten  meist  Gold  ist,  daneben 
auch  gelegentlich  Bronze  (bei  diesen  fast  stets  mit  imitirten  Cloisons),  dürfte 
hier  wohl  kein  Edelmetall  gewesen  sein,  da  dies  sonst  sicherlich  bemerkt 
worden  wäre.  Sehr  ähnliche  Darstellungen  sind  übrigens  noch  Kondakoff 
und  Tolstoi,  1.  c.  Fig.  355  und  Fig.  328  (-Radioff,  Aus  Sibirien,  Bd.  II, 
Taf.  V,  3;  aus  Holz  geschnitzt). 

Dass  dieses  Denkmal  von  unzweifelhaft  sibirischer  Herkunft  in  alter 
Zeit  nach  China  kam,  erscheint  mir,  so  lange  sich  nicht  mehr  An- 
zeichen dafür  geltend  machen,  als  gänzlich  ausgeschlossen.  Wohl  aber 
dürfen  wir  annehmen,  dass  dieses  Stück  im  vergangenen  Jahrhundert  in 
Sibirien  aufgefunden  wurde  und  auf  Umwegen  nach  China   gelangte,    wo 


Ueber  einige  Beziehungen  der  Alterthümer  China^s  u.  s.  w.  163 

es  von  dem  einen  Herausgeber  des  Kin-schv^o^  sei  es  direct,  oder  nach- 
dem es  erst  durch  mehrere  Hände  gegangen  war,  für  seine  Sammlung 
erworben  wurde.  Die  wunderliche  Erklärung  dieses  Stückes  als  „Pferde- 
münze", das  Fehlen  jedweden  Datirungsversuchs  und  jeglicher  Angabe 
über  seine  Proyenienz,  femer  der  Umstand,  dass  im  Kin-acht-^o  auch 
abendländische  Objecto,  allerdings  unter  ausdrücklicher  Bezeichnung  als 
solcher,  beschrieben  werden,  sowie  die,  Thatsache,  dass  derartige  Goldplatten 
in  grosser  Zahl  schon  unter  Peter  dem  Grossen  aus  Westsibirien  bekannt 
geworden  sind,  all  das  spricht  dafür,  dass  hier  nur  von  einem  merk- 
würdigen Zufall  die  Rede  sein  kann.  — 


Besprechungen. 


Yirchow,    Rud.      Rassenbildung    und    Erblichkeit.      Bastian  -  Festschrift 
Berlin  1897,  8.  1—44. 

Wer  die  grosse  Beibe  ethnologischer  Abhandlungen  Terfolgt,  welche  der  Hr.  Verf. 
Jahr  ans  Jahr  ein  TerGffentlicht,  der  wird  gewiss  oft  die  Ausdauer  bewundert  haben,  mit 
welcher  diese  müheTollen  Untersuchungen  fortgesetzt  werden,  ohne  dass  die  Resultate 
auch  nur  entfernt  der  darauf  verwendeten  Mühe  entsprechen.  Mit  grösster  Zurückhaltung 
wird  da  jede  positive  Schlussfolgerung  ausgesprochen,  oft  um  bald  darauf  wieder  in  Frage 
gestellt  zu  w^en;  fort  und  fort  wird  darin  gewarnt  vor  zu  bestimmten  Behauptungen, 
vor  tu  grossen  Hoffinungen  auf  die  baldige  Lösung  der  wichtigsten  Probleme  der  physischen 
Anthropologie.  Dazu  kommt  die  Unsicherheit  des  Sprachgebrauchs  in  der  Bezeichnung 
der  ersten  Begriffe,  wie  Rasse,  Typus,  die  Unklarheit  über  deren  VerhMtniss  zu  einander 
bei  den  meisten  Autoren,  um  nicht  nur  dem  Laien,  sondern  auch  dem  Fachmann  das 
Studium  der  anthropologischen  Fragen  zu  verleiden. 

Wir  müssen  es  daher  als  eine  erlösende  That  begrüssen,  dass  der  erste  Anthropologe 
unserer  Zeit  seine  hin  und  wieder  ausgesprochenen  Ansichten  über  diese  Fragen  in  der 
obigen  Abhandlung  bündig  zusammenfasst  und  uns  in  klarer  Weise  beantwortet,  was  wir 
längst  von  ihm  wissen  wollten.  Wir  können  hier  nur  die  wichtigsten  dieser  Lehren  wieder- 
geben und  müssen  den  Leser  wegen  der  Beweisführung  auf  das  Studium  der  Abhandlung 
selbst  verweisen. 

Was  zunächst  die  Bedeutung  der  heutigen  Kraniologie  für  die  Ethnologie  betrifft,  so 
nimmt  der  Schädel  für  die  Rasseneintheilung  nur  eine  secundäre  Stelle  ein;  der  Versuch 
von  Retzius,  als  Grundprincip  der  Classification  des  Menschen  einen  Schädeltypus  zu 
wählen,  hat  keinen  durchgreifenden  Erfolg  gehabt.  Auch  ein  geübter  Kraniologe  kann 
nicht  mit  Zuversicht  angeben,  ohne  etwas  von  der  Provenienz  eines  Schädels  zu  wissen, 
zu  welcher  Rasse  oder  gar  zu  welchem  Stamme  derselbe  gehört  Die  Methode  der  Indices 
selbst  ist  nicht  einwandsfrei,  die  Eintheilung  der  Schädel  darnach  verliert  selbst  bei 
Naturvölkern  immer  mehr  an  Werth,  seitdem  die  fortschreitende  Beobachtung  auch  bei 
ihnen  immer  mehr  verschiedene  Schädeltypen  kennen  lehrt.  Wir  müssen  uns  an  die  Merk- 
male der  labenden  halten,  wollen  wir  die  Frage  der  Rassenbildung  erörtern. 

Der  Begriff  der  Rasse  ist  allmählich  so  gedehnt  worden,  dass  man  damit  auch 
einzelne  Stämme  bezeichnet  hat:  so  bedeutet  »germanische  Rasse"  gewöhnlich  nicht« 
als  ^nordgermanische  Stämme"*.  Solche  nationalen  Rassen  oder  Typen  gehen  aus  Misch- 
zuständen hervor,  bei  welchen  die  mehr  widerstandsfähigen  Eigenschaften  der  Eltern  sich 
eriialten,  während  die  der  Variation  mehr  unterworfenen  verschwinden.  Die  Thatsache 
der  Vererbung  jener  Eigenschaften  steht  fest  und  führt  zur  Untersuchung  der  originären 
Rassen-Typen  und  deren  Entstehung  und  schliesslich  zu  der  Frage  nach  der  Abstammung 
des  Menschen  überhaupt.  ~  Diese  letztere  ist  aber  nach  unseren  heutigen  Kennt- 
nissen transcendental;  —  naturwissenschaftlich  ist  nur  die  Frage  der  Rassenbildung  zu 
behandeln. 

In  historischer  Zeit  hat  keine  eigentliche  Rasse  oder  Primärrasse  sich  gebildet:  wir 
haben  es  immer  nur  mit  den  bekannten,  einmal  gegebenen  Rassen  zu  thun,  in  welche  das 
Menschengeschlecht  zerfällt,  und  das  sind  für  die  alte  Welt  nach  allgemeinem  Einver- 
stäadnisa:  die  weisse,  die  schwarze  und  die  gelbe.  —  Trotzdem  muss  es  für  jede  Rawe  ein- 


Besprechungen.  1  g  5 

mal  einen  Anfang  gegeben  haben,  da  sie  vom  Tjpns  der  Urrasse  abwich,  wenngleich  dieser 
noch  nicht  beobachtet  ist 

Typus  ist  das  Geseti  für  die  Einrichtungen  und  Thfttigkeiten  des  Lebens;  jede  Ab- 
weichung daTon  ist  eine  Anomalie  oder  Yariet&t,  hervorgebracht  durch  äussere  Einflüsse 
der  Umgebung,  des  ^Milien",  daher  pathologisch,  wenn  auch  nicht  nosologisch  Wirk- 
liche Rassen,  d.  h.  Primärrassen,  sind  daher  nichts,  als  erbliche  Variationen,  erworbene 
Abweichungen  Tom  ursprünglichen  Tjpus,  welche  vererbt  werden.  Erworbener  Varia- 
tionen giebt  es  viele,  ohne  dass  sie  sich  vererben;  warum  aber  die  eine  sich  vererbt, 
die  andere  nicht,  das  wissen  wir  nicht,  —  daher  bleibt  die  Frage  der  Rassenbildung  beim 
Menschen  immer  noch  ungelöst.  Für  uns  bleibt  nur  das  Studium  der  fortschreitenden 
Variation  von  Individuum  lu  Individuum. 

Hiernach  ist  fortan  im  Interesse  der  allgemeinen  Verständigung  streng  zu  unter- 
scheiden xwischen  primären  Rassen,  das  sind  Rassen  im  eigentlichen  Sinne,  und  secundären 
Rassen,  den  sogenannten  nationalen  Rassen,  welche  eigentlich  keine  Rassen  sind,  sondern 
nur  aus  Mischung  jener  hervorgegangen  sind;  dagegen  ist  Typus  nur  der  Ausdruck  für 
das  Geseti,  nach  welchem  die  einmal  gegebenen  LebenseinricJitungen,  sowohl  bei  den 
primären,  als  bei  den  secundären  Rassen  functioniren,  und  daher  bei  der  Bexeichnung  der 
Rassen  besser  ganz  zu  vermeiden.  Lissauer. 


Steinthal,  H.     Dialekt,  Sprache,  Volk,  Staat,  Rasse.    Bastian-Pestschrift 
Berlin  1897,  S.  45-52. 

In  knapper,  prägnanter  Weise  entwickelt  der  berühmte  Sprachforscher  hier  das  Ver- 
hältniss  der  obigen  Begriffe  zu  einander,  welches  so  oft  falsch  aufgefasst  wird.  Wir 
referiren  hier  möglichst  mit  den  präcisen  Worten  des  Verfassers.  Der  Dialekt  ist  ein 
Product  des  Volkes:  die  Sprache,  ursprünglich  ein  Dialekt  unter  den  vielen  Dialekten, 
wird  erst  durch  die  Literatur  zur  Sprache  erhoben,  sie  ist  .ein  Kunstproduct.  Auch  eine 
Staatenbildung  kann  dazu  fuhren,  eine  eigene  Sprache  zu  bilden,  wie  das  Beispiel  der 
Niederlande  lehrt. 

Ein  Volk  ist  meistens  ein  prähistorisches  Product,  von  nur  selten  nachweisbaren 
Elementen  zusammengeflossen,  —  doch  ist  ein  Zusammenhang  mit  der  Sprache  im  allge- 
meinen Sinne  wohl  vorhanden,  insofern  der  Volkscharakter,  die  Nationalität,  sowohl  die 
Sprache  beeinflusst,  als  von  ihr  beeinflusst  wird,  wie  an  dem  Beispiel  der  iberischen 
Halbinsel  nachgewiesen  wird.  Dagegen  ist  Einheit  der  Sprache  von  Einheit  der  Rasse 
streng  zu  scheiden. 

Ein  Volk  ist  das  Ergebniss  mannichfachcr  Verbindungen,  Trennungen  und  neuer  Ver- 
mischungen, —  daher  kann  bei  einem  Volke  wohl  von  einem  Sprachstamm,  aber 
schwerlich  von  einer  Rasse  die  Rede  sein.  Völker  einer  Rasse  können  verschiedenen 
Sprachstämmen  und  Völker  eines  Sprachstammes  verschiedenen  Rassen  angehören. 

Hiernach  ist  wohl  zu  unterscheiden  zwischen  Völkern,  welche  einer  Rasse  angehören, 
und  solchen,  welche  durch  Vermischung  verschiedener  Rassenelementc  entstanden  sind. 

Lissauer. 


Ehrenreich,  Paul.  Anthropologische  Studien  über  die  Urbewohner 
Brasiliens,  vornehmlich  der  Staaten  Matte  Grosso,  Goyaz  und  Amazonas 
(Purus- Gebiet).  Nach  eigenen  Aufnahmen  und  Beobachtungen  in  den 
Jahren  1887-1889.  Mit  zahlreichen  Abbildungen  und  Tafeln.  Braun- 
schweig 1897.     4^ 

Nachdem  der  Hr.  Verfasser  schon  früher  die  ethnologischen  und  linguistischen  Er- 
gebnisse seiner  Reihen  im  Innern  Brasiliens  veröffentlicht  hat,  theilt  er  uns  nun  auch 
seine  anthropologischen  Beobachtungen  ober  die  Urbewohner  jenes  Gebietes  in  einer  statt- 


]  gg  Besprechungen. 

liehen  Monographie  mit,  welche  sowohl  durch  streng  wissenschaftliche  Methode,  wie  dnrch 
Originalit&t  des  Inhaltes  vor  den  meisten  anthropologischen  Arbeiten  der  letsten  Jahre 
ausgeieichnet  ist.  Das  Werk  zerfällt  in  einen  allgemeinen  und  einen  speclellen  Theil. 
In  jenem  werden  zunächst  die  Aufgaben  und  Methoden  der  physischen  Anthropologie  und 
ihre  Anwendung  auf  die  Ethnologie  kritisch  besprochen  und  die  eigenen  Ansichten  des 
Verf.  entwickelt. 

Die  arge  Verwirrung,  welche  die  Eraniometrie  seit  Retzius  unter  den  elementaren 
Regriffeu  der  Anthropologie  angerichtet  hat;  das  leere  Spiel  mit  Indioes,  welche  eine  grosse 
£xactheit  vortäuschen  und  vielfach  zu  willkürlichen  oder  doch  müssigen  Combinationen 
benutzt  worden  sind,  werden  vom  Verf.  mit  Recht  scharf  gegeisselt,  die  sogenannten 
kraniologischen  Rassen  ganz  verworfen.  Die  Kraniometrie  wird  in  die  Stellung  eines 
Hnifsmittels  der  descriptiven  Anatomie  zurückverwiesen,  für  die  Bildung  und  Glassi- 
ficirung  der  Menschenrassen  ist  sie  nur  von  geringem  Werth.  Denn  die  mit  ihrer  Hülfe 
construirten  sogenannten  Rassen  existiren  in  der  Natur  nirgends.  Die  naturwissenschaft- 
liche Betrachtung  hat  es  nur  mit  den  von  der  Natur  gegebenen  grossen  Grundformen  des 
Menschengeschlechts  zu  thun,  welche  durch  geographische  Begrenzung,  durch  Sprache 
und  durch  ihre  anthropologische  Gesammterscheinung  als  Einheiten  charakterisirt  sind,  — 
das  sind  allein  wirkliche  Rassen,  wie  Blumenbach  dies  schon  richtig  erkannt  hat.  Seine 
Aufstellung  von  5  Rassen  entsprach  dem  damaligen  Stande  unserer  Kenntnisse;  der  Verf. 
würde  heute  7  bis  8  solcher  Varietates  zulassen,  nehmlich  die  kaukasische,  nigritische, 
mongolische,  amerikanische,  malayo-poljnesische,  australische,  die  Papuas  und  die 
asiatischen  Schwarzen.  —  Die  anthropologischen  Merkmale  dieser  Rassen  lassen  sich  bisher 
nur  durch  den  Gesammteindruck  bezeichnen,  nicht  durch  Zahlen,  nicht  durch  einzelne  Merk- 
male, 'Uur  durch  Wort  und  Bild;  daher  hat  der  Verf.  das  vorliegende  Werk  mit  einer 
grossen  Zahl  von  vorzüglichen  Abbildungen  ausgestattet,  wie  sich  deren  nur  wenige  andere 
Veröffentlichungen  rühmen  können. 

Von  den  Rassen  sind  wohl  zu  unterscheiden  die  Völker,  Stämme  und  Nationalitäten, 
welche  nur  durch  die  Sprache  charakterisirt  werden.  Es  ist  die  Aufgabe  der  Anthro- 
pologie, zu  erforschen,  wie  die  Merkmale  einer  Rasse  auf  die  verschiedenen  Völkergruppen 
innerhalb  derselben  vererbt  und  durch  äussere  Einflüsse  abgeändert  werden,  so  dass  diese 
trotz  vieler  gemeinsamer  Eigenschaften  sich  doch  von  einander  unterscheiden  und  so- 
genannte Typen  oder  Unterrassen  bilden,  deren  Bedeutung  eingehend  erörtert  wird.  Diese 
letzteren  sind  veränderlich,  die  Rassen  dagegen  wirkliche  Dauerformen.  Eine  weitere 
Zerlegung  der  vorhandenen  Rassen  etwa  in  Urrassen  ist  mindestens  verfrüht,  so  lange 
wir  jene  so  wenig  kennen. 

Man  wird  bis  hierher  die  Uebereinstimmung  zwischen  den  Ansichten  des  Verf.  und 
denen  seines  Lehrers  Virchow,  dem  das  Werk  gewidmet  ist,  nicht  verkennen,  wenn  die- 
selben hier  auch  schärfer  ausgesprochen  werden.  Indessen  nun  gehen  die  Meinungen 
beider  auseinander. 

Nach  dem  Verf.  sind  Völkermischuugen  innerhalb  derselben  Rasse  nicht  anatomisch, 
sondern  nur  durch  die  Sprache  und  geschichtliche  Ceberlieferung  erkennbar,  und  nur 
solche  VölkermischuDgen,  deren  Elemente  verschiedenen  Rassen  angehören,  auch  anthro- 
pologisch zu  unterscheiden.  Alle  Bemühungen,  die  einzelnen  Völker  z.  B.  der  kaukasischen 
Rasse  nach  Schädelform,  Hautfarbe  u.  s.  w.  auf  verschiedene  Abstammung  zurückzuführen, 
mussten  daher  vergeblich  bleiben ;  die  Unterscheidung  von  sogenannten  blonden,  brünetten, 
lang-  und  kurzköpfigeu,  breit-  und  schmalgesichtigen  Rassen  hat  nur  einen  hypothetischen 
Werth,  da  wir  sonst  nichts  von  ihnen  wissen. 

Diese  Anschauung  entspricht  in  der  That  aHein  dem  wirklichen  Standpunkt  unserer 
Kenntnisse  und  wird  vom  Ref.  vollkommen  getheilt 

Auf  die  amerikanische  Rasse  speciell  eingehend,  bespricht  der  Verf.  die  verschiedenen« 
oft  abenteuerlichen  Hypothesen,  welche  über  deren  Entstehung  aufgestellt  sind;  er  selbst 
ist  Anhänger  des  Polygenismiis  und  bezeichnet  die  heutige  amerikanische  Raste  auf 
Grund  seiner  Studien  als  autochthon  mit  einer  grossen  Mannichfaltigkeit  der  Typen. 

Im  speciellen  Theil  wird  nun  das  anthropologische  Material  sorgfältig  beschrieben 
und  veranschaulicht,  das  er«te,  welches  aus  dem  Innern  des  südamerikanischen  Continenta 


Besprechungen .  1 67 

veröffentlicht  wird.  Es  besteht  in  Beobachtongen  und  Messungen  von  184  lebenden  Indi- 
viduen ans  17  verschiedenen  Völkerschaften,  welche  zwar  ungleich  vertheilt  sind,  aber 
doch  die  Hanptvölkergruppen  Brasiliens:  Karaiben,  Tupi,  Arowaken  und  GSs  vertreten 
und  ausserdem  noch  die  Bororo  und  Caraya's  umfassen;  femer  in  Beschreibung  von 
H  Skeletten,  7  Schädeln  und  1  Becken,  welche  s&mmtlich  bis  auf  einen  vom  Verf.  mit- 
gebracht und  der  Anthropologischen  Gesellschaft  geschenkt  wurden.  Wir  müssen  wegen 
der  vielen  Einzelheiten  auf  die  Arbeit  selbst  verweisen  und  wollen  hier  nur  das  Wichtigste 
aus  der  vergleichenden  Gesammtübersicht  refenren. 

Die  Indianer  nähern  sich  in  ihren  Körperverhältnissen  mehr  der  kaukasischen,  als 
der  mongolischen  Rasse,  trotz  gewisser  mongoloider  Züge  in  der  Gesichtsbildung;  Klafter* 
weite,  Länge  des  Oberarmes  und  der  ganzen  oberen  Extremität,  Nabel-  und  Symphysen- 
höhe  sind  von  europäischen  Verhältnissen;  die  kurze  Hand  unterscheidet  sie  von  den 
Europäern  und  Mongolen,  —  ebenso  die  längeren  Füssc.  Die  bedeutende  Verticallängo 
des  Kopfes  nähert  sie  den  Mongolen,  während  die  grössere  Breite  der  Nasenwurzel  und 
das  kräftige  Vorspringen  der  Nase  sie  wieder  von  ihnen  unterscheidet.  Bei  den  einzelnen 
Stämmen  zeigt  sich  die  geographische  Vertheilung  von  grösserem  Einfluss  auf  die  Körper- 
Verhältnisse,  als  auf  die  ethnologische  Verwandtschaft.  Die  dieser  Schilderung  zu  Grunde 
liegenden  Einzelmessungen  sind  hierbei  stets  auf  die  Körperhöhe  (=  100)  reducirt  und  den 
daraus  gewonnenen  Mittelwerthen  wird  vom  Verf.  mit  Recht  ein  höherer  Werth  beigelegt, 
als  den  aus  den  absoluten  Zahlen  gewonnenen. 

Aus  der  vergleichenden  Betrachtung  des  Schädelmaterials  heben  wir  nur  hervor:  die 
Bestätigung  der  geringen  Capacität,  welche  Virchow  schon  bei  der  amerikanischen  Rasse 
constatirt  hat,  und  die  Thatsache,  dass  zwei  anthropologisch,  ethnologisch  und  linguistisch 
stammverwandte  Stämme,  wie  die  Botokuden  und  Oayapo,  ganz  entgegengesetzte  Schädel- 
indices  besitzen;  obwohl  der  Gesammteindruck  der  Schädel  nicht  verschieden  ist,  —  ein 
Beweis  mehr,  dass  die  Indices  für  die  Unterscheidung  der  Rassen  und  Stämme  nur  von 
untergeordnetem  Wert  he  sein  können. 

Wir  freuen  uns,  diesem  Werke  unsere  volle  Anerkennung  zollen  zu  können;  es  ist 
eine  wahre  Fundgrube  von  guten  Lehren  für  die  naturwissenschaftliche  Behandlung  der 
physischen  Anthropologie.  Lissauer. 


Hörn  es,  M.  Zur  prähistorischen  Formenlehre.  Zweiter  Theil.  IV.  Ueber 
altitalische  Bronzefiguren  und  deren  culturgeschichtliche  Bedeutung. 
55  Seiten  4®  mit  43  Abbildungen.  (Aus  den  Mittheilungen  der  prä- 
historischen Commission  der  Kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften. 
I.  Band,  Nr.  4.)     Wien,  1897.     In  Commission  bei  C.  Gerold's  Sohn. 

Je  primitiver  eine  Kunstform  ist,  in  je  höherem  Grade  sie  zu  den  primären  Formen 
gehört,  um  so  weniger  ist  sie  geeignet,  der  vergleichenden  Archäologie  als  Substrat  für 
weitergehende  Schlüsse  zu  dienen.  Umgekehrt  verhält  es  sich  mit  höher  entwickelten 
Formen,  zu  denen  insbesondere  die  Darstellung  des  menschlichen  Körpers,  die  vornehmste 
Aufgabe  der  antiken  Kunst,  gehört  Deshalb  war  es  ein  glücklicher  Griff  des  Verfassers, 
die  oben  näher  bezeichnete,  noch  wenig  studirte  Gruppe  prähistorischer  Kunstwerke  zu  be- 
bandeln. Sie  verdient  um  so  mehr  unser  Interesse,  als  sie  nach  den  Ausführungen  des  Verf. 
geeignet  erscheint,  die  Fäden  einerseits  nach  Mitteleuropa,  andererseits  nach  den  alten 
Culturländem  des  östlichen  Mittelmecrgebiots  zu  spinnen.  Es  werden  so  der  Reihe  nach 
besprochen:  1.  Flachfiguren,  2.  Rundfiguren,  3.  Plattenwerke,  4.  Bronze-  und  Bemstein- 
plastik  in  Etrurien,  5.  Ausbreitung  nach  Mittel-  und  Nord-Europa,  6.  Gofässtragcnde 
Figuren,   7.  Wagengebilde,   8.  Ross  und  Reiter,   9.  Das  Rind. 

Die  Arbeit  ist  in  doppelter  Hinsicht,  nach  der  cultlich-religiösen  und  nach  der  knnst- 
geschichtlichen  Seite,  von  Werth.  Bezüglich  der  ersteren  ist  jeder  Beitrag  zur  Aufklärung 
dieser  noch  wenig  bekannten  Verhältnisse  erwünscht.  Was  die  letztere  anlangt,  so  macht 
sich  gerade  gegen  das  Ende  der  Hallstattzeit  in  Mittel-Europa  eine  Neigung  zur  Darstellung 


168  ßesprechungeii. 

TOD  Figuren  und  anderen  realen  Objecten  im  Qegensati  zn  dem  vorwiegend  omamentalen 
Charakter  älterer  Zeiten  bemerkbar;  es  sei  hier  nnr  beispielsweise  an  die  Thierfibeln,  ao 
die  Gesichtsamen  mit  ihren  Oarstellongen  von  Mensehen,  Thieren,  Wagen,  Schmuck- 
sachen n.  s.  w.,  und  an  die  Hansumen  erinnert.  Wenn  man  nun  auch  nicht  die  Gestaltung 
derartiger  Dinge  im  Einzelnen  auf  directe  Nachahmung  fremder  Vorbilder  zuzüokffihren 
darf^  so  ist  es  doch  der  Zug  nach  figürlichen  und  Ähnlichen  Darstellungen,  die  Neigung 
als  solche,  deren  Ursprang  man  wohl  in  der  Einwirkung  einer  entwickelteren  Kunst  suchen 
muss.  Es  ist  mit  Freude  zu  begrüssen,  dass  Yerf.  in  einer  geplanten  „Urgeschichte  der 
bildenden  Kunst  in  Europa**  ausfuhrliche  Belehrung  über  diese  wichtigen  Fragen  in  Aus- 
sicht stellt.  A.  G((tze. 


Stratz,  C.  H.    Die  Frauen  auf  Java.    Eine  gynäkologische  Studie.    Mit 

41  Abbildungen    im    Text.     Stuttgart,    Ferdinand  Enke.     1897.     134  S. 

8vo. 

Der  Verf.,  welcher  länger  als  fünf  Jahre  als  Gjnftkolog  in  Terschiodenen  Theilen 
Javas  thfttig  gewesen  ist,  giebt  hier  einen  Bericht  Ober  seine  dortige  frauen&rztliche 
Thfttigkeit,  in  welchem  sich  auch  manche  Angabe  von  anthropologischem  Interesse  findet. 
Unter  den  javanischen  Frauen  nnterscheidet  er  zwei  Typen,  deren  einen  er  den 
„malaiischen*',  den  anderen  den  „Hindu-Typus"  nennt  Der  erstere  zeichnet  sich  aus 
durch  ein  randes  Gesicht,  eine  breite,  kurze  Nase,  vorstehende  Backenknochen,  schmale, 
etwas  schief  stehende  Augenspalten,  braune  bis  dunkelbraune  Hautfarbe,  breite  Hftften, 
im  Allgemeinen  mehr  weibliche  Körperformen  und  Neigung  zu  Fettansatz.  Der  „Hindu- 
Typus**  hat  ein  mehr  ovales  Gesicht,  eine  l&ngere  und  schmalere  Nase,  weniger  vor- 
stehende Jochb5gen,  gerade  Augenspalten,  weissgelbe  bis  lichtbraune  Hautfarbe, 
schmalere  Hüften,  im  Allgemeinen  mehr  jungfräuliche  Körperformen,  selbst  im  Alter, 
und  schlanke  Gliedmaassen.  Durch  Messungen  an  Lebenden  konnte  der  Verf.  fest- 
stellen, dass  das  javanische  weibliche  Becken  im  Yerhältniss  zu  seinem  Sagittal-Dureh- 
messer  im  transversalen  verkürzt  ist;  somit  hat  es  im  Gegensatze  ru  dem  europäischen 
eine  mehr  runde  Form.  Auch  über  die  anthropologischen  Verhältnisse  der  Mischlinge 
hat  Stratz  einige  interessante  Beobachtungen  gemacht. 

Operative  Eingriffe  hatten  bei  den  Eingeborenen  meistens  einen  gfinsügen  Verlauf 
und  heilten  schneller,  als  bei  Europäerinnen.  Fälle  von  schwerer  Niederkunft  konnten 
bisweilen  beobachtet  werden,  und  bisweilen  kam  auch  Kindbettfieber  vor,  das  dann  unter 
ungewöhnlich  heftigen  Erscheinungen  gewöhnlich  in  sehr  kurzer  Zeit  zum  Tode  f&hrte. 
Die  jüngste  Wöchnerin,  bei  welcher  Stratz  mit  gutem  Erfolge  die  Entbindung  gemacht 
hatte,  stand  in  dem  Alter  von  12  Vt  Jahren. 

Unter  den  Frauenkrankheiten,  welche  dem  Verf.  vorkamen,  steht  die  Betroflexion  der 
Gebärmutter  oben  an.  Es  waren  1861  Fälle  unter  8381  Patientinnen.  Sie  ist  in  den 
meisten  Fällen  eine  von  den  einheimischen  Hebammen,  den  Doekoen,  kunstlich  erzeugte^ 
um  die  Empfängniss  zu  verhindern. 

Ueber  die  Art  der  Ausführung  dieses  Eingriffes  und  über  die  Thätigkeit  der  Doekoen 
im  Allgemeinen  macht  der  Verfasser  eingehende  Mittheilungen.  Auch  über  das  Verhalten 
der  europäischen  Frauen  finden  sich  mancherlei  Angaben,  die  besonders  für  diejenigen 
von  Wichtigkeit  sind,  welche  sich  für  das  Leben  der  Europäer  in  den  Colonien  interessiren. 
Eine  Reihe  ^uter  Abbildungen  ist  dem  Werke  beigegeben.  Max  Bartels. 


Schellhas,  Paul  Die  Uöttergestalten  der  Maya  -  Handschriften.  Ein 
mythologisches  Culturbild  aus  dem  alten  America.  Dresden  1897.  8*. 
Richard  Bertling.     34  S. 

Als  vor  kaum  zwanzig  Jahren  die  Wissenschaft  begann,  ernstlich  die  Erforschung  der 
mittelamerikanischen  Mayacultur  in  Angriff  zu  nehmen,  da  konnte  man  nicht  ahnen,   vie 


Be^preohnogen.  169 

reichhaltig  und  vielseitig  die  Thitigkeit  aof  diesem  Gebiete  sich  entwickeln  würde. 
Liefert  doch  der  verdienstvolle  Aufsatz  von  K.  Hftbler:  „Die  Maja-Literatur  und  der 
Bfaja-Apparat  zu  Dresden''  im  Decemberhefte  von  1895  des  Centralblatts  für  Bibliotheks- 
wesen schon  die  Titel  von  486  hierher  gehörigen  Schriften  und  Aufsätzen,  an  welchen 
auch  unsere  Zeitschrift  ihren  gebührenden  Antheil  hat.  Der  Grund  dieses  fast  plötzlichen 
und  überraschenden  Entstehens  einer  so  gut  wie  neuen  Wissenschaft  ist  klar.  Denn  es 
gilt  hier,  die  am  höchsten  und  fem  von  allem  erkennbaren  auswärtigen  Einfluss  entwickelte 
Cultur  des  alten  America  zu  verstehen,  und  zu  begreifen,  welchen  Geistesweg  die  Gattung 
Homo  sapiens  Linn.  auch  ohne  die  anderwärts  bekannten  Vorbedingungen  eingeschlagen 
hat.  Es  liegt  darin  ein  Interesse,  welches  nur  von  demjenigen  überboten  werden  könnte, 
das  uns  etwa  das  Studium  der  Cultur  von  vernünftigen  Bewohnern  anderer  Planeten 
erregen  würde. 

Dr.  Schellhas  hat  sich  eifrig  mit  diesem  Gebiete  beschäftigt,  seitdem  er  im  Jahre 
18S4  das  Original  der  bedeutendsten  Maja -Handschrift  zu  Dresden  gesehen  hatte.  In 
einer  Reihe  von  Aufsätzen  hat  er  in  geschickter  Weise  und  mit  wesentlicher  Förderung 
der  Sache,  so  weit  ihm  Beruf  und  andere  Studien  dazu  die  Zeit  Hessen,  sich  der  Sache 
angenommen,  auch  in  zwei  Abhandlungen  unserer  Zeitschrift  (Band  XVIII  und  XXIV). 
Die  jetzt  vorliegende  Schrift  ist  eine  Erweiterung  und  Umarbeitung  des  zweiten  dieser 
Aufsätze,  der  einer  solchen  Erweiterung  in  den  seitdem  verflossenen  fünf  Jahren  bei  dem 
raschen  Fortschritt  dieser  Studien  recht  sehr  bedurfte. 

Darf  ich  hier  gleich  die  am  meisten  hervortretende  und  durchaus  lobenswcrthe  Eigen- 
thümlichkeit  der  Forschung  unseres  Verfassers  nennen,  so  ist  es  die  weise  Beschränkung 
auf  das  Maya-Gebiet.  Verwandt  ist  ja  mit  der  Maya-Cultur  unzweifelhaft  die  azt^kische, 
und  zwar,  wie  es  bis  jetzt  scheint,  in  der  Weise,  dass  die  Azteken  von  den  Majas  zu  einer 
Zeit  empfingen,  als  die  letzteren  noch  nicht  den  Gipfel  ihrer  Bildung  erreicht  hatten.  Bei 
dieser  Sachlage  ist  es  besonders  in  mythologischen  Dingen  gefährlich,  die  aztekische  Götter- 
welt mit  ihrer  Fülle  von  zum  Theil  unsicheren,  zum  Theil  nur  ganz  local  verehrten  Ge- 
stalten herbeizuziehen;   das  mag  einer  späteren  Stufe  der  Forschung  vorbehalten  bleiben. 

Aber  Schellhas  geht  noch  einen  Schritt  weiter;  er  vermeidet  sogar  vorsichtig  den 
Gebrauch  der  zahlreich  überlieferten  Namen  von  Maja-Gröttem,  so  weit  sie  sich  nicht 
geradezu  von  selbst  darbieten.  Er  bezeichnet  die  Bilder  der  Gottheiten  und  die  dazu 
gehörigen  Schriftzeichen  vorläufig  einfach  mit  Buchstaben;  in  der  früheren  G^estalt  seiner 
Arbeit  hatte  er  auch  bei  den  mjthologischen  Thieren,  die  mit  den  Göttern  in  Reih  und 
Glied  und  ihnen  ganz  gleichwertig  erscheinen,  Buchstaben  angewandt  (wobei  ich  an  seiner 
Stelle  geblieben  wäre),  er  ist  aber  jetzt  zu  Zahlen  übergegangen. 

Die  grössere  oder  geringere  Sicherheit,  mit  der  sich  die  Bilder  und  Hierogljphen  um 
die  einzelnen  Gottheiten  gruppiren,  hängt  natürlich  wesentlich  von  deren  grösserer  oder 
geringerer  Häufigkeit  ab.  Am  grössten  ist  diese  Sicherheit  bei  den  Göttern  A  bis  E^ 
auch  Ö  und  K^  dagegen  werden  die  Sehlangen-  und  Wassergottheiten  H  und  /,  die 
schwarzen  Gottheiten  L  und  My  die  seltenen  N  und  0  noch  einiger  Zerlegungen  oder 
Grenzberichtigungen  bedürfen,  und  auch  in  F  stecken  meiner  Ansicht  nach  mehrere 
Götter,  bei  deren  Scheidung  wohl  die  Form  der  über  das  Gesicht  laufenden  Zeichnung 
mit  einen  Eintheilungsgrund  geben  wird. 

Aus  diesem  Stande  der  Sache  ergeben  sich  die  nächsten  Aufgaben  für  die  weitere 
Forschung.  Erstens  hat  man  die  noch  nicht  genügend  begrenzten  Gottheiten  weiter  ins 
Auge  zu  fassen,  wobei  man  sich  freilich  nach  einer  Vermehrung  des  hoffentlich  noch 
wachsenden  überlieferten  Materials  umzusehen  hat  Zweitens  ist  der  Beziehung  der  ein- 
zelnen Götter  zu  den  einzelnen  Tagen  der  Tagesreihe  nachzuspüren,  denn  die  Majas 
haben  sicher,  wie  die  Völker  der  alten  Welt,  ihre  Tagegötter  gehabt.  Und  drittens  müssen 
wir  mit  dem  so  aus  den  Handschriften  gefundenen  Resultate  an  die  Inschriften  gehen 
und  die  auf  ihnen  befindlichen  Bilder  und  Schriftzeichen  möglichst  mit  jenem  Resultate 
in  Verbindung  setzen. 

Schon  in  ihrer  ersten  Gestalt  hatte  diese  Arbeit  des  Dr.  Schellhas  vielfach  bei  den 
Mitforschem  Beifall  gefunden,  und   auch  in  America  hat  man  mehrfach  die  Buchstaben- 


1 70  Besprechungen. 

bezeichnung  der  Götter  hinübergenommen.  Es  ist  nunmehr  kein  Zweifel,  dass  die  jetzt 
selbst&ndig  und  in  vollkommenerer  Gestalt  erschienene  Schrift  noch  in  höherem  Grade 
günstig  wirken  wird.  £.  Förstemann« 


Grünwedel,  Albert.    Buddhistische  Studien.    Veröffentlichungen  aus  dem 
Königl.  Museum  für  Völkerkunde.    V.  Bd.    1897.    Mit  97  Abb. 

Eine  Publication  von  ganz  ungewöhnlichem  Interesse  nicht  nur  für  Fachgelehrte  auf 
dem  Gebiete  indischer  Cultur  und  Beligionsgeschichte,  sondern  für  jeden,  der  an  Sagen- 
forschung  und  Behandlung  völkerpsychologischer  Probleme  Antheil  nimmt!  Ist  es  doch 
das  erste  Mal,  dass  eine  grössere  Anzahl  jener  merkwürd]g<»n  Erzählungen  der  Dschatakas 
(aus  den  550  früheren  Existenzen  Buddha's),  die  Jahrhunderte  lang  fast  allen  Völkern 
Asiens  den  Stoff  zu  bildlichen  Darstellungen,  M&rchen  und  Sagen  geliefert,  w&hrend  des 
Mittelalters  auch  das  Folklore  Europas  in  durchgreifendster  Weise  beeinflusst  haben,  in 
deutschem  Gewände  vorgeführt  wird,  und  noch  dazu  Ton  einem  Autor,  der  wie  Tielleicht 
kein  anderer  in  Deutschland  zu  dieser  schwierigen  Aufgabe  beflüiigt  war.  Es  handelte 
sich  hier  ja  nicht  nur  um  die  philologische  Leistung  einer  möglichst  correcten  Ueber- 
setzung,  sondern  vor  Allem  auch  um  die  richtige  Würdigung  und  Deutung  des  archJU>- 
logischen  Beiwerks,  zu  der  ein  Eingehen  auf  die  Sculptur-Denkm&ler  der  gesammten  alt- 
buddhistischen Kunst  in  Indien,  sowie  auf  chinesische,  japanische,  lamaistische  und  sia- 
mesische Ikonographien  unerlässlich  war. 

Die  äussere  Veranlassung  zu  dieser  Arbeit  bot  die  Erwerbung  einer  grösseren  Anzahl 
glasirter  Terracottareliefs  aus  Pagan,  der  1269  durch  Kublai-Khan  zerstörten  Hai^stadt 
des  alten  Birmanenreichs. 

Sie  umgaben  den  Unterbau  der  grossen  Mangalat&eti-Pagode  und  wurden  1898  durch 
Hrn.  Dr.  Noetling  dem  Königl.  Museum  überwiesen.  Leider  kamen  die  Tafeln  Btark 
beschädigt,  vielfach  in  Stücke  zerbrochen,  in  Berlin  an.  Die  Zusammensetzung  der  vielen 
hundert  Bruchstücke  mit  einem  verhältnissmässig  so  befriedigenden  Resultat,  ist  allein 
schon  eine  Leistung  ersten  Ranges,  die  nur  derjenige  zu  würdigen  weiss,  der  die  disject« 
membra  selbst  gesehen  hat  Dass  die  dargestellten  Scenen  den  Dschatakas  entnommen 
waren,  Hess  sich  ohne  Weiteres  feststellen.  Die  Identificirung  der  einzelnen  Bilder  wurde 
durch  die  kurzen,  aber  meist  ziemlich  deutlichen  altbirmanischen  Inschriften  sehr  er- 
leichtert, deren  Nnmerirung  ausserdem  mit  der  von  Fausböll  besorgten  Teztansgabo 
gut  übereinstimmte.  Damit  ist  die  Genauigkeit  der  birmanischen  Tradition  erwiesen,  was 
Grün  Wedel  als  Hauptergebniss  seiner  Untersuchung  hinstellt. 

Dagegen  ist  der  künstlerische  Werth  dieser  Reliefs  um  so  geringer.  Die  einzelnen 
Figuren  sind  rein  schematisch,  ohne  jegliche  Individualität,  auf  wenige  conventioneile 
Typen  von  sitzenden,  betenden  und  schwebenden  menschlichen  Figuren  beschränkt,  wozu 
noch  eine  Anzahl  besser  ausgeführter  Thiere  kommt  Zudem  sind  nicht  eigentlich 
lebendige  Scenen  dargesteUt,  sondern  nur  die  in  der  Hauptsache  betheiligten  Figuren  in 
conventioneller  Haltung  neben  einander  abgebildet,  oft  geradezu  an  ideographische  Hiero> 
gljphen  erinnernd.  So  ist  z.  B.  bisweilen  der  Bodhisattva  (der  frühere  Buddha)  nur  durch 
einen  in  der  Luft  schwebenden  Schirm  angedeutet 

Merkwürdig  sind  dabei  die  vielen  gedankenlosen  Missverständnisse  des  offenbar  nach 
gemalten  Vorlagen  arbeitenden  Bildners,  der  die  dargestellte  Scene  vielfach  gar  nicht 
gekannt  zu  haben  scheint.  Aber  gerade  diese  Versehen  sind  für  uns  wichtig,  weil  de 
zeigen,  wie  sehr  es  bei  der  archäologischen  Werthung  solcher  Darstellungen  der  Kritik 
durch  die  Texte  bedarf. 

Was  die  Dschatakas  selbst  anlangt,  so  sind  die  bereits  anderswo  ins  Englische  über- 
setzten (von  Fausböll,  Chalmers  u.  A.)  im  Auszuge,  die  übrigen  in  selbständiger 
Uebertragung  mitgetheilt 

Ihr  literarischer  Werth  ist  natürlich  sehr  verschieden.  Einige  erscheinen  ziemlich 
trivial,  wie  1—8,  6,  12,  18  u.  A.,  lassen  aber  doch  schon  auf  den  ersten  Blick  ihre  Be- 
deutung für  die  Beurtheilung  indischen  Geistes     und  Verständniss  indischen  Lebens  er- 


BesprcchoDgen.  171 

kennen.  Bei  anderen  interessirt  uns  ihre  Aehnlichkeit  mit  unseren  eigenen  Märchen:  19, 
20,  46,  54;  wieder  andere  erhalten  ihren  Reiz  durch  den  urwüchsigen  Humor,  der  aller- 
dings gelegentlich  auch  ins  Cjnische  umschlägt:  11,  19,  22,  27,  28,  88,  84.  Endlich  finden 
sich  einige  von  hoher  Lebensweisheit  und  tiefem  sittlichen  Ernst  erfüllte,  unter  denen 
namentlich  die  herrliche  Erzählung  von  dem  unglücklichen,  in  der  UssadahöUe  zur  Strafe 
des  Messerrades  verurtheilten  Mittavindaka  zu  nennen  ist,  zu  der  auch  aus  den  Reliefs 
Ton  Boro-Budur  und  dem  siamesischen  Traip^nm  interessante  ikonographische  Vergleiche 
herangezogen  werden.  Nicht  minder  anziehend  ist  die  Erzählung  von  der  Frage  nach 
dem  Glück  (23),  dem  „Menschenfresser^  (25)  und  dem  Papageien,  der  seinen  alten  Eltern 
Nahrung  zuträgt  (89;. 

Ganz  eigenartig  ist  das  Supparaka  dschataka  (45),  ein  Seefahrermärchen.  Zu  ihm 
werden  im  Anhange  aus  tibetischen  und  Leptscha- Texten  interessante  Parallelen  gegeben, 
denen  ähnliche  aus  Tausend  und  einer  Nacht  an  die  Seite  zu  stellen  sind. 

Die  eigenthümliche  Art,  wie  der  Buddhismus  die  Thierwelt,  die  z.  B.  das  Christen- 
thum  völlig  ausser  Acht  lässt,  seinem  Weltsystem  organisch  einfügt,  und  zwar,  wenn  man 
will,  ganz  im  Sijmo  der  modernen  Entwickelungslehre,  tritt  in  allen  diesen  Erzählungen 
auffallend  hervor.  Die  Thiere  werden  nach  indischer  Weise  ganz  wie  Menschen  redend 
und  handelnd  eingeführt,  Thiere  werden  als  frühere  Menschen,  Menschen  als  frühere 
Thiere  dargestellt.  Der  Bodhisattva  selbst  erscheint  ausser  seinen  menschlichen  Incar- 
nationen  auch  als  Rind,  Frosch,  Büffel,  Ziegenbock,  Papagei,  Bebhuhn,  Schlangenkönig  u.s.  w. 
So  fremdartig  diese  Vorstellung  uns  zuerst  berührt,  so  befreunden  wir  uns  doch  bald 
damit;  denn  es  zeigt  sich  darin  die  urwüchsige,  reine  Liebe  zur  Natur,  die  innige  Ver- 
trautheit mit  ihren  Geschöpfen,  die  Wesenseinheit  von  Mensch  und  Thior,  wie  wir  sie 
noch  heute  bei  unberührten  Naturvölkern  sehen,  wie  sie  sich  auch  im  altgermanischen 
Volksgeiste  ausprägt 

Schwieriger  ist  es  dagegen,  sich  den  Bodhisattva  als  Räuberhauptmann  vorzu- 
stellen (42). 

Der  Anhang  behandelt  ausser  jenem  Schiffermärchen  alterthümliche  Thonpasten  aus 
Pagan,  wie  sie  ähnlich  in  Buddhagaya  in  Vorderindien  vorkommen  und  wahrscheinlich 
durch  Pilger  nach  Birma  gebracht  sind.  Ref.  sah  die  gleichen  auch  am  oberen  Irawaddy 
bei  Tagaung,  der  ältesten  Hauptstadt  des  Landes.  Nach  Grünwedel  sollen  sie  ihrer 
Form  nach  an  die  Blätter  des  heiligen  Feigenbaumes  erinnern. 

Zum  Schluss  werden  noch  ein  paar  brahmanische  Idole  aus  Pagan  besprochen  und 
abgebildet. 

Im  Allgemeinen  steht  unser  gebildetes  Publicum,  selbst  der  gelehrten  Kreise,  den 
Forschungen  und  Studien  auf  dem  Gebiete  des  Buddhismus  ziemlich  verständnisslos  gegen- 
über. Für  mystisch-theosopische  Speculationen  hat  man  ihn  freilich  schon  weidlich  aus- 
genützt, seine  ungeheure  culturgeschichtliche  Bedeutung  dagegen  wird  noch  bei  Weitem 
nicht  genügend  anerkannt  um  so  tiefer  empfunden  ist  der  Dank,  mit  der  wir  Arbeiten 
wie  die  vorliegende  begrüssen.  Möge  es  dem  hochverdienten  Verfasser  vergönnt  sein, 
durch  Erklärung  der  noch  übrigen  Dschatakatafeln  in  gleich  anregender  Weise  sein  Werk 
weiterzuführen;  möge  dasselbe  dazu  beitragen,  die  Aufmerksamkeit  der  Gelehrtenwelt, 
wie  der  Regierungen,  wieder  auf  die  grossartigon  Denkmäler  des  alten  Pagan  zu  richten, 
die  seit  Forchhammers  Tode  wie  vergessen  schienen,  damit  vor  Allem  einmal  die  herr- 
lichen Fresken,  welche  die  Innenräume  einiger  der  dortigen  Bauwerke  zieren,  vor  der  sonst 
unaufhaltsamen  Vernichtung  bewahrt  und  der  Wissenschaft  zugänglich  werden.  Vielleicht 
wird  dann  auch  eine  exacte,  von  Fachleuten  ausgeführte  Reproduction  der  Bildwerke  von 
Boro-Budur  nicht  mehr  lange  auf  sich  warten  lassen.  P.  Ehrenreich. 


Zicby,  Jeno,  Ghröf.  Kaukäzusi  es  Közepäzsiai  Utazäsai.  (Comte  Eugene 
de  Zichy,  Voyages  en  Caucase  et  en  Asie  Centrale).  I  et  11.  Budapest 
1897.  gr.  4*^.  613  p.  CXXI  und  XXYin  Tafeln  mit  3  und  85  Text- 
Abbildungen. 


1 72  Besprechungen. 

Es  war  bekannt,  dass  Graf  Engen  Zichy  (Yerhandl.  der  Berliner  Anthrop.  Ges.  189*, 
S.  89)  eine  Expedition  in  den  Kaukasus  organisirte,  um  die  Heimath  der  M agjaren  und 
etwaige  Rückstände  ihrer  alten  Verwandten,  der  Zichi,  aufsufinden.  Der  begeisterte  und 
hochgestellte  Führer  hat  seitdem  zwei  Expeditionen  ausgeführt,  die  eine  im  Sommer  1896, 
die  andere  im  Frühjahr  1896,  erstere  bis  weit  über  den  Kaukasus  hinaus  nach  Buchara 
und  Samarkand.  Er  war  tou  einem  Stabe  tüchtiger  Gelehrten  und  Künstler  begleitet, 
unter  denen  die  Professoren  Bälint  und  Sczideciky,  Hr.  M.  Wosinsky  und  die 
Herren  Wuttke  und  Tschchingasian  genannt  werden  mögen.  Seitens  der  russisehen 
Regierung  wurde  die  Expedition  mit  Wohlwollen  aufgenommen,  und  sie  brachte  grosse 
Sammlungen  anthropologischer  und  archäologischer  Art  nach  Hause. 

Die  vorliegenden  beiden  Volumina  stellen  den  IL  Band  des  gansen  beabsichtigten 
Werkes  dar,  welches  die  Ergebnisse  der  Expeditionen  dtrlegen  soll.  Derselbe  be- 
ginnt mit  einer  historischen  Einleitung  aus  der  Feder  des  Grafen  selbst,  welche  die 
Wanderungen  der  Magyaren  vor  ihrem  Einbruch  in  Mitteleuropa  behandelt.  Da  man  an 
Terschiedenen  Orten  den  Namen  ^Magyaren**  im  Innern  des  Kaukasus  noch  erhalten 
fand  und  die  Sitten  und  Gebräuche,  die  Waffen  und  Geräthe  der  dortigen  Völker  mancherlei 
Beziehungen  su  ungarischen  erkennen  liessen,  so  bildet  die  üeberzeugnng  Ton  einer 
Einwanderung  aus  den  besuchten  Gegenden  durchweg  den  festen  Hintergrund  der 
Darstellung. 

Es  folgen  dann  umfangreiche  Beschreibungen  der  Sammlungen,  und  zwar  zunächst 
der  ethnographischen  (p.  8— 822)  durch  Dr.  Job.  Jankö,  den  Chef  der  ethnographischen 
Abtheilung  im  ungarischen  National-Museum,  sodann  der  archäologischen  (p.  827  »594)  durch 
Dr.  B^la  de  Pösta,  den  Consenrator  der  archäologischen  Abtheilung  in,  demselben 
Museum.  Beide  sind  durch  eine  Fülle  der  besten,  in  vollendeter  Form,  meist  nach  photo- 
graphischen Vorbildern  ausgeführten  Illustrationen  erläutert  Der  Umstand,  dass  keiner 
der  beiden  Herren  an  der  Expedition  selbst  betheiligt  war,  mag  in  manchen  Beziehungen 
hinderlich  gewesen  sein,  um  das  Gcsammtbild  in  der  Frische  und  Anschaulichkeit  der 
Localbetrachtung  erscheinen  zu  lassen.  Dafür  entschädigt  die  Genauigkeit,  ja  man  kann 
sagen  die  peinliche  Sorgfalt  in  der  Schilderung  der  Gegenstände,  für  welche  in  der  bis- 
herigen Literatur  kein  gleich  ausführliches  Analogon  existirt 

In  die  ethnographische  Beschreibung  ist  zugleich  in  ausgiebigster  Breite  eine 
Schilderung  der  Völker  des  Kaukasus  eingefügt,  welche  eine  grosse  Anzahl  vortrefflicfier 
Abbildungen  von  Personen  in  der  Nationaltracht,  nach  guten  photographischen  Aufnahmen, 
bringt.  Viele  von  diesen  so  mannichfaltigen  Stämmen  waren  im  Einzelnen  schon  durch 
genaue  Photographien  bekannt  geworden;  eine  so  grosse  Zusammenstellung,  die  för  die 
Vergleichung  unschätzbare  Vortheile  darbietet,  ist  uns  früher  noch  nicht  geboten  worden. 
Vom  rein  anthropologbchen  Gesichtspunkte  aus  bleiben  ja  noch  rielerlei,  das  Detail  be- 
treffende Verhältnisse  zu  erledigen.  Hoffen  wir,  dass  die  noch  fehlenden  Theile  diese 
Lücken  wenigstens  zum  Theil  ausfüllen  werden. 

In  gleicher  Weise  dürfte  die  Betheilignng  erfahrener  Forscher  an  der  Reise  selbst 
auch  die  gerade  für  diese  Forschung  so  wichtigen  Gräberfunde  in  den  Kreis  der  Be- 
sprechungen hineinführen.  Die  Zahl  dieser  Funde  auf  allen  Abschnitten  des  Gebirges  und 
seiner  Vorlande  bietet  eine  erstaunliche  Fülle  der  wichtigsten  Materialien,  welche  auf  die 
Vorgeschichte  der  Stämme  ein  starkes  Licht  werfen.  Einzelne  davon  sind  schon  in  den 
Arbeiten  dieses  Bandes  berührt,  aber  viele  andere  harren  noch  der  Erwähnung. 

Immerhin  kann  man  schon  jetzt  sagen,  dass  das  Prachtwerk  des  Grafen  Zichy  anter 
den  Arbeiten  dieses  Jahrhunderts  einen  hervorragenden  Platz  behaupten  wird.  Möge  es 
der  Aufmerksamkeit  nicht  nur  der  Fachgenossen,  sondern  auch  des  grossen,  nach  Wissen 
dürstenden  Publicums  bestens  empfohlen  sein.  Rud.  Virchow. 


VI. 

Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen 

von  Malacca 

von 

HROLP  VAUQHAN  STEVENS. 

Bearbeitet  von  Dr.  BfAX  Bartels. 

Vorgelegt  in  der  Sitzung  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft 

vom  20.  November  1897. 


In  deu  umfangreichen  Reiseberichten,  welche  der  kürzlich  leider  als 
Opfer  seiner  unermüdlichen  Forschungen  verstorbene  Hrolf  Vaughan 
Stevens  an  das  Königliche  Museum  für  Völkerkunde  in  Berlin  über  die 
wilden  Volksstamme  aus  dem  Innern  von  Malacca  erstattet  hat,  finden 
sich  allerlei  eingestreute  Bemerkungen,  welche  sich  auf  das  anthropologische 
Verhalten  dieser  Völkergruppen  beziehen.  Diese  Angaben  sind  regellos 
in  seine  Reisetagebücher  eingezeichnete  Notizen,  die  er  zu  Papier  brachte, 
wenn  sich  gerade  dazu  die  Gelegenheit  bot.  Es  sind  bald  kurz  hin- 
geworfene Bemerkungen,  bald  auch  Aufzeichnungen  von  grösserer  Länge, 
welche  durchaus  nicht  etwa  eine  erschöpfende  und  abgeschlossene  Ab- 
handlung über  die  Anthropologie  dieser  Völker  bilden.  Sie  enthalten 
aber  doch  so  viele  wichtige  Thatsachen  und  so  viele  sorgfältige  und 
sicherlich  zuverlässige  Beobachtungen,  dass  sie  unsere  volle  Beachtung 
verdienen,  und  dass  es  sich  wohl  verlohnt,  sie  weiteren  Kreisen  zugänglich 
zu  machen.  Hierzu  ist  es  aber  nothwendig  gewesen,  die  zerstreuten  Be- 
merkungen herauszulösen  und  sie  in  eine  systematische  Ordnung  zu  bringen. 

Soweit  es  irgend  angängig  war,  sind  die  eigenen  Worte  des  Reisenden 
in  einer  von  Hm.  E.  Sinogowitz  ausgeführten  Uebersetzung  aus  dem 
Englischen  beibehalten  worden.  Bisweilen  aber  ist  es  nothwendig  ge- 
wesen, sehr  lange  und  schwer  verständliche  Satzbildungen  in  mehrere 
kurze  Sätze  zu  zerlegen  und  hie  und  da  die  Worte  umzustellen,  um  den 
Sinn  dem  deutschen  Leser  zugänglich  zu  machen.  Einzelne  Zusätze, 
welche  mir  nöthig  erschienen,  um  die  Uebersicht  des  reichen  Stoffes  zu 
erleichtem  oder  zur  näheren  Erklärung  der  angeführten  Thatsachen  bei- 
zutragen, sind,  damit  sie  nicht  mit  den  Originalberichten  des  Reisenden 
verwechselt  werden  können,  in  eine  eckige  Klammer  [  ]  gesetzt. 

Einzelne  Punkte  bilden  Ergänzungen  zu  bereits  früher  gemachten 
Angaben,  welche  von  Rudolf  Virchow,  von  Albert  Grüuwedel  oder  von 

Z^itsclirift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1897.  13 


174  H.  Y.  Stevens: 

mir   bearbeitet   wurden.    Auf   diese  Veröffentlichungen   wird  an  den  be- 
betreffenden Stellen  hingewiesen  werden. 

Die  Volksstänime,  auf  welche  sich  diese  Berichte  von  Stevens  be- 
ziehen, sind  die  während  einer  mehrjährigen  Forschungsreise  besuchten 
Eingeborenen  der  Halbinsel  Malacca.  Sie  gehören  sämmtlich  den  Orang 
Ilutan,  den  „Waldmenschen",  an,  mit  Ausnahme  der  Orang  Laut,  welche 
nicht  die  Wälder,  sondern  die  Küste  bewohnen.  Die  Orang  Hutan  sind 
theils  hellere  Völker,  theils  Negritos.  Zu  ersteren  gehören  die  Orang 
Djäkun,  denen  auch  die  Orang  Benar  und  die  so  eben  erwähnten  Orang 
Laut  zuzuzählen  sind,  ferner  die  Orang  Tc*miä  (Tummiyor)  und  die 
Orang  Bolendas  (Blandass)  mit  den  Unterabtheilungen  der  Orang  Sinnoi, 
der  Orang  Kenäboi,  der  Orang  Brrsisi  und  der  Orang  Sakai.  Als  Ne- 
gritos erkannte  der  Reisende  die  Orang  Semang  oder  Orang  Menik,  von 
denen  die  Orang  Panggang  eine  Unterabtheilung  bilden. 

Die  Tagebücher  des  Heisenden  sind  mir  von  Hrn.  Prof.  Dr.  Albert 
Cirünwedel  für  die  folgende  Bearbeitung  zur  Verfügung  gestellt  worden: 
ich  spreche  ihm  hierfür  den  besten  Dank  aus. 

[Die  äussere  Erscheinung.]  Die  äussere  Erscheinung  der  Leute 
ist  sehr  verschieden.  Das  rohe,  thierisehe  Gesicht  des  Orang  Laut  mit 
seinem  plumpen  und  hervorragenden  Kinn  ist  ganz  entgegengesetzt  dem 
feiner  geschnittenen  Gesicht  des  Djakun. 

Die  Orang  Laut  sind  brutal  und  dumm;  ihre  Unwissenheit  macht  sie 
mürrisch,  still,  misstrauisch,  falsch  und  unredlich.  Sie  kennen  nichts 
ausser  den  Bedürfnissen  des  Tages  und  kümmern  sich  noch  weniger  darum, 
etwas  zu  lernen.  Sich  vollfressend,  wenn  sie  dazu  eine  Gelegenheit  haben, 
liegen  sie  nachher  zwei  oder  drei  Tage  lang  still,  bevor  sie,  durch  Hunger 
dazu  gezwungen,  sich  aus  ihrem  indolenten  Halbschlummer  erheben,  um 
eine  Leine  oder  einen  Speer  über  den  Rand  des  Bootes  zu  legen  und  auf 
Fische  zu  warten. 

[Die  Ausdünstung  der  Haut.]  In  Bezug  auf  den  Geruch  des 
Körpers  behaupten  die  Malajen,  dass  die  Negritos,  die  niemals  Alw 
waschungen  vornehmen,  meist  schrecklich  stinken,  und  diese  Behauptung 
ist  auch  zutreffend:  theils  sind  daran  ihre  wirklichen  Ausscheidungen, 
mehr  aber  noch  ihr  ungewaschener  Zustand  schuld.  Als  ich  des  Ver- 
suches halber  Panggangs  veranlasste,  sieh  mit  meiner  Seife  zu  waschen« 
bemerkte  ich  keinen  besonderen  Geruch.  Aber  als  ich  unmittelbar  nachher 
sie  auf  einem  scharfen  klarsehe  begleiti»te,  war,  sobald  ich  mich  auf  einige 
Zeit  von  ihnen  entfernte  und  dann  wieder  in  ihre  unmittelbare  Nähe 
zurückkehrte,  ein  ganz  deutlicher  Geruch  bemerklich.  Wo  die  Haut,  wie 
ganz  besonders  unter  den  Djakuns,  stark  mit  dem  „Korab""  [einem  Hant- 
ausschlage] behaftet  ist,  da  ist  bei  beiden  Geschlechtern  ein  unangenehmer, 
ranziger  Geruch  stets  vorhanden,  der  auch  nach  dem  Waschen  wiederkehrt. 
Bei  den  Belendas  fand  ich.  wenn  nicht  Hautkrankheiten  vorhanden  waren. 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  175 

keinen  anderen  Gerach,  als  denjenigen,  welcher  bei  unterdrückter  Haut- 
thätigkeit  und  bei  dem  Nichtgebrauch  von  irgend  einem  Reinigungsmittel 
{Seife  u.  s.  w.)  stets  wahrzunehmen  ist;  denn  das  Ueberschütten  des  Körpers 
mit  Wasser  hat  mehr  den  Zweck,  die  Haut  zu  erfrischen,  als  zu  reinigen. 

[Die  Hautfarbe.]  Was  das  Aussehen  der  Haut  betrifft,  so  existirt 
«ine  gewisse  Verschiedenheit  [abgesehen  von  Verfärbungen  durch  Haut- 
ausschläge]^) dadurch,  dass  die  Monik  und  die  Temia  („Tummiyor^)  sich 
nicht  waschen. 

Bei  der  wilderen  Gattung  der  Menik,  von  denen  die  Männer  nichts 
als  ein  Seil  oder  einen  Gürtel  uud  die  Frauen  eine  das  Licht  durchlassende 
Franse  tragen,  ist  die  Farbe  der  Haut  sehr  einförmig.  Ebenso  verhält 
«s  sich  auch  mit  den  Temia  und  den  Djäkun;  aber  die  heutigen  Belendas, 
und  die  westlichen  oder  „zahmen^  Scmang  bieten  eine  beinahe  ebenso 
grosse  Mannichfaltigkeit,  wie  die  Malayen  dar. 

Der  ausgesprochen  nomadisirende  Charakter  der  Orang  Hutan  ver- 
hindert, irgend  etwas  über  die  Wirkung  festzustellen,  welche  durch  die 
Höhe,  den  Boden,  den  Schatten,  den  Staub  oder  die  Kleidungsstücke  auf 
das  Gewebe  und  die  Farbe  der  Haut  hervorgebracht  wird;  denn  sogar  in 
ihrem  gegenwärtigen,  mehr  eingeschränkten  Aufenthalte  ist  eine  grosse 
Verschiedenheit  der  Bedingungen  vorhanden.  Die  Familie  oder  der  Stamm 
lebt  vielleicht  einen  Monat  hindurch  auf  einer  Anhöhe  von  einigen  tausend 
Fuss  über  dem  Meeresspiegel  und  im  nächsten  Monat  am  Fusse  der  Höhe; 
2u  einer  Zeit  in  dem  dichten,  dunklen  Dschungel  und  bald  nachher  in 
4ler  heissen  offenen  Niederung. 

Obgleich  der  Sr»mang  von  dunklerer  Hautfarbe  ist,  als  der  Belendas, 
und  von  der  Hitze  weniger  beeinfiusst  zu  werden  scheint,  so  bin  ich  doch 
4ler  Meinung,  dass  er  diese  Fähigkeit  weit  mehr  seiner  allgemeinen  Natur, 
als  seiner  Hautfarbe  verdankt. 

unter  den  Belendas,  deren  Farbe  variirt,  habe  ich  nichts  gesehen, 
was  die  Theorie  stützen  könnte,  dass  unter  einer  Anzahl  von  Individuen 
diejenigen  mit  dunklerer  Haut  die  Blossstellijing  auf  dem  Marsche  besser 
ertrügen.  Es  darf  hier  übrigens  nicht  vergeesen  werden,  dass  in  diesem 
<iicht  bewaldeten  Lande  ein  Marsch  nicht  lange  fortgesetzt  werden  kann, 
ohne  dass  man  durch  baldiges  Eintreten  in  den  Schatten  des  Waldes  vor 
den  directen  Strahlen  der  Sonne  wieder  geschützt  ist. 

Die  Belendas  ziehen  die  hellere  Farbe  vor  und  sind  stolzer  auf  sehr 
hellfarbige  Kinder,  indem  sie  hier  wahrscheinlich  malayischer  Anschauung 


1)  Viele  Arten  ton  Uaut-AffecUonen  bringen  die  Hant  in  einen  Zustand,  dass  sie  mit 
schuppigen,  weissen  Flecken  bedeckt  ist,  während  eine  andere  Erankheitfifonn  die  Farbe 
ganz  fortnimmt  und  sich  in  Gestalt  von  handflächengTossen  Blattern  über  einen  be- 
trächtlichen Theil  des  Körpers,  am  gewöhnh'chsten  aber  über  die  Hände  und  die  untersten 
Theile  der  Beine,  verbreitet. 

13* 


176  H.  V.  STEVBK8; 

folgen.  Aber  in  alten  Zeiten  war  die  helle  Farbe  nicht  ein  Attribut  ihrer 
Häuptlinge.  Die  Djäkuu  waren  stets  daran  gewöhnt,  die  heller  gei&rbteii 
Belendas  als  Höhere  zu  betrachten;  aber  die  Menik  ordneten  sich  nicht 
in  dieser  Weise  den  Hellfarbigen  unter.  Ihr  vermittelnder  Gott  Ple  war 
dunkel,  wie  der  gewöhnliche  Mann. 

Ich  kann  nicht  finden,  dass  irgend  eine  Regel  in  Bezug  auf  das  Yer- 
hältniss  eines  groben  oder  feinen  Hautgewebes  zu  seiner  Farbe  besteht, 
wenn  nicht  die  Grobheit  der  Haut  das  Resultat  von  besonderer  Bios»- 
Stellung  oder  von  einer  Krankheit  ist 

[Die  Hautfärbung  der  Fusssohlen,  der  Kniee  und  Ellenbogen  bei 
Kindern,  sowie  diejenige  der  Beine  bei  den  Erwachsenen  ist  schon  in 
einem  früheren  Berichte  erwähnt.')] 

Ueber  Albinisnius  habe  ich  nichts  Weiteres  zu  meinen  früheren 
Notizen  hinzuzufügen.  [Diese  besagten,  dass  den  Eingeborenen  drei  Fälle 
von  Albinismus  bekannt  waren.  Sie  erwähnten  die  weisse  Haut  und  die^ 
rothen  Augen.*)] 

[Die  Augen.]  [Stevens  hatte  früher')  angegeben,  dass  die  Augen 
bei  allen  Belendas  ganz  gleich  seien.  Es  liegen  jetzt  von  ihm  genauere^ 
Berichte  vor:] 

Neben  der  grossen  Verschiedenheit  in  der  Hautfarbe  der  Malayen 
bestehen  eben  solche,  aber  in  geringerem  Grade,  in  der  Farbe  der  Augen, 
welche  in  den  Abstufungen  eines  fast  unveränderlichen  Braun  variiren. 
Die  Farbe  der  Augen  bei  den  wilderen  Menik  ist  sehr  einförmig  [und 
«las  gilt  auch  für  die  Belendas,  die  Temia,  die  Djäkun  und  die  „zahmen*^ 
Si'mang].  Uebrigens  stimmt  die  Veränderung  der  Farbe  der  Augen  nicht 
immer  mit  jener  der  Haut  überein.  Ein  Mann  mit  ungewöhnlich  heller 
oder  dunkler  Haut  besitzt  häufig  Augen  von  der  allgemeinen  Durchschnitts- 
farbe. Es  findet  sich  keine  Regel  über  das  Verhältniss  zwischen  einem 
Hauttypus  und  der  Farbennuance  der  Augen;  bei  einer  Anzahl  von 
Prüfungen  ergaben  sich  zu  viel  Widersprüche. 

Die  Augen  der  Panggang,  welche  sich  nicht  mit  anderen  Stämmen 
vermischt  haben,  haben  die  Bindehaut  stark  gelb  gefärbt;  die  Belenda» 
dagegen  haben  das  nicht.  Die  Djäkun  haben  sie  gewöhnlich  mit  melir 
oder  weniger  Blut  durchschossen;  sie  sagen  aber,  dass  das  nicht  so  zu  sein 
l)rauche,  und  sie  schieben  es  dem  vielfachen  Wechsel  in  ihrem  Leben 
zwischen  der  See  und  dem  Binnenlande  zu. 


1)  Rud.  Virchow  1.  Die  wilden  Eingeborenen  von  MaUcca.  Zeitschrift  für  Etluio- 
loirie.    Bd.  XXIII.     Verhandl.  der  Berl.  Anthrop.  Ges.  1891,  8.  840. 

2)  Albert  Grünwcdel  2.  Materialien  zar  Kenntniss  der  wilden  St&mme  auf  der 
Halbinsel  llaläka  von  Hrolf  Vau^rhan  Stevens.  VeröfTentlichongen  aus  dem  Königliehcn 
Museum  für  Völkerkunde.    Bd.  III.    Heft  3  und  4.    Berlin  1894,  S.  127. 

3    Rud.  Virchow  1.    S.  840. 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  177 

Das  Auge  ist  bei  den  Belendas- Kindern  ungemein  wohlgebildet,  und 
mit  seinen  langen  schwarzen  Wimpern  trägt  es  viel  zu  der  hübschen  Er- 
scheinung bei.  Da  zeigt  sich  nichts  davon,  dass  die  Haut  des  inneren 
Augenwinkels  über  das  Auge  herabreicht  [Mongolenfalte],  wie  das  bei 
einem  chinesischen  Kinde  stets  der  Fall  ist;  der  Band  des  oberen 
Augenlides  ist  stets  gut  gebildet. 

[Das  Schielen  ist  ihnen  wohlbekannt,  da  sie  einen  ihre  Pädi-Ernte  ge- 
fährdenden Dämon  oder  Hantu  fürchten,  den  sie  sich  schielend  vor- 
stellen. Die  Orang  Belendas  glauben,  dass  der  Gesichtskreis  eines 
Schielenden  grösser  sei.  als  der  eines  normal  Sehenden.^)] 

[Die  Haare.]  [üeber  die  Haare  dieser  Volksstämme  sind  mehrmals 
in  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft  von  Rud.  Virchow  nach 
Proben,  welche  der  Reisende  eingesendet  hatte,  genaue  Mittheilungen 
gemacht  worden*).  Es  möge  hier  aber  noch  angeführt  werden,  was 
Stevens  über  diesen  Gegenstand  sonst  noch  in  seinen  Tagebüchern  ein- 
gezeichnet hat.] 

Das  eigenthümliche  Pfefferkorn -Haar  der  Panggang  hat  in  jenem 
District  in  Pehang,  wo  die  Bastard -Abkömmlinge  der  Panggang,  Temia 
und  Belendas  als  Gefangene  der  Kowar  ansässig  waren,  seitdem  ihre  rein- 
blütigen  Vorväter  zuerst  an  die  Pahang-Malayen  verkauft  waren,  seinen 
Einfluss  bis  auf  den  heutigen  Tag  behauptet.  In  einer  Familie  dieser 
Mischlinge  ereignet  es  sich  oft,  dass  eines  oder  mehrere  der  Kinder 
zwar  nicht  einen  absoluten  Rückschlag  in  den  Panggang- Typus,  aber 
eine  so  ausgesprochene  Neigung  für  jene  Form  zeigen,  dass  die  Quelle 
gar  nicht  zu  verkennen  ist,  wenn  auch  die  Geschwister  in  Bezug  auf  das 
Haar  sich  mehr  dem  Belendas-Typus  nähern.  Der  reine  Typus  jeder  Art 
wird  dort  sehr  selten  gesehen;  vielmehr  geht  einer  in  den  anderen  über 
und  bringt  Zwischenglieder  hervor,  welche  mehr  oder  weniger  Hinneigung 
zu  gekräuselten  Haaren  zeigen. 

Die  Djäkun  schnitten  früher  ihr  Haar  gar  nicht  ab,  sondern  Hessen 
es  von  der  Kindheit  an  bis  zum  Alter  bis  zu  dem  Nacken  und  den 
Schultern  wachsen.  Das  Haar  der  männlichen  Kinder  wird  heutiges  Tages 
oft  zu  einer  Fräse  über  der  Stirn  geschnitten  oder  mit  Ausnahme  einer 
Scalp -Locke  ganz  abgeschoren,    wie  bei  den    malayischen   Kindern;    die 


1)  A.  Grfinwedel  1.  Hrolf  Vaughan  Stevens:  MMtcrialien  zur  Kenntniss  der  wilden 
Stftmme  ton  Mal&ka.  Veröffentlichongen  ans  dem  Königlichen  Museum  fär  Völkerkunde. 
Bd.  IL    Heft  8  und  4.    Berhn  1892,  S.  152. 

2)  Rud.  Virchow  1.    S.  844— 847. 

Rud.  Virchow  2.  Schädel  und  Haar  der  Orang  Panggang  in  Malacca.  Zeitschrift 
l&r  Ethnologie.  Bd.  XXFV.  VerhandL  der  Berliner  anthrop.  Ges.  S.  440,  441,  443.  444. 
Berlin  1892. 

Rud.  Virchow  3.  Haar  und  Schädel  ton  Blandass  Sinuoi  (Malacca).  Zeitschrift  für 
Ethnologie.  Band  XXIV.  Verhandlungen  der  Berliner  anthropol.  Gesellschaft  S.  358,  359. 
Berlin  1894. 


178  H.  Y.  Stevens; 

weiblichen  Kinder  aber  geniessen  den  Vorzug,  das  Haar  so  lang  als 
möglich  zu  haben. 

Jetzt  binden  die  Orang  Laut  das  Haar  mit  einem  Bande  von  Baum- 
wollenzeug  aus  ihren  Augen  zurück,  oder,  wenn  sie  mit  den  Djäkun  zu- 
sammengewesen sind,  in  derselben  Weise,  wie  diese  es  thun,  mit  einem 
Bande  aus  Rinde.  Sie  lieben  es  nicht,  irgend  eine  Kopfbedeckung  zu 
tragen,  nicht  einmal  in  der  Sonne. 

Die  Mischung  in  dem  Blute  vieler  Benar  hat  eine  sehr  verschiedene 
Länge  des  Haares  zum  Resultate  gehabt,  was  sich  aber  mehr  bei  den 
Weibern  bemerklich  macht  Aber  das  übersandte  Haar,  welches  als 
typisch  für  mich  ausgewählt  worden  ist,  wird  doch  bei  den  östlichen 
Benar  gefunden  und  reicht  ungefähr  bis  zu  dem  Bogen  des  zu  dem 
Nacken  gehörigen  Wirbelknochens  [Yertebra  prominens?]  und  wendet 
sich  dort  nach  aussen  und  aufwärts. 

Ich  konnte  nicht  erfahren,  ob  die  Djakun,  obgleich  sie  die  röthliche 
Farbe  des  Haares  der  jungen  Leute  gewahr  wurden,  worauf  ich  vor 
längerer  Zeit  Ihre  Aufmerksamkeit  lenkte,  jemals  das  Haar  mit  Kalk  be- 
handelten, wie  das  einige  der  Neu-Guinea-Männer  thun. 

[Bei  den  Sakai  hörte  Stevens:]  Eisen  dürfe  nicht  die  Haare  oder 
Fingernägel  schneiden,  und  das  sei  der  Grund,  warum  die  Orang  ^Liar"* 
(die  wilden  Männer)  unter  ihnen  ihre  Haare  nicht  geschnitten  haben 
wollten. 

Der  „eingehängte"  Theil  einer  Krebsscheere  wird  von  den  Orang^ 
Laut  oft  als  Kopfkratzer  gebraucht  und  für  diesen  Zweck  in  das  Haar 
gesteckt  oder  in  dem  Gürtel  aufbewahrt.  Wenn  die  Scheere  kurz  ist,  so 
wird  ein  kleines  Stöckchen  hineingesteckt,  um  sie  genügend  zu  verlängern. 
Die  Hälfte  des  unteren  Kiemens  einiger  mit  „Nadelzähnen"  versehener 
Fische  wird  häufig,  sogar  heutiges  Tages  noch,  als  Kamm  gebraucht 

Wie  es  von  Leuten,  die  so  viel  auf  der  See  sind,  erwartet  werden 
kaim,  verwenden  die  Orang  Laut-Mädchen  glänzend  geftrbte  Muscheln 
als  Haarschmuck,  anstatt  der  Blumen,  die  von  den  Djäkun  gebraucht 
werden. 

Bis  zu  ihrer  Mannbarkeit  machen  das  die  Knaben  auch  so,  aber 
später  nicht  mehr,  wenn  nicht  ein  besonderer  Zweck,  als  blosser  Putz, 
vorliegt 

Ich  glaube  bereits  früher  erwähnt  zu  haben,  dass  das  Belendas-Haar 
im  Greisenalter  weniger  geneigt  ist  grau  zu  werden,  als  das  der  Malayen, 
und  dass  vollkommene  Kahlköpfigkeit  thatsächlich  so  selten  ist,  dass  sie 
als  eine  bemerkenswerthe  und  nur  gelegentlich  vorkommende  Ausnahme 
betrachtet  wird.  Dasselbe  passt  auch  in  gleicher  Weise  auf  die  Mcnik. 
Aber  bei  den  Temia  ist  im  Alter  von  ungefähr  50  Jahren  graues  Haar  ganz 
allgemein,  und  auch  Kahlköpfigkeit,  die  bei  der  Stirn  beginnt,  ist  bei 
ihnen    ziemlich    häufi«!;.      Was   die   Djäkun    betrifft,    und   besonders   die 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  179 

älteren  Frauen  derselben,  so  ist  graumelirtes  Haar  noch  yiel  häufiger;  aber 
gänzlicher  Verlust  der  Farbe  ist  nicht  gewöhnlich,  und  ein  Dünnerwerden 
des  Haares  ist  häufiger,  als  dass  es  völlig  schwindet.  Das  bezieht  sich 
aber  nur  auf  einen  Vergleich  der  Orang  Hutan  untereinander;  im  Ver- 
gleiche zu  den  benachbarten  Rassen  werden  sowohl  die  Haare,  als  auch 
die  Farbe  derselben  in  höherem  Grade  erhalten. 

[Das  Oesichtshaar.]  Die  Djäkun,  sowie  die  anderen,  haben  nur 
wenig  Gesichtshaar;  der  Bart  ist  dürftig  und  ein  Backenbart  ist  beinahe 
gar  nicht  vorhanden,  wenn  er  nicht  gar  absichtlich  ausgerupft  ist.  In  der 
That  ist  der  Halbblut-Semang  der  einzige  der  Orang  Hutan,  welcher  ver- 
hältnissmässig  als  schön  behaart  betrachtet  werden  könnte,  und  dort  steht 
die  Behaarung  in  beinahe  directem  Verhältniss  zu  der  Beimischung.  Der 
wilde  Panggang  von  reinem  Blute  hat  so  wenig  Vollbart  oder  Backenbart, 
dass  er  sich  schämt,  die  kleinen  Stoppeln,  die  er  hat,  zu  zeigen;  des- 
halb rupft  er  sie  aus.  Aber  allgemeiu  versucht  er,  den  Schnurrbart  zu 
behalten,  wie  er  eben  ist,  damit  er  sich  hierdurch  von  einem  Weibe 
unterscheide. 

[An  einer  anderen  Stelle  sagt  Stevens  ebenfalls:]  Mit  Ausnahme  des 
Schnurrbartes,  der  unveränderlich  hochgeschätzt  wird,  wurde  das  Gesichts- 
haar, wenn  nicht  der  Bart  Aussicht  hatte,  voller  als  gewöhnlich  zu  werden, 
ausgezogen,  da  der  Backenbart  meist  niemals  stark  oder  lang  war. 

[Das  Körperhaar.]  Das  Körperhaar  Hessen  Männer  und  Weiber 
nnberülirt.  Die  Belendas-Weiber  späterer  Generationen  hatten  aber  die 
Sitte  angenommen,  sich  das  Haar  an  den  Schamtheilen  mit  Scheeren  kurz 
zu  schneiden.  Man  sagt,  doch  weiss  ich  das  nicht  bestimmt,  dass  sie  das 
den  malayischen  Weibern  nachgeahmt  hätten.  Die  Djäkun -Weiber  thun 
das  nicht,  wenigstens  habe  ich  es  bei  keiner  gesehen,  wenn  sie  gemessen 
wurde.  Aber  der  natürliche  Haarwuchs  ist  spärlich  und  zerstreut,  und 
die  Haare  wenden  sich  bei  beiden  Geschlechtem,  wie  die  Haare  am 
Hinterkopfe,  leicht  nach  aufwärts.     Unter  den  Armen  desgleichen. 

[Die  Zähne.]  [Ueber  die  Zähne  der  Djäkun  und  der  Belendas  liegt 
schon  ein  früherer  Bericht  des  Reisenden  vor*),  dem  er  nun  das  Folgende 
hinzufügt:] 

Die  Orang -Hutan  scheinen  nicht  davon  überzeugt  zu  sein,  dass  der 
Durchbruch  der  Zähne  in  der  Kindheit  einer  Regel  unterliege.  Ich  habe  fest- 
stellen können,  dass  zuweilen  ein  oder  zwei  Zähne  schon  bei  der  Geburt  vor- 
handen waren.  Solchem  Ereigniss  wird  keine  üble  Bedeutung  beigelegt, 
und  man  ist  weit  davon  entfernt,  dasselbe  als  das  augenscheinliche  Werk 
eines  bösen  Geistes,  oder  als  einen  Grund  zu  betrachten,  das  Kind  aus 
dem  Wege  zu  räumen,  wie  das  bei  einigen  anderen  Rassen  geschieht. 
Im  Gegentheil,   es    wird    für  ein  günstiges  Zeichen  gehalten;    denn    man 


1)  Rnd.  Virchow  1.    S.  840. 


180  H.  V.  Stevens: 

glaubt,  dass  das  Kind  ungewöhnlich  stark  werden  wird.  Eindermord  über- 
haupt, aus  welchem  Grunde  auch  immer,  war  keinem  der  Dschungel -Be- 
wohner hier  bekannt.  Mit  den  Zähnen  wurde,  ausser  dass  sie  geschwäret 
wurden,  weiter  nichts  vorgenommen. 

Die  Djäkun  schwärzten  sich  [in  früheren  Zeiten]  nicht  absichtlich  die 
Zähne,   aber  in  späteren  Jahren  thaten  das  einige  aus  Nachahmungstrieb. 

[Stevens  erwähnte  früher  an  der  Grenze  der  Orang  Panggang  einige 
sehr  schwarze  Menschen,  welche  gefeilte  Zähne  hatten.^)] 

[Die  Kopf-  und  Körper-Plastik.]  Die  Köpfe  der  Kinder  werden 
so  gelassen,  wie  die  Natur  sie  gebildet  hat,  und  werden  in  keiner  Weise 
zusammengepresst. 

Es  ist  schwierig,  zu  sagen,  wann  bei  den  Weibern  die  Sitte  in  die 
Mode  kam,  sich  die  Ohren  für  die  Aufnahme  von  Ringen  zu  durchbohren; 
aber  es  muss  ihrer  Meinunng  nach  schon  sehr  lange  her  sein.  Die  Weiber 
haben  jetzt  die  Ohren  mit  einem  kleinen  Loch  durchbohrt*)  Bei  den 
Männern  ist  das  nur  selten  der  Fall.  Die  Lippen  oder  die  Nase  werden 
niemals  durchbohrt. 

Ich  fragte  die  Djäkun,  ob  sie  zu  irgend  einer  Zeit  den  Gebrauch 
gehabt  hätten,  den  Körper  oder  das  Gesicht  zu  bemalen,  wie  die  Belendas; 
ich  erhielt  stets  eine  verneinende  Antwort.  Verschiedene  Male  wurde 
auch  schlau  hinzugefügt:  Das  Wasser  (nehmlich  das  Seewasser)  würde  es 
ja  wieder  abgewaschen  haben. 

[Von  der  Behandlung  der  Kopfhaare,  des  Bartes  und  der  Zähne  ist 
oben  bereits  die  Rede  gewesen.] 

[Die  Behandlung  der  Nägel  hat  Stevens  in  einem  früheren  Berichte 
bereits  besprochen').     Er  fügt  neuerdings  hinzu:] 

Die  Nägel  brachen,  auch  wenn  sie  nicht  geschnitten  vnirden,  beim 
Gebrauche  ab,  und  es  wurde  keine  besondere  Sorgfalt  darauf  verwendet, 
sie  lang  zu  haben. 

Tätto wirungen  oder  Verstümmelungen  irgend  welcher  Art.  kommen 
nicht  vor.  Auch  mit  den  Geschlechtstheilen  wurde  niemals  etwas  der- 
artiges vorgenommen. 

[Die  Sinne.]  Icli  habe  nur  drei  Fälle  von  Kurzsichtigkeit  bei 
Bolendas  angetrofiFen,  zwei  bei  Männern  und  einen  bei  einer  Frau; 
bei  Negritos  habe  ich  sie  nicht  gefunden.  Wie  ich  bereits  früher  be- 
merkt habe,  kann  in  dem  von  Bäumen  und  Blättern  dicht  geschlossenen 
Dschungel  die  Femsichtigkeit  des  Auges  nicht  gut  abgeschätzt  werden. 
Ohne  Zweifel  hängt  viel  von  der  Uebung  und  dem  Vertrautsein  mit  dem 
allgemeinen  Verhalten  der  Gegenstände  in  dem  Dschungel  ab,  woran  ich. 


1)  Bud.  Virchow  1.    S.  840. 

2)  Grünwedel  1.    S.  99. 

3)  Rad.  Virchow  1.    S.  840. 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  ]  8 1 

vergleichsweise,  viel  weniger  gewöhnt  bin.  Aber  die  Dschungel -Männer 
oder  Frauen  werden  mir  sogar  die  Spitzen  der  Fühlhörner  eines  Thieres 
unter  dem  umgebenden  Blätterwerk  zeigen,  was  sehr  schwierig  zu  ent- 
decken ist,  während  ich  mit  meinen  für  einen  Europäer  normal  guten 
Augen  erst  eine  Zeit  lang  umsonst  umhersuchen  muss,  bevor  ich  sie  be- 
merke. Alles,  was  in  Bewegung  ist,  wird  übrigens  sofort  gesehen,  so 
gering  auch  seine  Grösse  sein  mag.  Wie  es  wohl  als  ganz  natürlich  an- 
gesehen werden  muss,  steht  der  wilde  Panggang  in  dieser  Schnelligkeit 
des  Entdeckens  obenan,  und  dann  geht  es  weiter  abwärts  bis  zu  den 
Halb-Ci  vilisirten . 

Die  Belendas  haben  im  Allgemeinen  entschieden  schwache  Augen. 
In  der  frühesten  Jugend  sehen  sie,  wenn  ihnen  kein  Unglücksfall  zu- 
gestossen  ist,  gut,  besonders  wenn  sich  der  Gegenstand  in  den  Dschungeln 
bewegt.  Aber  ihre  Augen  werden,  wie  es  wohl  bei  einem  Waldvolke 
erwartet  werden  kann,  leicht  durch  starkes  Licht  ermüdet.  Bei  den 
wenigen  Gelegenheiten,  die  ich  gehabt  habe,  mich  mit  Belendas  in  einem 
weiten,  oflFenen  Räume  zu  befinden,  habe  ich  die  Beobachtung  gemacht, 
dass  ich  sehr  weit  entfernte  Gegenstände  viel  besser  unterscheiden  konnte, 
als  sie  das  vermochten. 

Während  ich  über  das  Augenlicht  schrieb,  unterliess  ich  zu  bemerken, 
dass  ich  unter  den  Belendas,  welche  die  malayische  Kleidung  tragen  und 
mit  dem  Gebrauch  von  Nadel  und  Zwirn  vertraut  sind,  niemals  ein  altes 
Belendas- Weib  traf,  welches  nicht  eine  gewöhnliche  Nadel  ohne  Schwierig- 
keit einfädeln  konnte. 

Das  Gehör  ist  bei  den  Djäkun  gewiss  am  schärfsten,  obgleich  ich 
mir  einen  Grund,  warum  das  so  ist,  nicht  gut  denken  kann.  Nach  ihnen 
kommt  der  wilde  Panggang,  während  die  zahmen  westlichen  Semang, 
Belendas  und  Temia  als  ziemlich  gleich  betrachtet  werden  können,  wenn 
wir  den  Durchschnitt  annehmen.  Ausnahmebeispiele  von  Stärke  in  dieser 
Hinsicht  kommen  häufiger  bei  den  Semang  der  Westküste,  als  bei  den 
anderen,  mit  denen  ich  in  Verbindung  war,  vor. 

Wenn  ich  des  Nachts  zu  meinem  Lager  zurückkam,  so  konnten  die 
Orang  Hutan  in  demselben  stets  meine  Annäherung  von  der  ihrer  eigenen 
Leute  im  Dunklen  unterscheiden,  obgleich  ich  barfüssig  war,  und  zwar 
an  dem  schwereren  Schritt  und  daran,  dass  ich  die  mir  im  Wege  stehenden 
Zweige  durchschlug,  anstatt  sie  zur  Seite  zu  biegen.  Aber  als  ich  sie 
fragte,  ob  sie  mich  auf  eine  gewisse  Entfernung  hin  in  der  Nacht  riechen 
könnten,  da  lachten  sie  und  sagten  unter  anderem,  dass  sie  wohl  den 
Tabak  riechen  könnten  (ich  benutzte  meine  Pfeife),  aber  nicht  mich  selber, 
da  ich  kein  Tiger  sei.  Der  Tiger  kann  übrigens  sogar  von  mir  selbst 
auf  eine  gewisse  Entfernung  hin  gerochen  werden,  wenn  der  Wind  günstig 
ist.  Die  Feuer,  d.  h.  der  Rauch  derselben,  werden  bei  Nacht  auf  weite 
Entfernung   hin   von    allen    gerochen,    wenn    der   Wind   ihn    herbeiführt. 


182  H.  V.  Stevens: 

Manche  behaupten,  dass  sie  an  einer  gewissen  Verschiedenheit  in  der 
Qualität  und  Quantität  des  Rauches  erkennen  können,  ob  es  ein  Lager- 
feuer ist  oder  ob  ein  Theil  des  Dschungels  in  Brand  steht.  Da  viele 
Blätter  einen  besonderen  Geruch  haben,  wenn  sie  verbrennen,  so  ist  diese 
Behauptung  möglicher  Weise  in  einigen  Fällen  wahr,  da  das  Lagerfeuer 
frei  von  den  Blättern  ist,  welche  in  Menge  in  einem  zufälligen  Feuer 
verbrennen. 

Den  Uefühlssinn  suchte  ich  dadurch  festzustellen,  dass  ich  Männer  die 
Spitze  des  Compasses  als  einen  oder  zwei  Berührungspunkte  in  verschiedenen 
Kutfemungen  fühlen  Hess;  aber  ich  konnte  sie  nicht  zu  einem  klaren  Ver- 
ständniss  dessen,  was  sie  thun  sollten^  bringen,  und  ich  bin  sicher,  dass 
sie,  obgleich  sie  nach  wiederholten  Unterweisungen  antworteten^  nur  eine 
Antwort  aufs  Gerathewohl  gaben,  in  der  Hoffnung,  mir  dadurch  gefällig 
zu  sein.  Zuerst  wollten  sie  nicht  antworten;  sie  folgten  darin  ihrem  ge- 
wöhnlichem Gebrauche,  wenn  sie  etwas  nicht  verstehen. 

[Die  Functionen  des  Körpers.]  Der  Djäkun  wäscht  nicht  nur 
seinen  Anus  nach  dem  Stuhlgang,  sondern  auch  seinen  Penis  nach  dem 
Uriniren,  wenn  zur  Zeit  Wasser  in  der  Nähe  ist.  Das  geschieht  mit  der 
linken  Hand.  Der  Orang  Laut  dagegen  planscht  nur  ein  wenig  Wasser  nach 
der  Defäcation  an  den  Anus,  reibt  aber  den  beschmutzten  Theil  nicht 
rein  ab  und  dehnt  den  Gebrauch  des  Wassers  auch  nicht  auf  den  Penis 
aus.  Aber  er  ist  überhaupt  im  Laufe  des  Tages  viel  im  Wasser,  somit 
ziemlich  sicher,  sich  überall  mit  San<l  oder  Thon,  den  er  nachher  wieder 
abwäscht,  abreiben  zu  können,  so  dass  die  anscheinende  Sorglosigkeit 
wirklich  von  wenig  Bedeutung  ist. 

[Die  Orang  Laut  verrichten  stets  ihre  Nothdurft  an  dem  Rande  des 
Wassers,  und  zwar  mit  dem  Rücken  gegen  dasselbe  gekehrt.  Dabei  ver- 
halten sie  sich  ganz  still,  um  nicht  von  einem  Alligator  gepackt  zu  werden, 
während,  wenn  sie  ein  solches  Wasser  durchkreuzen  müssen,  sie  umher- 
planschen und  umherscblagen,  um  den  Alligator  fernzuhalten.] 

Der  Djäkun  wird  niemals  seine  Nothdurft  an  dem  Platze  verrichten, 
wo  ein  Feuer  gewesen  war.  Es  ist  augenscheinlich,  dass  sie  der  Meinuu;^ 
sind,  dass,  wenn  dem  grossen  Geschenke,  das  dem  Mensehengeschlechte 
mit  dem  Feuer  gemacht  ist,  eine  solche  Beleidigung  zugefügt  wird,  dieses 
den  Gott  Ha-et  kränken  könne,  dessen  Absichten  kein  Mensch  kennt 
und  der  entweder  der  undankbaren  Handlung  Zeuge  sein,  oder  in  irgend 
einer  nicht  detinirbaren  Weise  von  dem  beleidigten  Feuer  eine  Klage 
empfangen  kann. 

Ich  überzeugte  mich  hiervon  durch  Zufall.  Wir  waren  im  Begriff, 
unser  Nachtlager  zu  verlassen;  das  Nachtfeuer  war  von  mir  am  Morgen 
etwas  angeschürt  worden,  um  etwas  Wasser  zum  Thee  zu  kochen;  der 
Wind  war  frisch  und  ein  Büschel  langen,    trockenen,    leicht  entzündbaren 


Anthropologische  Bemorkungon  über  die  Eingeborenen  ron  Malacca.  183 

«Lalang^-Orases  lag  nahe  dabei.  Aus  Vorsicht  wünschte  ich  mich  zu  er- 
leichtem, bevor  wir  uns  auf  unseren  Tagesmarsch  begaben,  und  ich  war 
im  Begriff,  dies  au  dem  Feuer  zu  thun,  und,  zwar  so,  dass  die  Funken 
der  glimmenden  Kohlen  nicht  nach  dem  trockenen  Grase  hingeblasen 
werden  und  einen  vielleicht  weithin  zerstörenden  Brand  verursachen  konnten. 
Ein  Djäkun  in  meiner  Nähe,  welcher  sah,  dass  ich  an  meinen  Knöpfen 
nestelte  und  der  begriff,  was  ich  zu  thun  Willens  war,  legte  plötzlich  zu 
meiner  grossen  Ueberraschung  seine  Hand  auf  meinen  Arm  und  drehte 
mich  herum.  Darauf  erklärte  er  mir  sein  Bedenken,  dass  ich  dem  Feuer 
solch  eine  Beleidigung  anthun  wolle.  Als  wir  unterwegs  waren,  bewies 
mir  die  spätere  Discussion,  dass  sämmtliche  Männer  diese  Handlung  in 
dem  gleichen  Lichte  betrachteten. 

Ich  habe  oft  die  Behauptung  gelesen,  dass  sich  der  Orang  Hutan  von 
Blähungen  durch  Winde  oder  durch  Aufstossen  erleichtere,  ohne  dass  von 
irgend  einem  der  Anwesenden  die  geringste  Notiz  davon  genommen  werde. 
Wiederholen tlich  habe  ich  diese  Frage  Leuten  aus  allen  Stämmen  vorgelegt; 
sowohl  aus  den  Antworten,  als  auch  aus  eigenen  Beobachtungen  kann  ich  ent- 
nehmen, dass  diese  Gewohnheiten  getadelt  und  als  das  betrachtet  werden,  was 
wir  als  „höchst  gemein^  bezeichnen  würden.  Unter  Männern  mag  man  das 
vielleicht  thun,  ohne  dass  von  den  Anderen  irgend  eine  Bemerkung  gemacht 
oder  Notiz  davon  genommen  wird.  Aber  es  mag  vorkommen  und  kommt 
vor  unter  den  Westlichen.  Es  ist  aber  Thatsache,  dass  trotz  dieser  schein- 
baren Gleichgültigkeit  die  Orang  Hutan  dem  Ereigniss  im  Gegensatze  zu 
den  Westlichen  den  Begriff  von  Gemeinheit  und  Rohheit  beilegen. 

Oft  habe  ich  von  einem  Sakai  einem  anderen  einen  Vorwurf  machen 
hören,  wenn  solch  ein  Verstoss  gegen  den  Anstand  begangen  worden  war, 
obgleich  nur  Männer  anwesend  waren.  Ein  andermal  war  mir  von  einem 
der  Anwesenden  für  ihren  Kameraden  eine  Entschuldigung  gesagt  worden, 
während  der  Missethäter  so  beschämt  aussah,  als  er  fortging,  dass  gar  kein 
Zweifel  bestehen  konnte,  wie  über  solche  Handlungsweise  abgeurtheilt 
wird.  Wenn  ich  die  Sakai  direct  über  ihre  Meinung  in  dieser  Sache  fragte, 
verurtheilten  sie  dieselbe  stets  sehr  streng,  aber  sie  sprachen  auch  von 
der  Möglichkeit,  dass  es  nur  zuiUUig  und  nicht  absichtlich  geschehen  sei, 
um  die  That  zu  beschönigen.  Was  das  anbetrifft,  dass  diese  Handlung, 
wie  bei  den  Chinesen,  eine  Schmeichelei  für  den  Gastgeber  sein  solle,  so 
würde  sie  für  Dschungel -Bewohner  vielmehr  eine  schwere  Beleidigung 
anstatt  eines  Complimentes  sein. 

Da  sie  ihre  Nahrung  gierig  hineinstopfen,  so  ist  es  ganz  wahr- 
scheinlich, dass  solche  Resultate  folgen,  ohne  dass  sie  die  Fähigkeit  be- 
sitzen, sie  zu  verhindern;  und  die  naive  Manier  der  Männer  könnte  einen 
oberflächlichen  Beobachter  dahin  fähren,  anzunehmen,  dass  sie  kein  Ver- 
ständniss  für  unschickliche  Aufführung  besässen.     Aber  jene  Manier   [die 


184  H.  V.  Stevens: 

scbeinbare  Nichtbeachtung]  entsteht  nur  aus  dem  Wunsche,  nicht  noch 
mehr  die  Aufmerksamkeit  auf  den  unabsichtlich  gemachten  Fehltritt  zu 
lenken,  dessen  man  sich  schämt. 

[Ueber  den  Geschlechtstrieb  u.  s.  w.  ist  an  anderer  Stelle  berichtet 
worden  ^).] 

[Trinken.]  Der  Djakun  gebraucht  auf  dem  Lande  oder  auf  dem 
Wasser  irgend  eine  Art  von  Schale  oder  ein  Blatt,  wenn  sonst  nichts  da 
ist,  um  das  Wasser  zu  seinem  Munde  zu  führen,  wobei  er  das  Gefäss  an 
seine  Lippen  setzt.  [Bei  den  Orang  Laut]  ist  der  Gebrauch  der  Trink- 
röhreu  aus  Bambu  verschwindend;  unter  den  Halbblütigen  wird  das  nicht 
mehr  oft  gesehen;  sie  wenden  jede  Art  zu  trinken  an. 

Am  Lande  warfen  [die  Orang  Laut]  sich  das  Wasser  mit  grosser 
Geschicklichkeit  mit  der  Hand  hinauf  in  den  Mund,  und  anstatt  sich  das 
ganze  Gesicht  voll  zu  planschen,  wie  ich  selbst  es  machte,  verstehen  sie 
es,  auf  ungefähr  einen  Fuss  Entfernung  von  der  Fläche  der  Hand  das 
Wasser  in  den  Mund  zu  werfen,  ohne  ihre  Gesichter  wesentlich  zu  be- 
netzen. Sogar  die  Kinder  w^enden  diese  Methode  an.  Wenn  eine  Mutter 
einem  kleinen  Kinde  Wasser  zu  geben  wünscht,  so  lässt  sie  es  von  ihrer 
Hand  in  den  offenen  Mund  des  Kindes  träufeln. 

[Reinlichkeit.]  Der  einzige  Punkt,  in  welchem  der  Orang  Laut 
tien  Djakun  übertriflFt,  ist  den  dass  er  in  seiner  Haut  reinlicher  ist,  wenn 
er  nicht  an  einer  wirklichen  Hautkrankheit  leidet.  Er  badet  mehr,  da  er 
sich  so  viel  innerhalb  des  Wassers  aufhält.  Er  gebraucht  entweder  Sand 
oder,  wenn  er  ihn  bekommen  kann,  Thon,  um  ihn  als  Reinigungsmittel 
zu  benutzen. 

Die  Br»lendas  haben  ein  natürliches  Waschmittel,  welches  den  Zweck 
hat,  das  Fett  vom  Kopf  und  aus  dem  Haare  zu  entfernen.  Es  ist  der  ge- 
schabte innere  Theil  der  Rinde  einer  Kletterrebo,  deren  junge  Stämme 
und  Triebe  mit  einer  reichlichen  Menge  scharfer  Domen  bewaffnet  sind, 
wie  die  der  Rose.  Das  Blatt  ist  das  einer  Akazie,  dunkelgrün  und  glatt 
und  von  grossem  Umfange.  Ich  sende  Muster  des  Stammes,  des  Blattes 
und  der  geschabten  Rinde.  Eine  Handvoll  der  frisch  geschabten  Rinde 
wird  mit  Wasser  wie  ein  Schwamm  auf  den  Kopf  gebracht  und  erzeugt 
dann  einen  dicken  Schaum.  Ich  w^erde  versuchen,  diese  Pflanze  in  Singa- 
pore  bestimmen  zu  lassen. 

[Von  den  Abwaschungen  nach  den  körperlichen  Functionen  ist  weiter 
oben  die  Rede  gewesen.] 

[Das  Waschen  der  Hände  nach  der  Mahlzeit  wird  bei  der  Schilderung 
dos  Pädi -Festes  erwähnt*);    Ober  die  Waschungen  nach  der  Menstruation, 

1)  Max  Bartels  1.  Mittheilangen  aus  dorn  Franenleben  der  Oraog  Bdlondas,  der 
Orang  DjÄkon  und  der  Orang  Uut.  ZciUcbria  für  Ethnologie.  Bd.  XXVHI,  8.  180. 
Berlin  1»%. 

2)  Grunwedel  1.    S.  154. 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  185 

bei  der  Entbindung  und  im  Wochenbett  habe  ich  an  einer  anderen  Stelle 
berichtet.  *)] 

Bei  den  Orang  Laut  gebrauchen  beide  Geschlechter  Fett  oder  Oel 
für  ihren  Körper  und  ihre  Haare,  weil^  wie  sie  sagen,  das  Seewasser  die 
ungeschützte  Haut  reizt,  wenn  sie  später  der  Sonne  ausgesetzt  wird.  Jetzt 
ist  Cocosnussöl  und  anderes  Oel  leicht  zu  erhalten,  aber  früher  wurde 
Fischfett  angewendet.  Die  genaue .  Art  und  Weise,  wie  es  gewonnen 
wurde,  ist  nicht  bekannt. 

(Dieses  Fett  ist  ein  häufiges  Mittel,  um  Medicinal-Zauber  auszuführen, 
indem  die  Pflanzen-  Droge  u.  s.  w.  mit  dem  Fett  vermischt  wird  und  so 
durch  die  Haut  dringt.)  Die  Djäkun  waren  dem  Gebrauch  von  Fett  für 
diesen  Zweck  weniger  ergeben  und  wuschen  es  auch  später  nicht  fort, 
wie  das  die  Orang  Laut  thun. 

[Das  Schlafen.]  Die  Weiber  der  Belendas  liegen  für  gewöhnlich 
nicht  auf  der  Seite,  sondern  auf  dem  Kücken,  und  suchen  den  Kopf 
durch  irgend  eine  Art  von  Kopfkissen  etwas  zu  erhöhen.  Als  Grund 
hierfür  geben  sie  an,  dass,  wenn  der  Kopf  des  Schenkelknochens  die  Last 
des  Körpers  zu  tragen  hat,  während  sie  auf  der  Seite  liegen,  die  unter 
dem  Namen  Lattah  bekannte  „nervös-hysterische  Affection"  zum  Aus- 
bruch kommen  würde,  die  ihnen  dann  „unfreiwillige  Muskelkrämpfe ^  im 
Schlafe  verursacht. 

Die  Belendas-Männer  liegen  im  Schlafe  oft  auf  dem  Bücken,  wobei 
sie  die  im  Knie  gebeugten  Beine  so  an  den  Körper  heranziehen,  dass 
die  Sohle  des  Fusses  flach  auf  dem  Erdboden  ruht.  Aber  auch  die 
Seitenlage  wird  von  den  Männern  nicht  selten  bei  dem  ersten  Niederlegen 
eingenommen,  und  zwar  wird  bald  die  eine,  bald  die  andere  Seite  gewählt. 
Belendas-Männer  haben  Stevens  gesagt,  dass,  wenn  sie  auf  der  Seite 
liegen,  die  Augen,  der  Mund  und  die  Nase  zu  sehr  durch  Ameisen, 
Scorpione  und  Tausendfüsse  gefährdet  sind,  welche  auf  die  Schlafmatten 
kriechen,  während  in  der  Eückenlage  die  Haut  des  Nackens  und  der 
Wangen  das  Herannahen  dieser  Thiere  warnend  empfindet.  Aber  wieder 
Andere  geben  an,  dass  sie  irgend  ein  Geräusch  oder  ein  Alarmsignal 
für  drohende  Gefahr  besser  hören  können,  wenn  sie  auf  dem  Rücken 
schlafen. 

Der  Djäkun  rollt  sich  gewöhnlich,  auf  der  einen  oder  der  anderen 
Seite  liegend,  zu  einer  „ballähnlichen  Form"  zusammen.  Wenn  die  Nacht 
bei  dem  Beginne  des  Schlafes  heiss  ist,  wird  diese  Einrollung  etwas  ge- 
mindert, aber  in  den  ganz  frühen  oder  kälteren  Morgenstunden  kann  man 
sicher  sein,  beide  Geschlechter  mit  an  den  Körper  herangezogenen  Knieen 
zu  finden.  Die  Kinder  schlafen  von  frühester  Kindheit  an  auf  einer  Matte, 
welche    direct   auf  der  Erde   liegt.     Ihr  Platz  ist  an  der  Brustseite    der 


1)  Max  Bartels  1.    S.  163-202. 


186  H.  V.  Stevens; 

Mutter,  zwischen  ihr  und  dem  glimmenden  Feuer.  Dabei  umsehlingeii 
die  Mütter  die  Kinder  mehr  oder  weniger  mit  ihren  Armen. 

[Wie  die  Weiber  der  Belendas  sich  mit  ihren  kleinen  Kindern  zum 
Schlafen  legen,  ist  früher  besprochen  worden.*)] 

Die  Temia  schlafen,  wie  die  Belendas.  Der  Negrito  nimmt  die 
erste  beste  Lage  für  den  Schlaf  an,  wie  seine  Laune  sie  eingiebt  oder 
die  Umgebung  und  die  Verhältnisse  sie  bedingen. 

[üeber  die  Lagerungen  bei  der  Niederkunft  hat  Stevens  ebenfalls 
früher  schon  berichtet')] 

Von  den  Monik  benutzt  kein  einziger  irgend  eine  besondere  Art  von 
Kopfkissen,  weder  aus  Holz,  noch  aus  einem  anderen  Materiale.  Oft  ge- 
brauchen sie  überhaupt  gar  nichts^  und  in  anderen  Fällen  kann  das  erste 
beste  Ding,  was  gerade  zur  Hand  ist,  unter  den  Nacken  und  den  Hinter- 
kopf gelegt  werden:  ein  Bündel  Gras  oder  Zweige  oder  auch  der  Arm 
können  benutzt  werden. 

Das  alte  Kopfkissen  der  Belendas  ist  von  den  meisten  Männern  ver- 
gessen und  wird  nicht  mehr  auf  der  Halbinsel  gefunden.  Diejenigen; 
welche  noch  eine  traditionelle  Kenntniss  davon  besitzen,  geben  an,  dass 
es  mit  dem  Stamme  variirte. 

Bis  vor  einigen  Tagen  hatte  ich  noch  nicht  feststellen  können,  wie 
dasjenige  der  Bersisi  beschaffen  war.  Aber  die  Djäkun,  unter  denen  sich 
einige  Bersisi -Familien  auf  der  westlichen  Seite  niedergelassen  hatten, 
sagten,  dass  es  dem  gewöhnlichen  chinesischen  Kopfkissen  sehr  ähnlich 
sei.  Es  ist  ein  Block  von  hartem  Holz  ohne  Füsse,  mit  concaver  Unter- 
seite und  convexer  Oberseite  und  glatt  abgeschnittenen  Seitenwänden. 
Hierin  weicht  es  von  denen  der  Djäkun  ab,  die  ich  früher  beschrieben 
habe. 

Das  Kopfkissen  der  Sinnoi  war  stets  ein  Bambuglied,  durch  dessen 
äussere  Enden  [lateralwärts  von  den  Internodien]  vier  kleine,  runde 
Pflöcke  hindurchgesteckt  waren.  Die  Kopfkissen  der  Weiber  waren  die 
gleichen,  aber  sie  hatten  gewöhnlich  ein  Paar  an  beiden  Enden  zugespitzter 
Füsse,  so  dass  sie  durch  einen  Schlag  in  ein  Loch  am  Ende  hinein^' 
getrieben  oder  herausgebracht  werden  konnten.  Zu  diesem  Zwecke  wurde 
an  der  betreffenden  Stelle  die  dünne  Substanz,  die  den  Knoten  schloss, 
fortgeschuitten,  um  den  Zugang  zu  dem  lunem  des  Eohres  zu  gestatten. 
Kleine  Gegenstände,  welche  die  Frauen  für  ihre  Toilette  oder  zu  anderen 
Zwecken  gebrauchen,  werden  im  Innern  des  Bambukopfkissens  aufbewahrt; 
durch  die  liiueingesteckten  Fasse  wurde  das  Herausfallen  dieser  Sachen 
verhindert. 


1)  Max  Bartels  1.    S.  202. 

2)  Max  Bartels  1.    S.  188,  189. 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  187 

Die  Kcnäboi,  welche  hieriD,  wie  in  manchen  anderen  Dingen  ent- 
schlossen scheinen,  ihre  Eigenart  unter  den  ßclendas,  von  denen  sie  ein 
integrirender  Theil  waren,  zu  kennzeichen,  niaclien  ihre  Kopfkissen  aus 
gespaltenen  Bambusclieiten  von  viereckigem  Querschnitt,  indem  die 
Scheite  „hinein  und  hinaus"  mit  einander  verflochten  sind.  Auch  bei 
ihnen  diente  das  Innere  den  Weibern  als  Beliillter  für  die  zeitweilige  Auf- 
bewahrung kleiner  Gegenstände,  als  Kämme,  Arzneien  u.  s.  w.  D.as  genaue 
Muster  ist  übrigens  jetzt  verloren,  und  nur  wenige  erinnern  sich  noch  im 
Allgemeinen  der  Einzelheiten. 

Einer  Gewohnheit  folgend,  welche,  wie  es  scheint,  allgemein  gewesen 
ist,  hat  nicht  allein  jeder  Stamm  ein  besonderes  Muster  für  seine  Kopf- 
kissen, sowie  für  andere  Gegenstände  eingeführt,  sondern  sogar  jede  ge- 
trennte Niederlassung  desselben  Stammes  liatte  für  sich  irgend  eine  be- 
sondere kleine  Eigenthümlichkeit,  an  welcher  die  Hersteller  erkannt 
werden  konnten. 

Die  Shnioi,  welche  stets  eine  grössere  Neigung  für  künstlerisch? 
Decoration,  als  die  anderen  Belendas,  gehabt  zu  haben  scheinen,  orna- 
nientirten  häufig  ihre  Bambukopfkissen  mit  eingravirten  Linien  oder  ge- 
malten Totems.  D'w  Gravirung  und  die  Malerei  fand  sich  niemals  ge- 
meinsam auf  demselben  Gegenstande;  icli  konnte  aucli  nicht  einmal  an- 
nähernd eine  Vorstellung  von  den  gewöhnlichen  Zeichnungen  erhalten,  da 
sie  lange  vergessen  sind. 

Wenn  ich  den  Ausdruck  gebrauche  „die  alte  Form  der  Kopfkissen" 
so  beabsiclitige  ich,  dass  darunter  die  älteste  Form  derselben  verstanden 
wird,  von  der  die  gegenwärtigen  Männer  irgend  eine  Erinnerung  oder 
TJeberlieferiing  haben,  dass  sie  bei  ihren  Vorfahren  zu  einer  Zeit  im 
allgemeinen  <i(»brauche  gewesen  ist,  wo  die  Bequemlichkeiten  eines 
Hauses  wahrscheinlich  weniger  leicht  zu  erhalten  waren,  als  gegenwärtig. 
Denn  jetzt  kann  man,  ausser  bei  den  wilden  Panggang,  bei  allen  Stämmen 
in  vielen  der  Häuser,  wie  in  den  nialayischen,  den  mit  Baumwolle  gefüllten 
Zeugsack  sehen.  Diese  modernen  Kopfkissen  konnten  nur  gebraucht 
werden,  als  auch  andere  Verbesserungen  in  den  Verhältnissen  des  Stammes 
es  ermöglichten.  So  lange  die  Leute  stets  in  Bewegung  waren,  konnten 
umfangreiche  Stücke,  wie  Kopfkissen,  niclit  mitgqführt  werden;  und  wenn 
die  gegenwärtigen,  mit  Baumwolle  gefüllten  Kissen  eine  Woche  in  einem 
Hause  ohne  Insassen  gelassen  wären,  so  würden  Termiten  und  anderes 
Ungeziefer  sie  zerstört  liaben,  wenn  das  nicht  Feuchtigkeit  und  Schimmel 
gethan  hätten. 

Es  ist  niclit  zu  verstehen,  dass  die  Sakai  in  früheren  Tagen  die  be- 
scliriebeuen  Kopfkissen  jede  Nacht  gebrauchten.  Das  liing  davon  ab,  ob 
sie  zu  Hause  waren  oder  nicht,  welches  letztere  häufig  der  Fall  war. 
Wenn  sie  ausserhalb  waren,  dann  nahmen  sie  den  ersten  besten  Gegen- 
stand,   der   ilmen    unter  die    Hände   kam,    oder  sie  brauchten   überhaupt 


186  H.  V.  Stevbms: 

Matter,    zwischen    ihr   und    dem  glimmenden  Feuer.     Dabei  umschlingen 
die  Mütter  die  Kinder  mehr  oder  weniger  mit  ihren  Armen. 

[Wie  die  Weiber  der  Belendas  sich  mit  ihren  kleinen  Kindern  zum 
Schlafen  legen,  ist  früher  besprochen  worden.*)] 

Die  Trmiä  schlafen,  wie  die  Belendas.  Der  Negrito  nimmt  die 
erste  beste  Lage  für  den  Schlaf  an,  wie  seine  Laune  sie  eingiebt  oder 
die  Umgebung  und  die  Verhältnisse  sie  bedingen. 

[üeber  die  Lagerungen  bei  der  Niederkunft  hat  Stevens  ebenfalls 
früher  schon  berichtet')] 

Von  den  Monik  benutzt  kein  einziger  irgend  eine  besondere  Art  von 
Kopfkissen,  weder  aus  Holz,  noch  aus  einem  anderen  Materiale.  Oft  ge- 
brauchen sie  überhaupt  gar  nichts^  und  in  anderen  Fällen  kann  da»  erste 
beste  Ding,  was  gerade  zur  Hand  ist,  unter  den  Nacken  und  den  Hinter- 
kopf gelegt  werden:  ein  Bündel  Gras  oder  Zweige  oder  auch  der  Arm 
können  benutzt  werden. 

Das  alte  Kopfkissen  der  Belendas  ist  von  den  meisten  Männern  ver- 
gessen und  wird  nicht  mehr  auf  der  Halbinsel  gefunden.  Diejenigen; 
welche  noch  eine  traditionelle  Kenntniss  davon  besitzen,  geben  an,  dass 
es  mit  dem  Stamme  variirte. 

Bis  vor  einigen  Tagen  hatte  ich  noch  nicht  feststellen  können,  wie 
dasjenige  der  Bersisi  beschaffen  war.  Aber  die  Djäkun,  unter  denen  sich 
einige  Bersisi -Familien  auf  der  westlichen  Seite  niedergelassen  hatten, 
sagten,  dass  es  dem  gewöhnlichen  chinesischen  Kopfkissen  sehr  ähnlieh 
sei.  Es  ist  ein  Block  von  hartem  Holz  ohne  Füsse,  mit  concaver  Unter- 
seite und  convexer  Oberseite  und  glatt  abgeschnittenen  Seitenwänden. 
Hierin  weicht  es  von  denen  der  Djäkun  ab,  <lie  ich  fWlher  beschrieben 
habe. 

Das  Kopfkissen  der  Sinnoi  war  stets  ein  Bambuglied,  durch  dessen 
äussere  Enden  [lateralwärts  von  den  Intemodien]  vier  kleine,  runde 
Pflöcke  hindurchgesteckt  waren.  Die  Kopfkissen  der  Weiber  waren  die 
gleichen,  aber  sie  hatten  gewöhnlich  ein  Paar  an  beiden  Enden  zugespitzter 
Füsse,  so  dass  sie  durch  einen  Schlag  in  ein  Loch  am  Ende  hinein- 
getrieben oder  herausgebracht  werden  konnten.  Zu  diesem  Zwecke  wurde 
an  der  betreffen<len  Stelle  die  dünne  Substanz,  die  den  Knoten  schlosa, 
fortgeschnitten,  um  den  Zugang  zu  dem  Innern  des  Rohres  zu  gestatten. 
Kleine  Gegenstände,  welche  die  Frauen  für  ihre  Toilette  oder  zu  anderen 
Zwecken  gebrauchen,  wenlen  im  Innern  des  Bambukopfkissens  aufbewahrt: 
durch  die  hineingesteckten  Füsse  wurde  das  Heraasfallen  dieser  Sachen 
verhindert. 


1)  Max  Bartels  1.    S.  202. 

2)  Max  Bartels  1.    S.  18^,  ISl». 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  187 

Die  Kenäboi,  welche  hierin,  wie  in  manchen  anderen  Dingen  ent- 
sclilossen  scheinen,  ihre  Eigenart  unter  den  ßelendas,  von  denen  sie  ein 
integrirender  Theil  waren,  zu  kennzeichen,  machen  ihre  Kopfkissen  aus 
gespaltenen  Bambuscheiten  von  viereckigem  Querschnitt,  indem  die 
Scheite  „hinein  und  hinaus^  mit  einander  verflochten  sind.  Auch  bei 
ihnen  diente  das  Innere  den  Weibern  als  Behälter  für  die  zeitweilige  Auf- 
bewahrung kleiner  Gegenstände,  als  Kämme,  Arzneien  u.  s.  w.  Das  genaue 
Muster  ist  übrigens  jetzt  verloren,  und  nur  wenige  erinnern  sich  noch  im 
Allgemeinen  der  Einzelheiten. 

Einer  Gewohnheit  folgend,  welche,  wie  es  scheint,  allgemein  gewesen 
ist,  hat  nicht  allein  jeder  Stamm  ein  besonderes  Muster  für  seine  Kopf- 
kissen, sowie  für  andere  Gegenstände  eingeführt,  sondern  sogar  jede  ge- 
trennte Niederlassung  desselben  Stammes  hatte  für  sich  irgend  eine  be- 
sondere kleine  Eigenthümlichkeit,  an  welcher  die  Hersteller  erkannt 
werden  konnten. 

Die  Sinnoi,  welche  stets  eine  grössere  Neigung  für  künstlerischo 
Decoration,  als  die  anderen  Belendas,  gehabt  zu  haben  scheinen,  orna- 
mentirten  häufig  ihre  Bambukopfkissen  mit  eingravirten  Linien  oder  ge- 
malten Totems.  Die  Gravirung  und  die  Malerei  fand  sich  niemals  ge- 
meinsam auf  demselben  Gegenstande;  ich  konnte  auch  nicht  einmal  an- 
nähernd eine  Vorstellung  von  den  gewöhnlichen  Zeichnungen  erhalten,  da 
sie  lange  vergessen  sind. 

Wenn  ich  den  Ausdruck  gebrauche  „die  alte  Form  der  Kopfkissen" 
so  beabsichtige  ich,  dass  darunter  die  älteste  Form  derselben  verstanden 
wird,  von  der  die  gegenwärtigen  Männer  irgend  eine  Erinnerung  oder 
Ueberlieferung  haben,  dass  sie  bei  ihren  Vorfahren  zu  einer  Zeit  im 
allgemeinen  Gebrauche  gewesen  ist,  wo  die  Bequemlichkeiten  eines 
Hauses  wahrscheinlich  weniger  leicht  zu  erhalten  waren,  als  gegenwärtig. 
Denn  jetzt  kann  man,  ausser  bei  den  wilden  Panggang,  bei  allen  Stämmen 
in  vielen  der  Häuser,  wie  in  den  malayischen,  den  mit  Baumwolle  gefüllten 
Zeugsack  sehen.  Diese  modernen  Kopfkissen  konnten  nur  gebraucht 
werden,  als  auch  andere  Verbesserungen  in  den  Verhältnissen  des  Stammes 
es  ermöglichten.  So  lange  die  Leute  stets  in  Bewegung  waren,  konnten 
umfangreiche  Stücke,  wie  Kopfkissen,  nicht  mitg^führt  werden;  und  wenn 
die  gegenwärtigen,  mit  Baumwolle  gefüllten  Kissen  eine  Woche  in  einem 
Hause  ohne  Insassen  gelassen  wären,  so  würden  Termiten  und  änderet* 
Ungeziefer  sie  zerstört  haben,  wenn  das  nicht  Feuchtigkeit  und  Schimmel 
gethan  hätten. 

Es  ist  nicht  zu  verstehen,  dass  die  Sakai  in  früheren  Tagen  die  be- 
schriebenen Kopfkissen  jede  Nacht  gebrauchten.  Das  hing  davon  ab,  ob 
sie  zu  Hause  waren  oder  nicht,  welches  letztere  häufig  der  Fall  war. 
Wenn  sie  ausserhalb  waren,  dann  nahmen  sie  den  ersten  besten  Gegen- 
stand,   der  ihnen   unter  die   Hände   kam,    oder  sie   brauchten   überhaupt 


188  H.  V.  Stevens: 

<;ar  nichts;  sie  können  alle  ohne  Kissen  sehr  fest  schlafen.  Aber  solche 
Kopfkissen,  wie  sie  beschrieben  wurden,  bildeten  einen  Theil  der  gewöhn- 
lichen Ausstattung  eines  Hauses,  und  wenn  sie  nicht  im  Gebrauche  waren, 
so  lagen  sie  in  einem  Winkel  unter  dem  Dach.  Der  Grund,  warum  die 
früheren  Kopfkissen  aus  so  harten  Materialien  gewesen  sind,  während 
weichere  zu  haben  waren,  ist  einleuchtend.  Der  fettige  Schmutz  der 
ungewaschenen  Köpfe  würde  ein  Kissen  aus  Saya- Rindenzeug  (voraus- 
gesetzt, dass  Baumwollenzeug  nicht  zu  erhalten  war)  dick  beschmieren^ 
obgleich  das  vielleicht  das  geringste  der  Bedenken  gegen  seinen  Gebrauch 
ist.  Es  würden  sich  Würmer  in  ihm  einnisten,  und  eine  noch  schlimmere 
Gefahr  würde  entstehen,  wenn  es  Tage  lang  unbenutzt  liegt,  da  Tausend- 
füsse  und  Scorpione  es  zu  ihrem  Unterschlupf  benutzen  würden,  und  dann 
würden  diese,  wenn  in  der  Nacht  der  Druck  des  Kopfes  darauf  lastet,  ihr 
Gift  gebrauchen.  Weisse  Ameisen  würden  es  in  einer  Nacht  zerstören. 
Aber  es  giebt  auch  noch  einen  für  einige  der  Belendas  stärkeren  Grund, 
als  alle  die  anderen:  eine  Person  von  boshaftem  Charakter  könnte  viel- 
leicht in  Abwesenheit  des  Eigenthümers  zu  dem  Kopfkissen  gelangen 
und  irgend  ein  giftiges  oder  magisches  Präparat  mit  Erfolg  unter  der 
Baumwolle  verstecken,  das  dann,  wenn  der  Eigenthüroer  im  Schlafe  seineu 
Kopf  darauf  legt,  eine  schlimme  Wirkung  haben  könnte. 

Daher  benutzt  man  das  feste  oder  halbfeste  Kopfkissen  ungeachtet 
seiner  Härte. 

Die  Sinnoi -Weiber  bedienten  sich  des  hohlen  Bambu- Kopfkissens, 
und  in  dieses  wurde,  um  die  darin  aufbewahrten  Gegenstände  zu  benutzen, 
so  häufig  hineingesehen,  dass  jedes  der  vorhin  berichteten  Uebel  sehr 
schnell  entdeckt  worden  wäre.  Ausserdem  haben  die  Weiber  keine  solche 
Furcht  vor  Feinden,  die  so  etwas  thun  würden,  wie  die  Männer. 

Das  Djäkun-Kopfkissen  war,  im  Gegensatze  zu  dem  anderen,  aus  dem 
weichsten  Holze  gefertigt,  das  irgend  zu  bekommen  war,  nicht  etwa  wegen 
irgend  eines  Unterschiedes,  den  es  für  den  Kopf  machte,  sondern  weil  es 
sich  leichter  ohne  eiserne  Werkzeuge  herstellen  Hess.  Es  war  an  den 
Seiten  und  unten  stets  concav,  aber  oben  war  es  convex  und  oft  roth,  gelb 
oder  schwarz  gefärbt.  Letzteres  geschah  durch  den  Aufguss  einer  Kinde 
für  Roth,  einer  W'urzel  für  Gelb  und  durch  ein  Gemisch  von  Oel  und 
Kohle  für  die  schwarze  Farbe.  Die  gelbe  Farbe  scheint  der  Beschreibung 
nach  das  malayische  „Küning"  (Safran?),  eine  wohlbekannte  Knolle,  ge- 
wesen zu  sein.  Der  Baum  ist  nicht  bekannt,  jedoch  giebt  es  verschiedene, 
deren  Rinde  eine  rothe  Farbe  giebt. 

Es  waren  die  Kopfkissen -Blöcke  d«»r  Weiber,  welche  meistens  sorg- 
fältig gefärbt  wurden.  Diejenigen  der  Männer  wurden  während  des  Tages 
für  andere  Zwecke  gebraucht,  z.  B.  [als  Schwimmer  für  die  zum  Fangen 
der  Alligatoren  bestimmte  Leine.  Für  diesen  Zweck  ist  es  in  der  Mitte 
durchbohrt;    das  Rotangseil    wird    «lurch    das  Loch  gezogen   und  auf  der 


Authropologische  Bemerkangen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  189 

anderen  Seite  geknotet.]  Der  Kopfkissen- Schwimmer,  dessen  dunkle 
Farbe  leicht  gesehen  wird,  zeigt  an,  wohin  der  Alligator,  wenn  er  den 
Köder  angenommen  hat,  gegangen  ist.  Die  obige  Form  des  Kopfkissens 
wird  jetzt  niemals  mehr  gesehen;    Zeug  und  Baumwolle  haben  es  ersetzt. 

Von  dem  Scharfsinn  der  Leute  konnte  ich  mich  überzeugen,  als  ich 
das  erste  Mal  in  ein  Bölendas-Haus  kam. 

Als  ich  mich  zur  Nacht  auf  den  mit  Matten  bedeckten  Boden  gelegt 
hatte,  wurde  das  kleine  Kind  des  Hauses  schläfrig  und  wurde  demgemäss 
zu  Bett  gebracht.  Ich  sende  ein  Muster  dieses  Hängematten- Bettes,  so 
dass  Sie  selbst  es  sehen  können:  aber  was  mir  auffiel,  war  die  Art,  wie 
die  herabhängenden  Rotanseile  davor  geschützt  waren,  sich  beim  Hin-  und 
Herschwingen  durchzuscheuern,  so  dass  dann  das  Kind  herausgefallen  wäre. 
Ein  kurzer  [horizontaler]  Stab  hängt  an  zwei  Rotans  von  einer  [ebenfalls 
horizontalen]  Stange  herab,  die  auf  die  Hauptbalken  des  Hauses  gelegt 
ist  Ein  gewöhnlicher  Sarong,  wie  ihn  die  Malayen  tragen,  d.  h.  ein  an 
beiden  Seiten  zusammengenähter  Streifen  von  Baumwollenzeug,  wird  mit 
dem  einen  Ende  (dieses  Zeugringes)  über  die  untere  Stange  und  hinter 
die  Rotans,  an  der  diese  hängt,  gelegt,  so  dass  das  andere  Ende  in  Form 
einer  Hängematte  geöffnet  herabhängt;  hier  hinein  wird  das  Kind  gelegt. 
Das  Ganze  kann  nun  von  vorn  und  nach  hinten  in  der  Richtung  der 
Längsaxe  des  Kindes  hin  und  her  schwingen,  anstatt  wie  bei  uns  in  der 
Richtung  der  Queraxe,  und  daher  gehen  der  Kopf  und  die  Füsse  ab- 
wechselnd auf  und  nieder.  Sobald  der  kleine  Körper  in  Ruhe  war,  lagen 
tler  Kopf  und  die  Füsse  ungefähr  in  der  gleichen  Ebene,  aber  sobald  das 
Kind  von  der  Mutter  gewiegt  wurde,  war  der  Kopf  abwechselnd  einen 
Fuss  niedriger,  als  die  Extremitäten.  Unseren  Augen  erscheint  das  un- 
behaglich, aber  Belendas -Kinder  sind  ruhige  Wesen  und  machen  selten 
über  irgend  etwas  Lärm. 

Aber  die  Besonderheit,  die  mir  auffiel,  war,  dass  die  obere  lange 
Stange,  welche  von  einer  Seite  des  Hauses  zu  der  anderen  reichte,  rund 
war  und  nicht  an  den  Wandplatten  des  Hauses  augebunden  wurde. 
Die  Schleifen  der  Rotans  gingen  einfach  über  die  Stange,  und  wenn 
die  Mutter  die  Wiege  hin  und  her  schaukelte,  so  blieben  die  Rotans, 
anstatt  mit  einer  Reibung  gegen  die  Stange  zu  arbeiten,  von  der  sie  herab- 
hingen, ganz  ruhig  an  ilirem  Platze,  und  die  runde  Stange  selbst  rollte  bei 
jeder  Schwingung  des  Kindes  leicht  ein  wenig  an  den  Wandplatten  hin 
und  her.  Da  gab  es  kein  Abreiben  und  Reissen  der  Rotans;  die  Gefahr  war 
vermieden,  dass  sie  sich  im  Laufe  der  Zeit  durchreiben  und  dass  das 
Kind  unvermuthet  hinausfallen  würde.  Da  das  Kind  sich  aus  Bequemlich- 
keitsrücksichten für  das  Schaukeln  und,  um  nicht  im  Wege  zu  sein,  wenn 
die  Insassen  des  Hauses  auf  dem  Boden  hocken,  mindestens  in  Brusthöhe 
der  Mutter  befindet,  so  wäre  das  ein  sehr  schwerer  Sturz.    Das  Vermeiden 

Zciucbrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  lv^97.  ]^4 


190  H.  V.  Steveks: 

« 

der  Reibung  ist  ungemein  einfach  und  zeigt  —  ausser  einer  Menge  anderer 
Kleinigkeiten,  —  dass  es  den  Belendas  nicht  an  Erfindungsgabe  und  an 
schneller  Auffassung  fehlt. 

[Die  Lagerung  der  ganz  kleinen  Kinder  wurde  an  einer  anderen 
Stelle  bereits  besprochen.*)] 

Mit  dem  Auftreten  des  Haarwuchses  an  dem  unteren  Theile  des  Penis 
und  an  dem  Scrotum  oder  an  den  Schamtheilen  der  Mädchen  trat  bei  den 
Djakun  die  Bestimmung  ein,  dass  die  jungen  Leute  getrennt  schlafen 
mussten.  Sobald  das  also  augenscheinlich  wurde,  schlief  der  Knabe  ab»:e- 
sondert  am  Lande,  oder  in  dem  Vordertheile  des  Bootes,  wenn  er  auf  dem 
Wasser  war.  In  den  gedeckten  Plattformen  an  der  Küste  schliefen  die 
Mädchen  bei  den  verheiratheten  Leuten.  In  den  in  früheren  Zeiten  vor- 
handenen temporären  Hütten  mit  überdeckten  Plattformen,  welche  die 
üjakun  auf  ihren  wohlbekannten  Versammlungsplätzen  an  der  Küste  be- 
suchten, schliefen,  wenn  sie  die  Nacht  dort  zubrachten,  die  Junggesellen 
stets  in  Hütten,  die  von  den  verheiratheten  Leuten  getrennt  waren. 
Anders  war  das  bei  den  Brlendas  und  Panggang,  wo  die  Junggesellen  die 
Veranda  inne  hatten,  wenn  eine  solche  vorhanden  war,  oder  die  äusseren 
Känmlichkeiten  der  Hütten.  Bei  den  Temia  ist  der  einzige  unterschied, 
dass  in  ihren  luftigen  Uemeindehäusem  eine  niedrige  Abtheilung  den 
Schlafraum  der  verheiratheten  Leute  umgiebt. 

[üeber  das  Sichhinsetzen*)  und  das  Sitzen')  hat  Stevens  nur 
kurze  Angaben  gemacht.] 

[Hände  und  Füsse.]  Die  Orang  Hutan  wurden  durch  meine  Frage 
in  grosse  Verlegenheit  gesetzt,  ob  sie  bei  geballter  Faust  einen  Finger 
der  Hand  ausstrecken  könnten,  ohne  die  anderen  zu  öffnen;  aber  sowohl 
Belendas  als  auch  Negritos  führten  das  nach  meiner  Anweisung  sehr 
leicht  aus. 

Bemerken  möchte  ich,  dass  ich  im  Stande  bin,  bei  den  Djakun, 
namentlich  bei  den  Kindern,  durch  die  Betrachtung  der  Füsse  ziemlich 
genau  zu  schätzen,  ob  da  irgend  eine  Mischung  mit  malayischem  oder 
anderem  Blute,  wenigstens  neueren  Datums,  stattgefunden  hat  Die  kleine 
Zehe  der  Djakun,  namentlich  im  kindliehen  Alter,  ist  im  Vergleiche  mit  der- 
jenigen  der  Brlendas,  und  g^nz  besonders  der  Malayen  und  Chinesea,  sehr 
j^erade.  Sie  hat  viel  weniger  von  der  krallenartigen  Biegung,  welche  an 
unseren  eigenen  Füssen  so  gewöhnlich  ist.  Die  Belendas  tragen  niemals 
Stiefel,  wie  wir  das  thun,  wodurch  die  Zehen  entstellt  werden  könnten, 
aber  dennoch  ist  ihre  kleine  Zehe  nebst  dem  Nagel  missgestaltet,  wie  die 
unserigo;    sie    ist   unter   der  gewöhnlichen  Grösse   oder  von  der  Richtung 


r-  Max  Bartels  1.    S.  t?01. 
1>.  (;rün>vedel  2.    S.  ICHi. 
3)  Grünwodcl  1.    S.  13a 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  191 

<]er  anderen  Zehen  abweichend.  Dagegen  habe  ich  kleine  Zehen  bei 
Djäkun-Kindern  gesehen,  die  so  gerade  und  wohlgebildet  waren,  wie  die 
anderen  Zehen  des  Fasses. 

Wenn  übrigens  der  [männliche]  Djäkun  zur  Mannbarkeit  heranwächst, 
und  besonders,  wenn  er  ungefähr  über  30  Jahre  alt  ist,  so  werden  seine 
Füsse  sonderbar  knorrig,  knotig,  steif,  hässlich,  narbig  und  mit  Hautkrank- 
heiten bedeckt.  Sie  waschen  sich  niemals,  und  obgleich  ihre  Hände  und 
Füsse  oft  im  Wasser  sind,  so  ist  es  doch  gewöhnlich  schmutziges,  morastiges 
und  ungesundes  Wasser,  welches  in  die  Schrunden,  die  Schnitte  und  die 
8tiche  von  Dornen  u.  s.  w.  eindringt  und  die  Glieder  zum  Anschwellen 
bringt  und  sie  versteift,  bis  sie  den  durch  Arbeit  entstellten  Händen  eines 
alten  englischen  Landarbeiters,  der  bei  jedem  Wetter  heraus  muss,  ähnlich 
:sehen. 

Ich  lernte  ihre  Hände  sehr  genau  kennen,  als  ich  das  Maass  derselben 
nahm.  Als  ich  die  Spannweite  vom  Daumen  bis  zum  kleinen  Finger  und 
vom  Daumen  bis  zum  Mittelfinger  auf  dem  Metermaass  feststellen  wollte, 
fiel  mir  bei  den  Männern  die  Unfähigkeit  auf,  ihre  Finger  frei  auszudehnen. 

Dies  ist  das  Kesultat  der  Beschwerlichkeiten  ihres  Lebens;  denn 
^ie  Säuglinge  und  Kinder  haben  kleine,  wohlgebildete  Hände  und  Füsse. 
Der  Contrast  zwischen  denjenigen  des  Vaters  und  des  jüngsten  Kindes  ist 
:sehr  gross.     Die  Hände  der  Weiber  aber  sind  schön  und  weich. 

Die  halbblütigen  Orang  Laut  sind  geschickte  Spitzbuben,  namentlich 
mit  den  Zehen.  Ich  bin  um  kleine  Gegenstände,  die  auf  der  Erde  lagen, 
gekommen,  während  ich  mit  einem  Manne,  Gesicht  gegen  Gesicht,  sprach, 
und  habe  nicht  gesehen,  dass  er  sie  fortnahm.  Ich  habe  aus  dem  Augen- 
winkel bemerkt,  dass  die  Zehen  des  P^usses  langsam  über  den  begehrten 
•Gegenstand  hinglitten  und  ihn  beim  Weitergehen  mit  fortschleiften,  bis 
^er  Fuss  zu  der  Hand  emporgehoben  werden  konnte  und  nun  das  Stück 
mit  den  Fingern  erfasst  und  verborgen  wurde. 

[Gang  und  Haltung.]  Ich  habe  danach  getrachtet,  einige  Daten 
*ber  den  Gang  der  Orang  Hutan  zu  erhalten,  ich  finde  aber,  dass  das 
kaum  möglich  ist,  aus  Gründen,  die  mit  der  Veränderung  der  Umgebung 
in  Verbindung  stehen.  In  erster  Linie  ist  es  sehr  selten,  einen  Mann  zu 
finden,  der  frei  von  Schnitten,  Rissen  oder  Dornstichen  ist;  denn  ihrer 
<jrewohnheit  nach  gehen  sie  in  einem  so  wilden  Lande  barfuss,  wo  Hinder- 
nisse und  Gefahren  durch  die  dichte  Vegetation  drohen.  Das  beeinfiusst 
ihren  Gang  in  der  einen  Hinsicht.  Zweitens  wirkt  die  Natur  des  Dschungels, 
in  welchem  sie  unmittelbar  vorher  einige  Wochen  lang  gewesen  sind,  auf 
ihren  Schritt  beträchtlich  ein.  Aus  Gewohnheit  passen  sie  ihren  Schritt 
den  Eigenthümlichkeiten  des  Weges  ^n,  den  sie  wandern.  Es  veranlasst 
z.  B.  ein  Weg,  wo  ringsumher  Dornen  von  den  Bäumen  und  Schlingi)flanzen 
gefallen  sind,  den  Mann,  behutsam  und  langsam  zu  gehen  und  bei  jedem 
Schritte  einen  Augenblick  zu  zögern,  bis  er  das  volle  Köri)ergewicht  dem 

14* 


1, 


192  H.  V.  Stevens: 

Fusse  anvertraut;  und  diese  Art  des  Auftretens  wird  aus  Gewohnheit,  auch 
wenn  das  domige  Land  verlassen  und  der  Weg  wieder  glatt  und  eben 
ist,  noch  einige  Tage  beibehalten. 

Als  ich  einen  Mann  einen  Tag  hindurch  beobachtet  hatte,  da  fand 
ich,  dass  er  acht  verschiedene  Arten  des  Gehens  erkennen  liess,  die  sich 
nach  der  Natur  des  Erdbodens  richteten.  Und  dieser  Erdboden  unterliegt 
in  dem  Leben  der  Orang  Kutan  einem  so  beständigem  Wechsel,*  dass  ich 
in  der  That  nicht  weiss,  welche  dieser  Gangarten  ich  als  die  für  ihn  ge- 
wöhnlichste erklären  soll.  Im  Gegensatz  zu  dem  Europäer  bekommt  er 
im  Allgemeinen  wenig  oder  gar  keine  flachen  und  ebenen  Wege  unter 
seine  Füsse;  er  ist  an  dieselben  nicht  gewöhnt,  und  daher  würde  die 
Gangart,  welche  er  auf  solch  einem  Wege  annimmt,  nicht  seiner  Durch- 
schnitts-Bewegungsart  entsprechen,  sondern  gerade  diejenige  Gangart  sein, 
deren  er  sich  am  allerwenigsten  bedient. 

Alle  Fussstapfen  der  Orang  Hutan  wenden  sich  nach  auswärts,  ob- 
gleich die  der  Negritos,  ich  möchte  wohl  behaupten,  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  beinahe  gerade  sind.  Bei  allen  Kassen  giebt  es  in  den  [gebräuchlichen] 
Winkeln  eine  so  grosse  Verschiedenheit,  dass  es  unmöglich  ist,  anzugeben, 
welcher  Winkel  der  eigentlich  maassgebende  ist. 

Eines  ist  aber  bei  allen  Belendas  bemerkenswerth:  das  Niedersetzen 
des  Fusses  wird  von  dem  Mittelfuss  aufgefangen.  Die  Ferse  tritt  nicht 
zuerst  auf.  Aber  in  9  Fällen  unter  10  zur  Beobachtung  gelangenden  ist 
der  Fuss  von  Dornen,  Steinen  u.  s.  w.  verletzt,  wodurch  dann  zeitweise 
ein  mehr  oder  weniger  gekünstelter  Gang  verursacht  wird. 

Obgleich  der  Fuss  der  Belendas  also,  wenn  er,  was  sehr  selten  vor- 
kommt, unverletzt  ist,  beim  Gehen  horizontal,  beinahe  platt  auf  den  Boden 
aufgesetzt  wird,  so  dass  die  Ferse  und  die  Zehen  ihn  gleichzeitig  berfihreu, 
so  sind  doch  schmerzhafte  Stellen,  Schnitte  und  Stiche  von  Stacheln  und 
Dornen  so  beständig  vorhanden,  dass  aus  Schonung  für  den  empfindlichen 
Theil  sich  das  Aufsetzen  des  Fusses  häufig  ändert.  Das  fortwährende 
Vorkommen  von  Domen,  an  welchen  der  Dschungel  Ueberfiuss  hat,  ver- 
anlasst den  Orang  Hutan,  den  Fuss  mit  Vorsicht,  gleichsam  tastend,  nieder- 
zusetzen und  einen  Augenblick  bei  jedem  Schritte  zu  fühlen,  bevor  das 
(»ewicht  des  Körpers  niedergelassen  wird,  ob  irgend  etwas  Rauhes  oder 
Scharfes  unter  dem  Fusse  liegt.  Es  giebt  im  Vergleich  mit  Thal  und 
Hügel  so  wenig  flache  Wegstrecken  und  der  flache  Grund  wird  von  einem 
solchen  Netzwerk  vorspringender  Wurzeln  überzogen,  dass  der  Gang  fast  bei 
jedem  Schritt,  je  nach  den  Hindernissen  auf  dem  Wege,  verändert  wird, 
wenn  nicht  beim  Hinaufsteigen  auf  die  Hügel  oder  beim  Hinabgehen  die 
Zehen  oder  Hacken  in  Anspruch  «genommen  werden. 

Es  ist  also  sehr  schwierig,  von  dem  Gange  der  Belendas  eine  genaue 
Beschreibung  zu  machen.  Der  Körper  wird  aufgerichtet  und  sehr  gerade 
gehalten,    während   die  ganze  Beweiruug    von   den   Knöchelgelenken,    den 


Anthropologische  Bemcrkangen  über  die  Eiogeborcnen  von  Malacca.  193 

Knieen  und  den  Hüften  ausgeht.    Es  findet   dabei   nur   ein    sehr   unbe- 
deutendes, rhythmisches  Schwenken  der  Arme  statt. 

Wenn  ich  mich  recht  erinnere,  so  schrieb  ich  Ihnen  früher  einmal, 
-dass  ich  bergab  dem  Orang  Hutau  überlegen  bin,  da  meine  mit  Eisen 
beschlagenen  Schuhabsätze  meinem  Gange  Festigkeit  geben,  dass  aber 
bergauf  die  Sache  umgekehrt  ist. 

In  ähnlicher  Weise  kann  ich  in  der  flachen  Ebene,  wo  die  Engländer 
macadamisirte  Strassen  gemacht  haben,  einen  Orang  Hutan  nach  weniger 
als  20  Meilen  zum  Stillsteheu  bringen.  In  seinem  gewohnten  Aufent- 
halte, dem  Walde  mit  seinen  vorspringenden  Wurzeln,  umgestürzten 
Bäumen  und  sich  windenden  Schlingpflanzen,  überholt  er  einen  Europäer 
schnell  und  ist  viel  elastischer  in  den  Hüften  und  Enieen. 

Laufen  thut  er  kaum  jemals  und  dann  auch  nur  wenige  Meter  weit; 
seine  Lebensweise  fordert  das  nicht  und  er  hat  auch  keinen  Platz  dazu, 
wo  er  das  lernen  könnte. 

[In  Bezug  auf  die  Kraft  und  die  Ausdauer  beim  Wandern] 
stehen  die  wilden  Panggang  in  erster  Linie;  dann  kommen  die  Djäkun,  die 
zahmen  Semang,  die  Belendas  und  zuletzt  die  durch  Krankheit  ge- 
schwächten Temiä. 

Die  Arme  werden  beim  Gehen  nicht  geschwungen;  eine  Hand  führt 
gewöhnlich  den  Sumpitan  [Blasrohr]  und  die  andere  ist  mit  dem  Paraug 
[Schwert]  bewaffnet  und  stets  in  Bereitschaft,  einem  dornigen  Rotan  oder 
einem  Hinderniss,  das  unter  den  Blättern  halb  verborgen  ist,  und  unter 
welchen  sich  der  Pfad  des  Sakai  hinzieht,  einen  schnellen  Hieb  zu  ver- 
setzen. Diese  Gewohnheit  ist  durch  ihr  langes  Portbestehen  so  zu  seiner 
zweiten  Natur  geworden,  dass,  auch  wenn  er  ohne  Waflfe  in  einer  oflPenon 
Gegend  geht,  die  Arme  in  der  gewohnten  Stellung  gehalten  werden.  Es 
ist  schwer  zu  sagen,  welches  die  gewöhnliche  Haltung  des  Kopfes  ist. 

Da  der  Orang  Hutan  einen  grossen  Theil  seines  Lebens  damit  zu- 
bringt, sich  durch  die  leichten  Stämme  des  Unterholzes  hindurchzuwindeu, 
<len  Zweigen  auszuweichen  u.  s.  w.,  so  ist  sein  Kopf  in  fortwährender  Be- 
wegung. Während  seiner  Mussestunden,  im  Quartier  z.  B.,  sind  alle  seine 
Sinne  auf  der  Wacht  nach  irgend  einem  Ton  der  Gefahr  oder  nach  dem 
Herannahen  eines  Thieres,  das  als  Nahrung  gebraucht  werden  könnte; 
<leshalb  ist  der  Kopf  erhoben,  mehr  als  er  es  sonst  sein  würde.  Da  die 
grossen  Bäume  alle  rund  sind  und  in  ihren  Zweigen  sich  Vögel  und  Affen 
darbieten  können,  so  wird  der  Kopf  gewöhnlich  soweit  erhoben  gehalten, 
dass  der  Mann  fähig  ist,  seine  Augen  schnell  in  jene  Richtung  zu  bringen. 
Eine  horizontale  Linie  von  dem  Meatus  auditorius  würde  genau  den 
unteren  Theil  des  Kinnes  treflfen.  Dieses  passt  auf  alle  Rassen;  man  sieht 
es  aber  nur,  wenn  der  Orang  Hutan  frei  in  seinem  eigenen  Heim  ist. 
Wenn  der  gewöhnliche  europäische  Beamte  oder  Reisende  eine  Anzahl 
von    Sakai    zur   Besichtigung    zusammengerufen    hat,    so    wird   der    Kopf 


194  H.  V.  Stbvens: 

gesenkt  gehalten,  wie  eingeschüchterte  und  furchtsame  Kinder  das  zir 
thun  pflegen,  und  nur  die  Augen  sind  wachsam  und  lebhaft. 

Genau  ebenso  schwierig  ist  die  Frage  zu  beantworten,  was  die  gewöhn- 
liche Haltung  der  Handfläche  anbetrifft,  ob  sie  nach  vom,  nach  hinten 
oder  seitwärts  gerichtet  ist.  Eine  oder  auch  beide  Hände  sind  bei  den 
Männern  und  Kindern  durch  die  Waffe  oder  das  Werkzeug,  bei  den 
Weibern  durch  die  Nahrung  so  beständig  in  Anspruch  genommen,  während 
durch  die  andere  stets  die  Augen  Tor  Blättern  und  Zweigen  geschützt 
werden  müssen,  dass  sie  sehr  selten  in  Kühe  sind.  Soweit  ich  aber  die 
ruhige  Haltung  der  Handfläche  haben  beobachten  können,  war  sie  bei  den 
Belendas,  Djakun  und  Temiä  nach  hinten  gerichtet,  bei  den  Xegrito» 
aber  seitwärts,  gegen  das  Bein  oder  ein  wenig  nach  yorn. 

Die  Kinder  der  Drang  Laut  werden  am  Lande  sehr  bald  müde  und 
gehen  mit  nach  auswärts  gebogenen  Beinen;  die  Halbblütigen  sind  gerader 
und  stärker. 

[Aber  auch]  die  erwachsenen  Orang  Laut  ermüden  sehr  leicht  beim 
Oehen,  und  der  Gang  dieses  ganzen  Volkes  ist  in  der  That  sehr  nu- 
geschickt  auf  dem  Lande,  weil  sie  so  viel  zusammengekauert  in  den 
kleinen  Booten  hocken;  man  kann  sie  augenblicklich  an  demselben  er- 
kennen. 

(Die  wilden  Stämme  kennen  einen  besonderen  Dämon  (Hantu)  der 
Ermüdung.  *)J 

Die  Semang  sind  schlechte  Läufer,  aber  sie  sind  wie  die  Aale  oder 
Schlangen,  wenn  es  sich  darum  handelt,  durch  morastigen  Sumpf  oder 
durch  dichten  Wald  hindurch  zu  kommen.  Ihre  kleinen  Körper  sind  sehr 
geschmeidig  und  biegsam.  Sie  übertreffen  hierin  die  Belendas,  obgleich 
die  letzteren  bessere  Buschmänner  sind,  wenn  es  darauf  ankommt,  im  un- 
bekannten Walde  von  einem  Punkte  nach  einem  anderen  zu  gehen.  Unter 
den  Büschen  sind  sie  aber  besser  als  die  Belendas,  und  im  liangrove- 
Walde,  dem  allergefährlichsten  Keisegebiete,  welches  es  überhaupt  giebt 
springen  sie,  über  meine  ängstliche  Vorsicht  lachend,  von  Wurzel  zu 
Wurzel  mit  derselben  Vorsicht,  wie  die  Eidechsen  selbst. 

[Die  grossen  Fussstapfen.*)]  [In  einem  Briefe  schreibt  Stevens:) 
Solch  ein  Spass!  Ich  habe  die  Leute  mit  den  meterlangen  Füssen 
schliesslich  doch  ausfindig  gemacht!  Ich  war  neugierig,  in  Erfahrung  zu 
bringen,  ob  die  ^ciapoden  des  Plinius,  welche  sich  dadurch  vor  den 
Sonnenstrahlen  schützten,  dass  sie  sich  auf  den  Rücken  legten  und  ihre 
grossen  Füsse  emporhielten,  wirkliche  Menschen  wären,  die  durch  die 
Natur  des  Landes  gezwungen  waren,  dieses  mit  derartigen  Mitteln  zu 
durchschreiten. 


1  Orünwodel  1.    S.  186. 

2  Gränwedel  1.    S.  82. 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  195 

Apollonius  von  Tyana  schrieb  in  Uebereinstinimung  mit  seinem 
Biographen  Philostratus,  dass  diese  mit  ungehem*en  Füssen  versehenen 
Leute  in  Indien  leben,  und  im  British  Museum  giebt  es  eine  illuminirte 
Manuscript  -  Copie  der  Werke  des  geographischen  Schriftstellers  imd 
Reisenden  Sir  John  Mandeville,  wo  einer  dieser  mit  Sonnenschirm- 
Küssen  behafteten  Herren  gerade  in  jener  Stellung,  aber  nur  mit  einem 
Beine,  abgemalt  ist. 

Es  mag  sein,  dass,  da  Indien  unzweifelhaft  vielerlei  Berührungen 
mit  den  Malayen  und  der  Halbinsel  hatte,  noch  viele  der  alten  Geschichten, 
Mythen  und  Dämonen  -  Attribute  in  halbvergessener  üeberlieferung 
schlummern.  Und  vielleicht  ist  auch  die  Erzählung  von  einer  Rasse  von 
wilden,  schwarzen,  aflfenähnlichen  Menschen  mit  ungeheuren,  meterlangen 
Füssen,  welche  noch  in  den  einsamen  und  gemiedenen  Tiefen  des  niedrig 
liegenden,  sumpfigen  und  schwammigen  Landes  südlich  von  Pahang  auf 
der  Ostseite  existiren  sollen,  ein  alter  indischer  Aberglaube.  Es  ist  das  der 
einzige  Platz,  wie  ich  vor  längerer  Zeit  berichtete,  wo  ihre  Pussspuren 
wirklich  gesehen  worden  sind.  Ich  hatte  in  meinem  früheren  Berichte 
angegeben,  dass  Männer  mir  erklärt  hatten,  dass  sie  wirkliche  Fussstapfen 
in  dem  Sumpfe  der  dunkelsten  und  am  wenigsten  besuchten  Tiefen  des 
beinahe  unzugänglichen  Dschungel,  der  diesen  Landestheil  bedeckt,  ge- 
sehen hätten. 

Da  die  Stellen  stets  beim  zufälligen  Umherwandem  in  dieser  mi- 
angenehmen  und  gefahrlichen  Gegend  (gefährlich  auch  wegen  der  ver- 
rätherischen  Natur  des  weichen,  schwarzen,  nassen  Sumpfbodens)  gefunden 
wurden,  mir  dann  durch  die  Beobachter  aber  niemals  wieder  gezeigt  werden 
konnten,  so  wusste  ich  nicht,  ob  ich  an  die  Existenz  solcher  Fussspuren 
glauben  sollte  oder  nicht,  obgleich  ich  selbstverständlich  nicht  glaubte,  dass 
sie  von  einem  menschlichen  Fusse  herrührten. 

Es  hat  aber  den  Anschein,  als  ob  meine  Berichterstatter  in  ihrer  Be- 
hauptung, dass  sie  die  Spuren  gesehen  hätten,  vollkommen  zuverlässig 
waren,  und  auch  in  der  Angabe,  dass  diese  Spuren  hinterher  wieder  ver- 
schwinden. Das  letztere  wird,  wie  ich  durch  einen  angestellten  Versuch 
herausfand,  durch  die  zähe,  pechartige  Beschaffenheit  des  Schlammes  ver- 
ursacht, welcher  die  Eindrücke,  die  man  in  ihn  macht,  in  wenigen  Stunden 
wieder  ausfüllt. 

Sie  werden  sich  erinnern,  dass  ich  ein  Paar  Stelzen  von  den 
Benar  auf  der  Ostseite  von  Johore  geschickt  habe  und  dass  ich  dabei 
bemerkte,  dass  die  Männer,  welche  diese  Stelzen  zum  üeberschreiten  von 
Stellen  mit  domigem  Pflanzenwuchs  benutzen,  sich  vor  den  Malayen  in 
einen  niedrig  liegenden,  ungesunden  und  sumpfigen  Theil  des  Landes 
zurückgezogen  haben,  wohin  ihnen  zu  folgen  die  Malayen  keine  Neigung 
verspürten.  Ich  schrieb  auch  von  der  grossen  Tiefe  des  Flusses,  in 
welchem  die  „Jappar"-Fische  waren,  und  von  der  Gefahr,  in  den  sich  weit 


196  H.  V.  STSVEN5: 

von  seinen  Ufern  aus  erstreckenden  weichen,  schwarzen  Boden  einzusinken. 
Nun,  es  hat  sich  herausgestellt,  dass  die  Leute  mit  den  meterlangen  Füssen 
diese  selben  östlichen  Djäkun  sind.  Das  schlechte  Land  erstreckt  sich  un- 
regelmässig nordwärts  bis  gegen  Pahung  hin,  and  die  Johore-Djakun, 
welche  allein  seine  Schlupfwinkel  und  Untiefen  kennen,  die  Ton  allen 
anderen  gemieden  werden,  gehen  zuweilen,  um  zu  jagen  oder  um  Dschungel- 
Producte  zu  suchen,  nordwärts  wegen  der  dort  Yorkommenden  Prodncte, 
die  sie  austauschen,  verkaufen  oder  selber  gebrauchen.  Das  geschieht 
aber  nur  in  der  Zwischenzeit  zwischen  dem  Reifen  einer  Reisemte  und 
dem  Anpflanzen  einer  anderen,  wo  die  Leute  freie  Zeit  zum  Herum- 
wandern  finden;  und  das  stimmt  mit  der  Behauptung  der  Malayen  voll- 
ständig aberein,  dass  die  Männer  mit  den  grossen  Füssen,  die  sie  niemals 
selber  gesehen  haben,  nur  in  gewissen  Zwischenräumen  erscheinen. 

Um  über  die  höchst  gefahrlichen  und  verrätherischen  Stellen  sicher 
hinübergehen  zu  können  (die,  ohne  sich  dem  Auge  bemerklich  zu  machen, 
den  auftretenden  Fuss  einsinken  lassen  würden,  wie  Triebsand  in  anderen 
Ländern,  oder  wie  der  ziemlich  ähnliche  faulige  Erdboden  Anstraliena»  der 
genau  so,  wie  der  feste  und  harte  Grasboden  in  der  Umgebung  aussieht,  aber 
Pferd  und  Reiter  augenblicklich  bis  zu  den  Satteltaschen  einsinken  lässt), 
bindet  sich  der  Benar  unter  die  Fusssohlen  ein  B'rtam-Palmenblatt,  oder 
auch  zwei,  die,  doppelt  zusammengefaltet,  eine  Länge  von  *i  bis  3  Fuss 
haben  und  etwas  breiter,  als  die  Fusssohle  sind.  So  bewahrt  er  sich  wie 
mit  einer  Art  von  Schneeschuh  vor  dem  Einsinken,  wenn  er  eine  gefährliche 
Stelle  passirt.  Hat  er  dieselbe  überschritten,  so  wirft  er  die  ^Schuhe* 
fort  da  andere  sehr  leicht  wieder  herzustellen  sind.  Das  sind  die  meter- 
langen Füsse,  welche  nur  in  dem  Schlamme  gesehen  werden  und  von  den 
eingeborenen  Beobachtern  selbstverständlich  niemals  genau  geprüft  worden 
sind,  da  der  Abdruck  sich  ja  auf  dem  Schlamme  befindet,  der  von  einem, 
der  nicht  besonders  hierauf  vorbereitet  ist,  nicht  sicher  überschritten 
werden  kann.  Und  dann  verschwindet  der  Abdruck  von  selbst  wieder 
dadurch,  dass  sich  die  Oberfläche  des  Sumpfes  von  selbst  wieder  glättet. 
Das  hat  mich  oft  veranlasst  zu  schwören,  dass  der  unglückliche  Malaje, 
der  sich  die  Mühe  gab,  mir  die  Stelle  zu  zeigen,  wo  er  die  Spuren  ge- 
sehen zu  haben  behauptete,  ein  Lügner  erster  Klasse  sei. 

Da  diese  Fussbekleidung  aus  dem  Blatte  lose  gemacht  ist,  und  die 
Hlattrippen  beim  Trocknen  herausfallen  und  das  Ganze  seine  Form  ver- 
lieren würde,  so  kann  ich  keine  Muster  einsenden.  Der  lange  Blattstiel 
wird  rückwärts  und  dann  wieder  vorwärts  u.  s.  w.  so  viele  Male  geb<^n. 
als  das  Blatt  es  gestattet,  und  eine  oder  zwei  Blattrippen  werden  schnell 
wie  eine  Schnur  zusammengerollt,  um  das  Ganze  zusammenzuhalten.  Zwei 
oder  drei  Blattrippen  wenlen  zu  einer  Art  Seil  zusammengedreht,  von 
einer  Seite  zur  anderen  Ober  den  Spann  gezogen  und  auf  der  anderen 
Seite  an  der  Mittelrippe  de«  ttMdl  angebunden,  und  zwnr  so,  dass  eine 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  197 

Biegung  der  Mittelrippe  zwischen  der  grossen  und  der  zweiten  Zehe 
hindurchgeht,  ähnlich  wie  der  hölzerne  Pflock  der  im  Osten  gebräuchlichen 
Sandalen. 

Ich  war  im  Gespräche  mit  den  östlichen  Benar  über  diese  Geschichte 
von  den  Männern  mit  den  grossen  Füssen,  und  nach  einiger  Zeit  be- 
gannen sie  im  Flüsterton  mit  einander  zu  sprechen.  Darauf  erhob  sicli 
einer  der  jüngeren  Männer,  ging  fort  und  holte  einige  B'rtam-Blätter. 
Die  anderen  sammelten  sich  um  ihn,  während  er  die  Blätter  schnell  in 
die  richtige  Form  und  Gestalt  brachte  und  sich  dann  zu  einer  in  der 
Nähe  befindlichen  sumpfigen  Stelle  begab,  üeber  diese  ging  er,  oder 
schaufelte  er  vielmehr,  hinweg,  während  die  anderen  bei  mir  blieben  und 
meine  Aufmerksamkeit  auf  diesen  Vorgang  lenkten. 

Binterher  schienen  sie  sehr  belustigt  darüber  zu  sein,  dass  sich  der 
weisse  Mann  ebenso  gut  hatte  anführen  lassen,  wie  die  Malayen;  denn  es 
war  ihnen  bekannt,  dass  diese  Fussspuren  von  den  letzteren  für  die 
irgend  eines  Hantu  [Gespenstes]  gehalten  werden.  Aber  ich  vereinigte 
mich  mit  ihnen  in  dem  Lachen  über  mich  selbst,  und  ich  hatte  nun 
wenigstens  die  Erklärung  für  etwas,  was  mich  lange  Zeit  in  Verlegenheit 
gesetzt  hatte. 

[Orientirungsfähigkeit.]  Die  Geschichten,  welche  von  der  Ge- 
schicklichkeit der  wilden  Männer  erzählt  werden,  die  ihren  Weg  von 
einem  Punkte  zum  anderen  durch  pfadlose  Wälder  finden,  sind  oft  über- 
trieben. Ich  habe  selber  von  der  Leichtigkeit  gesprochen,  mit  welcher 
die  Orang  Hutan  eine  Reise  von  einigen  Tagen  in  irgend  einer  beliebigen 
Richtung  machen  können,  ohne  sich  zu  verirren.  Obgleich  nun  unzweifel- 
haft durch  Uebung  sich  besondere  Eigenschaften  entwickeln  können  und 
üeberlieferung  auch  hierzu  beiträgt,  so  ist  doch  die  Natur  des  Landes  und 
seine  Configuration  derartig  beschaffen,  dass  man  sehr  bald  zu  der  Er- 
fahrung gelangt,  dass  es  ganz  unmöglich  ist,  in  gewissen  Richtungen  weit 
fort  zu  wandern.  Die  lange  schmale  Halbinsel  senkt  sich  auf  jeder  Seite 
von  der  centralen  Gebirgskette  zu  der  See  herab.  Die  geologische  For- 
mation der  Oberfläche  und  die  davon  abhängige  Stufenfolge  der  Pflanzen- 
welt kennzeichnet  den  Weg  in  Bezug  auf  seinen  Abstand  von  der  See 
und  dem  Centrum,  und  von  dem  Rückgrat  der  Gebirgskette  fliessen  un- 
zählige Ströme  in  gleich  massiger  Richtung  zu  der  See  hinunter.  Dann 
ist  noch  die  Sonne  der  Hauptführer  zur  Bestimmung  der  Richtung.  In 
dem  Bewusstsein,  dass  der  eine  Theil  des  Dschungels  ihm  ebenso  gut 
Nahrung  liefern  wird,  als  ein  anderer,  und  daher  frei  von  der  Besorgniss 
des  Misslingens,  dringt  der  Dschungel -Mann  kühn  in  das  dunkle,  ver- 
wickelte Wirrsal  des  Blätterwerks  hinein,  in  dem  Vertrauen,  soweit  zum 
Ziele  zu  kommen,  dass. er  nach  kurzem  Herumspäheu  irgend  eine  ein- 
heimische Fährte  oder  ein  anderes  Zeichen  finden   wird,    das  ihn  an  die 


198  H.  V.  Stevens: 

gesuchte  Stelle  führt  Um  hierzu  fähig  zu  sein,  bedarf  es  keiner  un- 
gewöhnlichen Begabung. 

[Schwimmen.]  Der  Orang  Laut  ist  ein  vortrefflicher  Schwimmer. 
Er  schwimmt,  wie  der  Malaye,  auf  der  Brust,  wobei  der  Körper  sich  etwas 
in  seitlicher  Lage  befindet  Er  streckt  abwechselnd  den  linken  nnd  rechten 
Arm  aus  dem  Wasser  und  schlägt  sie  an  die  Seite  des  Körpers  zurück, 
wie  die  Speichen  eines  Rades  von  seinem  Mittelpunkte.  Die  Handflächen 
sind  dabei  mit  geöffneter  Hand  nach  rückwärts  gerichtet  und  mit  den 
Beinen  stöest  er  bei  jeder  Bewegung  des  Körpers  aus,  wie  ein  Frosch. 
Die  Kinder  schwimmen,  noch  bevor  sie  gehen  können,  ebenso  gut.  Die 
Orang  Laut  sind  auch  ausgezeichnete  Taucher. 

Die  Beleudas  schwimmen  wenig,  und  zwar  nur,  wenn  sie  einen  Fluss 
zu  kreuzen  haben,  oder  wenn  sie  sich  baden.  Sie  machen  dabei  Be- 
wegungen, wie  die  Hunde.  Obgleich  sie  den  Malayen  nahe  [verwandt]  sind, 
so  werfen  sie  doch  die  Arme  nach  vom  in  einem  schwingenden,  kreis- 
förmigen Schlage  heraus,  während  der  Körper  nach  der  dem  Schlage 
entgegengesetzten  Seite  sich  umdreht  Der  Brust-  oder  Seitenschlag,  wie 
auch  das  Rückenschwimmen  sind  unbekannt. 

Unter  dep  Beleudas  werden  die  Sinnoi  stets  als  die  besten  Schwimmer 
betrachtet;  das  kommt  wahrscheinlich  daher,  dass  sie  auf  dem  grossen 
Pahangfluss  mehr  Uebung  hatten. 

Die  Benua  schwimmen  gut  und  sind  gute  Taucher;  sie  benutzen  die 
malayische  Manier. 

Die  Tcmiä  können  nicht  schwimmen. 

Die  Semang  sind  sehr  schlechte  Schwimmer,  aber  ungefähr  zwei 
Drittel  unter  ihnen  können  schwimmen,  „keejooije".  Im  klaren  Wasser, 
das  ihnen  nur  bis  zur  Brust  reicht,  da  plätschern  sie  munter  umher.  Sie 
schwimmen  genau  auf  dieselbe  Art,  wie  die  nördlichen  Malayen,  indem 
sie,  auf  der  Brust  schwimmend,  mit  den  Händen  wie  die  Hunde  paddeln 
und  die  Beine  von  den  Knieen  an  vertical  nach  oben  ziehen  und  dann 
stark  nach  unten  treten,  wobei  sie  gehörig  umherplanschen.  In  dem  tiefen 
oder  strömenden  trüben  Wasser  haben  sie  eine  abergläubische  Angst;  sie 
fürchten  sich,  wie  ein  Kind  in  der  Dunkelheit,  da  sie  nicht  wissen,  was 
,,Kee^  schicken  wird,  um  sie  in  die  Tiefe  hinabzuziehen. 

[Klettern.]  Die  Orang  Laut  klettern,  wenn  sie  an  Bäumen  in  die 
Höhe  müssen,  gut  Da  die  Bäume  an  der  Küste  für  gewöhnlich  von  ge- 
ringerem Umfang  sind,  so  können  sie  mit  ihren  Händen  den  Stamm  bis 
über  die  Hälfte  umspannen,  und  sie  gebrauchen  ausserdem  auch  noch  die 
inneren  Randflächen  der  Füsse  zum  Hinaufsteigen.  Sie  scheinen  den  Ge- 
brauch eines  um  den  Baum  herumgelegten  Seiles  oder  einer  Schlinge 
nicht  zu  kennen.  Wenn  sie  aber  einen  [stärkeren]  Baum  zu  erklimmen 
wünschen,  so  scheinen  sie  nicht  im  Stande  zu  sein,  wie  die  Orang  Hutan 
mit  Hülfe    der  Arme    und  Beine    hinaufzuklettern,    sondern   sie   sind  go- 


Anthropologische  Bcmerkangen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  199 

zwungen,  sich  eine  Leiter  zu  fertigen.  Zu  diesem  Zweck  werden  Bambu- 
pflöcke  in  einem  Abstände  von  ungefähr  2  Fuss,  einer  über  dem  anderen/ 
in  den  Baum  hineingetrieben.  An  die  Enden  dieser  Pflöcke  wird  eine 
Bambus tange  gebunden,  welche  ungefähr  6  Zoll  von  dem  Baume  absteht. 
Auf  diesen  Pflöcken,  welche  wie  die  Sprossen  einer  Leiter  wirken,  steigt 
der  Mann  hinauf  und  treibt  während  des  Hinaufsteigens  neue  Pflöcke  über 
den  bereits  vorhandenen  in  den  Baum;  wenn  er  das  Ende  der  ange- 
bundenen Stange  erreicht  hat,  befestigt  er  als  Fortsetzung  derselben  eine 
zweite  senkrecht  an  ihr  u.  s.  w.,  bis  er  die  Zweige  erreicht.  Zum  Zu- 
sammenbinden wird  Rinde  benutzt.  Die  auf  diese  Weise  hergestellte 
Leiter  lässt  man  an  ihrer  Stelle,  bis  sie  zerfällt. 

Die  Semang  sind  schlechte  Kletterer;  ein  gewöhnliches  deutsches 
Schulmädchen  würde  den  besten  von  ihnen  übertrefien.  Wenn  es  darauf 
ankommt,  einen  hohen,  geraden  Stamm  zu  ersteigen,  so  ist  der  Belendas 
der  bessere.  Der  Seman<<  ist  hoch  oben  in  der  Luft  nervös,  besonders 
wenn  ein  bischen  Wind  weht.  Die  Winde  sind  für  ihn  die  Sendboten 
von  Krankheiten;  er  liebt  es  nicht,  in  ihrem  Bereiche  unbeschützt  auf 
dem  Wipfel  eines  hohen  Baumes  zu  sein. 

Das  Klettern  („Looig")  wird  je  nach  seiner  Art  und  Weise  mit  drei 
verschiedenen  Namen  bezeichnet: 

1.  „Chidward",  wobei  der  Fuss  gerade  ist,  genau  wie  die  Stellung, 
von  welcher  ich  Ihnen  eine  Photographie  eines  Belendas  schickte. 

2.  „Tinbom",  wobei  die  Füsse  sich  mit  der  inneren  Seite  der  Sohle 
anklammem,  um  auf  den  Baum  hinaufzugehen. 

3.  „Tee-Nungam",  wobei  das  Seil  gebraucht  wird,  genau  wie  in  Ceylon, 
oder  wobei  die  Arme  und  Beine  zugleich  den  Stamm  umfassen,  wie  eine 
Spanner-Raupe  oder  wie  ein  europäischer  Junge  hinaufklimmt.  Der  Griflf 
der  Hände  heisst  „Ma-Cheb". 

[Bei  einem  der  eingesendeten  Stücke  findet  sich  die  Angabe:] 
^Nungam",  das  Seil  zum  Klettern.  Es  wird  gebraucht,  um  die  Knöchel 
zusammenzuf essein,  während  die  innere  Seite  eines  jeden  Fusses  gegen 
den  Baum  gestemmt  ist. 

Wenn  es  sich  bei  den  Belendas  um  einen  kleinen  Baum  handelt,  so 
klettern  sie  wie  der  Sinnoi,  von  welchem  ich  Ihnen  eine  Photographie 
geschickt  habe.  Ein  sehr  grosser  Baum  hat  gewöhnlich  Schlingpflanzen 
und  herabhängende  Ranken,  oder  es  sind  auch  Bäume  von  geringerem 
Umfange  in  seiner  Nähe,  von  deren  Aesten  sich  dann  der  Orang  Hutan 
zu  dem  grösseren  hinaufschwingen  kann.  Er  versteht  es  aber  auch,  Ein- 
kerbungen in  die  Rinde  zu  schneiden,  um  mit  ihrer  Hülfe  in  den  Wipfel 
zu  steigen. 

Heut  zu  Tage  wird  jede  Art  des  Kletterns  angewendet,  die  sie  von 
den  Umwohnenden  gelernt  haben. 


200  H.  V.  Stevens; 

Die  älteste  Kletter-Methode  der  Benua  ist  die,  sich  das  Kopfseil  um 
die  Knöchel  zu  binden,  wie  es  die  Sinhalesen  machen. 

[Die  erhöht  angelegten  Hütten  der  Temiä  sind  mit  Hülfe  eines  schief 
gestellten  Stammes  zugänglich],  ähnlich  jenem,  aber  kürzerem,  den  die 
durch  Sklaverei  und  durch  die  Einfälle  der  Kowar  mit  viel  Temia-Blut 
vermischten  Belendas  von  Kuatan  benutzen.  Diese  gaben  als  Gnind  dafür 
an,  dass,  wenn  die  Männer  von  ihren  thürlosen  Hütten  fem  sind,  die 
Hunde  und  das  Geflügel,  das  sich  dort  überall  herumtreibt,  in  die  Hütten 
laufen  und  dort  Unfug  anrichten  könne. 

Bei  den  Temiä  ausschliesslich  ist  der  Grund,  die  Eindringlinge  von 
der  luftigen  Residenz  fern  zu  halten,  aber  ein  viel  ernsterer;  denn 
es  handelt  sich  um  den  schwarzen  Panther  und  die  Python -Schlange. 
Deshalb  wird  ein  glatter,  schlüpfriger  Bambu  sorgfältig  von  allen  Hervor- 
ragungen an  den  Knoten  befreit  und  blank  polirt  und  dann  in  solcher 
Weise  aufgerichtet,  dass  die  ausgestreckte  Hand  hier  und  da  einen  unter- 
stützenden Halt  an  einem  dünnen  Zweige  oder  Stock  finden  kann  (der 
aber  nicht  stark  genug  sein  darf,  um  das  Gewicht  des  unliebsamen  Be- 
suchers tragen  zu  können),  damit  so  die  Füsse  beim  Klettern  unterstützt 
werden.  Das  lernen  durch  Uebung  sogar  die  Weiber  und  Kinder,  so  dass 
die  ersteren  mit  Wassertöpfen,  die  Kinder  mit  Nahrungsmitteln  beladen 
ohne  viele  Schwierigkeit  auf  und  absteigen  können.  Die  nackten  Füsse 
schmiegen  sich  an  die  schlüpfrige,  glatte  Oberfläche  des  schiefgeneigten 
Bambu  in  einer  Weise,  welche  die  abendländischen  Stiefel  nicht  er- 
reichen können.  Es  kommt  dabei  kein  besonderer  Griff  der  Zehen  in 
Anwendung,  und  die  Zehen  der  Temiä,  besonders  die  grosse,  sind  nicht 
stärker  zum  Greifen  entwickelt,  als  die  Zehen  anderer  Sakai.  Sehr 
kleine  Kinder  werden  oft  stundenlang  in  diesen  luftigen  Hütten  gelassen, 
ihrer  eigenen  Sicherheit  wegen,  da  sie  hier  vor  der  grossen  Katze  und  der 
Schlange  verbarricadirt  und  durch  die  niedere  Palissadenwand  vor  dem 
Herabfallen  geschützt  sind.  • 

[Werfen.]  Wenn  der  Semang  einen  Stein  wirft,  so  ist  er  so  un- 
geschickt, wie  eine  Jluropäerin;  die  Bewegung  ist  die  gleiche,  mit  der 
Schulter,  anstatt  mit  dem  Handgelenk  und  dem  Ellenbogen. 

Die  Orang  Laut  sind  sehr  sichere  und  kräftige  Werfer  und  sie  über- 
treffen in  dieser  Beziehung  die  anderen  hier  bei  Weitem.  [Das  gilt  nicht 
nur  für  Steine,  sondern  sie  sind  auch)  sehr  geübt  und  geschickt,  mit  der 
Schale  einer  flachen  Muschel,  wie  z.  B.  der  Perlmutterauster,  zu  werfen. 
Sie  halten  sie  am  Rande  zwischen  einem  Finger  und  dem  Daumen,  so 
dass  die  Schale  nach  hinten  flach  über  dem  Handgelenke  liegt,  und 
schleudern  sie  mit  einem  Ruck  auf  eine  Krabbe  oder  einen  Vogel  im 
Sande,  so  dass  sie  dieselben  mit  dem  scliarfen  Rande  treffen.  Ein  Klumpen 
liarter  Koralle  mit  einem  natürlichen  Loch,  durch  das  sie  einen  aus  Weiden 
geflochtenen    Strick   ziehen   und  zu    einem  Ringe   zusammenbinden,    wird 


Anthropologischo  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  201 

mit    Hülfe    dieses    Strickes   mit   grosser   Kraft   und   TrefiFsicherheit    nach 
Krabben  am  Strande  u.  s.  w.  geworfen. 

[Körperkraft.]  Was  die  Körperkraft  anbetrifft,  so  habe  ich  damals 
noch  keinen  Kraftmesser  gehabt.  Aber  wie  man  einen  Affen  nicht  stark 
nennen  würde,  obgleich  er  so  wunderbar  gewandt  ist,  gerade  so  verhält 
es  sich  auch  mit  einem  Orang  Kutan,  [üeber  die  Ausdauer  der  ver- 
schiedenen Stämme  auf  der  Reise  wurde  oben  schon  berichtet.] 

[Kraft  an  strengung,]  In  Bezug  auf  die  Anstrengung  in  bestimmter 
Richtung  scheinen  die  Orang- Hütan,  wie  alle  Asiaten,  allgemein  den 
Zug  derii  Stosse  vorzuziehen,  was  nach  meiner  Meinung  eine  nothwendige 
Folge  der  hockenden  Stellung  ist,  die  sie  einzunehmen  gewohnt  sind. 
Ich  habe  von  der  Beobachtung  gelesen,  dass  die,  im  Vergleiche  zu  den 
europäischen  umgekehrten  Zähne  der  [indischen]  und  anderen  Sägen  ehi 
Beweis  dafür  sind,  dass  man  dem  Zuge  vor  dem  Stosse  den  Vorzug  giebt. 
Es  scheint  mir,  dass  es  einen  merklichen  Grund  für  diese  Richtung  der 
Anstrengung  giebt.  Die  orientalischen  Sägen  sind  aus  einem  dünnen  Stahl- 
blatt gefertigt,  das,  um  ihm  Steifheit  zu  geben,  in  einen  Rahmen  eingespannt 
ist.  Diese  angestrebte  Steifheit  ist  aber  in  der  That  nur  eine  relative, 
und  wenn  die  Zähne  bei  schlechter  Führung  in  das  Holz  eindringen,  so 
würde  dadurch  der  weiche  Stahl  aufgelockert  werden  können,  was  durch 
das  Ziehen  vermieden  wird.  Der  Körper  der  Orang  Hutan  ist  zart  gebaut 
und  besitzt  nicht  die  kräftig  entwickelten  Knochen  des  abendländischen 
Mannes.  Indem  man  nun  dem  Zuge  den  Vorzug  giebt,  vermeidet  man  die 
Gefahr  einer  Quetschung. 

Die  Kinder  der  Belendas  kennen  das  Zug-Kampfspiel,  wobei  auf  jeder 
Seite  ein  oder  mehrere  Kinder  sich  an  einem  Seile  hin-  und  herziehen. 
Sie  haben  das  wahrscheinlich  von  den  malayischen  Kindern,  die  man 
häufig  so  spielen  sieht.  Von  den  Djakun- Kindern  nehmen  je  zwei  ein 
Ende  eines  Rotan- Seiles  zwischen  die  Zähne  und  ziehen  nun,  bis  der  eine 
den  anderen  überwältigt  hat;  das  malayische  Zug -Kampfspiel  haben 
sie  nicht 

Es  machte  mir  viel  Vergnügen,  zuzusehen,  wie  ein  kleiner  Djakun 
eines  Tages  eine  Schaar  kleiner  Kameraden  damit  unterhielt,  dass  er  sich 
in  der  wohlbekannten  indischen  Weise  niedersetzte,  die  Sohlen  flach  auf 
den  Boden  gestellt,  die  Beine  bis  nahe  zum  Körper  aufwärts  gezogen  und 
in  den  Knieen  gebengt  den  Körper  aber  bis  nahe  zur  Erde  niedergesenkt. 
In  dieser  Stellung  wurde  ihm  ein  kleiner  Bambustab  zwischen  die  rück- 
wärts geschobenen  Ellenbogen  und  den  Rücken  gesteckt.  Dann  musste 
sich  die  auf  diese  Weise  zusammengepackte  fette  kleine  Tonne  von  einem 
Jungen  nach  vorwärts  niederbiegen,  bis  er  mit  der  Stirn  den  Erdboden 
berührte;  der  Bambu  durfte  dabei  aber  nicht  aus  dem  Ellenbogen  hinaus- 
gleiten. Alle  machten  den  Versuch,  aber  dieser  kleine  Kerl  war  der  ge- 
übteste und  geschmeidigste  von  allen. 


194  H.  V.  Stbvens: 

gesenkt  gehalten,  wie  eingeschüchterte  und  furchtsame  Kinder  das  zir 
thun  pflegen,  und  nur  die  Augen  sind  wachsam  und  lebhaft. 

Genau  ebenso  schwierig  ist  die  Frage  zu  beantworten,  was  die  gewöhn- 
liche Haltung  der  Handfläche  anbetrifft,  ob  sie  nach  vom,  nach  hinten 
oder  seitwärts  gerichtet  ist.  Eine  oder  auch  beide  Hände  sind  bei  den 
Männern  und  Kindern  durch  die  Waffe  oder  das  Werkzeug,  bei  den 
Weibern  durch  die  Nahrung  so  beständig  in  Anspruch  genommen,  während 
durch  die  andere  stets  die  Augen  vor  Blättern  und  Zweigen  geschützt 
werden  müssen,  dass  sie  sehr  selten  in  Ruhe  sind.  Soweit  ich  aber  die 
ruhige  Haltung  der  Handfläche  haben  beobachten  können,  war  sie  bei  den 
Belendas,  Djäkun  und  Temiä  nach  hinten  gerichtet,  bei  den  Xegrito» 
aber  seitwärts,  gegen  das  Bein  oder  ein  wenig  nach  vorn. 

Die  Kinder  der  Orang  Laut  werden  am  Lande  sehr  bald  müde  und 
gehen  mit  nach  auswärts  gebogenen  Beinen;  die  Halbblütigen  sind  gerader 
und  stärker. 

[Aber  auch]  die  erwachsenen  Orang  Laut  ermüden  sehr  leicht  beim 
Gehen,  und  der  Gang  dieses  ganzen  Volkes  ist  in  der  That  sehr  un- 
geschickt auf  dem  Lande,  weil  sie  so  viel  zusammengekauert  in  den 
kleinen  Booten  hocken;  man  kann  sie  augenblicklieh  an  demselben  er- 
kennen. 

[Die  wilden  Stämme  kennen  einen  besonderen  Dämon  (Hantu)  der 
Ermüdung.  *)J 

Die  Semang  sind  schlechte  Läufer,  aber  sie  sind  wie  die  Aale  oder 
Schlangen,  wenn  es  sich  darum  handelt,  durch  morastigen  Sumpf  oder 
durch  dichten  Wald  hindurch  zu  kommen.  Ihre  kleinen  Körper  sind  sehr 
geschmeidig  und  biegsam.  Sie  übertreffen  hierin  die  Belendas,  obgleich 
die  letzteren  bessere  Buschmänner  sind,  wenn  es  darauf  ankommt,  im  un- 
bekannten Walde  von  einem  Punkte  nach  einem  anderen  zu  gehen.  Unter 
den  Büschen  sind  sie  aber  besser  als  die  Belendas,  und  im  Mangrove^ 
Walde,  dem  all  ergefährlichsten  Keisegebiete,  welches  es  überhaupt  giebt 
springen  sie,  über  meine  ängstliche  Vorsicht  lachend,  von  Wurzel  zu 
Wurzel  mit  derselben  Vorsicht»  wie  die  Eidechsen  selbst. 

[Die  grossen  Pussstapfen.')]  [In  einem  Briefe  schreibt  Stevens:] 
Solch  ein  Spass!  Ich  habe  die  Leute  mit  den  meterlangen  Püssen 
Kchliesslich  doch  ausfindig  gemacht!  Ich  war  neugierig,  in  Erfahrung  zu 
bringen,  ob  die  ^ciapoden  des  Plinius,  welche  sich  dadurch  vor  den 
Sonnenstrahlen  schützten,  dass  sie  sich  auf  den  Kücken  legten  und  ihre 
grossen  Püsae  emporhielten,  wirkliche  Menschen  wären,  die  durch  die 
Natur  des  Landes  gezwungen  waren,  dieses  mit  derartigen  Mitteln  zu 
durchschreiten. 


V  Grünwcdel  1.    S.  136. 
2   Grfinwedel  1.    S.  82. 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  195 

Apolloiiius  von  Tyana  schrieb  in  Uebereinstinimung  mit  seinem 
Biographen  Philostratus,  dass  diese  mit  ungeheuren  Füssen  versehenen 
Leute  in  Indien  leben,  und  im  British  Museum  giebt  es  eine  illuminirte 
Manuscript  -  Copie  der  Werke  des  geographischen  Schriftstellers  imd 
Reisenden  Sir  John  Handeville,  wo  einer  dieser  mit  Sonnenschirm- 
Füssen  behafteten  Herren  gerade  in  jener  Stellung,  aber  nur  mit  einem 
Beine,  abgemalt  ist. 

Es  mag  sein,  dass,  da  Indien  unzweifelhaft  vielerlei  Berührungen 
mit  den  Malayen  und  der  Halbinsel  hatte,  noch  viele  der  alten  Geschichten, 
Mythen  und  Dämonen  -  Attribute  in  halbvergessener  Ueberlieferung 
ächlummem.  Und  vielleicht  ist  auch  die  Erzählung  von  einer  Rasse  von 
wilden,  schwarzen,  affenähnlichen  Menschen  mit  ungeheuren,  meterlangen 
Füssen,  welche  noch  in  den  einsamen  und  gemiedenen  Tiefen  des  niedrig 
liegenden,  sumpfigen  und  schwammigen  Landes  südlich  von  Pahang  auf 
der  Ostseite  existiren  sollen,  ein  alter  indischer  Aberglaube.  Es  ist  das  der 
einzige  Platz,  wie  ich  vor  längerer  Zeit  berichtete,  wo  ihre  Fussspuren 
wirklich  gesehen  worden  sind.  Ich  hatte  in  meinem  früheren  Berichte 
angegeben,  dass  Männer  mir  erklärt  hatten,  dass  sie  wirkliche  Fussstapfen 
in  dem  Sumpfe  der  dunkelsten  und  am  wenigsten  besuchten  Tiefen  des 
beinahe  unzugänglichen  Dschungel,  der  diesen  Landestheil  bedeckt,  ge- 
sehen hätten. 

Da  die  Stellen  stets  beim  zuföUigen  Umherwandem  in  dieser  un- 
angenehmen und  gefährlichen  Gegend  (gefährlich  auch  wegen  der  ver- 
rätherischen  Natur  des  weichen,  schwarzen,  nassen  Sumpfbodens)  gefunden 
wurden,  mir  dann  durch  die  Beobachter  aber  niemals  wieder  gezeigt  werden 
konnten,  so  wusste  ich  nicht,  ob  ich  an  die  Existenz  solcher  Fussspuren 
glauben  sollte  oder  nicht,  obgleich  ich  selbstverständlich  nicht  glaubte,  dass 
sie  von  einem  menschlichen  Fusse  herrührten. 

Es  hat  aber  den  Anschein,  als  ob  meine  Berichterstatter  in  ihrer  Be- 
hauptung, dass  sie  die  Spuren  gesehen  hätten,  vollkommen  zuverlässig 
waren,  und  auch  in  der  Angabe,  dass  diese  Spuren  hinterher  wieder  ver- 
schwinden. Das  letztere  wird,  wie  ich  durch  einen  angestellten  Versuch 
herausfand,  durch  die  zähe,  pechartige  Beschaffenheit  des  Schlammes  ver- 
ursacht, welcher  die  Eindrücke,  die  man  in  ihn  macht,  in  wenigen  Stunden 
wieder  ausfüllt. 

Sie  werden  sich  erinnern,  dass  ich  ein  Paar  Stelzen  von  den 
Benar  auf  der  Ostseite  von  Johore  geschickt  habe  und  dass  ich  dabei 
bemerkte,  dass  die  Männer,  welche  diese  Stelzen  zum  Ueberschreiten  von 
Stellen  mit  domigem  Pflanzenwuchs  benutzen,  sich  vor  den  Malayen  in 
einen  niedrig  liegenden,  ungesunden  und  sumpfigen  Theil  des  Landes 
zurückgezogen  haben,  wohin  ihnen  zu  folgen  die  Malayen  keine  Neigimg 
verspürten.  Ich  schrieb  auch  von  der  grossen  Tiefe  des  Flusses,  in 
welchem  die  „Jappar"-Fische  waren,  und  von  der  Gefahr,  in  den  sich  weit 


196  H.  V.  8TEVEN5; 

von  seinen  Ufern  aus  erstreckenden  weichen,  schwarzen  Boden  einzusinken. 
Nun,  es  hat  sich  herausgestellt,  dass  die  Leute  mit  den  meterlangen  Füssen 
diese  selben  östlichen  Djäkun  sind.  Das  schlechte  Land  erstreckt  sich  nn- 
regelmässig  nordwärts  bis  gegen  Pahang  hin,  und  die  Johore- Djäkun, 
welche  allein  seiue  Schlupfwinkel  und  Untiefen  kennen,  die  von  allen 
anderen  gemieden  werden,  gehen  zuweilen,  um  zu  jagen  oder  um  Dschungel- 
Producte  zu  suchen,  nordwärts  wegen  der  dort  vorkommenden  Producte, 
die  sie  austauschen,  verkaufen  oder  selber  gebrauchen.  Das  geschieht 
aber  nur  in  der  Zwischenzeit  zwischen  dem  Reifen  einer  Reisemte  und 
dem  Anpflanzen  einer  anderen,  wo  die  Leute  freie  Zeit  zum  Herum- 
wandeni  finden;  und  das  stimmt  mit  der  Behauptung  der  Malayen  voll- 
ständig überein,  dass  die  Männer  mit  den  grossen  Füssen,  die  sie  niemals 
selber  gesehen  haben,  nur  in  gewissen  Zwischenräumen  erscheinen. 

Um  über  die  höchst  gefährlichen  und  verrätherischen  Stellen  sicher 
hinübergehen  zu  können  (die,  ohne  sich  dem  Auge  bemerklich  zu  machen, 
den  auftretenden  Fuss  einsinken  lassen  würden,  wie  Triebsand  in  anderen 
Ländern,  oder  wie  der  ziemlich  ähnliche  faulige  Erdboden  Australiens,  der 
genau  so,  wie  der  feste  und  harte  Grasboden  in  der  Umgebung  aussieht,  aber 
Pferd  und  Reiter  augenblicklich  bis  zu  den  Satteltaschen  einsinken  lässt), 
bindet  sich  der  Benar  unter  die  Fusssohlen  ein  BVtam-Palmenblatt  oder 
auch  zwei,  die,  doppelt  zusammengefaltet,  eine  Länge  von  2  bis  3  Fuss 
haben  und  etwas  breiter,  als  die  Fusssohle  sind.  So  bewahrt  er  sich  wie 
mit  einer  Art  von  Schneeschuh  vor  dem  Einsinken,  wenn  er  eine  gefährliche 
Stelle  passirt.  Hat  er  dieselbe  überschritten,  so  wirft  er  die  „Schuhe*" 
fort,  da  andere  sehr  leicht  wieder  herzustellen  sind.  Das  sind  die  meter- 
langen Füsse,  welche  nur  in  dem  Schlamme  gesehen  werden  und  von  den 
eingeborenen  Beobachtern  selbstverständlich  niemals  genau  geprüft  worden 
sind,  da  der  Abdruck  sich  ja  auf  dem  Schlamme  befindet,  der  von  einem, 
der  nicht  besonders  hierauf  vorbereitet  ist,  nicht  sicher  überschritten 
werden  kann.  Und  dann  verschwindet  der  Abdruck  von  selbst  wieder 
dadurch,  dass  sich  die  Oberfläche  des  Sumpfes  von  selbst  wieder  glättet. 
Das  hat  mich  oft  veranlasst  zu  schwören,  dass  der  unglückliche  Malaye, 
der  sich  die  Mühe  gab,  mir  die  Stelle  zu  zeigen,  wo  er  die  Spuren  ge- 
sehen zu  haben  behauptete,  ein  Lügner  erster  Klasse  sei. 

Da  diese  Fussbekleidung  aus  dem  Blatte  lose  gemacht  ist,  und  die 
Blattrippen  beim  Trocknen  herausfallen  und  das  Ganze  seine  Form  ver- 
lieren würde,  so  kann  ich  keine  Muster  einsenden.  Der  lange  Blattstiel 
wird  rückwärts  und  dann  wieder  vorwärts  u.  s.  w.  so  viele  Male  gebogen, 
als  das  Blatt  es  gestattet,  und  eine  oder  zwei  Blattrippen  werden  schnell 
wie  eine  Schnur  zusammengerollt,  um  das  Ganze  zusammenzuhalten.  Zwei 
oder  drei  Blattrippen  werden  zu  einer  Art  Seil  zusammengedreht,  von 
einer  Seite  zur  anderen  über  den  Spann  gezogen  und  auf  der  anderen 
Seite  an  der  Mittelrippe  des  Bündels  angebunden,  und  zwar  so,  dass  eine 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  yon  Malacca.  197 

Biegung  der  Mittelrippe  zwischen  der  grossen  und  der  zweiten  Zehe 
hindurchgeht,  ähnlich  wie  der  hölzerne  Pflock  der  im  Osten  gebräuchlichen 
Sandalen. 

Ich  war  im  Gespräche  mit  den  östlichen  Benar  über  diese  Geschichte 
TOD  den  Männern  mit  den  grossen  Füssen,  und  nach  einiger  Zeit  be- 
gannen sie  im  Flüsterton  mit  einander  zu  sprechen.  Darauf  erhob  sicJi 
einer  der  jüngeren  Männer,  ging  fort  und  holte  einige  B'rtam-Blätter. 
Die  anderen  sammelten  sich  um  ihn,  während  er  die  Blätter  schnell  in 
die  richtige  Form  und  Gestalt  brachte  und  sich  dann  zu  einer  in  der 
Xähe  befindlichen  sumpfigen  Stelle  begab.  Ueber  diese  ging  er,  oder 
schaufelte  er  vielmehr,  hinweg,  während  die  anderen  bei  mir  blieben  und 
meine  Aufmerksamkeit  auf  diesen  Vorgang  lenkten. 

Hinterher  schienen  sie  sehr  belustigt  darüber  zu  sein,  dass  sich  der 
weisse  Mann  ebenso  gut  hatte  anfQhren  lassen,  wie  die  Malayen;  denn  es 
war  ihnen  bekannt,  dass  diese  Fussspuren  von  den  letzteren  für  die 
irgend  eines  Hantu  [Gespenstes]  gehalten  werden.  Aber  ich  vereinigte 
mich  mit  ihnen  in  dem  Lachen  über  mich  selbst,  und  ich  hatte  nun 
wenigstens  die  Erklärung  für  etwas,  was  mich  lange  Zeit  in  Verlegenheit 
gesetzt  hatte. 

[Orientirungsfähigkeit.]  Die  Geschichten,  welche  von  der  Ge- 
schicklichkeit der  wilden  Männer  erzählt  werden,  die  ihren  Weg  von 
einem  Punkte  zum  anderen  durch  pfadlose  Wälder  finden,  sind  oft  über- 
trieben. Ich  habe  selber  von  der  Leichtigkeit  gesprochen,  mit  welcher 
die  Orang  Hutan  eine  Reise  von  einigen  Tagen  in  irgend  einer  beliebigen 
Richtung  machen  können,  ohne  sich  zu  verirren.  Obgleich  nun  unzweifel- 
haft durch  Uebung  sich  besondere  Eigenschaften  entwickeln  können  und 
üeberlieferung  auch  hierzu  beiträgt,  so  ist  doch  die  Natur  des  Landes  und 
seine  Configuration  derartig  beschaffen,  dass  man  sehr  bald  zu  der  Er- 
fahrung gelangt,  dass  es  ganz  unmöglich  ist,  in  gewissen  Richtungen  weit 
fort  zu  wandern.  Die  lange  schmale  Halbinsel  senkt  sich  auf  jeder  Seite 
von  der  centralen  Gebirgskette  zu  der  See  herab.  Die  geologische  For- 
mation der  Oberfläche  und  die  davon  abhängige  Stufenfolge  der  Pflanzen- 
welt kennzeichnet  den  Weg  in  Bezug  auf  seinen  Abstand  von  der  See 
und  dem  Centrum,  und  von  dem  Rückgrat  der  Gebirgskette  fliessen  un- 
zählige Ströme  in  gleichmässiger  Richtung  zu  der  See  hinunter.  Daim 
ist  noch  die  Sonne  der  Ilauptführer  zur  Bestimmung  der  Richtung.  In 
dem  Bewusstsein,  dass  der  eine  Theil  des  Dschungels  ihm  ebenso  gut 
Nahrung  liefern  wird,  als  ein  anderer,  und  daher  frei  von  der  Besorgniss 
des  Misslingens,  dringt  der  Dschungel -Mann  kühn  in  das  dunkle,  ver- 
wickelte Wirrsal  des  Blätterwerks  hinein,  in  dem  Vertrauen,  soweit  zum 
Ziele  zu  kommen,  dass, er  nach  kurzem  Herumspähen  irgend  eine  ein- 
heimische Fährte  oder  ein  anderes  Zeichen  finden   wird,    das  ihn  an  die 


198  H.  V.  Stevens: 

gesuchte  Stelle  führt.  Um  hierzu  fähig  zu  sein,  bedarf  es  keiner  un- 
gewöhnlichen Begabung. 

[Schwimmen.]  Der  Orang  Laut  ist  ein  vortrefflicher  Schwimmer. 
Er  schwimmt,  wie  der  Malaye,  auf  der  Brust,  wobei  der  Körper  sich  etwas 
in  seitlicher  Lage  befindet.  Er  streckt  abwechselnd  den  linken  und  rechten 
Arm  aus  dem  Wasser  und  schlägt  sie  an  die  Seite  des  Körpers  zurück, 
wie  die  Speichen  eines  Rades  von  seinem  Mittelpunkte.  Die  Handflächen 
sind  dabei  mit  geöffneter  Hand  nach  rückwärts  gerichtet  und  mit  den 
Beinen  stöest  er  bei  jeder  Bewegung  des  Körpers  aus,  wie  ein  Frosch. 
Die  Kinder  schwimmen,  noch  bevor  sie  gehen  können,  ebenso  gut.  Die 
Orang  Laut  sind  auch  ausgezeichnete  Taucher. 

Die  Belendas  schwimmen  wenig,  und  zwar  nur,  wenn  sie  einen  Fluss 
zu  kreuzen  haben,  oder  wenn  sie  sich  baden.  Sie  machen  dabei  Be- 
wegungen, wie  die  Himde.  Obgleich  sie  den  Malayen  nahe  [verwandt]  sind, 
so  werfen  sie  doch  die  Arme  nach  vorn  in  einem  schwingenden,  kreis- 
förmigen Schlage  heraus,  während  der  Körper  nach  der  dem  Schlage 
entgegengesetzten  Seite  sich  umdreht.  Der  Brust-  oder  Seitenschlag,  wie 
auch  das  Kückenschwimmen  sind  unbekannt. 

Unter  dep  Belendas  werden  die  Sinnoi  stets  als  die  besten  Schwimmer 
betrachtet;  das  kommt  wahrscheinlich  daher,  dass  sie  auf  dem  grossen 
Pahangfluss  mehr  Uebung  hatten. 

Die  Benua  schwimmen  gut  und  sind  gute  Taucher;  sie  benutzen  die 
malayische  Manier. 

Die  Temiä  können  nicht  schwimmen. 

Die  Semang  sind  sehr  schlechte  Schwimmer,  aber  ungefähr  zwei 
Drittel  unter  ihnen  können  schwimmen,  „keejooije".  Im  klaren  Wasser, 
das  ihnen  nur  bis  zur  Brust  reicht,  da  plätschern  sie  munter  umher.  Sie 
schwimmen  genau  auf  dieselbe  Art,  wie  die  nördlichen  Malayen,  indem 
sie,  auf  der  Brust  schwimmend,  mit  den  Händen  wie  die  Hunde  paddeln 
und  die  Beine  von  den  Knieen  an  vertical  nach  oben  ziehen  und  dann 
stark  nach  unten  treten,  wobei  sie  gehörig  umherplansehen.  In  dem  tiefen 
oder  strömenden  trüben  Wasser  haben  sie  eine  abergläubische  Angst;  sie 
fürchten  sich,  wie  ein  Kind  in  der  Dunkelheit,  da  sie  nicht  wissen,  was 
„Kee"  schicken  wird,  um  sie  in  die  Tiefe  hinabzuziehen. 

[Klettern.]  Die  Orang  Laut  klettern,  wenn  sie  an  Bäumen  in  die 
Höhe  müssen,  gut.  Da  die  Bänme  an  der  Küste  für  gewöhnlich  von  ge- 
ringerem Umfang  sind,  so  können  sie  mit  ihren  Händen  den  Stamm  bis 
ü))er  die  Hälfte  umspannen,  und  sie  gebrauchen  ausserdem  auch  noch  <iie 
inneren  Randflächen  der  Füsse  zum  Hinaufsteigen.  Sie  scheinen  den  Ge- 
brauch eines  nm  den  Baum  herumgelegten  Seiles  oder  einer  Schlinge 
nicht  zu  kennen.  Wenn  sie  aber  einen  [stärkeren]  Baum  zu  erklimmen 
wünschen,  so  scheinen  sie  nicht  im  Stande  zu  sein,  wie  die  Orang  Hutan 
mit  Hülfe    der  Arme    und  Beine    hinaufzuklettern,    sondern   sie   sind  ge- 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  199 

zwuDgen,  sich  eine  Leiter  zu  fertigen.  Zu  diesem  Zweck  werdeu  Bambu- 
pflöcke  in  einem  Abstände  von  ungefähr  2  Fuss,  einer  über  dem  anderen/ 
in  den  Baum  hineingetrieben.  An  die  Enden  dieser  Pflöcke  wird  eine 
Bambustange  gebunden,  welche  ungefähr  6  Zoll  von  dem  Baume  absteht. 
Auf  diesen  Pflöcken,  welche  wie  die  Sprossen  einer  Leiter  wirken,  steigt 
der  Mann  hinauf  und  treibt  während  des  Hinaufsteigens  neue  Pflöcke  über 
den  bereits  vorhandenen  in  den  Baum;  wenn  er  das  Ende  der  ange- 
bundenen Stange  erreicht  hat,  befestigt  er  als  Fortsetzung  derselben  eine 
zweite  senkrecht  an  ihr  u.  s.  w.,  bis  er  die  "Zweige  erreicht.  Zum  Zu- 
sammenbinden wird  Rinde  benutzt.  Die  auf  diese  Weise  hergestellte 
Leiter  lässt  man  an  ihrer  Stelle,  bis  sie  zerfällt. 

Die  Semang  sind  schlechte  Kletterer;  ein  gewöhnliches  deutsches 
Schulmädchen  würde  den  besten  von  ihnen  übertreffen.  Wenn  es  darauf 
ankommt,  einen  hohen,  geraden  Stamm  zu  ersteigen,  so  ist  der  Belendas 
der  bessere.  Der  Seman<2:  ist  hoch  oben  in  der  Luft  nervös,  besonders 
wenn  ein  bischen  Wind  weht.  Die  Winde  sind  für  ihn  die  Sendboten 
von  Krankheiten;  er  liebt  es  nicht,  in  ihrem  Bereiche  unbeschützt  auf 
dem  Wipfel  eines  hohen  Baumes  zu  sein. 

Das  Klettern  („Looig")  wird  je  nach  seiner  Art  und  Weise  mit  drei 
verschiedenen  Namen  bezeichnet: 

1.  „Chidward",  wobei  der  Fuss  gerade  ist,  genau  wie  die  Stellung, 
von  welcher  ich  Ihnen  eine  Photographie  eines  Belendas  schickte. 

2.  „Tinboni",  wobei  die  Füsse  sich  mit  der  inneren  Seite  der  Sohle 
anklammem,  um  auf  den  Baum  hinaufzugehen. 

3.  „Tee-Nungarn",  wobei  das  Seil  gebraucht  wird,  genau  wie  in  Ceylon, 
oder  wobei  die  Arme  und  Beine  zugleich  den  Stamm  umfassen,  wie  eine 
Spanner-Raupe  oder  wie  ein  europäischer  Junge  hinaufklimmt.  Der  Griff 
der  Hände  heisst  ,,Ma-Cheb". 

[Bei  einem  der  eingesendeten  Stücke  findet  sich  die  Angabe:] 
„Nungam",  das  Seil  zum  Klettern.  Es  wird  gebraucht,  um  die  Knöchel 
zusammenzufesseln,  während  die  innere  Seite  eines  jeden  Fusses  gegen 
den  Baum  gestemmt  ist. 

Wenn  es  sich  bei  den  Belendas  um  einen  kleinen  Baum  handelt,  so 
klettern  sie  wie  der  Sinnoi,  von  welchem  ich  Ihnen  eine  Photographie 
geschickt  habe.  Ein  sehr  grosser  Baum  hat  gewöhnlich  Schlingpflanzen 
und  herabhängende  Ranken,  oder  es  sind  auch  Bäume  von  geringerem 
Umfange  in  seiner  Nähe,  von  deren  Aesten  sich  dann  der  Orang  Hutan 
zu  dem  grösseren  hinaufschwingen  kann.  Er  versteht  es  aber  auch,  Ein- 
kerbungen in  die  Rinde  zu  schneiden,  um  mit  ihrer  Hülfe  in  den  Wipfel 
zu  steigen. 

Heut  zu  Tage  wird  jede  Art  des  Kletterns  angewendet,  die  sie  von 
den  Umwohnenden  gelernt  haben. 


200  H.  V.  Stevens: 

Die  älteste  Kletter-Methode  der  Benua  ist  die,  sich  das  Eopfseil  um 
die  Knöchel  zu  binden,  wie  es  die  Sinhalesen  machen. 

[Die  erhöht  angelegten  Hütten  der  Temiä  sind  mit  Hülfe  eines  schief 
gestellten  Stammes  zugänglich],  ähnlich  jenem,  aber  kürzerem,  den  die 
durch  Sklaverei  und  durch  die  Einfälle  der  Kowar  mit  viel  Temia-Blut 
vermischten  Belendas  von  Euatan  benutzen.  Diese  gaben  als  Grund  dafür 
an,  dass,  wenn  die  Männer  von  ihren  thürlosen  Hütten  fern  sind,  die 
Hunde  und  das  Geflügel,  das  sich  dort  überall  herumtreibt,  in  die  Hütten 
laufen  und  dort  Unfug  anrichten  könne. 

Bei  den  Temiä  ausschliesslich  ist  der  Grund,  die  Eindringlinge  von 
der  luftigen  Residenz  fern  zu  halten,  aber  ein  viel  ernsterer;  denn 
es  handelt  sich  um  den  schwarzen  Panther  und  die  Python -Schlange. 
Deshalb  wird  ein  glatter,  schlüpfriger  Bambu  sorgfältig  von  allen  Hervor- 
ragungen an  den  Knoten  befreit  und  blank  polirt  und  dann  in  solcher 
Weise  aufgerichtet,  dass  die  ausgestreckte  Hand  hier  und  da  einen  unter- 
stützenden Halt  an  einem  dünnen  Zweige  oder  Stock  finden  kann  (der 
aber  nicht  stark  genug  sein  darf,  um  das  Gewicht  des  unliebsamen  Be- 
suchers tragen  zu  können),  damit  so  die  Füsse  beim  Klettern  unterstützt 
werden.  Das  lernen  durch  Uebung  sogar  die  Weiber  und  Kinder,  so  dass 
die  ersteren  mit  Wassertöpfen,  die  Kinder  mit  Nahrungsmitteln  beladen 
ohne  viele  Schwierigkeit  auf  und  absteigen  können.  Die  nackten  Füsse 
schmiegen  sich  an  die  schlüpfrige,  glatte  Oberfläche  des  schiefgeneigten 
Bambu  in  einer  Weise,  welche  die  abendländischen  Stiefel  nicht  er- 
reichen können.  Es  kommt  dabei  kein  besonderer  Griff  der  Zehen  in 
Anwendung,  und  die  Zehen  der  Temiä,  besonders  die  grosse,  sind  nicht 
stärker  zum  Greifen  entwickelt,  als  die  Zehen  anderer  Snkai.  Sehr 
kleine  Kinder  werden  oft  stundenlang  in  diesen  luftigen  Hütten  gelassen, 
ihrer  eigenen  Sicherheit  wegen,  da  sie  hier  vor  der  grossen  Katze  und  der 
Schlange  verbarricadirt  und  durch  die  niedere  Palissadenwand  vor  dem 
Herabfallen  geschützt  sind. 

[Werfen.]  Wenn  der  Semang  einen  Stein  wirft,  so  ist  er  so  un- 
geschickt, wie  eine  Europäerin;  die  Bewegung  ist  die  gleiche,  mit  der 
Schulter,  anstatt  mit  dem  Handgelenk  und  dem  Ellenbogen. 

Die  Orang  Laut  sind  sehr  sichere  und  kräftige  Werfer  und  sie  über- 
treffen in  dieser  Beziehung  die  anderen  hier  bei  Weitem.  [Das  gilt  nicht 
nur  für  Steine,  sondern  sie  sind  auch)  sehr  geübt  und  geschickt,  mit  der 
Schale  einer  flachen  Muschel,  wie  z.  B.  der  Perlmutterauster,  zu  werfen. 
Sie  halten  sie  am  Rande  zwischen  einem  Finger  und  dem  Daumen,  so 
dass  die  Schale  nach  hinten  flach  über  dem  Handgelenke  liegt,  und 
schleudern  sie  mit  einem  Ruck  auf  eine  Krabbe  oder  einen  Vogel  im 
Sande,  so  dass  sie  dieselben  mit  dem  scharfen  Rande  treffen.  Ein  Klumpen 
harter  Koralle  mit  einem  natürlichen  Loch,  dnrch  das  sie  einen  aus  Weiden 
geflochtenen    Strick   ziehen   und  zu    einem   Ringe   zusammenbinden,    wird 


Anthropologische  Bemcrkungeu  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  201 

mit    Hülfe    dieses    Strickes   mit   grosser   Kraft   und   Treffsicherheit    nach 
Krabben  am  Strande  u.  s.  w.  geworfen. 

[Körperkraft.]  Was  die  Körperkraft  anbetiifft,  so  habe  ich  damak 
noch  keinen  Kraftmesser  gehabt.  Aber  wie  man  einen  Affen  nicht  stark 
nennen  würde,  obgleich  er  so  wunderbar  gewandt  ist,  gerade  so  verhält 
es  sieh  auch  mit  einem  Orang  Kutan,  [üeber  die  Ausdauer  der  ver- 
schiedenen Stämme  auf  der  Reise  wurde  oben  schon  berichtet.] 

[Kraftanstrengung,]  In  Bezug  auf  die  Anstrengung  in  bestimmter 
Richtung  scheinen  die  Orang-Hutan,  wie  alle  Asiaten,  allgemein  den 
Zug  dem  Stosse  vorzuziehen,  was  nach  meiner  Meinung  eine  nothwendige 
Folge  der  hockenden  Stellung  ist,  die  sie  einzunehmen  gewohnt  sind. 
Ich  habe  von  der  Beobachtung  gelesen,  dass  die,  im  Vergleiche  zu  den 
europäischen  umgekehrten  Zähne  der  [indischen]  und  anderen  Sägen  ehi 
Beweis  dafür  sind,  dass  man  dem  Zuge  vor  dem  Stosse  den  Vorzug  giebt. 
£s  scheint  mir,  dass  es  einen  merklichen  Grund  für  diese  Richtung  der 
Anstrengung  giebt.  Die  orientalischen  Sägen  sind  aus  einem  dünnen  Stahl- 
blatt gefertigt,  das^  um  ihm  Steifheit  zu  geben,  in  einen  Rahmen  eingespannt 
ist.  Diese  angestrebte  Steifheit  ist  aber  in  der  That  nur  eine  relative, 
und  wenn  die  Zähne  bei  schlechter  Führung  in  das  Holz  eindringen,  so 
würde  dadurch  der  weiche  Stahl  aufgelockert  werden  können,  was  durch 
das  Ziehen  vermieden  wird.  Der  Körper  der  Orang  Hutan  ist  zart  gebaut 
und  besitzt  nicht  die  kräftig  entwickelten  Knochen  des  abendländischen 
Mannes.  Indem  man  nun  dem  Zuge  den  Vorzug  giebt,  vermeidet  man  die 
Gefahr  einer  Quetschung. 

Die  Kinder  der  Belendas  kennen  das  Zug-Kampfspiel,  wobei  auf  jeder 
Seite  eiu  oder  mehrere  Kinder  sich  an  einem  Seile  hin-  und  herziehen. 
Sie  haben  das  wahrscheinlich  von  den  malayischen  Kindern,  die  man 
häufig  so  spielen  sieht.  Von  den  Djäkun-Kindem  nehmen  je  zwei  ein 
Ende  eines  Rotan-Seiles  zwischen  die  Zähne  und  ziehen  nun,  bis  der  eine 
den  anderen  überwältigt  hat;  das  malayische  Zug- Kampfspiel  haben 
sie  nicht. 

Es  machte  mir  viel  Vergnügen,  zuzusehen,  wie  ein  kleiner  Djakun 
eines  Tages  eine  Schaar  kleiner  Kameraden  damit  unterhielt,  dass  er  sich 
in  der  wohlbekannten  indischen  Weise  niedersetzte,  die  Sohlen  flach  auf 
den  Boden  gestellt,  die  Beine  bis  nahe  zum  Körper  aufwärts  gezogen  und 
in  den  Knieen  gebeugt,  den  Körper  aber  bis  nahe  zur  Erde  niedergesenkt. 
In  dieser  Stellung  wurde  ihm  ein  kleiner  Bambustab  zwischen  die  rück- 
wärts geschobenen  Ellenbogen  und  den  Rücken  gesteckt.  Dann  musste 
sich  die  auf  diese  Weise  zusammengepackte  fette  kleine  Tonne  von  einem 
Jungen  nach  vorwärts  niederbiegen,  bis  er  mit  der  Stirn  den  Erdboden 
berührte;  der  Bambu  durfte  dabei  aber  nicht  aus  dem  Ellenbogen  hinaus- 
gleiten. Alle  machten  den  Versuch,  aber  dieser  kleine  Kerl  war  der  ge- 
übteste und  geschmeidigste  von  allen. 


202  H.  V.  Stevkns: 

[Die  Ertragungsfähigkeit  von  Hunger  und  Durst  und  von 
Entziehung  des  Schlafes.]  In  dem  Dschungel  ist  immer  irgend  eine 
Art  von  Nahrung  zu  erhalten,  welche  hinreicht,  um  mindestens  den  Hunger 
zu  stillen  und  das  Leben  zu  erhalten.  Es  findet  sich  daher  keine  Ge- 
legenheit, einen  Vergleich  anzustellen,  welche  von  den  beiden  Rassen 
Hunger  und  Durst  leichter  ertragen  könne.  Einen  Versuch,  den  ich  in 
dieser  Beziehung  mit  ihnen  machen  wollte,  lehnten  sie  ganz  entschieden 
ab.  Stets  hungrig,  sind  sie  doch  niemals  länger  als  höchtsens  einen  Tag 
gänzlich  ohne  Nahrung. 

Was  die  Ertragungsfähigkeit  bei  der  Entziehung  von  Nahrung  und 
von  Schlaf  anbetrifft,  so  kann  bei  Erwachsenen  dieselbe  Reihenfolge  auf- 
gestellt werden,  wie  oben  bei  der  Ermüdung.  Aber,  wie  die  Negritos 
selber  zugeben,  leidet  das  Meuik-Kind  mehr  unter  dem  Mangel  an  Nahrung, 
als  im  Allgemeinen  das  Bclendas-Eind,  und  mit  diesem  können,  da  die 
Unterschiede  nur  gering  sind,  die  Djäkun  und  die  Temiä  auf  gleiche  Linie 
gestellt  werden. 

[Dass  der  Hunger  als  eine  Krankheit  angesehen  wird,  die  unter  Um- 
ständen die  Schuld  tragen  kann  an  Misserfolgen  auf  der  Jagd,  berichtete 
Stevens  früher  schon.*)] 

[Die  Ertragungsfähigkeit  von  Hitze  und  Kälte.]  Ich  habe 
nicht  beobachtet,  dass  bei  den  Rassen  irgend  eine  Verschiedenheit  in  der 
Ertragungsfähigkeit  von  Hitze  existirte,  wenn  sie  einen  Tag  hindurch  auf 
der  Reise  der  Sonne  ausgesetzt  gewesen  waren,  abgesehen  von  der 
allgemeinen  Kraft,  der  Ermüdung  zu  widerstehen.  [Später  heisst  es 
dann:] 

In  Bezug  auf  die  Fähigkeit,  den  Kopf  der  Soime  auszusetzen,  haben 
in  früherer  Zeit  wahrscheinlich  keine  grossen  Unterschiede  bestanden. 
Jetzt  aber,  wo  die  Belendas  schon  so  lange  an  die  den  Malayen  entlehnte 
Kleidung  gewöhnt  sind,  verursacht  ihnen  die  Abwesenheit  einer  schützenden 
Decke  Unbehagen.  Ein  solches  wird  jedoch  von  den  Djäkun  und  den 
Menik  nicht  empfunden.  Diese  tragen  für  gewöhnlich  nur  ein  Band,  um 
das  lange  Haar  in  Ordnung  zu  halten,  und  in  Folge  dessen  ist  ihre  Haut 
so  dauernd  an  die  Sonnenstrahlen  gewöhnt,  dass  sie  eine  ungewöhnliche 
Zunahme  der  Sonnenhitze  kaum  empfinden. 

Es  sind  auf  der  Halbinsel  keine  bemerkenswertheu  Kältegrade  beob- 
achtet, und  wenn  wirklich  einmal  ein  Fallen  des  Thermometers  eintritt 
so  ist  das  doch  niemals  von  lauger  Dauer.  Aus  diesem  Grunde  können  auch 
keine  zuverlässigen  Angaben  über  die  relative  Fähigkeit  der  verschiedenen 
Kassen,  Kälte  zu  ertragen,  gemacht  werden.  Wenn  wir  als  aligemeine 
Erscheinung  einen  nassen,  kalten  Wind  in  den  höher  j^elegenen  Gegenden 
annehmen,    so    scheinen  die  Djäkun  weniger  von  ihm  zu  leiden,    als  die 

i:  Grünwedel  2.    S.  131. 


Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  203 

Beleudas,  die  Fanggang  und  die  Temiä.  Dass  die  zuletzt  genannten  ein 
Sinken  der  Temperatur  mehr  empfinden  sollten,  ah  die  anderen,  würde 
meiner  Meinung  nach  ihrer  schwächeren  Constitution  zuzuschreiben  sein. 
Der  Djäkun  scheint  seine  Stellung  auf  der  Stufenleiter  der  relativen  Derb- 
heit der  physischen  und  geistigen  Faser  seiner  zu  etwas  grösserer  Wild- 
heit neigenden  Natur  zu  verdanken. 

Uebrigens  betrieb  er  lange  Zeit  einen  rohen,  aber  beständigen  Acker- 
bau, cultivirte  Reis  und  Knollen,  verzehrte  aber  auch  viel  häufiger  und 
mehr  Fische  als  die  anderen.  Die  Negritos  können  in  wilde  und  zahme 
eingetheilt  werden.  Die  ersteren  haben  eine  nur  wenig  abwechselnde 
Nahrungszufuhr,  da  sie  keinen  Reis  oder  ein  sonstiges,  aus  der  malayischen 
Civilisation  herrührendes  Element  besitzen;  sie  leben  hauptsächlich  von 
Fleisch,  da  sich  die  im  Dchungel  einheimischen  Früchte  nur  in  Zwischen- 
räumen darbieten  und  die  verschiedenen  Knollen  und  Yams  ihn  nur  so 
lange  beschäftigen,  als  er  sie  gräbt  und  findet.  So  erhält  das  Wärme- 
bedürfniss  ein  Gegengewicht  in  der  höher  organisirten  Natur  der  Männer, 
welche  sie  der  unaufhörlichen  Thätigkeit  und  der  kräftigen  Bewegun»:: 
bei  dem  täglichen  Suchen  nach  Nahrung  verdanken;  denn  der  wilde 
Fanggang  vermag  in  ganz  hervorragendem  Maasse  solche  niedrige  Tem- 
peratur, wie  sie  hier  gelegentlich  einmal  vorkommt,  mit  geringeren  Zeichen 
des  Unbehagens  zu  ertragen,  als  der  zahme  Mann,  der  dann  sogleich  fröstelnd 
und  klappernd  sich  an  einem  Feuer  zusammenkauert. 

Wenn  die  Fähigkeit,  Temperatur- Veränderungen  zu  widerstehen,  von 
der  vergleichsweise  [grösseren]  Reichlichkeit  und  Regelmässigkeit  der 
Nahrung  abhinge,  so  würden  sich  von  allen  die  Belendas  die  geringste 
Sorge  wegen  der  Kälte  zu  machen  haben.  Aber  abgesehen  von  einer 
möglicher  Weise  geringeren  Widerstandsfähigkeit,  welche  sich  bei  so 
vielen  Generationen  zu  zeigen  beginnt,  waren  sie  an  Kleider  und  an 
besser  schützende  Häuser  gewöhnt,  so  dass  sie  jetzt  für  jeden  Temperatur- 
wechsel empfindlicher  sind. 

[Die  Ertragungsfähigkeit  für  den  Schmerz.)  Die  Belendas 
scheinen  viel  empfindlicher  für  Sclimerz  zu  sein,  als  die  Negritos.  Die 
jüngeren  Männer  der  Belendas  haben  ein  Spiel,  welches  „Kloopent"* 
genannt  wird.  Dem  Namen  nach  ist  es  ein  Spiel,  aber  es  ist  ein  Spiel, 
das  oft  bittere  Gefühle  und  böses  Blut  erzeugt,  so  hitzig  werden  die 
Streitenden,  wenn  nicht  die  älteren  Männer  dazwischentreten  und  ver- 
anlassen, dass  das  Spiel  aufhört.  Es  wird  namentlich  gespielt,  wenn  sie 
Abends  mit  dem  Weibervolke  Matten  und  Körbe  flechtend  und  natürlicher 
Weise  schwatzend  am  Feuer  sitzen  und  als  Nebenbuhler  um  die  Gunst 
eines  Mädchens  danach  trachten,  auf  den  Rivalen  Schmach  und  Unehre 
zu  häufen,  sich  selber  aber  dabei  gleichzeitig  in  der  Achtung  der  Weib(»r 
zu  erhöhen.  Der  so  harmlos  aussehende  kleine  Streifen  von  gespaltenem 
Rotan,   den  ich  mit  anderen  Gegenständen  sendete,    ist  das  Werkzeug  für 


204  H.  V.  Steveks: 

die  Bethätigung  vou  vielem  verborgenem  Groll  und  Eifersucht;  und  ob- 
gleich ein  Fremder,  der  es  versuchte,  glauben  würde,  dass  er  mittels 
dieses  dünnen  Streifens  mit  dem  einfachen  Knoten  an  seinem  aufschlagen- 
den Ende  keinen  schwereren  Schlag  zufügen  könne,  als  hinreichend  wäre, 
um  eine  Fliege  zu  tödten,  so  habe  ich  dennoch  bei  jedem  seiner  Hiebe, 
wenn  die  Gegner  hitzig  geworden  waren,  Blut  fliessen  sehen.  Der  Zeige- 
finger versetzt  ihm  die  Kraft;  vermittelst  durch  Uebung  erworbenen  Kunst- 
griffes kann  er  wie  eine  kräftige  Feder  gebraucht  werden,  was,  verbimden 
mit  einem  kräftigen  Rückwärtsziehen  des  Handgelenkes  und  Armes,  die 
scharfen  Ränder  des  Rotan  wie  eine  Klinge  quer  über  die  Haut  schlägt 
und  sie  mit  Leichtigkeit  durchschneidet.  Als  ich  seine  Anwendung  im 
Ernst  verlangt  hatte,  machte  die  Kraft  des  aufschlagenden  Knotens,  dass 
ich  mich  vor  Schmerzen  wand.  Der  Theorie  nach  soll  der  scharfe  Rand, 
welcher  von  der  harten  Haut  des  Rotan  durch  einfaches  Spalten  desselben 
(«ntsteht,  fortgeschabt  werden,  bevor  das  Spiel  beginnt;  aber  bei  ver- 
borgenem Hass  oder  Eifersucht  wird  das  absichtlich  unterlassen. 

Wenn  das  Instrument  aus  Schnur,  anstatt  aus  Rotan  hergestellt  wird, 
so  kann  man  nicht  damit  schlagen;  es  ist  die  eigen thümli che  Starrheit 
und  gleichzeitige  Elasticität  des  wie  eine  Feder  biegsamen  Rotan,  welche 
die  Kraft  ermöglicht,  die  dem  Schlage  durch  den  plötzlichen  Ruck  des 
losgelassenen  Fingers  mitgetheilt  wird. 

Die  Männer  sitzen  einander  gegenüber,  mit  (selbstverständlich)  nackten 
Armen.  Jeder  hat  als  Vorwand  für  das  Spiel  einige  Cents  oder  andere 
Einsätze  vor  sich.  Derjenige,  welcher  den  ersten  Schlag  hat,  fragt  den 
anderen,  wie  viele  Male  er  die  scharf  auf  den  Vorderarm  niedergehauenen 
Schläge  des  Rotanstreifens  aushalten  will  und  was  er  vorschlägt,  dafür 
einzusetzen,  dass  er  den  Schlägen  ohne  aufzuschreien  und  ohne  zu  bitten^ 
dass  aufgehört  werde  (besiegt  „genug"  rufend),  Stand  halten  werde.  Hält 
er  die  verabredete  Anzahl  der  Schläge,  ohne  zu  wanken,  voll  aus,  dann 
steckt  er  des  Gegners  Einsatz  von  10  Cents  in  die  Tasche,  den  gleichen 
Betrag,  den  er  selber  gesetzt  hatte,  und  nimmt  nun  seinerseits  den  Rotan- 
streifen und  fordert  den  anderen  auf,  die  Zahl  der  Schläge  zu  nennen, 
die  er  nun  aushalten  will.  Sollte  einer,  der  die  Sehläge  empföngt,  den 
Sehmerz  nicht  mehr  ertragen  können  und  „Halt"  rufen,  so  verliert  er 
seinen  Einsatz  und  wird  (was  der  eigentliche  Zweck  ist,  wenn,  wie  ge- 
wöhnlich, Groll  dem  Spiele  zu  Grunde  liegt),  von  seinem  Gegner  und  von 
den  Zuschauem  mit  Spott  und  Hohn  überschüttet.  Es  ist  also  der  Orang- 
Hutan-Gebrauch,  „eine  Lanze  zu  brechen",  gleich  dem  der  mittelalterlichen 
Ritter  mit  der  unvermeidlichen  .,femme"  als  Zuschauerin. 

Der  Ring  des  Rotanstreifens  geht  um  den  kleinen  Finger  der 
schlagenden  Hand  bis  nahe  zu  seiner  Basis  an  der  Mittelhand.  Der 
Streifen  geht  von  da  auf  der  Innenseite  der  Finger  entlang  und  kommt 
über  dem  ersten  und  zweiten  herauf,  über  dem  ersten  und  um  ihn  herunter 


Antbropologisclio  Bemerkungen  über  die  Eingeborenen  von  Malacca.  205 

zurück  auf  dor  Handflächouseite  der  Pinger  zu  dem  kleinen  hinauf,  um 
jenen  herum  und  auf  dem  Rücken  der  Pinger  zu  dem  Zeigefinger,  über 
und  unter  jenen,  der  abwärts  gebogen  ist  und  dem  Daumen  an  den  Spitzen 
der  betreffenden  Pinger  gegenübersteht,  so  dass  der  Knoten  an  dem  Endo 
des  Rotanstreifens  zwischen  den  zusammentreffenden  Spitzen  des  Daumens 
und  des  Zeigefingers  gehalten  wird.  Der  zu  dem  Schlage  erhobene  Arm 
geht  in  einer  Curvo  abwärts  und  einwärts,  um  den  ziehenden  Hieb  zu 
geben,  welcher  die  Haut  trennt,  und  sowie  er  das  thut,  lässt  dor  Daumen 
und  Zeigefinger  den  Knoten  los.  Der  Rotan  fliegt  in  Polge  seiner 
Elasticität  von  selbst  zurück  und  wickelt  sich  bis  zu  der  Stelle  ab,  wo  er 
zwischen  dem  Zeigefinger  imd  Mittelfinger  hindurchgeht.  Dann  wird  der 
Rotan  durch  einen  nach  oben  gerichteten  leichten  Zug  vermittelst  des  Zeige- 
fingers plötzlich  stramm  gezogen  und  wickelt  sich,  durch  den  Zeigefinger  be- 
schleunigt, von  der  Hand  ab,  und  durch  eine  gleichzeitige,  schnelle  Drehung 
des  Handgelenkes  darin  unterstützt,  wird  der  Knoten  und  die  ersten  ein 
oder  zwei  Zoll  des  Rotan  mit  einem  ziehenden  Hiebe  auf  den  Arm  des 
Gegners  niedergeschlagen.  Es  ist  sehr  schwierig,  diese  Bewegung  zu  be- 
schreiben; aber  gemacht  ist  sie  in  einem  Augenblick.  Sie  kennen  gewiss 
das  Spiel,  eine  Schnur  durch  eine  Kastanie  zu  ziehen,  mit  der  dann  ein 
Knabe  auf  eines  anderen  Knaben  Kastanie,  welche  vertical  hängt,  schlägt, 
um  zu  versuchen,  sie  mit  der  seinigen  zu  zerspalten.  Das  ist  das  Princip, 
aber  die  Bewegung  des  Knaben  ist  ein  kreisrunder  Schwung  des  Armes; 
der  Rotan  wird  vom  Arme  und  von  dem  Handgelenk  herumgeschwungen 
und  hierin  durch  seine  eigene  Elasticität  unterstützt,  da  er  das  Bestreben 
hat,  sich  abzuwickeln,  und  ausserdem  durch  die  dem  sich  abwickelnden 
Rotan  von  dem  Zeigefinger  plötzlich  gegebene  Triebkraft.  Das  bringt 
den  Schlag  hervor,  und  der  in  dem  Augenblick  straff  gegen  den  Körper 
angezogene  Arm  giebt  den  ziehenden  Hieb  des  scharfen  Randes,  der  oft 
tief  in  die  Haut  einschneidet. 

Es  mag  von  einigem  Interesse  sein,  wenn  ich  als  Illustrirung  für  die 
Standhaftigkeit  der  Djäkun  von  einem  erzähle,  der, tiefsitzende,  fressende 
Geschwüre  mit  verhärteter  Umgebung  und  Schorfen  hatte  und  fieberhafte 
Symptome  und  Erschöpfung  zeigte.  Ich  gab  ihm  Kupfersulphat  (Blaustein) 
und  Zinkoxyd  zu  nachfolgendem  (iebrauch,  unterwies  ihn  in  der  Anwendung 
und  mahnte  ihn  dringend  zur  Vorsicht.  Da  ich  aber  ein  Missverständniss 
befürchtete,  folgte  ich  ihm,  bald  nachdem  er  mich  verlassen  hatte,  und 
kam  bei  dem  Patienten  gerade  an,  als  er  den  Blaustoin  anwendete.  Das 
war  sehr  reichlich  geschehen,  da  die  frühere  Vernachlässigung  des  Ge- 
schwürs verhinderte,  dass  er  bald  empfunden  wurde,  so  dass  die  ganze 
Oberfläche  von  ungefähr  vier  Quadratzoll  damit  touchirt  war.  Der  Patient 
bockte  auf  [demjenigen]  Beine,  auf  welchem  sich  vorn  das  Geschwür  befand. 
Ich  sali  die  Muskeln  des  Beines  zittern  und  sich  knotig  contrahiren  in 
Polgo  des  Schmerzes,    den  er  nach   wenigen  Minuten   fühlte;    aber  keine 

Zf?it^rl»rift  für  KlUiuAu^W.     Jahrg.  lb'J7.  15 


206  U.  Y.  Stevens:    Anthropologische  Bemerkungen  u.  s.  w. 

Bewegung,  nicht  ein  Ton,  auch  nicht  irgend  ein  anderes  Anzeichen, 
ausser  einem  tieferen  Athmen,  war  zu  bemerken.  Er  fing  an,  zu  mir 
in  fest  abgemessenen  Tönen  zu  sprechen,  und  als  ich  bemerkte,  dass 
das  „Ubat"  heiss  wäre,  erwid^erte  er  ruhig,  dass  ihm  das  von  dem 
„borao"  (Doctor)  gesagt  worden  sei.  Er  hatte  eine  ganz  gehörige  Aus- 
dauer bewiesen,  aber  da  kein  Grund  vorlag,  dieselbe  noch  länger  auf  die 
Probe  zu  stellen,  so  machte  ich  ihm  eine  Morphium -Einspritzung,  wofür 
er  mir  sehr  dankbar  war. 

[Der  Ausdruck  der  Gemüthsbewegungen  ist  früher')  im  Zu- 
sammenhange geschildert  worden.] 

[Ueber  die  Auffassungsgabe  der  wilden  Stämme  äussert  sieh 
Stevens  folgendermaassen.] 

Der  Orang  Hutan  begreift  verhältnissmässig  sehr  schnell,  was  ich  thue 
oder  was  ich  beabsichtige.  Wenn  ich  z.  B.  den  Versuch  mache,  in  meiner 
Hütte  eine  Bequemlichkeit  herzurichten,  die  sie  niemals  gesehen  haben,  so 
worden  die  Orang-Hutan,  nachdem  sie  mich  einige  Minuten  lang  beobachtet 
und  eine  kurze  Zeit  mit  einander  gesprochen  haben,  mich  auffordern,  ein 
Wenig  zu  warten.  Dann  gehen  sie  in  den  Dschungel  und  bringen  irgend 
etwas  herbei,  das  den  Zweck  viel  besser  erfüllt,  als  die  Materialien,  denen 
ich  Form  zu  geben  bemüht  war. 

Nicht  so  der  Laut.  Zuerst  stiert  er  nur  stupide,  ohne  Interesse  oder 
Yerständniss  auf  das  hin,  was  ich  thue,  und  dann  ist  er  auch  viel  zu  faul, 
um  mir  zu  helfen,  selbst  wenn  ich  ihn  darum  bitten  würde,  geschweige 
denn  freiwillig. 


1)  Uax  Bartels  2.  Der  Ausdruck  der  Gcmüthsbewegungcn  der  Orang  Hutau  von 
Malacca.  Zeitschrift  für  Ethnologie.  Bd.  XXVIII.  Verhandlungen  der  Berliner  Anthro- 
pologischen Gesellschaft  S.  270—272.    Berlin  1896. 


Besprechungen. 


Zeitschrift    für    Criminal  -  Anthropologie,    Gefängniss  -  Wissenschaft    und 
Prostitutionswesen.    Berlin  1897,  Priber. 

In  den  letzten  Jahrzehnten  ist  der  Organisation  des  Yerhrechers  eine  vielfache  Auf- 
merksamkeit gewidmet  worden  in  der  Voranssetznng,  dass  in  ihrer  Eigenartigkeit  der 
nrsächh'che  Zusammenhang  mit  einer  angeborenen  oder  innewohnenden  Anlage  zum 
Verbrechen  nachzuweisen  sei.  Die  wissenschaftlich  unzul&ngliche  Art  der  Beobachtung 
und  noch  mehr  die  übergrosse,  ungerechtfertigte  Yerallgemeinemng  einzelner  Thatsachon 
haben  aus  dem  Verbrecher  eine  besondere  Abart  seiner  Mitmenschen  construirt  und  ihn  zum 
Gegenstand  einer  besqnderen  anthropologischen  Betrachtung  gemacht.  Indessen  hat  sich 
in  der  Neuzeit  die  üeberzeugung  immer  mehr  Bahn  gebrochen,  dass  der  Verbrecher  in 
seiner  physischen  und  sonstigen  biologischen  Beschaffenheit  keine  constanten  und  noch 
weniger  typische  Merkmale  darbietet,  welche  ihn  anthropologisch  Yon  den  anderen  Menschen, 
unter  denen  er  lebt,  unterscheiden.  Wenn  demnach  von  einer  Anthropologie  der  Ver- 
brecher im  streng  wissenschaftlichen  Sinne  nicht  die  Rede  sein  kann,  so  ist  doch  die  Zahl 
derjenigen,  welche  diesem  Forschungsgebiete  ihre  ernste  Beachtung  und  Arbeit  schenken, 
eine  80  ansehnliche  und  das  Beobachtnngsmaterial  derartig  ausgedehnt  und  gross  geworden 
dass  sich  das  Bedürfniss  geltend  gemacht  hat,  für  die  im  Flusse  befindlichen  Streitfragen 
eigene  Fachzeit8chrift<in  zu  schaffen. 

Nach  den  älteren  Vorbildern  in  Italien  und  in  Frankreich  will  die  oben  genannte  Zeit 
Schrift  auch  in  Deutschland  einen  Sammelpunkt  für  diejenigen  Untersuchungen  und 
Mittheilungen  bilden,  welche  den  verbrecherischen  Menschen  naturwissenschaftlich  zu  er- 
forschen vorhaben.  Bei  dem  grossen  Interesse,  welches  den  Ergebnissen  derselben  von 
vielen  Seiten  entgegengebracht  wird,  i\nd  bei  dem  hochbedeutsamen  Einflüsse,  welchen 
sie  auf  Anschauungen  und  Grundsätze  strafrechtlicher  Natur  auszuüben  geeignet  sind 
und  auch  theilweise  bereits  ausgeübt  haben,  kann  das  Vorhandensein  eines  solchen  Fach- 
journals in  deutscher  Sprache  als  berechtigt  angeschen  werden. 

Die  Zeitschrift  will  ihr  Augenmerk,  wie  sie  in  der  Einführung  verspricht,  auf  den 
kritischen  Geist  ächter  WisscnschafUichkeit  richten.  Sie  zieht  auch  die  wichtigsten  Fragen 
des  Gcfängniss-  und  Frostitutionswesens  in  den  Kreis  ihrer  Betrachtungen,  um  auch  die 
weiteren  Grenzen  der  verbrecherischen  Klassen  zu  umfassen.  Sie  zählt  eine  stattliche 
Zahl  wohlbekannter  Mänuer  des  In-  und  Auslandes  zu  ihren  Mitarbeitern  und  ist  in 
ansprechender  Weise  ausgestattet. 

In  den  bisher  erschienenen  4  Heften  sind  viele  lehr-  und  inhaltsreiche  Abhandlungen 
enthalten,  welche  zweifellos  auch  einen  anthropologischen  Werth  haben.  In  einem  Auf- 
satze: „Lombroso  und  die  Criminal- Anthropologie  von  heute"  kritisirt  P.  Näcke  den 
falschen  Standpunkt  Lombroso^s,  an  welchem  dieser  noch  heute  festhält,  —  und  weist, 
mit  gerechtem  Unwillen  den  schnöden  und  ungebührlichen  Angriff  desselben  auf  Rudolf 
Virchow  zurück.  Der  jüngst  verstorbene  Physiolog  Frey  er  legt  seine  Ansichten  in 
einem  gehaltvollen  und  nicht  ganz  unanfechtbaren  Beitrag  über:  „Die  Handschrift  der 
Verbrecher**  nieder  (S.  47).  Sehr  lesenswerth  sind  die  Abhandlungen  vonPasquale  Penta 
(Neapel)  über  die  rationelle  Behandlung  der  Verbrecher  (S.  113);  über  Criminalität  und 
Criminal-Statistik  mit  besonderer  Anwendung  auf  amerikanische  Verhältnisse  von  Roland 
P.  Falkner  (Philadelphia)  (S.  201);  über  spanisches  Vcrbrecherthum  von  Rafael  Salillas 
(Madrid)  (S.  288);  Beiträge  zur  Identificirung  der  Verbrecher  von  Friedrich  Paul  (Li(tau) 
(8.  272  und  358).  Ungemein  interessant  sind:  Neue  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  weib- 
lichen Criminalität,  Prostitution  und  Psychosen  von  Moraglia  (Turin)  (S.229)  und  briefliche 

16» 


208  Besprechungen. 

Mittheilungen  von  Zarkowskj,  welcher  die  Lombroso^sche  Lehre  und  den  Werth  der 
sogenannten  „positiven  Schule**  sehr  scharf  und  treffend  beleuchtet  (S.  800). 

Eine  besondere  Erwähnung  verdienen  noch  die  ausf&hrlichen  Abhandlungen  von  Arnd 
(Greifswald):  Verbrechen  und  Geisteskrankheit  (S.  23);  die  Probleme  in  der  Homosexualität 
von  Alb.  Moll  (Berlin)  (S.  157);  die  Umkehrung  des  Geschlechtstriebes  von  Laupts 
(Lyon)  (S.  75  und  821);  eine  Enquete  über  den  Selbstmord  von  demselben  (S.  76);  Crimi- 
nalität  und  Suggestion  von  Dr.  Maschke  (Olmntz)  (S.  401)  und  die  Prostitutionsfragc 
von  Dr.  Münchmeyer  (Kolberg)  (S.  53).  Den  Originalarbeiten  sind  eingehende  Be- 
sprechungen über  Erscheinungen  der  hierher  gehörigen  Literatur  und  ausfuhrliche  Be- 
richte über  Versammlungen  auf  Congressen  u  s.w.  beigegeben.  Dr.  Baer,  Berlin. 


V.  Luschai),  F.  Beiträge  zur  Völkerkunde  der  deutsehen  Schutzgebiete. 
Erweiterte  Sonderausgabe  aus  dem  „Amtlichen  Bericht  über  die  erste 
deutsche  Colonial- Ausstellung"  in  Treptow  1896.  Mit  48  Tafeln  und 
46  Text-Abbildungen.  Berlin,  Dietrich  Reimer  (Ernst  Vohsen)  1897.  4*. 
87  S.  Text. 

Das  vorliegende  Work  bringt  uns  eine  Reihe  von  anthropologischen  und  ethno- 
graphischen Studien,  zu  welchen  der  Hr.  Verf.  durch  die  Ausstellung  aus  unseren  Schutz- 
gebieten in  Treptow  angeregt  worden  ist.  Mit  Recht  ist  darin  das  Hauptgewicht  auf  die 
Darstellung  der  untersuchten  Menschen  und  ihrer  Erzeugnisse  gelegt,  so  dass  sich  dieser 
Thcil  der  Ausstellung  gleichsam  vor  unseren  Augen  nochmals  aufrollt,  und  zwar  an  der 
Hand  eines  so  vortrefflichen  Führers,  wie  der  langjährige  liCiter  der  afrikanischen  und 
oceanischen  Abtheilung  des  Königlichen  Museums  für  Völkerkunde  es  ist.  Von  den 
48  Tafeln  gehören  die  ersten  20,  durch  Lichtdruck  her<;estcllten  dem  anthropologischen 
Theilc  des  Buches  an;  dieselben  müssen,  sowohl  was  die  photographische  Aufnahme  der 
Schwarzen,  als  was  die  Reproduction  betrifft,  zu  den  besten  Leistungen  auf  diesem  Gebiete 
überhaupt  gezählt  werden.  —  Der  dazu  gehörige  Text  giebt  nur  eine  objective  Beschreibung 
der  untersuchten  Personen  in  anthropologischer  Beziehung  und  tabellarische  Zusammen- 
stellungen der  Mcssungsresultate;  mit  wohlüberlegter  Selbstbeschränkung  vermeidet  der  Verf. 
es,  allgemeine  Schlussfolgemngen  zu  ziehen,  obwohl  nicht  leicht  ein  reicheres  und  zuver- 
lässigeres Material  sich  einem  Forscher  dargeboten  haben  dürfte,  als  hier.  Es  konnten 
nehmlich,  mehr  oder  weniger  genau,  92  Eingeborene  verschiedenen  Geschlechts  und  Alters 
aus  dem  Togogobiet,  Kamerun,  Südwest-  und  Ost-Africa  und  Neu-Britannien  der  Unter- 
suchung unterzogen  werden,  von  denen  mehr  als  die  Hälfte  sowohl  en  face,  wie  en  profil 
abgebildet  sind. 

Die  übrigen  28  Tafeln  sind  ganz  der  Ethnographie  gewidmet;  davon  sind  10  nach 
photographischen  Aufnahmen  des  Verf.,  18  nach  sachgetreuen  Zeichnungen  des  Hm. 
Dr.  Wculo  hergestellt,  welcher  bekanntlich  Forscher  und  Zeichner  zugleich  ist  In 
dem  hierzu  gehörigen  Abschnitt  des  Textes  gicbt  der  Verf  eine  rebersicht  der  aus- 
gestellten Sammlungen  und  knüpft  daran  in  Form  von  Excnrsen  eine  Reihe  von 
Problemen  der  afrikanischen  und  oceanischen  Ethnographie  in  so  anregender  Weise, 
dass  dieser  Theil  nicht  nur  für  den  Fachmann,  sondein  auch  für  den  Laien  eine  höchst 
interessante  Leetüre  bildet.  Zuerst  wird  ein  reberblick  über  das  bisher  Bekennte  gegeben 
und  dann  auf  die  vielen,  noch  ihrer  Lösung  harrenden  Aufgaben  hingewiesen;  als  Beispiele 
der  so  behandelten  Themata  führen  wir  hier  nur  an:  die  Ornamentik  der  Haussa-Toben. 
die  Scliriftbändcr  der  Moa-Matten,  die  Kopfbänke  von  Neu-Guinea,  die  Durchbohrung 
der  Tridacno-Schalen  u.  a. 

Alle  Freunde  der  Völkerkunde  werden  dem  Hm.  Verf.,  wie  der  Verlagshandlung  zu  Danke 
verpflichtet  sein,  dass  sie  das  reiche  Material,  welches  die  Colonial-Ausstellung  im  Sommer 
18%  für  das  Studium  der  Anthropologie  aus  weit  zerstn-uten  Gebieten  in  Treptow  ver- 
einigt hatte,  in  treuer  Wiedergabe  festgelegt  und  so  für  die  künftige  Forschung  gesichert 
haben.  Li  s  sau  er. 


Besprechungen.  209 

Adolf  Hoilborn.  Allgemeine  Völkerkunde  in  kurzgefasster  Darstellung. 
Mit  156  Abbildungen,  darunter  15  Vollbildern.  200  Seiten.  8vo.  Leipzig, 
Ferdinand  Hirt  und  Sohn,  1898. 

Das  Interesse  für  die  Lebensgewohnheiten  fremder  Völker,  sowie  für  deren  äussere 
Erscheinung,  ihre  Kunstfertigkeiten  und  ihre  Gebrauchsgegenstände  erobert  sich  immer 
weitere  Kreise.  Mit  dieser  erfreulichen  Erscheinung  steigert  sich  das  Bedürfniss  nach 
kiu-zgofassten,  dem  allgemeinen  Auffassnngs?ermögen  angepassten  Schriften,  welche  das 
Yerständniss  für  diese  Dinge  zu  vermitteln  im  Stande  sind.  Das  vorliegende  Buch  ist 
dieser  Art  Es  wendet  sich  an  die  reifere  Jugend,  aber  auch  an  den  gebildeten  Laien 
auf  ethnologischem  Gebiete  und  führt  in  geschickter  Zusammenstellung  und  in  gut  les- 
barer und  leicht  fasslicher  Sprache  eine  grosso  Anzahl  wlssenswcrther  Thatsachen  in  einer 
leicht  übersichtlichen  Anordnung  vor. 

Der  Einleitung,  in  welcher  allerdings  manche  kühne  Hypothese  bereits  als  volle 
Wahrheit  angenommen  wird,  folgen  Abschnitte  über  die  Feuerbereitung  und  das  Kochen, 
über  Waffen,  Schmuck  und  Kleidung,  über  den  Hausbau  und  das  Hausgeräth,  über 
Ackerbau,  Viehzucht,  Industrie,  Handel  und  Geld,  über  die  Schiffahrt  und  die  übrigen 
Verkehrsmittel;  Abschnitte  über  die  religiösen  Anschauungen,  über  die  Familie  und  den 
Staat,  über  Sprache  und  Schrift  bilden  den  Schluss.  Die  Abbildungen  sind  theils  genaue 
Copien  ethnographischer  Gegenstände,  theils  genrebildartig  componirte  Skizzen,  welche 
wohl  nicht  verfehlen  werden,  die  Phantasie  der  jugendlichen  Leser  in  günstiger  Weise 
anzuregen.  Max  Bartels. 


Otto  Schell.  Bergische  Sagen.  Mit  5  Lichtdruckbildern.  608  Seiten  8vo. 
(Baedekersche  Bluch-  und  Kunsthandlung  und  Buchdruckerei:  A.  Martini 
und  Grüttesien.     G.  m.  b.  H.)     Elberfeld,  1897. 

Dem  Verf.  ist  es  gelungen,  1015  Sagen  in  einem  engumgrenzten  Gebiete,  der  einst- 
maligen Grafschaft  Berg,  zusammenzubringen.  Das  ist,  wie  Friedrich  S.  Kraus s,  der 
ihm  die  Einleitung  schrieb,  mit  Recht  hervorhebt,  eine  in  hohem  Grade  anzuerkennende 
Leistung,  welche  zugleich  den  Beweis  liefert,  dass  selbst  in  den  von  der  modcmon 
Industrie  besonders  in  Beschlag  genommenen  Districten  die  Volkskunde  doch  noch  ihre 
Ernte  zu  halten  vermag.  Die  Sagen  sind  meistens  dem  Volksmundc  nacherzählt,  in 
einigen  Fällen  aber  auch  früheren  Veröffentlichungen  entnommen.  Die  crsteren  haben  den 
Vorzug  der  grösseren  Schlichtheit  und  Ursprünglichkeit  der  Erzählung. 

Ihrem  Inhalte  nach  bringen  uns  die  Sagen  manchen  alten  Bekannten  gormanischer 
Vorzeit,  den  Schimmelreiter  oder  dessen  Ross  allein,  den  einäugigen  Wanderer,  den 
wilden  Jäger,  allerlei  Elcmentargeister,  den  Werwolf  und  den  Aufhocker,  die  Mar  und 
allerlei  Spukgostalten.  Dann  begegnen  wir  reichlich  der  Zeit  des  Hexenglaubens  und  der 
Hexenprozesse,  der  Religionskriege,  namentlich  des  dreissigjährigen,  der  Franzosenzeit^  und 
selbst  unser  eigenes  Jahrhundert  hat  ganz  jungen  Sagenstoff  geliefert,  so  die  Einführung 
der  Eisenbahnen  und  der  grosse  Krieg  gegen  Frankreich  in  den  Jahren  1870 — 71. 

Solche  localeu  Sagensammlungen  bieten  ausser  dem  allgemein  volkskundlicheu  Inter- 
esse sicherlich  auch  manchen  nicht  zu  unterschätzenden  Fingerzeig  für  den  Geschichts- 
forscher und  ganz  besonders  für  den  Prähistoriker  und  Archäologen.  Dio  vorliegende 
Sammlung  ist  nach  den  Flussgebioten  geordnet  und  mit  einer  grösseren  Anzahl  erklärender 
Anmerkungen  versehen.  Fünf  Lichtdruckbilder,  die  dem  Werke  eingefugt  sind,  führen 
Landschaften  und  Gebäude  vor,  welche  besonders  reichlich  von  den  Volkssagcn  um- 
sponnen sind.  Max  Bartels. 


210  Besprechungen. 

Samoanische  Texte.  Unter  Boihülfe  von  Eingeboronon  gesammelt  und 
übersetzt  von  O.  Stübel.  Herausgegeben  von  F.  W.  K.  Müller 
(Veröffentlichungen  aus  dem  Königliehen  Museum  für  Yölkerkunde 
1<S9<;.    IV.    2—4.) 

Den  besten  und  sichersten  Weg  in  das  Wesen  und  das  psychologische  Empfiuden  eines 
Volkes  führt  uns  die  Sage  und  seine  eigene  Geschichte,  und  eine  der  dankbarsten  Auf- 
gaben des  Folkloristen  ist  es,  diesen  Weg  zu  betreten  und,  auf  ihm  weiterschrcitend,  in 
das  Fühlen  und  Denken  und  die  intimsten  Ideengänge  und  Verbindungen  des  Volks- 
charakters und  seelischen  Lebens  einzudringen.  Es  gehört  freilich  eine  besondere  Hin- 
gabe dazu,  gewissermaassen  eine  Entsagung  allen  eigensten  Anschauungen  gegenüber, 
um  auf  diese  Weise  ein  Ziel  zu  erreichen.  Nicht  jedem  Forscher  ist  es  gegeben,  sich 
völlig  in  die  Seele  anderer,  von  ihm  g&nzlich  verschiedener  Individualitäten  hineinzuleben 
und  sich  darin  zu  vertiefen.  Solches  Vermögen  ist  individuell  und  wird  auch  dem  Laien 
der  Ethnologie,  der  es  besitzt,  mehr  Lohn  gewahren,  als  dem  wohl  vorgebildeten,  mit 
allen  Mitteln  wissenschaftlicher  Erfahrung  ausge rastet en  kritischen  Beobachter,  der  mit 
scharf  begrenzten  Regeln  und  unbiegsamem  Maa8s^tab  ein  Volk  studirt  und  bearbeitet. 

Das  sind  die  unwillkürlichen  Schlüsse,  die  das  Facit  der  vom  General  -  Consu 
Stübel  während  eines  zweijährigen  Aufenthaltes  auf  den  Samoa-Inseln  gesammelten  Auf- 
zeichnungen aufdrängt,  welche  von  F.  W.  K  Müller  im  Museum  für  Völkerkunde 
in  Berlin  mit  vielem  Geschick  imd  ausserordentlicher  Mühe  bearbeitet  und  zusammen- 
gestellt und  im  IV.  Band  der  Veröffentlichungen  aus  dem  Museum  vom  Jahre  1896  er- 
schienen sind.  Der  Bearbeiter  hat  damit  eine  ausserordentlich  schwierige,  gcwissermaasscn 
undankbare  Aufgabe  in  geradezu  b(*wundcrungswerther  Weise  gelöst  und  sich  um  tlio 
Geschichte  eines  dem  Untergang  geweihten  Volksstammes  unvergängliche  Verdienst«  er- 
worben. Die  lange  Mühe  ist  wohl  der  Sache  werth  und  die  Müller'schc  Fassung  der 
StübePschen  Edelsteine  überliefert  der  Nachwelt  ein  kostbares  Kleinod. 

Nur  wer  Gelegenheit  hatte,  selbst  den  schönen  polynesischen  l'ypus  der  Samoancr  in 
ihrer  Heimath  zu  beobachten,  unter  jenem,  kaum  noch  35  000  Köpfe  zählenden,  durch  den 
Einflnss  der  alles  übertünchenden,  alles  Ursprüngliche  erstickenden  Civilisation  bedrängten 
Rest  einer  Völkerfamilie  zu  leben,  wird  den  Wcrth  der  vorliegenden  Texte  voll  zu  würdigen 
wissen. 

Schnell  haben  fremde  Gebräuche  un4  d<r  Einnuss  «ler  Civilisation  auf  die  Samoaner 
eingewirkt,  schnell  haben  diese  zu  Gunsten  neuer  I^ehren  ihre  ursprüngliche  Weltansrhanunir, 
ihre  Religion,  aufgegeben.  Ja,  wie  kaum  ein  anderes  Volk,  bekundeten  sie  einen  Drang 
nach  Aneignung  neuer  Anschanung^'n  und  (iewohnheit«?n,  wobei  eine  hohe  natürliche 
Int4.'lligenz  ihnen  fördernde  Hülfe  leistete.  Wohl  gab  es  eine  Grenze  in  diesem  Drange 
nach  „Bildung**  und  Veränderung,  die  sich  besonders  den  Umsturzbewegungen  der 
Missionare  als  ein  fester  Schutzwall  entgegenstellte  und  noch  bis  heute  Manches  erhalten 
hat,  was  an  die  heidnische  Vorzeit  der  einstigen  Herren  eines  wahrhaft  paradiesischen 
Inselreiches  erinnert.  Die  Tradition  ureigenster  Gebräuche  bewährt  die  Potenz  jahrhunderte- 
langer Vererbung  auch  heute  noch.  Er>t  70  Jahre  rüttelt  die  Cultur  an  dem  ethno- 
logischen Gebäude,  in  dem  einige  Säulen  noch  fest  stehen,  wenn  auch  viele  Mauern 
bereits  dem  Ansturm  des  mächtigen  motlemen  Feindes  erlegen  sind;  stürzen  auch  sie, 
dann  ist  ein  ebenso  interessantes,  wie  .chönes  Bauwerk  d«'r  Schöpfung  dahin  und  nur 
nocfr  die  Trümmer  können  folgenden,  neu  aufstehenden  (leschlechtem  als  Denksteine 
überliefert  wertlen. 

Wenn  auch,  wie  gesagt,  die  Samoancr  heute  noch  an  vielen  Traditionen  mit  erstaun- 
licher Zähigkeit  festhalten  und  trotz  ihrer  Bekehrung  zum  Uhristenthum  sich  beispiels- 
weise die  Beschneidung,  die  (eremonien  der  Hochzeit  und  die  Tättowirung  nicht  haben  von 
den  Aposteln  des  Christenthums  nehmen  lassm,  wenn  auch  besonders  die  Grundzüge  ihre» 
Familienlebens  und  ihre  socialen  Anschauungen,  besonders  da>  Erbrecht,  in  Bezug  auf 
persönliche  Vorrechte  und  Wünlen  noch  fortb«*^teh»»n,  so  ist  es  doch  unsagbar  schwor, 
aus  d(*n  noch  sichtbaren  und  erkennbar  erhaltenen  Institutionen  eine  klare  Vorstellung, 
einen   causalen   Zusammenhang   der   einstigen   Ureigenthümlichkeiten    zu   gewinnen.    Er- 


Besprechungen.  211 

schwei-t  wird  dies  wcscntlicb  durcli  die  Intelligenz  der  Samoancr  und  ihre  Abneigung, 
Fremden,  Uneingeweihten  einen  Einblick  in  ihr  innerstes  Empfinden  und  iliro  heiligsten 
Rechte  zu  gestatten.  Dazu  kommt,  dass  ihr  altes  Rocht,  ihre  Traditionen  ihnen  nicht 
angelernt,  sondern  im  walireu  Sinne  des  Ausdrucks  angeboren  sind,  und  dass  selbst 
Halfcastes  und  Fremde,  die  in  den  Bräuchen  u.s.  w.  innerhalb  des  autochthoncn  Lebens  auf- 
wachsen, CS  selten  weiter  bringen,  als  dass  sie  die  Richtigkeit  eines  rechtlichen  Vorganges 
empfinden;  das  ist  der  wesentlichste  Erfolg,  den  die  ältesten  Missionare,  besonders  solche 
der  französischen  katholischen  Orden,  erzielt  haben. 

Durch  freundschaftliche  Beziehung  und  starkes  Vertrauen  lässt  sich  der  Eingeborene 
aus  guter  Familie  —  denn  nur  ein  solcher  ist  im  Stande,  vollgültige  Auf  kläi-ung  zu  geben,  da 
ihm  der  Vorzug  der  Stellung  und  Erziehung  tieferes  Erkennen  gestattet  —  wohl  bewegen, 
zumeist  in  Form  kurzer  Erzählungen  oder  Gleichnisse,  aus  dem  seelischen  lieben  seines 
Stammes  zu  berichten.  Auch  dann  aber  neigt  die  angeborene  Höflichkeit  und  besonders 
der  Wunsch,  dem  angenehmen  Fremden  zu  gefallen,  nur  allzu  sehr  dazu,  von  dichterischer 
Licenz  Gebrauch  zu  machen,  so  dass  verschiedene  Gewährsmänner  auch  oft  recht  va- 
rürende  Darstellungen  liefern. 

Scheint  es  nicht  nahezu  unglaublich,  dass  wir,  trotzdem  schon  bald  nach  der  Be- 
kehrung der  Samoauer  scharfe  Beobachter  und  Folkloristen  den  Spuren  des  Vorlebens 
der  Eingeborenen  nachgingen  und  ihre  Aufzeichnungen  machten,  wie  Turner,  Pratt  u.  A., 
nicht  positiv  sagen  können,  o))  die  Anthropophagie  jemals  auf  den  Samoa-Inseln 
herrschte?  Die  wenigen  Symptome,  welche  Turner  (vgl.  „Nineteen  years  in  Polynesia" 
und  „Samoa")  in  sogenannten  Opfersteinen  und  Erzählungen,  sowie  bestehenden  Ge- 
bräuchen hierzu  heranzog,  berechtigen  noch  nicht  zu  dem  sicheren  Schluss,  dass  die 
Samoaner  selbst  einst  Kannibalen  waren.  Auch  St  übel  hat  in  seinen  Aufzeichnungen 
zwei  Sagen  überliefert,  welche  von  Menschenfressern  handeln.  Indessen  trägt  deren 
Inhalt  und  Sinn  weit  eher  dazu  bei,  entlastend  zu  wirken,  denn  die  Erzählungen  von  dem  Aso 
(der  Menschenmahlzeit)  Malietoas  und  dem  Solo  (-Gesang)  der  Gasolo,  der  Tochter  Malietoas, 
schildern  (S.  72  und  73)  den  Kannibalismus  des  Königs  Malietoa  als  etwas  Individuelles 
und  Verwerfliches;  ebenso  tritt  die  Vorliebe  für  Menschenfleisch  bei  einer  Dame')  in  der 
zweiten  Erzählung  als  fremde  Ei-scheinung  zu  Tage.  Die  Annahme,  dass  Anthropophagie 
den  Samoanern  an  sich  fremd  war  und  violleicht  später  nur  als  Reflex  der  Sitten  anderer 
Volksst&mme,  mit  denen  die  Samoaner  gelegentlich  in  Berührung  kamen,  —  so  beispiels- 
weise mit  den  Viti-Insulanem,  welche  im  Atua-Bezirk  nach  einem  Kriege  zurückgeblieben 
und  dort  sich  mit  den  Samoanern  vermischt  haben,  —  zu  betrachten  ist,  dürfte  hier- 
durch unterstützt  werden.  Der  Inhalt  der  zweiten  Sage  sei,  da  in  derselben  die  sym- 
bolische Sprache  poetisch  zum  Ausdruck  kommt,  welche  den  Reden  und  Schilderungen 
des  Volkes  auch  heute  noch  eigen  ist  imd  sie  besonders  als  Gelegenheitsdichter  bei  fest- 
lichen Anlässen  kennzeichnet,  hier  wiedergegeben: 

„Das  Solo  der  Gasolo,  Tochter  Malietoas:    Kannibalismus." 

Das  Solo  der  Tochter  Malietoas,  als  sie  von  dem  Häuptling  Folasaitu  vernachlässigt 
wurde,  welchen  sie  zum  Manne  genommen  hatte.  Folasaitu  war  vorher  mit  einer  Dame 
verheirathet  gewesen,  welche  Menschen  frass,  und  hatte  von  ihr  einige  Kinder.  Hierauf 
heiratheto  Gasolo  (die  Tochter  Malietoas)  den  Folasaitu,  welcher  sie  vernachlässigte,  weil 
er  manche  Nächte  wieder  seine  Frau,  die  Menschenfresserin  war,  aufsuchte.  Hierauf 
machte  Gasolo  folgendes  Solo: 

„Ich  schlafe  und  verkünde  meinen  Traum: 
Ich  weile,  wie  der  Fisch  ohne  Gefährten  in  seiner  Höhle  schläft. 
Folasaitu,  Dein  Wunsch  ist,  Du  wärest  weit  entfernt. 


1)  Das  von  F.  W.  K.  Müller  mehrfach  in  der  Uebersetzung  benutzte  Wort  Dame 
für  tania'  ita'i,  entsprechend  der  Pratt 'scheu  Erklärung  mit  Lady,  berührt  etwas 
sonderbar  wegen  seiner  cultursocialen  Bedeutung.  Dennoch  dürfte  diese  Ueber- 
tragung  gerade  charakteristisch  und  angebracht  erscheinen,  da  tamaitai  thatsächlich  sich 
nach  samoanischeu  Begriffen  vollkommen  mit  der  Bezeichnung  Dame,  einer  dem  besseren 
Stande  augehörigen  Frau  oder  Jungfrau,  deckt. 


212  Bcsprcclmngoti. 

Seitdem  bin  ich  voraachlässigt. 

Du  näherst  Dich  dem  (schönen)  Vasavasa -Vogel,   Jiinter   dem    (verborgen)   der 

(gefährliche)  Tiotala-Vogel  sitzt. 
Du  wirst  eines  Tages  seine  Bosheit  erfahren. 

Und  Du  weisest  zurück  Deine  schöne  Taube,   die    auf  Deinem  Taubonholz  sass, 
Und  die  Liebe  girrt  über  Deinem  Lager." 

Eine  ähnliche  anmuthende,  dabei  anspruchslos  klare  Sprache  charakterisirt  auch  die 
übrigen,  von  St  übel  sowohl  in  der  Uobersetzung,  wie  im  Urtext  niedergeschriebenen 
Ueberlieferungen,  die  in  ihrer  Reichhaltigkeit  und  hinsichtlich  des  vielgestaltigen  Stoffes 
geeignet  sind,  wie  keine  anderen  Mittheilungen,  ein  möglichst  deutliches  Bild  der  alten 
samoanischen  Institutionen  und  Ideen  zu  geben. 

Von  ganz  besonderem  sociologischem  Werthe  ist  unbestreitbar  das  Capitel  <lor 
Häuptlingsheirathen  (p.  120— 126),  denn  es  berührt  den  geheimnissvollsten  Punkt 
samoanischen  Familienlebens.  „Die  Nachfolge  des  Adoptivsohnes",  diese  rechtskrÄftigo 
Bevorzugung  eines  angenommenen  Sohnes  gegenüber  dem  selbst  gezeugten,  streift  die 
verwickelte  Frage  des  Erbrechtes,  die  durch  den  fast  regelmässig  auftretenden  Austausch 
von  Kindern  innerhalb  gleich  gestellter  Familien  nicht  nur  der  Benrtheilung  nach  allen 
bestehenden  Regeln  der  Civilisation  spottet,  sondern  auch  die  Ursache  zu  häuügen 
Differenzen  innerhalb  der  Sippen  und  auch  zu  den  meisten  Fehden  und  Kriegen  bot,  — 
Fast  ebenso  schwierig  und  völlig  ungenügend  festgestellt  ist  das  im  nächsten  Capitel 
(S.  126 ff.)  behandelte  Besitzrecht,  welches  seit  der  Einführung  des  üeldwerthes  auf 
den  Inseln  und  der  Landspcculationen  in  seinen  Grundfesten  stark  erschüttert  ist. 

Wenn  schon  die  erwähnten,  von  St  übel  berücksichtigten  und  partiell  aufgeklärten 
Themata,  die  hier  ausführlicher  zu  erwähnen  und  zu  besprechen  zu  weit  führen  würde,  über 
jede  Krilik  erhaben  scheinen  und  ihr  Werth,  wie  gesagt,  nicht  hoch  genug  veranschlagt 
werden  kann,  so  verleiht  ihnen  die  unverkennbare  Sicherheit  und  Zuverlässigkeit  der 
Quellen,  aus  denen  sie  mit  grossem  Geschick  und  Glück  geschöpft  sind,  noch  eine  ganz 
besondere  Bedeutung. 

Der  Inhalt  der  Aufzeichnungen,  der  poesiereichen  Sagen  eines  von  der  Forschung 
noch  relativ  wenig,  um  so  mehr  aber  von  neidischer  Weltpolitik  ausgebeuteten  Volkes  er- 
innert immer  wieder  an  die  tiefere  Wahrheit  des  vielfach  ironisirten  Seumo'schcn  Aus- 
spruches:   .,Wir  Wilden  sind  doch  bessere  Menschen.**  F.  Reinecke. 


C.  R.  Häntzschel:  Reisehandbuch  für  Amateur-Photographen.     Wilhelm 
Knapp,  Halle  a.  S.    1806. 

Die  photographischo  Fach-Literatur  ist  eine  überreiche  —  von  den  umfangreichsten 
Lehrbüchern  bis  zu  dem  bescheidensten  Nachschlagebnch,  aber  jeder  Verfasser  eines 
neuen  Lehrbuches  über  Photographie  weiss  derselben  neue  Seiten  abzugewinnen,  neue 
Rathschläge  aus  dem  Schatz  seines  Wissens  zu  ertheilen;  denn  so  wie  die  Resultate  der 
Photographie  individuell  sind,  so  ist  auch  der  Weg  zu  denselben  ein  individueller,  und 
so  giebt  der  Verfasser  in  dem  vorliegenden  kleinen  Werkchcn  aus  eigener  Erfahrung 
eine  Reihe  von  Winken,  die  den  Amateur  vor  manchen  Enttäuschungen  auf  der  Reise 
bewahren  dürften. 

Der  Anthropolog  und  Ethnolog  dürfte  jedoch  Manches  vermissen,  was  für  seine 
Aufnahmen  von  grösstcr  Wichtigkeit  wäre,  denn  der  Inhalt  des  Werkchens  erstreckt  sich 
—  ausser  allgemeinen  Rathschlägcn  —  auf  Landschafts-,  Architektur-  u.  s.  w.  Aufnahmen. 
Es  ist  jedoch  nicht  zu  leugnen,  dass,  wenn  der  Amateur* Photograph  mit  diesen  Anf- 
nahmen  gut  Bescheid  weiss,  er  den  Apparat  auch  auf  einigen  wissenschaftlichen  Gebieten 
richtig  anzuwenden  verstehen  wird.  Franz  Goerke. 


Verhandlungen 


der 


Berliner  Gesellschaft 


fOr 


Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt 


ron 


RucL  Yirohow. 


^  '■-  v.~^-  -v-v  -V*!^ 


Jahrgang  1897. 


BERLIN. 

VERLAG  VON  A.  ASHER  &  CO. 

1897. 


0       « 


Berliner  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

1897. 


Ehren  -  Präsident : 

Dr.  Rudolf  VircboWf  Professor,  Geh.  Med.-Ratb. 
Vorstand,  1.  Januar  1897. 

Dr.  Rud.  Virchow,  Professor,  Geh.  Med.-Rath,  Vorsitzender. 


Dr.  Wilh.  Waldeyer,  Prof., 

Geh.  Med.-Rath. 
Dr.  Wilh.  Schwartz,   Prof, 

Gymn.-Director  a.  D., 

Geh.  Regierungsrath. 
Dr. A.Voss,  Director  der  vaterl.  Abth.  d.  Kgl. 

Museums  f  Völkerkunde,  Schriftführer. 


Dr.    Max    Bartels,    Sanitätsrath,    Schrift- 
stüiivertretör  führer,  W.  Am  Karlsbad  12/13. 

des  Dr.  med.  R.  Neuhauss,  Schriftführer. 

Vorsitzenden    Wühehu  Ritter,   Banquier,  Schatzmeister, 

SW.  Friedrichstrasse  242. 


AussohusSy  26.  Januar  1897. 

Dr.  Lissauer,  Sanitätsrath,  Obmann,  Bibliothekar  der  Gesellschaft. 

Dr.  phil.  Daines,  Professor.  *  Dr.  med.  et  phil.  v.  Lusohan. 

Dr.  med.  et  phil.  Paul  Ehrenrelch.  i  Dr.  jur.  G.  Milden,  Syndicus. 

E.  Friedel,  Geh.  Regierungsrath,  Stadtrath.  H.  Sökeland. 

Dr.  jur.  V.  Kaufmann,  Geh.  Regierungsrath,  Dr.    med.    et   phil.   Karl  von  den  Steinen, 
Professor.  Professor. 


Ehrenmitglieder,  1.  Januar  1897. 

1.  Frau  Gräfin  Uwarow,  Präsident  der  Kaiserlich  Russischen  Archäologischen 
Gesellschaft,  Moskau,  erwählt  den  21.  December  1889. 

2.  Fräulein  Johanna  Mestorf,  Director  des  Museums  vaterländischer  Alter- 
thümer  in  Kiel,  erwählt  den  18.  Juli  1891. 

o.  Ministerialrath,  Freiherr  Ferdinand  v.  Andrian-Werbnrg,  Präsident  der  Wiener 
anthropologischen  Gesellschaft,  Aussee,  Steiermark,  erwählt  den  14.  Juli  1894. 

4.    Direktor  Dr.  Fraas,  Stuttgart,  erwählt  den  14.  Juli  1894. 

0.  Prof.  Dr.  Johannes  Ranke,  erster  Vorsitzender  der  Münchener  Gesellschaft 
für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte,  General -Secretär  der 
Deutschen  anthropolog.  Gesellschaft,   München,  erwählt  den  8.  März  1895. 

1* 


w 


(). 


7. 


Oorrespondlrende 

mit  Angabe  des  Jahres 

1.  Amitsohin,  D.,   Dr.,   Professor,     1889 
Präsident  der  Raiserl.  Gesell- 
schaft der  Freunde  der  Natur-  20. 
Wissenschaften,  der  Anthropo- 
logie und  Ethnographie,  Moskau. 

2.  Aspelin,  J.  K.,  Dr.,  Staatsarchae-    1874,21. 
olog,  Helsingfors,  Finland. 

3.  BarMbei,    Direttore  del  Museo     1894  22. 
Papa  Giulio,  Rom. 

4.  Baye,  Baron  Joseph  de,  Ghateau    1890  23. 
Baye,  Dep.  Marne,  Frankreich. 

5.  Beddoe,  John,  M.  D.,  F.  K.  S.    1871   24. 
The  Ghantry,  Badford-on-Aron 

(Wüts)  England. 

BeilHOOi,   Giuseppe,  Prof.,  Dr.,     1881 
Perugia.  25. 

Bertrand,   Alexandre,   Membre    1877 
de  rinstitut,  Directeur  duMusee 
des    Antiquit^s    nationales    k  26. 

St- Germain -en-Laye,  Frank- 
reich. 

8.  Bonaparte,  Roland,  Prinz,  Paris.     1885  27. 

9.  BHnton,   Daniel   G.,   Dr.  med.,     1886 
Professor  an  der  Universität  von  28. 
Pennsylvania,  Doctorof  Science, 

Media,  Pa. 

10.  Brizio,  E.,  Professor,  Director  1891  29. 
des  Museo  civico,  Bologna. 

11.  Bnniess,  J.,  L.  L.  D.,  G.  I.  E.,  1887  30. 
Director  Gen.  of  the  Archaeolog.  3 1 . 
Survey    of  India,    Edinbuigh. 

12.  Calvert,  Frank,  Amer.  Consul,  1875  32. 
Dardanellen,  Rleinasien.  33. 

13.  Capellini,    G.,    Prof.,    Senator,     1871 
Bologna.  34. 

14.  Capittrano  de  Abren,  Dr.  Joäo,  1895  35. 
Bio  de  Janeiro. 

15.  Cartailhac,  E.,  Toulouse.  1881 

16.  Castelfranco,  Pompeo,  R.  Ispet-  1883  36. 
tore  degli  Scavi  e  Monumenti 

di  Antichita,  Mailand.  37. 

17.  Cbantre,  Ernest,  Professor,  Sub-    1881 
director  des  Museums  für  Natur- 
geschichte, Lyon. 

is.    Costa,   Pereira  da,   Dr.,  Prof.,     1872  38. 

Lissabon. 
19.    DawkhM,  W.  Boyd,    Professor,     1877 


Mitglieder, 

der  Ernennung: 

M.  A.,   F.  R.  S.,   Woodhurst, 
Jallowfield,  Manchester. 
Delfado,  Joaquim  Filippe  Nery,     1881 
Chef  der  Geologisch.  Landes- 
aufhahme,  Lissabon. 
Duhnberi,  Otto  von,  Dr.,  Staats-     1879 
rath,  Dorpat. 

Dnpont,  Ed.,  Director  des  Kgl.     1871 
natuigesch.  Museums,  Brttssel. 
Ernst,  A.,  Dr.,  Director  des  Nat.-    1 878 
Museums,  Caracas,  Venezuela. 
Evans,  Sir  John,  D.  C.  L.,  L.  L.     1874 
D.,  F.  R.,  S.,  Pres.  Num.  Society 
London,    Nash   Mills,    Hemel 
Hempsted,  England. 
Fellaaberi,   Edmund  von,   Dr..     1883 
Director  der  archäolog.  und  an- 
thropolog.  Sammlungen,  Bern. 
Flala,  Franz,  Dr.  phil.,  Gustos  am     1 895 
bosnisch 'hercegovin.    Landes- 
Museum,  Sarajevo,  Bosnien. 
Flex,  Oscar,  Missionär,  Ranch  i,     187S 
Nagpore,  Ostindien. 
Flower,  Sir  William  Henry,  Prof.,     1879 
F.  R.  S.,  Director  des  Natural 
History  Museum,  London. 
Franks.  Sir  WoUaston,  M.  A..     1872 
F.  R.  S.  London. 

Garson,  J.  G.,  M.  D.,  London.  1889 
Gemellaro.  Director  des  paläont.  188S 
Museums,  Palermo. 
Gerlacli,  Dr.  med.,  Hongkong.  1880 
Gross,  Y.,  Dr.  med.,  Neuverille,  1880 
Schweiz. 

Gninet,  Emile,  Lyon.  1882 

Hanidy  Bey,  Director  d.  Kaiserl.     1894 
Ottomanischen  Museums,  Con- 
stantinopel. 

Hanipel,  Josef,  Prof.,  Dr.,  Custos     1884 
am  Nationalmuseum,  Budapest. 
Hany,  Ernest,  Dr.,  Professeur    1882 
d^Anthropologie     au    Museum 
d'hist    naturelle,    Membre    de 
rinstitut,  Paris. 

Haner,  Franz  Ritter  von,  Dr.,     1887 
Intendant  a.  D.  d.  K.  K.  natur- 
historischen Hofmuseums,  Wien. 


(5) 


39.  Hantmann,  Professor,  Dorpat. 

40.  HazelioB,  Artur,  Stockholm. 

41.  Heier,  Franz,  Gustos  am  K.  K. 
Naturhistorischen  Hofmnseum, 
Wien. 

42.  Heleril,J.,Privat-Doeent,  Zürich. 

43.  Helbli,  Wolfgang, Dr.,  Professor, 
Rom. 

44.  Heldreioh .  Dr.  von,  Prof.,  Director 
des  botanischen  Gartens,  Athen. 

45.  Hemnann,  Anton,  Dr.  phil., 
Professor,  Budapest. 

46.  Hildebrand,  Hans,  Dr.,  Reichs- 
antiquar,  Stockholm. 

47.  HIrth,  Fr.,  Prof.  Dr.,  Com- 
missioner  of  Gustoms,  Ghin- 
kiang,  Ghina,  z.  Z.  München. 

48.  HSrmann,  Gonstantin,  Regie- 
rungsrath,  Director  des  Landes- 
Museums,  Sarajevo,  Bosnien. 

49.  Hörnes,  Moriz,  Dr.  phil.,  Assistent 
am  k.  k.  naturhist.  Hofmuscam, 
Prirat-Docent,  Wien. 

50.  Hoffman,  W.  J.,  Dr.  med.,  Gu- 
rator  Anthropologien  1  Society, 
Washington,  D.  G. 

51.  Honton- Schindler,  A.,  General, 
Teheran. 

52.  Jacqaes,  Victor,  Dr.,  Secretaire 
de  la  Societt»  d'Anthropologie, 
Brüssel. 

53.  Jimenes  de  la  Espada,  M.,  Prof. 
Dr.,  Madrid. 

54.  Ibering,  Hermann  von,  Dr., 
Director  do  Museo  zoologico, 
Sao  Paulo,  Brasilien. 

55.  Kate,  H.  ten,  Dr.,  La  Plata, 
Argentinien. 

56.  KoHnann,  J.,  Dr.  med.,  Prof., 
Basel. 

57.  Lacerda,  Dr.,  Prof.,  Direktor  des 
Nat.-Museums,  Rio  de  Janeiro. 

58.  Lortet,  Ix)uis,  Prof.  Dr.,  Director 
des  naturhistorischen  Museums, 
Lyon. 

59.  Lubbock,  Sir  John,  Bart.,  M.  P., 
High  El  ms,  Farnhorough,  Kent, 
England. 

60.  Macallster  Prof.  der  Anatomie, 
Cambridge,  England. 


1896 

61. 

1888 

1893 

62. 

1890 

63. 

1883 

1873 

64. 

1889 

65. 

1872 

1886 

66. 

1894 


1894 


67. 


68. 


1886 

69. 

1878  70. 

1889 


1891 

1886 1  71. 


1886,72. 
1887 '73. 
1889 


74. 


1883 


75. 
1871   76. 

77. 
1893 


Majer,  Prof.  Dr.,  Präsident  der    1878 
k.  k.  Akademie,  Krakau. 
Man,  Edward  Horace,  Assistant    1885 
Superintendent,  Port  Blair,  An- 
damanen. 

Mantegazza,    Paolo,   Prof.,    Di-     1871 
rector  d.  Nationalmuseums  für 
Anthropologie,  Senator,  Florenz. 
Marchesetti,  Garlo  de,  Dr.,  Dir.     1887 
des  naturhistorischen  Museums, 
Triest. 

Mason,  Otis  T.,  A.  M.,  Ph.  D.,     1895 
Gurator  of  the  Department  of 
Ethnology  in  the  United  States 
Nat.  Mus.,  Smiths.  Institution, 
Washington,  D.  C. 

MontellHS,  Oscar,  Dr.  phil.,  Prof,     1872 
erster  Amanuensis  am  Rönigl. 
histor.  Museum,  Stockholm. 
Moreno,  Don  Francisco,  Director    1878 
des  National-Museums,  La  Plata. 
Morse,  Edw.  S.,  Professor  Dr.,     1889 
Director  der  Peabody  Academy 
of  Science,  Salem,  Mass. 
Morselli,  Henri,  Dr.  med..   Pro-     1881 
fessor,  Turin. 

Mach,  Matthäus,  Dr.  jur.,  Re-  1894 
gierungsrath,  Mitglied  und  Gon- 
servator  der  k.  k.  Gentral- 
Gommission  zur  Erforschung 
und  Erhaltung  der  Kunst-  und 
historischen  Denkmale,  Hietzing 
bei  Wien. 

Mfiller,  Sophus,  Dr.,    Director    1882 
des  National-Museums,  Kopen- 
hagen. 

Nlcolnccl,  Giustiniano,  Professor,     1871 
Dr.,  Isola  di  Sora,  Neapel. 
Noetlini,  Dr.  phil.,  Palaeonto-     1894 
logist  of  the  Geological  Survey 
of  India,  Galcutta. 

OrsI,   Paolo,  Dr.,  R.  Ispettore     1888 
degli  scavi,  Syracus. 
Penaflel,    Antonio,  Dr.,    Prof.,     1891 
Mexico. 
Phlllppl,  Rudolf  A.,  Professor,     1871 
Dr.,  Santiago,  Ghile. 
PlBorlnl,  Luigi,  Prof.,  Director    1871 
des  prähistorisch-ethnographi- 
schen Museums.  Rom. 


78.  PI«ko,  k.  u.  k.  österr.-ungar. 
Consul,  Üsküb,  Türkei. 

79.  Pitt  Rivers,  A.  H.  Lane  Fox, 
Lieutenant-General,  F.  R.  S., 
Inspector  of  Ancient  Monu- 
ments in  Great  Britain,  Rush- 
more,  Salisbury,  England. 

80.  Pleyte,  W.,  Conservator  aan's 
Rijksmuseum  van  Oudheden, 
Leiden,  Niederlande. 

81.  Powell,  J.  W.,  Major,  Smith- 
sonian  Institution,  Directordes 
Bureau  of  Ethnology,Wa8hing- 
ton,  D.  C. 

82.  Prosdocimi ,  Alessandro,  Cav., 
Professor,  Dr.,  Este,  Italien. 

83.  Pulezky,  Franz  v.,  Dr.,  Director 
des  Nationalmuseums,  Buda- 
pest 

84.  Radde, Gustav,  Dr.,  Wirkl.  Geh. 
Rath,  Director  d.  kaukasischen 
Museums,  Tiilis. 

85.  Radloir,  W.,  Dr.,  Akademiker, 
St.  Petei'sburg. 

86.  Retzlue,  Gustaf,  Dr.,  Professor, 
Stockholm. 

87.  Riedel,  Joh.  Gerard  Friedr., 
Niederländischer  Resident, 
Niederländisch-Indien. 

88.  Risley,  H.  H.,  Calcutta. 

89.  Rlvett-Carnac,  J.  H.,  Golonel- 
Gommandant  of  Volunteers, 
Aide  de  Garop  of  Her  Majesty 
the  Queen,  Eropress  of  India, 
Schloss  Wildeck,  Aargau, 
Schweiz. 

90.  Ryih,  O.,  Prof.  Dr.,  Director 
d.  Sammlung  nordischer  Alter- 
thümer,  Ghnstiania. 

91.  SallMie,  Antonio,  Professor, 
Directordes  Nationalmuseums, 
Palermo. 

92.  Sohneltz,  J.  D.  E.,  Conservator 
am  Ethnographisch  Rijks- 
museum, Leiden. 

93.  Sergi,  Giuseppe,  Prof.  Dr.,  Rom. 

94.  Semrier,  L.,  Dr.,  Professeur  ä 
r^cole  speciale  pour  le  service 
civil  des  Indes  Noerlandaises, 
Batavia. 


1895 

95. 

Spiegelthal.    F.  W.,    Schwedi- 
scher Vice-Consul,  Smyma. 

1875 

1888 

* 

96. 

Steenstmp,  Japetus,  Professor. 
Kopenhagen. 

1871 

97. 

Stieda,  Lndw.,  Geh.  Medicinal- 
rath,  Prof.  Dr.,  Rönigsbeiig  i.  Pr. 

1883 

98. 

Stolpe,    Hjalmar,    Dr.    med., 

1894 

1890 

Stockholm. 

99. 

Studer.   Theophil ,    Professor, 
Dr.,  Bern. 

1885 

1876 

100. 

Szombathy,  Josef,    Gustos  am 
k.  k.  naturhistor.  Hofmuseum, 
Wien. 

1894 

101. 

Tieseihausen,  W.,  Baron  von. 

1896 

1889 

Goadjutor   der  k.  Archäolog 
Commission,  S.  Petersbui^. 

1876 

102. 

Topinard,  Paul,  Prof.  Dr.,  Paris 

1879 

103. 

Troll,  Joseph,  Dr.,  Wien. 

1890 

104. 

Trulielka,     Giro,     Gustos    am 

1894 

1871 

Bosnisch  -  Hercegorinischen 
Ijandes  -  Museum,     Sarajevo. 
Bosnien. 

1884 

105. 

Turner,  Sir  William,  Prof.  der 
Anatomie,  F/iinburg. 

1890 

1882 

106. 

Tylor,  Edward,  B.,  Gurator  des 
Museums,  Professor  d.  Anthro- 

1893 

1871 

pologie,  Oxford. 

107. 

UJfalvy  de  Mezö-Kövesd,  Gh.  E. 
de,  Professor,  Paris. 

1879 

1895 

108. 

Yedel,    E.,    Amtmann,    Vice- 

18H7 

1882 

präsident    der    Rönigl.     Ge- 
sellschall  für  nordische  Alter- 
thumskunde.  Sorö,  Dänemark. 

109. 

Wanket,    Heinrich,    Dr.  med.. 
Olmütz,  Mähren. 

1894 

110. 

Welsbach,  Augustin,  Dr.  med., 

1871 

1879 

Oberstabsarzt ,  Sanitäts  -  Ghef, 
Sarajevo,  Bosnien. 

111. 

Wlieeler,  George  M.,    Gaptain 

187*> 

1883 

Gorps  of  Engineers  U.S.  Army, 
Washington,  D.  G. 

112. 

Wieser,   Ritter  von  Wiesenbort. 

IH94 

1894 

Franz,    Dr.  phil.,   Professor. 
Präsident  des  Ferdinandeums, 
Innsbruck.                                • 

1891 

113. 

Zaaijer,  Professor  Dr.,  Leiden. 

1895 

1889 

114. 

Zanp«,    Raffaello,    Professor 
Dr.,  Rom. 

1891 

115. 

Zwlngmann.  Georg,  Dr.,  Medici- 
nulinspector,  Kursk,  Russland. 

1873 

(V 


Ordentliohe  Mitfirlieder,  1807. 

a)  Immerwährende  (nach  §  14  der    '24.  Barsohall,  Max,  Dr.  med.,  Geheimer 

Statuten).  Sanitätsrath,  Berlin. 

1.  Coming,  Dr.  med,,  Morillon,  Genf.        25.  Bartels,  Max,    Dr.  med.,    Sanitätsrath, 

2.  EhrsRreioh,   Paul,   Dr.  med.  et  phil.,  i  Berlin. 

Berlin.  2^*  Bartels,  Paul,  cand.  med.,  Berlin. 

3.  Joest,  Wilhelm,   Professor  Dr.  phil., '  27.  Basler, Wilhelm,  Dr.,  Offenburg, Baden. 
Berlin.                                                    28.  Bastian,  A.,   Dr.  med.  et  phil..    Geh. 

4.  Lonbat,  Duo  de,  Excellenz,  Paris.        |  Reg.-Rath,   Professor,   Director  des 

5.  Riegler,  C,  Director,  Mannheim.  I  ^'-  Museums  f.  Völkerkunde,  Berlin. 

j  29.  Bauer,  Fr.,  Baurath,  Magdeburg, 

b)  Jährlich  zahlende  (nach  §  11   der ,  30.  Begemann,     Dr.     phil.,     Gymnasial- 

Statuten).  i  Director,  Neu-Ruppin. 

1.  Abel,  Karl,  Dr.  med.,  Berlin.  i31.  Behia,  Robert,  Dr.  med.,  Sanitätsrath, 

2.  Abraha«.  Dr.  med.,  Geh.  Sanitätsrath, ;  Kreiswundarzt,  Luckau. 

Berlia  ,32.  Behlen,     Heinrich,     Forst  -  Assessor, 

3.  Aohenbach,  t.,  Dr.,  Exe,  Oberpräsident,  i  Aurich,  Ost-Friesland. 

Potsdam.  33.  Behrend,  Adolf,  Verlags-Buchhändler, 

4.  Adler,  E.,  Dr.  med.,  Berlin.  I  Berlin. 

5.  Albrecht,  Gustav,  Dr.  phil.,  Charlotten-  34.  Beick,  Waldemar,  Dr.  phil.,  Weilbui^ 
bürg.                                                        35.  Belli,  Ludwig,  Dr.  phil.,  Frankfurt  a.M. 

H.   Albn,  Dr.  med.,  Berlin.  36.  Benda,    C,    Dr.   med.,    Privatdocent, 

7.  Aisberg,  M.,  Dr.  med.,  Cassel.  Berlin. 

8.  Alterthnmaverein,  Worms.  37.  Bennigsen,  R.  v.,  Oberpräsident,  Exe, 

9.  Altriohter,    Karl,     Gerichts  -  Secretär,  Hannover. 

Berlin.  38.  Berendt,  G.,  Dr.  phil.,  Prof.,  Berlin. 

10.  Andree, Rieh.,  Dr.  phil.,  Braunschweig,  i  39.  Bergmann,    Ernst  v.,   Dr.  med,  Geh. 

11.  Apolant,  Hugo,  Dr.  med.,  Berlin.  '  Medicinalrath,  Prof.,  Berlin. 

12.  Arznmi,    Andreas,    Dr.    phil.,    Prof.,  1 40.  Berlin,  R.,  Dr.  med.,  Prof.,  Rostock. 
Aachen.                                                 |41.  Bernhardt»  M.,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin. 

13.  Asobenborn,  Oscar,  Dr.  med.,  Berlin.     ,42.  Bertram,  Alexis,  Dr.  med..  Geheimer 

14.  Asoher,  Hugo,  Kaufmann,  Berlin.         '  Sanitätsrath,  Berlin. 

15.  Atoherson,  F.,  Dr.  phil.,  Ober-Biblio- '  43.  Beuster,  Dr.  med..  Geh.  Sanitätsrath, 
thekar   an   der  Königl.   Universitäts- 1  Berlin. 

Bibliothek,  Berlin.  44.  Beyfuss,   Gustav,   Dr.  med.,   Nieder- 

16.  Asoherson,  P.,  Dr.  phil.  et  med.,  Prof.,  ländisch-indischer  Oberstabsarzt  a.  D. 
Berlin.                                                   I  Berlin. 

17.  Asohoir,  Albert,  Dr.  med.,  Berlin.        ,  45.  Bibliothek,     Grossherzogliche,     Neu- 

18.  Ascboir,  L.,  Dr.  med..  Geh.  Sanitäts-j  Strelitz. 

rath,  Berlin.  1 46.  Bibliothek,  Stadt-,  Stralsund. 

19.  Ash,  Julius,  Fabrikant,  Berlin.  47.  Bibliothek,  Universitäts-,  Greifswald. 

20.  Andonard,  A.,  Major  a.  D.,  Charlotten- !  48.  Bibliothek,  Universitäts-,  Tübingen, 
bürg.                                                        49.  Bindemann,  Hermann,  Dr.  med  ,  Berlin. 

21.  Auerbach,  Richard,  Kaufmann,  Berlin. ;  50.  Blasius,    Wilhelm,    Dr.   phil.,    Prof., 

22.  Bär.  Adolf,    Dr.  med.,    Geh.  Sanitäts- 1  Braunschweig. 

rath,  Berlin.  ,  51.  Biell,  Theodor,  Gross-Lichterfelde  bei 

23.  Bässler,  Arthur,  Dr.  phil.,  z.  Z.  auf  Berlin. 

Reisen.  52.  Bloch,  Iwan,  Dr.  med.,  Berlin. 


(8) 


53.  Blu«enthal,  Dr.  med.,  Sanitätsrath, 
Berlin. 

54.  Boas,  Franz,  Dr.  phil.,  Professor, 
New  York,  America. 

55.  Boer,  Dr.  med.,  Sanitätsrath,  Professor, 
Rönigl.  Hofarzt,  Berlin. 

56.  Borghard,   A.,  Fabrikbesitzer,  Berlin. 

57.  Born,  L.,  Dr.,  Prof.,  Corps -Ross- 
arzt a.  D.,  Berlin. 

58.  Braoht,  Engen,  Landschaftsmaler, 
Professor,  Berlin. 

59.  Braehmer,  0.,  Dr.  med.,  Sanitätsrath, 
Berlin. 

60.  Branann,  v.,  Dr.  med.,  Prof.,  Halle  a.  S. 

61.  Brand,  E.  v.,  Major  a.  D.,  Wutzig  bei 
Woldenberg  in  der  Neumark. 

62.  Brandt,  v.,  K.  deutscher  Gesandter  und 
bevollmächtigter  Minister  a.  D.,  Wirkl. 
Geheimer  Rath,  Exe,  Wiesbaden. 

63.  Braaoh,  F.,  Dr.  med.,  Berlin. 

64.  Breoht,  Gustav,  Dr.,  Oberbtlrgermeister 
a.  D.,  Quedlinburg. 

65.  Bredow,  v.,  Rittergutsbesitzer,  Berlin. 

66.  Bredow,  Ernst  t.,  Retzow  b.  Buschow. 

67.  Breslauer,  Heinrich,  Dr.  med.,  Prof, 
Potsdam. 

68.  Bresier,  H.,  Dr.  med ,  Oberarzt,  Frei- 
burg i.  Schlesien. 

69.  Brösike,  G.,  Dr.  med.,  Berlin. 

70.  BmchMann.  K.,  Dr.  phil.,  Berlin. 

71.  BHiokner  sen.,  Dr.  med.,  Rath,  Neu- 
Brandenburg. 

72.  Bmnnenann,  Karl,  Justizrath.  Stettin. 

73.  BHOhbolz,  Rudolf,  Gustos  des  Märki- 
schen Provinzial-Moseums,  Berlin. 

74.  Birgerschirie.  staatliche,  höhere  mit 
Latein-AbtheiluDg,  Cuxhaven. 

75.  Blitow,  H.,  Geh.  Rechnungsrath,  Berlin. 

76.  BMoh,  Friedr.,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin. 

77.  Bnsohan,  G.,  Dr.  med.  et  phil.,  Kaiserl. 
Marine-Assistenzarzt  a.  D.,  Stettin. 

78.  Basse,  Hermann,  Werkmeister,  Berlin. 

79.  Cahnhein,  0.,  Dr.  med.,  Dresden. 

80.  Castan,  Gustav,  Berlin. 

81.  Castan,  Ix)uis,  Besitzer  des  Panopti- 
cums,  Berlin. 

82.  Cobn,  Alex.  Meyer,   Banquier,  Berlin. 

83.  Cordel,  Oskar,  Schriftsteller,  Haiensee. 

84.  Croner,  Eduard,  Dr.  med..  Geh. 
Sanitätsrath,  E^rlin. 


85.  DafÜs,  Ludwig,  Kaufmann,  Rom. 

86.  Da«es,  W.,  Dr.  phil.,  Prof.,  BerUn. 

87.  David,  Theod.,  vereid.  Makler,  Berlin. 

88.  Davidsohn,  H.,  Dr.  med.,  Berlin. 

89.  Delome,  D.,  ausserord.  Gesandter  u. 
Minister  der  Republik  Haiti,  Berlin. 

90.  Dieroks,  Gustav,  Dr.  phil.,  Steglitz. 

91.  Dieseldortr,  Coban,  Guatemala. 

92.  Dlttmer,  Ludwig,  Dr.  m(>d.,  Berlin. 

93.  Dönhoir-FriedHohstein,  Graf,  Friedrich- 
stein bei  Löwenhagen,  Ostprenssen. 

94.  Dönitz,  W.,  Dr.  med.,  Prof.,  Steglitz  b. 
Berlin. 

95.  Dörpfeld,  Wilh.,  Dr.  phil.,  Prof,  Erster 
Secretär  des  Kaiserl.  Deutschen 
Archäologischen  Instituts,  Athen. 

96.  Dottl,  Regierungs-Baumeister,  Berlin. 

97.  Dziediiozieoky,  Graf,  I^emberg,  Galizien. 

98.  Ehlers,  Dr.  med.,  Berlin. 

99.  Ehrenhaus,  S.,  Dr.  med.,  Sanitätsrath, 
Berlin. 

00.  Ellis,  Havelock,  Carbis  Water,  Lelant 
Cornwall,  England. 

01.  Ende,  H.,  Königl.  Bauruth,  Geb.  Re- 
gierungsrath  Prof,  Berlin. 

02.  Engel,  Hermann,  Dr.  med.,  Berlin. 

03.  Eperjesy,  Albert  von,  k.  k.  Oesterr. 
Kamroerherr  u.  Botschaflsrath,  Rom. 

04.  Erekert,  Roderich  v.,  Generallieut- 
nant  a.  D.,  Exe,  Berlin. 

05.  Erdmann,  Max,  Gymnasiallehrer,  Mün- 
chen. 

06.  Ewald,  Ernst,  Professor,  Director  des 
k.  Kunstgewerbe-Museums,  Berlin. 

07.  Eysn,  Marie,  Fräulein,  Salzburg. 

08.  Fasbender,  H.,  Dr.  med.,  Professor, 
Berlin. 

09.  Felkin,  Robert  W.,  Dr.  med.,  VAm- 
buiig. 

10.  Feyerabend,  Dr.  phil,  Görlitz. 

1 1 .  Finokli,  Theodor,  Kaufmann,  Stuttgart 

12.  Fina,  W.,  k.  Translator,  Berlin. 

13.  FIseiier,  Karl,  Dr.  med.,  Lenzen  a.  E. 

14.  Fiselier,  Wilhelm,  Dr.  phil.,  Real- 
gymnasialdirector  a.  D.,  Bemburg. 

15.  FIseiief,  Louis,  Rentier,  Berlin. 

16.  Flaesohendraofer,  Fabrik  -  Director, 
Wansleben. 

117.   Fleitaiann,  Theodor,  Dr.  phil..  Com- 
merzienrath.  Iserlohn. 


(») 


118.  Fliedner,  Carl,  Dr.  med.,  Monsheim 
b.  Worms. 

119.  Flor8ohUtz,  Dr.  med.,  Gotha. 

120.  Förtsoh,  Major  a.  D.,  Dr.  phil., 
Halle  a.  S. 

121.  Fränkel,  Bernhard,  Dr.  med.,  Prof., 
Geh.  Medicinalrath,  Berlin. 

122.  Freund,  G.  A.,  Dr.  ptiil,  Berlin. 

123.  Friedel,  Ernst,  Geh.  Regierungsrath, 
Stadtrath,  Berlin. 

124.  Frlederlch,  Dr.  med.,  Ober -Stabs- 
arzt a.  D.,  Dresden. 

125.  Friedländer,  Immanuel,  stud.  min., 
Berlin. 

126.  Friedrich,  Woldemar,  Maler,  Prof., 
Berlin. 

127.  Frisch,  A.,  Druckereibesitzer,  Berlin. 

128.  Frltsch,  Gustav,  Dr.  med.,  Prof.,  Geh. 
Medicinalrath,  Berlin. 

129.  Frltsch,  K.  E.  0.,  Architect,  Berlin. 

130.  Frobenlus,  Oberstlieutenant  a.  D., 
Charlottenbui^. 

131.  Fronhöfer,  Kgl.  Lotterie-Einnehmer, 
Major  a.  D.,  Berlin. 

132.  Fiirstenheln,  Ernst,  Dr.  med.,  Sanitäts- 
rath,  Berlin. 

133.  Gaedcke,  Karl,  Ober-Lehrer,  Salz- 
wedel. 

134.  Geeeniue,  F.,  Stadtältester,  Director 
des  städtischen  Pfandbriefamts,  Geh. 
Kegierungsrath,  Berlin. 

135.  Giebeler,  Carl,  Ingenieur,  Gross- 
Lichterfelde. 

136.  Glogner,  Dr.  med.,  Stadsgeneesheer, 
Sanferang,  Java. 

137.  GSrfce,  Franz,  Raufmann,  Berlin. 

138.  Bo%s,  Apotheker,  Soldin. 

139.  Götz,  G.,  Dr.,  Obermedicinalrath,  Neu- 
Strelitz. 

140.  G5tze,  Alfred,  Dr.  phil.,  Berlin. 

141.  Goldeohnldt,  Heiiir.,  Banquier,  Berlin. 

142.  Goldsehniidt,  Leo  B.  H.,  Banquier,  Paris. 

143.  Goldeohnldt,  Oscar,  Dr.  jur.,  Char- 
lottenbTirg. 

144.  Goldeticker,  Eug.,Yerlagsbuchhändler, 
Berlin. 

145.  Gotteohalk,  Sigismund,  Dr.  med., 
Berlin. 

146.  GrawHz,  Paul,  Dr.  med.,  Professor, 
Greifswald. 


47.  Grempler,  Wilhelm,  Dr.  med..  Geh. 
Sanitätsrath,  Breslau. 

48.  Grosemann,  Adolf,  Dr.  med.,  Sanitäts- 
rath, Berlin. 

49.  Grossmann,  Louis,  Rabbi,  Temple 
Beth  El,  Detroit,  Mich.,  America. 

50.  Grubert,  Dr.  med.,  Palkenberg,  Pom- 
mern. 

51.  GrUnwedel,  Albert,  Dr.  phil.,  Prof., 
Directorial  -  Assistent  am  königl. 
Museum  f.  Völkerkunde,  Priedenau  b. 
Berlin. 

52.  Gubltz,  Erich,  Dr.  med.,  Breslau. 

53.  Günther,  Carl,  Photograph,  Berlin. 

54.  GUterbock,  Bruno,  Dr.  phil.,  Berlin. 

55.  Giiterbook,  Paul,  Dr.  med..  Geheimer 
Medicinalrath,  Professor,  Berlin. 

56.  Gusserow,  A.,  Dr.  med.,  Geh.  Medi- 
cinalrath, Prof.,  Berlin. 

57.  Guthknecht,  Gustav,  Maler,  Berlin. 

58.  GatMann,  Max,  Regierungs  -  Bau- 
meister, Berlin. 

59.  Gutznann,  H.,  Dr.  med.,  Berlin. 

60.  Haacke,  Dr.  med ,  Sanitätsrath,  Stendal. 

61.  Haerche,  Bergwerks-Director,  Fran- 
kenstein, Schlesien. 

62.  Hagenbeok,  Karl,  Thierhändler,  Ham- 
burg. 

63.  Haha,  Eduard,  Dr.  phil.,  Berlin. 

64.  Hahn,  Eugen,  Dr.  med..  Geh.  Sanitäts- 
rath, Prof.,  Director  am  allgem.  städt. 
Krankenhause  Friedrichshain,  Berlin. 

65.  Handtmann,  E.,  Prediger,  Seedorf  bei 
Lenzen  a.  Elbe,  Westpriegnitz. 

66.  Hansemann,  David,  Dr.  med.,  Privat- 
docent,  Prosector  am  Krankenhause 
Friedrichshain,  Berlin. 

67.  Hansemann,  Gustav,  Rentier,  Berlin. 

68.  Harok,  F.,  Dr.  phil.,  Seusslitz  bei 
Priestewitz,  Königr.  Sachsen. 

69.  Hardenberf,  Froitierr v.,  Majoratsherr  in 
Schlöben  b.  Roda,  Sachsen-Altenburg. 

70.  Harsel«,  Wirkl.  Geheimer  Kriegsrath, 
Berlin. 

71.  Hartmann,  Herrn.,  Dr.  phil.,  Prof., 
Landsberg  a.  W. 

72.  Hartwich,  Karl,  Dr.  phil,  Professor, 
Zürich. 

73.  Hattwich,  Emil,  Dr.  med.,  Sanitätsrath, 
Berlin. 


(10) 

174.  Haucheooriie,W.,  Dr.  phil,  Geh.Berg-  205.   Jaha,  Ulrich,  Dr.  phil.,    Charlotten- 
rath,   Director  d.  k.  Bergakademie,  borg. 

Berlin.  206.   Jtimasoh,  R,  Dr.  jur.  et.  phil.,  Vor- 

175.  Heck,   Dr.  phil.,   Director   des   zoo-  sitzender  des  Vereins  für  Handels- 
logischen Gartens,  Berlin.                             geographie,  Berlin. 

176.  Heimann,  Ludwig,  Redacteur,  Berlin.  207.   Jaquet,   Dr.  raed..  Geh.  Sanitätsrath, 

177.  Heintzel,  C,  Dr.,  Lüneburg.  |  Berlin. 

178.  Helir,  Albert,  Rechtsanwalt,  Frank-  208.   Jentsch,  Hugo,  Dr.  phil.,  Prof.,  Guben, 
fürt  a.  M.  209.   Jelly,    Dr.  med.,   Prof.,    Geh.  Medi- 

179.  Helir,   Pfarrer,    Allendorf  bei  Weil-  cinalrath,  Berlin. 

bürg.  210.   Jürgene,  Rud.,  Dr.  med.,    Gustos  am 

180.  Hellmann,  Gustav,  Dr.  phil.,  Professor,  Pathologischen  Institut,  Berlin. 
Berlin.  211.    Kahlbaam.     Dr.    med.,     Sanitätsrath, 

181.  Henning,  Louis,  Employo,  Antwerpen.  Director,  Görlitz. 

182.  Henning,  R.,   Dr.  phil.,  Prof.,   Strass-  212.    Kallsolier,  G.,  Dr.  med.,  Berlin, 
bürg  im  Elsass.  213.    Kandt,  Richard,  pract.  Arzt,  Berlin. 

183.  Herz,     Dr.    jur.,     Kammergerichts- !  214.    Katz,  Otto,  Dr.  med.,  Gharlottenburg. 
Assessor,  Berlin.  215.   Kaufinann,  Richard  v.,  Dr.  phil.,  Prof., 

184.  Hesselbarth,  Georg,  Dr. med.,  Berlin.!  Geh.  Regierungsrath,  Berlin. 

185.  Heyden,  August v.,  Maler,  Prof.,  Berlin. ,  216.    Kay,  Charles  de,  General-Consul  der 
Berlin.  Vereinigten    Staaten    von    America, 

186.  Hiigendorf,  F.,    Dr.  phil.,   Professor,  |  Berlin. 

Gustos  am  königl.  Museum  f.  Natur-  217.    Keller,  Paul,  Dr.,  Berlin, 

künde,  Berlin.  218.    Kerb,  Moritz,  Kaufmann,  Berlin. 

187.  Hllle,  Dr.  med.,  Strassburg  im  Elsass.  219.    KirchbolT,  Dr.  phil.,  Piof.,  Giebichen- 

188.  Hirschberg^Julius,  Dr.  med.,  Professor,  stein  bei  Halle  a.  S. 
Geheimer  Medicinalrath,  Berlin.  220.    Klaar,  W.,  Kaufmann,  Berlin. 

189.  Hirsohfeld,  Paul,  Schriftsteller,  Berlin.  221.    Klas,  Pfarrer,   Burg-Schwalbach  bei 

190.  Holder,  v.,  Dr.  med.,  Ober-Medicinal-  Zollhaus. 

rath,  Stuttgart.  222.    Klein,  William,  Nürnberg. 

191.  Höner,  F.,  Zahnkünstler,  Berlin.  223.    Klemm,  Dr.  phiL,  Berlin. 

192.  Hom,    0.,   Dr.  med.,    Kreisphysicus,  224.    Kooh,  Robert,  Dr.  med.,  Prof.,  Geh. 
Tondem.  Medicinalrath,  Berlin. 

193.  Hülsen,  Karl,  St.  Petersburg.  225.   KiMiler,  Dr.  med.,  Posen. 

194.  Hnmbert,   Unterstaatssecretär,  Berlin.  226.    Kofier,  Friedrich,  Rentier,  f)armstadt. 

195.  Ideler,   Dr.  med.,   Geh.  Sanitätsrath,  227.    Kollm,    Hauptmann    a.  D.,    General- 
Wiesbaden.  Secretär   der  Gesellschaft   für  Erd- 

196.  isaac,  Julius,  Commerzienrath,  Berlin.  künde,  Berlin. 

197.  Israel,  Oskar,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin.  228.    Konicki,  Julius,  Rentier,  Berlin. 

198.  Itzig,  Philipp,  Berlin.  229.    Korth,  Karl,  Hotelbesitzer,  Charlotten- 

199.  Jaoobsen,  Adrian,  SchifTs-Capitän  a.D.,  bürg. 

Dresden.  230.    Kotsinna,  Gustaf,  Dr.   phil.,  Biblio- 

200.  Jaoobsthal,  £.,  Geh.  Regierungsrath,  thekar,  Berlin. 

Prof.,  Charlottenburg.  231.    Kraaee,     Eduard,     Conservator    am 

201.  Jaonbowtki,  Apothekenbesitzer,  F'rau-  Königl.   Museum    für   Völkerkunde, 
Stadt  i.  P.                                                         Berlin. 

202.  Jinloke,    Ernst,    Kaufmann,    Gross-  232.    Krame,   Hermann,   Dr.  med.,    Prof., 
Lichterfelde.  Berlin. 

203.  JalTi,  Benno,  Dr.  phil.,  Berlin.  233.    Krause,    Wilhelm,    Dr.  med.,    Prof., 

204.  Jagor  Fedor,  Dr.  phil.,  Berlin.  Berlin. 


234.  Krehl,  Gastav,  Kaufmann,  Berlin.       '  267.  Lewin,  Moritz,  Dr.  phil.,  Berlin. 

235.  Kretschmer,  Paul,  Dr.  phil.,  Berlin.    [  268.  Liebe,  Th.,  Dr.  phil.,  Prof.,  Berlin. 

236.  Krien,  F.,  Consul,  SeuL  Korea.  |269.  üebermanii,  P.  t.,  Dr.  med.,  Berlin. 

237.  Kroner,  Moritz,  Dr.  med.,  Sanitätsrath, !  270.  Uebemann,  Felix,  Dr.  phil,  Berlin. 
Berlin.                                                 |271.  Uebemann,    Karl,    Dr.   phil.,    Prof. 

238.  Kronthal,  Karl,  Dr.  med ,  Berlin.        I  Berlin. 

239.  KSnne,  Karl,  Charlottenburg.  272.  Liebreich,  Oscar,  Dr.  med.,  Prof,  Geh- 

240.  Kurtz,  F.,  Dr.  phü.,  Prof,  Gordoba, '  Medicinalrath,  Berlin. 
Repüblica  Argentina.                            273.  Llndenschmit,    Dirigent    des    Genna- 

241.  Käthe,     Dr.    med.,      Oberstabsarzt,,  nischen  Museums,  Mainz. 
Prankfurt  a.  M.                                      274.  LIseauer,  Dr.  med., Sanitätsrath,  Berlin. 

242.  Kottner,  Ludwig,  Kaufmann,  Berlin,  j  275.  Low,  E.,  Dr.  phil.,  Oberlehrer,  Berlin. 

243.  Lachnann,  Georg,  Kaufmann,  Berlin.  |  276.  Löwenheim,  Ludw.,  Kaufmann,  Berlin. 

244.  Laohmann,   Paul,    Dr.  phil.,    Fabrik-  277.  Lucae,Dr.med.,  Prof,  Geh.Medicinal- 
besitzer,  Berlin.  rath,  Berlin. 

245.  Lahr,  Dr.  med.,  Prof,  Geh.  Sanitäts-  278.  Ludwig,  H.,  Zeichenlehrer,  Berlin, 
rath,  Zehlendorf.                                   279.  Lohe,  Dr.  med.,  Oberstabsarzt,  Königs- 

246.  Landau,  H.,  Banquier,  Berlin.  berg  i.  Pr. 

247.  Undatt,W., Freiherr?., Dr. phil., Berlin.   280.  Lihrsen,  Dr.,  Kaiserl.  Deutscher  Mi- 

248.  Lang,  Carl  Eugen,  Blaubeuren.  nister-Resident,  Santa  Fe  de  Bogota, 

249.  Lange,  Julius,  Versicherungs-Director,  Colombia. 

Potsdam.  281.  Lueohan,    P.  v.,    Dr.  med.    et   phil., 

250.  Langen,  Königl.  Baurath,  Berlin.  Dir.- Assist,  am  kgl. Museum  f.  Völker- 

251.  Langen,  A.,  Capitain,  Porto  Delgado,  künde,  Privatdocent,  Friedenau. 
San  Miguel,  Azoren.                             282.  Maas,  Heinrich,  Kaufmann,  Berlin. 

252.  Langenmayr,     Paul,     Rechtsanwalt,   283.  Maas,  Julius,  Kaufmann,  Berlin. 
Pinne,  Prov.  Posen.                              284.  Maass.    Kai'l,   Dr.  med.,   Oberstabs- 

253.  Langerhane,  P.,    Dr.  med.,    Stadtver-  arzt  a.  D.,  Berlin. 

ordneten- Vorsteher,  Berlin.  285.  Madsen,  Peter,  Baumeister,  Berlin. 

254.  Langerhans.  Robert,  Dr.  med.,  Prof.,   286.  Magnus,  P.,  Dr.  phil.,  Prof.,  Berlin. 
Prosector  am  Krankenhause  Moabit.   287.  Majewski,  Erasm.,  Dr. phil.,  Warschau. 

255.  Langner,  Otto,  Dr.  med.,  Berlin.  288.  Mankiewicz,  Otto,  Dr.  med.,  Berlin. 

256.  Lasohke,  Alexander,  Kais.  Bankbuch-  289.  Marcuse,  Dr.  med..  Geh.  Sanitätsrath, 
halter,  Berlin.  Berlin. 

257.  Lassar,  O.,  Dr.  med.,  Prof,  Berlin.   290.  Marcuse,  Louis,  Dr.  med.,  Berlin. 

258.  Lazarus,  Moritz,  Dr.  phil.,  Prof.,  Geh.   291.  Marcuse, Siegb.,  Dr.  med.,  Sanitätsrath, 
Regier ungsrath,  Berlin.  Berlin. 

259.  Le  Coq,  Albert  v.,  Dr.,  Darmstadt.      292.  MarggralT,  A.,  Stadtrath,  Berlin. 

260.  Lehmann,  Carl  F.,    Dr.  jur.  et  phil.,   293.  MarimonyTudö,  Seb.,  Dr.  med.,  Sevilla. 
Privatdocent,  Berlin.                              294.  Marlene,  E.  v.,  Dr.  phil.,  Prof.,  Zweiter 

261.  Lehmann -Nitsohe,    R.,    Dr.    med.    et  Director  der  zoolog.  Abthlg.  des  kgl. 
phil.,  Berlin.  Museums  für  Naturkunde,  Berlin. 

262.  Lehnerdt,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitätsrath,   295.  Martin,   A.  E.,  Dr.  med.,  Professor, 
Berlin.  Berlin. 

263.  Lemcke,  Dr.  phil.,  Prof,  Gymnasial-  296.  Martin,  Rudolf,  Dr.  med.,  Docent  für 
Director,  Stettin.  Anthropologie,  Zürich. 

264.  Lemke,  Elisabeth,  Fräulein,  Berlin.       297.  Ma9ka,KarlJ.,Oberrealschul-Director, 

265.  Leo,  F.  A.,  Dr.  phil.,  Prof,  Berlin.  Teltsch,  Mähren. 

266.  Leonhardi,  Moritz  Freiherr  v..  Gross-  298.  Matz,  Dr.  med.,  Stabsarzt,  Steglitz. 
Karben,  Grosshci-zogthum  Hessen.      299.  Maurer,  Hermann,  Revisor,  Berlin. 


(12) 

^üO.    Meitzen,  Augast,  Dr.,  Prof.,  Geh.  Re-  332.  Obst,  Dr.  med  ,  Director  des  Museums 

giemngsrath,  Berlin.  für  Völkerkunde,  Leipzig. 

501.    Hendel,  E.,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin.  333.  Oesten,     Gustav,     Ober  -  Ingenieur. 

302.  Menger,  Henry,  Dr.  med.,  Medicinal-  Berlin. 

rath,  Berlin.  334.  Ohnefalsch -Richter,   Max,    Dr.    phil., 

303.  Menzel,  Dr.  med.,  Charlottenburg.  z.  Z.  auf  Reisen  in  Africa. 

304.  Merke,  Verwaltungsdirector  des  städt.  335.  Olshaosen,  Otto,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Krankenhauses  Moabit,  Berlin.  336.  Oppenheim,  Max,  Freiherr  v.,  Dr.  jur.. 

305.  Meyer,    Alfred  G.,    Dr.  phil,    Prof.,  Regierungsassessor,  Cairo. 
Director,  Berlin.  337.  Oppenheim,  Paul,  Dr.  phil,  Charlotten- 

306.  Meyer,  Ferdinand,  Bankier,  Berlin.  bürg. 

307.  Meyer,  Richard  M.,  Dr.  phil,  Berlin.  338.  OppersdorfT,  Graf,  Schloss  Oberglogau, 

308.  Michel,  Gustav,  Dr.  med.,  Wechmar  Schlesien. 

b.  Gotha.  339.  Oppert,  Gustav,  Dr. phil,  Prof ,  Berlin. 

301».    Mielke,    Robert,    Zeichenlehrer  und  340.  Orth,  A.,    Dr.  phil,  Prof.,  Geh.  Re- 

iSchriftsteller,  Berlin.  gierungsrath,  Berlin. 

olO.   Mies,  Josef,  Dr.  med.,  Cöln  a.  Rhein.  341.  Osbcme,  Wilhelm,  Rittergutsbesitzer, 

311.  Minden,  Georg,  Dr.  jur.,  Syndikus  des  Blasewitz  b.  Dresden. 

städt.  Pfand  briefamts,  Berlin.  342.  0ske,Ern8t,  Vereidigter  Makler,  Berlin. 

312.  Mübliis,    Dr.  phil,  Prof.,    Geh.  Re-  343.  Ossoividzki,   Dr.  med.,    Sanitätsrath, 
gierungsrath,  Director  d.  zoologischen  Oranienburg,  Reg.-Bez.  Potsdam. 
Abtheiiung   des    kgl    Museums    für  344.  Palm,  Julius,  Dr.  med.,  Berlin. 
Naturkunde,  Berlin.  345.  Passow,  Dr.  med.,  Prof.,  Heidelborg. 

313.  Möller,  Armin,  Lehrer,  Weimar.  346.  Panli,  Gustav,  Berlin. 

314.  Möller,  H.,  Dr.,  Professor,  Berlin.  347.  Pelser,  Felix,  Dr.  phil,  Privat-Docent, 

315.  Moser,  Hofbuchdrucker,    Charlotten-  Königsberg  i.  Pr. 

bürg.  348.  Petermann,  Georg,  Apotheker,  Burg 

316.  Möwes,  Dr.  phil,  Berlin.  im  Spreewalde. 

317.  Morwitz,  Martin,  Rentier,  Berlin.  349.  Pflogmacber,  E.,  Dr.  med.,  Genend- 

318.  Moses,  S.,  Dr.  med.,  Sanitätsrath,  Berlin.  arzt  a.  D.,  Potsdam. 

319.  Möller,  Erich,  Geh.  Regierungsrath,  350.  PftoW,  F.,  Dr.  phil,  Professor,  Posen, 
vortragender    Rath   im   Unterrichts-  351.  Philip,  P.,  Dr.  med.,  Berlin, 
ministerium.  Berlin.  352.  Philipp,  Paul,  Dr.  med.,  Rreisphysikus, 

320.  MOIIer-Beeok,  Georg,  Kais.  Deutscher  Berlin. 

Consul,  Nagasaki,  Japan.  353.  Plnckemelle.  W.,  Dr.  med.,  Breslau. 

321.  Mönsterberg,  Oscar,  Dr.  phil ,  Berlin.  354.  Plnkns,  Felix,  Dr.  med.,  Breslau. 

322.  Mützel,  Hans,  Historienmaler,  Berlin.  355.  Pippow,    Dr.  med.,    Regiemngs-  und 

323.  Miuik,    Hermann,    Dr.  med.,    Prof.,  Medicinalrath,  Erfurt. 
Berlin  356.  Placzek,  S.,  Dr.  med.,  Berlin. 

324.  Musenm,    Bernstein-,     Stantien    und  357.  Pdakowsky,  Dr.  phil,  Berlin. 
Becker,  Königsberg  i.  Pr.  358.  Poll,  Heinrich,  stud.  med.,  Berlin. 

325.  Mnseum  für  Völkerkunde,  Leipzig.  359.  Ponflok,  Dr.  med.,  Prof.,  Geh.  Medi- 
32^).    Museum.  Provinzial-,  Halle  a.  S.  cinalrath,  Breslau. 

327.    Nehring,  A ,  Dr.  phil,  Prof.,  Berlin.  360.  Posner,  C,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin. 

32«.    Nenhauss.  Richard,  Dr.  med.,  Berlin.  361.  Preuss,  Theodor,  Dr.  phil,  Berlin. 

329.  Neumann,  Oscar,  Berlin.  362.  Proohno,    Rath s  -  Apotheker,   Garde- 

330.  Neumayer,  G.,  Dr.  phil,  Wirkl  Geh.  legen. 
Admiralitätsruth,  Prof.,  Director  der  363.  Pwlll,  H.,  Baudirector,  Prag, 
deutschen  Seewarte,  Hamburg.  364.  RabURIckhard ,    H.,    Dr.  med.,  Prof.. 

3:U.    Nothnagel,  .V.,  Prof.,  Hofmaler,  Berlin.  Oberstabsarzt  a.D.,  Berlin. 


13) 

0 

365.  Railenaoher,  C,  Lehrer,  Cöln  a.  Rh.  1397.  Sobauenburg,  Dr.  jur.,  Regierungsrath. 

366.  Reich^    Max,    Dr.    med.,    Stabsarzt  Berlin. 

der  Marine,  Berlin.  398.  Sohedel,   Joseph,    Apotheker,    Yoko- 

367.  Reichenheim,  Ferd.,  Berlin.  hama,  Japan. 

368.  Reinedce,  Paul,  stud.  med.,  Mtinchen.  |  399.  Sohellhae,  P.,  Dr.  jur,  Amtsrichter. 

369.  Reineolie,  Major  a.  D.,  Berlin.  |  Steinan  a.  d.  Oder,  Schlesien. 

370.  Reiiiharclt,Dr.phil.,Oberlehrer,Rector,  |400.  Sohlemn,  Julie,  Fräulein,  Berlin. 
Berlin.                                                   401.  Sohlesinger,   H.,  Dr.  med.,  Sanitäts- 

37 1 .  Reiss,  Wühelm,  Dr.  phil.,  Geh.  Regie-  rath,  Berün. 
rungsrathySchlossKönitz^Thüringen).  1402.  Sohnidt,    Colmar,   Landschaftsmaler^ 

372.  Renall,  E.  J.,  Dr.  med.,  Professor,!  Berlin. 

Berlin.  |403.  Sohnidt,  Emil,  Dr.  med.,  Professor, 

373.  Rlohter,  Berth.,  Banquier,  Berlin.        |  Leipzig. 

374.  Riohthofen,  F.,  Freiherr  v.,  Dr.  phil. J  404.  Sohnidt,    Henry,  Dr.  phil.,   Linden, 
Prof.,  Oeh.  Regierungsrath,  Berlin.  Hannorer. 

375.  Riedel,  Bemh.,  Dr.  med.,  Berlin.  405.  Sohnidt,  Max  C.  P.,  Dr.  phil.,  Prof., 

376.  Riedel,  Paul,  Kaufmann,  Oranienburg.  Berlin. 


377.  Ritter,  W.,  Banquier,  Berlin. 

378.  Robel,   Ernst,  Dr.  phil.,  Oberlehrer, 
Gross-Lichterfelde. 


406.  Sohnidt,  Oscar,  Dr.  med.,  Berlin. 

407.  Sohneil,  Apotheken-Besitzer,  Berlin. 

408.  Sohöler,  H.,  Dr.  med.,  Professor,  Geh. 


379.  R8okl,    Geoiig,    Regierungsrath    am|  Medicinalrath,  Berlin. 

Kaiserl.  Gesundheitsamt  Berlin.         |409.  Sohöne,    Richard,  Dr.  phil.,    Wirkl. 

380.  Röhl,  V.,  Dr.  jur.,  Assessor,  Berlin.  Geh.  Ober-Regierungsrath,  General* 

381.  R5sler,  E,  Gymn.-Lehrer,  Schuscha, ,  director  der  Rönigl.  Museen,  Berlin. 
Kaukasus.                                             410.  Sohönltnk,  William,  General-Consul 

382.  Rosenkranz,  H.,  Dr.  med.,  Berlin.  der  Republiken  San  Salvador   und 

383.  Rosenstein,  Siegmund,  Director,  Berlin. ,  Haiti,  Berlin. 

384.  Rosenthal,  L.,  Dr.  med.,  Sanitätsrath,!  411.  SohStensaok,  0.,  Dr.  phil.,  Heidelberg. 
Berlin.                                                   412.  Sohytz,  Carl,  Bildhauer,  Friedrichs- 

I  -  

385.  Rüok,  D.,  Ansbach.  hagen  b.  Berlin. 

386.  Rage,  Karl,  Dr.  med.,   Sanitätsrath,  413.  Sohytz,  W.,  Dr.  med.,  Professor,  Geh. 
Professor,  Berlin.  Regierungsrath,  Rector  der  thierärztl. 

387.  Rüge,  Paul,    Dr.  med.,   Sanitätsrath,  Hochschule,  Berlin. 

Berlin.  1 414.  Sohtttze,  Alb.,  Academischer  Künstler 

388.  Rmkwitz,  Dr.  med.,  Marine-Stabsarzt,  Berlin. 

auf  See.  415.  Sohulenburg,  Wilibald  y.,  Berlin. 

389.  Sanson,  Alb.,  Banqier,  Brüssel.  416.  Sohultze,  Oscar,   Dr.  med.,   Sanitäts- 

390.  Santer,  Dr.  med.  Berlin.  rath,  Berlin. 

391.  Sander,  Wilh.,  Dr.  med..  Geh.  Medi-  417.  Sohultze,  Wilhelm,  Dr.  med.,  Sanitäts- 
cinalrath,    Director,     Dalldorf    bei  rath,  Stettin. 

Berlin.  418.  Sohnitze,  Premier-Lieutenant,  Berlin. 

392.  Sander,  Marine-Stabsarzt a. D,  Wind-  419.  Sohultze,  Rentier,  Berlin. 

hoek,  Deutsch-Süd -West-Africa.  420.  Sohunann,  Hugo,  praktArzt,  Löcknitz, 

393.  Sarasin,  Fritz,  Dr.  phil.,  Basel.  Pommern. 

394.  Sarasin,  Paul,  Dr.  phil.,  Basel.  421.  Sohwabaoher,  Adolf,  Banquier,  Berlin. 

395.  Sanrna-Jeltsoh,     Freiherr   v.,     Exe,  422.  Sohwartz,    Albert,    Hof- Photograph, 
Wirkl.  Geh.  Rath,  Kaiserl.  Deutscher  Berlin. 

ausserordentlicher  und  be?ollmäch-  423.  Sohwartz,  W.,  Dr.  phil.,  Prof.,  Gym- 

tigter  Botschafter,  Gonstantinopel.  nasialdirector.  Geh.  Regierungsrath, 

396.  SavUle,  Marshall  H.,  New  York.  Berlin. 


(1*) 

424.  Schwarzer,  Dr.,  Grabenbesitzer,  Zilms-  453.   Strauch,  Curt,  Dr.  med.,  Heidelberj^ 
dorf  bei  Teuplitz,  Kr.  Sorau.  454.   Strebet,  Hermann,  Kaufmann,  Ham- 

425.  Schweinfürth,  Georg,  Dr.  phil.,  Prof.,  bui^g,  Eilbeck. 

Berlin,  z.  Z.  auf  Reisen.  455.   Strecker,  Albert,  Ranzleirath,  Soldin. 

42<i.    Schweinitz,  Graf  V.,  Premierlieutenant,  45G.    Struck,   H.,   Dr.  med..    Geh.  Ober- 
Berlin.  Regiemngsrath,  Berlin. 

427.  Schweitzer,  Dr.  med.,  Daaden,  Kreis  457.    Stucken,  Eduard,  Berlin. 
Altenkirchen.  458.   Stuhlmann,  Dr.  med..  Dar  es  Salam. 

428.  Schwerin,  Ernst,  Dr.  med.,  Sanitätsrath,  459.   Tänzer,  Dr.  med.  Charlottenburg. 
Berlin.  460.    Tappeiner,  Dr.  med.,  Hofrath,  Schloss 

429.  Seiberg,  Emil,  Kaufmann,  Berlin.  Reichenbach,  Meran. 

130.    Seier,  Eduard,  Dr.  phil.,  Assistent  am  461.    Taubner,    Dr.    med.,    Allenbei^g   bei 
kgl.  Museum  für  Völkerkunde,  Privat-  Wehlau. 

docent,  Steglitz  b.  Berlin.  462.    Teige,  Paul,  Hof-Juwelier,  Berlin. 

431.  Siebold,  Heinr.  v.,  Yokohama,  Japan.  463.    Thomer,  Eduard,  Dr.  med.,  Sanitäts- 

432.  Siegmund,    Gustav,    Dr.  med..   Geh.  rath,  Berlin. 

Sanitätsrath,  Berlin.  464.   Thunig,  Amtsrath,  Breslau. 

433.  Siehe,  Dr.  med.,  Sanitätsrath,  Kreis-  465.   Tinann,  F.,  Dr.  med.,  Divisionsarzt 
physicus,  Calau.  Stettin. 

434.  Siemering,  R.,  Prof.,  Bildhauer,  Berlin.  466.   Titel,  Max,  Kaufmann,  Berlin. 

4S:j,   Siemeen,  Palm,  kais.  deutscher  Consul,  467.   Toimatschew,  Nicolaus,  Dr.  med.,  Prof.. 
Makassar.  Kasan,  Russland. 

436.  Sierakowski,    Graf   Adam,    Dr.  jur.,  468.   T»rök,  Aurel  v.,  Dr.  med.,  Prof.,  Di- 
Waplitz  bei  Altmark,  Westpreussen.  rector    des    anthropologischen    Mu- 

437.  Sieekind.  Louis  J.,  Rentier,  Berlin.  seums,  Budapest. 

43>s.    Simon,  Th.,  Banquier,  Berlin.  469.    Tomow,  Max  L.,  Manila,  Philippinen. 

439.  Sökeland,  Hermann,  Berlin.  470.   Treichei,  A.,  Rittergutsbesitzer,  Hoch- 

440.  Somnierfeld,  Sally,  Dr.  med.,  Berlin.  Paleschken  b.  Alt-Kischau,  Westpr. 

441.  Sonnenburg,  Dr.  med.,  Prof.,  Director  471.   Uhle,  Max,  Dr.  phil,  Kötzschenbroda, 
am  Krankenhause  Moabit,  Berlin.  z.  Z.  auf  Reisen. 

442.  Spitzly,  John  H.,  pensionirter  OfBcier  472.    Unlaufr,  J.  P.  G.,  Naturalienhändler, 
van  gezondheid  L  Kl,  London.  Hamburg. 

443.  Staudinger, Paul, Naturforscher, Berlin.  473.    Urach,    Fürst  von,    Carl,    Graf  von 

444.  Stechow,    Dr.    med.,    Oberstabsarzt,  Württemberg,  Stuttgart. 

Berlin.  474.    Vasel,    Gutsbesitzer,    Beyerstedt    b. 

445.  Steinen,  Karl  von  den,   Dr.  med.  et  Jerxheim. 

phil.,  Professor,  Neu-Babelsberg  bei  475.   Verein,  anthropologischer,  (Coburg. 

Potsdam.  476.    Verein,  anthropologischer,  Hamburg- 
44 H.   Steinen,  Wilhelm    von    den,   Maler,  Altona,  Hamburg. 

Gross-Lichterfelde.  477.    Verein  der  Alterthumsfreunde,  Genthin. 

447.  Steinthal,    Leop.,  Banquier,  Steglitz.  478.   Verein  für  Heimathskunde,  Mfinche- 

448.  Steinthal,    H.,   Dr.  phil.,   Professor,  bei^. 

Berlin.  471K   Verein,  historischer,  Brombei^. 

449.  Stephan,    Georg,    Mühlen  -  Besitzer,  480.   Verein,  Museums-,  Lünebui^g. 
Lichterfelder  Buschnr.üble  bei  Sali-  481.   Vlrobow,  Hans,  Dr.  med.,  Professor, 
gast,  Kr.  Luckau.  Berlin. 

450.  Stephan,  J.,  Buchhändler,  Berlin.  482.   Vlrobow,    Rudolf,    Dr.  med.,    Prof., 

451.  Stdtzenborg,  R.  v.,    Luttmersen  bei  Geh.  Medicinalrath,  Berlin. 
Neustadt  am  Rübenberge,  Hannover.  483.   Voeltzkow,  Dr.  phil.,  Berlin. 

452.  Stratoaaan,  Maurermeister,  Berlin.  484.    Vohoen,  Consul  a.  D.,  Berlin. 


(15) 

485.  Yolborth,  Dr.  «ed.,  Sanitätsrath,  Berlin.  ,506.  Wensieroki-Kwileoki,    Graf,  Wroblewo 

486.  VolMer,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitäterath,  bei  Wronke,  Prov.  Posen. 

Berlin.  507.  Werner,  F.,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitäts- 

487.  VorlSnder,    H.,    Ritterguts  -  Besitzer,  |  rath,  Berlin. 

Dresden.  508.  Werner,  Johannes,  Thierarzt,  Leipzig. 

488.  Vorwerk,  Bernhard,  Schauspieler,  509.  Wetzetein,  Gottfried,  Dr.  phil.,  Consul 
Berlin.                                                  |  a.  D.,  Berlin. 

489.  Voss,  Albert,  Dr.  med.,  Director  der  1 510.  Wieohel,  Hugo,  Betriebs -In«pector 
vaterländischen  Abtheilung  des  kgl. '  der  sächsischen  Staatsbahn,  Chemnitz. 
Museums  für  Völkerkunde,  Berlin.     511.  Wllke,  Theodor,  Kentier,  Guben. 

490.  Wacker,  H.,  Oberlehrer,  Berlin.  |512.  WllskI,   H.,   Director,  Gross-Lichter- 

491.  Wagner,  Adolf,  Fabrikant,  Berlin.       ,  felde  bei  Berlin. 

492.  Wahl,  E.,  Ingenieur,  Berlin.  513.  Winkler,  Hugo,  Dr.  phil.,  Privatdocent, 

493.  Waldeyer,  Dr.  med.,  Prof.,  Geh.  Me-  Deutsch -Wilmersdorf  bei  Berlin, 
dicinalrath,  Berlin.                              *  514.  Witte,  Ernst,  Dr.  med.,  Oberstabsarzt 

494.  Watttnbaoh,  Wilhelm,  Dr.  phil.,  Prof.,  I  a.  D.,  Berlin. 

Geh.  Reg.-Rath,  Berlin.  1 515.  Wittgenstein,  Wilhelm  v.,  Gutsbesitzer, 

495.  Weber,  W.,  Maler,  Berlin.  Berlin. 

496.  Weeren,  Julius,  Dr.  phil.,  Prof.,  Char- ;  516.  Wittmack,  L.,  Dr.  phil.,  Prof.,  Geh. 
lottenbunr.  Regierungsrath,  Berlin. 

497.  Wegner,  Fr.,  Rector,  Berlin.  517.  WoHT,   Julius,  Dr.  med.,   Professor, 

498.  Wegner,  Ph.,  Dr.  phil.,  Gymnasial-.  Berlin. 

Director,  Neuhaldensleben.  518.  Wolff,  Max,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin. 

499.  Welgelt,  Dr.,  Prof.,  General-Secretär|  519.  Wolter,  Carl,  Chemulpo,  Korea. 

des    Deutschen     Fischerei- Vereins,  520.  Wutzer,  H.,  Dr.  med.,  Sanitätsrath, 

Berlin.  Berlin. 

50t).    Weinhold,  Dr.  phil.,  Prof.,  Geh.  Re-  521.  Zander,  Kurt,  Dr.jur.,  Rechtsanwalt, 

gierungsrath,  Berlin.  Berlin. 

501.  Weinzlerl,  Robert,  Ritter  von,  Prag. ,  522.  Zechlln,    Konrad,  Apothekenbesitzer, 

502.  Welsbach,  Valentin,  Rentier,  Berlin. ,  Salzwedel. 

503.  Weiss,  H.,  Prof.,  Geh.  Regierungsrath,  523.  Zenker,  Wilhelm,  Dr.  med.,  Kreis- 
Berlin,  physikus  a.  D.,  Bergquell-Prauendorf 

504.  Weisstein,  Hermann,  Reg.-Baumeister,  bei  Stettin. 

Lechenich  a.  Rh.  524.  ZintgrafT,  Eugen,  Dr.  jur.,  Kamemn. 

505.  Wendeler,  Paul,  Oekonom  u.  Brauerei- 1  525.  Zschlesclie,  Paul,  Dr.  med.,  Erfurt 
besitzer.  Soldin. 

(15.  Februar  1897.^ 


Uebersicht  der  der  Gesellschaft  durch  Tausch  oder  als 
Geschenk  zugehenden  periodischen  Veröffentlichungen. 


I.  Deatschland, 

nach  Städten  alphabetisch  geordnet 

1.  Berlin.    Amtliche  Berichte  aus  den  königlichen  Knnstsammlangen. 

2.  „      Veröffentlichungen    aus    dem    königlichen    Museum    für    Völkerkunde 

(1  und  2  von  der  General-Direction  der  königlichen  Museen). 

3.  ^      Ethnologisches  Notizblatt.    Herausgegeben  Yon  der  Direktion  des  kgl. 

Museums  für  Völkerkunde  (t.  d.  D.). 

4.  ^      Zeitschrift  für  Erdkunde. 

5.  ^      Verhandlungen  der  Gesellschaft  fUr  Erdkunde. 

6.  .,      Mittheilungen  von  Forschungsreisenden  und  Gelehrten  aus  den  deutschen 

Schutzgebieten  (4—6  v.  d.  G.  f.  E.). 

7.  „      Jahrbuch  der  königlichen  Geologischen  Landesanstalt  (v.  d.  G.  L.). 

8.  ^      Annalen  der  Hydrographie  und  maritimen  Meteorologie  (ron  dem  Hydro- 

graphischen Amt  der  kaiserlichen  Admiralität). 

9.  „      Verhandlungen  der  Berliner  medicinischen  Gresellschaft  (v.  d.  B.  m.  G.) 

10.  „      Berliner  Missions-Berichte  (v.  Hm.  Bartels). 

11.  ^      Nachrichten    für   und    über  Kaiser  Wilhelmsland    und   den  Bismarck- 

Archipel  (von  der  Neu-Guinea-Compagnie). 

12.  ^      Die  Flamme.    Zeitschrift   zur  Förderung   der  Feuerbestattung   im  In- 

und  Auslande  (v.  d.  Red.). 

13.  ^      Jahresbericht   des  Directors    des  königl.  Geodätischen  Instituts  (durch 

Hrn.  R.  Virchow). 

14.  „      Gomptes  rendus  des  seances  de  la  commission  permanente  de  Tasso- 

ciation  geodesique  internationale  (durch  Hm.  R.  Virchow). 

15.  ^      Mittheilungen  aus  der  historischen  Literatur. 

16.  „       Verwaltungsbericht   über   das  Märkische  Provinzial- Museum   (v.  Hrn. 

C.  Künne). 

17.  «      Brandenburgia.    Monatsblatt  und  Archiv  der  Gesellschaft  für  Heimaths- 

kunde  der  Provinz  Brandenburg  zu  Berlin  (v.  d.  G.  f.  H.). 

18.  ^       Verhandlungen  des  deutschen  Geographentages. 

19.  „       Sonntags-Beilage  der  Vossischen  Zeitung  (18  u.  19  v.  Hm.  C.  Künne). 

20.  ^      Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde  (v.  d.  V.  f.  V.). 

21.  ^      Deutsche  Kolonial -Zeitung,   Jahresbericht  und  Mittheilun^en    aus  der 

Abtheil.  Berlin  der  deutschen  Kolonial-Gesellschaft  (v.  d.  d.  K.-G.). 

22.  „      Naturwissenschaftliche  Wochenschrift  (v.  d.  Red.). 

23.  ^       Sitzungsberichte  der  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

24.  ^       „Afrika*^.     Herausgegeben  vom  evangelischen  Afrika -Verein  (23  u.  24 

V.  Hm.  Bartels). 

25.  .,      Zeitschrift  für  afrikanische  und  oceanische  Sprachen  (v.  d.  Red.). 


(17; 

26.  Bonn.    Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfrennden  (v.  d.  V.  v.  A.). 

27.  Brandenburg  a.  d.  H.    Jahresberichte  des  Historischen  Vereins  (v.  d.  H.  V.). 

28.  Braunschweig.    Archiv  fttr  Anthropologie  (v.  Hm.  Priedr.  Vieweg&  Sohn). 

29.  ^      Globus.    lUustrirte  Zeitschrift  für  Länder-  und  Völkerkunde  (v.  Hnu 

C.  Künne). 

30.  yf      Braunschweigisches  Magazin. 

31.  „      Harzer  Monatshefte  (v.  d.  Red.). 

32.  Bremen.    Deutsche  Geographische  Blätter. 

33.  „      Jahresberichte  des  Vorstandes  der  Geographischen  Gesellschaft  (32  u.  33 

V.  d.  G.  G.). 

34.  „      Abhandlungen,  herausgegeben  von  dem  naturwissenschaftlichen  Verein 

(v.  d.  Red.). 

35.  Breslau.    Schlesien's  Vorzeit  in  Bild  und  Schrift  (v.  d.  Museum  Schlesischer 

Alterthümer). 

36.  Bromberg.    Jahrbuch  der  historischen  Gesellschaft  ftir   den  Netze-Districi 

(v.  d.  h.  G.). 

37.  Cassel.    Mittheilungen  an  die  Mitglieder  des  Vereins  für  Hessische  Geschichte 

ond  Landeskunde. 

38.  „      Zeitschrift  des  Vereins  f.  H.  G.  u.  L.  (37  u.  38  v.  d.  V.  f  H.  G.  u,  L.). 

39.  Co  1  mar  (Elsass).    Bulletin  de  la  Soci^te  d'histoire  natarelle  (v.  d.  S.). 

40.  Crefeld.    Berichte  des  Crefelder  Museums-Vereins  (v.  d.  M.-V.). 

41.  Dan  zig.     Bericht  über  die  Verwaltung  der  naturwissenschaftlichen,   archäo- 

logischen und  ethnologischen  Sammlungen  (v.  d.  Westpr.  Prov.-Mus.). 

42.  „      Schriften  der  Naturforschenden  Gesellschaft  (v.  d.  N.  G.). 

43.  Dessau.    Mittheilungen  des  Vereins    für  Anhaltische  Geschichte  und  Alter- 

thumskunde  (v.  d.  V.). 

44.  Dresden.    Sitzungsberichte   und   Abhandlungen   der   Naturwissenschaftlichen 

Gesellschaft  Isis  (v.  d.  G.  L). 

45.  „      Jahresberichte  des  Vereins  für  Erdkunde  (v.  d.  V.  f.  E.). 

46.  El  hing.    Bericht  über   die  Thätigkeit  der  Elbinger  Alterthams- Gesellschaft 

(v.  d.  A.-G.). 

47.  Emden.    Jahrbuch    der  Gesellschaft  für   bildende  Kunst  und  vaterländische 

Alterthümer  (v.  d.  G.). 

48.  Erfurt.    Mittheilungen  des  Vereins  für  die  Geschichte  und  Alterthumskunde 

von  Erfurt  (v.  d.  V.). 

49.  Giessen.    Mittheilungen  des  Oberhessischen  Geschichtsvereins  (v.  d.  0.  G.). 

50.  Görlitz.     Neues  Lausitzisches  Magazin  (v.  d.  Oberlausitzischen  Gesellschaft 

der  Wissenschaften). 

51.  „      Jahreshefte   der  Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Urgeschichte  der 

Oberlausitz  (v.  d.  G.). 

52.  Gotha.  Dr.  A.  Petormann's  Mittheilungen  aus  Justus  Perthes'  Geographischer 

Anstalt  (v.  Hm.  C.  Künne). 

53.  „      EIrgänzungshefte  zu  52  (werden  angekauft). 

54.  Greif swald.    Jahresberichte  der  Geographischen  Gesellschaft  (v.  d.  G.  G.). 

55.  ,    „      Jahresberichte  der  Rügisch-Pommerschen  Abtheilung  der  Gesellschaft  für 

Pommersche  Geschichte  und  Alterthumskunde  (v.  d.  G.  f.  P.  G.  u.  A.). 

56.  Guben.     Mittheilungen    der   Niederlausitzer   Gesellschaft    für    Anthropologie 

und  Urgeschichte  (v.  d.  N.  G.  f.  A.  u.  U.). 

57.  Halle  a.  S.     Mittheilungen  des  Vereins  für  Erdkunde  (v.  d.  V.  f.  E.). 

58.  „      Mittheilungen  aus  dem  Provinzial-Museum  der  Prov.  Sachsen  (v.  d.  Pr.-M.). 

VerbandL  der  Berl.  Anibropol.  OeselUehaft  1897.  2 


(18) 

59.  Halle  a.  S.    Photographische  Randschau  (v.  d.  Freien  Photogr.  Vereinigung  in 

Berlin). 

60.  Hamburg.     Verhandlungen   des   Vereins   für   Naturwissenschaftliche    Unter- 

haltung (v.  d.  V.  f.  N.  ü.). 

61.  Hannover.    Jahresbericht  der  Geographischen  Gesellschaft  (v.  d.  G.  G.). 

62.  „  Zeitschrift  des  Historischen  Vereins  für  Niedersachsen  (v.  d.  V.). 

63.  Jena.    Mittheilungen    der   Geographischen   Gesellschaft   (für  Thüringen)   zu 

Jena  (v.  d.  G.  G.). 

64.  Kiel.   Mittheilungen  des  Anthropolog.  Vereins  in  Schleswig-Holstein  (v.  d.  A.-V.). 

65.  „      Bericht  des  Schleswig- Holsteinischen  Museums  yaterländischer  Alter- 

thümer  (v.  d.  M.) 

66.  Königsberg  i.  Pr.    Sitzungsberichte  der  AlterthumsgeselLschaft  Prussia  (v.  d. 

A.-G.  P.). 

67.  ^      Schriften  der  Physikalisch-Oekonomischen  Gesellschaft  (v.  d.  Ph.-Oe.  G.). 

68.  Leipzig.    Bericht  für  das  Museum  für  Völkerkunde  (y.  d.  M.). 

69.  Lübeck.   Berichte  des  Vereins  für  Lübeckische  Geschichte  und  Alterthumskunde. 

70.  „      Mittheilungen  d.  V.  f.  L.  G.  u.  A.; 

71.  „      Zeitschrift  d.  V.  f.  L.  G.  u.  A.  (69—71  r.  d.  V.). 

72.  Lüneburg.    Jahresberichte  des  Museums-Vereins  (v.  V.). 

73.  Mannheim.    Sammlung  von  Vorträgen,  gehalten  im  Mannheimer  Alterthums- 

Verein  (t.  d.  M.  A.-V.). 

74.  Metz.    Jahresberichte  des  Vereins  für  Erdkunde  (v.  d.  V.  f.  E.). 

75.  München.    Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns  (y.  d.  G.  f. 

A.  u.  U.). 

76.  „      Jahresberichte  der  Geographischen  Gesellschaft  (v.  d.  G.  G.). 

77.  „      Monatsschrift  des  Historischen  Vereins  von  Oberbayern  (v.  d.  H.  V.). 

78.  ^      Oberbayerisches  Archiv  (v.  d.  bist.  Verein  von  und  für  Oberbayem). 

79.  „      Prähistorische  Blätter  (v.  Hm.  Dr.  J.  Naue). 

80.  Münster.    Jahresberichte  des  Westfälischen  Pro vinzial -Vereins   für  Wissen- 

schaft und  Kunstgeschichte  (v.  d.  V.). 

81.  Neu-Brandenburg.    Jahresbericht  über  das  Museum  in  Neu -Brandenburg 

(v.  d.  M.). 

82.  Ncu-Ruppin.    Historischer  Verein  f.  d.  Grafschaft  Ruppin  (r.  V.). 

83.  Nürnberg.    Mittheilungen  aus  dem  Germanischen  National museum. 

84.  „      Anzeiger  des  Germanischen  Nationalmuseums  (83  u.  H4  v.  d.  G.  N.-M.)« 

85.  Oldenburg  (im  Grossh.).    Schriften  des  Oldenburger  Vereins  f.  Alterthums- 

kunde und  Landesgeschichte  (v.  d.  O.  V.). 

86.  Osnabrück.    Mittheilungen  des  historischen  Vereins  (v.  d.  h.  V.). 

87.  Posen.      Posener    Archäologische    Mittheilungen.      Herausgegeben    von    der 

Archäologischen    Commission    der    Gesellschaft   der   Freunde   der 
Wissenschaften  (v.  d.  G.  d.  F.  d.  W.). 

88.  ^      Zeitschrift  der  Historischen  Gesellschaft  ftlr  die  Provinz  Posen  (v.  d.  H.  G.). 

89.  „       Roczniki  towarzystwa  Przyji  nank  Poznänskiego  (v.  d.  G.). 

90.  Salzwedel.    Jahresberichte  des  altmärkischen  Vereins  für  vaterländische  (be- 

schichte (v.  d.  a.  V.  f.  V.  G.). 

91.  Schwerin.    Jahrbücher  und  Jahresberichte  des  Vereins  für  Meklenburgische 

Geschichte  und  Alterthumskunde  (v.  d.  V.  f.  M.  G.  u.  A.). 

92.  Speyer.    Mittheilungen  des  Historischen  Vereins  der  Pfalz  (v.  d.  V.). 
1>3.   Stettin.     Baltische  Studien. 


(19) 

94.  Stettin.    Monatsblätter.    Herausgegeben  von  der  Gesellschaft  für  Pommersehe 

Geschichte  und  Alterthumskunde  (93  u.  94  v.  d.  G.  f.  P.  G.  u.  A.) 

95.  Strassbarg  (Elsass).  Beiträge  zur  prähistorischen  Archäologie  (y.  Hm.  Forrer). 

96.  Stuttgart.   Württembergische  Vierteljahrshefte  für  Landesgeschichte  (v.  d.  Y.). 

97.  Thorn.    Mittheilnngen  des  Coppemicus-Vereins  für  Wissenschaft  und  Kunst 

98.  „      Jahresberichte  des  Coppemicus- Vereins  (97  u.  98  v.  d.  C.-V.). 

99.  Trier.    Westdeutsche  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst. 

100.  „      Correspondenzblatt  für  Geschichte  und  Kunst. 

101.  „      Limesblatt. 

102.  „      Jahresberichte  der  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen  (100—103 

V.  d.  G.  f.  n.  F.). 

103.  Ulm.    Mittheilungen  des  Vereins  für  Kunst  und  Alterthum  in  Ulm  und  Ober- 

schwaben (v.  d.  V.). 

104.  Weimar.    Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Geographie  (t.  Hrn.  J.  J.  Kettler). 

105.  Wernigerode.    Zeitschrift  des  Harz-Vereins  für  Geschichte  und  Alterthums- 

kunde (r.  d.  H.-V.). 

106.  Wiesbaden.    Annalen  des  Vereins   für  Nassauische  Alterthumskunde  und 

Geschichtsforschung  (v.  d.  V.  f.  N.  A.  u.  G.). 

107.  Wolfenbüttel.    Braunschweigisches  Magazin  (y.  d.  Red.)- 


II.   Earopälsches  Ausland. 

Nach  Ländern  und  Städten  alphabetisch  geordnet 

Belgien. 

108.  Brüssel    Bulletins  de  TAcadömie  Royale  des  Sciences,  des  Lettres  et  des 

Beaux-Arts  de  Belgique. 

109.  „      Annuaire  de  TAcad^mie  Royale  des  Sciences,  des  Lettres  et  des  Beaux- 

Arts  de  Belgique  (108  u.  109  v.  d.  Ac.  R.). 
HO.        „      Bulletin  de  la  Soci^te  d'Anthropologie  (v.  d.  S.  d'A.). 

111.  „      Annales  de  la  Societe  d'Archeologie. 

112.  „      Annuaire  de  la  Societe  d^ArcheoIogie  (111  u.  112  v.  d.  S.  d'Arch.). 

113.  Lüttich.    Bulletin  de  Tlnstitut  archeologique  Liegeois  (v.  d.  L). 

Dänemark. 

114.  Kopenhagen.    Mcmoires  de  la  Societe  Royule  des  Antiquaires  du  Nord. 

115.  „      Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  og  Historie. 

116.  „      Nordiske  Fortidsminder,  udgevne  af  det  Rgl.  Nordiske  Oldskrift  Selskab 

(114—116  Y.  d.  N.  0.  S.). 

117.  Reikjavik  (Island).    Arbok  hins  Islenzka  fomleifafelag  (v.  d.  L  f.). 

Finland. 

118.  Helsingfors.    Journal  de  la  Societi  Pinno-Ougrienne.    (Suomalais-Ugrilaisen 

Senran  Aikakauskirja.) 

119.  ^      Memoires  de  la  Societe  Finno-Ougrienne.   (Suomalais-Ugrilaisen  Seuran 

Toimituksia.) 

120.  „      Finska  Fornminnesföreningens  Tidskrift. 

121.  ^      Finskt  Museum.    Finska  Fornminnesföreningens  Mänadsblad. 

122.  ^      Suomen   Museo.     Suomen   Muinaismuisto-Yhdistyksen   Kuukauslethi. 

(118—122  durch  Hrn.  Aspelin). 

2* 


(20) 

Frankreich. 

123.  Orenoble.    Bulletins  de  la  Soeiöt^  Dauphinoise  d'Ethnologie  et  d'Anthro- 

pologie  (t.  d.  S.)- 

124.  Lyon.    Bolletm  de  la  Societe  d' Anthropologie  (t.  d.  S.  d'A.) 

125.  „      ArchiTes  du  Museum  d'histoire  naturelle  (t.  d.  M.). 

126.  Paris.     L'Anthropologie.     (Mat^riaux   pour  l'histoire  de   Thomme,   Revue 

d' Anthropologie,   Revue   d'Ethnographie  reunis.)   [t.   d.  Verleger 
Hm.  Masson]. 

127.  „      M^moires  de  la  Societe  d' Anthropologie. 

128.  y,      Bulletins  de  la  Society  d' Anthropologie  (127  u.  128  t.  d.  S.  d'A.). 

129.  ^      Rerue  mensuelle  de  TEcole  d' Anthropologie  (v.  d.  l^le  d^Anthrop.). 

130.  „      Annales  du  Mus^e  Quimet. 

131.  ^      Revue  de  Thistoire  des  religions  (130  u.  131  v.  d.  Ministere  de  Vln- 

struetion  publique). 

Griechenland. 

132.  Athen.      AeXriOv    tij5    Icrropüctj;    x«l    kf^yohrfixifi^    fraipiot^    rtj;  'EXXä^o;    (v.    d. 

Historischen  und  Ethnologischen  Gesellschaft  von  Griechenland). 

133.  „      Mittheüungen    des    kaiserlich  -  deutschen   Archäologischen   Institutes 

(v.  d.  A.  I.). 

134.  ^      Bulletin  de  Gorrespondance  Hellenique  (v.  d.  J^cole  Fran9aise  d'Athenes). 

Grossbritannien. 

135.  Edinburgh.    The  Scottish  Geographical  Magazine  (v.  d.  Sc.  G.  Society). 

136.  ^      Archaeologia  scotica  or  Transactions   of  the  Society  of  Antiquariea 

of  Scotland. 

137.  ^      Proceedings   of  the  Society  of  Antiquaries  of  Scotland   (136  u.   137 

V.  d.  S.). 

138.  London.    The  Journal  of  the  Anthropological  Institute  of  Great  Britain  and 

Ireland  (v.  d.  A.  I.). 

139.  „      (Jeographical  Journal  (v.  Hm.  C.  Künne). 

140.  ^      Reports  of  the  North  West  Tribes  of  Canada  (v.  Hm.  Boas). 

141.  ^      The  Reiiquary  and  illustrated  Archaeologist  (wird  angekauft). 

Italien. 

142.  Bologna.    Atti  e  Memorie  dclla  Reale  Deputazione  di  storia  patria  per  le 

provincie  di  Romagna  (v.  d.  R.  D.). 

143.  „      Memorie  della  R.  Accadcmia  delle  Scienze. 

144.  „      Rondiconto  delle  sessioni  della  Reale  Accademia  delle  Scienze  deir 

Isütuto  di  Bologna  (143  u.  144  v.  d.  R.  A.). 

145.  Florenz.   Archivio  per  TAntropologia  e  la  Etnologia  (v.  Hm.  F.  Mantegazza). 

146.  „      Bollettino  di  Publica/.ione  Italiane. 

147.  Neapel.    Bollettino  della  Societa  Africana  d'Italia  (v.  d.  S.  A.). 

148.  Parma.    BuUettino  di  Paletnologia  Italiana  (v.  Hrn.  L.  Pigorini  in  Rom). 

149.  Rom.    Atti  della  Societa  Romana  di  Antropologia  (v.  d.  S.). 

150.  ^      Bullottino  deiristituto.  Mittheilungen  des  Kaiserlich-Deutschen  Archäo- 

logischen Instituts  (v.  d.  D.  A.  I.). 

151.  y^      Rivista  geografica  Italiana  (v.  d.  Societa  di  studi  geografici  in  Florenx). 

152.  Q      Atti  della  Reale  Accademia  dei  LinceL 

153.  «      Rendiconti  della  Reale  Accademia  dei  LinceL 


(21) 

154.  Kom.    Notizie  degli  scavi  di  antichita  (152—154  y.  d.  B.  A.  d.  L.). 
155»        j,      Bollettino  delle  opere  moderne  e  straniere. 

156.  Turin.    Gosmos  (t.  Hm.  G.  Cora). 

Luxemburg. 

157.  Luxemburg.    Ona   Hemechi     Organ   des   Vereins   fttr  Luxembui^r  (Je- 

schichte,  Literatur  und  Kunst  (v.  d.  Y.). 

Niederlande. 

158.  Haag.    Bijdragen  tot  de  Taal-,  Land-  en  Yolkenkunde  van  Nederlandsch- 

Indiö  (v.  d.  Roninklijk  Instituut  voor  de  T.-,  L.-  en  V.  v.  N.-I.). 

159.  Leiden.    Internationales  Archiv  für  Ethnographie  (v.  d.  Kgl.  Niederländischen 

Cultus-Ministerium). 

Norwegen. 

160.  Bergen.    Bergens  Museums  Aarsberetning  (v.  d.  Mus.). 

161.  Christiania.   Aarsberetning  fra  Foreningen  til  Norske  Fortidsmindesmerkers 

bevaring. 

162.  „      Kunst  og  Handverk  fra  Norges  Fortid  (161  u.  162  v.  d.  Universitets 

Sämling  af  nordiske  Oldsager). 

Oesterreich  -  Ungarn. 

163.  Budapest    Mathematische  und  naturwissenschaftliche  Berichte  aus  Ungarn 

(v.  d.  Akademie). 

164.  „      Archaeologiai  Ertesitö  (v.  d.  Anthropolog.-archäologischen  Gesellschaft). 

165.  „'     Ethnologische  Mittheilungen  aus  Ungarn  (v.  d.  Red.). 

166.  Caslau.    Zprdva  musejuiho  spolku  „U^ela  Öaslavska^.    (Mittheilungen   aus 

der  Musealgesellschaft  „Öaslauer  Biene")  [v.  d.  U.  Ö.]. 

167.  ^      Vestnik  ceskoslovanskych  musei  a  apolku  archaeologickych  (v.  V.). 

168.  „      Yeitnik  i  musei  (v.  Hm.  Öermdk). 

169.  Hermannstadt.    Archiv  des. Vereins  fttr  Siebenbttrgische  Landeskunde. 

170.  ^      Jahresbericht  des  Vereins  für  Siebenbttrgische  Landeskunde  (169  u. 

170  V.  d.  V.). 

171.  Innsbruck.   Zeitschrift  des  Ferdinandeums  für  Tirol  und  Vorarlberg  (v.  d.  F.). 

172.  Krakau.    Anzeiger  der  Akademie  der  Wissenschaften. 

173.  ^      Zbiör  wiadomösci  do  antropologii  krajowej. 

174.  „      Materialy  antropologiczno-archeologiczne  (172 — 174  v.  d.  A.  d.W.). 

175.  Laibach.    Argo,  Zeitschrift  fttr  krainische  Landeskunde  (v.  d.  Red.). 

176.  „      Mittheilungen  des  Museal-Vereins  für  Krain. 

177.  ^      (Ljubjani.)     Izvestja  muzejskega  drustva  za  Kranjsko  (177  u.  178  v. 

d.  M.-V.). 

178.  Lemberg.    Kwartalnik  historyczny  (v.  d.  historischen 'Verein). 

179.  Olmtttz.    Öasopis  vlasteneckeho  Musejniho  spolku  Olomuckeho  (v.  d.  Ke- 

dacteur  Hrn.  Palliardi  in  Znaim). 

180.  Prag.    Pamatky  archaeologicke  a  mistopisn^  (v.  d.  Museum  Regni  Bohemiae). 

181.  ^      Mittheilungen  des  Vereins  ftlr  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen 

(V.  d.  V.). 

182.  „      Jahresbericht  derLese-  undRedehalle  deutscher  Studenten  (v.  d.L.  u.  R.). 

183.  „      Cesky  Lid  (v.  d.  Red.). 

184.  ^      Casopis    Spole^nosti  PMtel  Staroinitnosti  Öeskjch  (v.  d.  Sp.). 


(22) 

185.  Prag.    Narodopisnd  Vygtara  Öeskoslovanskd  (v.  d.  Verein).  * 

186.  Roveredo.    Atti  della  I.  R.  Accademia  di  Scienze,   Lottere  ed  Arti  degli 

Agiati  (v.  d.  A.). 

187.  Salzburg.    Jahresberichte  des  städtischen  Museum  Carolino-Augusteum  (t. 

d.  M.). 

188.  Triest.    Atti  del  Museo  civico  di  storia  naturale  (r.  d.  M.). 

189.  Triest.    Bollettino  della  Societa  Adriatica  di  Scienze  natural!  (v.  d.  S.). 

190.  Wien.    Annalen  des  K.  K.  Naturhistorischen  Hofmuseums  (v.  d.  M.). 

191.  „        Mittheilungen  der  Wiener  Anthropologischen  Gesellschaft  (v.  d.  A.  0.). 

192.  „        Deutsche  Rundschau  für  Geographie  und  Statistik  (v.  Hm.  C.  Rttnne). 

193.  ^        Mittheilungen  der  prähistorischen  Gommission  der  kaiserlichen  Aka- 

demie der  Wissenschaften  (v.  d.  Pr.  0). 

194.  „        Mittheilungen  der  R.  K.  Central -(Immission  zur  Erforschung  und 

Erhaltung  der  Kunst-  und  historischen  Denkmale  (v.  d.  K.  R.  C.-C). 

195.  „        Wissenschaftliche  Mittheilungen   aus  Bosnien  und  der  Hercegovina. 

Herausgegeben  Ton  dem  Bosnisch-Hercegovinischen  Landes-Museum 
in  Sarajevo  (v.  d.  L.-M.). 

196.  „        Zeitschrift  für  österreichbche  Volkskunde  (v.  d.  V.  f.  österr.  Volksk.). 

Portugal. 

197.  Lissabon.    Boletim  de  la  Sociedade  de  Geographia. 

198.  ^        Actas  (197  u.  198  v.  d.  S.). 

199.  9        0  Archeologo  Portuguez  (v.  d.  Museo  Ethnographico  Portuguez). 

200.  Porto.    Revista   de  Sciencias  Naturaes  e  Sociaes   (t.  d.  Sociedade  Carloa 

Ribeiro). 

Rnmänien. 

201.  Bucarest.    Analele  Academiei  Romane  (t.  d.  A.). 

202.  Jassy.    Archiva  d.  Societatii  sdintifice  si  Literare  (v.  d.  S.). 

Rnssland. 

203.  Dorpat    Sitzungsberichte  der  gelehrten  Estnischen  Gesellschaft. 

204.  „      Verhandlungen  der  gelehrten  Estnischen   Gresellschaft  (203  und  204 

V.  d.  G.). 

205.  Ras  an.    Nachrichten  der  Gresellschaft  für  Archäologie,  Geschichte  und  Ethno- 

graphie (r.  d.  G.). 

206.  Moskau.    Tagebuch   der  anthropologischen   Abtheilung.     [Nachrichten  dar  ' 

kaiserlichen  Gesellschaft    der  Freunde    der  Naturwissenschaften] 
(t.  Hm.  Anutschin). 

207.  ^  Rawkas,  Materialien  zur  Archäologie  des  Raukasus  und  Materialien 

zur  Archäologie   der  östlichen  Gouyemements   Russland's  (v.  d. 
Moskauer  k.  archäolog.  G.). 

208.  St.  Petersburg.    Arbeiten   der  Anthropol.  Gesellschaft  der  militär-medici- 

cinischen  Akademie  (russisch)  [y.  d.  G.]. 

209.  ^      Bericht  d.  k.  Russischen  Geographischen  Gesellschaft  (v.  d.  G.}. 

210.  Warschau.    Wisla.    M.  Geograficzno-EtnograBczny  (v.  d.  Red.). 

Schweden. 

211.  Stockholm.    Antiqvarisk  Tidskrift  for  Sverige. 

212.  „      Teckningar  ur  Svenska  Statens  Historiska  Museum. 


(23) 

213.  Stockholm.  Akademiens Mänadsblad  (21 1—213  t.  d.  Kongl.  Vitterbets  Historie 

og  Antiqyitets  Akademien). 

214.  „      Samfundet  för  Nordiske  Miiseet  främjande  Meddelanden,   utgifha  af 

Artur  Hazelius. 

215.  ^  Minnen  fra  Nordiske  Museet. 

216.  „  Handlingar  angaende  nordiske  Museet  (214 — 216  v.  Hm.  Hazelius). 

217.  „  Ymer. 

218.  „  Svenska  Landsmälen  (217  u.  218  v,  d.  Universitäts-Bibl.  i.  üpsala). 

219.  „  Svenska  Forenroinnesförening.    Tidskrift. 

220.  ^  Svenska  Konstminner  frän  Medeltiden  och  Renässansen  (219  u.  220 

V.  d.  G.). 

221.  Upsala.    Nyare  bidrag  tili  kännedom  om  de  svenska  landsmälan  och  srenskt 

folklif. 

222.  ^      Litteraturacten  (221  u.  222  v.  d.  Üniversitäts-Bibl.  i.  üpsala). 

Schweiz. 

223.  Aar  au.    Pernschau  (v.  d.  Mittelschweizerischen  Geographisch-Commerziellen 

Gesellschaft). 

224.  Basel.    Mittheilungen  aus  dem  ethnographischen  Museum  (v.  d.  M.). 

225.  Neuchätel.    Bulletin  de  la  Socicte  Neuchäteloise  de  Geographie  (v.  d.  S.). 

226.  Zürich.    Anzeiger  für  Schweizerische  Alterthumskunde. 

227.  „      Mittheilungen  der  Antiquarischen  Gesellschaft  (y.  d.  A.  G.). 

228.  „      Schweizerisches  Archiv  filr  Volkskunde  (v.  d.  Schw.  Ges.  f.  V.). 


III.   America. 

229.  Austin.    Transactions  of  the  Texas  Academy  of  Science  (v.  d.  A.). 

230.  Boston  (Mass.  U.  S.  A.).    Proceedings   of  the  Boston  Society  of  Natural 

History  (v.  d.  S.). 

231.  ^      Journal  of  American  Ethnology  and  Archaeology  (v.  Eü*n.  W.  Fewkes). 

232.  Buenos-Aires  (Argentinische  Republik).  Anales  del  Museo  Nacional  (y.  d.M.). 

233.  ^      Boletin  de  la  Academia  Nacional  (v.  d.  A.  N.). 

234.  Chicago.    Anthropological  Series  of  the  Field  Golumbian  Museum  (t.  d.  M.). 

235.  Davenport.    Proceedings  of  the  Academy  of  Natural  Sciences  (v.  d.  A.). 

236.  Halifax  (Nova  Scotia,  Canada).    Proceedings  and  Transactions  of  the  Nova- 

Scotian  Institute  of  Natural  Science  (v.  d.  I.). 

237.  La  Plata.    Revista  del  Museo  de  La  Plata. 

238.  „      Anales  del  Museo  de  La  Plata  (237  u.  238  v.  d.  M.). 

239.  Milwaukee.    Annual  Report  of  the  Board  of  Trustees  of  the  Public  Museum 

of  the  City  of  Milwaukee  (v.  d.  B.  o.  T.). 

240.  Philadelphia  (Penn'a  U.  S.  A.).    Proceedings   of  the  Academy  of  Natural 

Sciences  (v.  d.  A.). 

241.  „      Proceedings  of  the  American  Philosophical  Society  (v.  d.  S.). 

242.  San  Jose  (Costa  Rica).    Anales  del  Museo  Nacional  (t.  d.  M.). 

243.  Santiago  (Chile).    Verhandlungen  des  deutschen  wissenschaftlichen  Vereins  * 

(v.  d.  V.). 

244.  y,      Actes  de  la  Societe  scientifique  du  Chili  (v.  d.  S.). 


(24) 

245.  Toronto  (Ganada).    Proceedings  of  the  Canadian  Institate. 
346.  „      Transactions  of  the  Canadian  Institate. 

247.  „      Annnal  Report  of  the  Canadian  Institate. 

248.  y,      Annaal  archaeological  Reports  (245 — 248  t.  d.  G.  L). 

249.  Washington  (D.  C.  U.  S.  A.).    Annual  Report  of  the  Smithsonian  Institation 

(v.  d.  S.  I.). 

250.  „  Annaal  Report  of  the  Geological  Sarvey. 

251.  „  Annaal  Report  of  the  Bareaa  of  Ethnology  (v.  d.  Bareaa  of  Ethnol.). 

252.  „  Special  Papers  of  the  Anthropological  Society  (v.  d.  S.  I.). 

253.  „  The  American  Anthropologist  (t.  d.  Anthropol.  Society  of  Washington;. 

254.  „  Bulletin  of  the  U.  S.  National  Maseam. 

255.  jt  Proceedings  of  the  U.  S.  National  Maseam  (254  a.  255  t.  d.  Smith- 

sonian Inst.). 


IT.  Asien. 

256.  Batavia.    Tijdschrift  yoor  Indische  Taal-,  Land-.en  Volkenkande. 

257.  ^      Notalen  van  de  Algemeene  en  Bestaarsvergaderingen  Tan  het  Bata- 

?iaasch  Genootschap  van  Kansten  en  Wetenschappen. 

258.  ^      Verhandlingen  van  het   Bataviaasch   Genootschap   van   Kansten   en 

Wetenschappen  (256—258  v.  d.  G.). 

259.  Bombay.    The  Joamal  of  the  Anthropological  Society  (v.  d.  S.). 

260.  Calcatta.    Epigraphia  Indica  and  Record  of  the  Archaeological  Sanrey  of 

India  (v.  d.  Government  of  India). 

261.  Irkatsk.    Mittheilangen   and  Denkschriften   der  Ostsibirischen   Section  der 

kaiserl.  Rassischen  Geographischen  Gesellschaft 

262.  ^  Berichte  der  Ostsibirischen  Section  der  kaiserl.  Rassischen  Geogra- 

phischen Gesellschaft  (261  a.  262  v.  d.  0.  S.). 

263.  Seal,  Korea.    The  Korean  Repository  (v.  Hm.  Gonsal  Krien). 

264.  Shanghai.    Joamal  of  the  China  Branch  of  the  Royal  Asiatic  Society  (t.  d.  S.). 

265.  Tiflis.    Bericht  über  das  kaakasische  Maseam  and  die  öfTentl.  Bibliothek  in 

Tiilis  (t.  d.  Maseam). 

266.  Tokio.    Mittheilangen  der  deatschen  Gesellschaft   fQr  Natar-   and  Yölker- 

kande  Ost-Asiens  (v.  d.  G.). 

267.  „      The  Calendar,  Imperial  üniversity  of  Japan  (v.  d.  I.  U.  o.  J.). 


Y.  Australien. 

268.  Adelaide.    Report  on  the  progress  and  condition  of  the  ßotanic  Garden. 

269.  Ashfield,  Sidney  N.  S.  W.    The  Aastralasian  Anthropological  Joamal  (v.  d. 

Anthropological  Society  of  Aastralasia). 

270.  Sidney.    Report  of  the  trastees  of  the  Aastralian  Maseam. 

271.  „         Records  of  the  Aastralian  Maseum  (270  a.  271  v.  d.  M.). 


Sitzung  vom  16.  Januar  1897. 

Vorsitzender:   Hr.  R.  Virchow. 

(1)  Statutengemäss  erfolgt  die 

Wahl  des  Ansschusses  für  1897. 

Es  wurden  46  Stimmzettel  abgegeben,  darunter  ist  einer  ungültig.  Die  absolute 
Stimmenmehrheit  erhalten  die  HHm.  Lissauer,  y.  Luschan,  Minden,  Friedel, 
K.  Ton*  den  Steinen,  >Ehrenreich  und  v.  Raufmann.  Da  nach  §.  29  Abs.  3 
der  Statuten  relative  Stimmenmehrheit  genügt,  so  werden  auch  die  HHm.  Söke- 
land  und  ?.  Hey  den,  als  Träger  der  nächstgrössten  Stimmenzahl,  in  den  Aus- 
sehuss  berufen. 

Das  Protokoll  geht  zu  den  Acten.  — 

(2)  Der  Vorsitzende  begrüsst  die  anwesenden  Gäste  Dr.  Ranke,  Paul  Kahle, 
Architekt  Stanek.  — 

(3)  Die  Gesellschaft  hat  zwei  hervorragende  Gelehrte  aus  der  Zahl  ihrer 
correspondirenden  Mitglieder  verloren. 

In  Bologna  ist  am  19.  December  der  emeritirte  Professor  der  normalen  Ana- 
tomie, Luigi  Calori,  in  dem  Alter  von  89  Jahren  gestorben.  Er  war  seit  1871 
correspondirendes  Mitglied  unserer  Gesellschaft,  der  er  durch  immer  neue 
literarische  Gaben  fast  bis  zu  seinen  letzten  Lebenstagen  dauernde  Theilnahme 
bewiesen  hat.  Am  8.  Februar  1807  in  San  Pietro  in  Gasale  bei  Bologna  geboren, 
hat  er  seine  wissenschaftliche  Entwickelung  ganz  in  letzterer  Stadt  durchgemacht 
1834  erhielt  er  den  Lehrstuhl  für  Anatomie,  den  er  66  Jahre  hindurch  mit 
steigendem  Ruhm  behauptete;  die  wundervolle  anatomische  Sammlung  der  Uni- 
versität, die  hauptsächlich  ihm  ihren  Reichthum  und  ihre  prächtige  Aufstellung 
verdankt,  wird  die  Erinnerung  an  ihn  den  kommenden  Geschlechtern  erhalten. 
Unseren  Bestreitungen  ist  er  besonders  nahe  getreten,  seitdem  die  Aufdeckung  der 
Gräber  der  Certosa  und  der  vielen  anderen  Nekropolen  der  alten  Stadt  das  Studium 
der  prähistorischen  Bevölkerungen  von  Mittel-  und  Oberitalien  in  den  Mittelpunkt 
der  Aufmerksamkeit  gerückt  hatte.  In  einer  Reihe  vortrefflicher  Abhandlungen 
hat  er  die  Eigenthümlichkeit  der  Schädelformen  seines  Landes  und  der  Nachbar- 
gebiete dargelegt  und  namentlich  die  Bedeutung  der  Brachycephalie  nachgewiesen; 
ihm  verdanken  wir  auch  die  Renntniss  der  vorzüglichen  Eigenschaften  des  brachy- 
cephalen  Gehirns,  das  bis  dahin  als  ein  minderwerthiges  angesehen  war.  In  Ge- 
meinschaft mit  unserem  verblichenen  Freunde  G.  B.  Ercolani  war  er  der  Gegen- 
stand der  allgemeinen,  weit  über  den  Kreis  der  technischen  Gelehrten  hinaus- 
reichenden Verehrung;  wer  von  Fremden  in  jener  Zeit  Bologna  besuchte,  fand  in 


(26) 

diesen  Männern  stets  die  Träger  eines  sicheren  und  ganz  selbständigen  Wissens^ 
immer  bereit,  die  reichen  Quellen  ihrer  Erfahrung  in  angenehmer  Bereitwilligkeit 
zu  öffnen.  Ihr  Gedächtniss  wird  uns  stets  theuer  bleiben.  Auf  die  schon  am 
20.  December  eingetroffene  Nachricht  des  Todes  durch  den  Rector  der  Universität^ 
Hrn.  Puntoni,  hat  der  Vorstand  sofort  von  dieser  Gesinnung  Zeugniss  abgelegt  — 

Am  10.  Januar  ist  zu  Kopenhagen  der  Inspector  am  Nationalmuseum, 
Rristian  Bahnson,  in  Folge  einer  Bmstkrankheit  verschieden.  Seine  grosse  Arbeit 
über  Ethnographie,  fUr  welche  die  seiner  Leitung  unterstellte  Abtheilung  des 
Museums  eine  so  reiche  Fülle  von  Materialien  darbietet,  ist  leider  unvollendet 
geblieben.  — 

(4)  Aus  der  Zahl  unserer  früheren  ordentlichen  Mitglieder  haben  wir  gleich- 
falls zwei  hochgeschätzte^  Männer  verloren. 

Emil  du  Bois-Reymond,  einer  der  Mitbegründer  unserer  Gesellschaft  und 
einer  der  berühmtesten  Professoren  unserer  Hochschute,  ist  nach  längerer,  schmerz- 
hafter Krankheit  am  26.  December  seiner  Familie  und  dem  weiten  Kreise  seiner 
Freunde  und  Verehrer  entrissen  worden.  Seine  unsterblichen  Verdienste  gehören 
der  allgemeinen  Wissenschaft  an  und  bedürfen  nicht  unserer  Anerkennung.  Was 
wir  ihm  jedoch  als  ein  specielles  Verdienst  anzurechnen  haben,  das  ist  seine  stete 
Theilnahme  an  den  Fortschritten  der  Lehre  vom  Menschen  überhaupt  und  nament* 
lieh  der  Kenntniss  von  der  Entwickelung  der  Culturgeschichte.  Mehr  als  irgend 
ein  anderer  Gelehrter  unseres  Kreises  hat  er  durch  seine  öffentlichen  Vorlesungen 
dazu  beigetragen,  diese  Kenntniss  zu  popularisiren  und  ihr  in  den  heranwachsenden 
Generationen  neues  Verständniss  zu  gewinnen.  — 

Don  Jose  Rizal  von  Luzon  (Philippinen)  war  vor  10  Jahren  unser  Mitglied. 
Er  sprach  in  der  Sitzung  vom  23.  April  1887  (Verh.  S.  293)  über  die  tagalische 
Verskunst.  Obwohl  damals  schon  Doctor  der  Medicin,  war  er  doch  ganz  erfüllt 
von  patriotischen  Gedanken.  Das  unglückliche  Schicksal  seines  Vaterlandes  unter 
der  Herrschaft  der  Spanier  und  unter  dem  Druck  eines  übermächtigen  Klerus 
bildete  den  Inhalt  seiner  meist  in  das  Gewand  schöngeistiger  Darstellung  ge- 
kleideten literarischen  Produetionen.  Als  er  daher  nach  längerer  freiwilliger  Ex- 
patriirung  nach  Spanien  zurückkehrte,  wurde  er  der  Gegenstand  unaufhörlicher 
Verfolgung.  Die  wachsende  Missstimmung  auf  den  Philippinen  und  der  endliche 
Ausbruch  der  Revolution,  die  noch  heute  nicht  niedergeschlagen  ist,  wurden  tu 
einem  grossen  Theil  ihm  zugeschrieben.  Schliesslich  nahm  man  ihn  gefangen 
und  intemirte  ihn  in  Mindanao;  als  er  von  da  nach  Manila  zurückgebracht  und 
zugleich  die  Ersetzung  des  als  zu  milde  betrachteten  Gouverneurs  durch  den 
General  Polaviejo  angekündigt  wurde,  verbreiteten  sich  sofort  die  düstersten 
Gerüchte  über  das  ihm  zugedachte  Geschick.  Diese  Besorgniss  ist  nur  zu  bald 
in  Erfüllung  übergegangen:  am  30.  December  ist  er  ohne  richterliches  Urtheil,  wie 
die  allgemeine  Meinung  besagt  ohne  nachgewiesene  Schuld  erschossen  worden. 
Wir  verlieren  in  ihm  nicht  nur  einen  treuen  Freund  von  Deutschland  und  deutscher 
Wissenschaft,  sondern  auch  den  einzigen  Mann,  der  Kenntniss  und  Ehitschlossenheit 
genug  besass,  um  modernem  Denken  Eingang  in  jene  entfernte  Inselwelt  zu  ver- 
schaffen. — 

(5)  Unter  den  uns  ihren  Forschungsgebieten  nach  näherstehenden  Männem 
seien  hier  erwähnt  der  berühmte  Anatom  Prof.  Joseph  v.  Ger  lach  in  Erlangen, 
gestorben  im  Alter  von  76  Jahren  am  17.  December,  und  Regierungsrath  Franz 
Krau  SS  in  Wien,  ein  erprobter  Erforscher  altslavischer  Reste.  — 


(27) 

(6)  Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet: 

Hr.  Dr.  phil.  Klemm  in  Berlin. 
^    Rechtsanwalt  Dr.  Kurt  Zander  in  Berlin. 
^    Rechtsanwalt  Dr.  Albert  Hei  ff  in  Frankfurt  a.  Main. 
„    Dr.  med.  W.  Pinckernelle  in  Breslau. 

(7)  Eine  Einladung  der  Deutschen  Kolonial -Gesellschaft,  Abtheilung 
Berlin-Gharlottenburg,  zu  einem  am  14.  d.  M.  zu  haltenden  Vortrage  des  friiheren 
deutschen  Gesandten  in  China,  Hm.  v.  Brandt,  über  China  in  ethischer,  in- 
dustrieller und  politischer  Beziehung  ist  leider  zu  spät  eingegangen,  um 
noch  den  Mitgliedern  mitgetheilt  werden  zu  können.  — 

(8)  In  den  ersten  Apriltagen  dieses  Jahres  sind  es  25  Jahre,  seitdem  der 
Grundstein  zu  der  zoologischen  Station  in  Neapel  gelegt  worden  ist.  Eine 
Anzahl  deutscher  Gelehrter  ist  zusammengetreten,  um  bei  dieser  Gelegenheit 
Hrn.  Anton  Dohrn  Dank  und  Anerkennung  auszusprechen.  Die  meisten  Auf- 
gaben dieser  Station  liegen  etwas  ausserhalb  des  Kreises  der  Arbeiten  unserer 
Gesellschaft;  nichtsdestoweniger  haben  auch  wir  vielfache  Gelegenheit  gehabt,  den 
wohlthätigen  und  befruchtenden  Einfluss  der  dort  gemachten  Untersuchungen  auf 
das  Gesammtgebiet  der  Biologie  zu  empfinden.  Wir  wünschen  daher  der  vortreff- 
lichen Anstalt  das  beste  Gedeihen  und  einen  stetigen  Fortschritt.  — 

(9)  In  Brüssel  wird  im  Sommer  dieses  Jahres  eine  internationale  Aus- 
stellung stattfinden.  Die  Section  des  sciences  (Sect.  5^^*)  umfasst  auch  eine 
Classe  für  Anthropologie  (Cl.  85)  mit  4  Unterabtheilungen  (anatomische  An- 
thropologie, prähistorische  und  protohistorische  Anthropologie,  Ethnologie  und 
Ethnographie  oder  Folklore).  Es  werden  insbesondere  wirkliche  Objecte,  Ab- 
güsse, Nachbildungen,  Karten,  Photographien  und  Zeichnungen  gewtlnscht.  An- 
meldungen sollen  vor  dem  15.  April  an  das  Commissariat  general  du  Gouvernement 
erfolgen.  — 

(10)  Hr.  Rud.  Virchow  giebt  Kenntniss  von  den  beiden  nachfolgenden 
Briefen  des  Hm.  Georg  Schweinfurth  über 

vormenesische  Alterthttmer  in  Aegypten. 

1.   Brief  aus  Cairo  vom  16.  December  1896: 

^Das  schönste  Sommerwetter,  das  wir  jetzt  tagsüber  hier  gemessen,  veranlasst 
mich,  noch  für  einige  Zeit  in  Cairo  zu  verweilen;  ich  werde  aber  das  Weihnachts- 
fest wohl  schon  in  Assuan  feiem.  Unterwegs,  und  auch  noch  hier,  habe  ich 
die  mir  gütigst  in  einigen  Extraabdrücken  mitgegebenen  Schriften  mit  Fleiss  von 
Neuem  durchstudirt,  habe  auch  von  denselben  an  sehr  geeignete  Personen  aus- 
getheilt  und  vielen  Dank  dafür  geerotet.  Die  Touristensaison  ist  noch  schwach 
besetzt,  aber  eine  ungewöhnliche  Anzahl  von  Gelehrten  ist  diesmal  nach  Aegypten 
gekommen,  namentlich  von  deutschen,  unter  ihnen  die  Professoren  Wiedemann 
und  Vogel,  beide  von  Bonn. 

^In  den  letzten  Tagen  habe  ich  viel  mit  dem  in  koptischen  Texten  der  alten 
Kirchengeschichte  so  bewanderten  E.  Amelineau  verkehrt  und  mir  von  seinen 
vorjährigen  Ausgrabungen  bei  Abydos  erzählen  lassen.  Ich  habe  jetzt  auch 
Amelineau's  Bericht  („Fouilles  d'Abydos**,  Angers,  impr.  A.  Burdin  1896)  vom 
29.  Mai  d.  J.  gelesen,  jenen  Vortrag  in  der  Academie  des  Inscriptions  et  Beiles- 


(28) 

Lettres,  wo  Masp^ro  sich  in  so  wegwerfender  Weise  über  Am^lineau^s  Aus- 
grabungen geäussert  hat  Den  alten  Aegyptologen,  oder  einem  Tfaeile  derselben 
wenigstens,  ist  es  ein  Greuel,  dass  jetzt  auf  einmal  von  unberufener  oder  minder 
zünftiger  Seite  solche  Entdeckungen  gemacht  werden,  nachdem  Mariette,  18  Jahre 
lang  bei  Abydos  grabend,  sich  nach  der  Enthüllung  der  vormenesischen  Zeit  ge- 
sehnt, ohne  in  dieser  Richtung  auch  nur  um  einen  Schritt  weiter  gekommen  zu 
sein.  Wie  viel  grösser  ist  nun  die  Enttäuschung  Maspcro'sl  Dieser  hat  unter 
anderen,  mehr  als  zweifelhaften  Argumenten  auch  das  nachfolgende  gegen 
Amel  ine  au  vorgebracht:  „il  ne  suffit  pas  d'aller  ä  Abydos  pour  mettre  du  premier 
coup  la  main  sur  des  monuments  tres  importants:  les  grands  succes  se  fönt  attendre 
plus  longtemps.^  Meiner  Ansicht  nach  ernten  die  Aegyptologen  von  Fach  jetzt 
nur  die  Strafe,  die  ihnen  für  ihr  bisheriges  Verhalten  gebührt.  Weshalb  auch 
vernachlässigten  sie  so  lange  alles  Culturelle,  suchten  sie  nur  Inschriften,  ver- 
achteten die  Scherben?  Jetzt  kommt  die  Strafe,  und  es  ist  nur  als  eine  in  sich 
selbst  begründete  Gerechtigkeit  des  Weltlaufs  aller  Dinge  zu  betrachten,  wenn 
solche  Entdeckungen,  wie  die  von  Petrie,  Amelineau  und  de  Morgan,  nicht 
von  Aegyptologen   der   alten  Schule   gemacht  werden  durften.    Das  war  Nemesis. 

„Welche  Freude  werden  Sie  nun  selbst  empfinden,  wenn  Sie  gewahr  werden, 
wie  jetzt  nach  so  vielen  Jahren  Ihre  ersten  Andeutungen  und  Winke  derartig  zur 
Geltung  gelangen.  Das  soeben  erschienene  Werk  de  Morgan' s  (Recherches  sur 
les  origines  de  T^ypte.  Paris,  Leroux  1896)  bezeichnet  einen  sehr  grossen  Schritt 
vorwärts,  ja  eine  neue  Epoche  der  Forschung.  Wer  es  mit  missgünstigen  Blicken 
betrachten  will,  kann  dem  Werke  de  Morgan's  zahlreiche  üngenauigkeiten  zum 
Vorwurfe  machen;  es  wird  aber  gewiss  nicht  gclingei),  seinem  Verdienste  in  der 
Hauptsache  durch  Bemängelung  von  Kleinigkeiten  Abbruch  zu  thun.  Er  hat  kein 
Handbuch  der  ägyptischen  Steinzeit  schreiben  wollen,  sondern  nur  die  eigenen  Funde 
beleuchtet,  —  ein  Probedruck,  wie  er  sagt;  dies  aber  hat  er  in  so  übersichtlicher 
Weise  gethan,  dass  das  Gemeinschaftliche  der  Charaktere  bei  diesen  Funden  in 
ganz  überzeugender  Weise  hervortritt  und  ihr  Gegensatz  zu  den  Epochen  der 
historischen  Dynastien  sich  auf  Schritt  und  Tritt  ergiebt. 

„Von  Fl.  Petrie' s  letzten  Funden  hatte  de  Morgan,  als  er  dies  Buch 
schrieb,  noch  nichts  gesehen,  während  ich  allein  schon  nach  den  Doubletten,  die 
Petrie  nach  Berlin  geschickt  hat,  bezeugen  kann,  dass  ein  gemeinsames  Band 
alle  diese  sogenannten  prähistorischen  Stationen  von  Negada,  Om-cl-Ga*ab,  Abydos 
u.  s.  w.  umfasst.  Auch  Prof.  Spiegel berg,  der  von  Flinders  Petrie  zu  Amelineau 
kam,  hat  die  vollkommene  Identität  der  Funde  Beider  constatirt. 

„Es  ist  sehr  interessant,  das  de  Morgan' sehe  Werk  an  der  Hand  Ihrer 
Arbeit  von  YSSS  zu  beleuchten.  Leider  hat  er  dieselbe  nicht  zur  Hand  gehabt; 
aber  derselbe  Gedanke,  die  Sentenz,  mit  der  Sie  Ihren  Artikel  über  die  ägyptische 
Steinzeit  einleiteten,  geht  wie  ein  Leitmotiv  durch  das  ganze  Werk  de  Morgan's. 
Ja,  es  giebt  eine  scharfe  Grenze  zwischen  der  Zeit  vor  und  nach  den  Dynastien! 
Statt  der  gelegentlichen  Beigabe  vereinzelter  Steingeräthe  in  den  Gräbern  der 
historischen  Zeit,  die  gleichsam  nur  der  Ausdruck  eines  atavistischen  Respects 
gegi^n  dieselben  war,  wie  Sie  das  ja  auch  des  Weiteren  ausgeführt  haben,  treten 
sie  an  den  Fundstellen,  die  de  Morgan  aufzählt,  in  Massen  auf.  Eine  Ver- 
mengung der  Vorkommnisse  ist  nur  scheinbar  vorhanden;  überall  werden  sie 
sich  geschichtlich  deutlich  auseinanderhalten  lassen.  Der  von  Ihnen  S.  371  aus- 
gesprochene Wunsch  nach  Sichtung  des  Materials  ist  erfüllt  worden.  Sie  werden 
auch  sehen,  wie  Ihre  ersten  Hinweise  auf  den  quasi  (nach  nordischen  Begriffen) 
prähistorischen   Charakter   der  Thonscherben   von  Wadi  Haifa   auf  den   schönen 


(29) 

Tafeln  yon  de  Morgan  zur  vollsten  Geltung  gekommen  sind,  und  zwar  in  Bezug  auf 
beide  Kategorien,  die  Sie  aufgestellt  haben  (das.  S.  383),  die  bemalten  sowohl  wie  die 
gestrichelten  und  mit  Eindrücken  versehenen  Scherben.  Die  Uebereinstimmung  aller 
ist  unbez weifelbar,  desgleichen  der  Gegensatz,  in  den  sich  der  Charakter  dieser 
Ornamentik  zum  ägyptischen  Kanon  stellt,  schliesslich  das  fast  gänzliche  oder  doch 
zum  mindesten  vorherrschende  Fehlen  von  hinüberführenden  Brücken.  Da  kann 
man  doch  nur  zweierlei  annehmen:  entweder  handelt  es  sich  um  Vorhergegangenes, 
in  welchem  Falle  die  Fremdartigkeit  aller  Fundobjecte  nur  der  Ausdruck  des 
weiten  2ieitabstande8  wäre,  oder  um  Gleichzeitiges,  indem  neben  der  altägyptischen 
Cultur  fast  unvermittelt  die  Halbcultur  eines  Wüstenvolkes  bestand,  die  sich  an 
vielen  Stellen  und  in  verschiedenen  Epochen  immer  wieder  in  genau  derselben 
Weise  manifestirte.  Das  Letztere  wäre  doch  durchaus  unwahrscheinlich.  Flinders 
Petrie  glaubte  ein  fremdes  Volk  libyschen  Stammes  gefunden  zu  haben,  das 
nichts  von  den  Aegyptem  habe  annehmen  wollen ;  aber  gegen  eine  solche  Herkunft 
sprachen  vor  Allem  die  in  den  Gräbern  von  Negada  überall  auftretenden  Stein- 
geräthe,  die  in  Thierformen  zugeschnittenen  Platten  u.  s.  w.  aus  Schiefer,  Speck- 
stein und  anderen  metamorphischen  Gesteinen,  welch'  letztere  nirgends  in  der 
Libyschen  Wüste  existiren,  wohl  aber  in  der  östlichen  Thebais,  wo  sie  z.  Th.  noch 
heutigen  Tages  von  den  Ababde  angefertigt  werden,  nehmlich  Näpfe  und  Schüsseln, 
die  ich  1864  selbst  dort  eingesammelt  habe  und  deren  Formen  genau  denen  der 
Petrie'schen  Funde  entsprechen.  Klunzinger  und  Figari  sind  die  einzigen 
Berichterstatter,  die  dieser  Steingeräthe  der  heutigen  Ababde  Erwähnung  thaten; 
allen  übrigen,  vielleicht  mit  Ausnahme  von  Pruner,  Bull.  soc.  anthr.  1869,  p.  707, 
bis  auf  de  Morgan  einschl.  ist  die  Thatsache  unbekannt  geblieben. 

„Man  könnte  nun  auch  annehmen,  dass  in  Folge  der  häufigen  Bedrohung 
Aegyptens  durch  libysche  Völker  das  Bedürfniss  eines  Schutzes  längs  der  so  aus- 
gedehnten Westseite  des  Nilthals  von  jeher  bestand  und  dass  desshalb  dort  nach 
Art  einer  Militärgrenze  die  für  das  Wüstenleben  geeigneten  Bed ja- Völker  (den 
heutigen  Bischarin  und  Ababde  entsprechende  Stämme)  als  Wüsten-Gendarmerie 
in  permanenten  Lagern  lagen  (Maday,  Med'a  [=  Bedja?],  Matoi,  Mazai).  Aber  gegen 
eine  derartige  Deutung  spricht  die  allzugrosse  Häufigkeit  und  Ausdehnung  der 
betreffenden  Funde  mit  sarglosen  Leichen  in  sitzender  Stellung,  mit  Massen  von 
Silex- Waffen  in  den  Gräbern,  mit  Schieferplatten  in  allerhand  Thiergestalt,  mit 
archaisch  verzierten  und  bemalten  Thongefössen,  wie  sie  nach  bloss  zweijährigem 
Suchen  bereits  in  solcher  Menge  identischer  Localitäten  dargeboten  erscheinen. 
Die  einfachste  Erklärung  bietet  eben  nur  die  Annahme  der  Prähistorie,  wie  sie 
von  de  Morgan  in  seinem  Werke  weiter  ausgeführt  worden  ist.  Jedenfalls  werden 
die  nächsten  Jahre  darüber  ausreichendes  Licht  verbreiten. 

„Die  Einwände  Maspero's  gegen  das  hohe  Alter  der  Amelineau'schen 
Funde  zu  Abydos  halten  wenig  Stich.  Die  Hauptpunkte,  auf  die  es  ankommt,  hat 
er  gar  nicht  erörtert.  Er  hat  in  einer  mündlichen  Entgegnung  am  29.  Mai  u.  A. 
auch  behauptet,  dass  heute  noch  die  Aegypterinnen  Kieselringe  tragen,  die  im 
Lande  aus  den  mit  concentrischen  Schalen  abgelagerten  Kieselconcretionen  der 
Gebirgsschichten  hergestellt  werden.  Ich  bezweifle  das  im  höchsten  Grade  und 
vermuthe,  dass  er  entweder  aus  opaker  Glasmasse  gegossene  Armringe  gesehen 
und  für  Kieselartefacte  gehalten  hat,  oder  eine  den  Gegenstand  betreffende  Stelle 
im  Berichte  von  Pitt  Rivers  (p.  385,  conf.  Virchow,  Steinzeit  S.  368)  irrthümlich 
aufgefasst  oder  in  missverständlicher  Weise  am  29.  Mai  in  Vergleich  gezogen  hat. 

„Dass  die  vonAmelineau  1895  entdeckten  Gräber  aus  der  Zeit  vor  der  ersten 
Dynastie  zu  Abydos  durchwühlt  worden  sind,   ist  ein  Umstand,  der  bis  auf  7  bis 


(30) 

8  Ausnahmen  bei  allen  bisher  in  Aegjrpten  bekannt  gewordenen  Gräbern  Geltung 
hat,  der  demnach  also  auch  nicht  gegen  die  Wahrscheinlichkeit  jener  Alters- 
bestimmung anzurufen  ist.  Wäre  das  berechtigt,  so  gäbe  es  in  ganz  Aegypien 
eben  nur  7 — 8  sicher  bestimmte  Grabfunde. 

„Am^iineau  hat  aus  den  sogenannten  prähistorischen  Gräbern  von  Abydos 
20  Schädel  mit  den  zugehörigen  Skeletten  mitgebracht,  die  von  Dr.  Fouquet,  einem 
Arzt  in  Cairo,  der  sich  bereits  seit  Jahren  mit  Rraniometrie  beschäftigt,  untersucht 
worden  sind.  Seine  Arbeit  ist  dem  Werke  de  Morgan's  mit  einigen  Schädel- 
abbildungen beigefügt.  Fouquet  macht  auf  den  seltsamen  Umstand  aufmerksam, 
dass  diese  Schädel  trotz  der  Gleichartigkeit  der  Bestattungsweise  und  örtlichen 
Zusammengehörigkeit  eine  grosse  Ungleichartigkeit  der  Formen  zu  erkennen  geben. 
Ich  vermuthe  aber,  dass  bei  einer  grösseren  Anzahl  von  Schädeln  verhältnissmässig 
weniger  verschiedene  Typen  sich  ergeben  würden.  Alle  Schädel  und  Gebeine 
verrathen  nach  Fouquet  ausgeheilte  Wunden  der  hier  Bestatteten,  die  demnach 
wohl  sämmtlich  Krieger  waren.  Was  aber  Fouquet  über  eine  vermeintliche 
Versuchs-  oder  theilweise  stattgehabte  Einbalsamirung  ausführt,  erregt  die  aller- 
ernstesten  Bedenken.  Reinerlei  Eindrücke  von  GewebestofiTen,  Binden  und  dei^l. 
Hessen  sich  nachweisen,  und  doch  sollen  Reste  von  Harz-  oder  Pechmassen  an 
einzelnen  Gebeinen  haften.  Diese  dürften  von  Opfergaben  herrühren,  die,  den 
Todten  beigegeben,  später  sich  mit  den  Rnochenresten  inniger  verbanden. 
Hr.  Amelineau  versprach  mir,  von  seinen  diesjährigen  Ausgrabungen,  die  er  dieser 
Tage  wieder  aufgenommen  haben  wird,  einige  Schädel  für  Sie  aufzuheben.  Auch 
liesse  sieb  sehr  leicht  für  Ihre  Gesellschaft  eine  Gollection  charakteristischer 
Topfscherben  u.  s.  w.  zusammenstellen,  von  denen  im  weggeräumten  Schutt  der 
Ausgrabungen  zu  Abydos  viele  Tausende  nutzlos  daliegen  sollen.  Wenn  ich  dazu 
im  Stande  bin,  will  ich  selbst  hingehen  und  nachsehen.  Ich  werde  vorläufig 
„lebende**  Steingeräthe  bei  den  Ababde  einsammeln.*'  — 

2.    Brief  aus  Cairo  vom  22.  December  1896: 

„Gestatten  Sie  mir  noch  ein  nachträgliches  Postscriptum  zu  meinem  letzten 
Briefe.  Ich  bin  gestern  bei  Dr.  Fouquet  gewesen,  der  mir  die  von  den  Funden 
bei  Abydos  herrührenden  Schädel  zeigte.  In  Betreff  zweier  Punkte  möchte 
ich  nicht  ganz  seiner  Ansicht  sein:  wegen  der  vermeinten  theilweisen  ,, Ein- 
balsamirung^ jener  in  sitzender  Stellung  vergrabenen  Körper,  deren  Skelette 
Amelinau  zu  Tage  förderte,  und  wegen  der  vermeintlich  blonden  Haare  derselben* 
Dr.  Fouquet  ist  so  liebenswürdig  gewesen,  mir  eine  Probe  der  in  der  Schädel- 
höhle des  Exemplars  No.  5  der  Amelineau' sehen  Ausgrabungen  von  Abydos  1H96 
eingeschlossenen  Masse  einzuhändigen,  die  Sie  einliegend  in  der  Schachtel  finden 
werden.  In  De  Morgan*s  neuestem  Werk  hat  Dr.  Fouquet  die  Frage  der 
„Einbalsamirung'^,  oder  der  conservirenden  Behandlung  vermittelst  Pech,  bei  diesen 
Körpern  erörtert  Diese  Masse  konnte  (falls  ein  fremder  Körper)  nur  nach  Ent- 
fernung des  Kopfes  vom  Rumpf  in  die  Schädelhöhle  gelangt  sein,  da  der  be- 
treffende Schädel  No.  5  auf  allen  Seiten  intact  ist  Vielleicht  hat  das  dunkle, 
glänzende  Aussehen  der  Masse  und  ihre  Verbrennbarkeit ')  die  Vorstellung  von 
einer  pechartigen  Masse  erzeugt  Gewiss  handelt  es  sich  um  die  im  Laufe  der 
Jahrtausende  umgestaltete  Himsubstanz. 

1)  Die  Masse  schmilzt  theilweise  vor  dem  Verbrennen  mit  heller  Flamme,   dann  ver- 
kohlt sie  und  wird  Asche  unter  Dämpfen,  die  nichts  Harzartiges  an  sich  haben. 


(31) 

„Hinsichtlich  der  fahlen,  graublonden,  hanfffarbigen  Haare,  die  an  einem  der 
z.  Th.  mit  tiefen  Beulen  behafteten  Schädel  noch  haften  (weniger  als  1  cm  lang), 
wage  ich  kein  Urtheil  auszusprechen,  vermuthe  aber,  dass  auch  die  Haare  durch 
die  in  der  Erde  befindlichen  Salze  (die  an  einem  der  Schädel  in  dicken 
Rrystallen  ansgeschossen  sind)  und  dann  namentlich  durch  die  lange  Zeitdauer 
eine  wesentliche  Veränderung  erfahren  haben.  Dass  es  weibliche  Mumien  der 
alten  Aegypter  giebt,  die  noch  völlig  schwarze  Haare  zeigen,  widerlegt  doch  noch 
nicht  die  Yermuthung,  dass  diese  schwarzen  Haare  in  anderen  Fällen  eine  andere 
Färbung  angenommen  haben  könnten.*'  — 

Hr.  R.  Virchow:  Eis  ist  uns  Allen  bekannt,  eine  wie  glückliche  Hand  unser 
berühmter  Freund  in  allen  Angelegenheiten  gehabt  hat,  welchen  er  eine  wissen- 
schaftliche Untersuchung  zuwendete.  Wir  werden  es  also  als  eine  vielver- 
sprechende Wendung  betrachten  dürfen,  dass  er  jetzt  der  Zeit  vor  Menes,  also 
der  im  strengsten  Sinne  vorhistorischen  Zeit  Aegypten's  seine  besondere  Aufmerk- 
samkeit schenkt.  Es  ist  das  um  so  mehr  bedeutungsvoll,  als  uns  in  letzter 
Zeit  die  Fühlung  mit  den  Forschern  in  Aegypten  beinahe  verloren  gegangen  ist 
Wenn  ich  mich  daher  auch  Ton  dem  Eindrucke  losmache,  den  die  ungemein 
schmeichelhaften  Aeusserungen  des  Hrn.  Schweinfurth  über  meine  eigenen,  jetzt 
schon  etwas  alt  gewordenen  Nachweisungen  über  die  ägyptische  Steinzeit  in  mir 
hervorgerufen  haben,  so  muss  ich  doch  mit  Dank  und  Freude  anerkennen,  dass 
in  der  That  eine  neue  Periode  der  ägyptologischen  Forschung  begonnen  hat. 

Meine  heutigen  Bemerkungen  sollen  sich  jedoch  nur  auf  die  beiden  Punkte 
beziehen,  welche  durch  die  Mittheilungen  des  Hrn.  Fouquet  in  den  Vordergrund 
des  Interesses  gerückt  sind:  ich  meine  die  Beschaffenheit  der  Haare  und  den  In- 
halt der  scheinbar  isolirt  einbalsamirten  Schädel. 

Was  die  Haare  betrifft,  so  kann  ich  darüber  nicht  viel  sagen,  da  mir  keine 
derartigen  Objecto  zugegangen  sind.  Was  aber  die  Bemerkungen  des  Hm.  Schwein- 
furth darüber  anlangt,  so  kann  ich,  von  einem  Nebenpunkte  abgesehen,  die 
Richtigkeit  derselben  durchweg  anerkennen.  Die  zunehmende  Entfärbung  des 
Haares  in  der  Erde  habe  ich  bei  Gelegenheit  meiner  Auseinandersetzungen 
über  den  Kopf  der  Aline  (Verhandl.  1896,  S.  196)  besprochen.  Alles,  was  Hr. 
Schweinfurth  über  die  Beschaffenheit  des  Kopfhaares  und  dessen  fahle,  grau- 
blonde, hanfartige  Farbe  an  den  Schädeln  von  Abydos  anführt,  liegt  im  Hereiche  der 
posthumen  Veränderungen,  welche  das  Haar  im  Gontact  mit  einem  wenigstens  zeit- 
weise feuchten  Boden  erleidet.  Ob  dieses  Haar  an  männlichen  oder  an  weiblichen 
Köpfen  sitzt,  ist  gleichgültig.  Ich  habe  schwarzes  Haar  an  weiblichen  Köpfen 
wiederholt  gesehen,  aber  ich  besitze  unter  anderen  auch  einen  männlichen  Mumien- 
kopf, den  Hr.  Emil  Brugsch  in  die  Zeit  der  XXI.  Dynastie  setzte,  an  dem  die 
schwarze  Farbe  unverändert  ist.  Ebenso  habe  ich  verfärbtes  Haar  an  Mumien- 
köpfen beiderlei  Geschlechts  getrofTen.  Ich  muss  daher  das  Bedenken  darüber, 
dass  das  fahle  Haar  an  den  Abydos-Schädeln  auf  einen  blonden  Stamm,  also  etwa 
auf  Libyer,  zu  beziehen  sei,  durchaus  theilen.  Zu  einem  solchen  Nachweise  gehören 
bessere  Proben. 

Anders  verhält  es  sich  mit  der  Frage  der  Balsamirung  der  Köpfe.  Hier  habe 
ich  zunächst  zu  bemerken,  dass  das  Eingiessen  von  geschmolzenem  Harz  oder 
Pech  in  den  Schädel  nicht  eher  möglich  ist,  als  bis  der  Inhalt  des  Schädels  ent- 
leert ist.  Dass  eine  solche  Entleerung  an  einem  abgeschnittenen  Kopfe  durch  das 
grosse  Hinterhauptsloch,  also  vom  Halse  her,  ausgeführt  werden  könne,  ist  un- 
denkbar,   falls  nicht  die  Trennung  hart  am  Schädelgrunde  vorgenommen  ist.     So- 


(32) 

kmge  der  Hals  in  irgend  einer  Erstreckung  noch  mit  dem  Kopfe  im  Zusammen- 
hange ist,  —  und  ich  yermuthe,  dass  dies  hier  der  Fall  war,  —  mOsste  die 
flüssige  Masse  durch  den  Wirbelcanal,  auf  einem  langen  und  schwierigen  Wege, 
eingeführt  sein. 

Ein  anderer  Weg  der  Entleerung  und  der  Einbringung  flüssiger  B^lung  liegt 
jedenfalls  yiel  näher.  Es  ist  der  schon  von  den  alten  Schnftstellem  bezeichnete 
Weg  durch  die  Nase  und  durch  ein  von  da  in  die  Schädelhöhle  gebohrtes  Loch* 
Ob  ein  solcher  Weg  benutzt  ist,  lässt  sich  an  unverletzten  Mnmienköpfen  nur 
schwer  erkennen.  Da  Hr.  Schweinfurth  nicht  daron  spricht,  dlass  er  nach  einem 
solchen  Wege  an  den  Schädeln  von  Abydos  gesucht  hat,  so  scheint  mir  die  Mög- 
lichkeit nicht  ausgeschlossen,  dass  auf  diesem  Wege  die  Entleerung  des  Qehims 
und  die  Einfüllung  von  Harz  geschehen  ist.  Das  wäre  also  ein  Punkt  der  weiteren 
Untersuchung. 

Vorläufig  war  nichts  weiter  möglich,  als  die  Untersuchung  der  freilich  sehr 
geringen  Parcellen  harzartiger  Masse,  welche  Hr.  Schweinfurth  von  Hm.  Fouqnet 
erhalten  und  mir  übersendet  hatte.  Mit  gewohnter  Gefälligkeit  hat  der  Vorsteher 
der  chemischen  Abtheilung  des  Pathologischen  Instituts,  Hr.  Salkowski,  sich 
dieser  Untersuchung  unterzogen.  Ich  gebe  nachher  seinen  Originalbericht  Daraus 
ergiebt  sich,  dass  diese  Untersuchung  nicht  bloss  den  eingeschickten  Inhalt  des 
Schädels  von  Abydos  betrofiTen  hat,  sondern  dass  zur  Vergleichung  auch  der  Inhalt 
anderer,  namentlich  peruanischer  Mumienköpfe  herangezogen  ist.  Weitere  Vergleiche 
haben  bis  jetzt  nicht  stattgefunden,  da  es  an  geignetcm  Material  fehlte;  doch  sollen 
sie  fortgesetzt  werden. 

Aus  den  speciellen  Angaben  des  Hm.  Salkowski  folgt  mit  grösster  Be- 
stimmtheit, dass  die  Inhaltsmasse  des  Abydos -Schädels  von  der  peruanischen 
gänzlich  verschieden  ist.  Letztere  hat  in  hohem  Maasse  die  Eigenschaften  von 
eingetrocknetem  Gehira;  erstere  zeigt  nicht  die  geringste  Spur  davon.  Im  Gegen- 
theil,  bei  dem  Abydos-Schädel  liefert  der  beim  Verdampfen  des  aus  dem  Inhalt 
gewonnenen  Alkoholauszuges  erhaltene  Rückstand  mehr  als  die  Hälfte  (53  pCt.) 
eines  wirklichen  Harzes,  während  bei  einem  Peruaner  nur  Spuren  einer  in  Aether 
nicht  löslichen  Substanz  gefunden  wurden.  Umgekehrt  enthielt  die  Abydos-Masse  1 7^ 
die  peruanische  66,6  pCi  einer  direct  in  Aether  löslichen  Substanz. 

Es  scheint  daher,  dass  in  den  Abydos-Schädel  wirkliches  Harz  eingebracht^ 
derselbe  also  einbalsamirt  worden  ist  Um  zu  bestimmen,  was  für  Harz  es  war, 
müssten  sehr  viel  grössere  Quantitäten  zur  Analyse  gestellt  werden.  Indess  wird 
sich  das  wohl  auch  ausführen  lassen,  und  ich  bitte  die  ägyptologischen  Forscher 
hiermit  um  eine  reichlichere  Hei^bung  des  fraglichen  Materials.  Unserem  lieben 
Freunde  Schweinfurth  spreche  ich  aber  ganz  besondere  Anerkennung  dafür  aus, 
dass  er  auch  diese  wichtige  Frage  auf  den  Weg  naturwissenschaftlicher  Unter- 
suchung geleitet  hat  — 

Hr.  Salkowski  hat  folgenden  Bericht  erstattet: 

Untersuchung  der  harzartigen  Hasse   aus  dem   ägjrptischen  Sch&del  und 

des  Inhaltes  eines  Schädels  aus  Peru. 

I.   Masse  aus  dem  ägyptischen  Schädel. 

Die  Substanz  ist  ziemlich  spröde,  auf  dem  Bruch  glänzend,  tief  dunkelbraun 
gefärbt,  schmilzt  auf  dem  Platinblech  und  verbrennt  mit  leuchtender  Flamme 
unter  Hinterlassung  von  etwas  alkalisch  reagirender  Asche. 

Eine  nicht  gewogene  Quantität  wurde  verrieben  und  mit  Alkohol  ausgekocht» 


(.33) 

filtrirt,   der   Rückstand   mit  Alkohol  gewaschen,   getrocknet,  ,d^r  Alkoholaaszng 
verdunstet.  */ 

a)  Rückstand.    Leichtbrännliche  zerreiblich^  Masse.  ,  Gewicht  0,335,  ^« 
0,3196  g  gaben  beim  Veraschen  0,0406  Asche  =  1,27  pCt.      .... 

Die  Asche  wurde  mit  Wasser  übergössen,  in  dem  sich  ein.  Theil-  löste,  filtrirt; 
der  Rückstand  mit  verdünnter  Salzsäure  üb^gossen,  worin  er  sich  grössteoth^ils 
löste,  flltrirt. 

Der  wässerige  Auszug  giebt  nur  eine  schwache  Andeutung  yon  Phos- 
phorsäure-Reaction,  der  salzsaure  eine  deutliche  Reaction. 

b)  Die  Alkohollösung  hinterliess  beim  Verdunsten  ein  glänzendes,  hartes 
und  sehr  sprödes,  durchsichtige»,  bräunliches  Harz  im  Gewicht  von  0,392  g.  Im 
Ganzen  betrug  danach  die  angewendete  Substanz  0,335  +  0,392  =  0,727^,  der 
im  Alkohol  lösliche  Theil  also  53,9  pCt.  der  ganzen  Substanz. 

Zur  weiteren  Untersuchung  wurde  das  Harz  unter  Erwärmen  in  verdtlnnter 
Natronlauge  gelöst:  dunkelbraune,  stark  trübe  Lösung.  Diese  wurde  mit  Aether 
geschüttelt,  der  sich  wenig  ftirbte.  Der  Aetherauszug  hintetiiess  0,0664  \<7  einer 
weichen  wachsartigen  Masse  =■  rund  17  pCt.  Die  wässerige  trübe  Lösung  wurde 
mit  Salzsäure  angesäuert  und  wieder  mit  Aether  geschüttelt:  der  Aetherauszug 
hinterliess  0,1164  g  =  rund  30  pCt.  Zwischen  der  Aetherlösung  und  der  wässerigen 
Flüssigkeit  schied  sich  in  relativ  beträchtlicher  Quantität  ein  anfangs  weiches, 
dann  hart  werdendes  Harz  aus 

Das  Alkoholextract  hat  also  folgende  Zusammensetzung  (abgerundet): 
nicht  in  Aether  lösliche  Substanz  (Harz)  ......    53  pCt 

direct  in  Aether  lösliche  Substanz 1'^« 

erst  nach  dem  Ansäuern  in  Aether  lösliche  Substanz     .    30    „ 

IL    Inhalt  des  Peruaner  Schädels. 

Weihce,  bräunliche,  zerreibliche,  mit  etwas  Sand  gemischte  Substanz,  die  beim 
Erhitzen  nach  Fett  und  verbrennendem  Hom  riecht,  mit  leuchtender  Flamme  ver- 
brennt.   Die  Verarbeitung  war  dieselbe. 

a)  Rückstand' =  1,5402  g.     0,371  g   desselben  gaben   0,0657  g  Asche  = 

18,5  pCt.O- 

Die  Asche  wurde  qualitativ  ebenso  untersucht,  wie  die  aus  dem  ägyptischen 
Schädel. 

Der  wässerige  Auszug  der  Asche  giebt  eine  enorme  Phosphorsäure- 
Reaction,  der  salzsaure  Auszug  eine  sehr  starke. 

b)  Der  Alkoholauszug  hinterliess  2,015^  einer  schmierigen  fettigen  Masse. 
Im  Ganzen  betrug  die  angewendete  Substanz  2,015  -h  1,5402  =  3,5552  ^,  der 
in  Alkohol  lö|liche  Antheil  also  56,7  pCt.  der  ganzen  Substanz. 

Die  Zusammensetzung  der  fettigen  Masse  war  folgende: 

nicht  in  Aether  lösliche  Substanz Spuren 

direct  in  Aether  lösliche  Substanz 66,6  pCt 

erst  nach  dem  Ansäuern  in  Aether  lösliche  Substanz  33,4    „ 

Die  in  den  Alkoholauszug  etwa  übergegangenen  Salze  sind  in  beiden  Fällen 
nicht  berücksichtigt  worden. 

Sämmtliche  Zahlenangaben  beziehen  sich  auf  die  bei  100°  getrocknete  Substanz. 
Als  wesentliche  Unterschiede  haben  sich  danach  ergeben: 

1)  Auf  den  grösseren  Gehalt  an  Asche  ist  kein  Wert  zu  legen,  da  die  Substanz  Sand 
enthielt,  dessen  Gewicht  sieh  zu  dem  Aschengehalt  addirt. 

Verhnndl.  dor  Berl.  Anthropol.  Gesellschaft  1897.  3 


(34) 

1.  die  reichliche  Quantität  Ton  Pbosphorsäure  in  der  Asche  des  Rückstandes 
des  Pemaner-Scbädelinhaltes ,  ganz  besonders  im  wässerigen  Auszog  der  Ascher 
während  sie  in  diesem  bei  dem  ägyptischen  Schädel  fast  fehlt 

2.  die  durchaus  renchiedene  Zusammensetzung  und  das  vei^chiedene  Aus- 
sehen des  Alkoholeztractes  der  beiden  untersuchten  Substanzen.  Da  der  Inhalt 
des  Peruaner-Schädels  unzweifelhaft  aus  alter  Gehimsubstanz  besteht,  so  ist  es 
angesichts  dieser  Differenzen  schwer  anzunehmen,  dass  die  zur  Untersudiung  über- 
gebene  Hasse  aus  dem  ägyptischen  Schädel  gleichfalls  Gehimsubstanz  sei.  Es  ist 
Tielmehr  wahrscheinlich,  dass  sie  im  Wesentlichen  aus  einer  heterogenen  harzigen 
Masse  besteht.  Es  fällt  gegenüber  den  grossen  Differenzen  in  der  Zusammen- 
setzang  auch  nicht  ins  Gewicht,  dass  die  Quantität  des  in  Alkohol  Löslichen  bei 
beiden  Untersuchungsobjecten  annähernd  dieselbe  ist  — 

(11)  Hr.  Rud.  Virchow  berichtet  über  die 

Frage  der  partJeUen  ZerstöroBg  des  SchloMberges  bei  Borg  a«  d.  Spree. 

Schon  früher  (Verband].  1896,  S.  579)  habe  ich  die  Gefahr  besprochen,  welche 
dem  grössten  prähistorischen  Bauwerke  unseres  Landes,  dem  allbekannten  Schloss- 
berge bei  Burg,  durch  die  Anlage  einer  Ticinal-Eisenbahn  droht  Im  Auftrage  der 
General- Versammlung  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  habe  ich,  zu- 
nächst bei  unserem  vorgesetzten  Ministerium,  sodann  bei  verschiedenen  betbeiligten 
Ressorts  Bünspruch  dagegen  erhoben.  Obwohl  ich  überall  mit  freundlichem  Ent- 
gegenkommen empfangen  bin,  ist  bis  jetzt  doch  nicht  mehr  erreicht,  als  dass  durch 
die  Aufopferung  eines  Theils  der  alten  Wallburg  vielleicht  der  Rest  gerettet  werden 
könnte.  Ich  behalte  mir  vor,  weiter  zu  berichten,  sobald  bestimmtere  Anhaltspunkte 
gewonnen  sein  werden.  — 

(12)  Hr.  Eduard  Krause  stellt  vor 

Lappl&oder  ini  Costttm. 

Die  aas  Schwedisch-Lappland  stammenden,  der  Gmppe  der  Fjeld-Lappen  an- 
gehörigen  Leute  sind  erst  gestern  in  Berlin  eingetroffen;  sie  werden  in  der  Flora 
von  Charlottenburg  gezeigt  Sie  gleichen  in  Aussehen  und  Bekleidung  den  früher 
uns  vorgeführten  Personen. 

Der  eine  Mann  hat  bei  einem  Sturz  von  einem  Felsen  ein  Bein  gebrochen. 
Da  dasselbe  schief  heilte,  so  hat  er  sich  aus  Renthierknochen  und  Holz  einen  ganz 
zweckmässig  construirten  Stelzfoss  angefertigt,  der  voi^zeigt  wird. 

Auch  einige  sonstige  Geräthe  werden  voi^legt.  — 

• 

(13)  Bei  dieser  Gelegenheit  gedenkt  der  Vorsitzende  des  Hannes,  dem  w^r 
die  erste  Bekanntschaft  mit  arktischen  Völkerschaften  verdanken,  des  neuerlich 
hart  angegriffenen 

EmO  Jacobseil. 

In  der  holländischen  Presse  finden  sich  seit  einiger  Zeit  heftige  Angriffe 
auf  diesen  Reisenden,  dem  unsere  Museen  so  viel  verdanken.  So  ist 
namentlich  ein  Blatt  des  Makassaarschcn  Gourant  vom  30.  November  1896  ein- 
gegangen, in  welchem  das  Buch:  ^Reise  in  die  Inselwelt  des  Banda- Meeres"^  in 
sehr  abfälliger  Weise  beurtheilt  und  die  Thätigkeit  des  Reisenden  daselbst  auf 
das  Bitterste  verhöhnt  wird.    Es  mag  richtig  sein,    dass  die  holländische  Ortho- 


(35) 

graphie  nicht  immer  regelrecht  nnd  die  Beurtheilung  der  politiBchen  Yeihältniafte 
zaweilen  missverständlicb  ansgeftiUen  ist  Aber  man  erkennt  leieM,  dass  der  Zorn 
der  Herren  des  Gonrant  hauptsächlich  durch  die  Beziehungen  auf  Deutiachlaad  her- 
Toi^rufen  ist,  welche  Hr.  Jacobsen  an  nicht  wenigen  Stellen  preis»id  henror- 
hebt.  Vielleicht  hätte  davon  Manches  wegbleiben  können,  aber  ein  Vorwurf  wtlrde 
daraus  auch  selbst  fllr  einen  Holländer  nicht  abgeleitet  werden  dflrfen,  weain  die 
Schilderungen  im  Uebrigen  objectiv  richtig  sind.  Dies  darf,  Tielleicht  dnzelne 
Kleinigkeiten  abgerechnet,  angenommen  werden.  Für  uns,  denen  ein  entsprechendes 
Werk  in  der  heimischen  Literatur  fehlte,  wird  das  Buch  einen  nicht  geringen  Nuteen 
haben.  Bedenkt  man  überdies,  mit  wie  geringen  Mitteln  und  unter  wie  schwierigen 
Verhältnissen  die  Reise  ausgeführt  ist,  so  wird  man  mit  der  Anerkennung  für 
einen  Mann,  der  für  die  Ethnographie  so  viel  geleistet  hat,  nicht  geizen  wollen.  — 

(14)  Hr.  Franz  Tappeiner  schickt  aus  Heran,  11.  Januar,  seine  Abhandloag: 
„Der  europäische  Mensch  und  die  Tiroler^,  18%. 

Dieselbe  wird  demnächst  besprochen  werden.  — 

(15)  Hr.  O.  Helm  in  Danzig  übersendet  den  Separatdruck  einer  Abhandlung: 

Die  weisse  Substanz  in  den  Ornamentritzen  yorgeschichtUcber  TlMngefässe 

Westprenssens 

aus  den  Schriften  der  Natarf.  Gesellschaft  in  Danzig.    N.-P.  fX,  2.    1896. 

Hr.  Rud.  Virchow:  Die  Untersuchungen  des  Hm.  Helm  beziehen  sich  £ast 
ausschliesslich  auf  Steinkistengräber  des  Oesichtsumen-Typus.  Nur  die  „Fund- 
stätte Ton  Raldus  bei  Gulm^  dürfte  einer  anderen  Periode  angehören.  Die  neue 
Thatsache,  welche  dabei  gefunden  wurde,  ist  die  chemische  Zusammensetzung  der 
weissen  Incmstation,  welche  entweder  ganz,  oder  wenigstens  grösstentheils  aus 
phosphorsaurem  Kalk  bestand.  Hr.  Helm  kam  dadurch  zu  der  Vermuthung, 
dass  die  Masse  aus  gebrannten  und  zermahlenen  Knochen  abzuleiten  sei,  da  eine 
andere,  vorwiegend  aus  Phosphorsäure  und  Kalk  bestehende  Substanz  in  West- 
preussen  nicht  vorkomme.  Die  mikroskopische  Untersuchung  schien  diese  Ver- 
muthung  zu  bestätigen.  An  zwei  Urnen  erschien  die  weisse  Masse  zusammen- 
gesetzt aus  Bruchstücken  von  Lamellen,  welche  im  Allgemeinen  structurlos  waren 
nur  einige  derselben  fand  der  Beobachter  „durchsetzt  von  länglichen,  nach  einer 
Richtung  hin  verlaufenden  Zellen*'.  Dass^be  sah  er  an  „einer  Probe  calcinirter 
und  zermahlener  Grabknochen  ans  einer  Düngerfabrik*'. 

Dieses  Ergebniss  weicht  von  dem  der  anderen  Untersucher  erheblich  ab.  Ich 
selbst  begann  meine  Forschung  an  Scherben  aus  der  ältesten  „Stadt^  von  Hissarlik 
(Alttrojanische  Gräber  und  Schädel.  Akadem.  Abhandl.  Berlin  1882,  S.  51;  Abb. 
auf  S.  53).  Mein  Freund  Schliemann  hatte  die  weisse  Masse  für  Tbon  ge- 
nommen. Es  stellte  sich  aber  heraus,  dass  der  Haiq}tbestandtheil  krystaliinischer 
Kalk  war,  wie  die  mikroskopische  Untersuchung  ergab;  ich  setzte  damals  hinzu: 
„also  vielleicht  zerstossener  Marmor,  der  in  den  Flüssen  als  Rollstein  und  in 
den  benachbarten  Gebirgen  anstehend  gefunden  wird.  Kreide  steht  in  der  Nähe 
von  Hissarlik  nirgends  an.^  Aehnliche  Incrustationen  erwähnte  ich  auch  von 
Topfscherben  aus  dem  Hanai  Tepe  (ebendas.  S.  84).  Die  Frage  der  Benutzung 
einer  weissen  Thonmasse  trat  mir  bald  nachher  (Verhandl.  1883,  S.  450)  besonders 
nahe,  als  ich  Gefassscherben  mit  besonders  weisser  Incmstation  von  Albsheim  in 
der  Pfalz  erhielt,  wo  vieUiEUih  ausgebeutete  Lager  von  Kaolin  anstehen;  aber  auch 


1 


(36) 

hier  fand  sich  kohlensaurer  Rälk.'  Ich  will  diesQ  Aufzählang  nicht  weiter  aus- 
dehnen; in  einer  Diskussion  unserer  Gesellschall  (Verhandl.  1895,  8.  462}  finden 
sich  weitere  Beispiele.  Dahei  ergab  sich  in  einem  Falle  die  Möglichkeit,  dass 
Phosphorit  beigemischt  sei. 

Die  Nachweise  des  Hm.  Helm  sind  also  sehr  abweichend.  Wenn  man-  auch 
den  mikroskopischen  Befund  nicht  als  entscheidend  ansehen  will,  da  erfahmnga- 
gemäss  so  stark  zertrümmerte  und  noch  dazu  gebrannte  Partikeln  keine  sicheren 
Resultate  erhoffen  lassen,  so  genügt  doch  das  chemische  Ergebniss,  um  die  Frage- 
stellung und,  wenigstens  bis  zu  emem  hohen  Orade  ron  Wahrscheinlichkeit,  auch 
die  Schlussfolgerung  des  so  gewissenhaften  üntersuchers  anzuerkennen.  Es  wird 
daher  eine  erneute  Nachforschung  in  Bezug  auf  die  Verbreitung  einer  derartigen 
Gewohnheit  zu  empfehlen  sein.  Dabei  wäre  es  jedoch  wttnschenswerth,  dass  jede 
Localität  und  jedes  Zeitalter  für  sich  betrachtet  werde.  Denn  es  ist  an  sich  ja 
nicht  anzunehmen,  dass  dieselbe  Zusammensetzung  der  weissen  Masse  sich  überall 
und  stets  wiederfinden  werde.  Hr.  Helm  hat  seine  Erhebungen  fast  ausschliesslich 
an  Thongefössen  einer  Zeit  gemacht,  die  bis  dahin  gar  nicht  oder  höchstens  rer- 
einzelt  in  Betracht  gezogen  war.  Meine  Aufmerksamkeit  war  vorzugsweise  der 
neolithischen,  also  einer  weit  früheren  Zeit  zugewendet;  aber  ich  hatte  doch  auch 
schon  bemerkt  (Verhandl.  1883,  S.  453),  dass  der  Uebergang  von  der  Steinzeit  in 
die  Metallzeit  je  nach  den  Gegenden  sich  sehr  verschieden  gestaltet  habe  und 
dass  Formen,  die  an  gewissen  Orten  ganz  neolithisch  sind,  an  anderen  Orten  schon 
der  Bronze-,  an  manchen  sogar  schon  der  Eisen-,  ja  selbst  der  La  Tene-2ieit  zugerechnet 
werden  müssen.  Die  für  unseren  Fall  nächst  wichtige  Aufgabe  würde  also  sein, 
die  Natur  der  incrustirenden  Masse  sowohl  der  Zeit,  als  dem  Orte  nach  durch  eine 
Reihe  von  Analysen  festzustellen.  Auf  alle  Fälle  werden  wir  Hm.  Helm  dafür 
verpflichtet  bleiben,  d^  er  den  Weg  zu  einer  derartigen  Forschung  eröffnet  hat  — 

(16)  Der  Vorsitzende  der  Oraudenzer  Alterthums-Qesellschaft,  Hr.  Gymnasial- 
Director  Dr.  Anger,  berichtet  unter  dem  10.  Januar  über 

eine  neu  aafSgeftmdene  Broiize-Üme  von  Topolno,  Kreis  Schwets. 

Der  Oesammtbericht  über  die  Ausgrabungen  in  Topoino  (Kreis  Schwetz)  vom 
3.  October  und  2.  November  1896  wird  erst  dann  erfolgen,  wenn  das  Fundmaterial 
vollständig  vorliegen  wird.  Die  reichen  und  überaus  interessanten  Funde,  die  ich 
für  die  Oraudenzer  Alterthums- Gesellschaft  und  für  das  städtische  Museum  im 
Verein  mit  dem  Hm.  Regierungs-Schnirath  Dr.  Kaphahn  hierselbst  und  Hrn. 
Conservator  Meissner,  mit  freundlicher  Unterstützung  der  HHm.  Besitzer  Pauknin 
in  Gross-Konopath,  Verwalter  Mus  wi eck  in  Topoino  und  Dr.  Rasmus  in  Orutschno, 
in  Topoino  machte,  werden  ebenso,  wie  die  gleichzeitigen  Funde  von  dem  slavischen 
Gräberfelde  in  Grutschno,  sicherlich  allgemeines  Interesse  erregen.  Aus  der  Reihe 
dieser  Funde  hebe  ich  die  Bronze-Urne  von  Topoino  hervor. 

Dieser  schöne,  wohlerhaltene  Fund  (Fig.  1)  verdient  eine  ausführliche  Be- 
schreibung: 

Ich  gebe  zunächst  die  Mäasse  des  Gefässes,  dann  die  der  beiden  BfigeUialter 
und  zuletzt  die  des  Btigels. 

Das  17,5  cm  hohe,  kesseiförmige,  aus  getriebener  Bronze  bestehende  Geföss 
enthielt  nur  gebrannte  Knochen. 

Es  fasst  genau  9  Liter. 

Der  grösste  Durchmesser  der  oberen  Oeffnung  beträgt  25,7  n»,  der  Umfang 
des  umgebogenen  Randes  81  cm^  der  Umfang  dicht  unter  dem  Halse  75  cm.    Der 


(37) 

ziemlich  stark  herTortretende,  ringstim  laufende,  glatte  Widst  ist  1,4  cm  breit,  iind 
die  gerade  BntfernnDg  ron  da  bis  zum  Ende  des  amgebogenen  RoDdes  betragt 
2,3  CID.  Am  äosBersteti  Rande  ziehen  sich  parallel  mit  demielben  zwei  etwa  3  mm 
TOD  einander  entferote  KreiBlinien  hin. 

'         Fig.  1. 


Unterhalb  des  Balsea  weitet  sich  die  Urne  altmählich  ans,  bis  sie  im  zweiten 
Drittel  der  Gesammlhöhe  einen  Darchmesser  von  36,5  cm  und  einen  Umfang  ron 
89,5  cm  erreicht.  Ueberaos  gerällig  ist  die  Verzierung  durch  die  104  stark  ge- 
schwungenen (bis  2,5  OD  Höhe),  von  oben  nach  unten  sich  hinziehenden  Wellen- 
linien, die  durchschnittlich  8 — 9  mm  von  einander  entfernt  sind.  Die  Wellenbreite 
ist  mitiiin  ziemlich  beträchtlich. 

Das  obere  £nde  dieser  Wellenlinien  ist  unmittelbar  unter  dem  hervorstehenden 
Walst  des  Halses  von  zweimal  zwei  Kreislinieu  durchschnitten;  anf  der  entgegen- 
gesetzten Seite  wird  das  ontere  Ende  der  Wellenlinien  von  zwei,  etwa  2  mm  vim 
einander  abstehenden  KreisUnien  begrenzt.  Ea  folgt  dann  big  zara  Fagae  eine  I  rm 
breite,  glatte  Zone,  die  unmittelbar  am  Fusse  abermals  von  zwei  nahe  bei  einander 
li^enden,  das  Oeläss  umziehenden  Kreislinien  begrenzt  wird. 

Diese  die  WellenUnien  oben  durchschneidenden  and  unten  begrenzenden  Kreise 
nnd  in  die  Oberfläche  schon  eingeschnitten  gewesen,  ehe  die  Wellen  in  die  Gefäsa- 
wand  eingetrieben  wurden;  denn  diese  Kreislinien  steigen  nnd  falten  mit  den 
Wellenkimmen  und  Wellenlhälem. 

Der  Boden-Durchmesser  (Fig.  S)  betragt  14  em,  der  Umfuig  46  cm,  die  Höhe 
des   Fuases  0,9  cm,  die  Hohe   der  Wölbung  dea  Fusses  2  cm.     Anf  diesem  ge- 


(38) 

wölbten  Boden  befinden  sich  6,  za  je  2  geordnete,  BKhe  bei  einander  liegende  (3  mm), 
ooncentrische  Kreise,  —  das  bekannte  Kennzeichen  ftcbt  Himischer  OelUaae  (Darcfa- 
measer  3,2  cm,  8  om  nnd  13  om). 

Ob  der  Pnaa  eingelöthet  ist,  lässt  sich  dnrchans  niobt  erkennen-  Das  Ge- 
wicht dieses  stattlichen  GelKsaes  beträgt,  abgesehen  ron  Bttgelhalter  nnd  BUgel,  750  g. 
Hit  dem  Knächel  am  nnteren  Thelle  sanft  angeschlagen,  giebt  es  das  grosse  E  an; 
ein  stärkerer  Schlag  am  oberen  Rande  lässt  anssenlem  recht  stark  a  nnd  eine 
Reihe  von  Obertönen  erklingen. 

Fif-.  2. 


Die  beiden  BUgelhalter  sind  an  die  Urne  —  wahrscheinlich  mit  Zinn  —  an- 
^lüthet  gewesen.  Die  Löthslellen  sind  noch  jetzt  deatlieh  erkennbar.  Der  eine 
BUgelhalter  tat  &,9  c«,  der  aniiere  &,?  ein  lang;  der  erstere  ist  2,S  cm,  der  andere 
3,2  cm  hoch:  jener  wici^  25.9,  dieser  23 ,7.  Gleich  ist  bei  beiden  die  Zahl  der 
die  Contouren  begleitenden  Kreise  (14),  —  aber  die  Stellang  der  Kreise  ist  bei 
dem  einen  Halter  nicht  genau  so,  wie  bei  dem  anderen.  Die  zur  Aalbahme  der 
beiden  BUgelenden  bestimmten  Löcher  sind  von  verscbiedener  Bohmng  nnd  Grösse. 
Das  sind  aaTfallende  UifTcrenzen. 

Am  merkwürdigsten  und  belehrendsten  ist  der  Btlgel.  Seine  Länge  —  mit 
dem  Faden  ^messen  —  beträgt  44,5  cm,  die  gerade  Entrernung  der  beiden  BUgel- 
enden 2Kcnr,  die  Hähe  12,50  cm.     Kr  wiegt  150?. 

Der  BUgel  ist  Tor  der  Beisetzung  der  Urne  ans  awei  verschiedenen  und  zwar 
aus  zwei  rechten  Bflgelenden  znsammengesettt  nnd  mittels  einer  nicht  ganz  ge- 
schlossenen  Bronzeblllae    zaaammengelöthet   worden.     Von    dem   grässeren    nnd 


(39) 

dickeren  Bflgel,  dessen  Ende  ip  eine  Spitze  aasläuft,  ist  zam  Glück  mehr  aJs  die 
Hälfte  vorhanden.  Die  spiralförmige,  dieses  Bttgelende  umziehende  Linie  geht 
von  rechts  nach  links  und  ist  bis  zur  Mitte  der  verbindenden  BronzehülsQ  deutlich 
zu  verfolgen;  sie  umzog  ohne  Zweifel  also  auch  in  derselben  Richtung  dos  linke, 
jetzt  fehlende  Ende.  Das  kürzer^,  dünnere,  linke  Bttgelende  ist  dagegen  am 
äussersten  linken  Ende  senkrecht  zur  Längsrichtung  abgeschnitten,  und  die  auch  hier 
wieder  auftretende  Spirallinie  geht  von  links  nach  rechts.  Hier  sind  zudem  die 
Spirallinien  viel  enger  (0,5  cm\  als  dort  (1  cm).  Femer  zeigt  das  rechte  Bttgelende 
eine  schöne  Wölbung,  das  linke  dagegen  steigt  in  unschönem  Bogen  empor. 
Daraus  folgt:  der  ganze  Bügel  ist  aus  zwei  ursprünglich  nicht  3usammepgehörigen 
Theilen  zusammengesetzt  Das  linke  BUgelende  stammt  von  einem  ähnlich  ge- 
bildeten und  doch  anders  dimensionirten  Gefässe  her;  es  wurde  zur  Reparatur 
benutzt,  weil  es  dem  Bedürfnisse  gerade  noch  genügte.  Künstlerische  Ansprüche 
befriedigt  die  Arbeit  nicht;  aber  darauf  kam  es  dem  reparirenden  Handwerker  gar 
nicht  an.  Er  vereinigte  die  beiden  nicht  zusammengehörigen  Stücke,  so  gut  er  es 
eben  verstand;  er  machte  aus  der  Noth  eine  Tugend.  Nun  sind  auch  die  Unter- 
schiede der  beiden  Bügelhalter  begreiflich.  Offenbar  gehört  der  leichtere,  kleinere 
Bügelhalter  zu  dem  leichteren,  kleineren  Bügel-Fragment  — 

Es  dürfte  sich  nunmehr  empfehlen,  das  Bronze-Geföss  mit  einem  anderen  zu 
veigleichen,  das  im  März  1874  in  Münsterwalde  gefunden  worden  ist.  In  den 
Schriften  der  Naturforschenden  Gesellschaft  zu  Danzig  hat  der  um  die  Erforschung 
der  westpreussischen  Urgeschichte  hochverdiente  Dr.  Lissauer  eine  überaus 
interessante  und  gründlich  belehrende  Beschreibung  der  Mtlnsterwalder  Bronze- 
Urne  gegeben.  Die  im  Verlage  von  Th.  Anhnth  in  Danzig  erschienene  Schrift: 
^Beiträge  zur  Westpreussischen  Urgeschichte  von  Dr.  Lissauer^  enthält  auf 
S.  1 — 7  eine  klare  Darstellung  der  Fnndgeschichte,  der  Fnndbeschreibung  und  der 
Stellung  des  Fundes  unter  den  ähnlichen,  bekannt  gewordenen  Gefassen  anderer 
Gegenden. 

Mit  Recht  hat  Dr.  Lissauer  dem  Funde  von  Münsterwalde  eine  hervor- 
ragende Bedeutung  beigelegt.  Er  sagt:  „Wenn  man  von  Marien werder  die  Post- 
strasse nach  dem  Bahnhofe  Gzerwinsk  zu  fährt,  so  gelangt  man  kurz  hinter  dem 
Traject  über  die  Weichsel  in  das  Kirchdorf  Münsterwalde.  Südlich  von  der  Kirche 
befindet  sich  die  Fundstelle.  Es  fand  sich  darin:  1.  ein  Skeletgrab;  2.  ein  Urnen- 
grab  (in  der  Urne  befand  sich  nur  eine  etwas  verbogene  Doppelschnalle),  und 
3.  eine  bronzene  Urne,  von  3  kopfgrossen  Feldsteinen  umstellt 

Die  Urne  selbst  war  mit  den  gebrannten  Knochenresten  eines  erwachsenen 
Menschen  angefüllt,  bei  deren  Untersuchung  sich  noch  folgende  Beigaben  vor- 
fanden : 

1.  ein  grösseres  und  ein  kleineres  Stück  so  stark  zusammengeschmolzenen 
Goldes,  dass  man  aus  der  jetzigen  Form  auf  die  ursprüngliche  nicht  mehr 
zurückschliessen  konnte  (Werth  =  M  Mk.). 

2.  ein  Stück  ebenso  zusammengeschmolzener  Bronze. 

3.  ein  Gegenstand  aus  Bronze,  welcher  einem  Sporn  am  meisten  ähnlich 
sieht 

4.  mehrere  kleine,  dünne,  schön  grüngefärbte  Bronzestttcke. 

Die  Urne  selbst  ist  bis  auf  einen  unbedeutenden  Sprung  vollständig  erhalten 
und  hat  eine  sehr  gefallige  Kesselform.  Der  eigentliche  Körper  der  Urne  ist  aus 
3-74  mm  dickem  Bronzebiech  getrieben,  so  dass  man  an  einzelnen  Stellen  die 
Hammerschläge   deutlich  erkennt    Während  der  obere  Rand  sich  in  einer  Breite 


(40) 

von  12  itnn  nach  aussen  umlegt,  Teijfingt  sich  der  Hals  nur  wenig;  auch  der  Bauch 
weitet  sich  hur  wenig  aus,  um  sich  schnell  wieder  zum  eigentlichen  Boden 
ton  beiden  Seiten  zudammenzuschliessen.  Um  den  Hals  läuft  ein  12  mm  breiter, 
mit  dem  Hammer  von  innen  ausgearbeiteter  horizontaler  Wulst,  während  der  ganze 
Bauch  etwas  flachere,  aber  ebenfalls  getriebene,  yerticale  Wellenlinien  zeigt,  die 
natürlich '  abwechselnid  concav  und  convex  erscheinen.  Im  Ganzen  zähle  ich  114 
convexe  Wellenlinien,  welche  einander  fast  genau  parallel  und  am  oberen,  wie  am 
üntei^en  Ende  durch  mehrere  oberflächlich  eingratirte  Kreislinien  vom  Hals  und 
Fuss  gleichsam  künstlerisch  abgetheilt  sind.  —  Auf  dem  uidgebogenen  Rande  der 
oberen  OelTnung  sieht  man  an  zwei  gegenüber  liegenden  Stellen  in  einer  Aus- 
dehnung von  50—^60  mm  deutlich  Zinnloth,  als  ob  dort  ursprünglich  etwas  aufgelöthet 
gewesen  sei,  während  davon  auf  dem  übrigen  Theile  des  Randes  nichts  zu  ent- 
decken ist. 

^Die  Urne  st^t  auf  einem  etwa  12  mm  hohen,  ebenfalls  getriebenen  Fussr 
welcher  sich  nac^  qntcn  6  mm  breit  umbiegt  und  dort  den  eigentlichen  Boden  des 
Gefösses  aufhimnlt.  Dieser  ist  wahrscheinlich  besonders  gegossen  und  eingesetzt, 
so  dass  man  diese  Stelle  noch  deutlich  erkennt 

^Dle  Maasse  des  Qetasses  sind: 

1.  obere  Oeffnnng:  Grösster  Durchmesser  196  mm.    Umfang  des  umgebogenen 
Randes  664  mm.    Umfang  dicht  unter  dem  Halse  610  mm, 

2.  Mitte:    Grösster  Durchmesser  im  Innern  205  mm.    Grösster  Umlai^  von 
aussen  622  mtn. 

3.  Boden:  Durchmesser  von  aussen  95  mm.    Umfang  von  aussen  330  mw. 

4.  Höhe  der  ganzen  Urne  135  mm,^ 

• 

Hieraus  ei^iebt  sich,  dass  beide  Gefässe,  sowohl  das  Münsterwalder,  als  das 
Topolnoer,  als  Bestattunigsumen  gedient  haben.  Beide  bestehen  aus  getriebener 
Bronze,  beide  sind  nach  Gestalt  und  Verzierung  einander  sehr  ähnlich.  Beide  sind 
gehenkelt,  nur  sind  von  der  Münsterwalder  Urne  die  2  Bügelhalter  und  der  Bügel 
verloren  gegangen  und  nur  noch  die  Stellen  zu  erkennen,  wo  die  Henkel  angelöthet 
gewesen  waren.  Der  Bügel  der  Topolnoer  Urne  dagegen  ist  vorhanden,  aber 
nicht  der  ursprüngliche,  sondern  eiiT  aus  zwei  Fragmenten  später  zusammen 
gelötheter.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  den  2  Bügelhaltem.  Das  Münsterwalder 
Geiciss  ist  kleiner,  schlanker  und  mit  schmäleren  Wellenlinien  verziert,  als  das  aus 
Topolno;  es  hatte  einige  interessante  Beigaben  und  war  in  der  Erde  ziemlich  tief 
von  Steinen  umstellt  aufgefunden  worden;  unser  Geföss  dagegen  enthielt  nur  die 
Brandreste  der  Leiche  und  stand  0,75  m  tief  ohne  Steinsetzung  in  der  Erde. 

Die  Unterschiede  der  beiden  Urnen  sind  mithin  gering  und  erstrecken  sich  mehr 
auf  untergeordnete  Momente.  — 

Bronze -Gefässe  sind  in  den  letzten  20  Jahren  nicht  selten  gefunden  worden, 
in  Rondsen  allein  vier:  l.  eine  Weinkanne;  2.  ein  gehenkelter  Eimer  (Urne); 
3.  eine  Schale  (Urne);  4.  eine  Schale  (Urne).  Aber  Bronze-Gefässe  mit  Wellen- 
omament  gehören  immer  noch  zu  den  grössten  Seltenheiten. 

In  Kopenhagen  unterscheidet  man  nach  Lissauer's  Angabe  ^zwei  Formen, 
eine  ältere  mit  schmäleren  und  eine  jüngere  mit  breiteren  Wellenlinien.^  In 
Stockholm  und  Christiania  sah  er  ^nur  je  ein  einziges  Exemplar  mit  breiteren 
Linien;  sie  haben  auf  dem  Boden  die  für  acht  römische  Arbeit  bezeichnenden 
concentrischen  Kreislinien.  Die  ganz  erhaltenen  zeigen  auch  henkelarttge  Auf- 
sätze (Bügel halter),  in  welchen  ein  (?)' Bronzebügel  steckt^    „Am  wichtigsten^ 


(41) 

sagt  Li  8  sau  er,  „ist  diejenige  Urne,  die  sich  im  Maseam  von  Christiania 
befindet,  weil  dieselbe  der  Münsterwalder  Urne  ganz  gleicht,  ebenfalls  einen  Gold- 
schmuck  und  einen  ganz  gleichen  Sporn  enthielt.  Da  nun  in  der  Christania-Ume 
zugleich  ein  mehrfach  zusammengebogenes,  eisernes  Schwert  gefunden  worden  ist, 
wie  solche  ffir  die  ältere  Eisenzeit  charakteristisch  sind,  so  werden  diese  Urnen 
von  den  nordischen  AlteHhumsforschem  in  das  3. — 5.  Jahrhundert  n.  Chr.  gesetzt, 
in  welcher  Zeit  schon  römischer  Handel  den  Norden  mit  seinen  Waarön  reichlich 
versoi^.  Für  den  Weg  aber,  den  dieser  Handel  einschlug,  ist  es  wichtig,  durch 
den  Münsterwalder  Fund  an  der  Weichsel  gleichsam  eine  Station  nachgewiesen 
zu  haben.**  — 

Durch  den  Topolnoer  Fund  ist  eine  zweite  Station  nachgewiesen.  Beide  Orte 
sind  Stationen  des  längst  bekannten  Handels weges,  der  von  Aquileja  über  Wien 
zu  den  Quellen  der  Oder  und  von  da  über  Breslau,  Kaiisch  —  Bromberg  und  Schwetz 
nach  Danzig  führte.  Von  Schwetz  zweigte  sich  ein  Weg  über  Rondsen,  Marien- 
burg (Alyera),   Elbing  (Truso)   nach  dem  Samlande  ab.    Es  ist  kein  Grund  abzu- 

Fig.  8. 


f  »' 


31 

1. 


sehen,  warum  auf  diesem,  von  den  römischen  Händlern  vorzugsweise  begangenen 
Wege  bis  zum  Samlande  hin  nicht  auch  gleiche  Funde  gemacht  werden  sollten. 
Nöthigt  uns  etwas  zu  der  Annahme,  dass  derartige  Gefässe  nur  westlich  von  der 
Weichsel  Abnehmer  gefunden  haben?  Der  Umstand,  dass  innerhalb  22  Jahren  zwei 
ftist  gleiche  Funde  westlich  von  der  Weiclisel  gemacht  worden  smd,  östlich  von  der 


(42) 

Weichsel  aber  noch  kein  derartiger  Fond  bekannt  geworden  ist,  beweist 
nichts.  Die  östiichen  Bewohner  kannten  gewiss  dergleichen  Gefösae,  aber  sie 
haben  sie  eben  nur  zu  dem  Zweck  benatzt,  für  den  sie  gearbeitet  worden  waren. 
Um  es  kurz  zu  sagen:  es  ist  darchaus  zu  bezweifeln,  dass  die  römischen  Händler 
derartige  Gefässe  den  hiesigen  Bewohnern  als  Grabnmen,  also  zn  Bestattongs« 
zwecken,  angeboten  und  verkauft  haben. 

Aus  der  Beschaffenheit  der  gefundenen  Gefösse  erhellt  vielmehr,  dass  es  Trink« 
gefässe  gewesen  sind,  und  dass  man  diese  erst  dann  zu  Bestattongszwecken  ver^ 
wendete,  als  sie  für  den  eigentlichen  Zweck  unbrauchbar  geworden  waren.  Denn 
wären  es  von  Hause  aus  Bestattungsgefässe  gewesen,  so  würden  sie  nicht  in  be- 
schädigtem, defectem  Zustande,  sondern  heil  und  unverletzt  der  Erde  übergeben 
worden  sein.  Das  ist  aber  durchaus  nicht  der  Fall.  Es  empfiehlt  sich  mithin  die 
Annahme,  dass  ein  reicher  Mann  seinen  stattlichen  Methkessel,  der  im  Laufe  der 
Zeit  oder  durch  einen  Zufall  unbrauchbar  geworden  war,  zu  seiner  oder  eines 
seiner  Angehörigen  Bestattung  bestimmte.  Das  wird  nicht  häufig  der  Fall  gewesen 
sein,  und  daraus  erklärt  sich  auch  die  Seltenheit  solcher  Funde.  Die  Mehrzahl 
der  Methkessel  ist  verloren  gegangen;  aber  die  für  Bestattungszwecke  bestimmten 
sind,  weil  sie  dem  sicheren  Schosse  der  Erde  anvertraut  worden  waren,  bis  auf 
unsere  Zeit,  und  zwar  genau  in  dem  Zustande,  in  dem  sie  einst  beigesetzt  wurden, 
erhalten  geblieben.  — 

(17)   Hr.  R.  V.  W einzier  1,  Prag,  5.  Januar,  bespricht 

neue  Funde  auf  der  Lösskappe,  sttdöstlich  von  Lobositz  a.d«Blb6 

(Reiser'sche  Ziegelei). 

Im  Anschluss  an  die  Grabung  im  Sommer  1894')  wurde  im  Herbste  und  Winter 
desselben  Jahres  sowohl  die  grosse  Aushebung  zum  neuen  Rmgofen  erweitert,  als 
auch  der  ganze,  noch  stehen  gebliebene  Ziegelthonblock,  mit  der  Ueberbrückung 
an  der  Südseite  des  alten  Ofens,  abgegraben.  Neben  dem  Pfarrfelde  (Situations- 
plan S.  50)  wurde  zunächst  an  der  Ostwand  der  Ausgrabung  C  ein  breiter  Streifen 
nachgenommen,  und  bei  dieser  Grabung  wurde  einer  der  wichtigsten  Funde  ge- 
macht: ein  neolithisches  Brandgrab!  Wenige  Meter  südlich  davon  wurde  im 
Sommer  1896  das  weibliche  Skeletgrab  20  (Jahrgang  1895,  S.  63)  mit  reichem 
Muschel-  und  Zahnschmuck  gefunden. 

Dieses  Brandgrab  ^   ^ar   sehr   seicht  angelegt  (0,75  m  tief  bei  einem  Dnrch- 


1)  Zeitschrift  f.  Ethnologie,  Jahrg.  1895,  S.  49.  Weinsierl,  R.  v.  Der  prihistorisehe 
Wohoplatx  und  die  Begr&bnissst&tte  auf  der  LGsskuppe  südöstlich  von  Lobosits  a.  E.  Mit 
27  Abbildnngeo.  —  Auf  dem  S.  60,  Fig.  1  abgebildeten  Situationsplan  ist  der  1894  aus- 
gegrabene Complez  mit  C  beseichnet 

Ich  komme  einer  angenehmen  Nicht  nach,  indem  ich  an  dieser  Stelle  Hn.  Ziegel- 
und  Kalkwerksverwalter  F.  Koprira  den  besten  Dank  tum  Ausdrucke  bringe,  fdr  die 
sorgfältige  Beobachtung  der  ganzen  Erdbewegung,  im  Interesse  der  Pr&historie.  Seiner 
wcrkth&tigen  Unterstütsung  habe  ich  es  su  danken,  dass  auch  nicht  der  kleinste  Fund 
verloren  ging;  in  meiner  Abwesenheit  hat  Hr.  Kopi^iva  genaue  Situationsseichnungen  und 
Fundborichte  angefertigt,  so  dass  das  ganxe  Bild,  in  Folge  einer  fortwährenden,  sorgfUtigen 
Beobachtung,  sich  uns  als  ein  Ganses  aufrollt 

2)  Neolithisehe  Brandgrftber,  bisher  sehr  selten  beebachtet  and  ansser  mir  nur 
vom  Conservator  Hm.  Bi^etislav  Jelinek  in  Böhmen  coastaürt,  sind  Ton  gaat  emincQter 
Bedeutung  für  die  Forschung,  da  man  ansnnehmen  gewohnt  war,  dass  in  Böhmen  in  dar  Stein« 
seit  die  Feuerbestattung  nicht  im  Gebrauche  stand.    Da  nun  die  Zahl  der  untenuchtea 


(43) 

messer  von  1  m);  die  kesselförmige  Grabe  enthielt  ausser  Knoehenasche  und  Holz- 
kohlenstttcken  auch  nnverbraonte  Knochenpartikeln.  Zwischen  Steinen,  die  Spuren 
von  Dnrchglühung  aufwiesen,  lag  ein  zertrOnunerter,  langhalsiger  Becher  ohne 
Ornament')  und  ein  in  Folge  des  Brandes  vollständig  zerfallener  Basaltiiamnier 
älteren  Typus'}.  Der  Becher  entspricht  in  Form  und  Material  den  bekannten  schnur- 
versierten Bechern  der  böhmischen  und  thüringischen  Funde.  Das  Hanunerfragment, 
mit  schwachen  Schliffflächen,  ist  eiiiseitig  konisch  gebohrt  und  gehört  zu  jenen 
älteren,  unregelmässigen  Typen  mit  keilförmiger  Schneide  und  abgerundetem  Bahn- 
ende, die  vorztiglich  in  den  rein  steinzeitlichen  Ansiedelungen  Nordwestböhmens 
gefunden  werden.  —  Auch  im  verflossenen  Jahre  fand  ich  in  Gross-Czemosek  unter 
0  neolithischen  Bestattungen  ein  Brandgrab'),  während  die  anderen  8  Gräber 
liegende  Hocker  in  Steinkisten  bargen.  Diese  Hocker  sind  in  der  neolithischen 
Ansiedelung  von  Gross-Gzernosek  zu  den  ältesten  Gräbern  zu  zählen;  mit  grossen 
Steinen  und  Geröll  gedeckt,  bildet  diese  Gräberstätte  die  tiefslgelegene  Schichte, 
die  bis  auf  und  theilweise  in  den  Meigcl  reicht  Darüber  setzt  sich  die  neolithische 
Cuhnrschicht  fort  bis  unter  die  Ackerkrame,  von  den  eingetieften  bronzezeitlichen 
Wohnstätten,  Herden  und  Abfallsgraben  der  Nachbesiedelung  unterbrochen. 

Wir  finden  also  auf  beiden  Ufera  der  Elbe  in  den  steinzeitlichen  Ansiedelungen 
und  deren  Gräberstätten  bereits  eine  neue  Art  von  Bestattung,  die  den  Todtencult, 
wie  er  bislang  gepflegt  worden,  wesentlich  änderte.  Rechnen  wir  zu  den  in  der 
Umgebung  von  Lobositz  bisher  untersuchten  neolithischen  Brandgräbem  jene  von 
Clbekosteletz  und  der  Umgebung  Prags  hinzu,  so  ergiebt  sich  die  immerhin  stattliche 
Zahl  von  22,  —  eine  Zahl,  die  uns  über  die  Möglichkeit  eines  Zufalles  weit  hinweg- 
setzt, so  dass  wir  es  in  Böhmen  mit  einem  Factum  zu  thun  haben,  welches  ge- 
wissenhaft weiter  zu  verfolgen  unser  Streben  sein  wird. 

Ausser  diesen  sorgfaltig  untersuchten  22  neolithischen  Brandgräbern  sind 
zwar  mehrere  als  „fsaglich^  zu  bemerken,  wenn  auch  nicht  in  Keehnung  zu  ziehen: 
in  der  Schwarzenberg^schen  Ziegelei*)  und  bei  der  TschinkTschen  Rüben- 
darre,   östlich    vom  Staatsbahnhofe.    An  letzterem  Orte  kamen  Gulturgraben  vor, 


Brandgrftber  die  Höhe  von  22  erreicht  hat,  so  ist  dies  fOr  Böhmen  sehr  bedentungsvoU  und 
wir  können  annehmen,  dass  in  den,  während  der  Steinzeit  dicht  bevölkerten,  nordwestlichen 
Gauen  Böheims,  diese  Bestattnngsart  bei  gewissenhafter  Durchforschung  der  Ansiedelungen 
und  Begräbnissst&tten  gewiss  noch  an  mehreren  Orten  constatirt  werden  könnte. 

Jelinek  fand  2  Brandgr&ber  bei  Lieben  (nächst  Prag)  und  1  bei  Opolau.  Dem 
Schreiber  dieser  Zeilen  gelang  es,  bis  jetat  17  solcher  Gräber  selbst  sn  constatiren  und  zu 
untersuchen.  Dieselben  gehören  alle  der  engsten  Umgebung  von  Lobositz  an;  es  entfallen 
auf  nnsere  Lösskuppe  8,  auf  LöbeTs  Sandgrube  am  Earrasch  6»  auf  die  Schwarzen- 
bergUche  Ziegelei  8,  auf  Oross-Czernosek  5;  2  Brandgr&ber  constatirte  ich  in  Elbe- 
kosteletz,  so  dass  mit  diesen  die  stattliche  6ksammtzahl  von  22  neolithischen  Brandgr&bern 
für  Böhmen  erreicht  wäre,  abgesehen  von  einigen  „fraglichen **,  bei  deren  Aushebung  ich 
entweder  nicht  selbst  dabei  war,  oder  wo  mir  die  Fandberichte  nicht  genügen  konnten. 

1)  Mittheilungen  der  Anthropologischen  Gesellschaft,  Wien,  Bd.  XXY,  S.  189;  In 
..Weinzierl,  R.  v.,  Entgegnung  auf  Hrn.  Dr.  Much^s  Kritik  meiner  Publication:  „Die 
neolithische  Ansiedelung  von  Qross-Czeraosek.^  Mit  8  Abbildungen*'  finden  wir  den  be- 
schriebenen Becher  8.  198  in  Fig.  272  abgebildet. 

2)  Ebendort  8. 198,  Fig.  278  abgebildet. 

8)  Mittheilungen  der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien,  Bd.  XXVII:  Weinzierl, 
R.  V.,  Die  neolithische  Ansiedelung  von  Gross-Gzernosek.  Ausgrabungen  im  Jahre  1895 
und  1896.    Mit  20  AbbUdungen:   Grab  VI. 

4)  Mittheilungen  der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien,  Bd.  XXY,  S.  192. 


(44) 

welche  dem  Fundmateriale  nach  der  Uebergangsperiode  angehören,  in  allem  Andern 
aber  den  Gross-Gzernoseker  Brandgräbem ')  ähnelten  und  daher  bei  grttndlicfaer 
Darchforschnng,  sofern  diese  möglich  gewesen  wäre,  vielleicht  ein  recht  inter- 
essantes Resultat  ergeben  hätten. 

Ans  dem  Vorhergehenden  ersehen  wir  also,  dass  die  Feuerbestattung  in  der 
jüngeren  Steinzeit  in  Böhmen  bereits  Eingang  gefanden  hat;  andererseits  aber  finden 
wir  die  Gepflogenheit,  den  Leichnam  mit  reichem  Inventar  zu  bestatten,  auch  noch 
in  der  älteren  Bronzezeit,  und  dies  vornehmlich  in  Gräbern,  die  wir  dem*  Aunetitzer 
Typus  zurechnen  und  deren  Verbreitungsbezirk  sich  mit  jenem  der  neoiithiscben 
Bevölkerung  in  Böhmen  deckt'). 

Welcher,  und  ob  ein  Zusammenhang  zwischen  den  bronzezeitlichen  Cmen- 
gräbem  mit  Loichenbrand  und  jenen  Aunetitzem  Gräbern  besteht  und  welcher  Zeit- 
intervall die  ersteren  mit  der  letzten  Zeitphase  der  Steinzeit  bei  uns  verbindet, 
darüber  können  wir  heute  noch  kein  sicheres  Urtheil  fällen. 

Auf  unserer  Lösskuppe,  welche  ursprünglich  eine  ausgedehnte,  neolithische  An- 
siedelung war  (Situationsplan  S.  50,  Bevölkerungscurve  II),  folgt  dieser  Ansiedelung 
jene  Zeitphase  der  älteren  Bronzezeit,  welche  dem  Lausitzer  Typus  angehört; 
sie  entspricht  theilweise  der  älteren  Bevölkerung  (Gor? e  III),  der  wir  die  Umongräber 
(OoTf e  lY)  zuschreiben  müssen. 

Wenige  Meter  nördlich  von  dem  vorbesprochenen  neoiithiscben  Brandgrabe  wurden 
zwischen  unmittelbar  unter  der  Ackerkrume  liegenden  Pbonolith-  und  Glimmer- 
schieferplatten, neben  einander  aufgelegt,  6  kleine  Bronzeringe  mit  dunkler,  glänzender 
Patina  gefunden,  wovon  zwei  eine  einseitige,  starke  Auswetzung  zeigen.  Daneben 
lag  ein  spiralig  zusammengewundener  Draht  und  ein  Nadelfragment  Zwischen  den 
Steinplatten  und  um  sie  herum  waren  weder  Spuren  von  Asche,  noch  Brandreste  zu 
finden.  Auch  die  glänzende  Patina  verweist  dahin,  dass  diese  Artefacte  vielleicht  zum 
nächstliegenden  Umengrabe  gehörten,  jedoch  nicht  mit  dem  Feuer  in  Berührung 
kamen.  Auffällig  ist  die  reihenfbrmige  Anordnung,  in  welcher  die  Ringe  gefunden 
wurden. 

Daneben,  in  nördlicher  ^ichtuftg,  wurde  ein  seichtes  Umengrab  ausgegraben, 
welches  mit  einer  Platte  gedeckt  war.  Auch  das  nächstfolgende,  nördlich  von 
diesem  gelegene  Umengrab   mit  Leichenbrand  war  mit  Platten  gedeckt    Da  dies 

1)  Mittheilongen  der  Anthropologischen  Gesellschaft  Wien,  Bd.  XXT,  8. 42. 

2)  Weinsierl,  R.  v.,  Die  Bronxeseit  in  Böhmen.  Mit  einer  colorirten  Bevölkerongs- 
karte.  Prag  1897.  Wenn  wir  diese  colorirte  Bevdlkerungskarte  der  Bronxezeit  mit  jener 
der  jüngeren  Steinseit  decken  (beigelegt  dem  Vortrage  No.  206  des  Deutschen  Vereins  für 
gemeinnütsige  Kenntnisse:  Die  neolithische  Cnlturepoche  in  Böhmen),  —  beide 
sind  gleich  gross  gezeichnet  —  so  finden  wir,  dass  die  Skeletgrftber  mit  AonStitier  Tjpcn 
sich  auf  jene  Fliehe  des  nördlichen  Böhmens  vertheilen,  welche  uns  in  der  Unrchsicht 
violet  erscheint,  da  die  bevölkerten  Flachen  der  Steinseit  carminroth,  jene  der  Bronteseit 
blau  colorirt  sind. 

Dieser  locale  Qr&bertjpus  Böhmens,  benannt  nach  den  Skeletgribem  der  älteren 
Hroaieseit  von  AunStits  bei  Prag,  charakterisirt  sich  haoptsiehlieh  durch  die  kmse, 
gerade  Gewandnadel  mit  verkehrt  kegeUörmigen  Kopfe  und  dsnMif  sitzendem  Odir,  welch^ 
letzteres  offenbar  zum  Anbinden  diente.  Diese  Nadeln  werden,  ausser  reichem,  charakte- 
ristischem Bronzeschmuckc  und  Bronzewaffen,  sowie  BemsteinkoraUen  und  Goldschmnck, 
einzeln  und  auch  paarweise  in  der  Achselhöhe  an  der  linken,  auch  rechten  Bmstieite 
gefunden.  Ich  habe  mehrere  Gräber  bei  Lobositi  untersucht  (Pamitkj  areh.  Xlir; 
in  einem  Ifannesgrabe  traf  ich,  nebst  Leisten- Celt,  Dolch  und  einem  fraglichen  Bronieobject, 
zwei  solcher  Kleidemadeln,  die  auf  der  rechten  Brustseite  neben  einander,  jedoch  in  ver- 
schiedenen Richtungen,  lagen. 


(45) 

Grabitner  im  Wiater  bei  starkem  Frost«  rorgenomineD  wurde,  so  gingen  alle  Urnen 
beider  Gräber  verloren.  Aus  dem  rohen  ScherbenmateriBle  war  zu  ersehen,  daes 
in  jedem  Grabe  mebrere  Urnen  standen,  und  zwar  von  gewdhnlicher  Form, 
ohne  dasa  eine  durch  Grösse  hervorragend  gewesen  wäre.  In  der  Leichcnoache 
wurden  keinerlei  Bronzefragtnente  gefunden.  Die  Umesacherben  sind  vollkommen 
gleichartig  mit  den  frQher  beschriebenen  bronzezeitlichen  Uraengräbern  mit 
Leichen  brand.  — 

Bei  Abgrabung  der  Löeswand  gegen  die  Staatsbahntrace  wurde  nur  ein  mit 
einer  kleinen  Platte  gedecktes,  bronzezeitliches  Urnengrab  mit  Leichenbrand  ge- 
funden, dessen  Urnen  vollkommen  zertrümmert  wurden. 

Die  Böschung  des  Pfarrfeldes  wurde  gegen  die  Bahntrace  in  der  unteren 
Hälfte  senkrecht  abgegraben,  um  eine  Uauer  aufzuführen.  Bei  dieser  Gelegenheit 
wurde  inmitten  der  Bt>scbung,  20  m  östlich  vom  Feldraine,  ein  massiver  Armring 
aus  Bronze,  nebst  einigen  Fragmenten  von  Armknochen  und  zwei  Umenscherben 
gefunden. 

Das  Armband,  welches  gegen  -die  oifeustehenden  Enden  zu  sich  abschwächt, 
ist  mit  einigen  parallelen  und  dazwischen  eingelegten  Zickzacklinien  geziert  und 
gehört  zu  jenen  Formen,  die  wir  aus  den  Aunetitzer  Gräbern  kennen,  wo  sie  zumeist 
am  Unterarme  gefunden  werden. 

Die  beiden  Umenscherben  entsprechen  grösseren  GefSssen  der  Bronzezeit, 
sind  sehr  massiv,  ohne  Ornament,  dagegen  aussen  schwach  graphitirt  und  innen 
mit  rothem  Anstrich  versehen. 

Die  Lagerung  dieses  Fundes  entspricht  nicht  der  ursprtinglichen;  es  scheint 
vielmehr  zur  Zeit  des  Bahnbaues  ein  Theil  des  in  der  oberen  Schicht  des  Ein- 
schnittes gewesenen  bronzezeitlichen  Skeletgrabes  in  die  Böschung  gerathen  zu 
sein,  ohne  dasa  nunmehr  noch  constatirt  werden  könnte,  wo  sich  das  Grab  befand 
und  was  noch  in  demselben  gefunden  wurde. 

Wir  haben  es  hier  möglicher  Weise  mit  einem  vereinzelten  Grabe  des 
Aunetitzer  Typus  zu  thun,  wenn  nicht  etwa  im  Pfarrfelde  und  dem  darans tossenden, 
noch  nicht  umgegrabenen  Theile  von  B  (Situationsplan  S.  50)  sich  eine  Gräber- 
slätte  dieser  Periode  befindet. 

Gleichzeitig   wurde   im  Winter  1895  _     ^ 

der    Lössblock    mit     der    Bchlenbrücke,  ^' 

welcher  vor  der  Südseite  des  alten  Ofens 
noch  stand,  abgegraben,  und  gerade  dieser 
kleine  Complex  lieferte  recht  interessante 
Funde.  Fig.  1  versinnlicht  uns  die  Situa- 
tion. Der  scbrafftrte  Theil  entspricht  den 
früheren  Abgrabungen,  während  von  West 
nach  Ost  zu,  mit  einer  BohlenbrUcke  ver- 
bunden, je  ein  Lössblock  stehen  blieb. 
Die  Curve  A  deutet  eine  neolithische 
Wohnstätte  an,  während  darUberliegend 
eine  Piäcbe  B  von  15  m  Durchmesser  an- 
grenzt, die  einer  bronzezeitlichen  Gultur- 
scbichte  entspricht,  innerhalb  welcher  die 
Umengräber  b,  c,  d  und  e  gefunden  wur- 
den.   Ausserhalb  dieser  bronzezeitlichen  >ijB„ 

Schicht  wurde  in  a,  etwa  2m  von  ti  ent-  o.    .-       i        ,.    >tA^ 

,,        ,,        ......  „.  Situationaplwi.    (1:160.) 

lernt  und    »<  tief,  ein  klemes,  flach  aus- 


(46) 

^hSmroerteB  Armband  naa  Bronz«  mit  Qbergreifenden  Enden  in  aschenhaltiger  Erde 
zwischen  iwei  Steinplatten  gefunden,  ümenreite  waren  nicht  dabei,  llöglieber- 
weise  haben  wir  es  hier  mit  einem  Kindergrabe  ta  thnn,  worauf  niofat  allein  der 
kleine  Armreifen,  sondern  auch  die  geringe  Quantität  von  Asche  hinweist 

Es  wurde  nun  in  östlicher  Richtung,  rertical  abgegraben.    Im  ProBl  (Fig.  i), 
welches  dem  Schnitte /«r  (Fig.  I)  entspricht,  präsentirt  sieb  nns  ein  anschauliches 

Fig.  2. 


Neolithische  WohnetAtta  (A),  darüber  bronieieitliche  Cnlttinchicbte  (B)  mit  Urnengrab 
(Sitaationaplan  6). 

Bild.  Die  neolithische  WohostiUte  A  ist  im  Ziegellhon  bis  za  einer  GesBrnrnttiefe 
Ton  3,30  tri  eingesenkt;  darüber  breitet  sich  die  bronzezeü liebe  Cnltarschichte  B 
bis  za  einer  Tiefe  von  0,6  m  aus,  in  welcher  wir  ein  Urnengrab  mit  Leichen- 
brand (Situationsplan  f>)  eingebettet  Bnden.  Die  neolitiiische  Wohnstatte  .1 '),  deren 
Vcrticalschnitt  enr  Linken  uns  einen  0,8  m  tiefen,  kessel förmigen  Herd  e  zeigt, 
dessen  Grandrisa  ein  Kreis  von  1,3  n>  Darchmesser  ist,  hat  eine  elliptische  Form, 
mit  vollkommen  horizontalem,  festgetretenem,  1,5  m  tief  im  Zi^elthon  eingegrabenem 
Niveaa  a  h.  Die  Äossenwände  dieser  Winter- Wob nstätte  verlaufen  nach  innen  and 
oben  schräg,  und  verlieren  sich  in  der  dartiber  lagernden  jüngeren  Schiebte. 

Auf  dem  Boden  der  Woboslättc  ab,  deren  Länge  im  Profil  3,:!  m  betrfigt, 
wurden  viele  gebrannte  Lehmklnmpen  und  Ealrichstficke  k  mit  HOrden-Abd rücken, 
sowie  ancb  zerstreute  Gefäss-Sc herben,  Thierknochen-Fragmente ,  Spinnwirtel  nnd 
Webstuhl-Gewichte  m  gefanden.     Bei  l  lag  ein  ganzes,  rothes  Thongeräth  (Fig.  3) 

Fift  B.    V, 


WalionfCnnigos,  durchlochles  ThongcAth. 

1)  Solehe  tief  eing.senkte  Winter-WohnstStten  habe  ich  sowohl  bei  Lobositt,  wie  auch 
in  Gross- Utemosek  vielfscL  nntcrsucht  und  deren  intereuantette  Profile  bildlich  dar- 
gestellt. ZeitBchr.  f.  Ethnol.  18»4,  8. 104,  Fig.  1,  3:  ebend.  18%,  S.  6B,  iig.  7,  nnd  HittliaL 
d.  Anthropol.  Ges.  Wica  1695,  Bd.  XXV,  ».  190,  Fig.  271  (diese  letzte  bronteteitlich). 


(47) 

(nefost  einem  Fragment  eines  zweiten),  welches,  oben  abgeflacht  and  etwas  eingebogen, 
der  Länge  nach  mit  einem  dnrchgestossenen  Loche  versehen  ist. 

Der  seitwärts  angebrachte-Rüchenherd  c  ist  Tom  Niveau  der  Wohnstätte  ans 
sanft  abgeböscht,  0,80  m  tief  and  war  mit  Asche,  Steinen  and  Abfällen  angefüllt. 
In  diesen  Aschenschiohten,  die  viele  HolzkohlenstUcke  enthielten,  lag  0,4  m  tief, 
ein  vollkommen  erhaltener  weiblicher  Schädel  d  ohne  Unterkiefer.  Seitwärts  von 
demselben  lagen  ein  spitzer  Rnochenpfriemen  und  nahe  der  Sohle  der  Herdgrube 
die  beiden  Radien  r,  an  beiden  Seiten  abgesplittert 

Der  Schädel  mochte  einem  etwa  20 — 25  Jahre  alten  Weibe  angehört  haben. 
Er  hat  eine  hohe,  sanft  gewölbte  Stirn,  ein  schmales  Gesicht,  und  ist  wohlgeformt. 
Die  Zahnkronen  sind  nicht  abgeschliffen,  das  letzte  Zahnpaar  steckt  im  Riefer, 
ein  Backzahn  ist  cariös.  Die  Länge  dos  Schädels  beträgt  182,  die  Breite  132  mm,  woraus 
ein  L.-Br.-Index  von  72,5  resultirt.  Die  ausserordentlich  gute  Erhaltung  und  gleich- 
artig lichte  Färbung  des  Schädels  und  der  Armknochen  lassen  der  Vermuthung  Raum, 
dass  dieselben  in  die  bereits  ausgekühlten  Aschenlagen  gelangten,  da  sonst  wohl 
eine  Bräunung  der  Rnocben  zu  sehen  wäre.  Das  Fehlen  des  Unterkiefers  und 
die  Verstümmelung  der  Armknochen,  sowie  die  eigenthümliche  Lagerung  der 
menschlichen  Reste  überhaupt,  deuten  auf  Anthropophagie*),  eine  Annahme,  die 
vielleicht  in  anderen  Beispielen  von  Verstümmelung  ihre  Bestätigung  findet. 

Ich  bemerke  gleichzeitig,  dass  im  Verlaufe  der  Grabung,  trotz  aller  angewandten 
Sorgfalt,  kein  menschlicher  Rnocben  mehr  entdeckt  wurde. 

Der  früher  schon  erwähnte  Lihalt  dieses  Herdes:  Scherben,  Thierknochen- 
Fragmente,  Herdsteine  und  endlich  Aschenschichten  mit  Holzkohlen,  deutet  darauf 
hin,  dass  dieser  Rüchenherd  zur  Zeit  der  Einlagerung  der  menschlichen  R^te 
nurmehr  als  Abfallsgrube  benutzt  wurde.  Ueber  dem  Schädel  setzten  sich  hori- 
zontal über  einander  gelagerte  Aschenschichten  fort  (im  Profil  auspnnktirt,  Fig.  2),  und 
schliesslich  überdeckte  eine  mächtige  Aschenschicht,  parallel  mit  dem  Niveau  der 
Wohnstätte,  die  ganze  Fläche.  Ueber  dieser  Schichte  wurde  aschenhaltige  Erde 
mit  eingelagerten  neolithischen  Scherben,  Rnocben -Fragmenten  vom  Rind  und 
Schwein  u.  s.  w.  gefunden. 

0,7 — 0,9  m  über  dem  Boden-Niveau  der  Wohnstätte  beginnt  die  bedeutend 
dunklere,  fast  schwarze  Culturschichte  der  bronzezeitlichen  Nachbesiedelung,  welche 
in  gleicher  Mächtigkeit  (0,6  m  tief)  die  neolithische  Wohnstätte  nach  allen  Seiten 
hin  in  horizontaler  Richtung  überragt,  so  dass  uns  das  Profil  (Fig.  2)  ein  recht 
deutliches  Bild  bietet,  wie  die  ältere,  neolithische  und  tiefer  gelegene  Culturschicht 
von  der  jüngeren,  bronzezeitlichen  (hier  auch  durch  die  dunklere  Farbe  abgegrenzt) 
überdeckt  ist  — 

Auf  dem  Situationsplan  (Fig.  1)  sehen  wir,  wie  die  Wohnstätte  A  zum  grössten 


1)  Bei  der  voij&brigen  Grabang  in  Gross- Czemosek  fand  ich  anter  ^  neolithischen 
Gräbern  einen  liegenden  Hocker  (Mittheil.  d.  Anthropol.  Ges.,  Wien  1897,  Bd.  XXYII), 
in  ganz  gleicher  Bestattung,  wie  die  anderen  Hocker;  es  fehlte  ihm  jedoch  der  Sch&del, 
an  dessen  Stelle  der  lose  Unterkiefer  lag;  die  beiden  Unterarme  and  Hände  fehlten 
ebenfalls,  während  die  Oberarme  parallel  neben  einander  lagen  and  nach  aofw&rts  ge- 
richtet waren.  An  der  Stein -Umkränzung  des  Grabes  war  keinerlei  Störung  zu  be- 
merken. Auffallend  sind  hier  das  Vorhandensein  des  Unterkiefers  und  die  nach  aufwärts 
gestreckten  Oberarme.  Die  ganze  Sachlage  macht  den  Eindruck,  dass  eine  gewaltsame 
Verstümmelang  stattgefunden  hat,  nachdem  bereits  der  Körper  in  die  ritaelle  Lage  der 
Bestattung  gebracht  worden  war.  Ein  Beispiel  der  angenommenen  Anthropophagie  sehen 
wir  in  dem  Funde  von  benagten  und  zerschlagenen  Menschenknochen  aus  den  Abfalls- 
graben von  Knoviz  (Pamätkj  Archäol.,  Bd.  XVI,  S.  285»  Tafel  XV). 


(48) 

Theile  durch  die  mächtige,  bronzezeitlicbe  Cultarachicht  B  tiberdeckt  wird,  die  ttber 
die  BrQcke  hinUberragt  and  theilneiae  auch  schon  in  fülberen  Jahren  abgegrEben 
wurde.  Diese  Culturschicht  B'),  von  nahezu  15  tn  Dorohmesaer,  besteht  durchweg 
aas  fester,  schwarzer  Erde,  in  welcher  nur  hier  und  da  Sparen  tob  Asche  za 
Qnden  sind;  nuch  wurden  kleine  zerstreate  Gefäss-Scberben,  sehr  seiton  aber  ein 
Thierknochen-Pntgment  gefunden. 

In  einer  Tiefe  von  0,40 — 0,50  m  wurden  stellenweise  Basaltsteine  in  horizon- 
tiiler  Lagening,  jedoch  in  an  regelmässigen  Abständen  von  einander,  gehinden. 

Auf  der  ganzen  B'läche  dieser  Schicht  B,  die  an  den  äusseren  Contonren  im 
L&ss  scharf  begrenzt  ist,  sind  zerstreut  mehrere  Urnengräber  gefanden,  nntcrsacbt 
und  gezeichnet  worden,  die  in  Bezug  auf  die  Keramik  and  ancb  aof  die  Metall- 
Beigaben  die  zeitliche  Stellung  dieser  Culturschicht  genau  Bsiren. 

Die  in  früheren  Jahren  südlich  von  dem  Lössblocke  vorgenommene  Abgraboiu; 
wurde  nur  stückweise  aufgenommen  and  dabei  ein  einziges  ümengrab  e  constatin, 
von  dessen  Inhalt  schon  frUher')  die  Bede  war. 

Die  Winter^Orebung  dagegen  ergab  die  Gräber  b,  e,  und  jenseits  der  Brtlcke  ('. 

Im  vorliegenden  Profil  (Fig.  2)  sehen  vir  in  der  bronzezeitlichen  Schicht  B 
das  Ümengrab  (b)  mit  Leichenbmnd. 


Fig.  i. 


1 


L'meD^rab  mit  l.eichcnbrand.    (Siiiiationsplsn  c] 

I)  Solche  m&cbtigc,  weit  sutigedclmt«  Caltorsehichten  kommen  in  den  8i«dcluig«D 
oft  vor;  auf  der  im  früheren  Situationsplsn  (Jahrg.  Iij9&,  8.  60J  mit  B  beteichueten  Feld- 
parcelte  befindet  sich  euxe  ebenso  mächtige,  aber  noch  weiter  ausgedehnt«,  schwane  Cultur- 
schicht, in  welcher  aber,  such  nur  spärlich,  neulithische  Artefakte  gefunden  werden.  Die  Durch- 
setinng  der  Schicht  mit  Asche,  wemigicich  nnr  spärlich,  nnd  das  lorstreute  Torhandenaeia 
TOD  Artefakten  cbarakterisiren  diese  Bodenschichten,  weicht:  UDgestArt  unter  der  Ackerkrume 
gelagert  sind,  ab  Cultanchichten.  Hier,  wie  dort,  ist  das  auf  dem  Plateau  gelegene  TeiraiD 
eben.  Die  Entätchunf(  and  der  Zwuck  dieser  grossen  Schichten  erscheint  etwas  unklar. 
Tiellcicbt  sind  cm  die  schlammigen  Ueberreste  von  einstigen  Tümpeln,  die  in  reganrelchen 
Jahren  genngcuden  Waaserreichlhnm  für  die  Ansiedelung  boten,  bis  dann  endlich  auch, 
nach  deren  Austrockoung,  im  festgewurilenen  Schlamme  begraben  wurde. 

i;  Zcitschr.  l  Ethnol.  1S9Ö,  S.  13,  Grab  1,  Fig.  23,  Nr.  I. 


ZtiUchr.  f.  Ethnologie     Ba»A  XXIX. 


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ZtiUdirifl  für  Ethnologie.    Band  XXIX. 


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(49) 

Ueber  einer  Phonolith-Platte  stand  schräg  eine  flache,  massive,  schtSsselförmige 
Hanpttime  (Laositzer  Typus),  Yollständig  zertrümmert,  deren  oberer  Theil  offenbar 
fehlt  und  an  der  der  Rand  der  grössten  Weitnng  roh  abgeschliffen  ist  Der  untere 
Theil,  der  nun  die  Hauptume  bildet,  war  mit  verticalen,  parallelen  Fingerstrichen 
bis  zum  Boden  versehen. 

Seitwärts  von  derselben  lag,  umgestürzt  auf  der  Platte,  ein  Fragment  einer  ge- 
henkelten Schale  und  darüber  eine  kleine,  umgekehrte,  im  Bauchumfang  scharf 
gekantete  Urne,  ohne  Henkel.  Ueber  der  Kante  befindet  sich  ein  umlaufendes 
Band  aus  parallelen  Linien.  Rechts  und  links  vom  Grabe  lag  ein  grösserer  Basalt- 
stein, und  zwischen  diesen,  sowie  in  den  Urnen  und  um  sie  herum  Asche  mit 
Rnochenpartikeln  des  Leichenbrandes.  Das  Material  dieser  Urnen  besteht  aus 
grauem,  sandhaltigem  Thon,  ohne  Graphit-Ueberzug.  Die  Tiefe  des  Urnen-Grabes 
betrug  0,6,  der  Durchmesser  0,8  m,  — 

2  m  südöstlich  von  diesem  Grabe  wurde  das  Grab  c  gefunden  (Fig.  4). 

Auf  einer  grossen  Phonolith-Platte  stand,  etwas  nach  links  geneigt,  die  Haupt- 
urne 1,  vollständig  zerdrückt  und  mit  Leichenbrand  gefüllt.  Diese  massive,  aus 
grauem  Thon  bestehende  Urne  ist  nicht  omamentirt,  hat  einen  stark  ausgebauchten 
Körper,  einen  kurzen,  gerade  aufsitzenden  Hals  und  einen  weit  und  flach  aus- 
ladenden Rand  (Fig.  5,  a  und  6)*),  welcher  symmetrisch  in  vier  Punkten  aus- 
gezogen erscheint  Die  Höhe  dieser  Urne  be- 
trägt etwa  30,  der  Durchmesser  25  cm.  Rechts  Fig.  5. 
seitwärts  lag,  nach  aussen  geneigt,  ein  kleiner, 
flacher,  ungehenkelter  Becher  aus  grauem  Thon, 
dessen  Boden  sowohl,  als  auch  dessen  Wandung 
bis  zur  Hälfte  in  regelmässigen  Reihen  durch- 
locht ist 

Links  seitwärts,  diesem  gegenüber,  stand, 
nach  links  geneigt,  eine  kleine  graue  Urne,  wie 
die  im  vorigen  Grabe  gefundene  und  hier  oben  ^ 

beschriebene,  jedoch  ohne  Band-Ornament  Hauptume  des  Grabes  c. 

Neben  der  Hauptume   lagen,    in  der   die-        ^  Aufsicht,  6  Profilschnitt  (Vxo). 
selbe  umgebenden  Asche,  nebst  einigen  rohen  und 

auch  feineren,  graphitirtcn,  omamentirten  und  innen  roth  ausgestrichenen  Scherben 
von  einer  grösseren  und  zwei  kleinen  gehenkelten  Urnen,  zwei  kleine,  jedoch  ver- 
schiedene Fragmente  von  Armreifen  aus  Bronze,  mit  rauher,   grau-grüner  Patina. 

Daneben  lag  noch,  im  Bereiche  dieses  Grabes,  ein  kleines  Steinhammer- 
Fragment  mit  einem  Theil  des  schön  ausgebohrten  Schaffcloches,  welches  der  ausser- 
ordentlich schönen  Glättung  wegen  als  bronzezeitliches  Artefakt  angesehen  werden 
kann.  — 

Jenseit  der  Brücke  wurde  das  Umengrab  d  (Fig.  6)  gefunden.  Das  nahe  der 
auslaufenden  bronzezeitlichen  Culturschicht  0,8  m  tief  eingesenkte  Umengrab  unt^- 
scheidet  sich  dadurch  wesentlich  von  den  anderen,  dass  die  Hauptume  von  keinen 
Beigefässen,  sondern  von  Basalt-Steinen  dicht  umgeben  war. 

Die  grosse,  flache,  stark  ausgebauchte  Urne  hat  dieselbe  Form,  wie  die 
Jahrg.  1895,  S.  76,  Fig.  26  abgebildete  Ume,  besteht  aus  demselben  Material  und 
ist   ebenso  gross.     Dieselbe   war  ausgefüllt   mit  Leichenbrand,   mehreren   rohen 

1)  Diese  Umenform,  meist  aber  ohne  ausgeweiteten  Rand,  ist  eine  häufige  Erscheinung 
in  den  Brandgräbem  der  Bronzezeit  Im  Jahrg.  1895  finden  wir  dieselbe  Form  in  Fig.  26 
8.  76  abgebildet    Siehe  auch  Anmerkung  1,  S.  77. 

V«rk»ndl.  der  B«rl.  AnthropoL  OttelUebaft  1997.  4 


C50) 

Scherben  tod  zwei  kleinerea  BeigefUssen,  einer  Bronze-Nadel,  die  am  Boden  lag, 
ood  einem  tfeachmolzenen  Bronze -Artefakt.  Von  den  Seiten  und  unten  war  die 
zerdrückte  Urne  mit  Basalt-Steinen  nmetellt  und  mit  einer  grossen  schweren 
PboQolith-Platte  gedeckt. 

Fig.  6. 


ümengrab  mit  Deckplatt«.    (Sttuationsplan  </.) 

Die  Bronze-Nadel')  (Fig.  7),  31  em  lang,  ist  an  der  Spitze  umgebogen  und  mit 
einem  kugligen  Kopfe  versehen.    Du  obere  Drittel  ist  omamentirt  durch  Reihen 


Bronie-Nadel  (21  em  lang)  mit  omgebogencr  Spitze. 

paralleler,  einander  schräg  gegenüber  gestellter  Striche,  die  beiderseits  durch  um- 
laufende nnd  eingeritzte  parallele  Striche  begrenzt  sind. 

Das  geschmolzene  Bronze- Fragment  laast  nnr  annehmen,  dass  das  fragliche 
Object  ans  starkem  Blech  bestand. 

Beide  Artefakte  tragen  eine  dunkelgrüne,  rauhe  Patina.  — 
Ausser   dieser   ncolithiscbcn  Wohnstütte  und   den  4  bronzezeillichen  Umen- 
gräbem  worden  in  den  bezüglichen  Cultorschichteu  noch  einige  Streufunde  gemacht, 
woTon,   ausser   einer  kleinen  am pel förmigen,   bronzezeitlichen  Dme,   ein  kleiner 

1)  Diese  langen,  mit  einfachem  rundem  Kopfe  versuhen^n  Nadeln  kommen  bSnSg  Tor: 
meist  ist  nur  das  obere  Drittel  mit  paraUnlen,  eingeriliten  Linien  verziert.  Die  TorUegend« 
Nadel  ist,  bevor  noch  der  Leichenbrand  in  die  Cme  geschüttet  wurde,  in  diese  hinein- 
gezwängt  worden,  wobei  sieh  das  dnnne,  spitze  EDde  umgebogen  baL 


(51) 

Flachmeissel  und  mehrere  Wirtel,  eine  Feuerstein-Säge  und  ein  Hammer-Fragment 
ans  Kreide-Sandstein  ans  der  neolithischen  Schicht  zu  erwähnen  sipd. 

Die  Feuerstein-Säge  oder  der  halbmondförmige  Schaber^)  ist  zur  Hälfte  vor- 
handen; der  Rücken  desselben  ist  gerade  abgeschliffen,  die  Flächen  sind  stark 
incrustirt,  die  bogenförmige  Schneide  jedoch  schwach  gezähnt  und  frisch  zu- 
geschlagen. 

Das  Hammer-Fragment  ist  am  zweiseitig  konisch  gebohrten  Schaftloche  ab- 
gebrochen und  zugeschliffen.    Die  Schneide  ist  beilförmig. 

Die  niedliche  Form,  wie  auch  das  wenig  harte  Material,  lassen  annehmen, 
dass  wir  es  entweder  mit  einem  Kinder-Spielzeuge  oder  mit  den  Anfängen  der 
Stein-Bearbeitung  zu  thun  haben. 

Mit  dieser  yerhältnissmässig  geringen  Erdbewegung  kamen  einige  sehr  interessante 
Objecte  zu  Tage.  Die  neolithische  Culturepoche  präsentirt  sich  durch  jene  Wohn- 
stätte mit  Küchenherd,  in  welchem  menschliche  Skelettheile  gefunden  wurden,  —  der 
zweite  Fall  Ton  scheinbarer  Anthropophagie  um  Lobositz  — ;  andererseits  sehen 
wir  neuerdings  in  jenem  Brandgrabe  mit  Becher  und  Steinhammer,  dass  die  Feuer- 
Bestattung  bereits  in  der  jüngeren  Steinzeit  Eingang  gefunden  hat.  Die 
ältere  Bronzezeit  ist  gut  vertreten  (als  Nachbesiedelung,  Fig.  2)  durch  7  ümen- 
gräber  mit  Leichenbrand  (Lausitzer  Typus),  welche  theilweise  auch  ärmliche  Bronze- 
Artefakte  enthalten  und  uns  einige  Varianten  in  der  Anordnung  der  Hauptume  mit 
den  Beigefössen  veranschaulichen. 

Mit  dieser  Grabung  ist  nun,  ausser  einem  ganz  geringen  Theile,  die  Feld- 
parzelle A  (Situationsplan  S.  50,  Jahrg.  1895)  erschöpft.  Die  nächste  Grabung, 
welche  auf  Parzelle  B  stattfinden  soll,  liegt  im  Bereiche  der  älteren  Zeitphase  der 
neolithischen  Ansiedelung  und  dürfte  wieder  ein  interessantes  Studienmaterial 
bieten.  — 

(18)  Hr.  Dr.  C.  Mehlis  zu  Neustadt  a.  d.  H.  überschickt  unter  dem  1.  Januar 
«ine  neue  Abhandlung  über  den 

Drachenfels  bei  Dürkheim  a.  d.  H. 

Der  Drachenfels  hat  seit  einem  Jahrtausend  hauptsächlich  dadurch  die  Auf- 
merksamkeit auf  sich  gezogen,  dass  sich  an  ihn  die  Sage  von  der  Drachen- 
tödtung  durch  Siegfried  knüpfte.  Der  Verfasser  hat  jetzt  durch  eine  ausführliche  topo- 
graphische und  archäologische  Beschreibung  den  Nachweis  geliefert,  dass  auf  dem 
Drachenfels  ein  römisches  Castell  gelegen  hat,  für  dessen  Anlage  ein  schon  vor- 
römischer Trockenwall  benutzt  worden  ist.  Die  Erbauung  des  Castells  wird  auf 
die  Wende  des  3.  Jahrhunderts  n.  Chr.  gesetzt;  da  aber  schon  401  die  römischen 
Legionen  das  Rheinthal  verliessen  und  dasselbe  406  Ton  den  Barbaren  besetzt 
wurde,  so  ist  die  Zeit  der  römischen  Occupation  eine  recht  kurze  gewesen.  Das 
Oastell  hatte  wahrscheinlich  nur  eine  kleine  Besatzung,  stand  aber  durch  ver* 
schiedene  Strassenzüge  mit  dem  Rhein,  den  Nachbarcastellen  und  den  westlichen 
Reichsfestungen  in  Verbindung.  Diese  Verhältnisse  werden  ausführlich  geschildert 
Bemerkenswerthe  Altfunde  sind  nicht  gemacht  worden.  — 


1)  Die  Form  des  vorliegenden  Artefaktes  entspricht  den  halbmondförmigen  Schabern 
oder  Sägen,  wie  wir  sie  aus  den  Ostsee- Gebieten  kennen  und  in  den  Werken  vonMadsen, 
Monte li US,  Nilson,  Müller  u.  A.  abgebildet  finden.  In  Böhmen  sind  derartige  Flint- 
•objecte  selten. 


(52) 

(19)  Hr.  M.  Bartels  macht  folgende  Mittheilong  ttber 

die  Hungersnoth  in  Nord-Transvaal. 

Sie  haben  aus  den  Zeitungen  bereits  von  den  grossen  Verheerungen  gelesen, 
welche  die  Binderpest  in  Süd  -  Africa  angerichtet  hat.  Auch  in  dem  nördlichen 
Transvaal  hat  sie,  nach  einer  mir  von  Hm.  Missionar  C.  Beuster  in  Ha  Tsche- 
wasse  (10.  December  1896)  zugegangenen  Mittheilung,  ganz  ungeheure  Opfer  ge- 
fordert, so  dass  die  Farbigen  fast  all  ihr  Vieh  verloren  haben.  Dazu  gesellt  sich 
nun  aber  noch  ein  neues  Unglück:  das  sind  die  verheerenden  Schwärme  der 
Wander-Hcuschrecken,  welche  alles  geniessbare  Pflanzliche  fressen,  sogar  die 
Zweige  und  die  Rinde  der  Bäume.  So  ist  nun  dort  eine  grosse  Hungersnoth 
ausgebrochen,  und  die  Farbigen  müssen  ihre  Zuflucht  zu  der  Wurzel  eines  Baumes 
nehmen,  welchen  sie  MovQmgoe  nennen.  Das  Ausgraben  soll  mühsam  sein; 
darum  ist  auch  der  Preis  ein  hoher:  ein  Sack  voll  ist  nicht  unter  20  ML  zu 
haben.  Die  Wurzel,  von  der  ich  hier  Proben  vorlege  (ebenso  wie  auch  von  den 
Eiern  der  Wanderheuschrecken),  kann  nicht  roh  gegessen  werden,  da  sie  giftige 
Wirkungen  haben  soll.  Sie  wird  zerstampft  und  getrocknet  und  muss  dann  stark 
gekocht  werden.  Darauf  wird  sie  wie  Suppe  getrunken.  Davon  leben  jetzt,  wie 
Hr.  Beuster  schreibt.  Tausende  der  armen  Farbigen.  „Es  ist  ein  herz* 
erschütternder  Anblick^,  heisst  es  dann  weiter,  „die  armen  Leute  mit  der  Macht  der 
Verzweiflung  um  ihre  so  eben  sprossenden  Felder  oder  um  die  schon  halbreife 
Ernte  mit  den  Heuschrecken  kämpfen  zu  sehen.  Vom  Hunger  ermattet,  können 
sie  es  meistens  mit  den  immer  neu  heranziehenden  Schwärmen  nicht  aushalten, 
und  dann  wissen  sie,  was  ihnen  bevorsteht:  wenn  nicht  von  anderswoher  Hülfe 
kommt,  der  Hungertod.  Täglich  sind  wir  von  hungernden  Farbigen  umlagert,  und 
auch  wir  wissen  nicht,  woher  nehmen,  da  wir  auch  selbst  aus  der  Feme  nichta 
beziehen  können,  weil  das  Zugvieh  meist  verendet  ist*^ 

Ein  Eimer  voll  Reis  wird  zur  Zeit  mit  20  Mk.,  ein  Sack  Reis  mit  100  bis^ 
300  Mk.  bezahlt.  — 

(20)  Hr.  M.  Bartels  berichtet  über 

einen  antiken  Motterkranz. 

Der  Liebenswürdigkeit  des  Hm.  Prof.  Josef  Hampel  in  Budapest  verdank» 
ich  die  Mittheilung  über  einen  merkwürdigen  Fund,  welchen  Hr.  Halla  in  Duna 
Szekcsö  im  Comitat  Tolna  kürzlich  gemacht  hat 

„In  einem  römischen  Grabe  daselbst  fand  sich  neben  den  Beckenknochen  des 
weiblichen  Skelets  ein  Bronzering  von  5  cm  Durchmesser.  Hr.  Halla  glaubt 
annehmen  zu  dürfen,  dass  die  Römerin  den  Ring,  der  offenbar  einmal  mit  Fäden 
umwickelt  war,  wegen  eines  Frauenübels  getragen  habe.  Zu  diesem  Schlüsse 
führte  ihn  die  Beobachtung,  dass  in  seiner  Gegend  das  Baueravolk  auch  heute  in 
ähnlichen  Fällen  aus  Holz  hergestellte  Ringe  trägt,  die  mit  weissem  Wachs  über- 
zogen und  ?on  ähnlicher  Dimension  sind,  wie  jener  römische  Ring.^  Hr.  Hampel 
kennt  den  Finder  nicht,  glaubt  aber  aus  dem  Briefe  schliessen  zu  können,  dass 
man  seiner  Beobachtung,  wenigstens  soweit  sie  sich  auf  die  Jetztzeit  bezieht, 
Glauben  beimessen  könne.  Li  Bezug  auf  den  antiken  Fund  möchte  ich  bemerken, 
dass  wir  allerdings  wissen,  dass  die  Römer  auf  dem  Gebiete  der  Frauenkrank- 
heiten anerkennenswerthe  Kenntnisse  besassen.  Auch  hatten  sie,  wie  namentlich 
Funde  aus  Pompeji  beweisen,  allerlei  gynäkologische  Instramente,  zum  Theii 
sogar  von   ziemlich   complicirter  Constraction«     In   ihren  Schriften   sprechen   sie 


(53) 

auch  dayon,  dass  in  gewissen  Fällen  Pessi,  oder  wie  wir  heute  sagen  würden, 
Pessarien  in  die  C^ni^en  eingelegt  werden  sollen.  Dieselben  sind  dann  aber 
gewöhnlich  direct  ans  Medicamenten  beigestellt.  Dass  sich  schon  einmal  ein 
wiri[liches  Pessarinm,  ein  Matterkranz  oder  Matterring  aas  dem  Altertham  gefanden 
halte,  ist  mir  nicht  bekannt  — 

(21)  Hr.  Merenskj  spricht  über 

die  australische  Mission  auf  den  Bismarck -Inseln. 

Anf  den  Bismarck-Inseln  arbeitet  die  Aastralian  Wesleyan  Methodist  Missionary 
Society,  welche  ihren  Sitz  in  Sidney  hat  Ihre  Einnahme  beläaft  sich  aaf  etwa 
300000  Mk.,  Ton  denen  100000  Mk.  von  den  Viti-Inseln  kommen.  Aaf  den 
Bismarck-Inseln  fing  die  Oesellschaft  ihre  Arbeit  im  Jahre  1875  an.  Da  Hess 
sich  der  Missionar  O.  Brown  mit  seiner  Fraa  and  einigen  eingeborenen  Helfern 
Yon  den  Yiti-  and  Tonga-Inseln  aaf  Nea-Laaenbarg  nieder.  Das  waren  die  ersten 
Weissen,  die  den  Versuch  machten,  anter  den  als  Kannibalen  yerrufenen  wilden 
Bewohnern  dieser  Inseln  sich  niederzalassen.  Im  Jahre  1878  wurden  auch  einige 
der  eingeborenen  Missionsgehülfen  erschlagen  und  aufgefressen.  Seither  hat  sich 
die  Mission  auf  Neu-Lauenburg  befestigt  und  sich  aach  auf  die  Oazellenhalbinsel 
von  Neu- Pommern  ausgedehnt.  Ja,  neuerdings  konnten  auch  auf  Neu-Mecklen- 
borg  Stationen  angelegt  werden.  Gegenwärtig  arbeiten  daselbst  4  europäische 
Missionare  mit  3  eingeborenen  Pastoren  und  87  Lehrern,  unter  denen  20  Yiti-  und 
10  Samoa-Leute  sind.    Auch  stehen  132  eingeborene  Unterhelfer  im  Dienst. 

Nachdem  im  Jahre  1878  die  ersten  Taufen  stattfinden  konnten,  hat  sich  die 
Zahl  der  Christen  beständig  vermehrt.  Sie  beläaft  sich  gegenwärtig  aaf  2500 
Seelen,  unter  denen  1200  Erwachsene  sind.  In  50  Schulen  werden  1700  Schüler 
und  Schülerinnen  unterrichtet,  und  die  Zahl  der  Kirchgänger  wird  auf  6600  ge- 
schätzt In  Port  Hanter  auf  Neu-Lauenbarg  ist  ein  Prediger- Seminar  errichtet, 
dessen  26  2iöglinge  sich  ihren  Unterhalt  darch  Pflege  von  Pflanzungen  erwerben, 
die  zu  der  Anstalt  gehören.  Bemerkenswerth  ist,  dass  diese  Mission  ihre  Arbeit 
mit  rerhältnissmässig  sehr  geringem  Kostenaufwande  betreibt  Die  Gesammtkosten 
beliefen  sich  im  Jahre  1894  auf  32  596  Mk.  Vier  verheirathete  europäische 
Missionare  erhielten  für  Unterhalt  und  Reisen  jeder  4000  Mk.  Ftlr  die  eingebomen 
Lehrer  wurden  Insgesammt  in  dem  genannten  Jahre  5  300  Mk.  aufgewendet 
Letztere  erhielten  nehmlich  nur  etwas  BaamwollstoCT  zur  Kleidang,  eine  Quantität 
Perlen  als  Kleingeld  and  etwas  Tabak.  Die  eingebomen  Lehrer  sowohl,  wie  die 
eingebornen  Christen,  werden  nicht  earopäisirt  Man  lässt  sie  verständiger  Weise 
bei  ihren  einfachen  Lebensgewohnheiten.  Grand  und  Boden  für  die  Anlegung  der 
Missionsstationen  geben  die  Häuptlinge  kostenfrei  her,  ja,  sie  errichten  auch  den 
Missionsgehülfen  ihre  Wohnungen  unentgeltlich.  Die  Eingebomen  werden  als  ge- 
lehrig geschildert.  Nach  1  y,  jährigem  Unterricht  sind  sie  meist  im  Stande,  Bücher 
zu  lesen.  Die  Christen  bleiben  bei  ihren  Lebensgewohnheiten,  soweit  diese  nicht 
heidnisch  sind.  Eine  passende  Haartracht  haben  sie  dadurch  angenommen,  dass 
sie  das  zu  Berge  stehende  Haar  etwa  eine  Handbreit  vom  Kopf  ganz  gleichmässig 
abschneiden.  Erstaunlich  ist  die  Willigkeit,  mit  der  die  Leute  Beiträge  leisten 
zum  Unterhalt  ihrer  Kirchen  und  Schulen.  Sie  beliefen  sich  im  Jahre  1893  auf 
6  521  Mk.,  im  Jahre  1894  auf  5  740  Mk.  Im  letztgenannten  Jahre  war  die  Emte  an 
Kokosnüssen  geringer  ausgefallen;  desshalb  erfolgte  ein  kleiner  Rückgang. 

Von  hohem  Werthe  sind  die  literarischen  Arbeiten,  welche  die  Missionare 
geleistet  haben.    Die   Sprachen   dieser  Inseln   waren   vor   20  Jahren   vollständig 


(54) 

unerforscht,  jetzt  sind  sie  Schriftsprachen  geworden.  Von  dem  Dialeot,  der  auf 
der  Gazellenhalbinse) .  gesprochen  wird ,  sind  Wörterbuch  und  Orammatik  ror- 
handen,  an  denen  Missionar  Rickard  4  Jahre  lang  gearbeitet  hat.  6500  Wörter 
der  Eingebomen  enthält  es,  mit  englischer  Deutung,  während  der  englisch- 
melanesische  Theil  5000  Wörter  enthält.  Es  enthält  auch  äusserst  werthyoUe 
mythologische  Notizen,  wogegen  eine  Fabelsammlung,  welche  die  Missionare  Terfasst 
haben,  ^aus  Mangel  an  Mitteln  bisher  nicht  gedruckt  werden  konnte.  Die  Sprache 
der  Bevölkerung  in  Neu-Lauenbui^  ist  von  Missionar  O.  Brown  bearbeitet,  dessen 
Wörterbuch  4500  Wörter  enthält.  Beiden  Wörterbüchern  sind  wissenschaftlich 
durchgearbeitete  Grammatiken  beigefügt  Lesebücher,  Katechismen  und  Gesang- 
bücher sind  in  beiden  Dialecten  vorhanden,  ebenso  Evangelien  und  einige  Stücke 
des  Alten  Testaments. 

Die  Missionsgesellschaft  hatte  einige  90  ausgezeichnete  Photographieen  für 
die  Missionsabtheilung  der  vorjährigen  Colonialausstellung  eingesandt,  welche]  in 
ungewöhnlicher  Reichhaltigkeit  und  Vollkommenheit  das  Leben  der  eingebomen 
und  heidnischen  Bewohner  der  in  Rede  stehenden  Inseln  darstellen.  Ebenso 
waren  die  genannten  Wörterbücher  und  die  neugeschaffene  Literatur  bei  dieser 
Gelegenheit  ausgestellt.  Diese  Sammlung  hat  die  Gesellschaft  jetzt  dem  Aus- 
wärtigen Amte  überwiesen.  Der  Vortragende  konnte  diese  Bilder  und  Bücher  in 
der  Sitzung  des  16.  Januar  der  Anthropologischen  Gresellschaft  vorlegen.  — 

Der  Vorsitzende  dankt  dem  Herrn  Vortragenden  für  die  allgemein  in- 
teressirenden  Mittheilungen  und  versichert,  dass  die  Gesellschaft  die  auf  Erkundung 
des  volksthümlichen  Lebens,  der  Sagen  und  der  Gultur- Fortschritte  gerichteten 
Forschungen  stets  unterstützen  werde.  — 

(22)  Hr.  C.  F.  Lehmann  macht  weitere  Mittheil angen ')  über 

metrologische  Nova. 
Dieselben  werden  später  erscheinen.  — 

(23)  Hr.  H.  Basse  bespricht 

einige  märkische  Graberfelder  und  einen  Bargwall. 

1.   Zwei  Urnen-Felder  bei  Leibsch  im  Unter-Spreewald, 
Kreis  Beeskow-Storkow,  Reg.-Bezirk  Potsdam. 

Bei  Gelegenheit  der  diesjährigen  General -Versammlung  der  Nieder -Lausitzer 
Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Urgeschichte  in  Sommerfeld  fragte  mich  Hr. 
Director  Wein  eck  aus  Lübben,  ob  ich  nicht  ein  neues  Umenfeld  bei  Leibsch 
untersuchen  wolle,  da  er  dazu  keine  Zeit  finden  könne.  Ich  sagte  solches  zu  und 
wandte  mich  dem  zu  Folge  an  den  Entdecker  des  Feldes,  Hm.  Rentier  Galle  in 
Colonie  Neudamm  bei  Leibsch,  von  dem  ich  die  liebenswürdigste  Auskunft  er- 
hielt. —  Im  October  1896  ging  ich  ich  vom  Städtchen  Wendisch -Buchholz  8  km 
südöstlich  zum  Dorfe  Leibsch,  dicht  an  der  Spree  gelegen.  Wenn  man  3  km  vor 
dem  Dorfe  auf  der  Chaussee  aus  dem  Kiefern- Walde  heraustritt,  sieht  man,  soweit 
das  Auge  reicht,  überschwemmte  Wiesen,  grosse  und  kleine  glänzende  Wasser- 
flächen, darin  wieder  Inseln  und  Strecken  bebauten  Feldes,  ganz  ebenso  wie  im 
Ober-Spreewald  bei  Burg,  Lehde  oder  Lübbenau,  namentlich  wenn  es,  wie  im 
September  und  October  1896,  viel  geregnet  hat.  —  Das  Dorf  Leibsch  ist  bekannt 

1)  Vergl.  Verhandl.  1896,  S.  438—468. 


(55) 

durch  seinen  Fisch- Reich thum,  wöchentlich  werden  die  Fische  zweimal  nach 
Berlin  gebracht  —  Am  Südende  des  Dorfes  mündet  das  Ton  Gross -Wasserburg 
kommende  Fliess  in  die  Spree.  Parallel  mit  diesem  Fliess  zieht  sich  bis  gegen 
Grross -Wasserburg  ein  aufgeschütteter  Damm  hinunter.  Wenn  man  nun  diesen 
Damm  1  Arm  yerfolgt  und  dann  1  km  den  südwestlich  abzweigenden  Feldweg  weiter 
fortgeht,  sieht  man  vor  sich  4 — 5  Fuss  hohe  Ackerfelder,  die  „der  Zart^  genannt 
werden.  Dies  Wort  konmit  häufig  in  der  Mark  vor  und  bedeutet  wohl  „Bmch^ 
oder  ^sumpfigen  Wald^.  Diese  Feldmark  gehört  dem  Rossäthen  L aurisch  aus 
Leibsch,  welchen  ich  zur  Untersuchung  mit  hinzugezogen  hatte.  Er  sagte  mir, 
dass  er  im  Frühjahr  das  höher  gelegene  Land  etwas  abgegraben  habe,  um  mit 
der  gewonnenen  Erde  das  heramliegende  niedere  Land  mehr  zu  ebnen;  dabei 
sei  er  auf  yiele  Töpfe  gestossen,  die  gross  und  klein,  nesterweise  bei  einander 
gestanden  hätten.  —  Leider  waren  die  Felder  vor  einigen  Tagen  besäet  worden, 
so  dass  ich  nicht  arbeiten  konnte,  wie  ich  wollte.  Trotzdem  gelang  es  mir,  wenn  auch 
nicht  ganz  erhaltene  Gräber,  doch  mehrere  Gefässe  und  eine  Menge  von  Scherben 
zu  bergen.  Die  Töpfe  standen  2  Fuss  tief  im  grauen  Sande;  nur  einzelne  kleinere 
Steine  waren  ringsherum  zu  finden,  denn  die  ganze  Gegend  ist  hier  arm  an 
Steinen.  —  Der  Zart  liegt  gerade  in  der  Mitte  zwischen  Leibsch  und  Gross- 
Wasserburg;  200  Schritte  ist  sumpfiges  Bruch  bis  gegen  Gross -Wasserburg.  3  km 
westlich  ragen  die  Röthener  Berge  hervor.  —  Ausser  Knochen  waren  in  den  Ge- 
lassen weitere  Beigaben  nicht  zu  finden.  — 

Fig.  1  ist  eine  teninenartige,  henkellose,  stark  gebauchte  Urne,  die  mit  Leichen- 
brand gefüllt  gewesen  (Knochen  und  Asche),  von  brauner  Farbe,  innen  blau- 
schwarz, gut  gebrannt  Oeffnung  21  cm  Üurchmesser,  beim  Halsansatz  20  cm^ 
grösste  Bauchweite  23  cm^  Boden  9,  ganze  Höhe  16  cm,  vom  Halsansatz  bis 
zum  oberen  Rande  8  cm^  Wandstärke  0,7  cm.  —  Aussen  und  innen  ganz  glatt  ge- 
rieben. 

Fig.  2,  ein  recht  ansehnlicher,  mit  2  cm  breitem  und  6  cm  hohem  Henkel  yer- 
sehener,   hübsch  omamentirter,   sehr  bauchiger  Topf.    Höhe  12,5,  Oeffnung  14,5, 

Fig.  1.  Fig.  2. 


am  Hals-Ansatz  14  cm  Durchmesser.  Grösste  Bauchweite  16,  der  Boden  6  cm.  — 
An  der  unteren  Hälfte  des  Halses  ziehen  sich  ringsherum  5  parallele  wagerechte 
Furchen;  hierunter  sind  6  Gruppen,  aus  je  5—8  parallelen  senkrechten  Linien  be- 
stehend, 3  cm  lang  bis  zum  Bauch  führend,  eingeritzt  Farbe  wie  Fig.  1.  —  Weiter 
fanden  sich  3  lehmgraue,  henkellose  Tassen  von  4,5 — 5  cm  Höhe  und  8 — 9  cm 
Oeffnung.  Eigenthümlich  ist  bei  ihnen,  dass  sie  unten  rund  sind,  also  keine  Fläche 
zum  Feststehen  haben.  Man  musste  diese  Gefässe  entweder  in  Sand  oder  Erde 
oder  in  besonders  dazu  vorhandene  Gestelle  (vielleicht  aus  Holz?)  setzen,  um 
sie  im  Haushalt  benutzen  zu  können.  —  Die  Wand-Stärke  bei  den  Tassen  beträgt 
0,5  cm.  Das  Material  sämmtlicher  Gefässe  besteht  aus  bräunlichem  Thon,  ver- 
mischt mit  grobem  Sand,  grösseren  und  kleineren  Stücken  Quarz  und  Glimmer.  — 
Von  diesem  Umenfelde  etwa  600  m  nördlich  liegen  erhöhte  Aecker,  die  theil- 


^ 


(56) 

weise  auch  schon  geebnet  sind;  diese  heissen  „der  Niva^.  Geschrieben  findet 
man  das  Wort  nirgends,  doch  jeder  Bauer  in  dieser  Gegend  kennt  den  „Niva*'. 
Hier  sind  die  Besitzer  Lindolf  und  Wuscheck  in  Leibsch  beim  Ackern  schon 
häufig  auf  Urnen  gestossen.  Beim  Ueberschreiten  dieser  Felder  sammelte  ich  yiele 
Scherben.  Weitere  Untersuchungen  konnte  ich  auch  hier  nicht  anstellen,  da  vor 
einigen  Tagen  erst  gesäet  war;  doch  konnte  ich  vom  Bauer  Lindorf  eine  kürzlich 
gefundene  Urne  (Fig.  3)  mitnehmen,  die  mit  Knochen  gefEÜlt  war.    Sie  ist  schlabk, 

terrinenartig,  mit  stark  ausgebogenem  Band.    Durchmesser 
Fig.  8.  der  Oeffnung  17,  des  Halses  18,  Bauchweite  16,5,   Boden 

9,5,  Höhe  18  em,  Wandstärke  0,6  cm,  Farbe  hellgrau.  Das 
Material  dieser  Urne  besteht  aus  feinerem  Thon,  nicht  mit 
grobem  Sand  gemischt.  —  Erwähnen  muss  ich  hierbei,  dass 
ich  auf  dem  Ni?a  neben  den  gewöhnlichen,  von  uns  als 
Scherben  von  germanischen  Gefässen  angesehenen,  auch  rieie 
blau-graue  Gefass-Scherben  fand,  die  ich,  wenn  ich  solche 
allein  gefunden  hätte,  als  wendische  bezeichnen  würde. 

Augenscheinlich  sind  alle  hier  und  im  Zart  gefundenen 
Gefässe  erst  gebrannt  und  dann  mit  einer  braunen,  härteren 
Masse  bestrichen  worden.  — 

Dicht  vor  Leibsch  befindet  sich  die  Colonie  „Damm^;  hier  wurden  bei  Er- 
bauung des  Kalk-Ofens  und  bei  Anlage  des  Gartens  vom  Besitzer  Hm.  Galle  beim 
Abfahren  eines  Hügels  viele  menschliche  Skelette  und  viele  Feuerstein-Instrumente 
gefunden,  die  leider  für  die  Forschung  verloren,  weil  verschleppt  sind. 

Hervorheben  möchte  ich  noch,  dass  die  Bewohner  des  Doifes  Leibsch  meistens 
den  acht  germanischen  Typus  aufweisen,  schlanken,  grossen  Bau,  blondes  Haar, 
blaue  Augen  haben  und  wenn  auch  platt,  doch  rein  deutsch  sprechen.  Sie  haben 
auch  urdeutsche  Namen,  alles  im  Gegensatz  zu  den  Bewohnern  des  Ober-Spree- 
Waldes.  — 

2.   Rundwall  bei  Leibsch,  im  Unter-Spreewald, 

Kreis  Beeskow-Storkow. 

Am  Nachmittage  desselben  Tages  traf  ich  im  Dorfe  Leibsch  den  oben  er- 
wähnten Hm.  Galle  und  gab  ihm  Rechenschaft  von  meinen  Untersuchungen. 
Er  sprach  auch  von  mehreren  randen  Hügeln,  die  südlich  vom  Dorfe  zwischen 
oben  bezeichnetem  Fliess  und  Damm  in  den  Wiesen  liegen  sollten.  Wir  brachen 
trotz  Regen  sofort  auf  und  gingen  den  Damm  5  Minuten  südwärts,  dann  fuhren 
wir  mit  einem  Kahn  etwa  300  Schritte  östlich  zu  einem  jetzt  noch  4  Fuss  hohen, 
abgetragenen,  beackerten,  kreisranden  Wall.  Die  höchste  Stelle  liegt  in  der  Mitte. 
Der  Durchmesser  beträgt  90  Fuss.  Die  abgetragene  Erde  ist  wohl  benutzt  worden, 
um  den  noch  an  mehreren  Funkten  erkennbaren,  sich  ringsheraroziehenden  Graben 
zuzuschütten.  Schwarze,  kohlige  Erde  war  mehrfach  zu  erkennen;  auch  sammelte 
ich  viele  Scherben,  die  den  Charakter  der  vom  Zart  bei  Leibsch  zeigten.  200  Schritte 
östlich  fliesst  das  von  Gross- Wasserburg  kommende  Gewässer.  —  Etwa  300  Schritte 
nördlich  von  diesem  Rundwall  liegt  eine  noch  einmal  so  grosse  Rundung,  beackert 
und  theilweise  mit  Gesträuch  bewachsen,  3 — 5  Fuss  hoch,  die  ich  aber  nicht  be- 
suchen konnte,  da  ich  schon  bis  auf  die  Haut  durchnässt  war.  Ich  möchte  die- 
selbe anderen  Forschem  empfehlen.  —  Knochen  und  Scherben  von  obigem  Rund- 
wall, auch  die  Gefässe  vom  Zart  und  von  dem  Niva  befinden  sich  voriäufig  in 
meiner  Sammlung  in  Woltersdorfer  Schleuse  bei  Erkner.  — 


(57) 

3.   ürnenfeld  bei  Diensdorf,  Kreis  Boeskow-Storkow, 

Reg.-Bezirk  Potsdam. 

In  der  Mitte  des  östlichen  Ufers  des  sich  Ton  Norden  nach  Sttden  1 1  Arm  hin- 
streckenden Scharmtttzel-Sees  liegt  das  alte  Dorf  Diensdorf,  vielen  Berliner  Ruderern 
bekannt.  Südlich,  dicht  am  Dorfe,  steht  eine  Schneidemühle;  gleich  hinter  der- 
selben, am  Wege  nach  Herzberg,  nennt  man  die  Erhöhung  den  „Schinderberg^. 
Derselbe  ist  vielfach  angegraben,  um  namentlich  die  sich  im  Berge  massenhaft 
befindenden  Steine  herauszuholen.  Die  Steine  zum  Schulhause  sind  sämmtlich  aus 
dem  Schinderberge  gegraben.  Von  einem  alten  Einwohner  Diensdorfs  mit  Namen 
Strengel  erfuhr  ich,  dass  unter  und  zwischen  den  Steinen  sich  oft  grössere  und 
kleinere  Töpfe  fanden.  Vor  2  Jahren  hatte  dieser  Mann  eine  Nadel  und  einen 
Ring,  nach  seiner  Angabe  aus  Gold  bestehend,  gefunden,  die  er  dem  Besitzer 
von  Saarow  (am  nordwestlichen  Ufer  des  Sees)  für  2  Mk.  verkauft  hat.  Mit  dem 
alten  Strengel  untersuchte  ich  den  Berg,  fand  massenhaft  Scherben,  aber  keine 
ganzen  Gefösse.  Die  Stücke  haben  den  Typus  der  Gefässe  aus  dem  5  km  ent- 
fernten Umenfelde  bei  Wilmersdorf.  In  einem  Topfe  soll  sogar  eine  goldene  Rette 
gelegen  haben,  was  von  einigen  Bauern  im  Dorfe  bestätigt  wurde.  — 

4.   Hügel-Gräber  bei  Theresienhof,  Kreis  Beeskow-Storkow. 

Von  Diensdorf  1  km  nördlich,  auch  dicht  am  Ost-Ufer  des  Scharmützel-Sees, 
liegt  das  Landgut  Theresienhof,  das  mehrere  Jahre  hindurch  der  bekannten  Berliner 
Soubrette  Emestine  Wegner  als  Tusculum  gedient  hat.  Von  Theresienhof  Vt  ^ 
östlich  in  der. Heide  am  Karschützenberg,  nördlich  vom  Ekenberg  (wahrscheinlich 
Eichenberg),  liegen  4  runde  Hügel  von  4 — 5  Fuss  Höhe  und  30  Fuss  Durchmesser, 
wovon  3  sichtbar  angegraben  sind.  Der  vierte  Hügel  war  besser  erhalten;  nur 
von  oben  war  eine  Vertiefung  gegraben  und  Steine  daraus  entfernt,  denn  alle 
Hügel  bestanden  aus  5 — 100  Pfd.  schweren  Steinen,  dazwischen  Sand  und  Erde. 
Mit  dem  vorhin  genannten  alten  Strengel  machte  ich  mich  an  die  Arbeit,  um 
diesen  vierten  Hügel  zu  bewältigen.  Nach  riesiger  Arbeit,  wobei  wir  mehrere 
Fuhren  Steine  herausholten,  waren  wir  bis  zum  Abend  in  die  Mitte  des  Hügels 
gelangt;  es  wurde  jedoch  nichts  weiter,  als  mehrere  Hände  voll  kleiner  Knochen, 
zwischen  den  Steinen  unregelmässig  liegend,  gefunden.  Kein  einziger  Scherben 
kam  zum  Vorschein.  Entweder  sind  die  Gefässe  aus  dem  Grabe  schon  früher  ent- 
fernt oder  der  Leichenbrand  ist  ohne  Urne  bestattet  worden.  Der  frühere  Cantor 
in  Diensdorf,  der  jetzt  nach  Betzin  bei  Carvesee  versetzt  ist,  hat  einige  Urnen  aus 
den  Hügelgräbern.  Der  alte  Strengel  erzählte,  dass  er  vor  etwa  40  Jahren,  als 
er  dort  Schäfer  war,  in  einem  der  angegrabenen  Hügel  zwischen  den  Steinen 
2  Töpfe  gefunden  habe,  worin  sich  eine  schwärzliche  Schnalle  befand.  — 

5.   Urnenfeld  bei  Buchholz,  Kreis  Ober-Barnim. 

Vom  Städtchen  Alt-Landsberg  etwa  5  km  nordöstlich  liegt  das  Dorf  Buch- 
holz mit  einer  königlichen  Domäne.  Vom  Dorfe  Vs  ^^  östlich,  links  vom  Wege, 
der  nach  der  Spitz-Mühle  führt,  ist  eine  Erhöhung,  die  Zwergberge  genannt, 
die  zur  Domäne  gehören.  Schon  mehrere  Male  sind  im  Herbst  beim  Pflügen  viele 
Steine  und  kleine  und  grössere  Töpfe  zum  Vorschein  gekommen.  Ich  hörte  davon, 
dass  die  Kinder  im  Dorfe  mit  den  kleinen  Gefässen  spielen  sollten,  und  ging 
im  September  1895  an  Ort  und  Steile.  Mit  dem  Meier  der  Domäne  und  dem 
Schneider  Grassnickel  aus  dem  Dorfe  wollte  ich  nach  der  beschriebenen  Stelle 
gehen,  alle  mit  Spaten  bewaffnet;  nur  wollte  ich  vorher  die  Erlaubniss  des  Pächters 


(58) 

Hrn.  Ober-Amtmanns  Herschner  einholen.  Derselbe  erklärte  mir  jedoch,  eine 
derartige  Erlanbniss  nicht  geben  zu  können,  da  er  laut  Contract  über  Sachen  in 
der  Erde  nicht  yerfügen  dürfe,  trotzdem  ich  ihm  erklärte  und  versprach,  die 
eyentaell  zu  machenden  Funde  dem  königl.  Museum  zu  übergeben.  Ich  musste 
mich  leider  bescheiden.  Im  Herbst  1896  sollen  wieder  einige  Urnen  herausgekommen 
sein,  die  leider  im  Dorfe  zertrümmert  wurden. 

Von  Buchholz  3  kni  nordöstlich  liegt  links  am  Wege  nach  Wesendal  der  Spitz- 
l^Gcg,  ganz  mit  Sieinen  besäet  und  mit  Kiefern  bewachsen.  Hier  fand  ich  eine 
Menge  von  Urnen-Scherben,  die  ich  dem  Märkischen  Provinzial-Museum  übergab.  — 

(24). Hr.  A.  Treichel,  Hoch-Paleschken,  Westpr.,  berichtet  über  den 

Schlossberg  yon  Mehlken,  Kreis  Carthans  (nebst  Anhängen). 

Im  westpreussischen  Kreise  Carthaus  liegt  nordöstlich  von  dem  Kreisorte  die 
Ortschaft  Mehlken;  dieselbe  zerfällt  in  ein  selbständiges  Gut,  welches  früher  mit 
dem  benachbarten  Exau,  polnisch  Krzewo,  als  Rittergut  immatricullrt  war,  und  aus 
einem  Mühlen-Grundstücke,  welches  um  1880  ein  Eugen  Behrendt  besass,  einer 
Wassermühle,  getrieben  durch  den  Stolpebach  (die  sogen,  kleine  Stolpe,  im  Gegen- 
satze zu  der  mehr  Pommern  angehörigen  grossen  Stolpe)  und  einer  Gross-Bäckerei 
bestand.  Heut  zu  Tage  ruhen  Rittergut  und  Wassermühle  in  einer  Hand  und  ge- 
hören dem  Besitzer  Hm.  Czech. 

Die  niederdeutsche  Bezeichnung  Mehlken  hängt  wohl  mit  dem  poln.  mlyn  = 
Mühle  zusammen.  Ein  anderes  Mehlken  giebt  es  noch  bei  Gnewau,  Kreis  Neustadt; 
ein  Mühlchen,  Kreis  Carthaus;  ein  Mlinsk,  ausser  in  anderen  Kreisen,  wie  Preuss.- 
Stargard  und  Gulm,  noch  zweimal  im  Kreise  Carthaus:  1.  Ausbau  von  Mahlkau, 
2.  Bauemdorf  bei  Mirchau;  beide  letzteren  werden  auch  Mlinke  oder  Mehlke  ge- 
nannt. Der  Ort  Mehlken  oder  Mlyn  wird  im  pomerellischen  Urkundenbuche  gar 
nicht  erwähnt  Es  geht  ein  Gerede,  dass  er  früher  einen  anderen  Namen  ge- 
habt habe,  der  jedoch  nicht  bekannt  ist.  Zu  dem  Mühlen -Grundstücke  gehörig 
und  ganz  nahe  am  Mühlenfliesse  gelegen  ist  ein  Burgwall,  hier  Schlossberg  ge- 
genannt, obschon  auch  nicht  die  mindesten  Ziegelreste  auf  ein  Schloss  hinweisen. 
Gelegentlich  einer  botanischen  Pfingst -Versammlung  in  Carthaus  besuchte  ich 
diesen  in  der  prähistorischen  Literatur  bekannten  Wall  und  lasse  hier  das  Er- 
gebm'ss  meiner  Funde  und  Messungen  deshalb  folgen,  weil  nirgends  sonst  in  der 
Literatur  auf  die  Beibringung  yon  Maasszahlen  Rücksicht  genommen  wird. 
Eine  solche  erscheint  mir  aber  durchaus  geboten,  um  in  dem  Falle  einen  Anhalt  ftir 
eine  gewisse  Menschenzahl  zu  haben,  wenn  man  die  alten  Burgwälle  als  Fliehorte 
annehmen  will.  Dr.  R.  Behla  (Vorgeschichtliche  Rundwälle,  Berlin  1888,  S.  189) 
erwähnt  den  Mehlkener  Burgwall  nur  kurz,  sowie  Funde  von  slarischen  Scherben 
und  Knochen  vom  Rind,  Hasen,  Wildschwein  u.  s.  w.  Nach  dem  Sitz.-Berichte  der 
anthropol.  Sect  der  Naturforsch.  Gesellschaft  in  Danzig  vom  17.  December  1884,  sowie 
der  Danziger  Zeitung  von  1884,  Nr.  14  999  und  15  001,  hat  Dr.  A.  Lissauer  den 
Wall  in  seine  Prähistor.  Denkmäler  der  Provinz  Westpreussen,  Leipzig  1887,  S.  194 
für  die  Höhen  längs  des  linken  Ufers  der  Radaune  und  Mottlau  in  dem  Lande 
zwischen  diesen,  der  Weichsel  und  dem  Meere  fUr  die  arabisch-nordische  Epoche 
aufgenommen.  Es  untersuchte  Hr.  Dr.  Conwentz  mit  Hm.  Besitzer  Czech 
gemeinsam  jenen  Burgwall,  in  welchem  sehr  viele  Scherben  vom  Burgwall-Typus, 
darunter  auch  die  in  den  Fig.  24  —  26  der  jenem  Werke  beigegebenen  Tafel  V 
zu  finden  sind,  und  wo  Knochen  vom  Rind,  Bären,  Hasen,  Wildschwein  and  Stör, 
dann  zwei  Wirtel  aus  Thon  und  Bernstein,  endlich  ein  eisernes  Messer  und  bear- 


(59) 

beiteie  Feuersteine  gefunden  wurden«    Alle  diese  Gegenstände  sind  im  Besitze  des 
westpreussischen  Prorinzial-Museums. 

Die  Mtihle  Mehlken  liegt  südöstlich  Ton  dem  Gute;  an  dieser  Stelle  stossen  drei 
Erhebungen  zusammen,  nach  Osten  zu  ein  Bergplateau,  nach  Westen  zu  eine  Hügel- 


kette, südöstlich  ein  isolirter  Bergrücken.  Das  Thal,  das  daraus  gebildet  wird,  durch- 
fliesst  der  Stolpebach,  gleichwie  ein  Zufluss  desselben,  das  von  Carthaus  kommende 
Rlosteriliess,  ein  anderes  Querthal.  Von  jenem  isolirten  Bergrücken  hat  man  gerade 
die  Stirnseite  zur  Schaffung  eines  Bui^alles  genommen,  indem  man  ihn  südwestlich 
mit  einem  tiefen  Abstiche  versah.  Die  Stirnseite  grenzte  früher  unmittelbar  an 
den  Stolpebach;  der  Landweg,  der  heute  zwischen  Fluss  und  Berg  geht,  ist  erst 
neuerdings  geschaffen.  Der  Berg  ist  kaum  10  Schritte  vom  Fliesse  entfernt  Die 
Maasszahlen,  wie  ich  sie  jetzt  gefunden  habe,  betragen  241  Meterschritte  im  Um- 
fange bei  einer  Länge  von  81  und  einer  Breite  von  73  Meterschritten.  Der  Ab- 
hang zum  Stolpebache  ist  heute  mit  Baum  und  Gesträuch  bedeckt;  an  einer  freien 
Stelle  maass  ich  50  Schritte  Abstieg,  dagegen  nur  35  Schritte  Abstieg  nach  der 
durch  Cultur  bereits  nivellirten  Feldseite  hin.  Doch  vermisste  ich  alle  die  Merk- 
male, welche  ich  sonst  bei  Burgwällen  gefunden  hatte,  und  konnte  mich  nur  schwer 
entschliessen,  hier  eine  prähistorische  Umwallung  anzunehmen.  Es  fehlte  nehmlich 
die  Wallkrone  selbst,  sodann  die  innere  Kesselung,  sowie  irgend  welche  Stein- 
setzung, femer  der  öfters  gefundene  grosse  Einzelstein  auf- der  Oberfläche,  sowie 
endlich  irgend  eine  sichtbare  Zu-  und  Abgangsstelle.  Selbst  bei  der  Annahme 
einer  noch  so  starken  Yeränderang  durch  die  landwirthschaftliche  Beackerung 
mtlsste  das  Meiste  von  jenen  Erfordernissen  nicht  zu  vermissen  sein.  Auch  war 
die  Femsicht  bei  solchem  Zustande  eine  nur  beschränkte;  sie  ging  kaum  über  das 
rechte  und  linke  Haupt-  und  das  Querthal  hinaus,   ohne  dass  der  Blick   deren 


(60) 

Ränder  überstreichen  konnte.  Wie  konnte  so  die  Umwallung  Ton  grossem  Nutsen 
sein?  Uebrigens  fehlt  eine  viel  höher  gewesene  Wallkrone  ebenfalls  bei  dem  WaUe 
von  Garczin,  Kr.  Berent  (vergl.  Sitz.-Ber.  vom  20.  März  1866,  Bd,  18,  S.  244);  aber 
die  Kesselnng  ist  dort  vorhanden  und  die  Funde  beweisen  das  Vorhandensein 
eines  voi^schichtlichen  Bnrg^lalles.  Ich  war  also  geneigt,  den  Wall  als  eine  reine 
Schwedenschanze  anzusprechen,  zumal  da  mir  gesagt  wurde,  es  seien  dort  alte 
schwedische  Münzen  von  Silber  gefunden  worden  mit  der  Darstellung  einer  „Taube 
mit  einem  Zweige  im  Schnabel".  Ich  weiss  nun  nicht,  ob  alte  schwedische  Münzen 
solche  Darstellungen  zeigen,  erfuhr  jedoch  später  durch  Hm.  Dr.  v.  K^trzynski 
in  Lemberg  (am  Institut  Ossolinski),  dass  höchstens  der  Vogel  Phönix  auf 
schwedischen  Medaillen  des  17.  Jahrhunderts  vorkomme.  Und  doch  schrumpfte 
später  die  Zahl  solcher  Medaillen  auf  ein  einziges  Stück  ein,  das  aber  schon 
längst  verschenkt  war,  also  prüfnngslos  bleiben  musste.  Wenn  es  wirklich 
solche  Denkmünzen  giebt,  so  gehört  es  ja  durchaus  nicht  in  den  Bereich  der 
Unmöglichkeiten,  dass  die  kriegskundigen  Schweden  diese  Befestigung,  diesen 
Höhepunkt,  diesen  Schauberg  auch  ihrerseits  benutzten,  wie  sie  ihn  vorfanden, 
unter  gänzlicher  Belassung  im  gleichen  Zustande  oder  unter  theilweiser  Ummode- 
lung.  Schliesslich  gab  mir  Hr.  Gonservator  Stubenrauch  in  Stettin  auf  meine 
Anfrage  die  Antwort,  dass  ihm  derartig  gezeichnete  Münzen  von  Schweden  weder 
für  früher,  noch  für  jetzt  bekannt  seien.  Es  mnss  also  ein  uncontrolirbarer  Irrthum 
hinsichtlich  der  Provenienz  vorliegen.  Ich  will  aber  im  Weiteren  hier  gleich  den 
Punkt  der  Münzen  vorwegnehmen.  Wenn  nun  an  der  Aassage  des  Hrn.  G.  B.  Gzech 
nicht  gezweifelt  werden  darf,  dass  hier  auf  oder  an  dem  Schlossberge  auch  noch 
Münzen  gefunden  wurden,  die  mir  gezeigt  wurden,  so  dass  ich  darunter  polnische 
Stücke  von  1695,  Gedanensia  von  1758  und  1763,  Danziger  Groschen  ans  Rupfer 
von  1812,  auch  die  selteneren  Preussischcn  Halbe-Thalerstücke  von  1765  (ja  sogar 
zwei  chinesische  Rundstücke  mit  viereckiger  Löcherung  in  der  Mitte,  also  wohl 
sogen.  Itzebu's,  was  sehr  wunderbar  und  contrastirend  erscheinen  muss)  feststellen 
konnte,  so  darf  nur  daran  gedacht  werden,  dass  auch  spätere  Kriegsschaaren, 
welche  bis  auf  die  neueste  Zeit  unsere  Lande  durchzogen,  dort  ihren  Lagerplatz 
gehabt  haben. 

Die  chinesischen  Stücke  wären  vielleicht  auf  russische  Verschleppung  (ich  habe 
jedoch  noch  keinerlei  rassische  Münzen  gefunden!)  zurückzuführen,  wenn  man 
nicht  auf  Sommerfrischler  oder  Gelegenheitsgäste  aus  der  Seestadt  Danzig  zurück- 
greifen will.  Alle  diese  Zweifel  zerstreuten  sich  aber,  als  ich  am  nächsten  Tage 
wiederkehrte  und  Hm.  G.  B.  Czech,  der  am  ersten  Tage  nicht  zu  Hause  war, 
selbst  sprechen  konnte;  denn  nun  musste  ich  ein  ganz  anderes  Bild  von  der  Sach- 
lage gewinnen.  Vor  etwa  36  Jahren,  als  Hr.  Czech  zuerst  die  Mühle  und  dazu  den 
Schlossberg  erwarb,  war  der  letztere  um  12 — 15  Fuss  höher,  aber  ganz  mit  Strauch 
oder  Baum  bewaldet,  und  nur  durch  Klettern  auf  allen  Vieren  zu  erreichen.  Die 
Ostseite  ging  schräg  steil  hinunter  und  war  mit  Etagen  von  grossen  Felssteinen 
ausgelegt;  ich  bezeichne  diese  Stelle  mit  Steinrampe,  welchen  Ausdruck  ich  auch 
beim  Burgwalle  von  Bendargau  im  Volksmunde  hörte. 

Um  1825  oder  1835  wurde  der  Anfang  zur  Cultivirung  des  Schlossbeiges 
gemacht  Die  Holzgewächse  wurden  ausgerodet  und  die  Steinmassen  hinabgekollert, 
gesprengt  und  irgendwie  beim  Bauen  zu  Fundamenten  verbraucht,  das  Erdreich 
nach  allen  Seiten  hinabgeworfen,  um  doch  irgendwie  bequem  zur  Ackerarbeit  auf 
den  oberen  Raum  zu  gelangen  und  diesen  selbst  durch  Nivellirung  zu  vergrössem, 
namentlich  nach  der  Landseite  zu,  um  einen  bis  über  30  Fuss  tiefen,  steilen  Abfall  zu 
beseitigen.    Und  doch  maass  ich  jetzt  noch  an  dieser  Stelle  35  Schritte  sanAeren 


(61) 

Abstieges!  Somit  kann  die  Enthöhung  durch  Abstich  und  Verwarf,  sowie  durch 
Einebnnng  und  Abrandnng  durch  den  Pflug,  im  Laufe  Ton  nahezu  40  Jahren 
wohl  auf  12 — 15  Fuss  veranschlagt  werden.  Oben  aber  bot  sich  ein  nur  wenig 
umfangreiches  Viereck  mit  erhöhten  Aussenseiten  (Wallkrone)  für  den  Beobachter 
dar.  Dann  allerdings  war  die  Anlage  aus  ganz  anderen  Augen  zu  betrachten  und 
bot  auch  eine  genügende  Femsicht  gegenüber  einer  nahenden  feindlichen  Streit- 
macht dar.  Als  das  geschaffene  Neuland  zur  Beackerung  kam,  sollen  an  einer 
Stelle  östlich  die  Pferde  bis  zum  Buge  eingesunken  sein.  Im  Westen  gab  es  eine 
Stelle,  wo  im  Feuer  gewesene  Kopfsteine  in  zahlreichem  Gemenge  wohl  die  Feuer- 
stelle andeuteten.  Längs  dem  ganzen  Walle  lagen  gebrannte  Steine  in  kleineren 
Einzelhaufen;  dazu  yiele  Knochen. 

Bei  den  Culturarbeiten  des  Ausrodens  und  des  Entsteinens  wurden  nun  gleich 
und  ebenso  später  vielfache  Funde,  meist  in  Menge,  gemacht  Hr.  Czech  erzählte 
mir,  dass  (von  Beigabeu  ganz  zu  schweigen)  weit  über  50 — 60  Urnen  dabei  ge- 
funden und  zerschlagen  wurden,  ohne  dass  man  damals  der  Ss^che  selbst  irgend 
welche  Beachtung  geschenkt  hätte,  weil  das  Interesse  noch  nicht  rege  gemacht  war. 
Man  fand  auch  ein  Paar  Mahlsteine,  mit  ihren  Hohlflächen  einander  zugekehrt, 
sowie  später  noch  ein  drittes  Stück  einzeln;  diese  wurden  bei  Neubauten  ge- 
wissenhaft als  zum  Vermauern  brauchbar  gefunden.  Gemeldet  wird  mir  noch 
ein  vierter  Mahlstein  (Keibstein,  Quirl)  als  in  der  Nähe  gefunden,  der  sehr  alt 
sein  muss;  sein  Durchmesser  beträgt  20,  die  Höhe  8  cm;  die  äussere  Kante  ist 
ganz  roh  bearbeitet,  jedoch  noch  in  einer  Schärfe  sichtbar.  Wirtel  aus  Thon  fanden 
sich  in  reicher  Menge,  die  vielleicht  beim  Spinnen,  vielleicht  als  Netzhalter  ver- 
werthet  wurden;  ihre  Kleinheit  spricht  für  das  Erstere.  Von  hellerem  Thon  sicher  und 
symmetrisch  gearbeitet,  aussen  von  dem  am  meisten  abstehenden  Mittelrande  in  vier 
Riefen  beiderseits  absteigend,  hat  der  mir  vorliegende  Wirtel  einen  Umfang  von  7,6  cm, 
eine  Höhe  von  2,3  und  an  den  Abplattungen  von  2  cm.  Von  Bernstein  gab  es  nur  rohe 
Massen;  das  lehmige  Land  umher  bietet  solche  als  Inclusa  recht  häufig  dar,  dann 
aber  von  dunklerer,  fast  purpurner  Färbung,  also  von  minderer  Güte;  die  mehr 
am  Schlossberge  gefundenen  Stücke  sind  dagegen  fester,  hellweisslich,  fast  kumst- 
farben;  einige  Stücke  davon  hatten  scharfkantige  Einbuchtungen,  so  dass  sie  wie 
Zangengebilde  aussehen,  vielleicht  nur  aus  natürlicher  Entstehung,  wogegen  ein 
Stück  wegen  seiner  Kleinheit,  Glätte  und  Emaii-Aehnlichkcit  wohl  als  eine  bear- 
beitete Art  von  Perle  anzusehen  wäre.  Der  Boden  im  Berge  ist  sonst  meist 
mergelhaltiger  Grand,  daher  auch  äusserst  fruchtbar;  es  finden  sich  in  ihm  viele 
Gesteinarten  in  sonderbaren  Bildungen,  so  von  Versteinerungen  Belemniten,  femer 
Schmirgel  u.  s.  w.  Im  ganzen  Abhänge  im  Nord-Osten  (50  Fuss  Abstieg)  ist  früher 
ebenfalls  mit  Erfolg  geackert  worden,  dies  aber  später  unterlassen.  Dort  ist  eine 
sehr  starke  Humusschicht  vorhanden,  wo  ich  ausser  fester  Grasnarbe  zwei  starke 
Exemplare  der  selteneren  und  solchen  Boden  liebenden  essbaren  Morchel  (Morchella 
esculenta  Pers.)  fand.  Hierher  scheint  über  die  Wallkrone  alles  Unbrauch- 
bare und  aller  Unrath  hinausgeworfen  zu  sein,  wie  Küchenabfall.  Hr.  Czech 
meinte,  eine  Nachgrabung  an  dieser  Stelle  ergebe  für  etwa  ein  Quadratmeter  mit 
Leichtigkeit  über  einen  Schubkarren  roll  Abfall,  namentlich  an  Knochenresten  und 
an  Topfscherben.  Wir  buddelten  gemeinsam  an  einem  ganz  geringen  Fleckchen 
Erde  und  fanden  überreichliche  Ausbeute.  Die  Knochen  kann  ich  nicht  bestimmen; 
doch  von  früheren  Funden  taxirte  mein  Hofmeister  einen  Zahn  als  den  eines  Hundes 
und  einen  sehr  spitzen  Zahn  als  den  eines  alten  Ilehbockes(?)  (diese  Gattungen 
wären  also  denen  von  Lissauer  angegebenen  beizufügen);  vom  Bären  und  Stör 
aber  machten  wir  erneuerte  Feststellung. 


(62) 

Ein  gleich  zahlreiches  Eigebniss  hatten  wir  an  Topfscherben,  deren  es  von 
allen  Gattungen  gab,  in  Bezug  auf  Eidmischung,  Brandstärke  und  Färbung,  Wand- 
stäi^e,  Bandstttcke,  Stehilächen.  Viele  waren  ohne  Zierath,  gleich  viele  oma- 
mentirt,  darunter  die  meisten  ausgezeichnet  in  der  Auffassung  und  Ausftthmng. 


Fig.  1. 


Fig.  3. 


Fig.  2. 


Fig.  4. 


Fig.  6. 


Fig.  6. 


Fig.  7. 


Fig.  8. 


St^htl&che. 


Unter  diesen  Zeichnungen  müssen  anbedingt  die  Nrn.  3,  4,  8  anffallen,   be* 
sonders  das  riergestrichelte  Rreazmaster.    Auf  dem  Acker  nebenbei  Canden  sich 


(63) 

auch  Steinkisten  mit  Urnen,  gefüllt  mit  Asche  und  Leichen brand,  im  Zickzack 
ornamentiri  Eiserne  Objecto  kamen  nicht  zur  Erwähnung.  Derartige  Sachen 
werden  die  Finder  wohl  gezeigt  und  abgeliefert  haben.  Anders  fassten  sie  die 
Sache  wohl  auf  bei  anscheinend  werthvolleren  Gegenständen.  Die  Gulturarbeit 
geschah  ausserdem  vor  vielen  Jahren,  und  die  Leute  sind  seitdem  fortgezogen  oder 
haben  die  Objecto  verloren  oder  veräusseri  So  steht  es  um  eine  Bronzekette, 
um  bronzene  Spangen  und  Nadein,  die  nur  noch  in  der  Erzählung  existiren.  Auch 
Perlen  von  Email  im  Giasfluss  (sowie  von  Bernstein)  wurden  mehrfach  (bis  zu  20) 
gefunden,  wovon  nur  noch  höchstens  drei  im  Pro vinzial -Museum  vorhanden  sind. 

Zu  den  Funden  auf  dem  Schlossberge  gehört  endlich  ein  Gelt  aus  schwärz- 
ichem  Stein  von  grosser  Härte.  Bei  einer  Länge  von  7,2  cm  misst  er  an  der 
Schneide  3,7  cm  Breite.  Am  anderen  Ende  zeigt  er  eine  Höhlung,  ist  aber  an  einer 
Langseite  concav.  Er  scheint  gut  polirt  und  ist  an  der  Schneide  durchaus  un- 
verletzt, kann  also  nicht  lange  Zeit  im  Gebrauch  gewesen  sein,  wenn  man  annimmt, 
dass  er  zur  Trennung  oder  Schabung  kleinerer  HartstUcke  gedient  habe. 

Ebenso  bewahrt  Hr.  Gutsbesitzer  Gzech  noch  jetzt  einen  Sporn  auf,  von 
dem  noch  drei  Viertel  der  ursprünglichen  Gestalt  und  Grösse  erhalten  sind.  Der- 
selbe ist  von  Bronze  und  zeigt  einen  compacten  Ansatz  als  Spomrad.  Beide  Gegen- 
stände habe  ich  mir  als  Eigenthum  gesichert,  ihren  Besitz  aber  zum  Zwecke  des 
unterrichtlichen  Zeigens  dem  Grundherrn  überlassen.  Während  der  Stein-Celt  der 
Bnrgwallzeit  angehört,  kann  der  Bronze-Sporn  aus  «späterer  Zeit  herstammen.  — 

Sagen  vom  Schlossberge  Mehlken. 

Auch  von  diesem  Schlossberge  giebt  es  Sagen  und  zwar  mehrere: 

1.  Wenn  sich  dort  in  der  Umgegend  ein  Brautpaar  verheirathet  und  der  eine 
von  beiden  Theilen  nur  etwa  widerwillig  oder  gezwungen  dareingewilligt  hat,  so 
geschieht  es  wohl,  dass  der  alte  Schlossberg  am  Trauungstage  dazu  Musik  ertönen 
lässt  Das  ist  dann  kein  gutes  Zeichen,  weil  die  Ehe  eine  unglückliche  wird,  oder 
einer  von  beiden  Theilen  bald  stirbt. 

2.  Ein  junges  Mädchen  mit  einem  Hündchen  sitzt  fast  in  der  Mitte  des 
Schlossberges  (zur  Zeit,  als  noch  nicht  so  viel  davon  abgetragen  war)  und  holt 
sich  von  Zeit  zu  Zeit  Wasser  aus  dem  MUhlenfliesse.  Sie  war  verzaubert;  als 
jemand  kam,  sie  zu  erlösen,  gelang  das  nicht.  So  erzählte  ein  älteres  Mädchen 
des  Gutshofes. 

3.  Früher  liessen  sich  dort  Mönche  in  weisser  Tracht  sehen  und  gaben 
aeufzende,  stöhnende  Laute  von  sich.  Das  geschah  besonders  in  dem  parkartigen 
Wäldchen  des  gegenüberliegenden  Bergabhanges.  Da  kam  jedoch  ein  Pfarrer,  der 
besprach  diese  Erscheinungen,  und  seitdem  ist  es  davon  still  geworden.  —  [Die 
weisse  Tracht  der  Mönche  deutet  eher  auf  Oarthäuser-Mönche  hin.] 

(Diese  beiden  Stücke,  welche  ein  alter  Bauer  Wilkowski  erzählte,  scheinen 
mir  im  Zusammenhange  zu  stehen  mit  der  mehr  kirchlichen  und  erst  in  neuester 
Zeit  auf  Grund  von  bis  jetzt  noch  unbekannten  Urkunden  entdeckten  Thatsache, 
dass  das  Kloster  Zuckau  mit  seiner  ursprünglichen  Anlage  hier  in  Mehlken  seine 
Gründungsstelle  gehabt  hat,  ehe  die  durch  Krieg  verjagten  Mönche  in  eine  andere 
Au  hinabzogen.    Darüber  bringe  ich  ein  Mehreres  an  anderer  Stelle.) 

4.  Es  ^spukert^  auch  sonst!  Oefters  am  Tage  und  namentlich  im  Abend* 
grauen  kommt  es  den  Einwohnern  so  vor,  als  ob  plötzlich  ein  Wagen  mit  „Vieren 
lang^  vorgefahren  komme;  schnell  eilen  sie  hinaus,  um  Nachschau  zu  halten,  finden 
aber  nicht  das  Geringste  vor.  So  soll  es  mehrfach  dem  dortigen  Hofmeister  er- 
gangen sein. 


(64) 

(Mir  will  dieser  Spuk  als  eine  leicht  erklärliche  Sinnestäuschmig  erscheinen, 
und  ich  führe  ihn  wohl  nicht  mit  Unrecht  zurück  auf  den  in  der  abendlichen 
Nebellufk  weiterverpflanzten  Widerhall  von  den  vielfachen  Bergkuppen  dort,  an  deren 
Bande  auf  sommerfestem,  steinholperigem  Wege  vielleicht  zu  gleicher  Zeit  ein 
rasches  GeiUhrt  seine  Strasse  zieht.)  — 

Mehlken  als  alte  (Kloster-)  Siedelung. 

Es  wird  erzählt,  dass  hier  in  Mehlken  die  erste  Anlage  des  unweit  gelegenen 
Klosters  Zuckau  geschehen  sei;  die  Mönche  hätten  hier  sogar  Bier  gebraut  und 
einen  Eisenhammer  angelegt.  Durch  Krieg  vertrieben,  seien  sie  in  eine  andere 
Au  (Zuckau)  gezogen  und,  obschon  wiederum  durch  Krieg  bedroht,  dennoch  dort 
geblieben.  Das  soll  auch  aus  Urkunden  hervorgehen,  die  sich  wahrscheinlich  im 
Pfarr- Archive  befinden,  doch  hatte  ich  bis  jetzt  keine  Oelegenheit,  nachzusehen. 
Ich  hebe  zunächst  hervor,  dass  nach  Dr.  M.  Perlbach's  pomerellischem  Ur- 
kundenbuche (S.  12)  die  älteste  Urkunde,  welche  das  Kloster  Zuckau  betrifft,  von 
1209,  24.  April,  Zuckau  datirt  ist,  wonach  Mestwin,  Fürst  von  Danzig,  diesem  Kloster 
zwischen  der  Radaune  und  Stolpe  die  Dörfer  Zuckau,  Mislicyn,  Sulislave,  Barcline, 
dann  Eamkau  und  Schmirau,  ganz  Oxhöft,  Belzcowo  im  Lande  Beigard,  und 
Orabowo  bei  Seh  wetz  verleiht.  In  dieser  ältesten  Urkunde,  die  in  Zuckau  selbst 
ausgestellt  ist,  findet  man  aber  keine  Erwähnung,  sei  es  von  Mehlken  oder 
Mlyn,  sei  es  von  einem  früheren,  anderweitigen  Sitze  der  Mönche.  Wie  dem 
auch  sein  mag,  jedenfalls  muss  die  Anlage  eines  Eisenhammers  an  der  Stelle, 
wo  jetzt  kein  Wasser  ist,  darauf  hindeuten,  dass  in  früheren  Zeiten  auch  dieses 
Gebiet  viel  wasserreicher  oder  das  Wasser  selbst  viel  grösser  gewesen  ist,  worauf 
es  mir  für  meine  Schlussfolgerung  ankommt.  Die  Lage  der  ersten  Kloster- 
Siedelung  war  alsdann  an  der  Stelle  des  jetzigen  Wohnhauses  des  Gutes.  Dafür 
spricht  auch  der  grosse  und  alte  Garten,  in  dem  sich  am  Bachufer  noch  jetzt  bis 
12  Fuss  hoch  wuchernde  Stengel  des  allerdings  nicht  officinellen  gemeinen  Bären- 
klau breit  machen.  Die  Brauerei  und  andere  Wirthschaflsgebäude  standen  weiter 
westlich  am  linken  Bachufer.  Ich  bemerkte  am  rechten  Ufer  noch  verrätherische 
Hopfenpflanzen  in  einer  ganz  gut  zum  Hopfenge  stuhle  passHchen  Niederung.  Der 
Eisenhammer  stand  etwa  jenen  Gebäuden  gegenüber.  Namentlich  machen  sich 
hier  Dämme  bemerkbar.  Auf  einem  ist  die  Stelle  des  Hammerberges  noch  gut 
zu  sehen,  namentlich  Kohlen  und  Eisentheile  treten  zahlreich  zu  Tage.  Unten 
war  bis  vor  Kurzem  die  Unterlage  für  den  Amboss  vorhanden,  worauf  der  Hammer 
schlug,  der  Schabat,  ein  grober  Eichenklotz  mit  einem  grossen  Eisenstüoke,  der 
dem  Amboss  Halt  gab.  Grübe  man  tiefer  nach,  so  würden  sich  mehr  Beweise 
finden  lassen.  Zicgelstücke  und  fast  ganze  Ziegel  von  dem  bekannten  grossen 
Formate  der  Deutschordens- Bauten  sah  und  ergrub  ich  selbst,  nebst  Kohlen-  und 
Eisenstücken.  Jedenfalls  steht  hier  die  Anlage  eines  Eisenhammers  fest,  obschon 
keine  Geschichte  davon  Meldung  thut.  Ausgegrabener  Samen  von  selteneren  Pflanzen 
kam  wieder  zur  Keimung  (Lützow).  So  wird  die  Ueberlieferung,  wenn  auch 
durch  keine  Urkunde  unterstützt,  wohl  Recht  haben.  Dazu  kommt  für  die  Be- 
trachtung noch  das  Alter  der  Mühle.  Die  jetzige  ist  ganz  neu  und  da  erbaut,  wo 
die  alte  stand,  die  vor  Jahren  abbrannte.  Deren  Anlage  war  aber  sehr  alt  und 
wohl  auf  eine  Zeit  vor  800  Jahren  zu  setzen.  Dafür  sprechen  die  Auffindungen, 
welche  man  beim  Aufräumen  des  Schuttes  und  bei  den  Vorarbeiten  für  die  B^- 
richtung  der  neuen  Mühle  machte.  Ausser  komisch  geformten  und  bei  der  Mühlen» 
Technik  selbst  vor  Jahrhunderten  gar  nicht  mehr  vorkommenden  Eisentheüen  fand 
man  eingerammte  eichene  Pfahle,   an  Zahl  etwa  180,  wie  Hr.  G.  B.  Gzech  ver* 


(65) 

sichert,  die  sonst  ganz  yerdeckt  gestanden  hatten.  Dann  fand  man  aasser  grösseren 
Steinen  noch  ein  steinernes  Zapfenlager,  wie  ein  solches  jetzt  ebenfalls  nicht  mehr 
zur  Anwendung  kommt.  Dazu  bemerke  ich  fQr  die  historische  Folge  von  solchen 
Lagern,  dass,  wie  in  der  Jetztzeit  dazu  die  ans  Sachsen  kommenden  sogenannten 
Ratzensteine  (so  genannt,  weil  sie  bei  Reibnng  ganz  nach  Katzendreck  riechen) 
verwandt  werden,  rordem  es  eine  Zeit  gab,  wo  nur  Holzlager  in  Gebrauch  waren; 
später  erst  machte  man  Lager  vonSteinen,  in  denen  die  Wellenzapfen  zu  gehen 
hatten.  Dazu  suchte  man  im  eigenen  Lande  passende  Steine  aus,  was  ja  im  stein- 
reichen Kreise  Carthaus  gewiss  nicht  schwer  fiel.  Und  solcher  Steine,  die  s.  Z.  bereits 
ausser  Gebrauch  gesetzt  und  dort  liegen  gelassen  waren,  fand  man  eine  erhebliche 
Anzahl.  Dass  aber  die  Höhlung  aller  dieser  Steine  bis  auf  4 — 5  Zoll  aasgenutzt  war, 
wo  sie  dann  gar  nichts  mehr  tangten,  setzt  einen  langen  Gebrauch  Toraus. 

Auffallende  Eisenformen,  grosse  Steine,  verdeckte  Eichenpfahle,  abgenutzte 
Steinlager  ftir  die  Wellenzapfen,  sowie  besonders  auch  die  obigen  Vordämme,  lassen 
sehr  leicht  eine  Anlage  vor  800  Jahren,  eine  Klostermtthle  vermuthen.  Ich  setze 
hinzu,  dass  der  heutige  Weg  zwischen  Bach  und  Schlossberg  nur  eine  neuzeitliche 
Schöpfung  ist.  Das  Gewässer  des  heutigen  Baches  der  Stolpe  war  also  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  in  frühesten  Zeiten  viel  grösser  und  mächtiger,  und  erfällte  viel- 
leicht das  ganze  Thalbett;  auch  dann  muss  die  Anlage  oder  Umschaffung  einer 
Befestigung  an  dieser  Stelle  eine  kluge  und  vorsichtige  genannt  werden,  zumal  da 
man  über  die  Aussenränder  der  angrenzenden  drei  Thäler  sicherlich  weit  in  die 
Land«  hatte  sehen  können,  als  die  Wallung  noch  um  15  Fuss  höher  war.  — 

Der  Schiffsanker  von  Mehlken. 

Bezüglich  des  Kleinstolpe-Thales  sei  noch  angeführt,  dass  darin  nördlich  vom 
Bache  die  Stelle  ist  (wo,  wie  bereits  in  einem  vorigen  Berichte  gelegentlich  der 
Schiffsfunde  bemerkt)  um  1830 — 32  eine  Viertelmeile  von  Mehlken  beim  Torfstechen 
ein  Anker  gefunden  wurde,  —  übrigens  nur  ein  kleines  Stück  eines  solchen 
von  27,  Fuss  Länge,  —  an  dessen  beiden  Endspitzen  noch  die  zackigen  Wider- 
haken deutlich  bemerkbar  waren.  Ihre  Kleinheit  spricht  für  den  Gebrauch  bei 
einem  Binnen-Fahrzeuge.  Ein  solches  aber  konnte  in  frühesten  Zeiten  hier  auf 
der  damals  mehr  ausgebreiteten  Wasserfläche  sehr  wohl  seine  Dienste  leisten  und 
bis  nach  Danzig  hin  seine  Fahrten  machen,  weil  das  Thal  der  Kleinen  Stolpe  mit 
dem  der  Radaune  in  Verbindung  steht.  Da  lohnte  sich  denn  schon  eine  durch- 
gehende Wasserreise!  Finder  des  Ankers  war  aber  schon  der  Vater  eines  dortigen 
Bauern  Wilkowski,  dessen  weitere  Funde,  wenn  sie  auch  nicht  prähistorischer 
Natur  sind,  ich  hier  folgen  lassen  möchte,  da  es  mir  sonst  an  Unterkunft  für  diesen 
Abschnitt  mangelt.  — 

Anhangsweise  führe  ich  einige  hierauf  bezügliche  Angaben  aus  dem  Pommerelli- 
schen  Urkunden-Buche  an,  welche  beweisen  dürften,  dass  bei  uns  auch  Wasser-Fahr- 
zeuge und  selbst  für  Binnen-Gewässer  schon  sehr  früh  bekannt  waren  und  zum  Theil 
auch  (als  Fischerei-Fahrzeuge)  dazu  dienten,  den  Ertrag  der  Gewässer  für  den  Inhaber 
der  Gerechtsame  zu  liefern,  zum  Theil  (als  „naves  liberae'^)  von  dieser  Leistung 
befreit  waren.  Besonders  betone  ich  das  Vorkommen  dieser  Naves,  die  liberae,  also 
Freischiffe  heissen,  schon  für  das  13.  Jahrhundert.  Solcherlei  Werke  historischer 
Art,  wie  das  genannte  Urkundenbuch,  müssten  bei  Beurtheilung  von  Gegenständen 
aus  älterer  Zeit  mit  in  Betracht  gezogen  und  die  sich  aus  ihnen  ergebenden  That- 
sachen  in  Anrechnung  gebracht  werden. 

Es  erscheint  als  Hauptsache,  dass  hier  Wasser -Fahrzeuge  für  Binnen- 
Gewässer  erwähnt  werden,  woher  sowohl  Verluste  (etwa  durch  Untergang  oder 

Vn-bandl.  der  Berl.  AnthropoU  OM«U«cbaft  1897.  5 


((i«) 

Unbrauchbarwerdung),  wie  auch  WiederaufAnduog  erklärlich  erscheinen.  1281  ver- 
leiht Herzog  Mestwin  von  Pommern  (S.  285)  den  in  sein  Land  gekommenen 
Mönchen  von  Beibuk  die  Petri-Rirche  in  Stolp  mit  Dörfern  und  Zehnten:  ^^praeterea 

addidimus liberam  piscationem  in  stagno  quod  Gardna  (Garde'sche  See)  vo- 

catur  cum  una  sagena,  et  duas  liberas  sagenas  in  stagno  quod  Lebesco  (Leba-See), 
et  quatuor  naves  liberas  in  captura  alleeum  (Hänng)  cum  piscationibus  in  salso  man.^ 

1282  erneuert  Herzog  Mestwin  von  Pommern  (S.  299)  die  Dotation  seines 
Vaters  Swantopolk  itir  die  St.  Stanislaus-Rirche  in  Garde:  ^piscaturam  que  Saluc 
(conj.  salmonum:  der  Lachse)  nuncupatur.^ 

1288  erlaubt  Herzog  Mestwin  von  Pommern  (S.  396)  dem  Kloster  Oliva,  zur 
Unterstützung  seiner  Höfe  in  Brück  und  Starsin,  je  ein  Schiff  in  Mechina  (heute 
Mechlinken)  und  Trinsina  (Most)  zu  halten  und  verleiht  ihm  den  Standplatz  Kochow: 

^duas  naves  liberas, decementes  easdem  naves  ab  omni  solucione  liberas 

semper  et  exemptas.^  (Nördlich  von  Starsin  ist  ein  grosses  Torfmoor;  dies  hiess 
vielleicht  Trinsina,  wenn  an  das  polnische  trz^sawica  ^Moor^  zu  denken  ist) 

Gewiss  werden  die  Naves  liberae,  wenn  an  ähnlichen  Stellen  des  Landes  vor- 
kommend, noch  öfter  erwähnt  werden;  nur  lässt  der  Mangel  dieser  Bezeichnung 
im  Index  über  das  Wo  im  Zweifel. 

Auch  das  Wort  naulum,  Fährgeld,  das  öfters  vorkommt,  lässt  auf  den  Ge- 
brauch von  Transportobjecten  auf  dem  Wasser  schliessen.  Wir  finden  es  viermal. 
1260  verleiht  Herzog  Sambor  von  Pommern  (S.  157)  der  Stadt  Dirschau  das  Lübische 
Recht,  begrenzt  ihr  Stadtgebiet  und  bestimmt  ihre  Rechte:  „De  censu  nauli  et 
molendinorum  quo  in  Wizla  (Weichsel)  sunt  vel  construentur  amplius  . . .  .,  duas 
partes  accipimus,  civitas  terciaro.**  1280  verleiht  Herzog  Mestwin  von  Pommern 
(S.  276)  dem  Bischof  Thomas  von  Plock  das  Dorf  Gerdin  mit  Zubehör  und  frei 
von  allen  Lasten:  „naulo  quoque  cum  omni  jure.^  1289  gründet  Herzog  Mestwin 
von  Pommern  (S.  406)  das  Prediger- Kloster  zu  Dirschau  und  stattet  es  mit  Be- 
sitzungen aus:  „item  per  Vislam  naulum  et  transitum  liberum  absque  omni  thelonei 
(Zoll)  et  nauli  solutione.^  1292  gestattet  Herzog  Mestwin  von  Pommern  (S.  436) 
dem  Kloster  Byszewo,  das  ihm  verliehene  Dorf  Zlawies  zu  Magdeburger  Recht  aus- 
zusetzen, und  befreit  dasselbe  von  allen  Lasten:  „vado  et  naulo  super  Wizlam.'^ 

Von  allerlei  Fischfang  und  den  darauf  bezüglichen  Stellen  wird  ganz  abgesehen. 

Ein  anderes  schätzbares  Urkundenbuch  für  unsere  Provinz,  das  Marienbni^r 
Tresslerbuch  von  Dr.  Joachim,  welches  kürzlich  erschien  und  das  Jahrzehnt 
1399  — 1409  umfasst,  sich  zeitlich  also  dem  vorigen  um  100  Jahre  später  an- 
schliesst,  spricht  äusserst  häufig  von  SchiflTem  und  Schiffen  in  mannichfachen  Zu- 
sammensetzungen: Schiffsherren,  -leute,  -kinder  (Matrosen),  -knechte,  -fahrt, 
-fracht,  -geld,  -louge(?),  -lohn,  -miethe,  -pech,  -pfund,  -preise,  -theer  und  Schiff- 
zins, auf  zahlreichen  Seiten,  z.  B.  deren  75  bei  der  Schiffsfracht.  Ja  sogar  ist 
1403  schon  die  Rede  von  „des  Meisters  schiff,  das  uf  den  tag  zu  Littowen  ftlr 
4Vt  M.  Vi  Herrentalisch  laken^  erhielt,  also  von  einem  Staats-  oder  Reiseschiffe, 
und  Primegeld  ist  das  Trinkgeld  für  die  Schiffsleute  beim  Löschen  der  Waaren. 
Die  See-Fahrzeuge  werden  sogar  nach  Arten  unterschieden  und  erhalten  als  solche 
bereits  bezeichnende  Namen,  wie  z.  B.  Bordinge,  Brinthen,  Nassuten,  Sayen,  Suwen, 
Baleyger.  — 

Eisenmoor  im  Stolpe-Thale  östlich  von  Mehlken,  und  eisenschüssiger 

Kalktuff  im  Kreise  Carthaus. 

In  Mehlken  hielt  es  ein  Bäuerlein,  Namens  Wilkowski,  der  nahe  der  Mühle 
wohnt,  stark  mit  Spirituosen.    Es  heisst  von  ihm,  er  habe  sechs  Sorten  Schnaps 


(67) 

im  Hause  und  gebe  schon  frühmorgens  kleinste  Portionen  davon  an  seine  Rinder. 
Selbstverständlich  bleiben  die  Folgen  davon  nicht  aus,  und  seine  Beine  schwellen 
an.  Geschieht  dies  nun,  so  weiss  er  sich  wohl  zu  helfen:  er  findet  das  Mittel 
dazu  in  einer  Eisenmoor-Erde,  die  auf  seinem  Eigenstücke,  einer  Wiese  im  Thale, 
östlich  von  ihm,  vorkommt.  Von  diesem  Moder  holt  er  sich  eine  genügende 
Quantität,  erwärmt  diese  und  hält  etwa  3  Tage  lang  die  geschwollenen  Beine  darin, 
und  alles  Leiden  ist  gewichen.  Dann  kann  er  wieder  weiter  saufen.  So  kannte 
er  diesen  Gebrauch  schon  von  seinem  Vater  her,  der  Trinken  und  Moorgebrauch 
wohl  schon  seinerseits  ererbt  hatte.  Es  muss  ein  nicht  genug  zu  preisender  Zufall 
gewesen  sein,  welcher  vor  Zeiten  den  ersten  Entdecker  der  Heilkraft  zu  diesem 
Mittel  geführt  hatte,  das  ihm  sein  eigener  Grund  und  Boden  verschaffen  konnte; 
nur  ist,  neben  dem  Missbrauche  für  den  Einzelfall,  zu  bedauern,  dass  jene  Heil- 
kraft bisher  nicht  in  den  allgemeinen  Dienst  der  Menschheit  gestellt  worden  ist. 
Selbst  in  wissenschaftlicher  Beziehung  ist  diese  Thatsache  schon  festgestellt  worden 
und  die  Zusammensetzung  der  Moorerde  von  hier  durchaus  gleich  und  gleichwerthig 
mit  der  von  Polzin  in  Pommern  befunden,  einem  Bade,  zumal  dem  nächstgelegenen, 
das  durch  seine  Moorbäder  berühmt  ist  Hr.  Czech  in  Mehlken  hat  sich  die  Mühe 
genommen,  eine  chemische  Untersuchung  vornehmen  zu  lassi^n. 

Jenes  Moor  mit  seiner  Eisenerde  veranlasst  mich  auch  noch  zu  ein  Paar 
Worten  über  eisenschüssigen  Kalktuff  in  jenem  Kreise,  wie  e^  auch  in  jenem 
Thale  bei  Mehlken  zu  Tage  tritt. 

Kalktuff  kommt  im  Kreise  Carthaus  öfters  vor.  Meist  geht  sein  Vorkommen 
mit  dem  Laufe  der  Leba;  er  Andet  sich  aber  auch  an  der  Radaune.  Für  die  Leba- 
Strasse  gilt  die  Annahme,  ihr  früherer  (?)  Lauf  sei  über  Kalk  und  Mergel  ge- 
gangen und  das  damit  gesättigte  Wasser  habe  weiterhin  einen  Versinterungs-Prozess 
durchgemacht.  Entweder  findet  sich  der  Kalktuff  bei  Seen  oder  nahe  oder  auf  grossen 
Torfbrüchen.  Selten  tritt  er  zu  Tage,  meist  muss  er  aufgedeckt  werden.  Häufig 
wird  er  markirt  durch  rothen  Erdboden,  die  Stelle  für  Schlachten  des  Volkmundes. 
Meist  ist  er  eisenschüssig.  An  den  Rändern  grosser  Torf  brücher  findet  man  häufig 
anter  dem  Torf  eine  kalkhaltige  Eisenschicht.  Niedere  Thiere,  sowie  Moose 
und  Flechten  drücken  sich  im  Kalktuff  ab.  Das  Auffinden  seltener  Kryptogamen 
an  oder  in  dem  Kalktuff  Hesse  sich  durch  Symbiose  erklären,  insofern  solche 
Gattungen  sich  nur  an  solche  Steine  halten.  Mir  jetzt  bekannt  gewordene  Stellen 
seiner  Auffindung  sind  folgende:  1.  Semlin  an  der  Radaune,  1V> — ^  ni  unter  Tage, 
in  Felsenschichten,  an  der  Brücke  aulgedeckt.  2.  Bei  Miloschewo,  Kr.  Neustadt, 
am  Leba-Flusse,  stark  eisenschüssig.  3.  Zwischen  Kossitzkauer  Untermühle  und 
Mlinsk  am  See  von  Sianowo,  durchsetzt  mit  geringhaltigem  Hergel,  sehr  viel  längs 
dem  rechten  See-Ufer,  markirt  sich  durch  rothen  Boden,  begleitet  das  rechte  Leba- 
Ufer  und  tritt  hier  fast  zu  Tage.  4.  Anhöhen  am  Flussufer  bei  Remboschewo. 
5.  Vorwerk  Leohain,  Kreis  Neustadt,  am  Rande  eines  grossen  Torf  bruches,  sowie 
unter  Mergellagem  in  Torfgruben.  6.  Mehlken,  Kr.  Carthaus,  südöstlich  im  Thale 
des  Stolpe-Baches,  mehrfach. 

Namentlich  zeichnete  sich  hier  eine  Stelle  stets  durch  ihr  quelliges  Verhalten  aus, 
da  sie  beim  Begehen  stark  wippte.  Beim  Mergelgraben  schoss  plötzlich  ein  Wasser- 
strahl von  8  Fuss  in  die  Höhe  und  es  bildete  sich  mit  der  Zeit  ein  teichartiges 
Gewässer,  welchem  man  durch  gezogene  Gräben  einen  Abfluss  schaffen  musste. 
Hauptsächlich  an  den  Gräben  kommt  der  Kalktuff  in  Mengen  vor,  ebenfalls  sehr 
eisenschüssig.  Der  entstandene  Teich  friert  jedoch,  wegen  der  Quelle  unter  ihm, 
im  Winter  niemals  zu,   und  bildet  dann  den  Zufluchtsort  für  die  Wildenten  der 

6* 


(68) 


ganzen  Umgegend;  zu  seinen  beiden  Seiten  sind  ffir  die  Ausübung  der  finssent  er* 
giebigen  Jagd  Schiesshütten  errichtet.  — 

(25)   Eb".  A.  Treichel  spricht  über  den 

Tapfenstein  bei  Hehlken,  sowie  im  AUgemeinen  ttber  Steine  mit  Fussspnren. 

Ein  bemerkenswerthes  Gebilde,  Ton  dem  ich  eine  Abbildung  gebe,  fand  ich 
ebenfalls  in  Mehlken,  Kr.  Carthaus,  Tor.  Es  ist  das  ein  Stein  mit  eingearbeiteten 
Fussspuren  zwischen  zwei  Kreuzen.  Augenblicklich  liegt  der  Stein  nahe  dem  Mühlen- 
Abwasser  und  fast  in  demselben.  Doch  versprach  mir  der  für  Prähistorie  sich 
sehr  interessirende  Grundherr,  Guts-  und  Mühlenbesitzer  Czech,  für  Unterbringung 
des  Steines  an  einer  mindestens  mehr  sichtbaren  Stelle  Sorge  zu  tragen.  In  einem 
stark  schwärzlichen  Steine,  wahrscheinlich  einem  Granit,  Ton  fast  75  cm  im  Qua- 
drate, mit  ziemlich  glatter  Oberfläche  an  der  be^ffenden  Stelle,   finden  sich  in 

deutlichen  Umrissen  die  Tapfen  eines  Fuss- 
paares  eingemeisselt.  Ihre  Länge  beträgt 
27  und  28  cm  bei  angemessener  Breite, 
so  dass  die  Tapfen  augenscheinlich  als 
einem  erwachsenen  Menschen  angehörig 
angesehen  werden  müssen.  Es  fallen  keine 
besonderen  Ränder  der  Einmeisselung  an 
den  Füssen  auf,  wie  bei  den  Torhin  er- 
wähnten Kreuzen;  vielmehr  gehen  Stein- 
rand und  Fusstapfe  gewölbt  in  einander 
über.  Bei  diesen  Füssen  ist  selbst  die  Aus- 
arbeitung der  je  5  Zehen  etwas  merklich, 
wenn  auch  an  dieser  Stelle  eine  grössere  Verwitterung  eingetreten  ist.  Ebenso 
tragen  zur  Verdunkelung  der  Erkennung  die  Polster  von  Flechten  und  Moosen  bei, 
deren  Ausbildung  bei  der  Nähe  des  Wassers  eine  nicht  zu  kleine  ist  Den  Ab- 
stand der  Fusstapfen  unter  einander,  sowie  von  den  so  eben  erwähnten  Kreuzen  habe 
ich  festzustellen  unterlassen;  es  wird  indessen  nicht  zu  viel  darauf  ankommen  und 
jedenfalls  von  vom  herein  anzunehmen  sein,  dass  die  Abstände  von  dem  Bild- 
hauer(?)  in  richtigem  Verhältniss  gehalten  seien.  Man  würde  für  den  ersten  Augen- 
blick voll  Zweifel  einem  Naturspiele  (Auswaschungs-Prozess)  gegenüberzustehen 
glauben  können,  wenn  nicht  die  in  kurzem  Abstände  davon  eingefügten  zwei 
stehenden  Kreuze,  von  je  10  cm  Länge  aller  vier  Kreuzeszinken,  in  deutlichster 
Sichtbarkeit  durchaus  für  die  manuelle  Herstellung  des  Ganzen  sprächen.  Alsdann 
könnte  vielleicht  eine  zwischen  den  beiden  Tapfen  in  der  Hackengegend  ein- 
gefügte kleine,  längliche  Vertiefung  mehr  einer  natürlichen  Deformation  des  Steines 
ihr  Dasein  verdanken,  als  einen  darstellenden  Zweck  verfolgen,  obgleich  ich  zur 
Zeit  noch  keine  Muthmaassung  über  das  Wie  und  Weshalb  auszusprechen  vermag. 
Uebrigens  zeigen  die  nach  verschiedenen  Richtungen  sich  verbreiternden  Fuss- 
blätter,  dass  sie  den  rechten  und  den  linken  Fuss-Abdruck  eines  Fusspaares  nach- 
bilden sollen.  Auch  dieser  Tapfenstein,  wie  ich  ihn  benennen  will,  soll  vom 
Schlossberge  herstammen. 

Gleichviel  wie  dem  sein  mag,  es  will  mir  scheinen,  dass  sich  hiermit  den 
beiden  Perioden  des  Stein-Gultus  und  des  Bronze-Sporns  für  Mehlken  eine  dritte 
Zeit  anreiht,  eine,  wie  ich  meine  und  wie  ich  sie  benennen  will,  clericale  oder 
kirchliche  Zeit,  deren  Stabilirung  nur  beweist,  wie  ein  Platz,  namentlich  ein  zur 
Befestigung  geeigneter  Platz,   zu   verschiedenen   Zeiten   und   von   mannichfachen 


(69) 

Stämmen  oder  auch  .selbst  Volksklassen  immer  wieder  zur  Benutzung  als  passligh 
angesehen  wird,  ganz  zu  schweigen  von  einer  noch  fHlheren  Zeit,  die  mir  durch 
Aujffindung  eines  SchüTsankers  in  der  Nähe  von  Mehlken  verbürgt  erscheint, 
sowie  von  einer  späteren,  historischen  Zeit  (vergl.  wirkliche  Schwedenschanzen), 
wofür  eine  hier  gefundene  ältere  schwedische  Münze  sprechen  könnte.  In  Betreff 
der  Annahme  einer  kirchlichen  Zeit  bemerke  ich  kurz,  dass  das  nahe  ehemalige 
Kloster  Zuckau  hier  seine  erste  Niederlassung  gehabt  haben  soll,  obschon  historisch 
mir  nichts  davon  bekannt  ist  Diese  Behauptung  entstammt  dem  Munde  eines 
jetzt  freilich  geistig  umnachteten  geistlichen  Herrn,  welcher,  zumal  mit  der  Gegend 
befreundet  und  bekannt,  nicht  ohne  Unterlage  zu  deduciren  pflegte.  Er  berief  sich 
dabei  auf  eine  Urkunde,  die  —  ob  falsch,  ob  richtig  verstanden  —  jedenfalls  im 
dortigen  Pfarr-Archive  aufflndbar  sei,  das  mir  aber  auf  meine  desfallsige  Anfrage 
keinerlei  Antwort  ertheilte.  Für  eine  grössere  Siedelung  sprechen  ja  die  vor- 
gemeldeten Spuren  genugsam.  Auf  etwas  Kirchliches  aber  deuten  zu  allermeist 
die  beiden  Kreuze  hin.  Fragt  man  aber  nach  der  Bedeutung  und  nach  dem  Zwecke 
des  Steines  mit  dem  bekreuzten  Fussspuren-Paare,  so  könnte  ich  dafür  eine  Fluth 
von  Vermuthungen  vorführen. 

Für's  Erste  greife  ich  eine  Aufstellung  heraus,  wie  ich  sie  aus  dem  Munde 
des  Volkes  an  Ort  und  Stelle  selbst  hörte.  Dies  soll  ein  Stein  gewesen  sein, 
entweder  vor  oder  binnen  der  kirchlichen  Anlage  gelegen,  auf  welchem  die- 
jenigen, die  für  irgend  ein  bedeutsam  erscheinendes  Vergehen  eine  Strafe  zu  ver- 
büssen  hatten,  zu  stehen  gekommen  wären;  daher  habe  man  zur  Veranschau- 
lichung gleichsam  die  Fusstapfen  in  den  Stein  hineingearbeitet,  und  daher  sei  der 
Stein  selbst  wohl  als  ein  füsserstein  anzusprechen.  Er  wäre  also  gleichsam 
ein  Pranger  für  grosse  Sünder  gewesen.  Hierfür  vermag  ich  keine  weiteren  Unter- 
lagen zur  beweisenden  Stütze  herzugeben.  Auch  könnte  man  bei  der  obigen  Muth- 
maassung  sehr  wohl  des  Glaubens  sein,  dass  die  Mönche,  deren  Gebäude  durch  den 
Krieg  zerstört  waren,  bei  ihrem  Wegzuge  den  so  schwer  transportabeln  Büsserstein 
ausser  Acht  lassen,  bezw.  zurücklassen  durften,  zumal  da  es  in  so  steinreicher  Um- 
gegend ein  Leichtes  sein  musste,  am  Orte  der  neugewählten  Niederlassung  einen 
gleich  leicht  bearbeitbaren  Granitstein  für  die  Hand  ihres  werkkundigen  Bruders 
Steinmetz  aufzufinden.  Gegen  die  Auffassung  als  Büsserstein  spricht  aber  sehr 
Vieles.  Es  ist  nehmlich  nicht  bekannt,  noch  steht  es  für  frühere  Zeit  fest,  dass 
innerhalb  der  katholischen  Kirche  eine  solche  Strafe  und  ihre  Ausführung  im 
Schwange  war;  in  neuerer  Zeit  aber  kann  davon  keineswegs  die  B^de  sein.  Wäre 
sie  es  aber  gewesen  und  somit,  möchte  ich  sagen,  zu  einem  förmlichen  Requisite 
geworden,  so  müsste  erstlich  etwas  davon  als  ganz  oder  halb  kirchliche  Vorschrift 
überliefert  sein,  und  es  müssten  zweitens  dergleichen  Steine  sich  noch  bei  sehr 
vielen  anderen,  namentlich  älteren  Kirchen  auffinden  lassen.  Das  ist  aber  nicht 
der  Fall  und  somit  jene  Deutung  auszuschliessen.  Betreffs  der  Strafe  habe  ich 
durch  Umfrage  nur  das  gewiss  Richtige  erfahren,  dass  es  grossen  Sündern  nur 
verboten  gewesen  war,  die  Kirche  zu  betreten;  sie  mussten  draussen  bleiben 
oder  in  der  Vorhalle  sich  aufhalten,  gewöhnlich  unter  dem  Orgelraume.  Auch 
würden  alsdann  solche  Steine  mit  einem  gewissen  Odium  behaftet  gewesen  und 
durch  Tradition  verpönt  geblieben  sein,  wogegen  das  gläubige  Volk,  namentlich 
wenn  sie  auch  Fusstapfen  als  Naturspiele  aufweisen,  sie  mit  Heiligen,  ja,  mit 
Gott  selbst  in  Verbindung  bringt  und  ausserdem  noch  Sagen  von  der  Mutter 
Gottes  u.  s.  w.  in  Verbindung  damit  entstehen  lässt 

Waren  die  Steine  mit  Fussspuren  ursprünglich  wohl  immer  Grabsteine, 
und  somit  die  Spuren  die  Nachbildung  der  Füsse  der  darunter  oder  in  der  Nähe 


(70) 

Bestatteten,  so  fehlten  alsdann  doch  immer  die  hier  vorhandenen  Zeichen  der 
Kreaze.  Das  Kreuz  aber  aufzufassen  als  graphischen  Charakter  der  Sonne,  als 
ein  Amulet,  zur  Bannung  aller  bösen  Einflüsse,  das  geht  schon  wegen  seiner  christ- 
lichen Bedeutung  nicht  recht  an. 

Es  könnte  sich  aber  auch  noch  fragen,  ob  die  Kreuze  gleichzeitig  mit  den 
Tapfen  entstanden  oder  erst  später  gemacht  worden  sind.  Die  fast  gleichmessende 
und  dennoch  nicht  belanglos  abweichende  Länge  des  Fignrenpaares  unter  sich, 
sowie  das  nur  durch  das  Moosgrau  verdunkelte  Auftreten  der  in  diesem  Falle 
wirklich  eingearbeiteten  Zehen  müssen  hier  nur  an  den  ersteren  Fall  denken  lassen 
und  dürfen  der  Auffassung  keinen  Raum  geben,  als  wenn  etwa  späterhin  die 
Kreuze  einem  Steine  eingefügt  wurden,  welcher  mit  Staunen  gefunden  wurde,  da 
er  die  Fusstapfen  durch  Auswitterung  schon  von  der  Mutter  Natur  empfangen  hatte. 
Um  solche  durch  Verwitterung  oder  durch  Auswaschung  entstandene  Einhöhlungen 
handelt  es  sich  hier  keineswegs;  solche  sind  stets  scharf  von  künstlich  gemachten 
zu  trennen  und  streng  zu  scheiden. 

Mir  will  femer  scheinen,  als  ob  die  Auffassung  von  der  Hand  zu  weisen  sei,  wo- 
nach solche  Fusstapfen-Steine,  ob  mit  Kreuzen,  ob  selbst  ohne  solche,  wenn  sie  nicht 
einer  christlichen  Kirche  entnommen  sind  (wofür  allerdings  bei  der  Verschwommen- 
heit oder  Mangelhaftigkeit  aller  historischen  Ueberlieferungen  für  unsere  Gegenden 
jeder  Beweis  fehlen  dürfte),  noch  aus  heidnischer  Zeit  herrühren  könnten  oder  viel- 
leicht gar  mit  der  Völkerwanderung  hergekommen  sein  dürften. 

Leider  fällt  dieser  Stein  und  die  darauf  beßndliche  Darstellung  nicht  in  das 
Gebiet  der  Parallelen  von  den  Steinen,  wie  sie  Dr.  Rieh.  Andree  im  ersten  Bande 
seiner  Ethnographischen  Parallelen  behandelt  hat,  wo  er  sich  nur  mit  der  Deutung 
der  natürlichen  Zeichen,  Auswaschungen  u.  s.  w.  beschäftigt;  sonst  könnte  man 
sich  daher  Raths  erholen. 

Um  Fussspuren  handelt  es  sich  häufig  bei  Heiden,  Christen,  Muhamedanem 
und  Buddhisten  in  den  Ländern,  wo  solche  vorkommen.  Hier  beweisen  die  beiden 
seitlichen  Kreuze  aber  nur  zu  deutlich,  dass  die  Herstellung  solcher  Steine  auf 
einer  christlich-kirchlichen  Auffassung  beruht  haben  muss.  Schon  Buddha  sollte  in 
Ceylon  Fussspuren  auf  Steinen  hinterlassen  haben.  Der  Römer  stemmte  seinen 
Fnss  auf  die  Erde  als  Zeichen  der  Besitznahme  des  eroberten  Landes.  Im  Mittel- 
alter begegnen  wir  den  Fussspuren  und  ganzen  Füssen  auf  Geräthen  und  kirch- 
lichen Epitaphien.  Steine  mit  eingehauenen  Hufeisen  stellten  die  Römer  als  Zeichen 
ihrer  Limites  auf.  Sogar  Karten  des  Landes  will  man  auf  Steinen  gefunden  haben 
(Aegjrpten,  Schweiz). 

Wie  die  Römer  und  Griechen  ihren  Göttern  und  Göttinnen  Thierfttsse  bei- 
legten, so  haben  die  Sagen  der  indogermanischen  Völker  auch  überliefert,  dass 
Fussspuren  der  Götter  und  Dämonen  dem  Erdboden  eingedrückt  worden  seien. 
Neben  Buddha  ist  da  noch  Isis  anzuführen.  Diese  Fusstapfen  sind  meist  ein  sym- 
bolischer Ausdruck  für  die  Spuren  des  Segens  einer  Gottheit. 

Ich  hatte  mich  anfangs  bemüht,  alle  diese  Fussspuren,  namentlich  auf  Steinen, 
wenn  auch  nur  für  Deutschland,  zusammenzutragen,  musstc  mir  dann  aber  sagen, 
dass  dies  Unternehmen  ein  für  eine  einzelne  Kraft  zu  grosses  und  den  Rahmen 
der  Betrachtung  eines  Einzelsteines  überschreitendes  sein  müsse,  zumal  da  alle 
verschiedenen  Anlässe  und  Erklärungen,  wie  sie  Einzelgegenden  anhaften,  ganz 
und  gar  nicht  auf  unsere  Provinz  passen  wollten.  Dennoch  gebe  ich  als  Ein- 
schiebsel, was  der  erste  Versuch  an  Ert^ebnissen  gefördert  hat,  damit  das  Material 
nicht  verloren  gehe. 

Hr.  Dom-Capitular  Dr.  Zimmern  in  Speyer  meldete  mir,  dass  auch  im  Pflaster 


(71) 

der  grossen  Terrasse  vor  dem  Friedrichsbau  des  Schlosses  in  Heidelberg  eine 
solche  Fnsssohle  in  riesigen  Formen  gezeigt  und  der  Biesentrapp  genannt  werde. 

Durch  Rücksprache  mit  Hm.  Dr.  Mehlis  in  Dürkheim  a.  H.  [in  dessen  Nähe, 
auf  dem  sagenumwobenen  Drachenstein,  derselbe  nach  Zeitungsberichten  kürzlich 
eine  Inschrift  entdeckte,  die  nach  seiner  Ansicht  nur  eine  Runenschrift  sein 
kann  und  alsdann  die  einzige  wäre,  die  in  Deutschland  noch  auf  festem  Boden 
haftet  (auf  dem  dort  häufigen  Buntsandstein)],  erhielt  ich  auf  dem  Congresse  in 
Speyer  die  Runde,  dass  Fussspuren  auf  Steinen,  und  zwar  recht  häufig,  auch  in 
allen  den  Landschaften  und  Gebieten  Süd-Deutschlands  vorkämen,  in  denen  vor 
Jahrhunderten  der  Bund  der  rebellischen  Bauern,  der  Bundschuh,  sein  Wesen  ge- 
trieben hat.  Die  einzelnen  Oertlichkeiten  habe  ich  vergessen.  Es  gewinnt  somit 
den  Anschein,  als  ob  die  Fussspuren  alsdann  mit  dem  Namen  und  dem  Embleme 
des  Bundes  irgendwie  in  passendem  Zusammenhange  gestanden  hätten. 

Schliesslich  stelle  ich  noch  hierher,  was  ich  über  Fussspuren  im  Norden 
Deutschlands  erfahren  habe.  Nach  Fräul.  Direetor  J.  Mestorf  in  Kiel  giebt  es 
für  Schleswig-Holstein  und  Dänemark  folgende  Anhaltspunkte:  „Man  hat  dort 
an  einem  grossen  Schalenstein  (aus  einem  Grabhügel)  seitlich  eine  Fusssohle. 
Auf  den  Felsenbildern  in  Bohuslän  kommen  sie  häufig  vor,  bisweilen  in  grösseren 
Gruppen  beisammenstehend.  Ferner  findet  sich  eine  Fusssohle  auf  einer  Urne  in 
Jütland,  die  von  Dr.  Sophus  Müller  in  seinem  Werke  „Ordning  af  Danmarks 
Oldsager^  abgebildet  ist.  Die  Urne  ist  mit  Mäander -Ornament  geschmückt  und 
darunter  rings  um  das  Gefäss  eine  Rosette,  darunter  wieder  eine  Fusssohle  mit  ^deut- 
lichen fünf  Zehen  ^.  Daraus  geht  hervor,  dass  dies  Symbol  sich  lange  Zeit  erhalten 
hat,  denn  die  schwedischen  Hällristningar  und  unser  holsteinischer  Schalenstein  ge- 
hören der  Bronzezeit  an,  wohingegen  die  Urne  aus  Jütland  in  die  römische  Periode  der 
Eisenzeit  gesetzt  werden  muss.  Ueber  die  Bedeutung  dieses  Symbols  weiss  ich  Ihnen 
nichts  zu  sagen.  Möglicherweise  ist  ein  Zusammenhang  mit  den  Hufeisen-Steinen 
vorhanden;  jedenfalls  glaube  ich  dies  in  Bezug  auf  die  „Hände**.  Wir  haben  einen 
Stein  (Deckstein  eines  Steinalter- Grabes)  aus  Holstein,  der  ausser  zahlreichen 
Näpfchen,  auch  concentrische  Ringe,  Ring  mit  Kreuz  (oder  vierspeichiges  Rad  ^) 
und  fünf  Hände  mit  deutlichen  fünf  Fingern  zeigt.  Dass  diesen  Zeichen  eine 
mythische  Bedeutung  zu  Grunde  liegt,  scheint  ausser  Zweifel.  Unsere  Sagen  wissen 
ja  davon,  dass,  wo  eine  Gottheit  gewandelt,  Segen  und  Gedeihen  spriesst;  vielleicht 
glaubte  man,  dass  ein  Gott  oder  eine  Göttin  dort,  wo  wir  das  fragliche  Zeichen 
finden,  eine  Cultusstätte  gehabt  hat." 

Wie  mich  Hr.  Dr.  Joh.  Bolte  belehrte,  sind  grössere  Artikel  über  Fussspuren- 
Steine  in  den  Nachbarländern  Frankreich  und  Italien  noch  zu  finden  in  der  Revue 
des  traditions  populaires  10.  (Empreintes  merveilleuses)  1895  und  im  Archivio  delle 
tradizione  popolari  13,  97  (1894)  und  14,  340  (1895)  unter  dem  Titel:  Impronte 
maravigliose  in  Italia,  wie  auch  schon  in  früheren  Jahrgängen  derselben  Zeit- 
schriften andere  gleichartige  Mittheilungen. 

Ich  kehre  nunmehr  zu  meiner  Heimath  zurück  und  muss  einer  anderen  Auf- 
fassung Raum  geben.  Es  giebt  nehmlich  Stimmen,  welche  Steine  mit  eingemeisselten 
Fusstapfen  als  Grenzsteine  aus  altpolnischer  Zeit  ansprechen.  Das  Hesse 
sich  als  etwas  Neues  hören,  vielleicht  auch  als  etwas  Gültigeres,  namentlich,  wenn 
sich  zu  diesem  Zwecke  schriftliche  Urkunden  darböten;  aber  auch  dann  möchte 
ich  es  nur  für  Grosspolen  gelten  lassen,  wozu  ein  Theil  Pommerellens,  freilich 
erst  in  viel  späterer  Zeit,  als  Provinz  oder  Wojwodschaft  hinzukam.  In  unserer 
Urkunden-Gompilation  (Pomm.  Urk.-B.)  kommen  ausser  Seen  und  Sümpfen  wohl 
Bäume  als  Grenzmarken  vor,  die  durch  besondere  Schnitte  gekennzeichnet  werden, 


(72) 

worunter  auch  das  Kreuz;  dann  Hügelschüttungen  mit  Inhalt  Ton  Glasscherben  und 
Schmiede- Abfall;  weniger  aber  grössere  Steine,  die  auffielen.    So  wäre  es  nur  ein 
Schritt,  die  Zeichen  der  Bäume  auf  den  Stein  zu  übertragen.    Ueberdies  mussten 
Grenzbäume  für  heilig  gehalten  und  als  solche  bezeichnet  werden,  damit  sie  nicht 
umgehauen  wurden;   beim  Steine  war  das  nicht  denkbar,   wenn  er  auch  rerrückt 
werden  konnte.    Diese  Heiligkeit  der  Grenzen  invehirt  also  sowohl  etwas  Staat- 
liches, wie  auch  etwas  Religiöses,  und  dies  Zusammentreffen  mag  vielfach,  je  nach 
Zeit  und  Ort,   den  Grund  der  Herstellung  solcher  Steine  mit  Fussspuren  gebildet 
oder  beeinflusst  haben.    Doch  betone  ich  nochmals  die  Geltung  dieser  Annahme 
mehr  für  Grosspolen,  und  sodann  das  Vorhandensein  eines  Plus:  nehmlich  der  Rreuz- 
paare,   die  gewiss  einem  kirchlichen  Zwecke  zuzusprechen  sind.    Das  ganze  Ge- 
schäft der  Besitz-Ausmessung  lag,  nachdem  einmal  das  Areal  überwiesen  war,  in 
den  Händen  der  Feldmesser,  welche  auch  für  unser  Land  im  Pomm.  Urk.-Buche  er- 
wähnt werden.   Ueberdies  waren  die  yerliehenen  oder  gekauften  Areale  in  frtlhester 
Zeit  wohl  nicht  so  engherzig  zugetheilt.    Die  Sagen  von  ungetreuen  Feldmessern 
und  die  Processe  über  verrückte  Grenzsteine  entstanden  erst  in  späterer  Zeit,   als 
das  Land  für  die  Bevölkerung  knapp  zu  werden  begann ;  dazu  kam  dann  noch  die 
hämische  Sinnesart  des  Nachbarn,  ^mit  dem  man  nicht  in  Frieden  leben  kann,  wenn 
es  ihm  nicht  gefällt,^  wie  das  Wort  des  Dichters  lautet    Andererseits  documentirte 
sich  dabei  auch  eine  gewisse  Nonchalance,  und  ich  stehe  nicht  an,  hier  eine  in  der 
That  äusserst  naive  und  naturwüchsige  Geschichte  einzuschalten,   die  der  üeber- 
lieferung  nach  wahr  sein  soll,   wie  im  Kreise  G arthaus  früher  auf  eine  andere 
Art  die  Grenze  beim  Streite  zwischen  zwei  Nachbarn  festgestellt  sein  soll. 
„Handelte  es  sich  bei  den  Bauern  um  Streit  über  die  nicht  recht  feststehende  Grenze 
ihrer  Gemarkungen,  so  nahm  man  einen  Ochsen,  fütterte  diesen  mit  salzigen  Sachen 
recht  satt,   stillte  dann  seinen  bald  ausbrechenden  Durst  tüchtig  mit  Wasser  und 
führte  ihn  am  Stricke  auf  den  strittigen  Grenzrain.    Wo  nun  und  in  welchen  Win- 
dungen der  Ochs  beim  allmählichen  Weiterführen  sich  des  eingenommenen  Wassers 
entledigte,  welche  Procedur  bei  ihm  bekanntlich  eine  Sache  von  langer  Dauer  ist, 
da,  so  wurde  angenommen,  sei  die  Grenze  gewesen,  und  dieser  Strich  wurde  für 
alle  künftige  Zeit  in  Frieden  und  ohne  weiteren  Streit  als  richtige  Grenze  angesehen. 
Solche  Entscheidung  durch  einen  Ochsen  ist  gewisslich  neu,   dennoch  aber  durch 
Erzählung  alter  Leute  wohl  verbüi^.    So  erzählte  es  ein  Mann  Namens  Szcypior 
(zu  deutsch  Schnittlauch)  aus  Kossiczkau,  und  so,  sagte  er,  habe  es  ihm  schon  sein 
Vater  erzählt  (Czech). 

Dieser  Sache  ftige  ich  einen  ähnlichen  Bericht  über  einen  russischen  Salomo 
hinzu.  Ein  Correspondent  der  Zeitung  ^Schisu  i  Iskustwo^  erzählt  von  einem  bäuer- 
lichen Salomo,  dem  Dorf-Aeltesten  Jakob  Iwantschenko,  im  Bezirke  von  Rado- 
myssl,  der  sich  durch  seine  bei  Schlichtung  von  Grenz-Streitigkeiten  an  den  Tag 
gelegte  Weisheit  unter  den  Bauern  seines  Bezirkes  grosses  Ansehen  erworben  hat. 
Als  der  erwähnte  Correspondent  Iwantschenko  befragte,  wie  er  es  anfange, 
immer  beide  Parteien  zufrieden  zu  stellen,  erzählte  der  Mann  Folgendes:  „Die  Sache 
ist  höchst  einfach:  ich  beauftrage  zuerst  die  eine  Partei,  die  Grenze  durch  Pflöcke 
abzustecken,  sodann  lasse  ich  die  andere  Partei  dasselbe  thun.  Wenn  so  beide 
Parteien,  jede  in  ihrer  Weise,  die  Grenze  angegeben  haben,  befindet  sich  natürlich 
zwischen  diesen  beiden  Grenzen  ein  leerer  Raum.  Dann  rufe  ich  den  Gemeinde- 
Diener  und  sage:  Bringe  mir  Pflöcke  her!  Wenn  man  mir  die  Pflöcke  gebracht 
hat,  schlage  ich  diese  eigenhändig  in  die  Erde  und  zwar  genau  in  die  Mitte  des 
Raumes,  der  sich  zwischen  den  durch  die  streitenden  Parteien  bezeichneten  Grenzen 
befindet.    Nachdem  ich  die  Pflöcke  eingeschlagen  habe,    wende  ich  mich  an  die 


(73) 

Parteien  mit  den  Worten:  So,  jetzt  habe  ich  die  Pflöcke  eingeschlagen;  das  hier 
mass  die  Grenze  sein;  wenn  Ihr  nicht  zofHeden  seid,  könnt  Ihr  Euch  über  mich 
beschweren.  Nach  der  Yersichemng  Iwan tschenko's  sind  die  Bauern  mit  seiner 
l^tscheidong  noch  immer  zufrieden  gewesen.^ 

Doch  hören  wir  jetzt  weiter,  was  mir  dorch  Hm.  Lehrer  Jarz^bowski  in 
Rogasen  „über  Steine  mit  eingemeisselten  Fusstapfen  als  Grenzsteine  ans  alt- 
pohiischer  Zeit^  mitgetheilt  wurde.  Kasimir  der  Grosse  (kröl  chlopköw  =  Banern- 
könig,  1333—1370)  hatte  zur  Schlichtung  von  Grenzstreitigkeiten  eine  Art  von  Rataster- 
Aemtem  eingerichtet.  In  einem  Localtermin  wurde  die  Grenze  festgestellt  imd  ein 
Grenzstein  eingegraben,  in  den  der  betreffende  Beamte  (polnik  pieszy,  d.  i.  Fuss, 
Feldmesser)  zum  Zeichen  seiner  Anwesenheit  einen  Menschenfuss  hineinzumeisseln 
pflegte.  Waren  die  Parteien  mit  seiner  Entscheidung  nicht  zufHeden,  so  wandten 
sie  sich  an  eine  höhere  Instanz,  deren  Vertreter  (polnik  kowny  =  berittener  Feld- 
messer) zu  dem  Menschenfuss  noch  einen  Pferdehuf  hinzufügte.  Ein  solcher  Stein 
befindet  sich  bei  Rletzko  im  Kreise  Gnesen  auf  der  Stelle,  wo  der  über  Paulsdorf 
nach  Pomarzany  führende  Weg  und  die  Chaussee  sich  kreuzen.^ 

Vielleicht  mag  sich  ein  Weiteres  darüber  finden  in  einem  mir  angeführten 
Statut  von  Wieüczka  von  1374(?),  worüber  mir  aber  kein  Nachschlagebuch  zur 
Verfügung  steht. 

Zur  weiteren  Stütze  meiner  Ansicht,  dass  der  bekreuzte  Tapfenstein  von  Mehlken 
in  seiner  Bedeutung  nur  auf  kirchlichem  Gebiete  zu  fassen  sei,  hole  ich  femer 
Bausteine  aus  Neustadt  in  Westpreussen  herbei,  das  nicht  weit  davon  liegt.  Hier 
handelt  es  sich  nach  meinen  Meldungen  sogar  um  zwei  Steine,  von  denen  ich  den 
ersteren  nur  erwähne,  damit  er  ausgeschieden  und  nicht  wieder  auf  ihn  zurück- 
gekommen werde.  Hr.  Dr.  Taubner  in  Allenberg -Wehlau  meldete  mir  nehmlich 
von  einem  Fussspuren-Steine,  welcher  in  Kniehöhe  an  der  südöstlichen  Ecke  (nach 
Osten  sehend)  beim  Baue  des  Gewächshauses  an  der  Provinzial- Irrenanstalt  in 
Neustadt  eingemauert  und  worin  der  Contour  eines  Fusses  in  natürlicher  Länge 
herausgearbeitet  sei;  die  mitgesendete  Zeichnung  zeigt,  dass  nach  einem  Eindrucke 
von  1  cm  Tiefe  ein  Oblong  heraussteht  und  dann  wieder  ein  Eindruck  von  gleichem 
Niveau  zu  sehen  ist.  Weil  das  Herausgearbeitete  aber  ein  Oblong  und  kein  Fuss 
ist,  so  gehört  der  Stein  nicht  zu  unserer  Betrachtung  und  dürfte  bei  dieser  Ordnung 
des  Ein  und  Aus  und  Ein  auch  eher  ein  Answaschungs-Ei^ebniss  darstellen,  also 
ein  Artefakt,  bei  welchem  jene  Anordnung  recht  ungewöhnlich  wäre.  Dieser  Stein 
mag  sonst  seine  Bedeutung  haben,  passt  aber  nicht  fär  den  vorliegenden  Zweck; 
übrigens  muss  er  auch  gar  wenig  sichtbar  sein,  weil,  laut  gef.  Antwort  der  An- 
stalts-Direction,  es  dort  niemandem  gelingen  wollte,  ihn  neu  zu  entdecken.  Er  soll 
aus  der  Nähe  von  Neustadt  stammen  und  wird  auch  nicht  einmal  von  einer  Sage 
umsponnen  sein,  weil  das  Volk  ihn  sonst  ftlr  etwas  Besonderes  gehalten  und  seine 
Entfernung  zu  einem  Profanbaue  keineswegs  zugelassen  hätte. 

Nun  hörte  ich  aber  noch  von  einem  anderen  Steine  bei  jenem  Orte,  einer  erst 
spät,  zu  Ende  des  17.  Jahrhunderts  gegründeten  und  anfanglich  nach  dem  Namen 
der  Gründer  Weiherowo  genannten  Stadt,  zugleich  einem  berühmten,  weil  mit 
Leidens-Stationen  ausgestatteten  Wallfahrts- Orte  Westpreussens  mit,  wie  es  heisst, 
26  Capellen  (vergl.  meinen  Aufsatz  über  Capellen-Marken  und  über  das  Thränen- 
Thor  in  Sitz.-Ber.  vom  15.  October  1881  in  dieser  Zeitsch.  XIH,  S.  313).  Wenn 
es  nun  feststeht,  dass  in  früheren  Zeiten  nach  ihrem  Drange  Pilgerfahrten 
zum  heiligen  Lande  stattfanden  und  dass  die  von  jenen  heiligen  Orten  heim^ 
kehrenden  Pilger  sich  Nachbildungen  von  dort  zur  Erinnerung  machen  Hessen,  so 
ist  es  noch  mehr  begründet  und  durch  den  Augenschein  erweislich,  dass  auch  die 


(74) 

ganze  Lage  der  heiligen  Ortschaften  in  solchen  ^Leidens-Stationen*^  oder  ^Kreoas- 
wegen^  mit  minutiösester,  selbst  geometrischer  Ausmessung  der  Entfernungen  zur 
Nachbildung  gelangte.  Wie  solches  noch  in  einer  kleinen  Stadt  Posens  der  Fall 
ist,  so  treffen  wir  auf  die  Ausführung  jenes  Gedankens  selbst  und  zwar  sofort  bei 
der  Anlage  von  Neustadt  in  Westpr.  Bei  dieser  Thatsache  wird  die  Vermuthung 
zur  Wahrscheinlichkeit,  dass  eine  fragliche  Fusstapfe  auch  eine  Nachahmung  irgend 
einer  Spur  sein  müsse,  die  nach  der  Legende  ein  Heiliger  zurückgelassen  habe,  im 
Besonderen  eine  Erinnerung  an  den  Fusseindruck,  welchen  der  Heiland  bei  der 
Himmelfahrt  auf  dem  Felsen  des  Oelberg-Gipfels  bewirkt  haben  soll  und  dessen 
Spur  noch  heute  in  der  dortigen  (Jerusalem-)  Himmel fahrts-Rirche,  der  jetzigen 
Muhamedanischen  Moschee,  gezeigt  wird. 

Mit  der  wirklichen  Lage  an  Ort  und  Stelle  deckt  sich  nun  die  Nachahmung 
vollkommen.  An  einer  der  auch  durch  Gapellen  bezeichneten  Stationen,  welche 
den  Leidensweg  Christi  räumlich  und  figürlich  zur  Anschauung  bringen  sollen,  und 
zwar  in  der  That  ebenfalls  an  der  sogenannten  Himmel fahrts-Gapelle  (also 
weder,  wie  mir  anfänglich  berichtet  wurde,  an  der  Rreuzigungsstätte,  noch  auf  dem 
Niederfallplatze)  oder  vielmehr  in  derselben  ist,  wie  mir  auf  meine  Anfrage  freund- 
lichst durch  Hrn.  Decan  Licent.  v.  Dabrowski  mitgetheilt  wird,  ein  Stein,  in 
welchem  die  Fusstapfen  von  zwei  menschlichen  Füssen  eingravirt  zu  sehen  sind  ^), 
Nun  liegt  doch  wahrlich  der  Rückschluss  sehr  nahe,  dass  die  jerusalemitische 
Deutung  auch  hier  gelten  soll,  der  Herr  sei  hinaufgefahren  und  habe  die  Spuren 
seiner  menschlichen  Füsse  hinterlassen.  Wir  werden  also  gleiche  oder  ähnliche 
Deutungen  annehmen  müssen,  wo  wir  in  unserer  Provinz  ebenso  bezeichnete  Steine 
vorAnden,  dies  aber  in  desto  stärkerem  Maasse,  wenn  jenem  Fusspaare  seitlich 
noch  ein  Kreuzpaar  beigegeben  ist.  Diese  Auffassung  scheint  mir  denn  auch 
die  plausibelste  für  den  derartig  einzig  bekannten  Stein  von  Mehlken  zu  sein, 
und  zwar  um  so  mehr,  wenn  sich  die  bisher  allerdings  nur  in  der  Luft  stehende 
Sage  von  der  ersten  Ansiedelung  eines  Klosters  an  dieser  Stelle  bewahrheiten 
sollte,  da  auch  hier  ja,  zumal  bei  dem  bergigen  Terrain,  leicht  eine  ähnliche  An- 
lage in^s  Auge  hätte  gefasst  sein  können,  wobei  am  Ende  dem  ßurgwalle  die  Rolle 
des  Oelberges  zugewiesen  wäre. 

Es  begreift  sich,  dass  ich  zur  weiteren  Begrtlndung  meiner  Annahme  auch 
nach  den  zur  Sache  gehörigen  Legenden  eine  Suche  abgehalten  habe,  wobei  ich 
besonders  in  Handbüchern  und  Real-Encyklopädien  auf  ein  reicheres  Ergebniss  ge- 
rechnet hatte.  Somit  gebe  ich  nachtragsweisOt  was  mir  aus  solchen  Quellen  kund 
wurde,  zuerst  ein  sehr  einschlägiges  Besonderes,  sodann  ein  mehr  verlängertes 
Allgemeines. 

Ueber  Fusstapfen  im  christlichen  Sinne  giebt  Dr.  J.  Schuster's  Handbuch 
der  biblischen  Geschichte  des  Alten  und  Neuen  Testaments,  Theil  ü,  S.  465, 
Anm.  20,  den  folgenden  Passus,  welcher  hauptsächlich  zur  Stütze  meiner  Erklärung 
dienen  mag.  ^Wie  wir  sehen,  ist  die  Verehrung  der  Fussspuren  aus  dem  Alten 
Testamente  gekommen,  und  zwar  nach  einem  Worte  des  Propheten.  Die 
mittlere  und  höchste  Spitze  des  Oelberges  wird  als  die  Stätte  der  Himmelfahrt 
Christi  verehrt.  Schon  in  den  ersten  Jahrhunderten  pilgerten  die  Christen  hierher, 
wo  der  Herr  in  dem  Augenblicke,  als  er  sich  zum  Himmel  erhob,  die  Spur  seiner 
Füsse  in  den  Boden  eingedrückt  haben  soll.  Von  Eusebius,  Bischof  von  Caesarea 
in  Palästina,  welcher  das  Leben  Constantinus  d.  Gr.  in  4  Büchern  beschrieben 
hat,  wird  Folgendes  III,  41,  42,  43  berichtet:    Er  (Constantin)  ehrte  in  der  Grotte 

])  Etwaige  Maasszahlen  kann  ich  erst  später  bringen. 


(75) 

der  Himmelfahrt  deren  Andenken  auf  dem  Gipfel  des  (Oel-)  Berges.  —  Diese  (Helena^ 
Mutier  des  Kaisers)  hatte  beschlossen,  Gott,  dem  Könige  der  Könige,  den  Tribut 
ihrer  frommen  Gesinnung  darzubringen,  und  zu  dem  Zwecke  kam  die  bejahrte 
Matrone,  um  das  ehrwtlrdige  Land  zu  erforschen  und  zu  besuchen.  Als  sie  nun 
den  Fusssohlen  des  Erlösers  die  gebührende  Verehrung  gezollt  hatte,  gemäss 
dem  Worte  des  Propheten:  ^Lasst  uns  anbeten  an  dem  Orte,  wo  seine  FUsse  ge- 
standen haben  I^  hinterliess  sie  die  Frucht  ihrer  Gottesfurcht  zugleich  auch  den 
späteren  Geschlechtem.  Sofort  weihte  sie  Gott  2  Tempel,  einen  bei  der  Grotte 
der  Geburt,  den  anderen  auf  dem  Berge  der  Himmelfahrt. 
Den  Mittelpunkt  der  Kirche  bildeten  die  Fusstapfen  des 
Herrn.  Nach  Arnulf,  der  im  Jahre  670  die  heiligen  Orte 
besuchte,  bestand  die  damalige  Himmelfahrts-Kirche  aus 
3  Säulenhallen,  die  in  der  Mitte  einen  offenen  Raum  mit 
den  Fusstapfen  des  Herrn  einschlössen.  Die  Spur  des 
rechten  Fusses  wurde  von  den  Türken  gegen  Mitte  des 

1 7.  Jahrhunderts  weggenommen,  weil  sie  glaubten,  auch  Muhamed  sei  auf  dem  Oel- 
berge  gen  Himmel  gefahren,  und  sie  wird  in  dortiger  Moschee  des  Tempels  auf- 
bewahrt.** 

In  F.  X.  Kraus'  Real  -  Encyklopädie  der  christlichen  Alterthümer  (Frei- 
burg i.  B.,  bei  Härder)  verbreitet  sich  ein  von  E.  Münz  in  Paris  verfasster  Ar- 
tikel über  die  Fusssohle  also:  „Fusssohle,  seltener  Fass,  sind  vielsagende  alt- 
christliche Symbole,  deren  Bedeutung  wechselt,  je  nachdem  sie  auf  Geräthen  oder 
Epitaphien  vorkommen.  Die  Fusssohle  symbolisirt  die  Nachfolge  Christi 
gemäss  den  Worten  der  Schrift  1.  Petri  2,  21:  „Christus  hat  uns  ein  Vorbild  ge- 
geben, damit  wir  seinen  Fusstapfen  nachfolgen.**    Vergl.  Hieb  23,  11;  Rom.  4,  12. 

^Als  Fibula  getragen  sollte  die  Fusstapfe  eine  Mahnung  zur  Nachfolge  Christi 
sein.  Daher  erklärt  sich  die  Anzahl  der  in  den  altchristlichen  germanischen 
Gegenden  gefundenen,  edirten  und  unedirten  Fibulae  in  Gestalt  von  Fusssohlen. 
Eine  solche  Fibel,  in  der  Nähe  von  Mainz  gefunden,  bewahrt  das  dortige  Museum. 
Eine  weitere  daselbst  bewahrte  ist  der  erwähnten  gleich.  Altchristliche  Fibeln  in 
Form  von  Fusssohlen  besitzen  in  Deutschland  noch  die  Museen  von  Wiesbaden 
(gefunden  bei  Castel),  zu  Darmstadt  (gef.  bei  Mommemheim),  zu  Basel  (gef.  bei 
Äugst),  zu  Zürich  (gef.  bei  Pest  in  der  Donau).  Aehnliche  Bedeutung  hat  der 
seltenere  Fnss.  Eine  Lampe  aus  Thon  in  Gestalt  eines  Fusses,  gefunden  bei 
Castel,  besitzt  das  Wiesbadener  Museum.  Eine  bronzene,  mit  Aerugo  nobilis  über- 
zogene, oben  mit  Henkel  versehene  Lampe  in  Fusssohlenform,  gef.  bei  Windisch, 
ist  unedirt  im  Museum  zu  Basel.  Folgt  der  Christ  Christo  nach,  so  vollendet  er 
glücklich  seine  Erden -Pilgerschaft.  Daher  ist  die  Fusstapfe  auf  Epitaphien 
ein  Symbol  des  seligen  Scheidens  aus  dieser  Zeitlichkeit.  IL  Cor.  5,  8: 
^Wir  haben  Lust  aus  dem  Leibe  zu  wandern  und  daheim  zu  sein  bei  dem  Herrn. *^ 
Vergl.  Lupi,  Lev.  epit.  68.  Diese  Deutung  wird  bestätigt  durch  die  neben  dem 
Symbol  vorkommende  Inschrift  „In  Deo**  (Boldetti,  Osserv.  419);  Symbol  und 
Wort  heissen  also:  der  Verstorbene  ist  abgeschieden  in  Gott.  Sie  wird  weiter  be- 
stätigt durch  die  Fusssohlen  auf  heidnischen  Monumenten,  die  als  ivAbrnuMToi,  oder 
Votivsteine  nach  glücklich  zurückgelegter  Reise  gesetzt  wurden  und  diesen  Zweck 
auch  in  den  Worten:  „pro  itu  et  reditu  felici*'  besagen.  Diese  Worte  erläuternd,  sind 
manchmal  zwei  Fusssohlen  vorwärts,  zwei  andere  rückwärts  gewendet.  Lupi  68; 
Gruter,  Inscr.  ant.  n.  820  und  1129;  Fabretti,  Inscr.  ant.  472.  Auch  Füsse  im 
Profil  kommen  vor  (Lupi  70);  selbst  ganze  Füsse  hat  man  in  heidnischen  Gräbern, 
wie  in  denen   auf  dem    sogenannten  Todtenfelde   bei  Oberflacht   am  Lupfen  im 


(76) 

wttrtiembergischen  Amte  Tattlingen,  je  einen  auf  jeder  Seite  der  Leiche  ge- 
funden. Tgl.  die  Heidengräber  am  Lupfen  von  Dürr  ich  und  Menzel.  Ein  anderes 
Exemplar,  gross  ansgefOhri,  besitzt  das  Museo  Kircheriano  in  Born;  es  stammt  aus 
S.  Ermete  (vgl.  Perret,  pl.  53,  37;  Lupi  70;  v.  Schnitze,  Arch.  Forsch.  277,  n.  63). 

„Auf  Siegel-Ringen,  oder  wenn  das  Siegel  selbst  fusssohlenartig  gestaltet  ist, 
zeigt  die  Fusssohle  das  Besitzrecht  an,  nach  dem  Grundsätze:  quidquid  pes  tnus 
calcaverit,  tuum  erit.  Daher  auch  die  ehemalige  Ableitung  des  Wortes  „possessio^ 
Ton  pedis.  Auch  bei  den  alten  Hebräern  war  eine  Rechtscession  nicht  gültig  (Ruth  4, 
7;  y.  Mos.  25,  7),  wenn  nicht  der  Cedirende  dem  Anderen  seinen  Schuh  ttbergab. 
Mit  dem  fusssohlenartigen  Siegel  wurde  eine  Sache  als  Eigenthum  bezeichnet. 
Daher  s^ht  der  Name  des  Besitzers  des  Siegels  meistens  im  (Genitiv,  z.  B.  auf 
einem  zu  Wiesbaden  gefondenen  und  daselbst  verwahrten  Bronze-Siegel,  das  auf  der 
Vorderseite  (eine  ganz  deutliche  Fusssohle  mit  5  Zehen)  die  Legende  Fl.  Paulini 
>|^  bietet.  Vergl.  Nassau.  Annalen  VII,  Taf.  II,  1  und  2.  Zwei  ähnliche  Siegel, 
das  eine  mit  der  Inschrift  Pauli,  das  andere  mit  Vitalis,  fand  Perret  in  den 
Katakomben  IV,  pl.  XXIII,  21  und  pl.  IP  (andere  Beispiele  bei  Boldetti  506; 
Arringhi  II,  698;  Perret;  veigl.  Mtlnter,  Sinnbilder  I,  54;  Bellermann,  Die 
altchristlichen  Begräbnisse  33;  Pellicia  III,  25  und  Coroedoni,  Raggnogl.  40, 
welche  in  der  Darstellung  der  umgekehrten  Fusssohlen  den  Schmerz  Über  den 
Verlust  der  Lieben  sehen,  wogegen  mit  Recht  Smith,  Dict.  I,  682).^ 

Nach  Abschluss  der  vorstehenden  Zeilen  brachte,  wiederum  mit  einer  gewissen 
Dnplicität  der  Fälle,  das  Heft  7  unseres  diesjährigen  Gorrespondenz-Blattes  eine 
äusserst  interessante  Abhandlung  des  Hm.  Sanitätsraths  Dr.  Köhler  in  Posen  ^ttber 
Steine  mit  Fussspuren^.     Ich  gestatte  mir  dazu  einige  Bemerkungen. 

Beziiglich  einiger  geographischer  Versehen  in  der  Darstellung,  welche  mir 
auffielen,  habe  ich  nun,  zuvörderst  nach  Rücksprache  mit  Hm.  Dr.  Köhler,  den 
Auftrag  zu  ihrer  Richtigstellung.  Culm  (Stein  12)  liegt  nicht  in  Ostpreussen, 
sondern  ist  Hauptort  eines  westpreussischen  Kreises  und  wäre  in  seinem  polnischen 
Namen  (Chelmno)  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Orte  Oh.  bei  Pinne  in  Posen 
(bei  Stein  9).  —  Der  Standort  für  Stein  8  ist  die  Gegend  von  Koronowo,  also 
Polnisch-Krone  oder  postalisch  Krone  a.  d.  Brahe,  einer  kleinen  Stadt  im  Regierangs- 
Bezirke  Marienwerder,  also  ebenfalls  in  West-  und  nicht  in  Ostpreussen  gelegen, 
so  dass  auch  nicht  Deutsch-Krone,  früher  Arenskrone  und  polnisch  Walcz  genannt, 
gemeint  ist.  —  Schliesslich  muss  auch  Stein  5  verstellt  sein;  es  muss  wohl  heissen 
Hohenfier,  ein  Kirchdorf  bei  Zlotowo,  also  Flatow,  Kreisstadt  im  Reg. -Bezirk 
Marienwerder,  ebenfalls  Westpreussen,  wogegen  das  Zlotowo  in  Ostpr.  ein  Kirch- 
dorf bei  Löbau  wäre.  —  Die  beliebten  Umtaufungen  haben  diese  Verwirrung  her- 
vorgebracht. 

lieber  Steine  mit  Fussspuren  hat  nun  zuerst  Przyborowski  (1874),  sodann 
Kotlarzewski  geschrieben,  deren  Angaben  alsdann  Dydynski  (1883)  umfasst, 
bis  Prof.  Luszczkewicz  in  Krakau  (1894)  ein  volleres  Referat  brachte,  das  nun 
Dr.  Köhler  a.a.O.  verwerthete.  Ausser  den  13  schon  bekannten  führt  derselbe 
noch  6  andere  an,  abgesehen  von  denjenigen,  die  nicht  dem  Gebiete  der  Provinzen 
Preussen  und  Posen,  sowie  des  ehemaligen  Polens  angehören.  Bei  den  angeführten 
Steinen  finde  ich  keine  mit  zwei  Füssen  mit  der  Beigabe  der  Krenzzeicben,  nur 
zwei  mit  zwei  Fussspuren,  einige  mit  nur  einem  Fus&e  und  einige  mit  anderen 
Einmeisselun^en.  Die  letzteren  wären  wohl  besser  fortgeblieben.  Die  Zehen  sind 
nur  bei  dem  Steine  von  Wilkowyja  angedeutet.  Uebrigens  ist  der  Stein  1  mit  der 
Spur  eines  Fusses  aus  Wilkowyja  bei  Klecko,  Prov.  Posen,  auf  welchem  der 
heilige  Adalbert  predi^rte,   oder  doch  Stein  7  mit  einem  Fusse  (bei  Bikupica  bei 


(77) 

Klecko)  doch  wahrscheinlich  einer  derjenigen,  die  Er.  Jarz^bowski  erwähnt,  ob- 
schon  hier  noch  von  einem  Pferdefuss  die  Rede  ist  Sie  sollen  ja  sämmtlich  auf 
die  Merkmale  der  Einmeisselnng  untersucht  worden  sein  und  dürften  also  nicht 
auf  Verwitterungs-Erscheinungen  mit  ihren  oft  sonderbar  gestalteten  Figuren  be* 
ruhen,  welche  das  Volk  erst  nach  ihrer  Aufßndnng  mit  seinen  Sagen  umsponnen 
hat  Vielleicht  hätte  dabei  auch  manches  Platz  finden  können  aus  meinen  Stein- 
sagen aus  Westpreussen ,  wie  ich  sie  bisher  in  5  Nachträgen  der  Zeitschrift  des 
Historischen  Vereins  fQr  den  Beg.-Bez.  Marienwerder  niedergelegt  habe,  besonders 
aber  der  Stein  Bozastopka  (1893,  H.  31,  S.  llff.),  der  sogar  mit  ganz  demselben 
polnischen  Namen  urkundlich  im  PommerelUschen  Urk.-Buche  schon  für  1281  als 
Merkmal  eines  Orenzducts  zwischen  Gross -Dommatau  und  Schwetzin  im  Kreise 
Putzig  vorkommt.  Vielleicht  dürfte  auch  ^er  Stein  bei  Nowahutta  bei  Mirchau, 
Kr.  Garthaus,  hierbei  Platz  finden.  Um  jedoch  hienron  zu  geschweigen,  so  greife 
ich  für  eine  nähere  Betrachtung  nur  die  zwei  Fälle  mit  zwei  Fussspuren  heraus, 
den  von  Wiosciejewki  bei  Xions  in  Posejn  (Stein  10)  und  den  Ton  Wongrowitz 
in  Posen  (15).  Bei  dem  letzteren  ist  nur  von  zwei  Vertiefungen  die  Rede,  Ton 
einer  runden  und  Ton  einer  viereckigen,  welche  nur  die  Sage  ebenfalls  als  die 
Fussspuren  des  heiligen  Adalbert  auffasst,  der  auf  diesem  Steine  gepredigt  habe. 
Aus  den  noch  dazu  verschiedenen  Formen  der  beiden  Vertiefungen  geht  aber 
hervor,  dass  dabei  keineswegs  an  Fussspuren  zu  denken  ist.  Vielleicht  haben 
aber  Abbröckelungen  von  einer  ursprünglichen  Fussgestalt  beiderseits  stattgefunden. 
Sonst  bietet  ein  volleres  Analogen  der  erstere  Stein  dar,  wo  doch  von  wirklichen 
Füssen  in  der  Paarzahl  zu  sprechen  ist,  —  freilich  scheinbar  mehr  in  der  Hülle 
von  Schuhen  oder  mit  der  Unterlage  von  Sandalen,  wogegen  in  meinem  Falle  sogar 
die  Zehen  sichtbar  sind,  aber  insofern  noch  mehr  adäquat,  als  dort  ebenfalls  für 
die  einzelnen  Füsse  ein  ungleiches  Zahlenmaass  festgestellt  ist. 

Dies  ungleiche  Zahlenmaass  der  zusammengehörigen  Einzelfüsse  ist  sehr  be- 
merkenswerth  und  auch  doppeldeutig.  Der  rechte  Fuss  ist  immer  etwas  grösser. 
Entweder  war  nehmlich  der  Meissel-Rünstler,  wenn  man  nicht  den  Ausdruck 
Bildbauer  gebrauchen  will,  sehr  dumm,  —  er  hat  nur  ungeschickt  im  Groben  gear- 
beitet (trotz  der  Andeutung  der  Zehen)  und  dennoch  das  Richtige  getroffen,  eben 
aus  Ungeschicklichkeit,  wie  man  wohl  in  den  beiden  Fällen  annehmen  darf.  Oder 
er  wusste  um  die  Thatsache,  dass  beide  Rörperhälften,  also  auch  beide  Füsse, 
wirklich  häufig  nicht  gleich  sind,  und  machte  es  bewusst  so,  wie  der  Bildhauer  (un- 
bekannt in  Namen  und  Zeit)  bei  der  Venus  von  Milo  im  Louvre  zu  Paris,  über 
deren  ungleiche  Maasse  es  seiner  Zeit  zu  einem  grossen  Streite  und  Hailoh  unter 
den  Kunstkennern  kam.  Der  competenteste  Beurtheiler  dieser  Frage  wäre  ausser 
Arzt  und  Nachbildner,  wie  Bildhauer  oder  Maler,  der  Schuhmacher,  ein  Auf- 
bildner, der  über  Tausende  von  Fällen  dieser  Art  eine  Art  von  Statistik  auf- 
genommen hat. 

Wenn  man  Fussspurensteine  als  Grenzmarken  auffasst,  so  beruht  die  Un- 
gleichheit der  Fussspuren,  wenn  zwei  solche  vorhanden,  meist  nur  auf  Unkenntniss 
der  Bildhauer-Künstler.  Wenn  man  sich  alsdann  den  Gang  der  Grenzfestsetzungen 
vorstellt,  so  werden  es  doch  nur  gewöhnliche  Arbeiter  gewesen  sein,  die  man  zu 
diesen  Einmeisselungen  brauchte  und  die  einfach  mit  dem  Grenzanweiser  oder  mit 
der  Oommission  mitgingen  oder  von  ihr  später  geschickt  wurden. 

Hinsichtlich  der  Deutung  der  in  Steine  eingemeisselten  Fussspuren  bezeichnete 
Prof.  Luszczkiewicz  einen  wesentlichen  Theil  von  ihnen  als  Ausfluss  einer 
religiösen  Sitte,  welche  nach  dem  schwedischen  Kriege,  also  nach  1657,  in  Polen 
sehr  verbreitet  war  und  nach  eben  jenem  Herrn  mit  Muttergottes-Capellen  in  Ver- 


1 


(78) 

bindong  zu  bringen  ist  Wie  weit  icti  selbst  der  obigen  Ansiebt  gefolgt  bin,  ohne 
darum  gewnsit  zu  haben,  ist  aus  dem  Vorigen  ersichtlich.  Nur  wäre  ich  gegen 
den  weiteren  Anhang  wegen  der  Zeitbestimmung.  Allerdings  trägt  mein  Stein  noch 
die  Kreuze  als  etwas  ganz  SigniAcantes. 

Rotlarzewski  hält  solche  Steine,  indem  er  Grimmas  Ansichten  theilt,  für 
Reichs-Orenzsteine.  Das  scheint  mir  aber  nicht  zutreffend,  weil  sie  alsdann 
häufiger  an  den  Grenzen  zu  finden  sein  müssten,  da  sie  doch  als  solche  Steine 
und  als  Steine  von  beträchtlicher  Grösse  seit  kaum  125  Jahren  etwa  nicht  Ter- 
schwunden  sein  könnten,  oder  in  ihrem  stillen  Dasein  von  forschenden  Menschen 
schon  längst  hätten  entdeckt  sein  müssen. 

Przyborowski^s  Elrklärung  als  Grenzsteine  der  inneren  Eintheilung  des 
Landes  (District,  Kreis,  weiter  etwa,  /rie  ich  hinzusetze,  Schltlssel,  Wojwodschaft) 
erscheint  aus  gleichem  Grunde  hinfällig;  denn  dabei  wäre  eine  noch  grössere 
Häufigkeit  der  Steine  Erfordemiss;  den  Mangel  dieser  Häufigkeit  hatte  ich  Torher 
schon  gegen  mich  selbst  geltend  gemacht,  t.  Dydyhski,  Domherr  und  Probst  aus 
Klecko  in  Posen,  soll  zu  beiden  (welchen?)  Erklärungen  neigen,  zumal  da  die 
Grundidee  gemeinschaftlich  ist  Das  wäre  richtig,  wenn  es  sich  um  die  ron 
Luszczkiewicz  angenommene  religiöse  Idee  und  um  die  staatliche  Grenzidee 
handelte.  Dasselbe  hob  ich  für  sonstige  Steinmeisselungen  ebenfalls  henror. 
Köhler  hält  die  Theorie  Luszczkiewicz's  nicht  für  stichhaltig  und  die  Mischung 
der  beiden  Ideen  (nach  Dydynski)  für  die  wahrscheinlichste.  Für  meinen  be- 
kreuzten Tapfenstein  muss  ich  selbst  jedoch  bei  der  im  Vorhergehenden  begründeten 
Ansicht  bleiben,  welche  die  von  Luszczkiewicz  ist,  soweit  sie  zeitlich  nicht 
eingeengt  wird.  Sonst  hebe  ich  für  mich  hervor,  dass  der  Fussspuren-Stein  von 
Wloeciejewki  in  der  Wand  einer  Kirche  eingemauert  gefunden  ist,  also  ebenfalls 
religiösen  Charakter  zeigt,  während  für  die  staatliche  Auffassung,  die  ja  ebenfalls 
gültig  sein  und  bestehen  bleiben  soll,  mein  Fall  Klecko,  die  Hozastopka  (Gottes- 
füsschen)  des  Pomm.  Urk.- Buches  und  ein  Spurenstein  bei  Mirchau  zu  sprechen 
scheinen.  Auch  möchte  ich  immer  noch  eine  Sitte  in  Gross-Polen  von  einem  Brauche 
hier  getrennt  halten.  Wenn  es  aber  Ghrenzsteine  sein  sollen,  so  waren  sie  es  viel- 
leicht nur  für  damalige  kleinere  und  doch  irgend  einmal  bestrittene  und 
private  Bezirke,  aber  nicht  zu  jeder  Zeit,  noch  auch  in  jeder  Gegend.  Anderer- 
seits, wenn  Einmeisselung  nur  als  religiöser  Brauch  im  Allgemeinen  aufzufassen 
ist,  weshalb  kommt  denn  ein  solcher  Stein  nicht  überall  bei  jeder  alten  Kirche 
Tor?  Es  wäre  alsdann  also  wohl  nicht  an  eine  allgemeine  Sitte,  sondern  an  einen 
nur  jeweiligen  Brauch  zu  denken,  hervorgegangen  aus  der  für  Kirche  und  für 
Staat  gemeinschaftlichen  Grundidee.  Betrachten  wir  die  Sache  aus  diesem  Ge- 
sichtspunkte, so  könnte  sich  dann  zu  früherer  Zeit  irgend  einmal  selbst  aus  Gross- 
Polen  vielleicht  ein  Beispiel  irgend  einer  Art  in  einen  cassubischen  Kreis  unserer 
Provinz  Westpreussen  herübergerettet  haben.  Wir  wissen  leider  zu  wenig  Local- 
historisches  aus  früheren  Zeiten  für  unsere  Provinz.  Und  wenn  ich  etwa  dieser  De- 
duction  zu  Liebe  ein  Phantasie-Gemälde  für  mich  entrollen  wollte,  so  könnte  es 
ja  ein  mächtiger  Wojwode  oder  Palatin  gewesen  sein,  der  einen  Privatbesitz  oder 
eine  staatliche  Tenute  (lebenslänglich)  innehatte,  die  vielfach  umstritten  und  nach 
langem  Streite  etwa  durch  Einigung  festgelegt  wurde,  wobei  ihm  ein  gelehrter 
capellanus  scriba  die  ihm  aus  Urkunden  oder  sonstiger  Ueberiieferung  bekannten 
Merkmale,  als  Besitzzeichen  für  den  hohen  Herrn,  dem  Steine  einzufügen  angerathen 
hätte.  Wenn  für  unbekreuzte  Fussspuren-Steine,  bezw.  ihre  Deutungen  ein  Theil 
zugegeben  und  ein  Theil  gestrichen  wird,  wenn  keine  allgemeine  und  durchgängige 
Erklärung  feststeht,   sondern  selbige  für  die  immerhin  mögUchen  Einzelfälle  um- 


(79) 

gewandelt  wird,  so  wird  auch,  wenn  ein  solcher  Fall  zar  ßeurtheilnng  kommt, 
hierbei  nicht  mehr  allgemeiner  Streit  herrschen  auf  dem  Felde  von  Hypothese  und 
Phantasie. 

Uebrigens  scheint  es,  als  ob  Prof.  Luszczkiewicz  von  seiner  ursprünglichen 
Meinung  abgewichen  sei,  namentlich  insoweit  er  vorher  die  Fassspuren-Steine  als 
Artefakte  der  Zeit  des  Schweden-Krieges  1655 — 57  ansah.  Denn,  wie  mir  Hr. 
Dr.  Köhler  berichtete,  als  in  der  Sitzung  vom  21.  Mai  1896  der  Commission  für  die 
Geschichte  der  Künste  der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau  Hr.  Dr.  Feliks 
Kopera  eine  Mittheilung  über  die  im  Mittelalter  in  Polen  auf  Steine  ein- 
gemeisselten  Füsse  machte  und  für  West -Europa  die  Thatsache  bestätigte,  dass 
dies  im  Mittelalter  mit  aller  Wahrscheinlichkeit  Grenzzeichen  waren,  die  man  im 
17.  Jahrhundert,  zu  einer  Zeit,  als  sich  schon  Sagen  an  sie  knüpften,  im  König- 
reiche Polen  an  den  Kirchen  einmauerte,  erwähnte  Prof.  Luszczkiewicz  dabei 
noch,  dass  sie  stets  in  einer  gewissen  Höhe  an  den  Kirchen  eingemauert  wurden, 
damit  das  Volk  sie  leichter  küssen  könne,  dass  es  aber  stets  Sohlen  seien,  nicht 
aber  Füsse  mit  der  Form  der  Zehen  zum  Beispiel. 

Als  hierhergehörig  erschiene  dann  auch,  was  Hr.  Dr.  Köhler  im  Weiteren 
über  die  Bezeichnung  der  Grenzen  in  Polen  sagt,  was  mit  der  früheren  Auslassung 
meist  übereinstimmt  und  wegen  des  allgemeinen  Interesses  wohl  wiederholt  werden 
darf.  Wo  man  zu  Pferde  die  Grenze  bezeichnete,  objazd,  ujazd  (Umfahren,  Um- 
reiten), meisselte  man  an  gewissen  Stellen  ein  Hufeisen  in  Steine;  wo  man  da- 
gegen zu  Fuss  die  Grenze  feststellte  (opole,  um  das  Feld,   um  die  Mark),   wurde 

zum  Zeichen  die  Fussspur  im  Steine  eingehauen Die  Namen  Opole  und 

Ujazd  haben  sich  in  polnischen  Ländern  erhalten  und  es  giebt  Städte,  wie  Dörfer 
dieses  Namens.  In  den  Urkunden  des  Posener  Landes  (Cod.  dipl.  maj.  Polen., 
Posen  1877)  finden  wir  sehr  oft  die  Bezeichnung  Opole,  die  aber  schon  im  12.  Jahr- 
hundert eine  doppelte  Bedeutung  hat.  Durch  Opole  bezeichnete  man  sowohl  Theile 
des  Landes,  wie  Districte,  Kreise,  Vicinia,  aber  auch  gleichzeitig  eine  Abgabe: 
^A  bove  et  vacca  quod  opolne  dicitur.**  Von  dieser  Abgabe  wurden  manchmal 
ganze  Kreise  befreit,  oft  auch  Theile  derselben.  Dass  die  Grenzen  bestimmt 
wurden  durch  eine  Transitio,  dafür  finden  sich  in  den  Urkunden  mehrere  Belege. 
Die  Grenze  wurde  auch  genau  durch  sichtbare  Zeichen  bestimmt;  so  heisst  es: 
per  acervos,  lapides  ubi  vidimus,  und  weiter:  cumulos  facientes  et  arbores  signantes 
(Cod.  dipl.  maj.  Polon.,  Nr.  26,  1867).  Quoeunque  convicinitas  vulgariter  opole 
transibit,  sie  debet  perpetuo  stare  (Terr.  Posnan.  1400,  S.  55).  Eine  schriftliche 
Urkunde  dafür,  dass  man  als  Grenzzeichen  Fussspuren  oder  Hufeisen  in  Steine 
gemeisselt  hat,  besteht  nicht.  Auffallend  grosse  Steine  erfüllten  jedoch  den  Ur- 
kunden gemäss  diesen  Zweck,  wie  auch  grosse  Nägel  oder  Blechstücke  als  Zeichen 
in  den  Baum  geschlagen  oder  auf  denselben  gehängt  wurden.  Der  oben  an- 
gedeutete Stein  von  Bozejewice  wird  noch  heute  ujazd  genannt.  Dass  man  aber 
solche  Grenzsteine  mit  diesem  Namen  schon  sehr  früh  belegte,  dafür  bürgt  die 
Notiz  in  Herb.  Stat.  227.  Es  heisst  an  betrefitender  Stelle:  Als  Grenzmarken  wurden 
auffallende  Zeichen  gezeigt,  welche  njazdy  genannt  werden. 

Hierzu  mögen  dann  noch  folgende  Einzelnotizen  Platz  finden.  Auch  im  localen 
Gebiete  des  Pomm.  Urk.-Buches,  welches  die  Zeit  von  1140—1315  für  Pommerellen 
amfasst,  treffen  wir  wenigstens  auf  den  Namen  Wobesde  für  ein  Dorf  bei  Stolp, 
auch  Wobasdo,  Obesda,  Objazda,  so  dass  der  darin  versteckte  Namen  Objazd  gar 
leicht  zu  erkennen  ist.  Einmal  kommt  es  unter  den  Dörfern  vor,  welche  nebst 
Zehnten,  Kirchen  und  Capellen  aus  der  Umgegend  1281  o.  T.  u.  0.  durch  Herzog 
Mestwin  von  Pommern  den  in  sein  Land  gekommenen  Mönchen  von  Beibuk  ver- 


(80) 

liehen  wurden  (S.  285),  und  das  andere  Mal  wird  es  genannt,  als  (1294,  Mai  3^ 
Gnesen)  dorch  Jacob,  Erzbischof  von  Gnesen,  dem  Nonnen-Kloster  zu  Stolp  die 
obige  Schenkung  unter  ZufOgung  von  anderen  Dorfzehnten  bestätigt  wird  (S.  455). 
Opole  dagegen  findet  sich  nicht  als  Ortsname,  sondern  als  allgemeine  Bezeichnung 
für  Districts-Verbände,  besonders  für  die  daraus  resultirenden  Dienstleistungen, 
bezw.  fQr  Befreiung  da^on,  also  ganz  in  demselben  Sinne,  wie  bei  Köhler  in 
zweiter  Bedeutung.  Ich  imterdrücke  die  genauere  Herzählung  von  15  dazu  ge- 
hörigen Beispielen,  bemerke  übrigens,  dass  nach  derselben  Quelle  (8.  299,  Urk.  339 
von  1282,  Juni  29.,  o.  0.,  wo  Herzog  Mestwin  die  Dotation  seines  Vaters  Swanto- 
polk  für  die  St.  Stanislaus-Kirche  in  Garde  erneuert),  ein  lapis  metam  possidens 
vorkommt. 

Oft  genug  werden  in  jener  Quelle  Steine,  lapides,  als  Grenz-Bezeichnungen  er- 
wähnt, aber,  soviel  ich  bei  mangelnder  Angabe  im  Index  ersehen  kann,  nur  dies  eine 
Mal  ein  lapis  metam  possidens.  Daraus  mag  ersichtlich  sein,  dass  die  Ghrenzsteine 
als  solche  nicht  immer  Male  oder  Zeichen  erhalten.  Jedenfalls  müsste  dieser  Stein 
auf  der  Strecke  von  Stolp  bis  Gkirde  wohl  noch  aufzufinden  sein  und  dann  könnte  ja 
festgestellt  werden,  ob  er  ebenfalls  Fuss  oder  Füsse  oder  Hufeisen  als  Meta  ein- 
gemeisselt  empfing.  Zahlreich  kommen  in  jener  Quelle  Grenz -Setzungen  und 
-Messungen  vor.  Die  Herausschälung  der  für  unsere  Sache  passenden  Momente 
bedeutete  aber  eine  eigene  Arbeit.  Ganz  besonders  häufig  kommt  als  distinctor 
ein  Castellan  Stibor  von  Putzig  vor.  Nach  ihm  mag  auch  im  Kreise  Neustadt 
ein  Stibur-See  genannt  sein,  ein  Name,  der,  wenn  er  auch  durch  Yolks-Etymologie 
zu  Steh-bur  (stehe,  Bauer!)  umgemodelt  und  mit  einer  Reihe  von  Sagen  aus- 
geschmückt wird,  dennoch  wohl  nach  meiner  Conjectur,  wie  ich  sie  des  Breiteren 
in  der  Danziger  Zeitung  (Beil.  19  950)  vom  28.  Januar  1893  ausführte,  schon  des- 
halb auf  jenen  besonders  häufig  als  Feld-  und  Grenzmesser  und  -Setzer  genannten 
Castellan  Stibor  von  Putzig  zurückzuführen  wäre,  weil  es  dort  nirgends  ein  Dorf 
gleichen  oder  ähnlichen  Namens  giebt,  nach  welchem  der  isolirt  liegende  See,  wie 
es  sonst  zu  geschehen  pflegt,  seinen  Namen  hätte  erhalten  haben  können. 

Schliesslich  sei  noch  zur  Warnung  vor  einem  Irrthume  bemerkt,  dass,  wollte 
man  etwa  die  polnischen  Familien-Namen  Ujazdowski  und  Opolski  von  jener 
Thätigkeit  ableiten,  wie  es  sich  darbieten  möchte,  dies  dennoch  falsch  wäre. 
Diese  Namen  bezeichnen  vielmehr  die  Herren  (Sitzer,  dziedzic,  Besitzung,  Herr, 
pan)  von  Ujazd  und  von  Opole;  die  Beamten  der  Grenz -Regulirung  müssten  als 
ümreiter  und  Umgeher  vielmehr,  wie  es  die  polnische  Sprache  und  Grammatik 
verlangen,  als  ujezdnik  und  als  opolnik  bezeichnet  werden.  — 

(26)   Hr.  A.  Treichel  überschickt  folgenden  Nachtrag: 

Vom  Geheimgemach. 

Auch  in  BetrefT  dieses  Gegenstandes,  den  ich  nur  kurz  erwähnte,  habe  ich 
in  anderer  Gegend  die  Geister  wachgerufen,  und  gewiss  werden  sich  deigleichen 
Abnormitäten  an  noch  anderen  Oertlichkeiten  vorfinden,  namentlich  da,  wo,  wie  be- 
sonders im  mittleren  und  im  südlichen  Deutschland,  zumal  bei  älterer  Bauart 
die  Häuser  sich  von  dem  unteren  Stockwerke  nach  oben  zu  veigrössem,  be- 
stimmt jedoch  im  zweiten  Stockwerke,  woselbst  durch  solchen  Ueberhang  ge- 
wissermaassen  von  selbst  die  zu  der  vorliegenden  Sache  nöthigen  Vorbedingungen 
gegeben  sind.  Solche  Bauart  fiel  mir  schon  im  alten  Stadtviertel  von  Frankfurt  a.  M. 
auf.  Aus  Kreuznach  an  der  Nahe  schickte  mir  Hr.  Oberlehrer  L.  Geisen- 
heyner,   unter  Beifügung   von   zwei   artistischen  Beigaben   in   der  jetzt  so   be- 


(81) 

liebten  Manier  von  Ansichtskarten,  die  Lichtdruck- Wiedergabe  von  zwei  ^Pfeiler- 
häuschen^  anf  der  Brücke  über  die  Nahe.  Während  das  eine  Häuschen  seit 
einem  Jahre  bereits  ausser  Betrieb  steht,  ist  das  andere»  wenn  auch  für's  Auge 
▼on  Tom  überkleistert,  noch  im  Betriebe  und  ein  markanter  Beweis  dafür,  dass 
in  der  Badestadt  Kreuznach  dergleichen  Oeheimgemächer  nicht  geheim  sind.  So 
sollen  dort  auch  noch  mehrere  öffentliche  Oemächer  sein,  bei  welchen  die  Er- 
gebnisse der  in  ihnen  entfalteten  Thätigkeit,  nach  der  Reise  durch  die  Luffc»  zu 
Wasser  werden,  so  dass,  fügt  mein  Gewährsmann  bedeutungsoll  hinzu,  die  Fische 
der  Nahe  recht  fett  seien. 

Im  Anzeiger  des  germanischen  National -Museums  für  1896  (Mittheil.  8.96) 
finde  ich  eine  hierhergehörige  Vermerkung  über  Albr.  Dürer' s  Yerhältniss  zu  dem. 
Rathe  seiner  Vaterstadt,  einen  recht  bezeichnenden  Bathserlass  aus  dem  letzten 
Lebensjahre  des  Meisters,  wiedergegeben  aus  dem  Rathsprotokolle  von  Nürnberg 
für  1527  (O.  n,  Bl.  33b}:  ^Tercia  18.  Junj  1527:  Albrecht  Durern  sagen  man  sey 
Ime  mit  guetem  willen  geneigt,  aber  seyns  heymlichen  gemachs  halb  könn  man 
es  nit  anders  gegen  Ime  halten  dann  andern.  —  Aber  so  pald  er  die  straff  ent- 
richt,  sol  man  Ime  dj  widergeben.  —  Burgermeister  Junior.^ 

Ein  kürzlich  erschienenes,  schätzbares  ürkundenbuch  fUr  das  Jahrzehnt  1399  big 
1409  unserer  Provinz  zur  Deutschordens-Zeit,  das  Marienbuiger  Tresslerbuch  yon 
Dr.  Joachim,  welches  in  der  kurzen  Aufzählung  von  Ausgaben-Posten  dennoch  ein 
Bild  der  Gultur  jener  Zeit  giebt,  führt  ebenfalls  das  Oeheimgemach  auf,  und  zwar 
unter  dem  Namen  Danczk,  so  dass  es  scheint,  diese  Bezeichnung  verdanke  ihren 
Ursprung  wohl  einer  zuerst  in  Danzig  vorkommenden  Neuerung  in  Betreff  der  vor- 
liegenden Sache.  Da  wird  1408,  3.  Mai,  angemerkt  (S.  455),  an  Ausgabe:  „Item 
6'/,  m.  2  fcot  dem  fmede  vor  20  slofTe  und  vor  vorzenete  (verzinnte?)  nagil  zu 
thorbanden  vor  thorbande  zu  den  heymelychen  gemach  und  vor  hengil  (Thtlrangel, 
eiserne  Haken)  zu  den  balken  zu  den  heymelychen  gemachen.^  Dies  be^iffi 
Orebyn,  ein  Dorf  bei  Danzig,  früher  Ordenshof.  Femer  1408,  22.  Juni  (S.  489): 
„Item  1  fird.  Fösen  dem  muwerer  gegeben  zerunge,  als  her  ken  Kyschaw  reyt, 
am  frytage  vor  Johannis  Baptiste,  als  her  dye  danczke  muwem  Tolde.*^  Rischau 
(Schloss-)  ist  ein  Dorf  im  Kreise  Bereut,  früher  Sattelhof  (1  Bitter  und  1  Knappe) 
des  Deutschordens.  Man  sieht  hier  die  gleiche  Geltung  der  beiden  Worte,  die  vor- 
kommen. Für  solche  Urkunden  ist  der  Ausdruck  Danczk  dann  wohl  mit  Vorsicht 
zu  lesen,  da  er  doch  auch  die  Stadt  selbst  bezeichnet.  Derselbe  Ort  kommt  noch 
öfters  vor.  Schon  vorher  (1408,  19.  Sept.,  S.  454)  war  folgende  Ausgabe  geleistet: 
„Item  4  m,  Fösen  dem  muwerer  of  rechenfchaft,  als  her  zu  Kyfohaw  dy  danczk 
solde  muwem,  item  4  m.  Niclas  Hollant  dem  zymmermanne  of  rechentchaft  [„im 
Voraus,  zur  späteren  Berechnung^]  of  die  heymlichkeit  zu  Kysschow  am  hofe  zu 
machen,  am  sontage  nach  Bartholomei^  [letzterer  für  1408:  26.  August].  Also,  als 
der  Maurer  mit  seiner  Arbeit  fertig  war,  kam  der  Zimmermann  heran. 

Uebrigens  wird  nach  Frischbier's  Preuss.  Wörterbuche  (Mtthling)  S.  414 
der  Abtritt  auch  mit  dem  wahrscheinlich  onomatopoetischen  Namen  Trünz  be- 
zeichnet — 

Nachtrag:  Aus  dem  „Danzig^  von  Danzig  hat  sich  eine  Mähr  gebildet,  welche 
in  „Wanderungen  durch  Westpreussen*^,  XI.  (Danz.  Ztg.  22304  vom  6.  December  1896, 
1.  Beilage)  genügend  als  solche  gekennzeichnet  und  in  ihrem  Ursprünge  auf- 
gedeckt wird,  wobei  Verfasser  auch  auf  das  bekannte  Institut  des  Danzigers  er- 
klärend zu  sprechen  kommt  Daher  kann  ich  nur  den  ganzen  betreffenden  Passus 
hierhersetzen.  „Mit  dem  Dominiksmarkte,  welcher  mit  jedem  Jahre  mehr  zu  ver- 
blassen beginnt,   und  dessen  vielbesuchte  „Lange  Buden ^  von  jetzt  ab  durch  das 

VerbudJ.  d«r  B«rl.  Anthropol.  GMeUtchaft  IS»?.  (> 


(82) 

jttngste  Rind  moderner  Coltor,  die  elektrische  Bahn,  ebenralls  von  ihrer  alt- 
gewohnten Stätte  yerdrängt  sind,  schwindet  ein  Stflck  eigenartigen  Danziger  Lebens, 
mit  Sagen  und  Anekdoten  aller  Art  reichlich  verziert.  So  wird  auch  heute  noch 
fest  und  steif  die  Erzählung  von  einem  feindlichen  Ueberfalle  geglaubt,  der  für 
alle  Fremden  das  Verbot  eines  mehr  als  dreitägigen  Aufenthaltes  nach  sich  ge- 
zogen haben  soll.  Wenn  man  nur  wüsste,  durch  welche  schnurrige  Verwechselung 
diese  Sage  entstanden  isti  Rennt  der  Leser  vielleicht  das,  was  man  einen  ^Danzig' 
oder  „Danziger^  nennt?  In  Ostpreussen  kehtt  diese  Bezeichnung  bei  Schlössern, 
klösterlichen  Anlagen  und  grösseren  Wohngebäuden  häufig  wieder,  auch  in  Wesi- 
preussen  findet  man  sie  z.  B.  in  Marienburg,  Marien werder  und  anderen  Städten, 
nur  in  Danzig  selbst  ist  sie  ziemlich  unbekannt.  Man  bezeichnet  hiermit  einen 
mit  dem  Haupthause  nur  durch  einen  tlberführenden  Grang  verbundenen  Anbau 
(ßbr  Zwecke  bestimmt,  welche  man  gern  den  Blicken  entzog).  Um  sich  einen 
Begriff  von  einem  solchen  „Danzig*^  zu  machen,  betrachte  man  den  eigenthümlichen 
Bau  des  ehemaligen  Patricier-Hauses,  der  jetzigen  Erziehungs- Anstalt  Tempelbui^ 
bei  Emaus,  welcher  seine  erste  Anlage  beibehalten  hat,  obgleich  die  Verwendung 
der  einzelnen  Räume  nicht  mehr  die  ursprüngliche  ist.  —  Nun  erzählt  ein  alter 
Schriftsteller,  dass  die  Littaner  einst  bei  einem  Angriffe  auf  die  ostpreussische 
Ordensfeste  Johannesburg  den  „Danzig^  erstürmt  hätten;  ein  polnischer  Schrift- 
steller missversteht  die  Sache  und  macht  daraus  eine  Erstürmung  der  Stadt  Danzig. 
Diese  Nachricht  wurde  mit  der  eines  Thomer  Annalisten,  dass  die  Danziger  um 
die  Dominikszeit  einmal  eine  Niederlage  erlitten  hatten,  zu  einem  einzigen  Ereigniss 
zusammengeschweisst,  und  so  hat  sich  zugleich  mit  dem  Ordens-Privileg  für  den 
Dominiksmarkt  jene  Sage  entwickelt,  welche  noch  heute  um  so  fester  geglaubt 
wird,  als  unser  Landsmann,  der  sonst  achtbare  Oerichtsschreiber  Caspar  Schütz, 
sie  in  breiter  Behaglichkeit  nacherzählt.  Mag  sie  immerhin  weiter  bestehen,  sie 
wird  den  Dominiksmarkt  selbst  vielleicht  noch  überleben!^  — 

(27)   Neu  eingegangene  Schriften: 

1.  Saville,  M.  H.,  The  Temple  of  Tepoztlan,  Mexico.    New  York  1896.    (Bull. 

Mus.  of  Natur.  Hist)    Gesch.  d.  Verf. 

2.  Ploss- Bartels,    Das  Weib.     5.  Aufl.     2.  und  3.  Liefer.     Leipzig  1896-97. 

Gesch.  d.  Verf. 

3.  Schmeltz,  J.  D.  E.,  Ethnographische  Musea  in  Midden-Europa.    Leiden  1896. 

Gesch.  d.  Verf. 

4.  Niederle,  L.,  0  puvodu  Slovami.    v  Praze  1896.    Gesch.  d.  Verf. 

5.  The  Egyptian  Research  Account.    Report  of  the  second  year.    London  1896. 

Gesch.  durch  Hrn.  Plinders  Petrie. 

6.  Hampel,  J.,  A  Bronzkor  emlekei  Magyarhonban.    III.  Resz:  Budapest  1896. 

Gesch.  d.  Verf. 

7.  Sijthoff,  A.  W.,  Catalogued'Estampes  Japonaises.  Leyden,  o.  J.  Gesch.  d.  Verf. 

8.  Raschetzin,    L.,    Die  Erkenntniss  des  Buddhismus  und  des  Christentiiums 

vom   Standpunkte   des   reinen    Pessimismus.    Leipzig,   o.  J.    (Russisch.) 
Gesch.  d.  Verf. 


{ 


Berichtigung: 
S.  25  lies  Dr.  Kaecke  sUU  Ranke. 


Verhandl.  1897  ,  ^  ^^    ^    Adrian  Jacobson  sUtt  Emü. 


Sitzung  Yom  20.  Februar  1807. 

Vorsitzender:   Hr.  R.  Virchow. 

(1)  Als  Gast  anwesend  Hr.  Hauptmann  Oüssfeldt.  •— 

(2)  Der  Ausschus«  hat  in  seiner  Sitzung  Tom  16.  Januar  Hm.  Lissauer 
zum  Obmann  gewählt.  — 

Nachdem  Hr.  y.  Hey  den  die  Wahl  in  den  Ausschuss  nicht  angenommen  hat, 
ist  in  der  Sitzung  Tom  12.  Februar  Hr.  Dames  in  denselben  eooptirt  worden.  Der- 
selbe hat  die  Wahl  angenommen.  — 

(3)  Die  Gesellschaft  hat  folgende  Mitglieder  durch  den  Tod  Terloren: 

Ludwig  Rärnbach  aus  Klein  bei  Posen,  33  Jahre  alt,  in  Deutsch-Neuguinea, 
am  1.  December,  nach  Erkrankung  der  Milz  und  Leber.  — 

Ludwig  Hei  mann,  Kedacteur  der  Zeitschrift  für  Versicherungswesen,  der  sich 
früher  an  den  Discussionen  über  Acciimatisation  eifrig  betheiligte,  am  16.  Februar.  — 

Commerzienrath  Arons,  eines  unserer  ältesten  Mitglieder.  — 

Emil  Eyrich,  Porträtmaler,  am  31.  Januar. 

Der  Vorsitzende   widmet  dem   Letzteren  Worte   dankbarer  Anerkennung! 

Hr.  Eyrich  hat  während  einer  langen  Reihe  von  Jahren  ihn  in  treuester,  hin- 
gebender Weise  unterstützt  Der  verstorbene  Zeichenlehrer  Dworzaczek,  der  früher 
für  ihn  gearbeitet  und  i;i  der  Methode  der  zeichnerischen  Darstellung  anthro- 
pologischer Objecto  die  Wege  gebahnt  hat,  lenkte,  als  er  selbst  durch  seine  Amts- 
thätigkeit  behindert  wurde,  die  Aufmerksamkeit  des  Vorsitzenden  auf  Eyrich.  Dieser 
trat  sofort  eifrig  in  die  ihm  angebotene  Stellung  ein;  er  brachte  ausser  der  technischen 
Vorbereitung  ein  wirkliches  Interesse  an  anthropologischen  und  archäologischen 
Gegenständen  mit.  Seine  Bescheidenheit  und  sein  schnell  wachsendes  Verständniss 
erleichterte  nicht  bloss  ein  schnelles  Fortarbeiten  in  der  hergebrachten  Weise, 
sondern  auch  die  Vertiefung  in  die  Aufgaben  des  darstellenden  Künstlers  und  die 
fortschreitende  Verbesserung  der  Methode.  Insbesondere  ermöglichte  sein  guter 
Wille  und  seine  Sorgfalt  in  der  Wiedergabe  auch  des  kleinen  Details  jene  Voll- 
endung in  der  Schädel-Zeichnung,  welche  seine  Arbeiten  weit  über  die  Leistungen 
der  meisten  anderen  Zeichner  emporhob.  Der  Vorsitzende  erinnert  an  die  von 
ihm  hergestellten  Tafeln  zu  den  Crania  Americana  ethnica,  welche  allgemein  ge- 
schätzt und  als  Muster  betrachtet  werden.  Bei  den  archäologischen  Objecten  ent- 
wickelte er  ein  ungewöhnliches  Talent  und  eine  noch  viel  mehr  bewundemswerthe 
Geduld  in  der  Zusammen fügung  auch  der  kleinsten  Bruchstücke  zu  anschaulichen 
Gesammtbildern,  wofür  die  Tafeln  über  die  kaukasischen  Gürtelbleche  als  ruhm- 
Tolles  Beispiel  angeführt  werden  können.  Seine  Ausdauer  in  der  Arbeit  zeigte 
sich  auch  in  der  Anfertigung  jener  zahllosen  Textfiguren  und  vieler  Tafeln, 
welche   für  die  Verhandlungen   unserer  (jesellschaft   und   für  die  Zeitschrift   für 


(84) 

Ethnologie  als  Illii|^tionen  veröffentlicht  worden  sind.  Es  gentigt,  anf  die  be- 
treffenden Pnblicationen  hinzuweisen,  um  die  Grösse  des  Verlostes  anschaulich 
SU  machen,  welchen  wir  durch  seinen  Tod  erlitten  haben.  Ein  schweres  Hen- 
leiden  mit  allen  seinen  qualvollen  Folgeznständen  führte  nach  langen  schweren 
Leiden  das  Ende  herbei,  aber  sein  Eifer  war  so  gross,  dass  er  es  sich  nicht 
nehmen  Hess,  noch  anf  dem  Krankenlager  fortznarbeiten.  Die  letzten  Zeichnungen 
lieferte  er  wenige  Tage  vor  dem  Erlöschen  seiner  Herzkraft  ab.  Man  darf  sagen, 
dass  er  als  ein  nnermüdeter  Arbeiter  auf  dem  Felde  seiner  Th&tigkeit  dahingerafft 
ist.  Wir  Alle  werden  ihm  ein  dankbares  and  voll  anerkennendes  Oedächtniss  be- 
wahren. — 

(4)  Wir  erfahren  den  Tod  des  wackeren  Kubary,  der  anf  Yap,  seiner  zweiten, 
mikronesischen  Heimath,  nach  so  vielen  Arbeiten  und  Enttäuschungen  dahin- 
geschieden ist  Er  war  einer  der  Pioniere,  welche  Caesar  Oodeffroy  im  Beginn 
seiner  colonialen  Handelsuntemehmungen  in  die  ferne  Inselwelt  hinausgeschickt 
hatte;  von  ihm  stammt  eine  grosse  Anzahl  ethnographischer,  anthropologischer  und 
naturwissenschaftlicher  Objecte,  die  jetzt  in  vielen  europäischen  Museen  als  be- 
sonders werthvoUe  Schätze  aufbewahrt  werden.  Auch  wir  besitzen  von  ihm  eine 
Sammlung  mikronesischer  Schädel,  über  welche  Hr.  Virchow  seiner  Zeit  in  den 
Akademie-Berichten  gehandelt  hat  Mehrere  wichtige  Abhandlungen,  insbesondere 
die  über  die  Palaus,  sind  durch  unsere  Museums-Verwaltung  veröffentlicht  worden.  — 

Am  13.  Februar  ist  zu  Lübbenau  einer  unserer  treuesten  Freunde,  Traugott 
Hirschberger,  im  Alter  von  fast  86  Jahren  gestorben,  nachdem  er  noch  bis  in 
seine  letzten  Tage  für  unsere  Literessen  thätig  gewesen  war.  Er  war  der  beste 
Kenner  des  Spreewaldes,  und  als  solcher  hat  er  uns  nicht  bloss  als  Führer,  sondern 
auch  ganz  besonders  als  Alterthumsforscher  zahlreiche  und  höchst  werthvoUe 
Dienste  geleistet  Er  hat  die  Gräberfelder  von  Zirkwitz  und  Kagow  in  den  Kreis 
unserer  Forschungen  eingereiht,  ihm  verdanken  wir  die  Hinweisung  auf  den 
Batzlin  und  mehrere  der  wichtigsten  Burgwälle.  Von  seinen  grossen  und  dauernden 
Verdiensten  für  das  gewerbliche  Unterrichtswesen  und  andere  conmiunale  Ein- 
richtungen in  seiner  Stadt,  von  seiner  patriotischen  Hingebung  im  öffentlichen 
Dienst  ist  hier  nicht  der  Platz,  ausführlich  zu  berichten.  Er  war  ein  ganzer  Mann 
mit  selbständiger  und  zielbewusster  Thätigkeit,  der  uns  stets  fehlen  wird,  wo  es 
gilt,  kräftig  einzugreifen.  Seine  letzten  Briefe  betrafen  die  uns  noch  beschäftigende 
Angelegenheit  des  Schlossberges  von  Burg,  insbesondere  die  Erhaltung  dieser  ehr- 
würdigen Anlage.  — 

Li  Oldenburg  ist  am  29.  Januar  der  langjährige  Director  des  Orossherzog- 
lichen  Museums,  C.  F.  Wiepken,  im  82.  Lebensjahre  gestorben.  Es  sind  achon 
mehrere  Jahre  her,  seitdem  wir  ihn  zu  einem  Jubeltage  durch  eine  Adresse  be- 
grüssten.  Unter  seiner  Leitung  ist  das  Oldenburger  Museum  aus  kleinen  Anfängen 
zu  einer  schönen,  vaterländischen  Anstalt  entwickelt  worden.  Dabei  fand  er  noch 
Zeit,  die  Vögel  und  Käfer  des  Herzogthums  in  besonderen  Werken  zu  schildern«  — 

Die  Königliche  Akademie  der  Wissenschaften  in  Turin  hat  am  7.  Februar  ihr 
berühmtes  Mitglied,  den  Senator  Oalileo  Ferraris  verloren.  — 

(5)  Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet: 

Hr.  Dr.  med.  Ludwig  Dittmer  in  Berlin. 
^    Oberbürgermeister  a.  D.  Dr.  Gustav  Brecht  in  Quedlinburg. 
^    Kammergerichta-Assessor  Dr.  Herz  in  Berlin. 


(85) 

'      Hr.  Baron  Moritz  t.  Leonhardi  in  Gross-Karben  im  Orossherzogthom 
Hessen. 
^    Dr.  Biermann  in  Zollhaus,  Nassau. 

(6)  Hr.  A.  Bastian,  der  nach  einem  Briefe  an  Hm.  M.  Bartels  von  seiner 
Reise  nach  der  Insel  Lombok  nach  Bataria  zurückgekehrt  ist,  befindet  sich  im  besten 
Wohlsein.    Er  hat  um  eine  Verlängerung  seines  Urlaubes  nachgesucht.  — 

(7)  Das  correspondirende  Mitglied  Hr.  Serrurier  zeigt  in  einem  Briefe  aus 
Batavia  vom  1.  October  an,  dass  er  in  Folge  der  Ablehnung  eines  neuen  Gebäudes 
lUr  das  ethnographische  National -Museum  in  Leiden  durch  die  gesetzgebende 
Kammer  seine  Demission  als  Director  des  dortigen  Museums  gegeben  hat.  — 

(8)  In  Dresden  hat  sich  unter  dem  Vorsitze  des  Herzogs  Johann  Albrecht 
von  Meklenburg  ein  Gomit^  gebildet,  um  dem  am  26.  Juni  1889  zu  Dabari  (Ndali) 
im  Hinterlande  von  Togo  am  Tropenfleber  gestorbenen  Dr.  Ludwig  Wolf  in  Loma 
an  der  deutschen  Togo-Kttste  einen  Gedenkstein  zu  setzen,  unter  dem  später  die 
Gebeine  des  Verstorbenen  beigesetzt  werden  sollen.  Das  Denkmal  soll  zugleich 
den  Mitgliedern  der  damaligen  Expedition,  Hauptmann  Kling  und  Schiffszimmer- 
mann Bugs  lag,  gewidmet  werden.  Das  Comite  hat  unter  dem  1.  September  1896 
einen  Aufhif  zu  Geldbeiträgen  erlassen. 

Der  Vorsitzende  macht  Mittheilung  von  demselben  und  erinnert  daran,  dass 
Dr.  Wolf  bis  zu  seinem  Tode  von  allen  seinen  Forschungsreisen  im  Congo-  und 
Togo -Gebiete  unserer  Gesellschaft  mustei^gültige  wissenschaftliche  Berichte  ein- 
gesendet hat,  die  in  unserer  Zeitschrift  yeröfitentlicht  sind;  auch  die  Ergebnisse 
«einer  Sammlangen  sind  vorzugsweise  hierher  gelangt  und  zählen  zu  den  Zierden 
unserer  Anstalten. 

Eine  Zeichnungsliste  wird  aufgelegt  Die  Erträge  werden  an  das  Bureau  der 
deutschen  Colonial-Gesellschaft  hierselbst  (W.  Potsdamerstrasse  22a}  abgeliefert 
werden.  — 

(9)  Ein  Comite  fordert  unter  dem  20.  Januar  1897  zur  Errichtung  eines 
deutschen  Colonial-Museums  in  Berlin  und  zur  Betheiligung  an  einer 
Actien-Gesellschaft  auf.  — 

(10)  Das  Orient-Comite  in  Berlin  hat  in  einer  Sitzung  vom  24.  Januar  d.  J. 
aber  seine  Auflösung  berathen.  Sollte  dieselbe  eintreten,  so  wdrde  eine  Vereinigung 
thatkräftiger  Männer,  die  fär  die  Orient -Forschung  grosse  Anstrengungen  gemacht 
und,  namentlich  in  Sendschirli,  schöne  Triumphe  errungen  hat,  aus  dem  öffent- 
lichen Leben  ausscheiden.  — 

(11)  Die  Königliche  Akademie  der  Wissenschaften  hat  den  ersten  Preis  der 
von  dem  Herzog  de  Loubat  errichteten  Stiftung  für  amerikanistische 
Studien  Hrn.  Ed.  Seier  für  seine  Publication  der  ron  Alexander  v.  Humboldt 
geretteten  mexikanischen  Bilder-Handschriften  ertheilt.  — 

(12)  Hr.  Rud.  Virchow  berichtet  über  die 

Gründung  eioes  Landesvereins  für  s&chsische  Volkskunde. 

Am  letzten  Sonntag  (14.  Februar)  betheiligte  ich  mich,  einer  gütigen  Ein- 
ladung entsprechend,  an  einer  grossen  Versammlung  von  Männern  aus  allen  Theilen 
Sachsens,  welche  in  Dresden  zusammentrat   Der  Beschluss,  sich  zu  einem  Landes- 


(86) 

Termin  zasammenzaschliessen,  wurde  mit  Begeisterong  gefossl.  Eine  recht  hübsche 
Ausstellang  toh  Haasmodellen,  Tracbtenbildem  a.  A.  gab  auch  dem  Nenlinge  Oe- 
legenheit,  sich  ein  Bild  von  den  Strebnngen  des  Vereins  zu  verschaffen.  Letzterer 
hat  sich  alsbald  anter  dem  Vorsitze  des  Generals  Freiherm  t.  Friesen  constitairt 
und  fordert  zum  Beitritt  aaf.    Jahres-Beitrag  1  Mk.  50  Pfg.  — 

(13)  Es  wird  beschlossen,  für  die  zweite  Serie  der  Verhandlangen  (Jahr- 
gang 1889 — 1899)  wiederam  ein  Oeneral-Register  ausarbeiten  zu  lassen.  — 

(14)  Die  Allgemeine  schweizerische  Oesellschaft  ffir  die  gesammten 
Natarwissenschaften  hat  in  ihren  Neaen  Denkschriften,  Bd.  XKXV,  eine  vor- 
trefflich  ausgestattete  Abhandlung  des  Hm.  Jakob  Nttesch  über 

das  Schweisersbild  bei  Schaffhausen 

reröffentlicht,  welche  in  ausHihrlicher  Weise  sowohl  die  territorialen  Verhältnisse, 
als  namentlich  die  anthropologischen,  zoologischen  und  archäologischen  Funde  be- 
handelt 

Hr.  Nttesch  bemerkt  in  einem  Briefe  an  Hm.  Vircliow  darüber  Folgendes: 
„Durch  das  Zusammenwirken  der  sämmtlichen  Betheiligten  war  es  möglich: 

a)  die  Aufeinanderfolge  einer  Tundren-,  Steppen-,  und  Waldfauna  in  einer 
Vollständigkeit  zu  constatiren,  wie  eine  solche  von  keinem  anderen  Orte 
ans  der  Pleistocänzeit  bis  jetzt  bekannt  ist; 

b)  alle  diese  Faunen  als  postglacial  und  damit  postglaciale  Klimaschwankungen 
zu  erweisen; 

c)  die  Gleichzeitigkeit  der  Existenz  des  paläolithischen  Menschen  mit  den 
beiden  älteren  dieser  postglacialen  Faunen  festzustellen; 

d)  aus  der  neolithischen  Zeit  zum  ersten  Male  eine  ansehnliche  Begräbniss- 
stätte der  waldbewohnenden  Neolithiker,  einer  älteren  Berölkerang,  als 
die  eigentlichen  Pfahlbauer  der  schweizerischen  Seen,  sowie 

e)  eine  bisher  in  Europa  ans  der  neolithischen  Zeit  noch  nicht  bekannte 
menschliche  Rasse  von  kleinem  Wuchs,  Pygmäen,  nachzuweisen; 

f)  eine  klare  Aufeinanderfolge  der  Schichten  am  Schweizersbild  zu  erkennen, 
welche  ermöglichte,  auch  über  das  absolute,  nicht  blos  relative  AHer  der 
Niederlassung  (etwa  28000  Jahre)  und  der  einzelnen  Schichten  annähernde 
Zahlenwerthe  anzugeben,  und 

g)  in  den  übereinander  liegenden  Schichten  eine  Folge  der  verschiedenen 
Cultur-Epochen  und  die  Dauer  derselben  zu  constatiren,  und  zwar  dauerte 
—  wenn  die  neolithische  Zeit  4000  Jahre  hinter  uns  liegt  — : 

die  paläolithische  Zeit  mit  der  Tundren-  und  Steppenfauna:  8000  Jahre; 

die  Zwischenzeit  zwischen  der  älteren  und  jüngeren  Steinzeit:    120(K) 
Jahre  (!); 

die  Pfahlbauzeit,  bezw.  die  ganze  neolithische  Zeit:  4000  Jahre  und 

die  historische,  Bronze-,  Kupfer-  und  Eisenzeit:  4000  Jahre. 
„Sollten  weniger  als  4000  Jahre  seit  der  neolithischen  Zeit  verflossen  sein,  »o 
reduciren  diese  Zahlen  für  die  einzelnen  Epochen  sich  entsprechend;  wenn  sie 
auch  keinen  Ansprach  auf  absolute  Sicherheit  machen  können,  so  ist  es  doch 
interessant  zu  ersehen,  dass  seit  dem  ersten  Erscheinen  des  Menschen  am  Schweizers- 
bild und  seit  der  letzten  Eiszeit  nicht  Hunderttausende  von  Jahren  verflossen  sind, 
wie  bisher  angenommen  wurde,  und  dass  zwischen  der  ältesten  und  der  jüngeren 


(87) 

Steinzeit  ein  bisher  nicht  geahnter,   mächtiger  Zeitranm  liegt,   der  mindestens  so 
gross  ist,  wie  die  historische  and  neolithische  Zeit  zasammengenommen.  — 

„Wenn  es  gelungen  ist,  ein  möglichst  Yollatändiges  Bild  von  der  Niederiassnng 
am  Schweizersbild,  sowohl  in  paläontologischer,  geologischer,  mineralogischer  and 
anthropologischer  Hinsicht,  als  aach  in  caltargeschichtlicher  Beziehung  zu  geben, 
so  ist  der  Erfolg  wohl  in  erster  Linie  der  grossen  Bereitwilligkeit  zu  verdanken, 
mit  welcher  die  verehrten  Herren  Mitarbeiter  ihre  reichen  Kenntnisse  in  den 
Dienst  der  Wissenschaft  stellten  und  die  Bearbeitung  specieller  Funde  übernahmen; 
als  Orundlage  der  Forschungen  dichten  die  methodischen  Ausgrabungen  der  Nieder- 
lassung. Das  Werk  sucht  eine  Lücke  in  der  Oeschichte  der  Schweiz  und  Mittel- 
europas auszufüllen:  Joh.  v.  Müller  hat  die  Schweizergeschichte  in  historischen 
Zeiten  beschrieben;  Keller  in  Zürich  hat  durch  seine  Berichte  in  den  60er  und 
70er  Jahren  über  die  Pfahlbauten  die  neolithische  Zeit  desselben  Landes  enthüllt; 
das  vorliegende  Werk  versucht  ein  Bild  desselben  Landes  in  der  paläolithischen  Zeit 
zu  entrollen."  — 

(15)  Hr.  C.  Kohl  übersendet  neue  Mittheilungen  über  römische  und  neo- 
lithische Gräberfelder  bei  Worms.  Dieselben  werden  für  die  „Nachrichten 
über  deutsche  Alterthumsfunde"  benutzt  werden.  — 

(16)  Hr.  Rud.  Virchow  legt  die  ihm  von  dem  Verfasser,  Sanitätsrath 
Dr.  Schneider,  Director  des  Land-Krankenhauses  in  Fulda,  übersendete  Schrift: 
„Die  Milseburg,  die  Perle  der  Bhön''  (B^ulda  1892)  vor. 

In  der  Sitzung  vom  9.  Juli  1870  habe  ich  der  Oesellschaffc  über  einen  Besuch 
der  Milseburg  berichtet  (Verhandl.  IL  S.  467).  Ich  war  damals  mit  einer  grösseren 
Untersuchung  über  die  deutschen  Brand-  und  Stein  wälle  beschäftigt,  und  es 
interessirte  mich,  in  dem  bis  dahin  recht  wenig  erforschten  Gebiete  der  Bhön  einen 
Ringwall  zu  vergleichen,  von  dem  mir  Kunde  geworden  war.  Das  Ergeboiss 
meiner  Betrachtung  fasste  ich  in  dem  Satze  zusammen:  „Ich  bezweifle  nicht,  dass 
es  sich  um  eine  Einschliessung  handelt,  die  zu  bestimmten  Zwecken  der  Zuflucht 
oder  der  Andachtsübung  hat  dienen  sollen."    Brandspuren  nahm  ich  nirgends  wahr. 

Hr»  Schneider  berührt  in  seiner  Schrift  diesen  Ringwall  nur  beiläufig. 
Er  sagt  (S.  40):  „Zum  Abstieg  empfehlen  wir  den  Wallpfad  und  von  diesem 
ab  den  Gang  über  die  grünen  Matten,  welche  von  den  Besitzern  mit  dem  ab- 
gefallenen Geröll  eingefasst  sind."  In  einem  Briefe  vom  19.  Januar  d.  J.  schreibt 
er  mir  jetzt:  „Diese  Gerölleinfassung  hat  sich  nun  als  prähistorischer  Wall 
entpuppt;  Sachverständige  (der  Limes -Forscher  Prof.  Wolff  in  Frankfurt  a.  M. 
und  Bau-Inspector  Mais  in  Cöln)  haben  dies  unzweifelhaft  festgestellt."  Diese 
Bestätigung  meiner  Ansicht  ist  mir  natürlich  sehr  angenehm  und  sie  hat  wissen- 
schaftlich grosse  Bedeutung.  Immerhin  wäre  es  sehr  erwünscht,  wenn  Hr.  Schneider, 
wie  er  es  in  Aussicht  stellt,  eine  genauere  Durchforschung  der  Felsspitze  and  ihrer 
Umwallung  vornehmen  wollte.  — 

(17)  Hr.  H.  Schumann  in  Löcknitz  berichtet  in  einem  Briefe  vom  1.  Februar 
über  ein  Steinzeitgrab  von  Betzin  in  Pommern.  Die  Mittheilung  ist  in  den 
„Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde",  Jahrg.  1896,  S.  95  veröffentlicht.  — 

(18)  Hr.  A.  Götze  hat  einen  Bericht  eingesendet  über  Brandgräber  der 
Völkerwanderungszeit  von  Messdorf,  Kreis  Osterberg.  Derselbe  ist  in 
den  „Nachrichten"  1897,  S.  1  gedruckt.  — 


(88) 

(19)  Hr.  Mehlis  überschickt  einen  Bericht  über  die  Aufgrabung  einer 
römischen  Villa  auf  dem  Weilberge  bei  üngstein,  Rheinpfalz.  Der* 
selbe  ist  in  den  ^Nachrichten^  1897,  8.  11  gednickt.  — 

(20)  Hr.  Premier- Lieutenant  Schmidt  übersendet  aus  Oraudenz,  16.  nnd 
17.  November  1896  und  6.  Februar  1897,  Berichte  über 

1.  zwei  Hügelgräber  bei  Schlagenthin,  Kreis  Tuchel, 

2.  eine  Steinkiste  bei  Klein-Kensau,  Kreis  Tuchel, 

3.  einige   urgeschichtliche,    wahrscheinlich   neolithische  Fundstellen  in   der 
Umgegend  von  Graudenz. 

Dieselben  werden  in  den  ^Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfbnde^  rer- 
öffentlicht  werden.  — 

(21)  Hr.  B.  Frank el  schickt  3  Photographien  von  Männern  aus  Samoa  mit 
Elephantiasis  scroti.  — 

(22)  Hr.  Baron  v.  Korff  schenkt  photographische  Abbildungen  von 
Port  Darwin,  Australien,  und  einen  Australier-Schädel.  — 

(23)  Hr.  F.  W.  K.  Müller  übersendet  einige 

Anmerkungen  zu  Bartels -Ploss:   „das  Weib'^  (4.  Aufl.). 

ZuI,S.84: 

Fig.  29  ist  bezeichnet  als  ,Junge  Japanerin,  nach  einem  japanischen  Holz- 
schnitte^. Das  Bild  stammt  allerdings  aus  einem  japanischen  Werke *)>  stellt 
aber  eine  chinesische  Hofdame  des  Mittelalters  dar.  Das  betreifende  Werte  ent- 
hält eine  kleine  Auswahl  von  chinesischen  Oedichten  aus  der  Tang- Zeit  mit 
lUostrationen  und  japanischem  Commentar.  Zu  einem  Klagegedicht,  das  einer 
Hofdame  in  den  Mund  gelegt  wird,  bildet  nun  Fig.  29  die  Illustration. 

Zu  I,  S.  120: 

Die  in  Fig.  53  dargestellten  drei  Frauen  sind  wohl  Chinesinnen,  aber  keine 
„Tomehmen*'  (eher  wohl  Halbwelt-Damen  aus  Amoy,  nach  mündlicher  Mittheiiung 
von  Prof.  G.  Schlegel). 

Zu  I,  S.  295: 

Statt  „gekke^  lies:  gekkei  (ausgesprochen  wie  gekke). 

^     ^mengori,  megori^  lies:   meguri  (in  Tokio  ausgesprochen  wie  mengori). 

„     ygeschin^  lies:  gesshin. 

„     ffjakh^  lies:   yaku. 
Uepburn  s.  v.  menses  hat  noch:   tsuki  no  mono  (=  das  Monatliche),  sawari 
(s  Hindemiss,  Unterbrechung,  Krankheit),  keisui,  keikö,  tsukiyaku. 

Zu  I,  S.  317: 

Statt  ^shimokase^  lies:    shimokaze. 
„     „kama^  lies:    koma. 

Zu  I,  S.  507f.: 

Die  Unfruchtbarkeit  der  Frauen  zu  erkennen,  ist  in  dem  Werke  «Eitai  dai 
zassho  banreki  dai  sei^  ^)  p.  244  u.  245  eine  Reihe  körperlicher  Merkmale  genannt 

1)  Im  Besitze  des  Hro.  Bsrtels  und  von  ihm  freundlichst  behufs  Einsichtnahme  tor 
Verfügung  gestellt. 

2)  Eine  Encyklopftdie  der  Wahrsagekonst,  Fig.  192  ist  demselben  Werke  p.  78  b  ent- 
nommen. 


(89) 

Die  darauf  bezüglichen  Auszüge  wurden  dem  Herrn  Heransgeber  bereits  über- 
geben. 

Zu  I,  S.  412: 

Die  japanischen  Courtisanen  werden  u.  A.  auch  keisei  genannt.  In  seiner 
80  eben  erschienenen  ^Biblioth^ue  japonaise^  p.  285  erklärt  Hr.  Serrurier  diesen 
Ausdruck  als  „citadelles  döversentes  ou  fragiles^.  R ei  sei  ist  aber  die  japanische 
Aussprache  der  chinesischen  Ideogramme  k'ing-^'eng  (ch'ing-ch'eng).  Letzteres 
ist  eine  uralte  Metapher  der  Chinesen  zur  Bezeichnung  der  Frauen-Schön- 
heit und   der  Gefährlichkeit  dieser  Schönheit    Yei^l.  Mayers  ^Chinese 

reader's   manual'*   p.  99:    ^^   ß^   ^^  ij^  k'ing   kwoh   k'ing   cVeng  —  „the 

▼anquisher  of  states  and  cities,    —    a  hyperbole  derived  in  part  from  the  She 

king Hence  met  for  the  power  of  female  loveliness".    Veigl.  ferner 

Oiles,  ^Chinese  dictionary^  p.  230: 

^—  j^*  /fg  xJi 

#  Ä  #  H 

^one  glance  would  upset  a  city,  a  second  woald  upset  a  State  —  so  beautifui 
is  she.  Thus  sung  Li  Yen-nien  [im  2.  Jahrhundert  vor  Chr.]  about  bis  sister, 
the  faTourite  concubine  of  Wu-Ti  of  the  Han  dynasty.** 

Derartige  im  Japanischen  ganz  geläufige  und  viel  gebrauchte  Ausdrücke  haben 
oft  ein  recht  ehrwtlrdiges  Alter  aufzuweisen.  Ein  anderes  Beispiel  ist  das  ^apanische^ 
Sprüchwort:  ^i  no  naka  no  kairu  daikai  wo  shirazu*^*)  =  der  Frosch  im  Brunnen 
weiss  nichts  vom  Weltmeer. 

Ein  Folklorist,  der  in  Japan  dieses  Sprüchwort  aus  dem  Volksmunde  auf- 
zeichnet, dürfte  wohl  kaum  ahnen,  dass  dieses  Sprüchwort,  wie  manches  andere, 
erst  durch  die  Leetüre  der  chinesischen  Classiker  in  Japan  Heimathrecht  ge^ 
Wonnen  hat  und  schon  aus  dem  4.  Jahrhundert  vor  Chr.  stammt.    Der  bekannte 

japanische  Gelehrte  Kaibara  Yoshifuru  ^  J^  ^^  "^  [lebte  1663—1700] 

hat  in  seinen  „Rotowazagusa^  nachgewiesen,  dass  dieses  Spruch  wort  schon  in  dem 
Hou-han-shu  und  beim  Philosophen  Chuang-tsi  vorkommt.  (Kotowazagusa  1, 
p.  3  b.) 

Zu  II,  S.  53  und  203,  252: 

Zwei  japanische  Zauberformeln,  zu  gebrauchen,  wenn  die  B^rau  nicht  gebären 
kann,  bezw.  wenn  die  Nachgeburt  nicht  kommen  will,  wurden  dem  Hm.  Heraus- 
geber bereits  übergeben. 

Zum  Abschnitt:   die  Ernährung  Erwachsener  mit  Frauenmilch. 

Hr.  Bartels  bemerkt  hierzu  (U,  S.  406,  4.  Aufl.,  bezw.  S.  409,  3.  Aufl.):  ^In 
einem  japanischen  Bilderbnche,  das  sich  im  Besitze  des  Berliner  Museums  für 
Völkerkunde  befindet,  fand  der  Herausgeber  eine  kleine  Abbildung  (Fig.  290), 
welche  eine  an  der  Erde  sitzende  Frau  darstellt,  an  deren  aus  dem  zurück- 
geschlagenen Kleide  hervorstehender  Brust  ein  anderer  erwachsener  Mensch,  nach 
der  Haartracht  zu  urtheilen,  ebenfalls  eine  Frau,  begierig  zu  sangen  scheint  Ein 
Kind  schiebt  von  hinten  her  die  Säugende  der  Trinkenden  entgegen.    Da  dieses 


1)  MittheiluDgen  der  deutschen  Qesellschafb  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ost -Asiens. 
Bd.  I,  Heft  IV,  S.  25. 


(90) 

Bilderbuch  im  Uebrigen  allerlei  Darstellungen  aus  dem  tllglichen  Leben  enthält, 
80  muss  man  annehmen,  dass  der  TorgefQhrte  G^enstand  etwas  ftir  japanische 
Aagen  ganz  Bekanntes  and  ohne  weiteres  Verständliches  sein  müsse. 
—  Es  besitzt  übrigens  das  königliche  ethnographische  Maseom  in  München  in 
seiner  japanischen  Abtheilong  ebenfalls  einen  auf  unser  Thema  bezüglichen  Gegen- 
stand. Dieses  von  Siebold  mitgebrachte  Stück  ist  eine  zierliche  kleine  Gruppe, 
in  Elfenbein  geschnitzt ....  [Folgt  Beschreibung  des  Münchener  Netsuke  *),  dazu 
Fig.  291]  ....  Wenn  der  Haarputz  und  die  Gesichtszüge  den  Herausgeber  nicht 
täuschen,  so  scheint  die  saugende  Person  eine  alte  Frau  zu  sein.^ 

Da  diese  Sätze  schon  in  der  3.  Auflage  vorkommen,  aber  bisher  noch  keine 
weitere  Erklärung  gefunden  haben,  so  sei  es  gestattet,  hierauf  zurückzukommen. 
Beide  Bemerkungen  des  Herausgebers  Hrn.  Bartels  sind  richtig:  es  handelt  sich 
um  eine  alte  Frau  und  um  ein  den  Japanern  ohne  weiteres  verständliches  Bild, 
ja  sogar.  Dank  dem  vortrefflichen  Ratiiloge  Anderson's*),  um  ein  dem  Europäer 
verständliches  Bild.  Beide  von  Bartels  abgebildeten  Vorgänge  stellen  ein  und 
dasselbe  dar,  nehmlich  eines  der  berühmten  Nij fish i  kö  (der  vierundzwanzig  Bei» 

spiele  von  kindlicher  Liebe  bei  den  Chinesen):  die  ^'  y^  /^  T6  Fujin  oder 

^  1^  ^  Tö  Saishi  (Tang  Tsui  shi),    eine  Chinesin  aus  der  Tang-Zeit 

(618—907),  welche  ihre  Urgrossmutter  (nach  Anderen:  ihre  Schwiegermutter)  mit 
ihrer  eigenen  Milch  am  Leben  erhielt.  Anderson  sagt  hierüber  s.  v.  Ts'ui  She 
(jap.  Saishi):  ^Ts'ui  She  had  a  great-grandmother  of  extreme  age,  who,  having 
lost  the  whole  of  her  teeth,  was  unable  to  eat  rice.  Ts'ui  She,  however, 
came  every  day  to  wash  her  and  dress  her  hair,  and  nourished  her  with  milk 
from  her  own  bosom,  so  that  the  venerable  woman's  health  was  maintained  for 
many  years.  At  length  she  was  Struck  down  by  a  severe  illneas,  and  before  her 
death  she  summoned  all  her  relatives,  young  and  old,  to  teil  them  of  the  kindness 
she  had  received,  saying  that  she  herseif  could  not  requite  it,  but  she  prayed  to 
the  gods  that  the  children  of  Ts*ni  She  might  hereafter  manifest  to  their  parents 
the  same  degree  of  flltal  piety  that  their  mother  had  lavished  upon  her.^ 

Vergl.  femer  noch  Mayers  s.  v.  Ts'ui  Shi*):  ^Distinguished  as  the  solitary 
female  among  the  Twenty-four  examples  of  ftlial  piety.  It  is  related  of  her  that, 
her  mother-in-law  being  old  and  tootbless,  she  nourished  her  with  milk  from  her 
own  breast,  by  which  means  she  infused  new  life  and  vigour  into  the  frame  of 
her  adopted  pareni** 

Die  Vorlage  für  Fig.  290  beiPloss-Bartels  ist  sicher  die  Zeichnung  Hokusai*» 
in  Mangwa,  Heft  8,  p.  20a,  gewesen.  Uebrigens  schiebt  nicht  das  Kind  j^ron 
hintenher  die  Säugende  der  Trinkenden  entgegen*^,  sondern  es  hebt  einfach  die 
Hände  in  die  Luft,  wie  im  Erstaunen.  Die  Unterschrift  des  Bildes  hätte  nach 
dem  Gesagten  also  statt:  „japanische  Frau,  einem  erwachsenen  Weibe  die 
Brust  reichend  (nach  einem  japanischen  Holzschnitt)^  richtiger  zu  lauten i 
Chinesische  Frau,  einer  Greisin  die  Brust  reichend.  Nach  einem  japanischen 
Holzschnitt  [Hokusai]. 

1)  Dies  ist  die  richtige  Form  des  Wortes,  nicht  Netzke,  wie  Gonse  und  darnach 
Bartels  schreiben. 

2)  W.  Anderson,  Descriptive  and  historical  catalogue  of  a  coUection  of  Japanese 
and  Chinese  paiotings  in  the  British  Maseum.    London  1886,  p.  176. 

S)  Mayers,  The  Chinese  rcader's  mannal.    Shanghai  1874,  p.  238. 


(91) 

Tabniri«  Worte  in  der  Hochzeitsnacht 
(Enfdge  dem  ^Bhon  konrei  tebiki  gusn!^  »  illnstrirten  Handbuch  ftlr  die  Hochseit8» 

Geremonien,  1769,  H.  1): 

konrei  no  yo  iamajiki  kotoba:         Wörter,  welche  in  der  Hochzeitsnacht 

nicht  gebraucht  werden  dürfen: 

kaesu zurückschicken, 

wakarum geschieden  sein, 

modosu zurückgeben, 

noku sich  zurückziehen, 

saru verlassen, 

samuru sich  ernüchtern, 

usui    .    ., dünn, 

yaru weggeben,  senden, 

aku genug  haben, 

modoru zurückkehren, 

okuru hinausgeleiten,  wegsenden, 

hanaruru verlassen,  trennen, 

shimanu nicht  durchdringen, 

kirau nicht  gern  mögen,  verabscheuen, 

itoma Abschied. 

(24)   Hr.  A.  Nehring  schreibt  unter  dem  16.  Februar  1897: 

Ueber  das  Vorkommen  von  Zwergen  neben  grossen  Lenten  in  demselben 

Volke. 

Da  ich  mich  ktlrzlich  viel  mit  den  Herberstain'schen  Sdinften  befasst  habe, 
möchte  ich  auf  eine  Stelle  derselben  hinweisen,  welche  für  das  Nebeneinander-* 
vorkommen  von  Pygmäen  neben  grossen  Leuten  innerhalb  desselben  Volks- 
stammes eine  gewisse  Bedeutung  hat,  zumal  da  Herberstain  aus  eigener  An- 
schauung zu  berichten  scheint  Dieser  seiner  Zeit  hochbertthmte,  weitgereiste 
österreichische  Diplomat  hat  zwei  Oesandtschaftsreisen  nach  Moskau  ausgeführt, 
die  eine  von  Ende  1616  bis  Anfang  1518,  die  andere  1526.  Er  war  sehr  darauf 
bedacht,  möglichst  genaue  Notizen  über  die  von  ihm  berührten  Länder  und  Völker 
zu  sammeln;  auf  beiden  Beisen  berührte  er  den  südliehen  Theil  Samogithiens, 
des  heutigen  Gouvernements  Rowno,  und  er  berichtet  ausführlich  über  die  Be- 
schaffenheit dieses  Landes  und  seiner  Einwohner,  sowohl  in  der  lateinischen,  als 
auch  in  der  deutschen  Ausgabe  seines  berühmten  Reisewerks')* 

Diese  deutsche  Ausgabe,  welche  Herberstain  mit  besonderem  Fleiss  be- 
arbeitete und  1557  in  Wien  herausgab,  ist  verhältnissmässig  selten;  da  sie  mir 
augenblicklich  vorliegt,  führe  ich  den  betreffenden  Abschnitt  hier  an'),  und  zwar 
in  etwas  modemisirtem  Deutsch.  Derselbe  lautet:  ^Samaithn,  das  man  lateinisch' 
Samogithia  und  in  russischer  Sprache  Ramotzkasemla  nennt,  ist  das  dem 
Fürstenthum  Lithauen  nächste  Land  nach  Norden  hin,  gehört  auch  zu  demselben 
Orossfürstenthum   und   grenzt   sogar   an  das  Meer,    indem  es  (sc.  Samaithn)  hier 

1)  Der  Titel  der  lateinischen  Ausgabe,  welche  xuerst  in  Wien  1549  erschien,  lautet: 
^Rernm  Moscoviticamm  Commentarii*;  derjenige  der  deutschen  Ausgabe,  Wien  1557,  lautet: 
Moscovia  der  Haoptstat  in  Reissen     ....  beschreibong  n.  s.  w. 

9)  8iebe  Bogen  Q,  S.  2. 


(92) 

4  Meilen  breit  ist  und  Prenssen  von  Livland  trennt.  Es  hat  (sc.  zur  Zeit  meiner 
rassischen  Beisen)  kein  namhaftes  Schloss  oder  eine  Stadt  gehabt,  es  wäre  denn 
seither  etwas  darin  erbant  worden.  Der  Oberste  wird  von  den  OrossfUrsten  darin 
verordnet,  den  nennen  sie  nach  seinem  Amt  Starosta  als  den  Aeltesten;  in  Polen 
nennt  man  einen  gewöhnlichen  Hauptmann  ebenso.  Solches  Amt  ist  in  Samaithn 
auf  Lebenszeit,  falls  derselbe  es  nicht  verwirkt.  Darin  ist  auch  ein  Bischof  des 
römischen  Glaubens;  sie  sind  mit  dem  König  Jagello,  der  Wladislaus  genannt 
wurde,  und  mit  dem  Lithauischen  Lande  getauft  worden.  Die  Einwohner  (von 
Samogithien)  sind  meistens  grosse  und  lange  Personen;  daneben  haben 
die  Väter  neben  den  grossen  (Rindern)  auch  kleine  Zwerge,  die  sie  ins- 
gemein Carln  nennen.  Sie  kleiden  sich  gewöhnlich  schlecht,  fast  alle  in  Orau,  und 
wohnen  in  schlechten  Häusern,  welche  die  Form  von  langen  Scheunen  oder  Vieh- 
ställen haben.  Li  der  Mitte  ist  der  Heerd  und  das  Feuer.  Danebenher  steht  das 
Vieh:  Rosse,  Schweine,  Ochsen  u.  s.  w.  Alles  herum,  damit  der  Hauswirth  und 
Andere  ohne  Unterlass  das  Alles  besehen  mögen.  So  haben  sie  auch  gar  selten 
ein  abgetrenntes  Zimmer  zu  ihrer  nächtlichen  Buhe. 

„Die  Reichen  und  Edeln  trinken  aus  Wisenthömem;  sie  sind  beherzte  Leute, 
haben  viel  Panzer  und  andere  Wehr,  und  namentlich  Jagdspiesse,  die  sie  auch  zu 
Ross  führen,  und  sehr  kleine  Pferde,  also  dass  man  sich  wundem  muss,  dass 
dieselben  unter  den  schweren  Personen  so  viel  Arbeit  leisten  können.  Mit  ihnen 
bauen  sie  ihre  Felder  und  brauchen  sie  im  Kriege.  Sie  ackern  ihr  Erdreich  nicht 
mit  Pflugeisen,  sondern  mit  Holz;  es  fahrt  Einer  viele  solche  zugerichtete  Hölzer 
mit  sich  auf  den  Acker,  damit  er,  falls  eines  bricht,  statt  dessen  bald  ein  änderet 
hat;  und  das  Erdreich  ist  dort  zäh. 

„Einer  ihrer  Starosten  brachte  Pflugeisen  in  das  Land;  da  begab  es  sich,  dau 
2  oder  3  Jahre  darnach  das  (Getreide  missrieth,  gaben  dem  Eisen  die  Schuld, 
brauchten  wiederum  das  Holz.  Der  Starosta  musste  es  geschehen  lassen,  da  er 
einen  Aufruhr  fürchtete.  Das  Land  ist  mit  Gehölzen  und  Wäldern  stark  bewachsen; 
ausserdem  giebt  es  dort  viele  Stimpfe  und  Seen.  Da  soll  man,  wie  sie  sagen» 
mancherlei  Gesicht  oder  Gespenster  sehen.  So  findet  man  dort  noch  bis  heute 
viel  Abgöttereien  bei  den  Einwohnern,  deren  etliche  das  Feuer,  etliche  gewisse 
Bäume,  femer  Sonne  und  Mond  anbeten.  Andere  aber  haben  ihre  Götter  in  ihren 
Hänsern;  das  sind  Wflrmer  wie  die  (gemeinen)  Eidechsen,  aber  grösser,  mit  vier 
Füssen,  schwarz  und  dick,  an  3  Spannen  lang.  Etliche  nennen  sie  Giowites,  andere 
Jatzuka,  noch  andere  Szmya^  u.  s.  w.  u.  s.  w. 

Li  der  lateinischen  Ausgabe  seines  Werkes  nennt  Herberstain  diese  Thiere 
„serpentes  quosdam  quatuor  brevibus,  lacertarum  instar,  pedibus,  nigro  oboesoque 
corpore,  trium  palmaram  longitudinem  non  excedentes,  Givuoites  dictos''.  Es  ist 
mir  unklar,  welches  Reptil  hier  gemeint  sein  mag;  offenbar  beschreibt  H.  dasselbe 
nur  nach  Hörensagen.  Aber  im  Uebrigen  machen  seine  Mittheilungen  über  die 
Einwohner  von  Samogithien  den  Eindrack,  als  ob  sie  grösstentheils  auf  eigwier 
Anschauung  berahten;  dieses  dürfte  insbesondere  der  Fall  sein  hinsichtlich  des 
häufigen  Vorkommens  von  Zwergen  neben  grossen,  langen  Personen.  Li  der 
lateinischen  Ausgabe  heisst  die  betreffende  Stelle  folgendermaassen:  „In  Samogithia 
hoc  in  primis  admirandum  occurrit,  quod,  cum  ejus  regionis  homines  procera 
ut  plurimum  statura  sint,  filios  tamen  alios  corporis  magnitudine  excellentes, 
alios  perpusillos  ac  plane  nanos,  veluti  vicissitudine  quadam,  procreare  solent^ 
Diese  Stelle  ist  von  einigen  Forschem  so  verstanden  worden,  als  ob  nach  Herber- 
stain ein  regelmässiger  Wechsel  in  der  Geburt  grosser  und  kleiner  Leute  bei 
den  Samogethen  stattfände.    Dieses  steht  aber  nicht  da;  H.  sagt  nur:  „veluti  ricissi- 


(93) 

tndine  quadam^,  und  in  der  deutschen  Ausgabe  seines  Werks,  welche  nach  meinen 
Beobachtungen  in  Zweifelsfällen  zuverlässiger  ist,  als  die  lateinische,  sagt  er  über- 
haupt nichts  von  einem  solchen  Wechsel,  sondern  beschränkt  sich  auf  die  einfache 
Hittheilung,  dass  neben  den  grossen  Leuten  auch  zwerghafte  vorhanden  seien, 
und  zwar  als  Kinder  derselben  Eltern. 

Da  heute  in  der  Anthropologie  vielfach  von  dem  Vorkommen  besonderer 
europäischer  Zwei^grassen  die  Rede  ist  und  als  Beweis  dafür  namentlich  die  von 
KoUmann  beschriebenen  Funde  vom  „Schweizersbild^  bei  Schaffhausen 
angeführt  werden,  so  ist  es  wohl  nicht  unnütz,  auf  die  obige  Angabe  Herber- 
stain's  hinzuweisen.  Dass  es  Zweigrassen  gegeben  hat  und  noch  heute  giebt 
(z.  B.  in  Indien,  in  Africa),  steht  ja  wissenschaftlich  fest;  aber  es  erscheint  doch 
fraglich,  ob  es  sich  bei  den  Funden  am  Schweizersbild  bei  Schaffhausen  um  zwei 
gesonderte,  gleichzeitig  neben  einander  lebende  Bässen,  eine  grosse  und  eine 
kleine,  handelt  Ein  solches  Nebeneinanderleben  zweier  besonderer  Rassen, 
welche  der  Grösse  nach  sehr  verschieden  sind,  an  gleichem  Ort  erregt  doch 
gerechte  Bedenken,  und  man  könnte  das  Nebeneinandervorkommen  von  grossen 
und  kleinen  Individuen  an  derselben  Begräbnissstätte  viel  einfacher  durch  die 
Annahme  ähnlicher  Verhältnisse,  wie  sie  nach  Herberstain  im  16.  Jahrhundert 
bei  den  Samogethen  vorlagen,  erklären. 

Dass  in  manchen  Familien  auch  in  Deutschland  noch  heute  neben  grossen, 
schlank  gebauten  Individuen  auffallend  kleine  vorkommen,  kann  ich  auf  Grund 
eigener  Erfahrung  bestätigen.  Ebenso  steht  es  durch  zahlreiche  zoologische  Be- 
obachtungen fest,  dass  bei  unseren  freilebenden  Säugethieren  oft  kolossale  Grössen- 
unterschiede  der  einzelnen  Individuen  aus  derselben  Gegend  vorkommen.  So  hat 
Reinh.  Hensel  bei  unseren  Musteliden^)  geradezu  eine  Riesen-  und  eine 
Zwergform  unterschieden;  ich  selbst  habe  Riesen  und  Zwerge  des  gemeinen 
Wildschweins  und  des  Urstiers  (Bos  primigenius),  mein  früherer  Assistent,  Hr.  Dr. 
£.  Schaff,  jetzt  Director  des  zoologischen  Gartens  in  Hannover,  hat  solche  beim 
Bär  (Ursus  arctos)  und  bei  dem  Fischotter  (Lutra  vulgaris)  nachgewiesen'').  Die 
mir  unterstellte  Sammlung  enthält  ein  reiches  Beweismaterial  hierfür.  So  z.  B. 
haben  wir  den  Schädel  eines  zwerghaften,  etwa  3jährigen  Keilers  (Sus  scrofa  ferus) 
aus  Schlesien,  dessen  Basilarlänge  nur  250  mm  beträgt,  während  dieselbe  bei  einem 
normal  entwickelten  3 jährigen  Keiler  etwa  350 — 360  mm  zu  betragen  pflegt  Aus 
dem  durch  sein  vorzügliches  Schwarzwild  berühmten  Revier  von  Abtshagen  unweit 
Stralsund  habe  ich  neben  sehr  starken  Individuen  solche  gesehen,  welche  trotz 
ihres  vorgerückten  Lebensalters  zwerghaft  geblieben  waren. 

Meistens  entstammen  solche  zwerghafte  Individuen  bei  den  Wildschweinen 
einem  Herbstwurfe.  Die  normale  Wurfzeit  der  Wildschweine  ist  bei  unserem 
Klima  der  Frühling;  die  um  diese  Zeit  geworfenen  Frischlinge  entwickeln  sich  im 
Lauf  des  Sommers  und  Herbstes  so  weit,  dass  sie  die  Noth  der  Winterszeit  ohne 
dauernde  Schädigung  ertragen  können.  Zuweilen  werden  aber  auch  im  Herbst 
(oder  am  Ende  des  Sommers)  Frischlinge  geworfen.  Diese  sind  beim  Eintritt  des 
Winters  noch  zu  schwach,  um  Hunger  und  Kälte,  gegen  welche  das  Wildschwein 
ziemlich  empfindlich  ist,  ohne  Schaden  zu  ertragen;  sie  gehen  entweder  zu  Grunde, 


1)  Siehe  Reinh.  Hensel,   Craoiologische  Studien,  in  „Nova  Acta^,  Bd.  42,  Nr.  4, 
Halle  1881. 

2)  Siehe  s.  B.  meine  Angaben  in  den  Sitxungsber.  d.  BerL  Ges.  natura  Freonde,  1889, 
8.  5fF.    E.  Schaff,  ebendaselbst,  8.  94fr.  und  8. 114 ff. 


1 


(94) 

oder  bleiben  zeitlebens  in  d^  Grösse  znrttck.  Der  Jäger  pflegt  die  letzteren  als 
^ Kümmerer^  zu  bezeichnen;  dieselben  sind  keineswegs  kränklich,  aber  sie  bleiben 
hinter  der  normalen  Körpei^rösse  der  Species  zurück. 

Etwas  Aehnliches  konunt  anch  bei  den  Menschen  vor,  namentlich  unter  primi- 
tiren  Lebensverhältnissen.  Man  kann  sich  sehr  wohl  denken,  dass  bei  den  Samo- 
gethen  diejenigen  Rinder,  welche  zu  Beginn  der  guten  Jahreszeit  geboren  wurden 
und  somit  ihre  ersten  Lebensmonate  unter  günstigen  Entwickelungsveriiältnissen 
(bei  Geuuss  frischer  Luft  u.  s.  w.)  zubrachten,  ein  kräftigeres  Waohsthum  zeigten, 
als  diejenigen,  welche  in  der  kalten  Jahreszeit  geboren  wurden  und  ihre  ersten 
Lebensmonate  wohl  meistens  in  den  stallartigen,  niedrigen  Hütten  mitten  zwischen 
dem  Vieh  zubringen  mussten.  Letztere  Individuen  konnten  dadurch  für  zeitlebens 
in  ihrem  Wachsthum  ungünstig  beeinflusst  werden. 

Aehnliche  Verhältnisse  dürften  wohl  bei  der  neolithischen  Bevölkerung  am 
^Schweizersbild^  voigelegen  haben.  Man  könnte  zwar  auch  an  eine  herrschende, 
grosse  und  an  eine  beherrschte,  kleine  Rasse  denken;  aber  die  gemeinsame 
Bestattung  spricht  gegen  diese  Annahme. 

Wenn  wir  in  der  Voigeschichte  weiter  zurückgehen,  so  deuten  diejenigen 
Beste,  welche  bisher  in  Europa  von  diluvialen  Menschen  gefunden  worden  sind, 
mit  Bestimmtheit  darauf  hin,  dass  die  diluvialen  Bewohner  Mitteleuropas  durch- 
schnittlich eine  ansehnliche  Grösse  hatten,  und  nicht  von  zwerghafter  Gestalt  waren. 
Auch  die  menschlichen  Zähne,  welche  ich  aus  dem  Diluvium  von  Taubach  und 
von  Pfcdmost  beschrieben  habe  ')>  deuten  keineswegs  auf  zweighafte  Individuen 
hin ;  jene  Zähne  sind  im  Gegentheil  relativ  gross,  und  wenn  man  auch  nicht  ohne 
Weiteres  aus  der  Grösse  der  Zähne  auf  die  Körpeigrösse  schliessen  darf,  so 
harmoniren  doch  die  von  mir  beschriebenen  diluvialen  Menschenzähne  mit  dem, 
was  wir  sonst  über  die  durchweg  ansehnliche  Statur  der  mitteleuropäischen  Diluvial- 
menschen wissen. 

Die  Menschen  von  Spy  in  Belgien  und  von  Piredmost  in  Mähren  waren  keine 
Zwerge;  sie  sprechen  gegen  die  Ansicht  Roll  mann' s,  dass  die  Vorfahren  des 
Menschen  von  pygmäenhafter  Statur  gewesen  seien.  Auch  der  vielgenannte  Pithec- 
anthropus  erectus  aus  dem  Pliocän  von  Java  wird  für  diejenigen,  welche  ihn  mit 
den  Vorfahren  des  Menschen  in  Beziehung  setzen,  einen  Beweis  darstellen,  dass 
die  letzteren  schon  in  der  Pliocän-Zeit  eine  ansehnliche  Grösse  besassen  und 
schlank  gebaut  waren.  Dass  dagegen  die  noch  weiter  in  das  Tertiär  hinauf- 
reichenden Vorfahren  des  Menschen  meistens  von  kleinerer  Statur  gewesen  sein 
mögen,  ist  nicht  unwahrscheinlich;  denn  man  darf  vermuthen,  dass  die  Statur 
dieser  noch  unbekannten  menschlichen  Vorfahren  erst  allmählich  im  Laufe  der 
sehr  langen  Tertiär-Periode  die  schlanke  Form  erlangt  hat,  welche  wir  später  beim 
„Homo  sapiens^  als  die  normale  beobachten.  — 

Hr.  B.  Virchow:  Die  Geschichte  von  Herberstain  ist  in  dem  Streite  über 
die  Race  prussienne  zwischen  Quatrefages  und  mir  Gegenstand  einer  ausftlhr- 
lichen  Erörterung  gewesen.  Meine  Bemerkungen  finden  sich  in  meiner  Abhandlung 
^über  die  Methode  der  wissenschaftlichen  Anthropologie "^ ,  S^eitschrift  für  Ethno- 
logie 1872,  Bd.  IV,  S.  311.  Ich  glaubte  damit  diese  Frage  abgethan  zu  haben, 
sehe  jetzt  aber,  dass  ich  mich  getäuscht  hatte.  Immerhin  darf  ich  auf  meine 
früheren  Ausführungen  verweisen.  — 

1)  Siehe  diese  Verhandlungen,  1895,  S.  338  und  S.  427. 


(95) 

(35)  Hr.  K.  O.  Halibnrton  hat  die  von  ihm  schon  1895  (Yerhandl.  S.  525) 
angekfindigten,  aber  bisher  nicht  eingegangenen  Abhandlungen  über 

Zwergrassen 

in  zwei  Exemplaren  an  Hm.  Bnd.  Virchow  eingesendet    Es  sind  dies 

1.  Survivals  of  dwarf  races  in  the  New  World  (Proc.  Amer.  Assoc.  for  the 
adr.  of  science  1894.    Vol.  XLIIl). 

2.  Dwarf  surnvals,  and  traditions  as  to  Pigmy  races  (ibid.  1895.  Vol.  XLIV). 

Darin  findet  sich  eine  grosse  Fülle  von  Angaben  über  alte  und  neue  Zwerg- 
rassen, leider  ohne  genügende  Beschreibungen  der  physischen  Beschaffenheit  der 
Individuen,  dagegen  untermischt  mit  zahlreichen,  aber  schwer  zu  controlirenden 
linguistischen  und  mythologischen  Hinweisen.  Auf  manche  dieser  Angaben  wird 
später  zurückzukommen  sein.  Hier  möge  namentlich  auf  die  weite  Verbreitung 
des  Wortes  Tiki  (oder  Tiki-Tiki)  hingewiesen  sein.  — 

(26)  Hr.  F.  Jagor  übergiebt  einen  Auszug  aus  einem  Briefe  des  Hrn. 
G.  Seh  wein  furth  aus  Assuan,  15.  Januar,  betreffend 

Steinger&the  der  Ababde. 

„. . .  Ich  habe  hier  glücklicher  Weise  eine  ganze  Gollection  Steingeräthe  von  den 
Ababde  der  Umgegend  zusammengebracht,  Rochtöpfe  und  Näpfe  aus  Talkschiefer 
u.  s.  w.  (ebenso  Tabakpfeifen  u.  s.  w.),  die  mit  denen  identisch  sind,  die  Flinders 
Petrie  in  seinen  prähistorischen  Oräbern  bei  Nagada  fand.  Bereits  vor  35  Jahren 
hatte  ich  diese  Steingeräthe  der  Jetztzeit  kennen  gelernt  und  davon  nach  Berlin  ge- 
sandt, sie  sind  aber  im  Museum  (damals)  verloren  gegangen.  Ausser  Klunzinger 
hat  kein  Reisender  neben  mir  diese  Thatsache  erwähnt.  Nun  aber  bringe  ich 
für  das  Museum  eine  ganze  Menge,  um  die  Thatsache  einmal  vor  den  Augen  der 
Welt  festzunageln. '^  — 

Hr.  B.  Virchow,  der  gleichfalls  einen  Brief  von  Hrn.  Schweinfurth  erhalten 
hat,  behält  sich  die  Besprechung  für  die  nächste  Sitzung  vor.  — 

(27)  Hr.  Sökeland  macht  folgende  Mittheilung  über 

das  Spinnen  mit  Spindel  and  Wirtel. 

In  der  vorjährigen  October-Sitzung  unserer  Gesellschaft  —  Verh..l896,  S.  473 
—  besprach  Hr.  Götze  eine  alterthümliche  Spinnvorrichtung.  Durch  die  Güte  der 
Lehrerin  Frl.  Stelzer  in  Schöneberg  bin  ich  heute  in  der  Lage,  eine  für  das 
hiesige  Trachtenmuseum  bestimmte  ebensolche  Spindel  aus  Fehlen  bei  Alt-Rloster, 
Provinz  Posen,  dort  „Spille^  genannt,  vorlegen  zu  können,  auf  der  Flachs  ge- 
sponnen wurde. 

Interessant  ist,  dass  die  heute  besprochene  Spindel  einen  Thonwirtel  hat, 
während  auf  der  von  Hrn.  Götze  gezeigten  ein  solcher  aus  Baumrinde  steckte.  Die 
Verschiedenartigkeit  der  Wirtel  erklärt  sich  vielleicht  aus  den  an  oben  erwähnter 
Stelle  mitgetheilten  Angaben  des  alten  Schäfers.  — 

Hr.  W.  Schwartz  bemerkt  zu  dem  Bericht  des  Hm.  Götze  Folgendes:  Eine 
sachverständige  Dame,  der  ich  die  dort  erwähnten  Aeusserungen  des  Schäfers  aus 
Trebichow  mittheilte,  dass  man  zum  Spinnen  von  Wolle  nur  ganz  leichte  Wirtel 
aus  Holz  „oder  noch  besser  aus  Baumrinde  verwenden  könne",  erklärte  mir,  dass 


(96) 

dies  ihr  sehr  wahrscheinlich  sei,  da  ein  schwerer  Wirtel  die  Elasticität  der  Wolle, 
die  vor  allem  zu  wahren  sei,  beeinträchtigen  würde.  Als  Parallele  fahrte  sie  an, 
dass  man  auch  jetzt  noch  allgemein,  wenn  man  ein  Knäuel  Wolle  wickle,  stets 
einen  Finger  einschiebe  und  über  denselben  fortwickle,  um  die  Elasticität  zu 
erhalten.  Schliesslich  bemerkte  sie  noch,  dass  auch  dem  entsprechend  die  gewöhn- 
lichen Leute  noch  heute  auf  dem  Lande,  wenn  sie  direct  aus  dem  Fell,  wie  es 
abgeschoren,  spännen,  das  Gespinnst  dabei  sehr  locker  hielten,  da  sie  später 
doch  das  natürliche  Fett  mit  allem  ihm  anhängenden  Schmutz  erst  noch  heraus- 
waschen müssten,  und  wenn  sie  sich  da  nicht  vorgesehen  hätten,  das  Gespinnst 
ihnen  zu  sehr  einlaufen  würde.  Anders  sei  es,  wenn  die  Wolle  vorher  gewaschen 
und  dann  durch  einen  Wollkämmer  kunstgerecht  gekämmt  würde;  dadurch  erhielte 
sie  einen  gleichmässig  strähnigen  und  doch  flockenartigen  Charakter,  so  dass  man 
sie  leichter  hantiren  und  feinere  Fäden  von  ihr  spinnen  könne.  — 

(28)   Hr.  P.  Staudinger  zeigt 

Cameol-,  bezw.  Achatperlen  aus  Mossi  (Hoschl). 

In  einer  Ihiheren  Sitzung  gab  ich  an,  dass  nach  einer  Hittheilung  von  6. 
A.  Krause  in  Kirotaschi  am  Niger  von  Eingebomen  Cameolperlen  angefertigt 
würden.  Diese  Nachricht  ist  von  Hrn.  v.  Carnap  bestätigt  worden.  Die  heute 
vorgelegten  Stücke  wurden  in  Mossi  gesammelt.  Theilweise  haben  sie  die  bekannte 
Walzen-  und  Olivenform  der  Idarfabrikate,  theilweise  die  nach  einem  Ende  zu 
sich  mehr  verjüngende  4-  oder  6seitige  Form,  etwas  den  Perlen  ähnlich,  die  Hr. 
Vohsen  aus  dem  Sierra-Leone-Hinterland  von  den  Timmneh  brachte  und  die  vom 
Konogebirge  herkommen  sollen.  Die  vorgezeigten  Stücke  stammen  indessen  wohl 
aus  dem  Nigergebiei 

Aehnliche  Perlen  sollen  nach  der  Aussage  eines  Kaufmanns  auch  in  Indien 
für  den  Handel  angefertigt  werden,  und  ich  fand  auch  im  Ind.  Gaz.  eine  Bemerkung, 
wonach  in  Cambay  die  Bhils  verschiedenfarbige  Cameolperlen  schleifen;  indessen 
war  keinem  der  von  mir  befragten  Westafrikaner  etwas  von  einer  Einfuhr  von 
dort  nach  der  Westküste  bekannt 

Unter  den  vom  Togoneger  Brace  hier  verkauften  Leibschnüren  seiner  Frauen 
bestanden  einige  aus  ähnlichen  schmalen  raaden  Scheiben  von  Cameol,  wie  sie 
sonst  aus  Muschel-  oder  Kernschalen  gemacht  werden.  Die  Steine  der  Cameol- 
perlen nannte  er  Erdhexensteine  (auf  Ewe:  Asekpe).  Eine  aus  Diorit  oder  Syenit 
bestehende  mühlsteinähnliche  Steinperle,  sowie  eine  schön  geschliffene  und  get>ohrte 
Kugelperle  aus  gelblichweissem  Quarz  wurden  ebenfalls  in  Mossi  gesammelt 

Aus  demselben  Lande  stammen  auch  einige  sehr  alte  weisse  Glasperlen  von 
Kirschengrösse;  das  Material  konnte  leicht  als  Stein  angesprochen  werden,  und  erst 
durch  2iertrümmerung  eines  Stückes  wurde  Gewissheit  darüber  verschafft.  Im  Togo- 
Hinterland  tragen  sie  die  Fetischleute  bei  ihren  Tänzen. 

Die  Steinzeit  für  den  Congo  ist  nun  ebenfalls  nachgewiesen.  Nach  Mittheilung^i 
im  Mouvement  g^graphique  wurden  beim  Bahnbau  Pfeilspitzen,  Messer,  Schaber 
und  eine  Art  von  Hammer  gefunden.  Als  Material  der  ersteren  werden  Kiesel  und 
Quarzarten  angegeben. 

Die  Technik  ist,  nach  den  Abbildungen  zu  urtheilen,  eine  rohe.  Ueber  das 
Alter  dieser  Funde  Vermuthungen  auszusprechen,  hat  vorläufig  noch  keinen  Zweck, 
da  wir  nicht  wissen,  wann  die  Einführung  oder  Gewinnung  der  Metalle  am  Congo 
begann.  — 


(97) 

(29)  Hr.  P.  Staudinger  spricht  über 

das  ZinnTOi^ommen  im  tropischen  AfHca  und  eine  gewisse  Zinn-Indnstrie 

der  Eingebomen. 

Schon  seit  längerer  2ieit  fiel  mir  die  häufigere  Anwendung  von  dünngeschlagenem 
Zinn,  bezw.  Zinnblech  als  Bekleidung  für  Armringe,  Messerscheiden,  Holzgefasse 
u.  s.  w.  bei  ethnogn^hischen  G^egenständen  aus  Adamaua,  bezw.  dem  weiteren  west- 
lichen Sudan  und  West-Africa  überhaupt  auf.  Dr.  Zintgraff  zeigte  hier  vor  einigen 
Jahren  Holzgefasse  und  Tabakspfeifen  der  Bali  aus  dem  Hinterlande  von  Kamerun, 
die  mit  einem  dünnen,  weissen  Metall  belegt  waren,  welches,  wie  zu  vermuthen 
war,  nicht  aus  Silber,  sondern  aus  Zinn  bestand.  Ein  befreundeter  Geolog  schrieb 
mir,  dass  nach  der  Untersuchung  der  Metallbezug  als  von  europäischer  Zinnfolie 
stammend,  anzusehen  sei. 

Allerdings  hegte  ich  schon  damals  Zweifel,  ob  nach  den  fernab  vom  euro- 
päischen Handel  gelegenen  Ländern  grössere  Mengen  von  Zinnfolie  oder  auch  Löth- 
zinn,  wie  es  die  Araber  wohl  manchmal  im  westlichen  Sudan  einführen,  gekommen 
sein  könnten.  > 

Bald  darauf  erfuhr  ich  zu  meinem  Erstaunen,  dass  Eingeborene  am  oberen 
Benue  in  Flussthälem  Zinn  gewinnen,  es  schmelzen,  in  Stäbchenform  giessen  und 
an  die  Agenten  der  englischen  Handelsgesellschaft  in  dem  unterhalb  von  Jola 
gelegenen  Orte  Lau  verhandelten.  Da  mir  bis  jetzt  kein  Fundort,  bezw.  Ver- 
arbeitungsort von  Zinn  im  tropischen  Africa  (in  Südafrica  ist  es  schon  vor  längerer 
Zeit  gefunden)  bekannt  war,  so  interessirte  mich  diese  Thatsache  sehr.  Nach 
einigen  Jahren  erhielt  ich  auf  verschiedene  Anfragen  durch  die  Yermittelung  des 
Hrn.  Taubman  von  Hrn.  Lieutenant  Arnold  die  Nachricht,  dass  die  Eingebornen 
des  Benue-Qebietes  in  der  Gegend  der  Zinnminen  Zinn  in  einer  gewissen  Ausdehnung, 
sowohl  zur  Anfertigung  von  Messerscheiden  (wohl  nur  Beschlägen  des  Holzes),  als 
auch  zur  Herstellung  von  kleinen  Töpfen  (vielleicht  nach  europäischen  Mustern) 
benutzen.  Er  stellte  das  Vorhandensein  einer  beträchtlichen  Menge  von  Zinn  dort 
fest  Aber  es  sei  nicht  immer  bestimmbar,  ob  es  von  Eingebornen  stamme  oder 
ob  diese  nicht  von  den  Europäern  die  Benutzung  des  Zinnes  entlehnt  hätten. 
Letzteres  ist  bei  der  geringen  Anzahl  von  europäischen  Kaufleuten,  die  bis  jetzt 
in  der  dortigen  Gegend  waren,  wohl  nicht  anzunehmen. 

Als  Curiosum  fähre  ich  die  Bekleidung  des  Helmes  der  Wattpanzerreiter  des 
Sultans  von  Muri  mit  Zinnstreifen  an,  welche  auf  dem  Zeug  aufgelegt  sind.  Die 
Krönung  des  Helmes  bildet  eine  Art  kleiner  Schornstein  aus  Zinn,  3 — 4"  hoch. 

Hat  man  nun  in  der  neueren  Zeit  erst  unlängst  von  diesem  Zinnfunde  Kenntniss 
erhalten,  so  erwähnt  doch  Dapper  in  seinem  vor  200  Jahren  erschienenen  Sammel- 
werke über  Africa  bereits  Zinn  als  Ausfuhrproduct.  — 

Während  meine  Angaben  über  Zinnvorkommen  im  westlichen  Sudan  sich 
schon  in  der  Druckerei  befinden,  muss  ich  noch  schleunigst  eine  Unterlassung  be- 
richtigen. In  Rohlfs'  Werk  ^Quer  durch  Africa**  befindet  sich  Bd.  H,  S.  iOl 
folgende,  auch  im  Buche  Andree's  „Die  Metalle**  u.  s.  w.  erwähnte  Stelle:  „Ein 
sehr  ergiebiges  Zinn-Bergwerk  ist  bei  Rirue  (in  Sokoto)  im  Betrieb,  von  wo  das 
geförderte  Metall  nach  Wukari  und  Adamaua,  sowie  nach  Kano  und  Sokoto  ver- 
führt wird.**  Leider  war  mir  diese  Angabe  Rohlfs',  dessen  Reisewerk  ich  vor 
langer  Zeit  gelesen  habe,  aus  dem  Gedächtniss  entfallen;  ich  versäume  nun 
nicht,  dies  durch  Anführung  der  eben  erwähnten  Zeilen  wieder  gutzumachen.  Bei 
meinem  damaligen  Aufenthalt  in  den  Haussaländern  habe  ich  nichts  von  diesen 
Zinn-Bergwerken  erfahren.    Wo  Rirue  liegt,   kann  ich  zur  Zeit  nicht  ausmachen, 

VerlModl.  dar  B«rl.  AntbropoL  OMellkebaft  1897.  7 


(98) 

da  ich  den  Ort  auf  der  Roh  1  falschen  Ronte  nicht  finde.  Vielleicht  lie^  er  aach 
anweit  des  mittleren  oder  oberen  Benue,  da  Wnkari  und  Adaouuia  als  Einfahmngs- 
orte  genannt  sind.  — 

(80)   Hr.  M.  Bartels  legt  vor 

hansgewerblielie  C^genstände  ans  Bosnien. 

Vielleicht  ist  es  den  älteren  unter  unseren  Mitgliedern  noch  erinnerlich,  dass  ich 
im  Jahre  1886  eine  Sammlung  von  Gegenständen  des  bäuerischen  Hausgewerbes  aus 
dem  russischen  Oouv.  Podolien  *)  vorgelegt  habe.  Ich  machte  damals  darauf  auf- 
merksam, dass  nicht  nur  in  fernen  Welttheilen,  sondern  auch  überall  in  Buropa  der 
stets  wachsende  internationale  Verkehr  die  Eigenthümlichkeiten  des  Volkes  zu  ver- 
nichten drohe,  und  dass  es  durchaus  noth wendig  sei,  neben  den  ethnographischen 
Sammlungen  von  überseeischen  Völkern  auch  solche  von  den  Völkern  Europas 
anzulegen.  Dass  diese  Anschauungen  auch  von  Anderen  getheilt  worden  sind, 
zeigt  die  in  erfreulicher  Weise  immer  zunehmende  Begründung  volkskundlicher 
Museen  nicht  nur  in  Deutschland,  sondern  auch  in  den  Nachbarländern.  Auch 
unser  hiesiges  Museum  für  deutsche  Volkstrachten  und  Erzeugnisse  des  Haus- 
gewerbes ist  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  in  das  Leben  gerufen.  Leider  er- 
freut sich  dasselbe  immer  noch  nicht  der  ihm  gebührenden  allgemeinen  Theil- 
nahme,  und  merkwürdiger  Weise  stehen  ihm  gerade  diejenigen  Kreise  kühl  gegen- 
über, in  denen  man  für  ein  solches  Institut  die  breitesten  Sympathien  erwarten 
sollte.  Wir  hören  vielfach  Klagen  laut  werden  über  die  zunehmende  Vaterlands- 
losigkeit Mir  scheint  nun  weniges  so  geeignet,  die  Liebe  und  das  Interesse  für 
das  Vaterland  in  weiten  Kreisen  zu  erwecken,  wie  die  pietätvolle  Bewahrung 
dessen,  was  unsere  Vorväter  geschaffen  haben,  in  den  uns  von  ihnen  erhaltenen 
Stücken  tritt  uns  ihr  Denken  und  Empfinden  entgegen,  das  uns  mit  Theilnahme 
für  sie  erfüllt,  nicht  selten  auch  mit  Stolz,  dass  sie  solche  Dinge  mit  einfachen 
Mitteln  aus  eigener  Kraft  zu  schaffen  vermochten.  Sehr  zu  bedauern  wäre  es, 
wenn  der  so  eben  beklagte  Mangel  an  materieller  und  sympathischer  Theilnahme 
dahin  führen  sollte,  dass  unser  Trachten-Museum  dem  Vaterlande  verloren  ginge. 
Schon  jetzt  würde  sich  auch  mit  den  grössten  Geldopfem  ein  zweites  ähnliches  nicht 
mehr  zusammenbringen  lassen;  denn  Vieles  ist  durch  Achtlosigkeit  in  dem  Volke 
unwiderruflich  untergegangen. 

Um  unser  volksthümliches  Hausgewerbe  in  entsprechender  Weise  zu  würdigen 
und  zu  verstehen,  bedürfen  wir  des  Vergleichungsmateriales  von  den  übrigen 
Stämmen  Europas.  Ich  brauche  das  in  diesem  Kreise  nicht  eingehender  zu  be- 
gründen. Aber  ich  möchte  darauf  aufmerksam  machen,  dass  es  auch  hier  die 
höchste  Zeit  zum  Sammeln  ist.  So  ist  z.  B.  sogar  schon  in  einem  so  ab- 
gelegenen Lande,  wie  Bosnien,  um  mit  Adolf  Bastian  zu  reden,  die  zwölfte  Stunde 
angebrochen.  Als  ich  Ihnen  im  vorigen  Jahre  meinen  durch  Projectionsbilder 
illustrirten  Bericht  über  meine  Fahrt  durch  dieses  Land  mit  der  Wiener  anthro- 
pologischen Gesellschaft  erstatten  durfte,  da  vermochte  ich  Ihnen  schon  einige  Be- 
lege hierftir  beizubringen.  Hoch  oben  auf  dem  Glasinac,  viele  Stunden  weit  von 
jeder  grösseren  Stadt,  fanden  wir  bereits,  wie  das  geschmackvolle  National-Costüm 
der  Frauen  durch  die  modernen  Fluderärmel  verdrängt  wird.  Die  kunstreichen 
Waffen  dürfen  nur  noch  von  wenigen,  bevorzugten  Männern  getragen  werden.  Be- 
nutzen dürfen  sie  dieselben  aber  nicht,    und  so  ist  es  wohl  natürlich,   dass  man 

1)  Verhandl.,  Bd.  XVHI,  1886,  8.  329. 


(99) 

sich  sehr  bald  nicht  mehr  der  Hflhe  unterziehen  wird,  sie  anzufertigeii.  So  werden 
anch  wohl  die  taschenreichen  Gürtel  der  Männer  allmählich  dem  Tiroler  Ruck- 
sacke der  Touristen  weichen,  und  anstatt  mit  ihren  einheimischen  kunstreichen 
Scbliessen  und  Schnallen  werden  sich  die  Mäddien  und  Frauen  mit  den  Herr- 
lichkeiten der  Zehnpfennig-Bazare  schmücken.  Ist  auch  die  österreichische  Be- 
giemng  in  höchst  anzuerkennender  Wbise  bemüht,  durch  die  Errichtung  Ton 
Schulen  für  die  Teppich -Weberei  und  die  Metall -Intarsia -Arbeiten  diese  alten 
Industriezweige  zu  erhalten  und  weiter  zu  pflegen,  so  sind  das  doch  nur  zwei 
Gruppen  der  vielseitigen,  einheimischen  Kunstfertigkeit,  und  auch  hier  wird  halb 
nnbewusst  manches  sogenannte  stilvolle  Muster  die  ursprünglichen  Ornamente  beein- 
flussen. Die  anderen  Schaffensgebiete  werden  unwiderruflich  und  unaufhaltsam 
ihrem  Untergange  entgegengehen. 

Einige  Stücke  des  bosnischen  Hausgewerbes  konnte  ich  im  vorigen  Jahre 
vorlegen,  darunter  namentlich  mehrere  Stickereien  in  Gold  und  bunten  Farben, 
die  durch  die  Eigenthümlichkeit  ihrer  Muster  Beachtung  verdienten.  Durch  die 
liebenswürdige  Vermittelung  des  Hm.  Gustos  Giro  Truhelka  in  Sarajevo  habe 
ich  nun  kürzlich  einige  Stücke  erhalten,  welche  sämmtlich  in  das  Gebiet  der 
Holz-Tndustrie  fallen.  Ich  möchte  dieselben  heute  vorlegen.  Zum  Vergleiche  habe 
ich  zwei  schon  früher  gezeigte  Stücke  mitgebracht,  weil  dieselben  ebenfalls  aus 
Holz  gefertigt  sind.  Es  wird  Sie  interessiren,  zu  hören,  was  mir  Hr.  Truhelka 
schreibt:  ^Ich  hoffe,  dass  Sie  an  diesen  Stücken  Gefallen  finden  werden,  und 
bedaure  nur,  dass  die  Gollection  nicht  umfangreicher  geworden  ist  Heut  zu 
Tage  ist  es  aber  schon  schwierig,  derartiges  zu  sammeln,  da  das  Volk  bereits 
diese  Objecte  durch  billige  Fabrik waare  vertauscht  hat,  so  dass  man  gute  und  ge- 
schmackvolle Schnitzereien  nur  noch  vereinzelt  im  Hochgebirge  findet,  wohin  der 
moderne  Einfluss  noch  keinen  Zutritt  erhielt.^ 

Sie  finden  hier  die  Bestätigung  für  das,  was  ich  vorher  auseinandergesetzt 
habe. 

Um  mit  den  Stücken  des  häuslichen  Gebrauches  zu  beginnen,  lege  ich  zuerst 
einen  an  ein  Petschaft  erinnernden  Gegenstand  vor,   der  Slovo  genannt  und  zum 
Stempeln  des  Brotes  benutzt  wird  (Fig.  la  und  b),  aus  Gl  am  06.    Auf  der  kreis- 
förmigen Stempelfläche  (Fig.  Ib)  finden  sich  vier 
symmetrische,  gleichseitige  Dreiecke  eingeschnitten,  Fig.  1  s. 

die   mit  ihren  Spitzen   so   gegen   die  Mitte   hin-  /-^cpas  Fig.  Ib. 

geschoben  sind,  dass  sie  die  Figur  eines  griechischen 
Kreuzes  zwischen  sich  frei  lassen.  In  diesem 
freien,  kreuzförmigem  Räume  ist  aussej^em  noch 
ein  doppelt  contourirtes  griechisches  Kreuz  aus- 
geschnitten   worden.     Die   Dreiecksflächen    sind        /  /  \  \  v 

in     übereinstimmender    Weise    mit    einem    ein-        '- -^ 

geschobenen  Rechteck  und  drei  kleinen,   runden  Vs 

Gruben  verziert,  und  der  Rand  des  Stempelfeldes 

ist   von   einem  ganzen   Kranz  radiär  gesteUter  kurzer   Einschnitte  umschlossen. 

Hieraus   können   wir   den  Schlnss   ziehen,   dass   der  Stempel   einem   Griechisch- 

Orthodoxen  gehört  hat.   Wahrscheinlich  haben  wir  in  diesem  Ornamente  die  Eigen- 

thumsmarke  des  Besitzers  zu  erkennen. 

Die  Mehrzahl  dieser  bosnischen  Holzgeräthe  ist  mit  Verzierungen  in  Kerb- 
schnitt bedeckt..  Bei  einigen  derselben  ist  aber  auch  der  Grund  fortgeschnitten,  so 
dass  die  Ornamente  erhaben  stehen  geblieben  sind.   Gewöhnlich  sind  es  geometrische 


(100) 

Ornamente,  ausnahmsweise  auch  wohl  sülisirte  Pfkinzenmotive,  deren  Herkunft  aus 
den  ersteren  sich  mehrmals  dorch  Parallelstücke  leicht  nachweisen  lässi 

Ein  Löffel  von  gefälliger  Form  (Fig.  2),  ebenfalls  aas  Glamoc  stammend,  ist 
das  am  wenigsten  yerzierte  meiner  Stücke.    Br  ist  so  eingerichtet,  dass  sein  Stiel 

eingeklappt  werden  kann.    Auf  diese  Weise  kann  er 
^^*  ^'  bequem   in   einer  Tasche  des  Ledergttrtels  getragen 

werden.  Für  den  Ctebrauch  bei  den  Mahlzeiten  ist 
dem  Bosniaken  das  Messer  das  wichtigste  Gerith; 
nächstdem  kommt  der  Löffel,  während  eine  Gabel 
vielfach  gar  nicht  in  Anwendung  kommt.  Statt  der- 
selben bedient  man  sich  der  ersten  drei  Finger  der 
rechten  Hand,  aber  niemals  der  linken,  weil  dieselbe 
für  unrein  gilt 

Granz  besonders  reich  geschnitzt  ist  eine  kleine, 
hölzerne  Tasse  (Fig.  3).    Sie  ist  mit  sechs  horizon- 
ij  talen  Omamentstreifen  beschnitzt,  in  denen  sich  Drei* 

ecke,  ein  2Uckzackband,  sechsstrahlige  Sterne  u.  s.  w. 
beOnden.  Der  mit  der  Schale  aus  einem  Stück  geschnitzte  Henkel  ist  ebenfalls 
mit  kleinen  Dreiecken  yerziert,  und  ein  grosses  griechisches  Kreuz  ist  aus  dem* 
selben  ausgeschnitten. 


Kg.  3.    Vs  Fig.  4.    V 


if 


a 


Das  einzige  Stück,  das  eine  Inschrift  trägt,  ist  eine  grosse  Doppelflöte  (Fig.  4). 
Bs  sind  linear  eingeschnittene  cyrillische,  mit  lateinischen  untermischte  Buchstaben; 
entziffert  ist  dieselbe  noch  nicht  Eine  ganz  ähnliche  Doppelflöte,  aber  mit  un- 
gleich langen  Schenkeln«  verdanke  ich  Hm.  Prof  Nothnagel,  der  sie  Tor  längeren 
Jahren  von  den  Morlacken  aus  Istrien  mitgebracht  hat. 

Ein  breites,  flach  dachförmiges  Holz  aus  Olamoö  mit  festem  Handgriff  (Fig.  5)  hat 
als  Wäscheklopfer  (Pratljica)  gedient  und  ist,  wie  seine  erhebliche  Abnutzung  zeigt 
viel  gebraucht  worden.  Es  trägt  sich  kreuzende  Band-Ornamente  und  grosse,  ziemlich 
roh  gearbeitete  Kosetten.  Der  Künstler  hat  den  Versuch  gemacht  auch  die  Unter- 
seite zu  omaroentiren.  Hier  sind  zwei  rückläufige  Spiralen,  der  sogenannte  laufende 
Hund,  eingeschnitten.  Danach  ist  aber  der  Versuch  aufgegeben,  und  wohl  mit 
Recht  Denn  auf  dieser  Aufsohlagfläche  konnte  ein  Ornament  nur  hinderlich 
wirken. 

Ein  runder,  mit  scheibenförmigem  Vorsprang  versehener  Stock  (Fig.  6}  ist 
wahrscheinlich  ein  Spinnrocken.  Oben  hat  er  Kerbschnitt-Verzierung;  sonst  trägt 
er  nur  lineare  Ornamente  (darunter  eine  Pflanzenranke),  die,  wie  ihre  schwarze 
Farbe  andeutet  wahrscheinlich  mit  einem  heissen  Messer  eingeschnitten  sind. 

Mit  Sicherheit  Spinnrocken,  d.  b.  Kunkeln  (Preslica),  sind  die  beiden  Stücke 
Fig.  7  a,  b  und  Fig.  8,  ebenfalls  aus  Glaraoö  stammend.  Ein  runder  Stock  läoft  nach 
oben  in  eine  mit  ihm  aus  einem  Stück  gearbeitete  Holzplatte  aus,  welche  gefällig 
profllirte  Umrisse  zeigt  und  deren  eine  Fläche  reich  mit  geschmackvollen  Kerb- 
schnitt-Verzierungen bedeckt  ist.    Die  andere  Fläche  bleibt  nn verziert    Auf  dieser 


(101) 

wird  mit  Bändem  oder  auch  wohl  mit  einem  Tuche  die  zam  Abspinnen  beBtimmte 
rohe  Volle  festgebundea.  Das  ontere  Ende  des  Stockes  bSlt  die  Vna  in  der  linken 
Band,  oder  sie  steckt  es  links  in  den  Kleidergnrt  und  sllltzt  dann  nur  das  Oeiftth 
mit  dem  linken  Arm,  während  die  rechte  Hand  ziehend  den  Faden  dreht,  der  sich 


Fig-  5.    V. 


anf  eine  an  ihm  bangende  and  frei  in  der  Lad  tanzende  Holzspindel  anfwickeH. 
Anf  diese  Weise  vermCgeo  die  Frauen  im  Gehen  zu  spinnen;  sie  können  sich 
dabei  in  ihrer  Wirthschaft  bew^en,  aber  aach  Wanderungen  zu  Markte  oder  aar 
das  Feld  unternehmen.  In  der  Hercego?ina  und  in  Dalmatien  ist  die  gleiche  Art 
des  Spinnens  gcbränchlich;  in  dem  letzteren  Lande  vermochten  wir  auf  der  Land- 


(102) 

Strasse  nach  Salöna  mehreren  spinnend  dahinwandemden  Frauen  ihre  Spinnmcken 
Ton  der  Hüfte  wegzalsaofeil.  Auch  in  Bellinzona,  in  der  südlichen  Schweiz,  sah 
ich  vor  mehreren  Jahren  eine  Fran,  welche  in  ähnlicher  W^eise  spann;  aber  sie  hatte 
dabei  den  Stock  des  Spinnrockens  anter  den  linken  Arm  geklemmt 

Unter  den  Schnitzverzierungen,  welche  diese  beiden  Spinnrocken  schmücken^ 
zeichnet  sich  durch  die  Gefälligkeit  ihrer  Formen  namentlich  eine  Anzahl  von 
grossen  Rosetten  ans.  Bei  dem  Spinnrocken  (Fig.  7  b)  sind  es  drei  aufeinander- 
folgende Rosetten  von  abnehmender  Grösse,  die  je  durch  ein  geschmackvoll  ge* 
schnitztes  Zwischenstück  von  einander  getrennt  sind.'  Das  untere  Zwischenstück 
hat  eine  ungleichseitig  viereckige  Form  mit  ausgezackten  Seitenrändern;  das  obere 
Zwischenstück  wird  durch  ein  ungefähr  gleichseitiges  Dreieck  gebildet  In  dem 
anderen  Spinnrocken  (Fig.  8)  sind  die  Mittelpunkte  der  3  Rosetten  durch  je  eine  ein- 
gelegte kleine  Perle  aus  buntem  Glase  beigestellt,  während  der  Grund  derselben 
in  geschmackvoller  Weise  roth  ausgemalt  ist  Auch  hier  sind  die  Rosetten  durch 
reich  geschnitzte  Zwischenstücke  von  einander  getrennt  Es  findet  sich  hier  auch 
noch  ein  Ornament,  das  aus  parallelen,  geraden  Linien  besteht,  welche  dann  sym- 
metrisch nach  rechts  and  links  in  eine  Volute  sich  aufrollen.  Diese  gestielten 
Voluten,  wie  man  sie  nennen  könnte,  wie  auch  die  Rosetten,  finden  sich  in  ganz^ 
gleicher  Weise  unter  den  geometrischen  Ornamenten  auf  den  riesigen,  im  Lande 
zerstreut  vorkommenden  Stein-Sarkophagen,  welche  aus  dem  Mittelalter  stanunen 
und  gewöhnlich  als  Bogumilen-Steine  bezeichnet  werden.  Börnes')  bildet  eine 
Anzahl  derselben  ab.  Hier  ist  es  natürlicher  Weise  sehr  wahrscheinlich,  dass 
es  sich  am  eine  unmittelbare  Ueberlieferung  der  künstlerischen  Motive  handelt, 
oder  dass  diejenigen  auf  den  Steinen  mit  denen  auf  den  hausgewerblichen  Gegen- 
ständen aus  der  gleichen  Quelle  geflossen  sind.  Aber  auch  einige  von  diesen 
Ornamenten  finden  sich  schon  in  einer  sehr  viel  älteren  Zeit,  denn  sie  kommen 
bereits  auf  Goldblechen  vor,  welche  Schliemann  in  Mykenä  ausgegraben  hat 
Hier  muss  es  allerdings  unentschieden  bleiben,  ob  es  sich  um  eine  continuirliche 
Uebertragung  oder  am  selbständige  Erfindungen  handelt 

Die  ebenfalls  aus  Glamo6  stammende  Spindel  (Presljec)  [Fig.  9]  hat  die  be- 
trächtliche Länge  von  49  cm.  Auch  an  ihr  hat  sich  das  künstlerische  Bemühen  des 
Verfertigers  deutlich  bethätigt,  indem  er  den  Stab  in  verschiedene  Etagen  und  Ab- 
sätze von  mannich fachen  Formen  zerlegt  und  so  die  Langweiligkeit  der  Form  ge- 
fällig unterbrochen  hat.  Ausserdem  hat  er  ein  Kunststück  gemacht,  das  bei  holz- 
schnitzenden Völkern  sehr  beliebt  und  verbreitet  ist.  Er  hat  nehmlich  an  zwei 
Stellen  den  Rem  des  Stabes  ringsherum  so  umschnitten,  dass  er  von  der  durch- 
brochen geschnitzten  äusseren  Schicht  gitterartig  umschlossen  wird,  aber  in  der- 
selben frei  beweglich  liegt.  Diesen  beiden  beweglichen  Stücken  ist  die  Form  von 
Kreuzen  gegeben. 

Die  beiden  Geräthe  (Fig.  10  und  Fig.  11),  Vodir  genannt,  sind  Behälter  für 
den  Wetzstein  der  Sense.  Jedes  ist  aus  einem  einzigen  Holzklotze  geschnitten; 
ihre  Form  erinnert  an  ein  kleines  Fass,  aber  ihr  unteres  Ende  läuft  in  einen  zier- 
lichen Zapfen  aus.  Ihre  Hinterfläche  ist  glatt  und  besitzt  jederseits  ein  über- 
stehendes, durchbohrtes  Ohr,  mit  dessen  Hülfe  das  Geräth  an  dem  Gürtel  befestigt 
werden  kann.  Es  ist  vollkommen  wasserdicht,  so  dass  der  darin  aufbewahrte 
Wetzstein  in  bequemer  Weise  feucht  gehalten  werden  kann. 

Das  Stück  (Fig.  11),  dessen  nähere  Provenienz  ich  nicht  kenne,  ist  über  seinen 
ganzen  Körper  hin  dicht  mit  eingeschnittenen  einfachen,  aber  gefällig  angeordneten 


1)  Moni  Börnes:   Bosnien  und  die  Herc«govina.    S.  28-84.    Wien  1889. 


(103) 

OrnameoleD  bedeckt,  welche  eine  ttberraschende  Aehnlichkeit  mit  f^wisaen  Ver- 
zierongeD  auf  neolJthischen  ThoDgefilssen  zeigen.  Das  Stück  (Fig.  10),  welches 
ans  Roma  stammt,  gehört  zu  denjeDigen  Gegenständen,  bei  welchen  der  Grnnd 
TortgeBchnitten  ist,  nm  das  Ornament  erhaben  hervortreten  zu  lassen.  Wahr- 
scheinlich liegt  dem  letzteren  als  Vorbild  irgend  eine  Stickerei  zu  Grande. 

Die  letzten  beiden  Stttcke  (Fig.  13a,  b  and  Fig.  13a,  b),  von  der  Form  unserer 
Federkasten  für  Schüler,  heissen  Britvenica  and  stammen  ans  Donji  Unac.  Es 
sind  Behälter  für  RnBirmesser  und  zwar  haben  sie  einen  VexirverBcblass.  Der 
Deckel  ist  an  der  einen  Schmalseite  durch   einen  senkrechten  Nagel   flxirt,   der 


Fig.  10.    Vi. 


Fig.  12b.    V,. 


Fig.  12a.    V„ 
Fig.  18«.    V, 


Fig.lSb.    V4 

durch  die  Mitte  einer  kleinen  Münze  geschlagen  ist;  an  der  anderen  Schmalseite 
greift  er  mit  zwei  vorspringenden,  rechteckigen  Zapfen  in  zwei  entsprechende  Aus- 
schnitte des  Randes  ein.  Der  Deckel  kann  aber  Uberhaapl  nur  bewegt  werden, 
nachdem  man  unter  ihm  eine  unregelmässig  vierseitige  Holzscheibe  am  den  durch 
die  Mttnze  geschlagenen  Nagel  hemm-,  bezw.  herausgedreht  hat.  Dann  lassen  sieb 
durch  RUckwärtsziehen  des  Deckels  die  Zapfen  aus  ihren  Ausschnitten  heraus- 
ziehen. Dieses  Rfickwärtsziehen  wird  durch  einen  kleinen  Längsschlitz  ermöglicht, 
welcher  unter  der  Münze  verborgen  ist  Sind  nun  die  Zapfen  aus  den  Aasschnüten 
heraus,   dann  ist  es  möglich,   den  Deckel  von  dem  Kasten  nach  der  Seite  abzn- 


(104) 

drehen,  wodurch  dieser  dann  geöffnet  wird  (Fig.  12a).  In  seinem  Inneren  befinden 
sich  drei  Abtheilungen,  von  denen  zwei  dazu  bestimmt  sind,  je  ein  Rasirmesaer 
aufzunehmen.  Die  dritte,  ungefUhr  quadratische  Abtheilung  ist  wahrscheinlich 
für  die  Seife  bestimmt. 

Der  Deckel  und  die  beiden  Längsseiten  sind  bei  beiden  Rasten  sehr  reich  mit 
erhabenen  Ornamenten  geschmückt;  die  beiden  Schmalseiten,  und  natfirlicher  Weise 
auch  der  Boden,  sind  vollständig  unyerziert  geblieben.  Der  Rasten  (Fig.  12a)  trägt 
mehrere  Flechtbandomamente  und  einige  quadratische  Felder,  in  denen  gestielte 
Voluten  zu  Rreuzen  vereinigt  sind.  In  dem  Hittelpunkte  dieser  Rreuze  ist  jedesmal 
eine  kleine,  rothe  Perle  mit  weissem  Hitteltheile  eingelegt  Auf  der  Mitte  jeder 
Seitenfläche  läuft  ein  stilisirtes  Ranken  band  dahin,  dessen  Herkunft  aus  der  rück- 
läufigen Spirale  unverkennbar  ist  (Fig.  12  b).  Der  Rasten  (Fig.  13  a)  trägt  jeder- 
seits  an  der  gleichen  Stelle  in  Wirklichkeit  die  rückläufige  Spirale.  Auf  seinem 
Deckel  hat  auch  er  die  Quadrate  mit  den  gestielten  Voluten.  Anstatt  dass  deren 
Stiele  aber  Rreuze  bilden,  ist  in  das  Mittelfeld  jedes  Quadrates  eine  grosse  Rosette 
eingelegt  Deren  Mitte  trägt  wieder  eine  zierliche  Einlage  von  Metallstreifen. 
Die  Metall-Einlagen  bilden  einen  Rreis  mit  zierlich  ausgezackter  Peripherie.  In 
jedem  der  Rreise  befindet  sich  ein  schmales  Rreuz  von  dem  gleichen  Metall; 
jeder  Arm  desselben  bildet  sich  gegen  sein  freies  Ende  hin  in  einen  regelmässigen 
Dreizack  aus,  dessen  Spitzen  sich  innen  an  die  Peripherie  des  Rreises  anlegen. 
Eine  chemische  Analyse  ist  nicht  gemacht;  nach  dem  Ansehen  ist  es  aber  sehr 
wahrscheinlich,  dass  es  sich  hier  um  Zinn-Einlagen  handelt  Dieses  Stück  bildet 
somit  den  Uebergang  zu  den  Dingen,  über  die  Hr.  Jacobsthal  vortragen  will. 
Erwähnen  möchte  ich  noch,  dass  einzelne  Ornamente  hier  und  da  durch  kleine  Un- 
genauigkeiten  erkennen  lassen,  dass  sie  mit  der  freien  Hand  gearbeitet  sind.  — 

(31)   Hr.  E.  Jacobs thal  spricht,  unter  Vorlegung  der  Originalstücke,  über 

Metall-Einlagen  in  Hols,  Honi  und  Bein. 

Dem  Freunde  traditioneller  Volkskunst  wird  der  ästhetische  Genuss  an  modernen 
Erzeugnissen  derselben  nicht  selten  getrübt  durch  Unvollkommenheiten  der  Aus- 
führung, welche  einer  primitiven  Technik  anhaften,  oder  durch  eine  Formgebung, 
welche  entweder  in  stark  degenerirten  oder  allzu  unreifen  Einzelheiten  sich  äussert. 
Um  so  dankbarer  wird  er  es  empfinden,  wenn  ihm  Runst-Erzeugnisse  begegnen« 
welche  sowohl  in  der  technischen  Herstellung,  wie  in  der  formalen  Ausgestaltung 
jedem  Vei^leiche  mit  hochstehenden  Werken  alter  oder  neuer  Runst- Industrie 
Stand  halten. 

Innerhalb  der  kleinen  Sammlung  von  Metall-Einlagen  in  Holz,  Hom  und  Bein, 
welche  ich  mir  vorzulegen  gestatte,  möchte  ich  jene  Vollkommenheit  in  Form  und 
Ausführung  in  erster  Linie  den  aus  Bosnien  und  der  Hercego  vi  na  stammenden 
kleinen  Gebrauchs -Gegenständen  (Löffel,  Gabeln,  Messergriffe,  Vorstecknadeln, 
Gigarrenspitzen)  zuschreiben. 

Ihr  Schmuck  besteht  in  einer  Omamentirung  aus  feinen  Metallstreifen,  Stiften, 
Ringen  oder  gewundenen  Drähten,  welche  in  den  Grundstoff  eingetrieben  sind. 
Zu  diesem  Zwecke  werden  bei  den  weicheren  Arten  desselben,  Holz  und  Hom, 
Rillen  zur  Aufnahme  des  Metalls  mit  dem  Messer  eingeschnitten,  dann  der  hoch- 
kantige, unten  zugeschärfte  Metallstreifen  hineingehämmert  Für  die  Ringe  werden 
namentlich  in  dem  härteren  Bein  und  Hom  Bohrlöcher  hergestellt.  Nach  Vollendung 
dieser  Arbeiten  wird  der  Gegenstand  geschliffen,  unter  umständen  polirt. 


CI05) 

Die  meisten  der  Torlie^nden  Oerftlhe  a.  s.  w.  sind  im  Jahre  ISSfi  in  Con- 
staotinoppl,  BruBsa,  Smyrna  von  mir  gesammelt  worden,  wohin  sie  ans  Bosnien 
gelangt  sein  mfigen.  Später  worden  von  heramsiehenden  bosnischen  Händlern 
einselne  StUcke  in  Dentachkmd  erworben. 

Dm  weisse  Metall  der  Eünlagen  ist  durch  eine  Analyse  des  Bm.  Prof.  Dr.  Rfi- 
dorff  als  Nensilber  bestimmt  worden;  in  geringem  Umrange  wird  Ton  Hessing- 
drähton  (je  zwei  nm  einander  gewunden)  Gebranch  gemacht  Die  Formen-Elemente 
beschränken  sich  sonach  aaf  die  einfache  Linie,  den  Pnnkt  (ans  einem  Draht-Quer- 
schnitt) und  eine  gleichmässig  wiederkehrende  blattUhnliche  Lamelle  aus  Blech. 
Trotzdem  ist  eine  Schönheit  und  Mannicbfaltigkeit  in  der  Ornamentik  entwickelt, 
welche,  im  Rhytbbns  schwungvoller  Linienttlhrnng  und  harmonischer  Flächen- 
Tertiieilung  an  hellenische  Tasenmalerei  der  besten  Zeit  erinnernd,  die  an  sich  un- 
bedentenden  Gegenstände  zu  kleinen  Kunstwerken  stempelt  (Fig.  I  und  2). 

flg.  1.  Fig.  3. 


Unte^ordneter  erscheinen  nach  dieser  Richtung  die  einem  naiveren  Ver* 
zieruDgstrieb  entstammenden  Decorationeu  der  KnochengrifTe  und  einiger  HomlÜiTel 
durch  zerstreute  Funkte,  Ringe,  Kreisflächen  aus  Metall  (Messing)  oder  Perl- 
mutter und  Elfenbein  (Fig.  3  und  4). 

Bei  einem  Vergleiche  der  ArbeiU-n  aus  Bosnien  mit  denen  anderer  Herkunft 
mnss  zunächst  Indien  in  Betracht  gezogen  werden.  Eine  frühere  Mittheil nng  Ober 
ähnliche,  in  Mainpuri  (Districl  Dehli)  noch  betriebene,  Tdr-kasch!')  genannte 
Kunattechnik  verdanken  wir  dem  Geh.  Reg.-Rath  Prof.  Reoleaux,  der  in  den 
Verhandlungen  des  Vereins  für  deutsches  Kunstgewerbe,  Berlin  I88<),  Nr.  5,  zwei 
Schälchen  von  Holz  mit  Messing-Einlagen  reröftent liebt  und  deren  Ausführung 
beschrieben  hat  Letztere  entspricht  durchaus  dem  in  Bosnien  ireabten  Verfahren; 
die  Omamcntirung  besteht  jedoch   ans  nur  2  Formen-Elementen:   der  Linie   (als 

1)  Mach  Hm.,H.  Jansen  stammt  diese  Kunst  (persisch  Tär-kaschl,  ^wQrtlich  „Draht- 
ziehern" im  Sinne  von  .Draht^Einlego arbeit")  aus  Persien,  wie  auch  der  Name  persisch 
iit;  in  Indien  ist  sie  erst  gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts  von  Schiris  ans  eingefährt 
worden  (vgl.  Hanter,  .Imperial  Qaietteer  of  India",  VI,  p.  609  unten).  D.  Red. 


(106) 

»elbBtändJgem  Motiv  und  als  Uniriss  Btilisirter  Pflanzen  and  ThJerformen),  sowie 
einem  winzigen  millimeleigrossen  Ring  and  dessen  Gnippirung  zu  drei  oder  fOnf. 
Es  e^iebt  sieb  d&rans,  dass  zwar  ein  sehr  feiner,  aber  rur  die  Entrernang  wenig 
wirksamer  Schmuck  erzielt  wird.  Um  so  berremdlicher  erschien  anf  der  Golonial- 
Ansstellnng  in  London  )866  die  Verwendung  dieser  Technik  auf  den  Füllungen  einer 
grossen,  mit  reichem  Holzschnitz  werk  eingerahmten  ThUr  modcrn-indiBcher  Pro- 
renionz.  Schon  in  geringem  Abstände  dem  menschlichen  Ange  unerreichbar,  er- 
weckte die  so  kunstreiche  Mcnschcnarbcit  mehr  das  Badanera  Qber  ihre  verfehlte 
Aasnutzung,  als  ästhetische  Befricdigang;  es  entzieht  sich  eben  die  erst  bei  intimerer 
Betrachtung  ihre  Reize  entfallende  künstlerische  Leistung  jeder  Verwerthung  für  , 
Objecte  grösseren  Maassstabes.  Das  untenstehende  Ornament  (Fig.  6)  entstammt 
einer  Schale  aus  Mainpuri  im  Besitze  des  Hm.  Rculeaux.  —  Erst  im  Jabre  1888 
brachte  die  April-Nummer  des  .^Journal  of  India  Art"  eine  ausführlichere,  auf 
Autopsie  begründete  Beschreibung  des  Tar-kaschi  in  Mainpuri  von  F.  S.  Growse. 
Unter  den  vielen  mitgetheilten  Objccten  befindet  sich  auch  die  oben  erwähnte  ThUr, 
mehrere  Bilderrahmen,   Consolen  u.  b.  w.    Die  Technik  wird  von  der  Kaste  der 

Fig.  6. 


Ojhiis  betrieben,  deren  Sitz  bis  zur  letzten  Generation  in  Kuruuli  bei  Mainpuri  sieb 
befand,  nachdem  sie  vor  100  Jahren  ans  Rajputana  durch  den  Sultan  Singh  ver- 
trieben worden  waren.  Mr.  Growse  ist  im  Jahre  1864  als  Beamter  der  ongliachen 
Regierung  naih  Mainpuri  gekommen  und  fand  dort  die  Tär-kasbi  fast  nur  zum 
Schmuck  hölzerner  Sandalen  (wooden  clogs,  kharäuns)  verwendet,  welche  die,  eine 
Berührung  mit  L^der  scheuenden  Hindus  beim  Baden  benutzen.  (Einige  sehr  reich, 
iiuch  mit  Silber,  (irniimcntirte  Exemplare  solcher  Sandalen  beflnden  sich  in  der 
Sammlung  des  Hrn.  Reuleaux.)  Mr.  Growse  «ur  bestrebt,  durch  Ertheilung 
von  Auftrligen  für  weiU-re  Ausführungen  den  dem  Erlöschen  nuhen  Zweig  der 
Kunst-Tocbnik  zu  ffirdcrn.  Aber  seine  Neigung  für  die  mitleliilteriiche  Formen- 
sprachc  seiner  Heimuth  führte  ihn  dnKu,  durch  Einführung  gothisehor  Musler  eine 
Bcreiehorung  di;r  Ornümont-Motive  hcrbcifuhrcn  zu  wollen,  was  —  wie  er  jetzt 
si'Uisl  gesteht  —  nur  Misserfolge  hervr.rrier  Spüter  sind  dann  durch  Mr.  Charies 
Hörne,  dann  seit  ISTO  durch  den  Inj.;cnieur  Ooddington  wieder  Formen  zur  An- 
wenduni:  gelangt,  die  dem  iiidisthen  Ornamentenschutz  entlehnt  wurden. 


,       .  (107)  , 

Aar  der  erwähnten  Ausstellong  in  London  befanden  sich  auch  Drochsler- 
arbeiten  in  Hörn,  kleine  Büchsen  mit  eingelegtem  gewandeaera  Hessingdraht  and 
£irenbeiD-Scheibchen  aas  Hascblarpar.  Vorstehende  Ab bildapg  (F^g.  6),  n&cb 
der  VerttfTeiitlicbang  in  den  „Terh.  d.  V.  f.  deutsches  Runstgew.  1888,  Nr.  13", 
Ton  Realeaax,  zeigt  den  Fonuencbarakter  dieser  AasfUbrungea. 

Das  Bestreben,  grossere  Wirkungen  durch  Metall-Einlagen  zn  erreichen, 
warde  Ferner  durch  einige  Holzplatten  aus  Jhang  (Pondjab)  illnstrirt  Sie  zeigten 
Blatt-  nod  Blüthenwerk  aas  HesBiagblech,  in  grösserem  Maassstabe,  mit  dem 
Linienwerk  an  einer  einheitlichen  Composition  vereinigt,  welche  die  ganze  Fläche 
organisirte,  also  mehr  eine  Art  Metall -Intarsia,  die  mit  den  Bonle -Arbeiten  dos 
17.  Jahrhanderts  rerglichen  werden  kann.  Mr.  Growse  giebt  aach  davon  2  Bei- 
spiele aas  Chiniot,  Jhang  Diatrict,  Pundjab,  denen  nachstehendes  Detail  entnommen 
ist  (Pig.  7). 

Fig.  7. 


Eine  ähnliche  AuITassnng  der  Ornamentirung,  wenn  aach,  bez.  der  sanberen  Her- 
Stellung  nicht  dieselbe  Stufe  erreichend,  finden  wir  bei  Arbeiten,  die  aas  Damaskus 
stammen.  Das  Bild rähmchen  zeigt  auch  eingetriebene  Messingstreifen,  welchen 
gleichmässige,  spitze  Meseingblättchen  angesetzt  sind  (Fig.  8),  während  die  jetzt 
hänfig   in   den  Handel   gebrachten   grösseren  Gegenstände,   wie  Tabourcts,   Con- 


,(108) 

solen  D.  8.  w.,  wegen  der  harmooiscben  QesHmmtwirknng  der  in  das  ttefbraane 
Holz  eingetriebenen  Zinnstreifen  mit  den  eingelegten  Perlmatter-Blättern ,  be- 
gebrte  Decorationestückc  geworden  sind  (Fig.  9). 

Eine  im  k.  k.  iteterreich Ischen  Museum  in  Wien  befindliche,  hier  in  einer 
Zeichnung  aus  dem  ,  Kunsthandwerk "  (W.  Speemann)  vorliegende  Platte  aus 
Ifarocco  (Pig.  10)  bennlzt,  bei  einem  ebenfalls  grösseren  Maassstabe  der  durch 
Umrisslinien  in  Silber  chanikterisirten  Ranken-Ornamente,  Einlagen  von  breiteren 
Elfenbein-Blättern  xar  Betonun);  der  Hauptpunkte  im  lUiytbmas  der  LinienfUhnuag. 

Kehren  wir  jedoch  wieder  zur  Betrachtang  der  feiner  durchgeführten  Arbeiten 
zurück.  Auf  der  Ansstellun);  in  Niachny-Nowgorod  halte  ich  in  diesem  Jabre  Oe> 
legenbeit,  bei  dem  Aussteller  Juaub  Ogli  aus  Unzakul  (Daghcstan)  die  Her- 
slellang  kleinerer  Gegenstände:  Bpnzieratöcke,  Pfeifen  u.  s.  w.,  während  ihrer  Ent- 
stehung zu  beobachten.  Mit  sehr  primitivem  Werkzeuge  wurde  die  Omamentirang 
aus  Silberst reifen  dem  Holze  eingehämmert,  und  nur  Punkte,  einzeln  oder  coro- 
binirt,  bildeten  das  ergänzende  Element  (Fig.  1 1).  Grössere  Flächen  Wirkung  wird  durch 
eine  Art  Schrafflning  von  neben  einander  gesetzten  Linien  erzielt  Auch  von  den 
mir  durch  Hm.  Dr.  Jagor  fUr  die  heuli^'c  Vorlage  freundlichst  zur  Verfügung  ge- 
stellten Gegenttünden  stammen  einige  ans  dem  Kaukasus  und  zeigon  die  Be- 
schränkung auf  Linie  und  Punkt  in  ihrer  omamentalen  Ausstattung. 

Fig.  10.  Fig.  11. 


Dogmen  entfaltet  sich  ein  grosser  Reichthuni  an  verschiedenartigen  Elementen 
bei  den  aus  demßanat  stammenden  hölzernen,  im  Uebrigen  mit  Metall  beschlagen 
versehenen  Pfcifenköpfcn  derselben  Sammlung.  Ein  bei  den  bisher  erwähnten  Ar- 
beiten nicht  uufCrulendcs  Motiv,  eine  zusammengedruckte  Wellenlinie,  beherrscht 
den  Charakter  der  eingetriebenen  ürnumcnlirung  (Fig.  12),  zeigt  sich  auch  in  dem 
llosohlagp  des  einen  der  Kopfe. 

Durch  die  gleichzeitige  Verwendung  von  ;i  Metallen,  Messing,  Kupfer  und 
SilberC:'),  sowie  von  Perlmutter,  wird  zugleich  eine  bescheidene  farbige  Wirkung 

Die  eben  crwiihnti'  /usam mengedrückte  Wellenlinie  aus  Messing  (sowie  eine 
iihsenartigo  Form)  lindel  sich  auch  nuf  hölzernen  Armringen  aus  Kano  (Nigergebiet) 
im  hiesigen  Museum  fUr  Völkerkunde,  auf  dio  mich  die  HHrn.  Dr.  Staudinger 
und  Dr.  v.  Luscban  aufmerksam  gemacht  hatten  (Fig.  13). 

Hei  der  Aufziihinng  der  aus  iio  weit  entfcrnlen  Gebieten  stammenden  Arbeilen 
gleicher  Kunsttechnik  dUrfen  die   mittelcuropUiachun  F.rzeugnissc  nicht  unerwähnt 


(109) 

bleiben.  Bekannt  ist,  dass  too  denselben  bei  der  OrnamentiniDg  der  Holztheile 
von  Penerwaffen  rrflher  anagiebiger  Gebranch  gemacht  worden  ist,  aber  auch 
Stöcke,  Hessergriffe  u.  s.  w.  des  18.  Jahrhnnderts  zeigen  Hetall-Einlagen.  Die 
Technik  ergoheint  nodi  um  die  Ifitte  dieses  Jahrhunderts,  wie  das  Kästchen  mit 
der  giKvirten  Inschrift  Karlsbad  1849  beweist  Nach  einer  Angabe  des  Hm. 
Oirect.  Dr.  Tobb  werden  in  Teplitz  noch  ähnliche  Gegenstände  gerertigt.  In  den 
fttnfeiger  Jahren  wurden  auch  ron  England  Arbeiten  eingeführt,  die  nur  in  der 
mehr  orientalischen  Charakter  andeutenden  Zeichnung  der  Blüthen  sich  tod  den 
To^ienannten  nnteracheiden.  Die  Uetnll-Einlagen  beschränken  sich  bei  beiden  auf 
Linien,  die  auch  als  Stengel,  bezw.  Ranken  auftreten,  welche  Perlmutter-Blatter 
und  -BlUthen  tragen  (Fig.  14). 

l-ig.  12.  Fig.  18. 


Auf  der  Gewerbe- Ausstellung  in  Bremen  (1890)  befand  sich  unter  den  Schuler- 
arbeiten des  dortigen  Gewerbe -Museuros  eine  Anzahl  kleiner  Gegenstände:  Bild- 
rähmchen,  Lineule  u.  s.  w.  aus  polirtem  Holz  mit  Einlagen  von  je  3  Metallen, 
Kupfer,  Messing  und  Ziak.  Die  Einführung  der  Technik  in  die  dortige 
Lehren slalt  ist  aus  Indien  erfolgt.  Der  früher  erwähnte  engüBcbe  Ingenieur 
G.  T.  Coddington  hatte  bereits  im  Jahre  1881  den  Versuch  gemacht,  die  Tfir- 
kaschi  ans  Mainpuri  nach  Florenz  zu  übertragen,  dort  aber  keine  geeignete  Per- 
sönlichkeit für  den  handwerklichen  Betrieb  gefunden.  Er  wandte  sich  Bpäter  an 
den  k.  k.  Werkmeister  Joseph  Lacedelli  in  Cortina  d'Ampezzo,  welcher  bald  im 
Stande  war,  die  Arbeiten  auszuführen  und  zu  lehren,  so  dass  sich  in  Cortina  eine 
Art  Hans  Industrie  entwickeln  konnte-  Diese  Angabe  ist  dem  1889  erschienenen 
Werkchen  des  königl.  Gewerbe-Schullehrers  Matthins  „Anleitung  zum  Einlegen 
der  Metalle  in  Holz"  (Leipzig,  Zehl)  entnommen,  in  welchem  auBfUhrliche  An- 
gaben über  das  Werkzeug  und  die  Ausführung  selbst  enthalten  sind.  Eine  Aus- 
stellung jener  Cortina- Arbeiten  in  Bremen  (1888)  ist  wohl  die  Veranlassung  zur 
Verpflanzung  der  Technik  in  die  dortige  Lehranstalt  gewesen  (Mitth.  d.  Gewerhe- 
HaseaiDB  in  Bremen  1888,  H.  UI). 


(110) 

Nicht  ohne  Einfloss  mögen  aber  auch  die  nur  in  cMesem  Hmeom  bereits  seit 
fielen  Jahren  Torhanden  gewesenen,  „ans  der  Hereegovina^  stammenden  und  den 
zuerst  vorgelegten  yöllig  entsprechenden  Arbeiten  geblieben  sein.  — 

Um  die  Erhaltung  der  Runsttechnik  in  ihrer  Heimath  hat  sich  die  öster- 
reichische Verwaltung  seither  bemüht.  Ein  Weiterleben  und  Blflhen  derselben  ist 
daher  zu  erhofTen,  wenn  sich  diese  Förderung  auf  ein  Behüten  beschränkt  In 
ähnlichen  Fällen  haben  od  die  besten  Absichten  es  nicht  verhindern  können,. dass 
Tolksthümliche  Knnstweisen  durch  das  Hineintragen  fremder  Elemente  in  die  Her- 
stellungsart oder  die  Formgebung  erstickt  worden  sind. 

Einige  der  hier  vorgelegten  bosnischen  Arbeiten  habe  ich  seiner  Zeit  in  den 
„Blättern  für  Arch.  und  Rnnsthandwerk^,  1888,  Nr.  7  (Berlin,  A.  Braun  &  Co.), 
durch  Lichtdruck  veröffentlicht  — 

(32)  Hr.  V.  Luschan  bringt  Vorlagen  aus  dem  Königl.  Maseam  für 
Völkerkunde.  — 

Hr.  P.  Standinger  bemerkt  in  Betreff  der  voi^ezeigten  Lagos-Masken: 
^Anch  ich  sah  bei  meinem  kurzen  Aufenthalte  in  Lagos  vor  13  Jahren  bei  ver- 
schiedenen Europäern  bemalte  Holzmasken  oder  richtiger  Köpfe;  sie  wurden 
indessen  schon  damids,  wie  man  mir  mittheilte,  zum  Verkauf  an  die  Weissen, 
also  gewissermaassen  zum  Export  angefertigt,  so  dass  ich  den  Ankauf  der  dort 
leicht  zu  erlangenden  Stücke  bei  meinem  Dortsein  unterliess.  Bezüglich  der 
abenteuerlichen  Form,  namentlich  auch  der  den  Teufelsmasken  ähnlichen,  bemerke 
ich,  dass  beider  eine  Beeinflussung  von  ausserhalb  in  jüngster  Zeit  mitunter  aus- 
geübt wurde,  indem  Raufleute  nach  West^AfHca  deutsche,  bezw.  europäische 
Masken,  wohl  aus  Papiermache  bestehend,  einführten.  Speciell  wurde  mir  auf 
Bulbine,  auf  den  Los-Inseln,  von  einer  grösseren  Masken-Einfuhr  Mittheilung  ge- 
macht — 

(ßiS)  Neu  eingegangene  Schriften: 

1.  Forrer,   R.,   Der  D^pdtAmd  von  Bonneville.    Strassburg  i.  E.  1896.    Qesch. 

d.  Verf. 

2.  Mehlis,  C,  Der  Drachenfels  bei  Dürkheim  a.  d.  H.    Neustadt  a.  d.  H.  1897. 

Gesch.  d.  Verf. 

3.  Hansen,  A.  M.,  Menneskeslaegtens  Aelde.    3.  Hefte.    Rristiania  1894.    Gesch. 

d.  Verf. 

4.  Tappeiner,  F.,  Der  europäische  Mensch  und  die  Tiroler.   Meran  1896.   Gesch. 

d.  Verf. 

5.  Tylor,   E.  B.,    On  American  Lot-Games,   as  evidence  of  Asiatic  intercourse 

before   ihe   time   of  Columbus.    Leiden  1896.    (Sep.-Abdr.  a.  d.  Intern. 
Arch.  f.  Ethnogr.)    Gesch.  d.  Verf. 

6.  Hirsch,  H.,  Die  mechanische  Bedeutung  der  Schienbeinform.    Mit  besonderer 

Berücksichtigung  der  Platyknemie.    Berlin  1895.    Gesch.  d.  Verf. 

7.  Apte,  Raghunath  Narayan.    The  Sujna  Gokulji  Zala  Vedant  Prize  Essay  1889. 

Bombay  1896.    Gesch.  d.  Bombay  University. 

8.  Steinbrecht,  C,  Die  Wiederherstellung  des  Marienbni^r  Schlosses.    Berlin 

1896.    Gesch.  d.  Hm.  Conwentz. 

9.  Philologikos  syllogos  Parnasses.    Epeteris.    L    Athen  1897.    Gesch.  d.  Ges. 


Sitzung  vom  20.  März  1897. 
Vorsitzender:   Hr.  R.  Virchow. 

(1)  Vorstand  und  Ansschuss  der  Gesellschaft  haben  zu  correspondirenden 
Mitgliedern  erwählt: 

Hm.  Robert  Munro,  M.  A.,  M.  D.,  F.  R.,  8.  E.,  Secretary  of  the  Society 

of  Antiquaries  of  Scotland,  Edinburgh. 
^     de  Morgan,  Director  des  Museums  in  Gizeh. 
^     W.  M.  Flinders  Petrie,  M.  G.  L.,  L.  L.  D.,  Edwards -Professor  of 

Egyptology  in  the  University  Gollege  in  London. 

(2)  Wieder  eingetreten  in  die  Gesellschaft  sind  als  ordentliche  Mit- 
glieder: 

Hr.  Contre-Admiral  z.  D.  Strauch  in  Friedenau. 

^    Ludwig  Schneider,   Conservator  der  k.  k.  Gentral-Commission  der 
Kunst-  und  historischen  Denkmale,  Smircic  in  Böhmen. 

Neu  angemeldet: 

Hr.  Dr.  A.  M.  Warburg  in  Hambui^. 

(3)  Die  Königliche  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Turin  meldet  den  am 
19.  Februar  erfolgten  Tod  ihres  berühmten  Mitgliedes  Luigi  Schiaparelli.  — 

(4)  Die  nächste  General -Versammlung  der  deutschen  anthropo- 
logischen Gesellschaft  wird  Tom  3.  bis  5.  August  in  Lübeck  tagen  und  bei 
dieser  Gelegenheit  am  6.  Schwerin,  am  7.  August  Kiel  besuchen.  — 

(5)  Bei  der  am  3.  April  in  Aussicht  stehenden  feierlichen  Sitzung  der  Gesell- 
schaft für  Erdkunde  zu  Ehren  Fr.  Nansen's  werden  die  Mitglieder  unserer 
Gesellschaft,  welche  gleichzeitig  Mitglieder  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  sind, 
aufgefordert,  zahlreich  zu  erscheinen.  Eine  directe  Betheiligung  unserer  Gesell- 
schaft ist  nach  Lage  der  Sache  ausgeschlossen.  — 

Der  Vorsitzende,  der  demnächst  eine  Reise  nach  dem  Süden  antreten  und 
zur  Zeit  nicht  in  Berlin  anwesend  sein  wird,  giebt  schon  jetzt  den  Gefühlen  der 
Bewunderung  und  der  herzlichsten  persönlichen  Theilnahroe  für  den  ebenso  glück- 
lichen, als  tapferen  Forscher  warmen  Ausdruck.  — 

(6)  Es  liegt  das  Programm  für  den  vom  20.  bis  25.  April  in  Jena  stattfindenden 
deutschen  Geographentag  yor.  — 

(7)  Das  Gentral-Gomitö  für  die  erste  Gentenar-Feier  der  Geburt 
Ton  Antonio  Rosmini  ül>ersendet  aus  Rorereto,  5.  März,  eine  Einladung  zur  Be- 
theiligung auf  den  2.  Mai.  —  . 


(112) 

(8)  Hr.  R.  Haas  mann  übersendet  aus  Dorpai,  17.  März,  ein  Dankschreiben  fttr 
seine  Ernennung  zum  correspondirenden  Mitgliede  und  fOgi  einen  Bericht  bei  filer 
den  vorbereitenden  Congress  in  Moskau  (4.  bis  6.  Januar),  sowie  das  Programm  fttr 
den  XI.  Russischen  Archäologischen  Congress,  der  im  Jahre  1899  in  Kiew 
stattfinden  soll.  — 

(9)  Der  internationale  medicinische  Congress  wird  in  Moskau  vom 
19.  bis  26.  August  d.  J.  tagen. 

(10)  Hr.  A.  v.  Heyden  berichtet  unter  dem  10.  April  über  einen 

Grabfund  in  der  Fides-Kirche  za  Schlettstadt. 

Im  Jahre  1892  wurden  die  am  Ende  des  12.  Jahrhunderts  errichteten  Gebäude, 
welche  die  heutige  lindes- Kirche  bilden,  einer  gründlichen  Restauration  unterzogen. 
Man  fand  dabei  in  einer  Art  Crypta  einige  Steintärge  und  in  einem  späterer  Zeit 
angehörenden  Sarkophage  mit  den  Resten  eines  Holzsarges  unter  einander  geschüttete 
Theile  einer  Frauenleiche,  welche  wohl  der  Erbauungszeit  der  Kirche  angehört, 
namentlich  aber  in  Mörtelguss  abgeformte  Theile  ihres  Körpers.  Der  Ansguss 
dieser  Formen  in  Gyps  ergab  das  vollständige  Bild  des  Kopfes  und  des  Körper^ 
bis  unter  die  Brüste.  Die  Formen  des  Gesichtes  sind  ron  ungewöhnlicher  Schön- 
heit: ein  feines,  unendlich  liebenswürdiges  Lächeln,  die  grösste  seelische  Ruhe 
umspielt  die  Züge  dieser  35— 40  Jahre  alten  Frau.  Die  linke  Seite  des  Gesichtes 
ist  etwas  zerstört,  was  aber  das  wundervolle  Profil  in  keiner  Weise  beeinträchtigt 
Zum  Glück  ist  der  Mörtelguss  treu  genug,  um  im  Ausguss  charakteristische  Züge 
in  der  Kleidung  erkennen  zu  lassen,  welche  auf  eine  Frau  der  höheren  Stände  hin- 
weisen. Das  einfach  gescheitelte  Haar  liegt  in  einer  Flechte  schräg  über  Yorder- 
haupt  und  Stirn,  wie  die  Bilder  der  Weingartner- Liederhandschrift  dieses  mehrfach 
zeigen.  Am  Körper  sind  deutlich  die  Stoffunterschiede  der  Theile  des  weiblichen 
Gewandes  des  12.  Jahrhunderts,  Hemd,  Rock  und  Suckenie  zu  unterscheiden, 
während  sich  der  bei  einer  vornehmen  Frau  nie  fehlende  Mantel  schleierartig  um 
Kopf  und  Schultern  legt 

Der  Annahme,  dass  man  es  mit  dem  Abgüsse  einer  Pestleiche  zu  thnn  habe, 
widersprechen  wohl  die  unverzerrten  ruhigen  Züge  der  Dahingeschiedenen. 

Den  genauen  Fundbericht  des  Baurathes  W  ine  kl  er  und  einige  Hypothesen 
über  die  muthmaassliche  Familie  der  Leiche  geben  kurze  Bemerkungen  des  Prof. 
Seder  in  einer  besonderen,  in  Strassburg  bei  R.  Schwarz  &  Co.  erschienenen 
Brochüre,  welche  auf  8  Tafeln  die  Bilder  der  Leiche  und  deren  versuchte  Restauration 
bringt.  — 

(11)  Hr.  A.  Bässler  übersendet  aus  Nen-Seeland,  Januar,  einen  weiteren 
Reisebericht,  speciell  über 

neuseeländische  Alterthttmer. 

Die  Maoris  pflegten  «früher  die  in  der  Erde  ruhenden  Todten  nach  einer  ge- 
wissen Zeit  wieder  auszugraben  und  von  den  Knochen  die  letzten  Fleisch-Anhängsel 
mit  Muscheln  abzukratzen,  um  sie  nach  Abhaltung  eines  ^Tängi*^  entweder  an  einer 
anderen  Stelle  neuerdings  zu  vergraben  oder  in  Höhlen  niederzulegen.  Diese  Orte 
wurden  möglichst  versteckt  gewählt,  geheim  gehalten  und  waren  stets  „tapu^. 
Häuptlinge  bestattete  man  abseits  von  den  Uebrigen  und  so  verborgen,  dass  ihre 
üeberreste  niemals  in  die  Hunde  ihrer  Feinde  fallen  konnten,  was  für  den  ganzen 


(113) 

Stamm  ein  grosser  Schimpf  gewesen  wäre.  Verliess  ein  Stamm  seinen  Bezirk,  um 
sich  wo  anders  niederzulassen,  so  grab  man  —  und  <la8  thun  die  Maoris  auch 
heutigen  Tages  noch,  yergl.  meine  ^Südsee-Bilder^  —  die  Knochen  nochmals  aus, 
reinigte  sie  wiederum,  hielt  abermals  ein  „Tängi^  ab  und  nahm  sie  dann  nach 
dem  neuen  Wohnort  mit,  wo  dieselben  neuerdings  verborgen  wurden.  Von  da  ab 
war  der  Platz  „tapu^  und  wurde  und  wird  nicht  mehr  betreten,  theils  aus  Ehr- 
furcht vor  den  Todten,  theils  —  und  wohl  noch  mehr  —  aus  Angst  vor  den  den 
Platz  umschwebenden  Geistern.  Würde  man  daselbst  beim  Suchen  nach  Schädeln 
angetroffen,  so  könnte  man  sich  auf  unangenehme  Stunden  gefasst  machen.  — 

Ungefähr  90  km  nördlich  von  Auckland  ergiesst  sich  an  der  östlichen  Ktlste 
der  Nordinsel  Neu-Seelands  der  Mangawai-Pluss  in^s  Meer.  Der  Ort  ist  von  Weitem 
kenntlich  durch  ein  kleines  felsiges  Vorgebirge,  das  sich  von  den  monotonen, 
meilenweit  sied  erstreckenden  Sandhügeln  der  Rüste  deutlich  abhebt.  Diese  Htigel 
sind  einst  vielfach  zu  Begräbniss-Stätten  benutzt  worden,  bergen  aber  jetzt  nur 
noch  wenige  menschliche  Ueberreste.  Stürme  aus  Osten  verwehten  den  Sand  oft 
derart,  dass  sie  die  Skelette  freilegten,  die  von  den  Wellen  in's  Meer  gespült 
wurden.  Als  später  Weisse  jene  Gegenden  nach  Kauriharz  durchsuchten,  stiessen 
sie  manchmal  auf  einen  Schädel,  statt  auf  Harz,  mit  dem  sie  dann  oft  Unfug 
trieben  und  die  Maoris  erschreckten,  so  dass  diese  sich  bewogen  fühlten,  die 
noch  vorhandenen  Gebeine  weiter  in's  Innere  der  Insel  überzuführen.  So  kam  es, 
dass  ich  bei  meinen  Nachgrabungen  nur  noch  auf  einer  Stelle  Erfolg  hatte,  und 
zwar  am  linken  Ufer  des  Mangawai,  unweit  des  Vorgebirges,  wo  ich  auf  einem 
Hügel,  ungefähr  1  m  unterhalb  der  Oberfläche  desselben,  zwei  vollständige  Skelette 
fand.  Leider  zerßelen  sie  trotz  grösster  Vorsicht  vollständig,  als  ich  sie  aus  dem 
gerade  hier  etwas  feuchten  Sand  nehmen  wollte.  Sie  ruhten  liegend;  der  Kopf, 
etwas  aufgerichtet,  lag  nordwestlich  von  den  nach  SO.  gerichteten  Füssen;  nach 
ihrer  ersten  Bestattung  schienen  sie  nicht  wieder  ausgegraben  zu  sein.  Das  hat 
darin  seinen  Grund,  dass  sie  von  einer  Schlacht  herrührten,  die  einst  gegen  von 
Süden  vordringende  Maoris  hier  geschlagen  wurde,  in  der  viele  der  heimischen 
Krieger  fielen,  die  man  auf  diesem  Hügel  begrub,  ohne  sich  ihrer  grossen  Zahl 
wegen  später  um  sie  zu  kümmern.  Sie  gehören  zum  Stamm  „Ngatiwhatua^.  Ihre 
Keste  tragen  die  Nrn.  66  und  67.  Nicht  weit  davon  lagen  in  trockener  Sandschicht, 
fast  an  der  Erdoberfläche,  einige  Skelettheile:  Nr.  68. 

Etwa  60  km  nördlich  von  diesem  Platze  wurde  vor  mehreren  Jahren  eine  Höhle 
entdeckt,  welche  eine  Menge  Skelette  barg  und  in  welcher  der  Curator  des  Museums 
von  Auckland,  der  davon  benachrichtigt  worden  war,  73  Schädel  fand.  Von  diesen 
überliess  er  mir  gütigst  die  noch  vorhandenen  sechs,  welche  die  Nrn.  69 — 74 
tragen,  sowie  sieben  Unterkiefer  (Nr.  75),  die  aber  nicht  zu  den  Schädeln  zu  ge- 
hören scheinen.  Nr.  74  ist  als  Häuptlings-Schädel  dadurch  kenntlich,  dass  er  voll- 
ständig mit  der  rothen  Farbe  „Rokowai'*  *)  bemalt  ist,  —  eine  Ehre,  die  nur  Häupt- 
lingen zukam.  Unweit  dieser  Höhle  soll  sich,  nach  Aussage  des  Entdeckers,  noch 
eine  zweite  befunden  haben,  die  mindestens  ebenso  viele  Skelette  barg.  Dieselbe 
ist  nicht  mehr  auffindbar.  Das  Fortschaffen  der  Schädel  war  den  Maoris  zu  Ohren 
gekommen,  und  um  Wiederholungen  vorzubeugen,  haben  sie  den  Zugang  zu  dieser 
anderen  Höhle  sö  ^geschickt  verborgen,  dass  man  nur  durch  einen  Zufall  dieselbe 
nochmals  auffinden  wird.  — 

In  der  Nähe  des  Sees  „Rotorua"  liegt,  zwischen  augenblicklich  sehr  stark  ar- 
beitenden  Geisern  und  unzähligen  Seh  lamm -Vulkanen;    die  kleine  Maori-Nieder- 


1)  rother,  gebrannter  Ocker. 

Vtrhftndl.  der  Berl.  Anthropol.  GeselUcbaa  18'i7. 


(114) 

lassang  „Whakarewarewa^.  Diese  intensive  Thäiigkeit  der  Geiser  u.  s.  w.  steht  in 
Verbindung  mit  mehreren  heftigen  Ausbrüchen  des  ^Tongariro*',  die  in  den  letzten 
Wochen  stattfanden,  um  die  heissen,  den  Maoris  schon  längst  als  heilbringend  be- 
kannten Gewässer  auch  für  Weisse  nutzbar  zu  machen,  hat  man  in  den  letzten  Jahren 
hie  und  da  kleine  Holzhütten  errichtet  Bei  einer  solchen  Arbeit  stiess  man  Tor 
2  Jahren  auf  eine  ungefähr  1,5 — 2  m  unter  der  Erdoberfläche  liegende  Gruft,  in  der 
man  13  Skelette  fand.  Von  diesen  stammt  der  vorzüglich  eriialtene  Schädel  Nr.  76/76', 
Tom  Stamme  der  „Tnhourangi^.  Weitere  Nachgrabungen,  die  ich  in  dieser  Gegend 
anstellte,  wo  sich  noch  andere  Begräbnissplätze  finden  sollen,  blieben  erfolglos.  Ob 
auch  hier  die  Maoris  die  Todten  nochmals  aus-  und  anderswo  wieder  eingegraben 
haben,  konnte  ich  nicht  ermitteln;  jedenfalls  hatten  sie  sich  seiner  Zeit,  als  sie  ton 
der  Ausgrabung  der  1 3  Skelette  gehört  hatten,  Beschwerde  führend  an  die  Regierung 
gewendet  und  der  Finder  war  aufgefordert  worden,  die  Gebeine  wieder  an  Ort  und 
Stelle  zu  vergraben,  was  er  auch,  bis  auf  die  Schädel,  gethan  hat.  Aber  auch 
diese  Knochen  sind,  wie  ich  mich  überzeugte,  seitdem  verschwunden,  —  ob  durch 
Maoris  oder  durch  Weisse,  wird  wohl  niemals  aufgeklärt  werden.  — 

Im  Nordosten  der  Nordinsel  Neu-Seelands,  nördlich  von  der  Halbinsel  Goro- 
mandel  und  von  dieser  nur  durch  den  Goromandel-Canal  getrennt,  Hegt  ^Otea*" 
(jetzt  Great  Barrier  Island  genannt),  eine  Insel,  die  sich  über  32  km  von  Süden 
nach  Norden  erstreckt  und  an  ihrer  breitesten,  ungefähr  in  der  Mitte  gelegenen 
Stelle  von  Westen  nach  Osten  beiläufig  19  An»  missi  Von  dem  inmitten  der  Insel  ge- 
legenen etwa  800  m  hohen  „Hirakimata*^  laufen  verschiedene  Höhenzüge  aus,  die 
zumeist  an  der  Küste  als  steil  abfallende  Hügel  enden.  Dichter  Wald  bedeckte 
einst  die  Insel  überall  da,  wo  nicht  Felsen  und  steiniger  Boden  jedes  Wachsthum 
hinderten.  Damals  dienten  diese  Felsen  als  Begräbnissplätze;  die  Knochen  wurden 
in  vor  Regen  und  Wind  geschützten  Spalten,  zwischen  oder  noch  lieber  in  natür- 
lichen Höhlen  unter  den  Felsen,  niedergelegt,  genau  wie  es  auf  ^Moorea^  geschah. 
Alle  Skelette,  die  ich  gefunden,  waren  derart  entweder  allein  oder  zu  mehreren  zu- 
sammen aufbewahrt. 

Die  südöstlichen  Ausläufer  der  vom  „Hirakimata^  kommenden  Höhenzüge 
bilden  die  ^Kaituki'^-HügeL  Hier  fand  ich  in  einer  Höhe  von  etwa  75  m  in  felsigem, 
fast  unzugänglichem  Terrain,  welches  die  ganze  Breitseite  eines  Hügels  einnahm, 
die  Schädel  Nr.  77—88,  die  Schädelthefle  Nr.  89,  und  abseits  von  den  übrigen,  die 
je  zu  zweien  oder  mehreren  bei  einander  lagen,  die  Schädel  und  Knochen  (im 
Ganzen  20  Theile)  Nr.  90.  — 

Im  Südwesten  von  „Otea^  liegt  die  Bucht  „Tryphena^.  An  ihrem  Ende  eiv 
heben  sich  über  einem  steilen  Hügel  schroffe  Felsen;  unter  diesen  fand  ich  die 
Schädel  Nr.  91  und  92,  den  Unterkiefer  Nr.  93  und  die  Schädeltheile  Nr.  94. 

Nördlich  von  Tryphena  liegt  „Okubu'^-Bay,  an  deren  westlichem  Ufer  ich 
Nr.  95 — 97  erhielt,  an  derem  östlichen  ich  an  zwei  verschiedenen  Stellen  a)  Schädel 
Nr.  98/98  und  99,  sowie  ünteridefer  Nr.  100,  b)  Schädel  Nr.  101  fand. 

„Okubu'^-Bay  ist  von  der  nördlicher  gelegenen  Bucht  „Wangaparapara^  durch 
den  etwa  420  m  hohen  „Ahumata*^  getrennt  Der  Berg  ist  nur  wenig  mit  Bäumen 
bewachsen;  doch  wird  man  bei  der  Besteigung  sehr  gehindert  durch  dichtes  ^Ma- 
nnka^- Gebüsch  und  hohe  Famkräuter,  aus  denen  überall  zericlüftete  Felsen  her- 
vorragen. Auf  einem  ungefähr  250  m  hohen  Kamm,  von  dem  man  beide  Buchten 
übersehen  kann,  sind  diese  besonders  zahlreich  und  scheinen  hauptsächlich  den 
Leuten  von  „Wangaparapara^  als  Begräbniss-Stätte  gedient  zu  haben.  Von  hier 
stammen  Nr.  102/102,  103/103,  104—124;  femer  Nr.  125:  drei  Unterkiefer;  Nr.  126: 
Schädeltheüe  (27  Stück)  und  Nr.  127:  Skelettheile.  — 


(115) 

Von  den  „Moriori^  auf  den  Ghatham-Inseln  erhielt  ich  die  Schädel 
Nr.  128/128  und  Nr.  129;  letzterer  ist  angeblich  der  einer  jungen  Frau.  — 

(12)  Hr.  H.  Matiegka  in  Prag  schickt  unter  dem  6.  März  eine  Reihe  von 
anthropologischen  Schriften.  Die  Mehrzahl  derselben  ist  in  czechischer 
Sprache  abgefasst;  von  den  zwei  in  deutscher  Sprache  geschriebenen  behandelt 
die  eine  die  Asymmetrie  der  Extremitäten  (Prager  Medicinische  Wochen- 
schrift, 1893,  Nr.  47),  die  andere  die  Anthropophagie  in  der  prähistorischen 
Ansiedelung  bei  KnoTize  und  in  der  prähistorischen  Zeit  überhaupt 
(Mittheil,  der  Anthropol.  Ges.  in  Wien,  Bd.  26  oder  Neue  Folge  16).  Von  der 
einen  der  czechischen  Abhandlungen*)  giebt  der  Verf.  selbst  folgende  Analyse: 

I.  Skelet-Oräber  bei  Gross-Czernossek-Gzalositz,  in  der  Nähe  von 
Leitmeritz:  zwei  Skelette,  in  blosser  Erde  ruhend,  ausgestreckt  im  rechten  Winkel 
zu  einander  (mit  den  Füssen)  gelagert;  an  dem  einen  Skelet  fand  sich  ein  Schlangen- 
Armband  von  l'/i  Windungen,  mit  eingedrückten  Kreisen  und  mit  schlangenkopf- 
ähnlichen  Endstücken  versehen;  dabei  ein  Eisenfibel -Fragment  (La  Tene  oder 
römisch).  — 

iL  Aschengrube  bei  Wehinitz  (Lobositz)  nebst  Asche,  Kohle  und  Scherben, 
auch  Bruchstücke  eines  durch  Feuer  beschädigten  Bronzeringes  mit  Schloss  und 
hohlen  Buckeln  enthaltend,  wie  solche  sonst  aus  La-Tene-Skelet-Oräbern  bekannt 
sind  (wahrscheinlich  kein  Brandgrab).  — 

IIL  Fundort  bei  Liebshausen  (vergl.  auch  Pamätky  Archaeol.  XIV, 
S.  363  und  Prähistor.  Blätter  VII,  1895,  S.  4):  Skclet-Oräberstätte  aus  der  La  Tene- 
zeit,  über  eine  aus  älterer  Zeit  (Hallstatt?)  stammende  Wohnstätte  übergreifend 
(Abfall-  und  Aschengruben  mit  Stein-  und  Bein- Werkzeugen,  wenig  Bronze,  aber 
charakteristischen  Gelassen  und  Scherben,  Taf.  XXXI,  mit  Ausnahme  von  Fig.  28). 
Die  Skelet-Gräber  enthielten  Eisen waffen  (La-Töne-Sch werter,  Taf.  XXX,  Fig.  2, 
Lanzenspitzen,  Schildbeschläge)  und  Eisenschmuck  (Armbänder  Taf.  XXIX,  Fig.  5, 
«inen  Halsring  Taf.  XXX,  Fig.  7,  Eisenfibeln  Taf.  XXIX,  Fig.  12  und  13,  Eisen- 
glirtel- Kelten  Taf.  XXIX,  Fig.  7),  eine  prächtige  Bronzegürtel-Kette  mit  rothem 
Email,  andere  Bronze-Eisenkctten,  Buckelringe  (Taf.  XXX,  Fig.  10,  14,  15),  Glas- 
(Fig.  12)  und  andere  Armbänder,  Lignitringe  (Fig.  11).  Charakteristisch  sind  einige 
Gefässe  (Taf.  XXX,  Fig.  8,  Taf.  XXXI,  Fig.  28  mit  Bodenspirale)  und  einige  Objecto 
{Doppclring,  Taf.  XXX,  Fig.  6),  römischen  Einfluss  rerrathend.  —  Am  meisten  über- 
rascht der  Keichthum  und  die  Mannich  faltigkeit  der  Gürtelketten,  der  Arm-  und 
Fussringe  (besonders  derer  mit  hohlen  Buckeln)  und  ihrer  Verschlüsse.  Schon 
durch  diese  allein  unterscheidet  sich  die  La-Tene-Gultur  in  Böhmen  auffallend  von 
jener,  die  sich  uns  in  den  zeitlich  sonst  sehr  nahestehenden,  an  Schmuck  armen 
Brandgräbem  von  DobHchov  darbietet  (Pamdtky  Archaeol.  XV,  Dr.  Piö:  Archaeol. 
ryzkum  1893).  — 

(13)  Hr.  Ed.  Krause  hat  unter  dem  11.  März  folgenden  Nachtrag  zu  seiner 
Vorstellung  der  Lappen  (S.  34)  eingesendet,  besonders  über 

lappische  Greräthe. 

Es  sind  schwedische,  nördlich  von  Stockholm  angesiedelte  Lappen;  sie  haben 
in  der  Hauptsache  schwedische  Lebensweise  angenommen,    wenn  sie  auch  noch 


1)  Dr.  JindHch  Matiegka:  Ndlezj  Lsteneskö  le  severozdpadnich  Öech  (La-Tene-Funde 
SOS  Nordwest-Böhme».    Pamätky  Archaeol.  XYII,  18%,  Taf.  XXIX— XXXI). 

8* 


(116) 

in  Zelten  leben.  Immerhin  haben  sie  sich  noch  maDches  UrsprUDgüche  bewahrt: 
dahin  gehört  besonders  die  Bearbeitung  des  HoIzcb  zu  allen  möglichen  Haus-  und 
WirthschaftE-GerUthen.  Von  den  zum  Theil  sehr  hübsch  gearbeiteten  und  beschnitzlen 
Sachen  wurde  eine  grössere  Anzahl  voi^clegt,  darunter  ein  aus  Holz  geschnitztes 
Käsesieb  (Fig.  1)  mit  Trichter  (Fig.  2),  ferner  ein  beschnitzter  Löffel  aus  Holz  (Fig.  3). 

Fig  4. 


Fig.  la   zeigt  das  höl/eme  Sieb  von  der  Seile,   Fig.  lA 


1   oben  gesehen.     In 


letzterer  Fi^iir  sind  die  Rippen  zu  sehen,  welche  den  Boden  bedecken; 
mit  dem  Xapfo  aus  demselben  Stück  geschniltcn.  Ferner  sieht  man  in  der  Miltf 
des  Hodens  ein  viereckiges  Loch,  sowie  an  der  Peripherie  des  Bodens  zwei 
dreieckige  und  ein  rundes  Loch  zum  Ablassen  der  Molken.  Dieser  Siebnapr  wird 
beim  Gebrauch  auT  den  Trichter  (Fij,'.  2)  gesetzt,  in  welchen  feines  Gras  gelebt 
wird,  um  den  Käse  zurückzuhalten.  Dadurcn  werden  die  Löcher  im  Siebe  nach  und 
nach  voll  von  Kiisekrümelehen,  und  lusscn  dünn  wohl  noch  die  Molken,  nicht  aber 
den  Kiisc  durch.  Man  hat  so  dun  Küse  beim  Abheben  des  Siebes  vollstündig  rem 
und  braucht  ihn  nicht  erst  von  dem  Grasiilter  zu  trennen.  Fig.  2u  stellt  den 
Triehlcr  von  der  Seile  gesehen  dur,  Fig.  il'  den  beschnitztcn  Griff  von  oben. 

Das  Sieb  hat  l-'fi  cm,  der  Trichter  16  ein  oberen  Durchmesser;  beide  sind  aus 
Birken-Miiserhok  geschnitzt. 


(117) 

Fig.  3  zeigt  einen  aus  Holz  geschnitzten  Löffel,  in  dessen  hohlem  Stiel  drei 
Kugeln  spielen,  welche  nicht  hineingesteckt,  sondern  an  Ort  und  Stelle  aus  dem 
beim  Aashöhlen  des  Stieles  lose  werdenden  Stück  Holz  geschnitzt  sind.  Auch  der 
Behang  am  Stielende  ist  mit  dem  Stiel  aus  einem  Stück  geschnitzt.  Die  Ver- 
zierungen im  Löffel  selbst  sind  in  ziemlich  feinen  Strichen  eingravirt,  die  Blätter 
und  Blumen  schraflArt.    Der  Löffel  ist'  1 7,5  cm  lang. 

Dies  nur  einige  Proben  der  vielen  Schnitzarbeiten,  welche  die  Leute  mit  sich 
rührten.  Von  Interesse  dürfte  ausserdem  noch  ein  Stelzbein  sein,  das  sich  der 
eine  Lappe  selbst  gemacht  hat.  Er  hat  vor  Jahren  beim  Absturz  von  einem  Felsen 
ein  Bein  gebrochen.  Der  Bruch  ist  schief  geheilt.  Um  das  Bein  gebrauchen  zu 
können,  hat  er  sich  das  Stelzbein  Fig.  4  erfunden.  Die  obere  Pfanne  stützt  den 
Oberschenkel,  an  den  sie  angeschnallt  wird;  der  Unterschenkel  legt  sich  mit  seiner 
Anssenseite  gegen  die  Stelze,  die  Fussspitze  greift  hinter  die  Stelze.  So  kann  der 
Mann  ohne  grosse  Beschwerden  marschiren. 

Auch  ein  Brustlatz  für  eine  Braut  wurde  vorgelegt,  der  mit  Ringen  benäht 
ist,  von  denen  der  Frau  bei  der  Geburt  eines  Kindes  in  der  Ehe  stets  einer  ab- 
gerissen wird.  — 

(14)    Hr.  Ed.  Krause  übergiebt  einen  Bericht  über 

Sagen,  welche  an  vorgeschichtliche  Gräber  anknüpfen, 

nnd  ttber  anderen  Aberglauben. 

Während  meiner  Ausgrabungen  auf  dem  Hügelgräber-Felde  bei  Seddin  (vergl. 
^Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde^  1896,  S.  82)  unterhielten  sich  meine 
Arbeiter  angelegentlich  über  mancherlei  Aberglauben,  der  sich  an  die  Gegend 
knüpfL  Vor  Allem  spukte  da  wieder  die  goldene  Wiege,  welche  in  einem  der 
Hügel  liegen  soll;  sie  wussten  leider  nicht  in  welchem,  sonst  hätten  wir  sie  sicher 
bemusgeholi 

Eine  andere  Sage  knüpft  sich  an  drei  sehr  grosse  Hügelgräber,  welche  in  einer 
geraden  Linie  von  etwa  3  hm  Länge  liegen.  Sie  sind  jetzt  alle  drei  angegraben, 
der  eine  ganz  abgetragen.  Der  südlichste,  grösste  von  ihnen  war  bei  meinem 
Besuche  noch  8,5  m  hoch  und  hatte  die  Gestalt  eines  grossen  Kraters,  in  Folge 
von  Nachgrabungen.  Er  heisst,  nach  einem  Vorbesitzer,  der  Garlinsche  Berg, 
häufiger  aber  noch  der  Hinzer-Berg,  weil  nach  der  Sa^^e  in  ihm  der  Kiesenkönig 
Heinz  oder  Hinze  begraben  sein  soll.  Dieser  ruht  der  Sage  nach  in  einem  goldenen 
Sarge,  dieser  in  einem  silbernen,  der  wiederum  in  einem  kupfernen  Sarge  steht 
Der  König  soll  ein  goldenes  Schwert  und  andere  Kleinodien  bei  sich  haben. 

Das  nächstgelegene  grosse  Hügelgrab  in  dieser  Reihe  sollte  nach  der  Sage 
den  goldenen  Fingerring  des  Riesenkönigs  Hinze  bergen.  Als  vor  etwa  30  Jahren 
Steine  daraus  zum  Wege-  und  Hausbau  abgefahren  wurden,  so  dass  etwa  die 
Hälfte  von  ihm  abgetragen  wurde,  fand  man  in  der  Mitte  einen  goldenen  Armring, 
über  dessen  Verbleib  ich  nichts  ermitteln  konnte.  Da  hatte  man  den  Fingerring 
des  Riesenkönigs.  Um  so  mehr  glaubte  man  nun  an  den  Schatz  im  Hinzer-Berge 
and  daran,  dass  in  dem  dritten  Hügel  Heinzens  „Geldschrank^  ruhe.  Dieser  Hügel 
wurde  gänzlich  abgetragen,  um  die  Steine  zu  verwerthen,  denn  alle  diese  Hügel 
sind  ans  Steinen  aufgeführt  und  bergen  im  Innern  eine  oder  mehrere  Steinkisten. 
Aber  hier  wurden  weder  Hinzens  Geldschrank,  noch  sonst  Alterthümer  gefunden. 

Doch  der  Fund  des  goldenen  Ringes  Hess  den  Besitzer  des  Hinzcr-Berges 
nicht  ruhen.  Es  ging  ihm  schlecht,  da  er  mehr  im  Kruge,  als  auf  seinem  Felde 
and  Hofe  war.    Hinzens  Goldsarg  sollte  ihn  herausreissen.   Also  an's  Werk.    Wochen 


(118) 

am  Wochen  brachen  er  and  sein  Knecht  mit  der  Radehacke  die  Steine  and  acbafften 
sie  den  Berg  hinunter ,  so  dass  der  spätere  Besitzer  riele  Handert  Fahren  Steine 
zum  Bahn-  und  Ohaussee-Bau  verkaufen  konnte  und  ein  Krater  von  12 — 15  m 
oberem  Durchmesser  in  den  Hügel  gegraben  wurde;  aber  der  Goldsarg  kam  nicht 
Nur  ein  Bronze-Schwert  und  einige  andere  Bronzen  wurden  gefunden.  Diese  aber 
sind  mit  dem  Bauer  verschollen,  den  die  Schulden  von  Haus  und  Hof  trieben. 
Erst  sein  Nachfolger  fand  das  Gold  in  den  Steinen,  indem  er  sie  verkaufte. 

Der  Kiesenkönig  soll  auch  in  einem  der  Hügel  in  Kehrberg,  Kreis  Ost- 
Priegnitz*})  stecken,  ebenfalls  in  goldenem  Sarge  ruhend.  Aber  in  allen  den  Hügeln, 
die  ich  dort  aufgrub,  fand  ich  ihn  nicht;  ebenso  wenig  fand  ich  ihn  in  den  Hügeln 
auf  dem  benachbarten  Krams,  wo  er  übrigens  zum  „Wiesenkönig^  geworden  ist 
und  in  einem  mit  Gold  angefüllten  Sarge  liegi 

Eine  andere,  sehr  poetische  Sage  knüpft  sich  an  das  der  römischen  Kaiser- 
zeit angehörende  Urnengräber- Feld  auf  dem  schwarzen  Belage,  1  km  südlich  von 
Rebenstorf,  Kreis  Lüchow,  Provinz  Hannover,  im  hannoverschen  Wendlandc, 
dem  Fundort  der  schönen  Fenster-Urne  des  Museums  in  Salzwedel.  Das  Gräber- 
feld liegt  am  sanften  Süd-Abhange  eines  grösseren  Erdrückens,  des  sogenannten 
schwarzen  Berges.  In  Rebenstorf  leben  mehrere  Leute,  die  in  ihrer  Jugend  den 
dortigen  y^Spuk''  gesehen  haben.  Erst  vor  Kurzem  noch,  ehe  ich  dort  Urnen  aus- 
grub, hatten  ihn  mehrere  Kinder,  grössere  Mädchen,  an  verschiedenen  Tagen 
gesehen,  doch  meist  wenn  sie  einzeln,  seltener  wenn  ihrer  mehrere  beisammen 
waren.  An  heissen,  sonnigen  Sommertagen  tritt  dieser  „Spuk"^  auf,  ist  also  nicht 
so  gruselig,  wie  sonst  der  meist  nächtlicher  Weile  erscheinende  Spuk  es  zu  sein 
pflegt.  Zwerge,  Männlein  und  Weiblein,  „die  Ungererdschken^,  trocknen  dann  am 
schwarzen  Berge  ihre  weiss  gewaschene  Wäsche.  Sie  unterhalten  sich  dabei  ganz 
munter  und  treiben  mit  lustigem  Lachen  allerhand  Scherz  bei  ihrer  Arbeit,  nicken 
und  lachen  auch  den  Kindern  und  sonstigen  Anwesenden  freundlich  za.  Wenn 
diese  aber  näher  zu  ihnen  herangehen  oder  ihnen  laut  zurufen,  oder  nach  ihnen 
schlagen  oder  werfen,  sind  sie  wie  mit  einem  Schlage  im  Erdboden  verschwunden. 
Man  mag  dann  aber  sehen,  dass  man  heil  davonkommt. 

Bei  Bösel,  Kreis  Lüchow,  befindet  sich  ein  Urnengräber-Feld  auf  dem  sogen. 
Schlossberge.  Da  ist  schon  oft  das  Schlossfräulein  Abends  von  Hütejungen  und 
Wanderern  gesehen  worden.  Es  thut  aber  Niemandem  was  zu  Leide,  sondern 
wandelt  still  seines  Weges.  Auch  geht  dort  ein  schwarzer  Hund  um.  Auf  dem 
am  Schlossberge  vorüherführenden  Fahrwege  ist  es  nicht  richtig,  da  bleiben  oft 
die  Pferde  vor  dem  Wagen  wie  angewurzelt  stehen,  gerade  da,  wo  sich  der  Weg 
in  das  Thal  zu  senken  beginnt,  und  sind  nicht  vom  Fleck  zu  bringen,  weder  mit 
Gewalt,  noch  mit  Güte. 

Dasselbe  geschieht  oft  auf  dem,  an  dem  La-Tene-Umengräber-Felde  bei  Qross- 
Chüden,  Kr.  Salzwedel,  vorüberführenden  Fahrwege  von  Jeebel  nach  Gross-ChOden. 
Vor  wenigen  Jahren  erlebte  das  ein  mit  seiner  Tochter  heimfahrender,  noch  jetzt 
lebender  Bauer.  Nichts  vermochte  die  Pferde  zum  Weitergehen  zu  bewegen.  Endlich 
pinkte  sich  der  Bauer  ein  Stück  Schwamm  für  die  Pfeife  an,  dass  die  Funken  nar  so 
stoben,  und  plötzlich  rasten  die  Pferde  wie  toll  davon.  Auf  demselben  Gräberfelde 
geht  auch  ein  grosser,  schwarzer  Hund  um,  wie  es  gar  keinen  in  der  ganzen  Gegend 
giebt.  Hütejungen  haben  ihn  oft  gesehen.  Er  erscheint  Abends,  wenn  es  schummerig* 
wird.  Der  Schulze  Rec kling  hat  ihn  als  etwa  12 jähriger  Junge  selbst  gesehen. 
Er  treibt  sein  Wesen  hauptsächlich  ungefähr  in  der  Mitte  des  Gräberfeldes,  da,  wo 

1)  S.  VerhandL  1891,  S.  262. 


(119) 

früher  ein  grosser  Grabhügel  stand.  In  diesem  Hügel  liegt  eine  goldene  Wiege. 
Der  Yorbesiteer  des  Planes,  der  jetzt  dem  Schulzen  Reckling  gehört,  Bauer 
Bäcker  inJeebel,  hat  den  Hügel  aufgedeckt,  um  die  goldene  Wiege  zu  hpben, 
fand  aber  nichts,  als  grosse  Steine  und  dazwischen  zerdrückte  Töpfe.  Als  das  für 
die  Arbeiter  mitgenommene  Fass  Bier  leer  war,  stellten  diese  die  Arbeit  ein  und 
waren  nicht  zum  Weiterarbeiten  zu  bringen;  denn  es  wurde  Abend,  und  da  geht 
der  schwarze  Hund  um. 

Auch  andere  Thiere  sind  dort  gesehen  worden. 

In  dem  oben  erwähnten  Rebenstorf  herrscht  ein  eigenthümlicher  Weihnachts- 
brauch. Am  Weihnachts-Heiligabend  muss  alle  bewegliche  Habe  jedes  Gehöftes 
unter  Dach  sein,  Wagen,  Pflüge  und  sonstige  Ackeigeräthe,  überhaupt  alles  zum 
Hofe  Gehörende.  Ist  etwas  davon  rerborgt,  so  wird  es  sicher  am  Weihnacbts- 
Heiligabend  zurückgefordert,  wenn  yielleicht  auch  nur  auf  einen  Tag. 

In  der  Walpurgis-Nacht,  ^der  Mainacht^,  gingen  (?)  die  Frauen  gegen  Morgen 
aufs  Feld  und  mähten  vor  Sonnen-Aufgang  etwas  Saat  von  den  Nachbars-Feldern, 
damit  ihr  Vieh  besser  gedeihen  solle,  das  des  Nachbars  aber  nicht  Auch  wird 
von  ihnen  die  Flachs-Saat  ror  Walpurgis  bekreuzigt,  nachher  nicht  mehr. 

Wird  in  Rebenstorf  ein  Füllen  geboren,  so  hängt  man  die  Nachgeburt  an 
einen  Baum,  die  eines  jungen  Hengstes  an  einen  Birnen-,  die  einer  Stute  an  einen 
Apfelbaum. 

In  Salzwedel  werden  die  Bäume  zu  Weihnachten  ^beschenkt^,  indem  man 
ihnen  ein  Strohband  um  den  Stamm  bindet,  damit  sie  besser  tragen  sollen.  — 

(15)   Hr.  Ed.  Krause  berichtet  femer  über 

eine  Drachen-Sage  von  Seddin,  in  der  West-Priegnitz. 

In  dem  bereits  vorher  angezogenen  Seddin  ist  der  Drache  noch  in  voller 
Thätigkeit,  wie  ich  durch  die  Unterhaltung  meiner  Arbeiter  unter  einander  erfuhr. 
Mehrere  meiner  Leute  hatten  ihn  selbst  gesehen.  Wer  ihn  an  sich  zu  fesseln  weiss, 
dem  bringt  er  Glück  und  namentlich  grosse  Reichthümer.  DieWittwe  des  Krügers 
hat  ihr  Vermögen  zum  grossen  Theil  durch  den  Drachen.  Er  fliegt  in  Gestalt 
einer  feprigen  Schlange  in  den  Schornstein.  Ob  die  Krüger-Wittwe  schon  früher 
sich  den  Drachen  dienstbar  gemacht,  war  nicht  bekannt,  jedenfalls  hat  sie  aber 
früher  schon  Capitalien  auf  Zinsen  ausgeliehen.  Als  sie  dann  den  Krug  verkaufte, 
blieb  sie  trotzdem  im  Dorfe,  wenn  auch  in  einem  anderen  Hause,  zur  Miethe 
wohnen.  Seitdem  sie  nun  dort  wohnt,  war  der  Drache  mehrfach  von  meinen 
Leuten  bei  ihr  gesehen  worden.  Schon  von  Weitem  sahen  sie  die  feurige  Schlange 
zum  Schornstein  hineinfliegen.  Sie  schlichen  näher  und  sahen  die  Wittwe  bei  der 
Lampe  am  Tische  sitzen  und  lesen  oder  Handarbeiten  machen.  Unter  dem  Tische 
aber  sahen  sie  eine  kleine  weisse  Flamme.  Das  war  der  Drache.  Nach  längerer 
Zeit  stand  die  Frau  auf  und  ging  in's  Schlafzimmer,  gefolgt  von  dem  Drachen, 
der  weissen  Flamme.  Dasselbe  beobachtete  ein  anderer  von  meinen  Leuten,  als 
er  Nachts  um  zwölf  Uhr  noch  einen  Lichtschein  aus  dem  Fenster  der  Frau  be- 
merkte. Diesmal  brannte  die  Lampe  nicht;  der  Drache  sass  als  weisse  Flamme 
auf  dem  Tische,  anscheinend  bei  einem  Haufen  Geld,  und  die  Frau  sass  mit  freund- 
lichem Gesicht  bei  ihm  am  Tisch.  Auch  ein  anderer  Arbeiter,  der  dies  Alles  erst 
jetzt  von  seinen  Dorfgenossen  erfuhr,  hatte  den  Drachen  gesehen.  Da  stand  er 
bei  Sonnen-Untergang  am  Abendhimmel  in  Gestalt  einer  ganz  schmalen,  lang- 
gestreckten, blauen,  horizontal  liegenden  Wolke,  aber  mit  einem  richtigen  Kopfe, 
vier  Beinen  und  einem  langen  Schwanz. 


(120) 

Auf  der  Brücke,  die  man  nach  Wolfsgarten  zu  passiren  muss,  erscheint  Nachts 
ein  Schimmel  ohne  Kopf;  auch  hat  sich  schon  Abends  dort  den  Frauen  etwas  auf 
die  Kiepe  gehockt,  so  dass  sie  sie  kaum  noch  tragen  konnten.  Das  blieb  sitzen, 
bis  sie  entweder  an  das  Dorf  oder  den  Dorfteich,  oder  nach  der  anderen  Richtung 
hin  an  den  Kirchhof  kamen.  — 

(16)  Hr.  Ed.  Krause  überreicht  im  Anschluss  an  seine,  yorstehenden  Mit- 
theilungen einige 

Sagen  der  Umgegend  von  Trebichow,  Kreis  Crossen, 

welche  Hr.  Premier-Lieutenant  Hans  v.  Schierstädt  die  Güte  hatte  für  ihn  zu 
sammeln. 

Es  war  vor  langer,  langer  Zeit,  —  damals  lebte  noch  der  Ur-Grossvater  des 
Grossvaters  des  verstorbenen  alten  Fenak  in  Radenickel. 

Zwischen  dem  Teufelssee  und  Meschak  wuchs  noch  kein  Wald.  Dort  lag  Acker, 
der  von  Radenicklem  schlecht  und  recht  bearbeitet  wurde  und  auf  dem  sie  ihr 
Vieh  weideten.  Bei  den  Viehheerden  fand  sich  stets  in  der  Zeit  zwischen  12  und 
1  Uhr  Nachts  ein  weissgeborner  Schimmel  ein,  der  um  1  Uhr  in  der  Richtung  des 
Teufelssees  wieder  verschwand. 

Der  alte  Penak  hatte  den  schönen  Schimmel  oft  beobachtet  und  war  schliesslich 
zu  dem  Entschluss  gekommen,  das  Thier  möglichst  für  seine  Zwecke  zu  ver- 
wenden. 

Er  versuchte  den  Schimmel  zu  fangen,  was  ihm  ohne  Mühe  gelang,  spannte 
ihn  vor  die  Egge  und  wurde  mit  Erstaunen  gewahr,  dass  der  Schimmel  ganz  allein 
eggte. 

Von  nun  an  fing  er  täglich  das  gutmüthige  Thier  und  dieses  leistete  in  kurzer 
Zeit  eine  Tagesarbeit,  so  dass  er  vor,  1  Uhr. schon,  wieder  ausgespannt  war  und 
in  der  Richtung  des  Teufclssees  verschwinden  konnte. 

Fortan  trug  der  Acker  des  Penak  reichlichere  Frucht,  als  der  seiner  Nach- 
barn, denn  keiner  konnte  so  sauber  bestellen,'  wie  Penak  mit  Hülfe  des  wunder- 
baren Schimmels. 

Lange  Jahre  hatte  der  Bauer  so  seinen  Acker  regelmässig  bearbeitet,  als  ihm 
der  Gedanke  kam,  den  Schimmel  noch  mehr  auszunutzen,  um  viel,  viel  reicher  zu 
werden.  Er  liess  nun  wieder  einmal  den  Schimmel  seinen  Acker  eggen,  spannte 
ihn  aber  nicht  um  1  Uhr  aus.  Dieses  half  ihm  indess  nichts,  denn  um  Punkt 
1  Uhr  ging  der  Schimmel  mit  der  Egge  durch  und  verschwand  .mit  ihr  im 
Teufelssce. 

Dort  liegen  Schimmel  und  Egge  noch  heute,  und  nur  selten  noch  steigt  ersterer 
heraus  und  eggt  die  Blossen  und  Wiesen  in  der  Nähe  des  Teufelssees  zur  Mitter- 
nachtzeit, oder  erschreckt  als  Schimmel  ohne  Kopf  den  einsamen  Wanderer.  — 

Der  Nachtreiter  am  Teufelssee. 

In  der  Nähe  des  Teufclssees  zwischen  Grochow  und  Meschak  stand  noch  vor 
75  Jahren  ein  Theerofen. 

Die  Kiefern-Stubben  zur  Theer-Gewinnung  wurden  in  ältester  Zeit  auch  des 
Nachts  gerodet.  Dabei  kam  es  dann  öfters  vor,  dass  die  Arbeiter  durch  den  Naeht- 
reitcr  erschreckt  und  sogar  geneckt  wurden.  Schliesslich  trieb  der  Nachtreiter  die 
Sache  so  arg,  dass  die  Leute  sich  fürchteten  und  nicht  mehr  arbeiten  wollten. 
Der  alte  Schneider  aus  Radenickel,  der  viele  Dinge  wusste,  beruhigte  die  Leute 
und  versprach  ihnen,    bei  der  nächsten  Gelegenheit  den  Nachtreiter  zu  entfernen. 


(121) 

Denn  wenn  man  vom  Nachtreiter  etwas  verlangt,  was  er  nicht  ausführen  kann, 
käme  er  nicht  wieder. 

Als  nnn  gelegentlich  des  Stabben-Rodens  der  Nachtreiter  die  Arbeiter  wieder 
belästigte,  rief  ihm  der  alte  Schneider  zu:  ^ärgern  könne  sie  Jeder,  das  sei  keine 
Kunst,  er  solle  ihnen  lieber  etwas  zu  essen  bringen.*'  Der  Nachtreiter  verschwand 
und  kam  nach  einiger  Zeit  mit  einer  Pferdekeule  wieder,  die  er  den  Leuten  hin- 
warf, und  wollte  nun  den  alten  Schneider  sogar  anfassen.  Der  aber  sagte  ihm: 
«die  Pferdekeule  könne  doch  so  kein  Mensch  essen,  er  müsse  auch  Salz  dazu 
bringen,  damit  sie  sie  kochen  könnten.^  Salz  aber  konnte  der  Nachtreiter  nicht 
bringen,  er  verschwand  und  kam  nicht  wieder. 

Südlich  von  Radenickel  liegt  auf  dem  Acker  ein  Berg  (Hügel),  der  Sprukels- 
ben?  genannt,  auf  diesem  reitet  nach  Mitternacht  der  Nachtreiter  auf  einem  Pferde 
(Schimmel?)  ohne  Kopf.    Man  muss  nicht  hingehen,  wenn  man  es  hört.  — 

In  Balkow  gehen  noch  heute  die  Leute,  wenn  ihr  Vieh  krank  ist,  zur  Hexe 
und  beschimpfen  diese,  dadurch  wird  das  Vieh  gesund.  Ob  bestimmte  Worte 
bei  der  Beschimpfung  gebraucht  werden  und  wie  die  Hexe  entdeckt  wird,  konnte 
ich  noch  nicht  ermitteln. 

Zur  Advents-  und  Passionszeit  müssen  die  Balkowerinnen  blaue  Röcke  tragen; 
sonst  g^hen  sie  „bunt^  (Scharlachrock),  auch  schwarz.  Die  alten  Leute  wissen, 
dass  früher  zu  bestimmten  Festen  auch  immer  bestimmte  Farben  getragen  wurden. 
Von  dieser  Sitte  ist  aber  jetzt  nur  noch  für  die  oben  angegebene  Zeit  der  blaue 
Rock  tibrig  geblieben  (die  Tracht  ist  kostspielig).  Leider  wird  den  Rindern  in 
der  Schule  von  den  Lehrern  nicht  erlaubt,  die  zur  Tracht  gehörige  Haube  zu 
tragen,  sie  tragen  sie  dann  später  auch  nicht.  — 

Ferner  thcilt  mir  Br.  v.  Schierstädt  über  den  Glauben  an  den  Drachen 
noch  Folgendes  mit: 

In  Balkow  giebt  es  noch  Leute  (früher  auch  in  Ziebingen,  Anrith,  Matschdorf 
und  Grimnitz),  denen  aus  uralter  Zeit  die  Wissenschaft  überkommen  ist,  mit  Hülfe 
des  Drachens  (Teufels)  zu  Wohlstand  zu  gelangen. 

Der  Drache  erscheint  dort  manchmal  in  Gestalt  eines  schwarzen  Huhnes. 
Deshalb  werden  von  denen,  die  sich  nach  herrschender  Ansicht  fromm  dünken, 
zugelaufene  schwarze  Rüken  oder  Hühnchen  gewissenhaft  wieder  entfernt  oder 
auch  heimlich  zu  einem  Nachbar  getragen,  dem  man  wohl  Wohlstand,  aber  auch 
den  Drachen  gönnt,  und  bei  diesem  ausgesetzt;  nur  selber  darf  sich  der  Fromme 
mit  dem  Drachen  nicht  einlassen. 

Erzwingen  lässt  sich  die  Hülfe  und  Ankunft  des  Drachens  nicht;  seine  Er- 
werbung ist  aber  mit  Hülfe  von  Hexen,  die  es  dort  noch  giebt,  nicht  ausgeschlossen. 

Kommt  nun  ein  Bewohner  Balkows  in  die  glückliche  oder  unglückliche  Lage, 
dass  ihm  ein  schwarzes  Rüken  zuläuft,  so  hat  er  dieses  in  einer  geräumigen  Tonne 
auf  dem  Boden  zu  verwahren,  regelmässig  mit  Wasser  und  Futter  zu  versehen 
und  übrigens  sehr  gut  zu  behandeln.  Dann  verlässt  der  Drache  nächtlicher  Weile 
durch  den  Schornstein  das  Haus  und  trägt,  auf  demselben  Wege  zurückkommend, 
seinem  Ernährer  Dinge  zu,  die  seinen  Wohlstand  fordern.  Wohl  jeder  Orts- 
Einwohner  hat  schon  gesehen,  wie  der  Drache  (Feuerkugel,  die  in  scheinbarer 
Richtung  eines  Hauses  niedergeht  —  auch  sehr  hell  leuchtende  Sternschnuppen 
werden  dafür  gehalten  — )  zurückkehrt,  oft  als  Zeichen  seiner  über-  oder  richtiger 
unterirdischen  Herkunft  einen  Rauchstreifen  in  der  Luft  zurücklassend. 

Li  Folge  dieser  anstrengenden  Thätigkeit  kann  es  nicht  ausbleiben,  dass  sich 
das  Aussehen  des  Drachens  mehr  oder  weniger  verändert,  und  ebenso  am  Tage  das 


(122) 

schwarze  Huhn  in  der  Tonne  mehr  und  mehr  ^knbrig^  (bestossen?  struppig?)  aus- 
sieht Solch'  kubriges  Aussehen  verleitete  nun  vor  längerer  Zeit  die  Magd  eines 
wohlhabenden  Bauern,  die  das  Euhn  aus  der  Tonne  nehmen  und  füttern  sollte, 
es  mit  dem  Fusse  zu  stossen,  was  für  die  Wirthschaft  und  die  Magd  die  nach- 
theiligsten Folgen  hatte.  Die  Wirthschaft  ging  mehr  und  mehr  zurück,  da  der 
Drache  seine  Thätigkeit  einstellte,  und  die  Magd  bekam  ein  unheilbares  Uebel  am 
Bein.  In  ihrer  Noth  gestand  sie  der  Bäuerin  ihre  That  und  wurde  sofort  aus  dem 
Dienste  entlassen,  worauf  das  Glück  wieder  in  der  Wirthschaft  einkehrte. 

Auch  in  Trebichow  glauben  die  Leute  an  die  schwarze  „Hünne^  als  Drachen. 

Anstatt  des  Ausdrucks  „Drache^  bedienen  sich  die  Leute  auch  der  Bezeichnung 
„Meister  Hans'*. 

Die  Leute  halten  ihren  Glauben  an  Drachen  u.  s.  w.  vor  den  Geistlichen 
äusserst  geheim,  so  dass  diese  meist  nichts  davon  wissen.  — 

(17)  Hr.  H.  Schumann  übersendet  aus  Löcknitz,  1.  März,  einen  Bericht 
über  einen 

Bronze -Depotfkind  von  Clempenow  in  Pommern. 

Derselbe  ist  in  den  „Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde"  1897,  S.  7, 
gedruckt.  — 

(18)  Hr.  Rud.  Virchow  berichtet  im  Verfolg  der  früheren  Mittheilnngen 
(S.  34)  über  den  Stand  der  Verhandlungen  betreffend  die 

Dnrchschneidnng  des  Schlossberges  von  Burg  im  Spreewalde. 

Nachdem  ich  mir  durch  wiederholte  Besprechungen  mit  dem  Bau-Unternehmer 
der  projectirten  Localbahn,  Hrn.  Becker,  eine  genauere  Einsicht  in  die  Pläne  ver- 
schafft und  die  verschiedenen  möglichen  Linien  geprüft  hatte,  legte  ich  zunächst 
das  Ergebniss  dem  Vorstande  und  Ausschuss  unserer  Gesellschaft  vor.  Da  das 
Local-Comite  und  der  Bau-Unternehmer  zu  einem  Verzicht  auf  die  Benutzung 
des  Schlossberges  für  die  Bahnlinie  und  der  dadurch  gewonnenen  Erde  für  die 
an  sich  schwierige  Herstellung  des  ßahnplanums  nicht  zu  bestimmen  waren,  so 
schien  mir  die  Hauptaufgabe  bei  den  weiteren  Verhandlungen  darin  zu  liegen, 
wenigstens  die  äussere  Gestalt  des  Berges  in  seinen  grossen  Formen  zu  erhalten 
und  eine  Abtragung  der  peripherischen  Theile  desselben  soviel  als  möglich  zu  ver- 
hindern. Dieses  erschien  erreichbar,  wenn  die  Bahnlinie  mitten  durch  den  Schloss- 
berg gelegt  würde,  der  gerade  in  seiner  Mitte  am  wenigsten  hoch  und  durch  lange 
Beackerung  sehr  beschädigt  ist,  und  wenn  von  der  Anlage  von  Bahngebäuden  inner- 
halb dos  Schlossberges  gänzlich  Abstand  genommen  würde.  Der  Vorstand  und 
Ausschuss  erklärten  sich  damit  einverstanden. 

Inzwischen  erhielt  ich  eine  Einladung  des  Local-Comites  zu  der  Grundstein- 
Legung  für  den  bei  Straupitz  zu  erbauenden  Bahnhof  auf  den  15.  März.  Ich 
begab  mich  dahin  und  fand  ausser  dem  Bau- Unternehmer  und  den  Vertretern  der 
Nachbar-Gemeinden  den  Kreis-Landrath,  Hrn.  Grafen  v.  Schulen  bürg,  und  den 
durch  eigene  Forschungen  über  die  Bedeutung  des  Gegenstandes  wohl  unter- 
richteten Grafen  Houwald,  den  Besitzer  der  nüchstgrossen  Strecke.  Allerseits 
legte  man  Einspruch  dagegen  ein,  dass  der  Berg  ganz  geschont  werde,  und  ich 
musste  anerkennen,  dass  gute  Gründe  dafür  beigebracht  werden  konnten.  Dagegen 
erklärte  man  sich  bereit,  auf  den  vorher  erwähnten  Plan  einzugehen,  auch  alle 
Fundstücke  sorgfältig  sammeln  zu  lassen  und  an  die  Verwaltung  des  prähistorischen 


(123) 

Mosernns  abzuliefern  and  eine  Beanfsichtigang  durch  zu  bezeichnende  Sach- 
▼erstftndige  zuzulassen. 

Es  schien  mir  jedoch  nothwendigy  weitere  Fürsorge  für  die  Erhaltung  der  zu 
schonenden  Abschnitte  des  Berges  zu  treffen.  Der  Gedanke,  den  ganzen  Berg  für 
den  öffentlichen  Zweck  anzukaufen  und  dadurch  auch  die  Besitzer  und  andere  Per- 
sonen an  der  weiteren  Zerstörung  der  ehrwürdigen  Anlage  zu  hindern,  war  schon 
früher,  wenngleich  mehr  gelegentlich,  in  grösseren  Kreisen  besprochen  worden, 
and  es  durfte  angenommen  werden,  dass  auch  die  Provinzial- Behörden  und  die  Ge- 
meinden sich  daran  betheiligen  wfLrden,  falls  die  Staatsregierung  die  Sache  in  die 
Hand  nähme.  Das  Local-Comite  erklärte  sich  bereit,  seine  Mitwirkung  zu  einem 
solchen  Zweck,  namentlich  zu  Verhandlungen  .mit  den  Besitzern,  zur  Verfügung 
zu  stellen. 

Indem  ich  Seiner  Excellenz  dem  Herrn  Ünterrichts-Minister  Bericht  erstattete 
über  den  Gang  dieser  Verhandlungen,  erlaubte  ich  mir  zu  b^iintragen,  der  Herr 
Minister  wolle 

1.  die  Genehmigung  zu  der  Ausführung  der  projectirten  Linie  und  zu  der 
Benutzung  des  dabei  gewonnenen  Materials  an  Bodenbestandtheilen  er- 
theilen,  bezw.  vermitteln, 

2.  die  Erwerbung  der  weiteren  Theile  des  Berges  aus  öffentlichen  Mitteln 
recht  bald  in  die  Wege  leiten. 

Zugleich  bezeichnete  ich  zwei  Männer  aus  der  Nachbarschaft,  welche  für  die 
Beaufsichtigung  der  demnächst  vorzunehmenden  Grabungen  geeignet  seien,  und 
bemerkte:  für  den  Fall,  dass  wichtigere  Funde  gemacht  oder  unerwartete  Verhält- 
nisse aufgedeckt  werden  sollten,  würden  sowohl  das  Museum  für  Völkerkunde,  als 
auch  die  Anthropologische  Gesellschaft  stets  in  der  Lage  sein,  aus  ihrem  Personal 
geschulte  Kräfte  zu  stellen. 

Es  ist  dabei  zu  erwähnen,  dass  nach  den  bisherigen  Ermittelungen  der  Boden 
des  Berges  aus  einer  natürlichen,  überwiegend  sandigen  Erhöhung  besteht,  über 
welche  nur  dünne  Calturschichten  gelagert  sind.  Letztere  sind  gerade  in  den 
mittleren  Theilen  so  viel  durchwühlt,  dass  darin  bedeutende  Funde  kaum  zu  er- 
warten sein  dürften.  Indess  sind  doch  in  früherer  Zeit  einzelne  wichtigere  Stücke 
zu  Tage  gekommen,  so  dass  eine  beständige  Aufmerksamkeit  geboten  ist. 

Immerhin  darf  die  jetzige  Vereinbarung  als  das  höchste  Maass  des  nach  Lage 
der  Gesetzgebung  und  nach  den  Bedürfnissen  des  praktischen  Lebens  Erreichbaren 
mit  einer  gewissen  Befriedigung  aufgenommen  werden.  — 

(19)  Hr.  Hermann  Busse  zeigt 

märkische  Alterthümer  ans  den  Kreisen  Nieder-  und  Ober-Barnim, 

Beeskow-Storkow,  Ost-Havelland. 

Wird  in  den  ^Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde'^  gedruckt  werden.  — 

(20)  Hr.  Otto  Helm  in  Danzig  übersendet  nachstehenden  Bericht  über  die 

chemische  Untersuchung  vorgeschichtlicher  Bronzen. 

In  dem  städtischen  Museum  zu  El  hing  in  Westpreussen  befindet  sich  eine 
reichhaltige  Sammlung  vorgeschichtlicher  Gegenstände,  welche  ausschliesslich  aus 
dem  Kreise  Elbing  stammen.  Namentlich  ist  die  Bronzezeit  unter  den  Funden 
dieser  Sammlung  gut  vertreten.  Die  meisten  Bronzefunde  wurden  in  Steinkisten- 
Gräbern  gemacht,   nur  wenige  waren  Einzelfunde.    Dann  befinden   sich  in   dem 


(124) 

Mnaeam  noch  zahlreiche  Fände  ans  der  aeolithischen  uad  ans  der  rdmischen  Epoche. 
Ton  letzteren  sind  die  bemerken swerthesten  die  aar  einem  reichhaltigen  Gräber- 
felde  des  Silberberges  bei  Leazen  gefundenen  Beigaben,  damnter  die  in  mehreren 
Exemplaren  vertretene  Armbmst-Sprossenfibel  (Esten- Fibel).  Hr.  Prof.  Roh.  Dorr, 
der  Vorsitzende  der  Glbinger  AI  terthnms- Gesell  seh  all,  war  so  freondlich,  mir  ans 
der  bezeichneten  Sammlung  einige  Bronzen  znr  Vertilgung  zu  stellen,  um  dieselben 
einer  chemischen  Analyse  zu  unterwerfen.  Ich  wählte  von  ihnen  sechs  ans,  deren 
Zusammensetzung  ich  nachstehend  mitlheile.  Um  ein  Urtheil  über  das  Alter  und 
die  Zagehörigkeit  jedes  einzelnen  Untersuchungs-Objectes  zu  gewinnen,  fllge  ich 
ich  den  Analysen  noch  einige  von  Hrn.  Dorr  angefertigte  Abbildungen  bei. 

1.  Hohlcelt  mit  Oehr  (Fig.  1),  gefunden  im  Vogelsanger  Walde  bei  Elbing 
(s.  Lissauer,  Prähistorische  Denkmäler  der  Provinz  Westpreussen,  1887,  S.  83 
und  Dorr,  Programm  des  Elbinger  Real-Gymnasiums  1893,  5.  16  unter  3).  Der 
Celt  ist  aussen  mit  einer  grünen  Patina  bezogen,  innen  von  rothgellKr  Farbe. 


Pig-  2-     V, 


In  lOOTheilcn  sind  enthalten: 

Kupfer 91,12  Theile 

Zinn 0,78       „ 

Blei 1,63       , 

Silber 0,45       „ 

Eisen 0,49       ^ 

Antimon 4.48       „ 

Arsen 0,32       „ 

Nickel 11,61       „ 

Schwefel 0,1-2      „ 


(125) 


Wie  aus  der  vorstehendca  Analyse  ersichtlich  ist,  zeichnet  sich  der  Hohicelt 
durch  einen  Gehalt  yon  mehr  als  4  pCt.  Antimon  aus,  dagegen  ist  in  ihm  nur  eine 
geringe  Menge  von  Zinn  enthalten.  Die  Bronze  ähnelt  in  dieser  Beziehung  einigen 
ToigeschichUichen  Bronzen  des  Westpreussischen  ProTinzial-Mnseams. 

2.  Schaftcelt  (Fig.  2),  gefanden  höchst  wahrscheinlich  in  Orunanhöhe  bei  Elbing 
(s.  Lissauer,  wie  oben,  8.  93  und  Dorr,  wie  oben,  S.  16  unter  Nr.  4),  aussen  mit 
gelblich-grUner  Patina  bezogen,  innen  hellkupferroth. 

In  lOOTheilen  des  Gelts  sind  enthalten: 

Kupfer 90,99.  Theile 

Zinn 3,34      „ 

Blei 2,02      „ 

'       Eisen 0,28      „ 

Antimon 1,53       ^ 

Nickel 0,95      „ 

Schwefel 0,89      „ 

Kobalt Spuren 

AufTällig  ist  in  der  Zusammensetzung  des  Geltes  der  nicht  unbedeutende  Gehalt 
von  Nickel  und  Antimon. 

3.  Lanzenspitze  (Fig.  3),  gefunden  zu  Drewshofif  bei  Elbing,  unter  einem 
Steine  im  Walde  (s.  Lissauer,  wie  oben,  S.  83  und  Dorr,  wie  oben,  S.  15  unter 
Nr.  1).    Sie  ist  aussen  mit  einer  glänzenden  grünen  Patina  bezogen,  innen  rothgelb. 

In  lOOTheilen  sind  enthalten: 
Kupfer 80,59  Theile 


Zinn 

.     13,38 

Blei 

.      2,26 

Silber 

0,15 

Eisen 

0,21 

Antimon  .... 

2,79 

Nickel 

.      0,41 

Schwefel 

0,21 

In  der  untersuchten  Lanzenspitze  sind  Antimon  und  Blei  in  bemerkenswerther 
Menge  enthalten. 

4.  Spirale  (Fig.  4),  in  Grunauhöhe  bei  Elbing  gefunden,  nach  Lissauer  und 
Dorr  der  Hallstädter  Epoche  angehörend  (s.  Dorr,  wie  Torhin,  8.  18,  unter  Nr.  2). 
Die  Spirale  ist  aussen  dunkelgrttngrau  bezogen,  innen  gelbroth. 

In  100  Theilen  sind  enthalten: 

Kupfer 92,62  Theile 

Zinn 3,46       „ 

Blei 1,59      „ 

Silber 0,15      „ 

Eisen 0,35      „ 

Antimon 0,83       „ 

Nickel 0,65      , 

Schwefel 0,35      „ 

Arsen Spuren 

5.  Schlei fcnringe,  aus  Urnen  entnommen,  welche  sich  auf  dem  Neustädter 
Felde,  südlich  vom  Elbinger  Bahnhofe  befanden.  Die  Urnen  standen  in  Stein- 
kisten-Gräbern (s.  Dorr,  wie  vorhin,  8.  19,  unter  Nr.  5).     Die  Ringe  sind  aussen 


(116) 

in  Zelten  leben.  Immerhin  haben  aie  aich  noch  manches  Ursprüngliche  bewahrt; 
dahin  gehört  besonders  die  Bearbeitung  des  Holzes  zo  allen  möglichea  Haas-  und 
Wirthschafts-Geräthen.  Von  den  zum  Theil  sehr  hübsch  gearbeiteten  nnd  beschnitzten 
Sachen  wurde  eine  grössere  Anzahl  vorgelegt,  darunter  ein  aus  Holz  geschnitztes 
Käsesieb  (Fig.  1)  mit  Trichter  (Fig.  2),  ferner  ein  beschnitzter  Löffel  aus  Holz  (Fig.  3). 

Fig  4. 


Pig.  la  zeigt  »las  hölzerne  Sieb  von  der  Seite,  Fig.  1*  von  oben  gesehen.  In 
letzterer  Figur  sind  die  Eippen  zu  sehen,  welche  den  Boden  bedecken;  sie  sind 
mit  dem  Napfe  aus  demselben  Stück  geschnitten.  Femer  sieht  man  in  der  Mitte 
des  Bodens  ein  viereckiges  Loch,  sowie  an  der  Peripherie  des  Bodens  zwei 
dreieckige  und  ein  rundes  Loch  zum  Ablassen  der  Molken.  Dieser  Siebnapf  winl 
beim  Gebrauch  auT  den  Trichter  (Fig-  -)  gesetzt,  in  welchen  feines  Gras  gelegt 
wird,  um  den  Küse  zurückzuhalten.  Dadurch  werden  die  Löcher  im  Siebe  nach  and 
nach  voll  von  KäsekrUmelchen,  und  lassen  dann  wohl  noch  die  Molken,  nicht  aber 
den  Käse  durch.  Man  hat  so  den  Käse  beim  Abheben  des  Siebes  vollständig  rein 
and  braucht  ihn  nicht  erst  von  dum  GrasßUer  zu  trennen.  Fig.  2u  stellt  den 
Trichter  von  der  Seite  gesehen  dar,  Fig.  2/i  den  boschnitzlen  Griff  von  oben. 

Das  Sieb  hat  1  j,ti  c»i,  der  Trichter  16  nn  oberen  Durchmesser;  beide  sind  aas 
Birken-Maserholz  geschnitzt. 


(117) 

Fig.  3  zeigt  einen  aus  Holz  geschnitzten  Löffel,  in  dessen  hohlem  Stiel  drei 
Kugeln  spielen,  welche  nicht  hineingesteckt,  sondern  an  Ort  und  Stelle  aus  dem 
beim  Aushöhlen  des  Stieles  lose  werdenden  Stück  Holz  geschnitzt  sind.  Auch  der 
Behang  am  Stielende  ist  mit  dem  Stiel  aus  einem  Stück  geschnitzt.  Die  Ver- 
zierungen im  Löffel  selbst  sind  iii  ziemlich  feinen  Strichen  eingravirt,  die  Blätter 
and  Blumen  schraffirt.    Der  Löffel  ist'  17,5  cm  lang. 

Dies  nur  einige  Proben  der  vielen  Schnitzarbeiten,  welche  die  Leute  mit  sich 
führten.  Von  Interesse  dürfte  ausserdem  noch  ein  Stelzbein  sein,  das  sich  der 
eine  Lappe  selbst  gemacht  hat  Er  hat  vor  Jahren  beim  Absturz  von  einem  Felsen 
«in  Bein  gebrochen.  Der  Bruch  ist  schief  geheilt.  Um  das  Bein  gebrauchen  zu 
können,  hat  er  sich  das  Stelzbein  Fig.  4  erfunden.  Die  obere  Pfanne  stützt  den 
Oberschenkel,  an  den  sie  angeschnallt  wird;  der  Unterschenkel  legt  sich  mit  seiner 
Aussenseite  gegen  die  Stelze,  die  Fussspitze  greift  hinter  die  Stelze.  So  kann  der 
Mann  ohne  grosse  Beschwerden  marschiren. 

Auch  ein  Brustlatz  für  eine  Braut  wurde  vorgelegt,  der  mit  Ringen  benäht 
ist,  von  denen  der  Frau  bei  der  Geburt  eines  Kindes  in  der  Ehe  stets  einer  ab- 
gerissen wird.  — 

(14)    Hr.  Ed.  Krause  übergiebt  einen  Bericht  über 

Sagen,  welche  an  vorgeschichtliche  Gräber  anknüpfen, 

und  über  anderen  Aberglauben. 

Während  meiner  Ausgrabungen  auf  dem  Hügelgräber-Felde  bei  Seddin  (vcrgl. 
^Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde^  1896,  S.  82)  unterhielten  sich  meine 
Arbeiter  angelegentlich  über  mancherlei  Abei^lauben,  der  sich  an  die  Gegend 
knüpft  Vor  Allem  spukte  da  wieder  die  goldene  Wiege,  welche  in  einem  der 
Hügel  liegen  soll;  sie  wussten  leider  nicht  in  welchem,  sonst  hätten  wir  sie  sicher 
herausgeholt 

Eine  andere  Sage  knüpft  sich  an  drei  sehr  grosse  Hügelgräber,  welche  in  einer 
geraden  Linie  von  etwa  3  km  Länge  liegen.  Sie  sind  jetzt  alle  drei  angegraben, 
der  eine  ganz  abgetragen.  Der  südlichste,  grösste  von  ihnen  war  bei  meinem 
Besuche  noch  8,5  m  hoch  und  hatte  die  Gestalt  eines  grossen  Kraters,  in  Folge 
von  Nachgrabungen.  Er  heisst,  nach  einem  Yorbesitzer,  der  Garlinsche  Berg, 
häufiger  aber  noch  der  Hinzer-Berg,  weil  nach  der  Sage  in  ihm  der  Riesenkönig 
Heinz  oder  Hinze  begraben  sein  soll.  Dieser  ruht  der  Sage  nach  in  einem  goldenen 
Sarge,  dieser  in  einem  silbernen,  der  wiederum  in  einem  kupfernen  Sarge  steht 
Der  König  soll  ein  goldenes  Schwert  und  andere  Kleinodien  bei  sich  haben. 

Das  nächstgelegene  grosse  Hügelgrab  in  dieser  Reihe  sollte  nach  der  Sage 
den  goldenen  Fingerring  des  Riesenkönigs  Hinze  bergen.  Als  vor  etwa  30  Jahren 
Steine  daraus  zum  Wege-  und  Hausbau  abgefahren  wurden,  so  dass  etwa  die 
Hälfte  von  ihm  abgetragen  wurde,  fand  man  in  der  Mitte  einen  goldenen  Armring, 
über  dessen  Verbleib  ich  nichts  ermitteln  konnte.  Da  hatte  man  den  Fingerring 
des  Riesenkönigs.  Um  so  mehr  glaubte  man  nun  an  den  Schatz  im  Hinzer-Berge 
and  daran,  dass  in  dem  dritten  Hügel  Heinze's  „Geldschrank'^  ruhe.  Dieser  Hügel 
wurde  gänzlich  abgetragen,  um  die  Steine  zu  verwerthen,  denn  alle  diese  Hügel 
sind  aus  Steinen  aufgeführt  und  bergen  im  Innern  eine  oder  mehrere  Steinkisten. 
Aber  hier  wurden  weder  Hinzens  Geldschrank,  noch  sonst  Alterthümer  gefunden. 

Doch  der  Fund  des  goldenen  Ringes  Hess  den  Besitzer  des  Hinzer-Berges 
nicht  ruhen.  Es  ging  ihm  schlecht,  da  er  mehr  im  Kruge,  als  auf  seinem  Felde 
und  Hofe  war.    Hinzens  Goldsarg  sollte  ihn  herausreissen.   Also  an's  Werk.    Wochen 


(118) 

am  Wochen  brachen  er  und  sein  Knecht  mit  der  Radehacke  die  Steine  und  schafften 
sie  den  Berg  hinunter,  so  dass  der  spätere  Besitzer  viele  Hundert  Fahren  Steine 
znm  Bahn-  und  Chaussee-Bau  verkaufen  konnte  und  ein  Krater  von  12 — 15  m 
oberem  Durchmesser  in  den  Hfigel  gegraben  wurde;  aber  der  Goldsarg  kam  nicht. 
Nur  ein  Bronze-Schwert  und  einige  andere  Bronzen  wurden  gefunden.  Diese  aber 
sind  mit  dem  Bauer  verschollen,  den  die  Schulden  Yon  Haus  und  Hof  trieben. 
Erst  sein  Nachfolger  fand  das  Gold  in  den  Steinen,  indem  er  sie  verkaufte. 

Der  Riesenkönig  soll  auch  in  einem  der  Hügel  in  Kehrberg,  Kreis  Ost* 
Priegnitz')}  stecken,  ebenfalls  in  goldenem  Sarge  ruhend.  Aber  in  allen  den  Hügeln, 
die  ich  dort  aufgrub,  fand  ich  ihn  nicht;  ebenso  wenig  fand  ich  ihn  in  den  Hügeln 
auf  dem  benachbarten  Krams,  wo  er  übrigens  zum  „Wiesenkönig^  geworden  ist 
und  in  einem  mit  Gold  angefüllten  Sarge  liegt. 

Bine  andere,  sehr  poetische  Sage  knüpft  sich  an  das  der  römischen  Kaiser- 
zeit angehörende  Urnengräber- Feld  auf  dem  schwarzen  Bei^e,  1  km  südlich  von 
Rebenstorf,  Kreis  Lüchow,  Provinz  Hannover,  im  hannoverschen  Wendlande, 
dem  Fundort  der  schönen  Fenster-Urne  des  Museums  in  Salzwedel.  Das  Gräber- 
feld liegt  am  sanften  Süd-Abhange  eines  grösseren  Erdrückens,  des  sogenannten 
schwarzen  Berges.  In  Rebenstorf  leben  mehrere  Leute,  die  in  ihrer  Jugend  den 
dortigen  ^^P^^''  gesehen  haben.  Erst  vor  Kurzem  noch,  ehe  ich  dort  Urnen  aus- 
grub, hatten  ihn  mehrere  Kinder,  grössere  Mädchen,  an  verschiedenen  Tagen 
gesehen,  doch  meist  wenn  sie  einzeln,  seltener  wenn  ihrer  mehrere  beisammen 
waren.  An  heissen,  sonnigen  Sommertagen  tritt  dieser  „Spuk*^  auf,  ist  also  nicht 
so  gruselig,  wie  sonst  der  meist  nächtlicher  Weile  erscheinende  Spuk  es  zu  sein 
pflegt.  Zwerge,  Männlein  und  Weiblein,  „die  Ungererdschken",  trocknen  dann  am 
schwarzen  Berge  ihre  weiss  gewaschene  Wäsche.  Sie  unterhalten  sich  dabei  ganz 
munter  und  treiben  mit  lustigem  Lachen  allerhand  Scherz  bei  ihrer  Arbeit,  nicken 
und  lachen  auch  den  Kindern  und  sonstigen  Anwesenden  freundlich  zu.  Wenn 
diese  aber  näher  zu  ihnen  herangehen  oder  ihnen  laut  zurufen,  oder  nach  ihnen 
schlagen  oder  werfen,  sind  sie  wie  mit  einem  Schlage  im  Erdboden  verschwunden. 
Man  mag  dann  aber  sehen,  dass  man  heil  davonkommt. 

Bei  Bösel,  Kreis  Lüchow,  befindet  sich  ein  Urnengräber-Feld  auf  dem  sogen. 
Schlossberge.  Da  ist  schon  oft  das  Schlossfräulein  Abends  von  Hütejungen  und 
Wanderern  gesehen  worden.  Es  thut  aber  Niemandem  was  zu  Leide,  sondern 
wandelt  still  seines  Weges.  Auch  geht  dort  ein  schwarzer  Hund  um.  Auf  dem 
am  Schlossberge  vorüherführenden  Fahrwege  ist  es  nicht  richtig,  da  bleiben  oft 
die  Pferde  vor  dem  Wagen  wie  angewurzelt  stehen,  gerade  da,  wo  sich  der  Weg 
in  das  Thal  zu  senken  beginnt,  und  sind  nicht  vom  Fleck  zu  bringen,  weder  mit 
Gewalt,  noch  mit  Güte. 

Dasselbe  geschieht  oft  auf  dem,  an  dem  La-Tfene-Umengräber-Felde  bei  Gross- 
Chüden,  Kr.  Salzwedel,  vorüberführenden  Fahrwege  von  Jeebel  nach  Gross-Chüden. 
Vor  wenigen  Jahren  erlebte  das  ein  mit  seiner  Tochter  heimfahrender,  noch  jetzt 
lebender  Bauer.  Nichts  vermochte  die  Pferde  zum  Weitergehen  zu  bewegen.  Endlich 
pinkte  sich  der  Bauer  ein  Stück  Schwamm  für  die  Pfeife  an,  dass  die  Funken  nur  so 
stoben,  und  plötzlich  rasten  die  Pferde  wie  toll  davon.  Auf  demselben  Gräberfelde 
geht  auch  ein  grosser,  schwarzer  Hund  um,  wie  es  gar  keinen  in  der  ganzen  Gegend 
giebt.  Hütejungen  haben  ihn  oft  gesehen.  Er  erscheint  Abends,  wenn  es  schummerig 
wird.  Der  Schulze  Reckling  hat  ihn  als  etwa  12 jähriger  Junge  selbst  gesehen. 
Er  treibt  sein  Wesen  hauptsächlich  ungefähr  in  der  Mitte  des  Gräberfeldes,  da,  wo 

1)  S.  Verhandl.  1891,  S.  262. 


(119) 

froher  ein  grosser  Grabhügel  stand.  In  diesem  Hügel  liegt  eine  goldene  Wiege. 
Der  Yorbesitzer  des  Planes,  der  jetzt  dem  Schulzen  Reekling  gehört,  Bauer 
Bäcker  inJeebel,  hat  den  Hügel  aufgedeckt,  um  die  goldene  Wiege  zu  hßben, 
fand  aber  nichts,  als  grosse  Steine  und  dazwischen  zerdrückte  Töpfe.  Als  das  für 
die  Arbeiter  mitgenommene  Fass  Bier  leer  war,  stellten  diese  die  Arbeit  ein  und 
waren  nicht  zum  Weiterarbeiten  zu  bringen;  denn  es  wurde  Abend,  und  da  geht 
der  schwarze  Hund  um. 

Auch  andere  Thiere  sind  dort  gesehen  worden. 

In  dem  oben  erwähnten  Rebenstorf  herrscht  ein  eigenthümlicher  Weihnachts- 
brauch. Am  Weihnachts-Heiligabend  muss  alle  bewegliche  Habe  jedes  Gehöftes 
unter  Dach  sein,  Wagen,  Pflüge  und  sonstige  Ackei^eräthe,  überhaupt  alles  zum 
Hofe  Gehörende.  Ist  etwas  davon  verborgt,  so  wird  es  sicher  am  Weihnachts- 
Heiligabend  zurückgefordert,  wenn  vielleicht  auch  nur  auf  einen  Tag. 

In  der  Walpurgis-Nacht,  ^der  Mainacht^,  gingen  (?)  die  Frauen  gegen  Morgen 
aufs  Feld  und  mähten  vor  Sonnen-Aufgang  etwas  Saat  von  den  Nachbars-Feldem, 
damit  ihr  Vieh  besser  gedeihen  solle,  das  des  Nachbars  aber  nicht  Auch  wird 
von  ihnen  die  Flachs-Saat  vor  Walpurgis  bekreuzigt,  nachher  nicht  mehr. 

Wird  in  Rebenstorf  ein  Füllen  geboren,  so  hängt  man  die  Nachgeburt  an 
einen  Baum,  die  eines  jungen  Hengstes  an  einen  Birnen-,  die  einer  Stute  an  einen 
Apfelbaum. 

In  Salzwedel  werden  die  Bäume  zu  Weihnachten  ^beschenkt^,  indem  man 
ihnen  ein  Strohband  um  den  Stamm  bindet,  damit  sie  besser  tragen  sollen.  — 

(15)   Hr.  Ed.  Krause  berichtet  femer  über 

eine  Drachen-Sage  von  Seddin,  in  der  West-Priegnitz. 

In  dem  bereits  vorher  angezogenen  Seddin  ist  der  Drache  noch  in  voller 
Thätigkeit,  wie  ich  durch  die  Unterhaltung  meiner  Arbeiter  unter  einander  erfuhr. 
Mehrere  meiner  Leute  hatten  ihn  selbst  gesehen.  Wer  ihn  an  sich  zu  fesseln  weiss, 
dem  bringt  er  Glück  und  namentlich  grosse  Reichthümer.  DieWittwe  des  Krügers 
hat  ihr  Vermögen  zum  grossen  Theil  durch  den  Drachen.  Er  fliegt  in  Gestalt 
einer  feurigen  Schlange  in  den  Schornstein.  Ob  die  Krüger-Wittwe  schon  früher 
sich  den  Drachen  dienstbar  gemacht,  war  nicht  bekannt,  jedenfalls  hat  sie  aber 
früher  schon  Capitalien  auf  Zinsen  ausgeliehen.  Als  sie  dann  den  Krug  verkaufte, 
blieb  sie  trotzdem  im  Dorfe,  wenn  auch  in  einem  anderen  Hause,  zur  Miethe 
wohnen.  Seitdem  sie  nun  dort  wohnt,  war  der  Drache  mehrfach  von  meinen 
Leuten  bei  ihr  gesehen  worden.  Schon  von  Weitem  sahen  sie  die  feurige  Schlange 
zum  Schornstein  hineinfliegen.  Sie  schlichen  näher  und  sahen  die  Wittwe  bei  der 
Lampe  am  Tische  sitzen  und  lesen  oder  Handarbeiten  machen.  Unter  dem  Tische 
aber  sahen  sie  eine  kleine  weisse  Flamme.  Das  war  der  Drache.  Nach  längerer 
Zeit  stand  die  Frau  auf  und  ging  in^s  Schlafzimmer,  gefolgt  von  dem  Drachen, 
der  weissen  Flamme.  Dasselbe  beobachtete  ein  anderer  von  meinen  Leuten,  als 
er  Nachts  um  zwölf  Uhr  noch  einen  Lichtschein  aus  dem  Fenster  der  Frau  be- 
merkte. Diesmal  brannte  die  Lampe  nicht;  der  Drache  sass  als  weisse  Flamme 
auf  dem  Tische,  anscheinend  bei  einem  Haufen  Geld,  und  die  Frau  sass  mit  freund- 
lichem Gesicht  bei  ihm  am  Tisch.  Auch  ein  anderer  Arbeiter,  der  dies  Alles  erst 
jetzt  von  seinen  Dorfgenossen  erfahr,  hatte  den  Drachen  gesehen.  Da  stand  er 
bei  Sonnen-Untergang  am  Abendhimmel  in  Gestalt  einer  ganz  schmalen,  lang- 
gestreckten, blauen,  horizontal  liegenden  Wolke,  aber  mit  einem  richtigen  Kopfe, 
vier  Beinen  und  einem  langen  Schwanz. 


(120) 

Auf  der  Brücke,  die  man  nach  Wolfsgarten  zu  passiren  muss,  erscheint  Nachts 
ein  Schimmel  ohne  Kopf;  auch  hat  sich  schon  Abends  dort  den  Frauen  etwas  auf 
die  Kiepe  gehockt,  so  dass  sie  sie  kaum  noch  tragen  konnten.  Das  blieb  sitzen, 
bis  sie  entweder  an  das  Dorf  oder  den  Dorfteich,  oder  nach  der  anderen  Richtung 
hin  an  den  Kirchhof  kamen.  — 

(16)  Hr.  Ed.  Krause  überreicht  im  Anschluss  an  seine,  vorstehenden  Mit- 
theilungen einige 

Sagen  der  Umgegend  von  Trebichow,  Kreis  Crossen, 

welche  Hr.  Premier-Lieutenant  Hans  v.  Schierstädt  die  Güte  hatte  für  ihn  zu 
■sammeln. 

Es  war  vor  langer,  langer  Zeit,  —  damals  lebte  noch  der  Ür-Grossvater  des 
Grossvaters  des  verstorbenen  alten  Penak  in  Radenickel. 

Zwischen  dem  Teufelssee  und  Meschak  wuchs  noch  kein  Wald.  Dort  lag  Acker, 
der  von  Radenicklem  schlecht  und  recht  bearbeitet  wurde  und  auf  dem  sie  ihr 
Vieh  weideten.  Bei  den  Yiehheerden  fand  sich  stets  in  der  Zeit  zwischen  12  und 
1  Uhr  Nachts  ein  weissgeborner  Schimmel  ein,  der  um  1  Uhr  in  der  Richtung  des 
Teufelssees  wieder  verschwand. 

Der  alte  Penak  hatte  den  schönen  Schimmel  oft  beobachtet  und  war  schliesslich 
zu  dem  Entschluss  gekommen,  das  Thier  möglichst  für  seine  Zwecke  zu  ver- 
wenden. 

Er  versuchte  den  Schimmel  zu  fangen,  w^s  ihm  ohne  Mühe  gelang,  spannte 
ihn  vor  die  Egge  und  wurde  mit  Erstaunen  gewahr,  dass  der  Schimmel  ganz  allein 
eggte. 

Von  nun  an  fing  er  täglich  das  gutmüthige  Thier  und  dieses  leistete  in  kurzer 
Zeit  eine  Tagesarbeit,  so  dass  er  vor  1  Uhr. schon  wieder  ausgespannt  war  und 
in  der  Richtung  des  Teufelssees  verschwinden  konnte. 

Fortan  trug  der  Acker  des  Penak  reichlichere  Frucht,  als  der  seiner  Nach- 
barn, denn  keiner  konnte  so  sauber  bestellen,'  wie  Penak  mit  Hülfe  des  wunder- 
baren Schimmels. 

Lange  Jahre  hatte  der  Bauer  so  seinen  Acker  regelmässig  bearbeitet,  als  ihm 
der  Gedanke  kam,  den  Schimmel  noch  mehr  auszunutzen,  um  viel,  viel  reicher  zu 
werden.  Er  Hess  nun  wieder  einmal  den  Schimmel  seinen  Acker  eggen,  spannte 
ihn  aber  nicht  um  1  Uhr  aus.  Dieses  half  ihm  indess  nichts,  denn  um  Punkt 
1  Uhr  ging  der  Schimmel  mit  der  Egge  durch  und  verschwand  .mit  ihr  im 
Teufelssee. 

Dort  liegen  Schimmel  und  Egge  noch  heute,  und  nur  selten  noch  steigt  ersterer 
heraus  und  eggt  die  Blossen  und  Wiesen  in  der  Nähe  des  Teufelssees  zur  Mitter- 
nachtzeit, oder  erschreckt  als  Schimmel  ohne  Kopf  den  einsamen  Wanderer.  — 

Der  Nachtreiter  am  Teufelssee. 

In  der  Nähe  des  Teufelssees  zwischen  Grochow  und  Meschak  stand  noch  vor 
75  Jahren  ein  Theerofen. 

Die  Kiefern-Stubben  zur  Theer-Gewinnung  wurden  in  ältester  Zeit  auch  des 
Nachts  gerodet.  Dabei  kam  es  dann  öfters  vor,  dass  die  Arbeiter  durch  den  Nacht- 
reiter erschreckt  und  sogar  geneckt  wurden.  Schliesslich  trieb  der  Nachtreiter  die 
Sache  so  arg,  dass  die  Leute  sich  fürchteten  und  nicht  mehr  arbeiten  wollten. 
Der  alte  Schneider  aus  Radenickel,  der  viele  Dinge  wusste,  beruhigte  die  Leute 
und  versprach  ihnen,   bei  der  nächsten  Gelegenheit  den  Nachtreiter  zu  entfernen. 


(121) 

Denn  wenn  man  rom  Nachtreiter  etwas  verlangt,  was  er  nicht  ausführen  kann, 
käme  er  nicht  wieder. 

Als  nan  gelegentlich  des  Stubben-Rodens  der  Nfachtreiter  die  Arbeiter  wieder 
belästigte,  rief  ihm  der  alte  Schneider  zn:  ^ärgern  könne  sie  Jeder,  das  sei  keine 
Kunst,  er  solle  ihnen  lieber  etwas  zu  essen  bringen.''  Der  Nachtreiter  verschwand 
und  kam  nach  einiger  Zeit  mit  einer  Pferdekeule  wieder,  die  er  den  Leuten  hin- 
warf, und  wollte  nun  den  alten  Schneider  sogar  anfassen.  Der  aber  sagte  ihm: 
^die  Pferdekeule  könne  doch  so  kein  Mensch  essen,  er  müsse  auch  Salz  dazu 
bringen,  damit  sie  sie  kochen  könnten.''  Salz  aber  konnte  der  Nachtreiter  nicht 
bnngen,  er  verschwand  und  kam  nicht  wieder. 

Südlich  von  Radenickel  liegt  auf  dem  Acker  ein  Berg  (Hügel),  der  Sprukels- 
berg  genannt,  auf  diesem  reitet  nach  Mitternacht  der  Nachtreiter  auf  einem  Pferde 
(Schimmel?)  ohne  Kopf.    Man  muss  nicht  hingehen,  wenn  man  es  hört.  — 

In  Balkow  gehen  noch  heute  die  Leute,  wenn  ihr  Vieh  krank  ist,  zur  Hexe 
und  beschimpfen  diese,  dadurch  wird  das  Vieh  gesund.  Ob  bestimmte  Worte 
bei  der  Beschimpfung  gebraucht  werden  und  wie  die  Hexe  entdeckt  wird,  konnte 
ich  noch  nicht  ermitteln. 

Zur  Advents-  und  Passionszeit  müssen  die  Balkowerinnen  blaue  Röcke  tragen; 
sonst  gehen  sie  „bunt^  (Scbarlachrock),  auch  schwarz.  Die  alten  Leute  wissen, 
dass  früher  zu  bestimmten  Festen  auch  immer  bestimmte  Farben  getragen  wurden. 
Von  dieser  Sitte  ist  aber  jetzt  nur  noch  für  die  oben  angegebene  Zeit  der  blaue 
Rock  übrig  geblieben  (die  Tracht  ist  kostspielig).  Leider  wird  den  Rindern  in 
der  Schule  von  den  Lehrern  nicht  erlaubt,  die  zur  Tracht  gehörige  Haube  zu 
tragen,  sie  tragen  sie  dann  später  auch  nicht.  — 

Ferner  theilt  mir  Hr.  v.  Schierstädt  über  den  Glauben  an  den  Drachen 
noch  Folgendes  mit: 

In  Balkow  giebt  es  noch  Leute  (früher  auch  in  Ziebingen,  Anrith,  Matschdorf 
und  Grimnitz),  denen  aus  uralter  Zeit  die  Wissenschaft  Überkommen  ist,  mit  Hülfe 
des  Drachens  (Teufeis)  zu  Wohlstand  zu  gelangen. 

Der  Drache  erscheint  dort  manchmal  in  Gestalt  eines  schwarzen  Huhnes. 
Deshalb  werden  von  denen,  die  sich  nach  herrschender  Ansicht  fromm  dünken, 
zugelaufene  schwarze  Küken  oder  Hühnchen  gewissenhaft  wieder  entfernt  oder 
auch  heimlich  zu  einem  Nachbar  getragen,  dem  man  wohl  Wohlstand,  aber  auch 
den  Drachen  gönnt,  und  bei  diesem  ausgesetzt;  nur  selber  darf  sich  der  Fromme 
mit  dem  Drachen  nicht  einlassen. 

Erzwingen  lässt  sich  die  Hülfe  und  Ankunft  des  Drachens  nicht;  seine  Er- 
werbung ist  aber  mit  Hülfe  von  Hexen,  die  es  dort  noch  giebt,  nicht  ausgeschlossen. 

Kommt  nun  ein  Bewohner  Balkows  in  die  glückliche  oder  unglückliche  Lage, 
dass  ihm  ein  schwarzes  Küken  zuläuft,  so  hat  er  dieses  in  einer  geräumigen  Tonne 
auf  dem  Boden  zu  verwahren,  regelmässig  mit  Wasser  und  Futter  zu  versehen 
und  übrigens  sehr  ^ut  zu  behandeln.  Dann  verlässt  der  Drache  nächtlicher  Weile 
durch  den  Schornstein  das  Haus  und  trägt,  auf  demselben  Wege  zurückkommend, 
seinem  Ernährer  Dinge  zu,  die  seinen  Wohlstand  fördern.  Wohl  jeder  Orts- 
Einwohner  hat  schon  gesehen,  wie  der  Drache  (Feuerkugel,  die  in  scheinbarer 
Richtung  eines  Hauses  niedergeht  —  auch  sehr  hell  leuchtende  Sternschnuppen 
werden  dafür  gehalten  — )  zurückkehrt,  oft  als  Zeichen  seiner  über-  oder  richtiger 
unterirdischen  Herkunft  einen  Rauchstreifen  in  der  Luft  zurücklassend. 

In  Folge  dieser  anstrengenden  Thütigkeit  kann  es  nicht  ausbleiben,  dass  sich 
das  Aussehen  des  Drachens  mehr  oder  weniger  verändert,  und  ebenso  am  Tage  das 


(122) 

schwarze  Huhn  in  der  Tonne  mehr  und  mehr  ^knbrig^  (bestossen?  struppig?)  aus- 
sieht Solch^  kubriges  Aussehen  yerleitete  nun  vor  längerer  Zeit  die  Magd  eines 
wohlhabenden  Bauern,  die  das  Huhn  aus  der  Tonne  nehmen  und  füttern  sollte, 
es  mit  dem  Fasse  zu  stossen,  was  für  die  Wirthschaft  und  die  Magd  die  nach- 
theiligsten Folgen  hatte.  Die  Wirthschaft  ging  mehr  und  mehr  zurück,  da  der 
Drache  seine  Thätigkeit  einstellte,  und  die  Magd  bekam  ein  unheilbares  Uebel  am 
Bein.  In  ihrer  Noth  gestand  sie  der  Bäuerin  ihre  That  und  wurde  sofort  aus  dem 
Dienste  entlassen,  worauf  das  Glück  wieder  in  der  Wirthschaft  einkehrte. 

Auch  in  Trebichow  glauben  die  Leute  an  die  schwarze  „Hünne^  als  Drachen. 

Anstatt  des  Ausdrucks  ^ Drache'^  bedienen  sich  die  Leute  auch  der  Bezeichnung 
y,Meister  Hans^. 

Die  Leute  halten  ihren  Glauben  an  Drachen  u.  s.  w.  vor  den  Geistlichen 
äusserst  geheim,  so  dass  diese  meist  nichts  davon  wissen.  — 

(17)  Hr.  H.  Schumann  übersendet  aus  Löcknitz,  1.  März,  einen  Bericht 
über  einen 

Bronze -Depotfund  von  Clempenow  in  Pommern. 

Derselbe  ist  in  den  ^Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde^  1897,  S.  7, 
gedruckt,  — 

(18)  Hr.  Rud.  Virchow  berichtet  im  Verfolg  der  früheren  Mittheilungen 
(S.  34)  über  den  Stand  der  Verhandlungen  betreffend  die 

Durchschneidung  des  Schlossberges  von  Burg  im  Spreewalde. 

Nachdem  ich  mir  durch  wiederholte  Besprechungen  mit  dem  Bau-Unternehmer 
der  projectirten  Localbahn,  Hrn.  Becker,  eine  genauere  Einsicht  in  die  Pläne  ver- 
schafft und  die  verschiedenen  möglichen  Linien  geprüft  hatte,  legte  ich  zunächst 
das  Ergebniss  dem  Vorstande  und  Ausschuss  unserer  Gesellschaft  vor.  Da  das 
Local-Comitü  und  der  Bau-Unternehmer  zu  einem  Verzicht  auf  die  Benutzung 
des  Schlossberges  für  die  Bahnlinie  und  der  dadurch  gewonnenen  Erde  für  die 
an  sich  schwierige  Herstellung  des  ßahnplanums  nicht  zu  bestimmen  waren,  so 
schien  mir  die  Hauptaufgabe  bei  den  weiteren  Verhandlungen  darin  zu  liegen, 
wenigstens  die  äussere  Gestalt  des  Berges  in  seinen  grossen  Formen  zu  erhalten 
und  eine  Abtragung  der  peripherischen  Theile  desselben  soviel  als  möglich  zu  ver- 
hindern. Dieses  erschien  erreichbar,  wenn  die  Bahnlinie  mitten  durch  den  Schloss- 
berg gelegt  würde,  der  gerade  in  seiner  Mitte  am  wenigsten  hoch  und  durch  lange 
Beackerung  sehr  beschädigt  ist,  und  wenn  von  der  Anlage  von  Bahngebäuden  inner- 
halb des  Schlossberges  gänzlich  Abstand  genommen  würde.  Der  Vorstand  und 
Ausschuss  erklärten  sich  damit  einverstanden. 

Inzwischen  erhielt  ich  eine  Einladung  des  Local-Comites  zu  der  Grundstein- 
Legung  für  den  bei  Straupitz  zu  erbauenden  Bahnhof  auf  den  15.  März.  Ich 
begab  mich  dahin  und  fand  ausser  dem  Bau-Unternehmer  und  den  Vertretern  der 
Nachbar-Gemeinden  den  Kreis-Landrath,  Hrn.  Grafen  v.  Schulenburg,  und  den 
durch  eigene  Forschungen  über  die  Bedeutung  des  Gegenstandes  wohl  unter- 
richteten Grafen  Houwald,  den  Besitzer  der  nüchstgrossen  Strecke.  Allerseits 
legte  man  Einspruch  dagegen  ein,  dass  der  Berg  ganz  geschont  werde,  und  ich 
musste  anerkennen,  dass  gute  Gründe  dafür  beigebracht  werden  konnten.  Dagegen 
erklärte  man  sich  bereit,  auf  den  vorher  erwähnten  Plan  einzugehen,  auch  alle 
Fundstücke  sorgfaltig  sammeln  zu  lassen  und  an  die  Verwaltung  des  prähistorischen 


(123) 

Mnseams  abzuliefern  und  eine  Beaufsichtigang  durch  zu  bezeichnende  Sach- 
Terständige  zuzulassen. 

Es  schien  mir  jedoch  nothwendig,  weitere  Fürsorge  für  die  Erhaltung  der  zu 
schonenden  Abschnitte  des  Berges  zu  treffen.  Der  Gedanke,  den  ganzen  Berg  ftlr 
den  öffentlichen  Zweck  anzukaufen  und  dadurch  auch  die  Besitzer  und  andere  Per- 
sonen an  der  weiteren  Zerstörung  der  ehrwürdigen  Anlage  zu  hindern,  war  schon 
früher,  wenngleich  mehr  gelegentlich,  in  grösseren  Kreisen  besprochen  worden, 
und  es  durfte  angenommen  werden,  dass  auch  die  Provinzial- Behörden  und  die  Ge- 
meinden sich  daran  betheiligen  würden,  falls  die  Staatsregierung  die  Sache  in  die 
Hand  nähme.  Das  Local-Comite  erklärte  sich  bereit,  seine  Mitwirkung  zu  einem 
solchen  Zweck,  namentlich  zu  Verhandlungen  .mit  den  Besitzern,  zur  Verfügung 
zu  stellen. 

Indem  ich  Seiner  Excellenz  dem  Herrn  Unterrichts-Minister  Bericht  erstattete 
über  den  Gang  dieser  Verbandlungen,  erlaubte  ich  mir  zu  b^jintragen,  der  Herr 
Minister  wolle 

1.  die  Genehmigung  zu  der  Ausführung  der  projectirten  Linie  und  zu  der 
Benutzung  des  dabei  gewonnenen  Materials  an  Bodenbestand tb eilen  er- 
theilen,  bezw.  vermitteln, 

2.  die  Erwerbung  der  weiteren  Theile  des  Berges  aus  öffentlichen  Mitteln 
recht  bald  in  die  Wege  leiten. 

Zugleich  bezeichnete  ich  zwei  Männer  aus  der  Nachbarschaft,  welche  für  die 
Beaufsichtigung  der  demnächst  vorzunehmenden  Grabungen  geeignet  seien,  und 
bemerkte:  für  den  Fall,  dass  wichtigere  Funde  gemacht  oder  unerwartete  Verhält- 
nisse aufgedeckt  werden  sollten,  würden  sowohl  das  Museum  für  Völkerkunde,  als 
auch  die  Anthropologische  Gesellschaft  stets  in  der  Lage  sein,  aus  ihrem  Personal 
geschulte  Kräfte  zu  stellen. 

Es  ist  dabei  zu  erwähnen,  dass  nach  den  bisherigen  Ermittelungen  der  Boden 
des  Berges  aus  einer  natürlichen,  überwiegend  sandigen  Erhöhung  besteht,  über 
welche  nur  dünne  Culturschichten  gelagert  sind.  Letztere  sind  gerade  in  den 
mittleren  Theilen  so  viel  durchwühlt,  dass  darin  bedeutende  Funde  kaum  zu  er- 
warten sein  dürften.  Indess  sind  doch  in  früherer  Zeit  einzelne  wichtigere  Stücke 
zu  Tage  gekommen,  so  dass  eine  beständige  Aufmerksamkeit  geboten  ist. 

Immerhin  darf  die  jetzige  Vereinbarung  als  das  höchste  Maass  des  nach  Lage 
der  Gesetzgebung  und  nach  den  Bedürfnissen  des  praktischen  Lebens  Erreichbaren 
mit  einer  gewissen  Befriedigung  aufgenommen  werden.  — 

(19)  Hr.  Hermann  Busse  zeigt 

märkische  Alterthümer  aus  den  Kreisen  Nieder-  und  Ober-Barnim, 

Beeskow-Storkow,  Ost-Havelland. 

Wird  in  den  ,, Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde^  gedruckt  werden.  — 

(20)  Hr.  Otto  Helm  in  Danzig  übersendet  nachstehenden  Bericht  über  die 

chemische  Untersuchung  vorgeschichtlicher  Bronzen. 

In  dem  städtischen  Museum  zu  Elbing  in  Westpreussen  befindet  sich  eine 
reichhaltige  Sammlung  Torgeschichtlicher  Gegenstände,  welche  ausschliesslich  aus 
dem  Kreise  Elbing  stammen.  Namentlich  ist  die  Bronzezeit  unter  den  Funden 
dieser  Sammlung  gut  vertreten.  Die  meisten  Bronzefunde  wurden  in  Steinkisten- 
Gräbern  gemacht,   nur   wenige  waren  Einzelfunde.    Dann  befinden   sich  in  dem 


(124) 

Uuseom  noch  zahlreiche  Funde  aus  der  neolithischeo  nnd  aus  der  römischen  Elpoche. 
Von  letzteren  sind  die  b  emergens  wert  besten  die  anf  einem  reichhaltigen  Gräber- 
felde  des  Silberbergea  bei  Lenzen  gefundenen  ßeigaben,  darunter  die  in  mehreren 
Exemplaren  «erbetene  Armbrust-Sprossenfibel  (Esten- Fibel).  Hr.  Fror.  Hob.  Dorr, 
der  Vorsitzende  der  Elbinger  Alterthnms-Gesellschaft,  war  so  freundlich,  mir  ans 
der  bezeichneten  Sammlung  einige  Bronzen  zur  Verfügung  zo  stellen,  um  dieselben 
einer  chemischen  Analyse  zu  unterwerfen.  Ich  wählte  von  ihnen  sechs  ans,  deren 
Zusammensetzung  ich  nachstehend  mittheile.  Um  ein  TJrtheil  über  das  Alter  und 
die  Zugehörigkeit  jedes  einzelnen  Untcrsuchungs-Objectes  zu  gewinnen,  lUge  ich 
ich  den  Analysen  noch  einige  von  Hrn.  Dorr  angefertigte  Abbildungen  bei- 

1.  Hohlcelt  mit  Oehr  [Fig.  1),  gefunden  im  Vogelsanger  Walde  bei  Elbing 
(s.  Lissauer,  Prähistorische  Denkmäler  der  Provinz  Westpreussen ,  1887,  8,  83 
und  Dorr,  Programm  des  Elbinger  Keal-Oymnasiums  1893,  S.  15  unter  2).  Der 
Celt  ist  aussen  mit  einer  grünen  Patina  bezogen,  innen  von  rothgelber  Farbe. 


Fig.  3. 


I^g-2.    V, 


Tn  lOOTheilen  sind  enthalten: 

Kupfer 91,12  Theile 

Zinn 0,78       „ 

Blei 1,63       , 

Silber 0,45      „ 

Eisen 0,49      , 

Antimon 4,48      ,, 

Ar«en 0,32       , 

Nickel 0,61       „ 

Schwefel 0,12       „ 


(125) 

Wie  ans  der  Yörstehendcn  Analyse  ersichtlich  ist,  zeichnet  sich  der  Hohicelt 
durch  einen  Gehalt  von  mehr  als  4  pCt.  Antimon  aus,  dagegen  ist  in  ihm  nur  eine 
geringe  Menge  von  Zinn  enthalten.  Die  Bronze  ähnelt  in  dieser  Beziehung  einigen 
vorgeschichtlichen  Bronzen  des  Westpreussischen  Provinzial-Museums. 

2.  Schaftcelt  (Fig.  2),  gefunden  höchst  wahrscheinlich  in  Orunauhöhe  bei  Elbing 
(s.  Lissauer,  wie  oben,  S.  93  und  Dorr,  wie  oben,  S.  16  unter  Nr.  4),  aussen  mit 
gelblich-grüner  Patina  bezogen,  innen  hellkupferroth. 

In  100  Theilen  des  Gelts  sind  enthalten: 

Kupfer 90,99.  Theile 

Zinn 3,34      ^ 

Blei 2,02      „ 

*       Eisen 0,28       „ 

Antimon 1,53       „ 

Nickel 0,95      ^ 

Schwefel 0,89      „ 

Kobalt Spuren 

Auffällig  ist  in  der  Zusammensetzung  des  Geltes  der  nicht  unbedeutende  Gehalt 
von  Nickel  und  Antimon. 

3.  Lanzenspitze  (Fig.  3),  gefunden  zu  Drewshoff  bei  Elbing,  unter  einem 
Steine  im  Walde  (s.  Lissauer,  wie  oben,  S.  83  und  Dorr,  wie  oben,  S.  15  unter 
Nr.  1).    Sie  ist  aussen  mit  einer  glänzenden  grünen  Patina  bezogen,  innen  rothgelb. 

In  lOOTheilen  sind  enthalten: 

Kupfer 80,59  Theile 

Zinn 13,38  „ 

Blei 2,26      „ 

Silber 0,15  „ 

Eisen 0,21  „ 

Antimon 2,79  „ 

Nickel 0,41  „ 

Schwefel 0,21  „ 

In  der  untersuchten  Lanzenspitze  sind  Antimon  und  Blei  in  bemerkenswerther 
Menge  enthalten. 

4.  Spirale  (Fig.  4),  in  Grunauhöhe  bei  Elbing  gefunden,  nach  Lissauer  und 
Dorr  der  Hallstädter  Epoche  angehörend  (s.  Dorr,  wie  vorhin,  S.  18,  unter  Nr.  2). 
Die  Spirale  ist  aussen  dunkelgrüngrau  bezogen,  innen  gelbroth. 

In  100  Theilen  sind  enthalten: 

Kupfer 92,62  Theile 

Zinn 3,46       „ 

Blei 1,59       „ 

Silber 0,15       „ 

Eisen 0,35       „ 

Antimon 0,^3       „ 

Nickel 0,65       „ 

Schwefel 0,35      „ 

Arsen Spuren 

5.  Schleifenringe,  aus  Urnen  entnommen,  welche  sich  auf  dem  Neustädter 
Felde,  stidlich  vom  Elbinger  Bahnhofe  befanden.  Die  Urnen  standen  in  Stein- 
kisten-Gräbern (s.  Dorr,  wie  vorhin,  S.  19,  unter  Nr.  5).    Die  Ringe  sind  aussen 


(116) 

in  Zelten  leben.  Immerhin  haben  sie  sich  noch  manche§  Ursprüngliche  bewahrt; 
dahin  gehört  besonders  die  Bearbeitnng  des  Bolzes  zu  allen  möglichen  Hans-  und 
Wirthscharts-Geräthen.  Ton  den  zum  Theil  sehr  hübsch  gearbeiteten  und  be8chnitzl«n 
Sachen  wurde  eine  grössere  Anzahl  vorgelegt,  darunter  ein  aus  Holz  geschnitztes 
Käsesieb  (Fig.  1)  mit  Trichter  (Pig.  2),  ferner  ein  beschnitzter  Löffel  aus  Bolz  (Fig.  3). 

Fig  4. 


Fig.  Id  zeigt  das  hälzeme  Sieb  von  der  Seite,  Fig.  Ih  von  oben  gesehen,  la 
letzterer  Figur  sind  die  Rippen  zu  sehen,  welche  den  Boden  bedecken;  sie  sind 
mit  dem  Napfe  aus  demselben  Stück  geschnitten.  Ferner  sieht  man  in  der  Uitie 
des  Bodens  ein  viereckiges  Loch,  sowie  an  der  Peripherie  des  Bodens  zwei 
dreieckige  und  ein  rundes  Loch  zum  Ablassen  der  Holken.  Dieser  Siebnupf  wird 
beim  Gebrauch  auf  den  Trichter  (Fig.  2)  gesetzt,  in  welchen  feines  Gras  gelegt 
wird,  um  den  Küse  zurückzuhalten.  Uadurcti  werden  die  Löcher  im  Siebe  nach  und 
nach  voll  von  Küsekrilm eichen,  und  lassen  dann  wohl  noch  die  Molken,  nicht  aber 
den  Käse  durch.  Mnn  hat  so  den  Käse  beim  Abheben  des  Siebes  vollständig  rem 
und  braucht  ihn  nicht  erst  von  dem  Grasfllter  zu  trennen.  Fig.  2a  stellt  den 
Trichter  von  der  Seite  gesehen  dar,  Fig.  iO  den  beschnitztm  Griff  von  oben. 

Dos  Sieb  hut  l.'i,6  cm,  der  Trichter  16  nn  oberen  Durchmesser;  beide  sind  ans 
Dirken-Muserholz  geschnitzt. 


(117) 

Fig.  3  zeigt  einen  aus  Holz  geschnitzten  Löffel,  in  dessen  hohlem  Stiel  drei 
Kugeln  spielen,  welche  nicht  hineingesteckt,  sondern  an  Ort  und  Stelle  aus  dem 
beim  Aushöhlen  des  Stieles  lose  werdenden  Stück  Holz  geschnitzt  sind.  Auch  der 
Behang  am  Stielende  ist  mit  dem  Stiel  aus  einem  Stück  geschnitzt.  Die  Ver- 
zierungen im  Löffel  selbst  sind  in  ziemlich  feinen  Strichen  eingravirt,  die  Blätter 
and  Blumen  schraf&rt.    Der  Löffel  ist*  17,5  cm  lang. 

Dies  nur  einige  Proben  der  vielen  Schnitzarbeiten,  welche  die  Leute  mit  sich 
führten.  Von  Interesse  dürfte  ausserdem  noch  ein  Stelzbein  sein,  das  sich  der 
eine  Lappe  selbst  gemacht  hat.  Er  hat  vor  Jahren  beim  Absturz  von  einem  Felsen 
ein  Bein  gebrochen.  Der  Bruch  ist  schief  geheilt.  Um  das  Bein  gebrauchen  zu 
können,  hat  er  sich  das  Stelzbein  Fig.  4  erfunden.  Die  obere  Pfanne  stützt  den 
Oberschenkel,  an  den  sie  angeschnallt  wird;  der  Unterschenkel  legt  sich  mit  seiner 
Aossenseite  gegen  die  Stelze,  die  Fussspitze  greift  hinter  die  Stelze.  So  kann  der 
Mann  ohne  grosse  Beschwerden  marschiren. 

Auch  ein  Brustlatz  für  eine  Braut  wurde  vorgelegt,  der  mit  Ringen  benäht 
ist,  von  denen  der  Fran  bei  der  Geburt  eines  Kindes  in  der  Ehe  stets  einer  ab- 
gerissen wird.  — 

(14)   Hr.  Ed.  Krause  übergiebt  einen  Bericht  über 

Sagen,  welche  an  vorgeschichtliche  Gräber  anknüpfen, 

und  über  anderen  Aberglauben. 

Während  meiner  Ausgrabungen  auf  dem  Hügelgräber-Felde  bei  Seddin  (vorgl. 
^Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde^  1896,  S.  82)  unterhielten  sich  meine 
Arbeiter  angelegentlich  über  mancherlei  Abeiglauben,  der  sich  an  die  Gegend 
knüpft.  Vor  Allem  spukte  da  wieder  die  goldene  Wiege,  welche  in  einem  der 
Hügel  liegen  soll;  sie  wussten  leider  nicht  in  welchem,  sonst  hätten  wir  sie  sicher 
herausgeholt. 

Eine  andere  Sage  knüpft  sich  an  drei  sehr  grosse  Hügelgräber,  welche  in  einer 
geraden  Linie  von  etwa  3  km  Länge  liegen.  Sie  sind  jetzt  alle  drei  angegraben, 
der  eine  ganz  abgetragen.  Der  südlichste,  grösste  von  ihnen  war  bei  meinem 
Besuche  noch  8,5  m  hoch  und  hatte  die  Gestalt  eines  grossen  Kraters,  in  Folge 
von  Nachgrabungen.  Er  heisst,  nach  einem  Vorbesitzer,  der  Garlinsche  Berg, 
häufiger  aber  noch  der  Hinzer-Berg,  weil  nach  der  Sage  in  ihm  der  Riesenkönig 
Heinz  oder  Hinze  begraben  sein  soll.  Dieser  ruht  der  Sage  nach  in  einem  goldenen 
Sarge,  dieser  in  einem  silbernen,  der  wiederum  in  einem  kupfernen  Sarge  steht 
Der  König  soll  ein  goldenes  Schwert  und  andere  Kleinodien  bei  sich  haben. 

Das  nächstgelegene  grosse  Hügelgrab  in  dieser  Reihe  sollte  nach  der  Sage 
den  goldenen  Fingerring  des  Riesenkönigs  Hinze  bergen.  Als  vor  etwa  30  Jahren 
Steine  daraus  zum  Wege-  und  Hausbau  abgefahren  wurden,  so  dass  etwa  die 
Hälfte  von  ihm  abgetragen  wurde,  fand  man  in  der  Mitte  einen  goldenen  Armring, 
über  dessen  Verbleib  ich  nichts  ermitteln  konnte.  Da  hatte  man  den  Fingerring 
des  Riesenkönigs.  Um  so  mehr  glaubte  man  nun  an  den  Schatz  im  Hinzer-Berge 
and  daran,  dass  in  dem  dritten  Hügel  Heinzens  „Geldschrank^  ruhe.  Dieser  Hügel 
wurde  gänzlich  abgetragen,  um  die  Steine  zu  verwerthen,  denn  alle  diese  Hügel 
sind  aus  Steinen  aufgeführt  und  bergen  im  Innern  eine  oder  mehrere  Steinkisten. 
Aber  hier  wurden  weder  Hinzens  Geldschrank,  noch  sonst  Alterthümer  gefunden. 

Doch  der  Fund  des  goldenen  Ringes  Hess  den  Besitzer  des  Hinzer-Berges 
nicht  ruhen.  Es  ging  ihm  schlecht,  da  er  mehr  im  Kruge,  als  auf  seinem  Felde 
und  Hofe  war.    Hinzens  Goldsarg  sollte  ihn  herausreissen.   Also  an's  Werk.    Wochen 


(118) 

am  Wochen  brachen  er  und  sein  Knecht  mit  der  Radehacke  die  Steine  und  achafften 
sie  den  Berg  hinanter,  so  dass  der  spätere  Besitzer  viele  Hundert  Fahren  Steine 
zam  Bahn-  und  Ohanss^e-Ban  verkaufen  konnte  und  ein  Krater  von  12^15  m 
oberem  Durchmesser  in  den  Hfigei  gegraben  wurde;  aber  der  Ooldsarg  kam  nicht. 
Nur  ein  Bronze-Schwert  und  einige  andere  Bronzen  wurden  gefunden.  Diese  aber 
sind  mit  dem  Bauer  verschollen,  den  die  Schulden  von  Haus  und  Hof  trieben. 
Erst  sein  Nachfolger  fand  das  Gold  in  den  Steinen,  indem  er  sie  verkaufte. 

Der  Kiesenkönig  soll  auch  in  einem  der  Hügel  in  Kehrberg,  Kreis  Ost- 
Priegnitz*))  stecken,  ebenfalls  in  goldenem  Sarge  ruhend.  Aber  in  allen  den  HOgeln, 
die  ich  dort  aufgrub,  fand  ich  ihn  nicht;  ebenso  wenig  fand  ich  ihn  in  den  Hügeln 
auf  dem  benachbarten  Krams,  wo  er  übrigens  zum  „Wiesenkönig*^  geworden  ist 
und  in  einem  mit  Gold  angefüllten  Sarge  liegt 

Bine  andere,  sehr  poetische  Sage  knüpft  sich  an  das  der  römischen  Kaiser- 
zeit angehörende  Umengräber-Feld  auf  dem  schwarzen  Bei^e,  1  km  südlich  von 
Rebenstorf,  Kreis  Lüchow,  Provinz  Hannover,  im  hannoverschen  Wendlande, 
dem  Fundort  der  schönen  Fenster-Urne  des  Museums  in  Salzwedel.  Das  Gräber- 
feld liegt  am  sanften  Süd-Abhange  eines  grösseren  Erdrückens,  des  sogenannten 
schwarzen  Berges.  In  Hebenstorf  leben  mehrere  Leute,  die  in  ihrer  Jugend  den 
dortigen  ^Spuk^  gesehen  haben.  Erst  vor  Kurzem  noch,  ehe  ich  dort  Urnen  aus- 
grub, hatten  ihn  mehrere  Kinder,  grössere  Mädchen,  an  verschiedenen  Tagen 
gesehen,  doch  meist  wenn  sie  einzeln,  seltener  wenn  ihrer  mehrere  beisammen 
waren.  An  heissen,  sonnigen  Sommertagen  tritt  dieser  „Spuk*^  auf,  ist  also  nicht 
so  gruselig,  wie  sonst  der  meist  nächtlicher  Weile  erscheinende  Spuk  es  zu  sein 
pflegt.  Zwerge,  Männlein  und  Weiblein,  „die  Ungererdschken**,  trocknen  dann  am 
schwarzen  Berge  ihre  weiss  gewaschene  Wäsche.  Sie  unterhalten  sich  dabei  ganz 
munter  und  treiben  mit  lustigem  Lachen  allerhand  Scherz  bei  ihrer  Arbeit,  nicken 
und  lachen  auch  den  Kindern  und  sonstigen  Anwesenden  freundlich  zu.  Wenn 
diese  aber  näher  zu  ihnen  herangehen  oder  ihnen  laut  zurufen,  oder  nach  ihnen 
schlagen  oder  werfen,  sind  sie  wie  mit  einem  Schlage  im  Erdboden  verschwunden. 
Man  mag  dann  aber  sehen,  dass  man  heil  davonkommt. 

Bei  Bösel,  Kreis  Lüchow,  befindet  sich  ein  Umengräber-Feld  auf  dem  sogen. 
Schlossberge.  Da  ist  schon  oft  das  Schlossfräulein  Abends  von  Hütejungen  und 
Wanderern  gesehen  worden.  Es  thut  aber  Niemandem  was  zu  Leide,  sondern 
wandelt  still  seines  Weges.  Auch  geht  dort  ein  schwarzer  Hund  um.  Auf  dem 
am  Schlossberge  vorüberführenden  Fahrwege  ist  es  nicht  richtig,  da  bleiben  oft 
die  Pferde  vor  dem  Wagen  wie  angewurzelt  stehen,  gerade  da,  wo  sich  der  Weg 
in  das  Thal  zu  senken  beginnt,  und  sind  nicht  vom  Fleck  zu  bringen,  weder  mit 
Gewalt,  noch  mit  Güte. 

Dasselbe  geschieht  oft  auf  dem,  an  dem  La-Tfene-Umengräber-Felde  bei  Qross- 
Chüden,  Kr.  Salzwedel,  vorüberführenden  Fahrwege  von  Jeebel  nach  Gross-ChOden. 
Vor  wenigen  Jahren  erlebte  das  ein  mit  seiner  Tochter  heimfahrender,  noch  jetzt 
lebender  Bauer.  Nichts  vermochte  die  Pferde  zum  Weitergehen  zu  bewegen.  Endlich 
pinkte  sich  der  Bauer  ein  Stück  Schwamm  für  die  Pfeife  an,  dass  die  Funken  nur  so 
stoben,  und  plötzlich  rasten  die  Pferde  wie  toll  davon.  Auf  demselben  Gräberfelde 
geht  auch  ein  grosser,  schwarzer  Hund  um,  wie  es  gar  keinen  in  der  ganzen  Gegend 
giebt.  Hütejungen  haben  ihn  oft  gesehen.  Er  erscheint  Abends,  wenn  es  schummerig 
wird.  Der  Schulze  Reckling  hat  ihn  als  etwa  12jähriger  Junge  selbst  gesehen. 
Er  treibt  sein  Wesen  hauptsächlich  ungeföhr  in  der  Mitte  des  Gräberfeldes,  da,  wo 


1)  S.  VerhandL  1891,  8.  262. 


(119) 

früher  ein  grosser  Grabhügel  stand.  In  diesem  Hügel  liegt  eine  goldene  Wiege. 
Der  Yorbesitzer  des  Planes,  der  jetzt  dem  Schulzen  Reckling  gehört,  Bauer 
Bäcker  inJeebel,  hat  den  Hügel  aufgedeckt,  um  die  goldene  Wiege  zu  h^ben, 
fand  aber  nichts,  als  grosse  Steine  und  dazwischen  zerdrückte  Töpfe.  Als  das  für 
die  Arbeiter  mitgenommene  Fass  Bier  leer  war,  stellten  diese  die  Arbeit  ein  und 
waren  nicht  zum  Weiterarbeiten  zu  bringen;  denn  es  wurde  Abend,  und  da  geht 
der  schwarze  Hund  um. 

Auch  andere  Thiere  sind  dort  gesehen  worden. 

In  dem  oben  erwähnten  Rebenstorf  herrscht  ein  eigenthümlicher  Weihnachts- 
brauch. Am  Weihnachts-Heiligabend  muss  alle  bewegliche  Habe  jedes  Gehöftes 
unter  Dach  sein,  Wagen,  Pflüge  und  sonstige  Ackergeräthe,  überhaupt  alles  zum 
Hofe  Gehörende.  Ist  etwas  davon  yerborgt,  so  wird  es  sicher  am  Weihnachts- 
Heiligabend  zurückgefordert,  wenn  yieileicht  auch  nur  auf  einen  Tag. 

In  der  Walpurgis-Nacht,  „der  Mainacht^,  gingen  (?)  die  Frauen  gegen  Morgen 
aufs  Feld  und  mähten  vor  Sonnen-Aufgang  etwas  Saat  Yon  den  Nachbars-Feldem, 
damit  ihr  Vieh  besser  gedeihen  solle,  das  des  Nachbars  aber  nicht.  Auch  wird 
Ton  ihnen  die  Flachs-Saat  vor  Walpurgis  bekreuzigt,  nachher  nicht  mehr. 

Wird  in  Kebenstorf  ein  Füllen  geboren,  so  hängt  man  die  Nachgeburt  an 
einen  Baum,  die  eines  jungen  Hengstes  an  einen  Birnen-,  die  einer  Stute  an  einen 
Apfelbaum. 

In  Salzwedel  werden  die  Bäume  zu  Weihnachten  „beschenkt*^,  indem  man 
ihnen  ein  Strohband  um  den  Stamm  bindet,  damit  sie  besser  tragen  sollen.  — 

(15)   Hr.  Ed.  Krause  berichtet  femer  über 

eine  Drachen-Sage  von  Seddin,  in  der  West-Priegnitz. 

In  dem  bereits  vorher  angezogenen  Seddin  ist  der  Drache  noch  in  voller 
Thätigkeit,  wie  ich  durch  die  Unterhaltung  meiner  Arbeiter  unter  einander  erfuhr. 
Mehrere  meiner  Leute  hatten  ihn  selbst  gesehen.  Wer  ihn  an  sich  zu  fesseln  weiss, 
dem  bringt  er  Glück  und  namentlich  grosse  Reichthümer.  DieWittwe  des  Krtlgers 
hat  ihr  Vermögen  zum  grossen  Theil  durch  den  Drachen.  Er  fliegt  in  Gestalt 
einer  feprigen  Schlange  in  den  Schornstein.  Ob  die  KiHger-Wittwe  schon  früher 
sich  den  Drachen  dienstbar  gemacht,  war  nicht  bekannt,  jedenfalls  hat  sie  aber 
früher  schon  Capitalien  auf  Zinsen  ausgeliehen.  Als  sie  dann  den  Krug  verkaufte, 
blieb  sie  trotzdem  im  Dorfe,  wenn  auch  in  einem  anderen  Hause,  zur  Miethe 
wohnen.  Seitdem  sie  nun  dort  wohnt,  war  der  Drache  mehrfach  von  meinen 
Leuten  bei  ihr  gesehen  worden.  Schon  von  Weitem  sahen  sie  die  feurige  Schlange 
zum  Schornstein  hineinfliegen.  Sie  schlichen  näher  und  sahen  die  Wittwe  bei  der 
Lampe  am  Tische  sitzen  und  lesen  oder  Handarbeiten  machen.  Unter  dem  Tische 
aber  sahen  sie  eine  kleine  weisse  Flamme.  Das  war  der  Drache.  Nach  längerer 
Zeit  stand  die  Frau  auf  und  ging  in's  Schlafzimmer,  gefolgt  von  dem  Drachen, 
der  weissen  Flamme.  Dasselbe  beobachtete  ein  anderer  von  meinen  Leuten,  als 
er  Nachts  um  zwölf  Uhr  noch  einen  Lichtschein  aus  dem  Fenster  der  Frau  be- 
merkte. Diesmal  brannte  die  Lampe  nicht;  der  Drache  sass  als  weisse  Flamme 
auf  dem  Tische,  anscheinend  bei  einem  Haufen  Geld,  und  die  Frau  sass  mit  freund- 
lichem Gesicht  bei  ihm  am  Tisch.  Auch  ein  anderer  Arbeiter,  der  dies  Alles  erst 
jetzt  von  seinen  Dorfgenossen  erfuhr,  hatte  den  Drachen  gesehen.  Da  stand  er 
bei  Sonnen-Untei^gang  am  Abendhimmel  in  Gestalt  einer  ganz  schmalen,  lang- 
gestreckten, blauen,  horizontal  liegenden  Wolke,  aber  mit  einem  richtigen  Kopfe, 
vier  Beinen  und  einem  langen  Schwanz. 


(120) 

Auf  der  Brücke,  die  man  nach  Wolfogarten  zu  passiren  muss,  erscheint  Nachts 
ein  Schimmel  ohne  Kopf;  auch  hat  sich  schon  Abends  dort  den  I<Vauen  etwas  auf 
die  ELiepe  gehockt,  so  dass  sie  sie  kaum  noch  tragen  konnten.  Das  blieb  sitzen, 
bis  sie  entweder  an  das  Dorf  oder  den  Dorfteich,  oder  nach  der  anderen  Bichtnng 
hin  an  den  Kirchhof  kamen.  — 

(16)  Hr.  Ed.  Krause  überreicht  im  Anschluss  an  seine  vorstehenden  Mii- 
theilungen  einige 

Sagen  der  Umgegend  von  Trebichow,  Kreis  Crossen, 

welche  Hr.  Premier-Lieutenant  Hans  y.  Schierstädt  die  Güte  hatte  für  ihn  zu 
'  sammeln. 

Es  war  vor  langer,  langer  Zeit,  —  damals  lebte  noch  der  Ur-Grossvater  des 
Gross  Vaters  des  verstorbenen  alten  Penak  in  Radenickel. 

Zwischen  dem  Teufelssee  und  Meschak  wuchs  noch  kein  Wald.  Dort  lag  Acker, 
der  von  Kadenicklem  schlecht  und  recht  bearbeitet  wurde  und  auf  dem  sie  ihr 
Vieh  weideten.  Bei  den  Viehheerden  fand  sich  stets  in  der  Zeit  zwischen  12  und 
1  Uhr  Nachts  ein  weissgebomer  Schimmel  ein,  der  um  1  Uhr  in  der  Eichtang  des 
Teufelssees  wieder  verschwand. 

Der  alte  Penak  hatte  den  schönen  Schimmel  oft  beobachtet  und  war  schliesslich 
zu  dem  Entschluss  gekommen,  das  Thier  möglichst  für  seine  Zwecke  zu  ver- 
wenden. 

Er  versuchte  den  Schimmel  zu  fangen,  was  ihm  ohne  Mühe  gelang,  spannte 
ihn  vor  die  Egge  und  wurde  mit  Erstaunen  gewahr,  dass  der  Schimmel  ganz  allein 
eggte. 

Von  nun  an  fing  er  täglich  das  gutmüthige  Thier  und  dieses  leistete  in  kurzer 
Zeit  eine  Tagesarbeit,  so  dass  er  vor  1  Uhr.«chon  wieder  aasgespannt  war  und 
in  der  Richtung  des  Teufelssees  verschwinden  konnte. 

Fortan  trug  der  Acker  des  Penak  reichlichere  Frucht,  als  der  seiner  Nach- 
barn, denn  keiner  konnte  so  sauber  bestellen,'  wie  Penak  mit  Hülfe  des  wunder- 
baren Schimmels. 

Lange  Jahre  hatte  der  Bauer  so  seinen  Acker  regelmässig  bearbeitet,  als  ihm 
der  Gedanke  kam,  den  Schimmel  noch  mehr  auszunutzen,  um  viel,  viel  reicher  zu 
werden.  Er  Hess  nun  wieder  einmal  den  Schimmel  seinen  Acker  eggen,  spannte 
ihn  aber  nicht  um  1  Uhr  aus.  Dieses  half  ihm  indess  nichts,  denn  um  Punkt 
1  Uhr  ging  der  Schimmel  mit  der  Egge  durch  und  verschwand  .mit  ihr  im 
Teufelssee. 

Dort  liegen  Schimmel  und  Egge  noch  heute,  und  nur  selten  noch  steigt  ersterer 
heraus  und  eggt  die  Blossen  und  Wiesen  in  der  Nähe  des  Teufelssees  zur  liitter- 
nachtzeit,  oder  erschreckt  als  Schimmel  ohne  Kopf  den  einsamen  Wanderer.  — 

Der  Nachtreiter  am  Teufelssee. 

In  der  Nähe  des  Teufelssees  zwischen  Grochow  und  Meschak  stand  noch  vor 
75  Jahren  ein  Theerofen. 

Die  Kiefern-Stubben  zur  Theer-Gewinnung  wurden  in  ältester  Zeit  auch  des 
Nachts  gerodet.  Dabei  kam  es  dann  öfters  vor,  dass  die  Arbeiter  durch  den  Naeht- 
reiter  erschreckt  und  sogar  geneckt  wurden.  Schliesslich  trieb  der  Nachtreiter  die 
Sache  so  arg,  dass  die  Leute  sich  fürchteten  und  nicht  mehr  arbeiten  wollten. 
Der  alte  Schneider  aus  Radenickel,  der  viele  Dinge  wusste,  beruhigte  die  Leute 
und  versprach  ihnen,   bei  der  nächsten  Gelegenheit  den  Nachtreiter  zu  entfernen. 


(121) 

Denn  wenn  man  vom  Nachtretter  etwas  verlangt,  was  er  nicht  ausfuhren  kann, 
käme  er  nicht  wieder. 

Als  nnn  gelegentlich  des  Stubben-Eodens  der  Kachtreiter  die  Arbeiter  wieder 
belästigte,  rief  ihm  der  alte  Schneider  zn:  ^ärgern  könne  sie  Jeder,  das  sei  keine 
Kunst,  er  solle  ihnen  lieber  etwas  zu  essen  bringen.''  Der  Nachtreiter  verschwand 
und  kam  nach  einiger  Zeit  mit  einer  Pferdekeule  wieder,  die  er  den  Leuten  hin- 
warf, und  wollte  nun  den  alten  Schneider  sogar  anfassen.  Der  aber  sagte  ihm: 
„die  Pferdekeule  könne  doch  so  kein  Mensch  essen,  er  müsse  auch  Salz  dazu 
bringen,  damit  sie  sie  kochen  könnten.''  Salz  aber  konnte  der  Nacbtreiter  nicht 
bringen,  er  verschwand  und  kam  nicht  wieder. 

Südlich  von  Radenickel  liegt  auf  dem  Äcker  ein  Berg  (Hügel),  der  Sprukels- 
berg  genannt,  auf  diesem  reitet  nach  Mittemacht  der  Nachtreiter  auf  einem  Pferde 
(Schimmel?)  ohne  Kopf.    Man  muss  nicht  hingehen,  wenn  man  es  hört.  — 

In  Balkow  gehen  noch  heute  die  Leute,  wenn  ihr  Vieh  krank  ist,  zur  Hexe 
und  beschimpfen  diese,  dadurch  wird  das  Vieh  gesund.  Ob  bestimmte  Worte 
bei  der  Beschimpfung  gebraucht  werden  und  wie  die  Hexe  entdeckt  wird,  konnte 
ich  noch  nicht  ermitteln. 

Zur  Advents-  und  Passionszeit  müssen  die  Balkowerinnen  blaue  Röcke  tragen; 
sonst  gehen  sie  „bunt"  (Scharlach rock),  auch  schwarz.  Die  alten  Leute  wissen, 
dass  früher  zu  bestimmten  Festen  auch  immer  bestimmte  Farben  getragen  wurden. 
Von  dieser  Sitte  ist  aber  jetzt  nur  noch  für  die  oben  angegebene  Zeit  der  blaue 
Rock  übrig  geblieben  (die  Tracht  ist  kostspielig).  Leider  wird  den  Rindern  in 
der  Schule  von  den  Lehrern  nicht  erlaubt,  die  zur  Tracht  gehörige  Haube  zu 
tragen,  sie  tragen  sie  dann  später  auch  nicht  — 

Ferner  theilt  mir  Br.  v.  Schierstädt  über  den  Glauben  an  den  Drachen 
noch  Folgendes  mit: 

In  Balkow  giebt  es  noch  Leute  (früher  auch  in  Ziebingen,  Anrith,  Matschdorf 
und  Grimnitz),  denen  aus  uralter  Zeit  die  Wissenschaft  überkommen  ist,  mit  Hülfe 
des  Drachens  (Teufels)  zu  Wohlstand  zu  gelangen. 

Der  Drache  erscheint  dort  manchmal  in  Gestalt  eines  schwarzen  Huhnes. 
Deshalb  werden  von  denen,  die  sich  nach  herrschender  Ansicht  fromm  dünken, 
zugelaufene  schwarze  Küken  oder  Hühnchen  gewissenhaft  wieder  entfernt  oder 
auch  heimlich  zu  einem  Nachbar  getragen,  dem  man  wohl  Wohlstand,  aber  auch 
den  Drachen  gönnt,  und  bei  diesem  ausgesetzt;  nur  selber  darf  sich  der  Fromme 
mit  dem  Drachen  nicht  einlassen. 

Erzwingen  lässt  sich  die  Hülfe  und  Ankunft  des  Drachens  nicht;  seine  Er- 
werbung ist  aber  mit  Hülfe  von  Hexen,  die  es  dort  noch  giebt,  nicht  ausgeschlossen. 

Kommt  nun  ein  Bewohner  Balkows  in  die  glückliche  oder  unglückliche  Lage, 
dass  ihm  ein  schwarzes  Küken  zuläuft,  so  hat  er  dieses  in  einer  geräumigen  Tonne 
auf  dem  Boden  zu  verwahren,  regelmässig  mit  Wasser  und  Futter  zu  versehen 
und  übrigens  sehr  gut  zu  behandeln.  Dann  verlässt  der  Drache  nächtlicher  Weile 
durch  den  Schornstein  das  Haus  und  trägt,  auf  demselben  Wege  zurückkommend, 
seinem  Ernährer  Dinge  zu,  die  seinen  Wohlstand  fördern.  Wohl  jeder  Orts- 
Einwohner  hat  schon  gesehen,  wie  der  Drache  (Feuerkugel,  die  in  scheinbarer 
Richtung  eines  Hauses  niedergeht  —  auch  sehr  hell  leuchtende  Sternschnuppen 
werden  dafür  gehalten  — )  zurückkehrt,  oft  als  Zeichen  seiner  über-  oder  richtiger 
unterirdischen  Herkunft  einen  Rauchstreifen  in  der  Luft  zurücklassend. 

In  Folge  dieser  anstrengenden  Thätigkeit  kann  es  nicht  ausbleiben,  dass  sich 
das  Aussehen  des  Drachens  mehr  oder  weniger  verändert,  und  ebenso  am  Tage  das 


(122) 

schwarze  Huhn  in  der  Tonne  mehr  nnd  mehr  ^knbrig^  (bestossen?  struppig?)  aus- 
sieht Solch'  kubriges  Aussehen  rerleitete  nun  vor  längerer  Zeit  die  Magd  einet 
wohlhabenden  Bauern,  die  das  Buhn  aus  der  Tonne  nehmen  und  füttem  sollte, 
es  mit  dem  Fusse  zu  stossen,  was  für  die  Wirthschaft  und  die  Magd  die  nach- 
theiligsten Folgen  hatte.  Die  Wirthschaft  ging  mehr  und  mehr  zurück,  da  der 
Drache  seine  Thätigkeit  einstellte,  und  die  Magd  bekam  ein  unheilbares  Uebel  am 
Bein.  In  ihrer  Noth  gestand  sie  der  Bäuerin  ihre  That  und  wurde  sofort  aus  dem 
Dienste  entlassen,  worauf  das  Glück  wieder  in  der  Wirthschaft  einkehrte. 

Auch  in  Trebichow  glauben  die  Leute  an  die  schwarze  „Hünne^  als  Drachen. 

Anstatt  des  Ausdrucks  ^  Drache^  bedienen  sich  die  Leute  auch  der  Bezeichnung 
„Meister  Hans^. 

Die  Leute  halten  ihren  Glauben  an  Drachen  u.  s.  w.  vor  den  Geistlichen 
äusserst  geheim,  so  dass  diese  meist  nichts  davon  wissen.  — 

(17)  Hr.  H.  Schumann  übersendet  aus  Löcknitz,  1.  März,  einen  Bericht 
ttber  einen 

Bronze -Depotfund  Ton  Clempenow  in  Pommern. 

Derselbe  ist  in  den  „Nachrichten  über  deutsche  Alterthnmsfunde^  1897,  8.  7, 
gedruckt.  — 

(18)  Hr.  Rud.  Virchow  berichtet  im  Verfolg  der  früheren  Mittheilungen 
(S.  34)  über  den  Stand  der  Verhandlungen  betreffend  die 

Durchschneidung  des  Schlossberges  Ton  Barg  im  Spreewalde. 

Nachdem  ich  mir  durch  wiederholte  Besprechungen  mit  dem  Bau-Unternehmer 
der  projectirten  Localbahn,  Hrn.  Becker,  eine  genauere  Einsicht  in  die  Pläne  ver- 
schafft nnd  die  verschiedenen  möglichen  Linien  geprüft  hatte,  legte  ich  zunächst 
das  Ergebniss  dem  Vorstande  und  Ausschuss  unserer  Gesellschaft  vor.  Da  das 
Local-Gomite  und  der  Bau-Üntemehmer  zu  einem  Verzicht  auf  die  Benutzung 
des  Schlossberges  für  die  Bahnlinie  und  der  dadurch  gewonnenen  Erde  für  die 
an  sich  schwierige  Herstellung  des  ßahnplanums  nicht  zu  bestimmen  waren,  so 
schien  mir  die  Hauptaufgabe  bei  den  weiteren  Verhandlungen  darin  zu  liegen, 
wenigstens  die  äussere  Gestalt  des  Berges  in  seinen  grossen  Formen  zu  erhalten 
und  eine  Abtragung  der  peripherischen  Theile  desselben  soviel  als  möglich  zu  ver- 
hindern. Dieses  erschien  erreichbar,  wenn  die  Bahnlinie  mitten  durch  den  Schloss- 
berg gelegt  würde,  der  gerade  in  seiner  Mitte  am  wenigsten  hoch  und  durch  lange 
Beackerung  sehr  beschädigt  ist,  und  wenn  von  der  Anlage  von  Bahngebäuden  inner- 
halb des  Schlossberges  gänzlich  Abstand  genommen  würde.  Der  Vorstand  und 
Ausschuss  erklärten  sich  damit  einverstanden. 

Inzwischen  erhielt  ich  eine  Einladung  des  Locnl-Comites  zu  der  Grundstein- 
Legung  für  den  bei  Straupitz  zu  erbauenden  Bahnhof  auf  den  15.  März.  Ich 
begab  mich  dahin  und  fand  ausser  dem  Bau- Unternehmer  und  den  Vertretern  der 
Nachbar-Gemeinden  den  Kreis-Landrath,  Hrn.  Grafen  v.  Schulenburg,  und  den 
durch  eigene  Forschungen  über  die  Bedeutung  des  Gegenstandes  wohl  unter- 
richteten Grafen  Houwald,  den  Besitzer  der  nächstgrossen  Strecke.  Allerseits 
legte  man  Einspruch  dagegen  ein,  dass  der  Berg  ganz  geschont  werde,  und  ich 
musste  anerkennen,  dass  gute  Gründe  dafür  beigebracht  werden  konnten.  Dagegen 
erklärte  man  sich  bereit,  auf  den  vorher  erwähnten  Plan  einzugehen,  auch  alle 
Fundstücke  sorgfältig  sammeln  zu  lassen  und  an  die  Verwaltung  des  prähistorischen 


(123) 

Hmeiuns  abzuliefern  und  eine  Beanfsichtigong  durch  zu  bezeichnende  Sach» 
verständige  zuzulassen. 

Es  schien  mir  jedoch  nothwendig,  weitere  Fürsorge  für  die  Erhaltung  der  zu 
schonenden  Abschnitte  des  Berges  zu  treffen.  Der  Gedanke,  den  ganzen  Berg  für 
den  öffentlichen  Zweck  anzukaufen  und  dadurch  auch  die  Besitzer  und  andere  Per- 
sonen an  der  weiteren  Zerstörung  der  ehrwürdigen  Anlage  zu  hindern,  war  schon 
früher,  wenngleich  mehr  gelegentlich,  in  grösseren  Kreisen  besprochen  worden, 
und  es  durfte  angenommen  werden,  dass  auch  die  Provinzial- Behörden  und  die  Ge- 
meinden sich  daran  betheiligen  würden,  falls  die  Staatsregierung  die  Sache  in  die 
Hand  nähme.  Das  Local-Comite  erklärte  sich  bereit,  seine  Mitwirkung  zu  einem 
solchen  Zweck,  namentlich  zu  Verhandlungen  .mit  den  Besitzern,  zur  Verfügung 
zu  stellen. 

Indem  ich  Seiner  Excellenz  dem  Herrn  Unterrichts-Minister  Bericht  erstattete 
über  den  Gang  dieser  Verhandlungen,  erlaubte  ich  mir  zu  b^^intragen,  der  Herr 
Minister  wolle 

1.  die  Genehmigung  zu  der  Ausführung  der  projectirten  Linie  und  zu  der 
Benutzung  des  dabei  gewonnenen  Materials  an  Bodenbestandtheilen  er- 
theilen,  bezw.  vermitteln, 

2.  die  Erwerbung  der  weiteren  Theile  des  Berges  aus  öffentlichen  Mitteln 
recht  bald  in  die  Wege  leiten. 

Zugleich  bezeichnete  ich  zwei  Männer  aus  der  Nachbarschaft,  welche  für  die 
Beaufsichtigung  der  demnächst  vorzunehmenden  Grabungen  geeignet  seien,  und 
bemerkte:  für  den  Fall,  dass  wichtigere  Funde  gemacht  oder  unerwartete  Verhält- 
nisse aufgedeckt  werden  sollten,  würden  sowohl  das  Museum  für  Völkerkunde,  als 
auch  die  Anthropologische  Gesellschaft  stets  in  der  Lage  sein,  aus  ihrem  Personal 
geschulte  Kräfte  zu  stellen. 

Es  ist  dabei  zu  erwähnen,  dass  nach  den  bisherigen  Ermittelungen  der  Boden 
des  Berges  aus  einer  natürlichen,  überwiegend  sandigen  Erhöhung  besteht,  über 
welche  nur  dünne  Gulturschichten  gelagert  sind.  Letztere  sind  gerade  in  den 
mittleren  Theilen  so  viel  durchwühlt,  dass  darin  bedeutende  Funde  kaum  zu  er- 
warten sein  dürften.  Indess  sind  doch  in  früherer  Zeit  einzelne  wichtigere  Stücke 
zu  Tage  gekommen,  so  dass  eine  beständige  Aufmerksamkeit  geboten  ist. 

Immerhin  darf  die  jetzige  Vereinbarung  als  das  höchste  Maass  des  nach  Lage 
der  Gesetzgebung  und  nach  den  Bedürfnissen  des  praktischen  Lebens  Erreichbaren 
mit  einer  gewissen  Befriedigung  aufgenommen  werden.  — 

(19)  Hr.  Hermann  Busse  zeigt 

märkische  Alterthümer  aus  den  Kreisen  Nieder-  und  Ober-Barnim, 

Beeskow-Storkow,  Ost-HaTelland. 

Wird  in  den  „Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde'^  gedruckt  werden.  — 

(20)  Hr.  Otto  Helm  in  Danzig  übersendet  nachstehenden  Bericht  über  die 

chemische  Untersuchung  Torgeschichtlicher  Bronzen. 

In  dem  städtischen  Museum  zu  Elbing  in  Westpreussen  befindet  sich  eine 
reichhaltige  Sammlung  vorgeschichtlicher  Gegenstände,  welche  ausschliesslich  aus 
dem  Kreise  Elbing  stammen.  Namentlich  ist  die  Bronzezeit  unter  den  Funden 
dieser  Sammlung  gut  vertreten.  Die  meisten  Bronzefunde  wurden  in  Steinkisten- 
Gräbern  gemacht,   nur   wenige  waren  Einzelfunde.     Dann  befinden   sich  in  dem 


(124) 

Hnseum  noch  zahlreiche  Fände  ans  der  neolithischeo  and  aas  der  römischen  Epoche. 
Von  letzteren  sind  die  be  merkenswert  he  sten  die  auf  einem  reichhaltigen  Orttber- 
felde  des  Silberberg^  bei  Lenzen  gefundenen  Beigaben,  dantnter  die  in  mehreren 
Exemplaren  Tertretene  Armbmst-Sprosaenßbel  (Esten- Fi  bei)-  Hr.  Prof-  Rob.  Dorr, 
der  Vorsitzende  der  Elbinger  Alterthnms-Oesellschaft,  war  bo  freundlich,  mir  ans 
der  bezeichneten  Sammlung  einige  Bronzen  znr  Verfügung  zn  stellen,  am  dieselben 
einer  cheroischen  Analyse  zn  nnterwerren.  Ich  wählte  von  ihnen  sechs  aas,  deren 
Zosammenaetznng  ich  nachstehend  mittheile,  um  ein  Urtheil  Über  das  Alter  and 
die  Zagehorigkeit  jedes  einzelnen  Untersachnngs-Objectea  zu  gewinnen,  fUge  ich 
ich  den  Analysen  noch  einige  von  Hrn.  Dorr  angefertigte  Abbildungen  bei. 

1.  Hohlcelt  mit  Oehr  (Fig.  I),  gefunden  im  Vogelsanger  Walde  bei  Elbing 
(s.  Lissauer,  Prähistorische  Denkmäler  der  Provinz  Wesipreassen,  1887,  8.  83 
und  Dorr,  Programm  des  Elbinger  Beat-Qymnasiams  1893,  8.  15  anter  2).  Der 
Celt  ist  aussen  mil  einer  grünen  Patina  bezogen,  innen  von  rotbgelber  Farbe. 


Fig.  8.    ',', 


In  lOOTheilen  sind  enthalten: 

Kupfer 91,12  Theile 

Zinn 0,78       „ 

Blei 1,63      , 

Silber 0,45       , 

Eisen 0,49       „ 

Antimon 4,48       ^ 

Arsen 0,32       „ 

Nickel 0,61       „ 

Schwefel 0,12      „ 


(125) 

Wie  ans  der  Torstehendcn  Analyse  ersichtlich  ist,  zeichnet  sich  der  Hohicelt 
dnrch  einen  Gehalt  tod  mehr  ala  4  pCt.  Antimon  aus,  dagegen  ist  in  ihm  nur  eine 
geringe  Menge  von  Zinn  enthalten.  Die  Bronze  ähnelt  in  dieser  Beziehang  einigen 
To^eschichtlichen  Bronzen  des  Weatpreus siechen  Frorinzial-MaseuraB. 

2.  Schaftcelt  (Fig.  2),  gefunden  höchst  wahrscheinlich  in  Gronanhöhe  hei  Elbing 
(s.  LiBsaner,  wie  oben,  S.  93  und  Dorr,  wie  oben,  S.  16  unter  Nr.  4),  aussen  mit 
geiblich-grttner  Patina  bezogen,  innen  hellkupferroth. 

In  lOOTheilen  des  Celts  sind  enthalten: 

Kupfer 90,99.Theile 

Zinn 3,34      „ 

Blei 2,02      „ 

Eisen 0,98      „ 

Antimon 1,53       „ 

Nickel 0,a5      „ 

Schwefel 0,89      , 

Kobalt Sporen 

AulTiillig  ist  in  der  Zusammensetzung  des  Celtes  der  nicht  unbedeutende  Gehalt 
von  Nickel  und  Antimon. 

3.  Lanzenspitze  (Fig.  3),  gefunden  zu  DrewshofT  bei  Elbing,  miter  einem 
Steine  im  Walde  (s.  Lissauer,  wie  oben,  S.  83  und  Dorr,  wie  oben,  S.  15  unter 
Nr.  l).    Sie  ist  aussen  mit  einer  glänzenden  grünen  Patina  bezogen,  innen  rotbgelb. 

In  100  Theilen  sind  enthalten: 

Kupfer 80,59  Theile 

Zinn 13,38       „ 

Blei 2,2G      , 

Silber 0,15      „ 

Eisen 0,21       „ 

Antimon 2,79       „ 

Nickel 0,41       „ 

Schwefel 0,21      „ 

In  der  untersuchten  Lanzenspitze  sind  Antimon  und  Blei  in  beraerkenswerther 
ilenge  enthalten. 

4.  Spirale  (Fig.  4),  in  Grunauhöhe  bei  Elbing  gefunden,  nach  Lissauer  und 
Dorr  der  Hallstädter  Epoche  angehörend  (s.  Dorr,  wie  vorhin,  S.  18,  unter  Nr.  2). 
Die  Spirale  ist  aussen  dunkelgrUngrau  bezogen,  innen  gelbroth. 

In  100  Theilen  sind  enthalten: 

Kupfer 92,62  Theile 

Zinn 3,46      „ 

Blei 1,59      „ 

Silber 0,15       „ 

Eisen 0,35      „ 

Antimon 0,83       „ 

Nickel Ü,65      „ 

Schwefel Ü,35       „ 

Arsen Spuren 

5.  Schleifen  ringe,  aus  Urnon  entnommen,  welche  sich  auf  dem  I 
Felde,  südlich  vom  Elbinger  Bahnhofe  befanden.  Die  Urnen  standen 
kisten-Gräbem  (s.  Dorr,  wie  vorbin,  S.  19,  unter  Nr.  5).    Die  Ringe  sii 


1 


(126) 

mit  einer  graugrünen  Patina  bezogen,  innen  besitzen  sie  eine  rotbgeibe  Farbe. 
Ausser  ihnen  wurden  in  den  Urnen  noch  viele  andere  Gegenstände,  welche  ans 
Bronze  gefertigt  waren,  gefunden;  darunter  als  bemerkenswerthester  das  viereckige 
Schlussstück  eines  Ring-Halskragens,  ein  offener  Halsring  aus  dickem  Bronze- 
draht, an  dem  sich,  durch  Eisenrost  damit  verbunden,  Fragmente  eines  ursprünglich 
wahrscheinlich  ebenso  grossen  eisernen  Ringes  befanden.  Dorr  setzt  das  Alter 
dieser  Gräber  etwa  300—300  vor  Chr.    In  100  Theilen  des  Metalles  sind  enthalten: 

Kupfer 84,26  Theile 

Zinn 15,03      „ 

Eisen 0,07      ^ 

Nickel 0,35      „ 

Schwefel 0,29      „ 

Antimon Spuren 

6.   Armbrust-Sprossenfibel  (Estenfibel  nach  Dorr),   Fig.  5,   gefunden  in  dem 
ausgedehnten    Gräberfelde   auf  dem   Silberberge    bei   Lenzen   im   Kreise   Elbing. 
Fundort   und   Fund -Gegenstände    wurden   von   Hm.   Dorr   in    der  Sitzung    der 
Anthropologischen  Gesellschaft  zu  Danzig  am  11.  December  1895  ausführlich  be- 
schrieben.   Die  Gräber  stellen  Brandschichten  und  Brand- 
Fig*  6*    Vi  gruben  dar,    welche  etwa  55  cm  unter   der  Erdoberfläche 

liegen  und  von  kreisförmig  oder  elliptisch  gestaltetem  Pflaster 
aus  Kopfsteinen  bedeckt  sind.  Die  Brandschichten  ent- 
halten gebrannte  menschliche  Knochen  mit  spärlichen  Bei- 
gaben aus  Bronze,  Eisen  und  Thon.  Unter  den  Bronze- 
Beigaben  zeichnen  sich  vor  Allem  sieben  Armbrust-Sprossen- 
fibeln aus,  von  welchen  ich  die  Bruchstücke  einer  zer- 
brochenen chemisch  analysirte.  Ausser  diesen  Fibeln  fanden 
sich  dann  noch  bronzene  und  eiserne  Riemenzungen  vor, 
bronzene,  nach  den  Enden  zu  verdickte  Armringe,  Messer,  Thongefasse  ohne  Inhalt 
u.  A.  Dorr  setzt  das  Alter  dieser  Brandgräber  in  die  Zeit  von  450 — 550  nach  Chr. 
und  ist  der  Ansicht,  dass  das  Volk,  welche  sie  einst  anlegte,  die  Esten  waren,  die 
Torfahren  der  Pruzzen. 

Da  die  aufgefundenen  Armbrust-Sprossenflbeln  nur  in  Alt-Preussen,  östlich  von 
der  Weichsel  bis  nach  Ostpreussen  hin  vorkommen,  so  ist  es  höchst  wahrscheinlich, 
dass  sie  ein  heimisches  Product  der  Metall-Industrie  der  Esten  sind,  aus  welchem 
Grunde  Dorr  vorschlägt,  sie  mit  dem  Namen  „Estenfibeln^  zu  bezeichnen. 
In  100  Theilen  der  Armbrust-Sprossenflbel  sind  enthalten: 

Kupfer 91,20  Theüe 

Zinn 6,11       ^ 

Zink 1,29      „ 

Eisen 0,14      ^ 

Antimon 0,15      ^ 

Nickel 0,95      ^ 

Schwefel 0,16      ^ 

Silber Spuren 

Die  Fibeln  sind  aussen  mit  einer  grünlichen  Patina  bezogen,    innen  rothgelb. 
Die  chemische  Analyse  bestätigt  durch  den  Nachweis  von  Zink,  dass  die  Fibeln 
der  eigentlichen  Bronzezeit  nicht  mehr  angehören.  — 

Die  vorstehenden  chemischen  Untersuchungen  führen  zu  dem  Eigebniss,  dass 
auch  bei  mehreren  im  Kreise  Elbing  gefundenen  vorgeschichtlichen  Bronsen,  ebenao 


(127) 

wie  bei  den  aas  dem  westpreussischen  Mnseam  stammenden,  welche  ich  der 
chemischen  Analyse  unterzog,  Antimon  in  grösserer  Menge  vorkommt.  Namentlich 
enthielt  der  Hohlcelt  in  seiner  Mischung  nahezu  473  pCt.,  die  Lanzenspitze  nahezu 
3  pCt.  Antimon. 

Auch  hinsichtlich  der  anderen,  in  den  Bronzen  enthaltenen  Bestandtheile  ist 
die  Aehnlichkeit  der  Elbingcr  Bronzen  mit  den  vorerwähnten  aus  Westprenssen 
stammenden  unverkennbar.  Alle  stellen  bunte  Gemische  von  Metallen  dar,  in 
welchen  das  Rupfer  den  Hauptbestandtheil  ausmacht,  die  anderen  Metalle  in  ausser- 
ordentlich wechselnder  Menge  vorhanden  sind.  Aehnliche  Resultate  erhielt  ich  bei 
der  chemischen  Analyse  mehrerer  aus  Siebenbürgen  (Ungarn)  stammender  Bronzen. 

Schon  früher  wurde  von  Chemikern  auf  diese  wechselnde  und  bunte  Zu- 
sammensetzung vorgeschichtlicher  Bronzen  aufmerksam  gemacht,  namentlich  von 
V.  Bibra.  Letzterer  schloss  daraus  (v.  Bibra,  „Die  Bronzen  und  Rupferlegierungen 
der  alten  Völker",  18G9,  S.  117),  dass  die  Alten  wenigstens  in  den  ersten  Zeiten 
der  Bronze-Darstellung  wohl  nur  in  wenigen  Fällen  die  regulinischen  Metalle  zu- 
sammenschmolzen, um  ihre  Bronzen  zu  fertigen,  sondern  meist  die  betreffenden 
Erze  benutzten.  Hatte  aber  dann  das  erzeugte  Artefakt  nicht  die  gewünschte 
Eigenschaft,  fehlte  zum  Beispiel  die  Härte,  die  Hämmerbarkeit,  der  Glanz,  so 
setzten  sie  ihrer  nächsten  Schmelzung  mehr  von  demjenigen  Erze  zu,  von  dem 
sie  wussten,  dass  es  das  Fehlende  ersetzen  würde. 

V.  Bibra  hat  leider  keine  vorgeschichtlichen  Bronzen  aus  den  östlich  belegenen 
Theilen  Preussens  untersucht,  ebenso  keine  aus  Ungarn  stammenden;  er  wäre, 
wenn  er  den  Antimongehalt  gekannt  hätte,  durch  welchen  sich  mehrere  dieser 
Bronzen  auszeichnen,  sicher  noch  in  seiner  Ansicht  bestärkt  worden. 

Von  den  alten  Völkern  waren  es  ohne  Zweifel  die  einst  in  Siebenbürgen 
(Ungarn)  ansässigen,  welche  von  dem  Erzreichthum  ihres  Landes  ausgiebigen  Ge- 
brauch zu  machen  verstanden.  Sie  benutzten  ihre  Antimon-,  Arsen-  und  Bleierze, 
um  durch  Zuschlag  derselben  zu  den  Rupfererzen  in  ihren  primitiv  construirten 
Oxydations-  und  Reductions-Oefen  eine  Metallmischung  zu  erzielen,  welche  dem 
reinen  Rupfer  gegenüber  eine  grössere  Härte,  leichtere  Schmelzbarkeit  und  bessere 
Gnssfahigkeit  zeigte.  Zur  Erlangung  dieser  Eigenschaften  genügte  oft  nur  eine 
Beimischung  weniger  Procente  dieser  Metalle.  Das  hierzu  sehr  allgemein  an- 
gewandte Zinn  war  zu  damaliger  Zeit  nicht  immer  zu  errreichen  und  gewiss  sehr 
kostbar;  es  liess  sich  jedoch  durch  das  ihm  in  seiner  Natur  sehr  ähnliche  Antimon 
ersetzen,  welches  in  Siebenbürgen  (Ungarn)  recht  häufig  in  Verbindung  mit  Schwefel 
oder  Sauerstoff  vorkommt.  Oft  enthalten  die  dort  gewonnenen  Rupfererze  schon 
von  Natur  aus  Antimon,  Blei,  Arsen  oder  andere  Erze,  so  unter  anderen  die  dort 
sehr  verbreiteten  sogenannten  Fahlerze  (vgl.  Helm,  Bronze-Untersuchungen,  Zeit- 
schrift für  Ethnologie  Berlin  1895,  S.  13  u.  f).  Die  Verarbeitung  derartiger  natürlich 
vorkommender  Mischerze  war  wahrscheinlich  die  erste  Veranlassung  zur  Ent- 
deckung der  Vorzüge  gewisser  Rupferlegirungen,  speciell  zur  Erfindung  der  Bronze. 

Als  im  Jahre  1888  die  deutsche  Anthropologische  Gesellschaft  in  Danzig  ver- 
sammelt war,  sprach  ich  die  Ansicht  aus,  dass  es  vielleicht  gerade  die  ältesten 
Bronzen  seien,  welche  auf  vorbezeichnete  Weise  hergestellt  wurden,  diejenigen, 
welche  gegen  das  Ende  der  Rupferzeit  angefertigt  wurden,  dass  wahrscheinlich  in 
dieser  Zeit  mit  allen  möglichen  Erzen  und  Zusätzen  zu  Rupfererzen  experimentirt 
wurde,  um  die  leichter  schmelzbare,  härtere  und  goldig  glänzende  Bronze  zu  erhalten. 

Zu  ähnlichen  Resultaten,  wie  ich,  kommt  Hr.  Hampel  in  Budapest,  ein 
competenter  Forscher  auf  vorgeschichtlichem  Gebiete.  Auch  er  weist  auf  eine  An- 
zahl chemischer  Analysen  vorgeschichtlicher  uiigarischer  Bronzen  hin,   welche  er 


(128) 

durch  Hrn.  J.  Loczka,  Custosadjanct  am  Museom  in  Budapest,  anfertigen  Hess 
(J.  Loczka,  Chemische  Analyse  einiger  Gegenstilnde  aus  dem  Bronzezeitalter 
Ungarns).  Darnach  besitzen  diese  Bronzen  eine  gleich  complicirte  Zusammen- 
Setzung,  wie  die  westpreussischen ;  einige  derselben  enthalten  auch  Antimon 
in  nicht  unbedeutender  Menge  (J.  Hampel,  Neuere  Studien  über  die  Rupferzeit, 
1896,  S.  83  u.  f.).  Hampel  erwähnt  u.  a.  ein  in  Ungarn  gefundenes  Bronzeschwert 
(Abbild,  u.  Beschreib,  im  Arch.  Ert.,  1895,  XV,  444—445),  welches  aus  Kupfer 
mit  Antimon-Zusatz  besteht  und  kein  Zinn  enthält.  Aehnliche  Mischungen  vor- 
geschichtlicher Bronzen  aus  Siebenbürgen  analysirte  ich  (Verhandl.  der  Berliner 
Anthropolog.  Gesellschaft,  Sitzung  vom  19.  October  1895,  S.  619  u.  f.  und  vom 
2.  December  1895,  S.  762  u.  f.),  unter  ihnen  einen  Gelt  von  Ispänlaka,  welcher 
ebenfalls  kein  Zinn,  dagegen  Antimon  enthielt.  Auch  unter  den  von  mir  analysirten 
westpreussischen  Torgeschichtlichen  Bronzen  (Zeitschr.  f.  Ethnol,  Organ  der  Berl. 
Anthropol.  Gesellsch.  1895,  S.  1 — 12)  waren  zwei,  in  denen  kein  Zinn,  dagegen 
nicht  unbedeutende  Mengen  von  Antimon  sich  vorfanden. 

Hr.  Hampel  sagt  in  seinen  neueren  Studien  über  die  Kupferzeit  (1896, 
S.  85),  dass,  „wenn  die  gemachten  Bronze-Untersuchungen  sich  noch  weiter  be- 
stätigen, die  Annahme  nicht  mehr  abzuweisen  sei,  dass  (für  Ungarn)  der  Kupfer- 
Zinnmischung  eine  Kupfer-Antimonmischung  vorangegangen,  welche  zugleich  die 
ßronze-Cultur  vorbereitete.  In  Ländern,  wie  Ungarn,  wo  Antimon  bereits  in  den 
Kupfererzen  erscheint,  musste  man  häufig  die  Beobachtung  machen,  dass  dessen 
Anwesenheit  den  Härtegrad  der  Erzmischung  wesentlich  beeinflusst  Der  fernere 
Schritt  von  dieser  Beobachtung  zur  zielbewussten  Anwendung  konnte  dann  nicht 
ausbleiben." 

Die  ausserordentliche  Aehnlichkeit  in  der  chemischen  Zusammensetzung  der 
in  Westpreussen  gefundenen  vorgeschichtlichen  Bronzen  mit  den  in  Siebenbürgen 
(Ungarn)  vorkommenden  veranlasste  mich,  die  Ansicht  auszusprechen,  dass  einst 
zwischen  diesen  beiden  Ländern  eine  Handelsverbindung  stattgefunden  habe.  Als 
Tauschobject  diente  von  der  Ostsee-Küste  aus  ohne  Zweifel  der  vielbegehrte  Bern- 
stein. '  Den  Weg,  welchen  diese  Handelsverbtndung  einst  einschlug,  festzustellen, 
bleibt  der  Forschung  vorbehalten.  Zu  erwägen  ist  bei  dieser  Nachforschung,  dass 
vorgeschichtliche  Bronzen,  welche  sich  durch  einen  höheren  Antimongehalt  aus- 
zeichnen, bisher  nur  in  vereinzelten  Fällen  in  anderen  Ländern  als  den  vor- 
angefUhrten  aufgefunden  wurden,  dass  ferner  eine  grosse  Anzahl  von  Formen  der 
in  Ungarn  gefundenen  Bronze- Artefakte  mit  solchen,  welche  in  Westpreussen  ge- 
funden wurden,  übereinstimmt. 

Der  Weg,  welchen  dieser  Handelsverkehr  einst  genommen  hat,  dürfte  deshalb 
nicht  auf  weiten  Umwegen  zu  suchen  sein;  vielmehr  hat  ihm  wahrscheinlich  der 
noch  heute  allgemein  als  Handelsstrasse  benutzte  Weichselstrom  die  erste  Richtung 
gegeben,  und  weierhin  hat  er  sich  dann  von  Volk  zu  Volk  bis  nach  Dakien  fortgesetzt 

Die  Nothwendigkeit,  noch  mehr  chemische  Analysen  vorgeschichtlicher  Bronzen 
zu  machen,  als  bisher  geschehen,  liegt  nach  dem,  was  ich  hier  ausgeführt  habe, 
nahe.  Namentlich  für  Länder,  in  denen  keine  Metalle  bergmännisch  gewonnen 
werden,  wie  Nord-Deutschland,  Dänemark  und  das  nordwestliche  Russland,  wird 
die  chemische  Analyse  der  dort  gefundenen  Bronzen  stets  von  grossem  Werihe 
seih,  um  über  den  Bezug  und  das  Herkommen  der  Metalle,  aus  denen  sie  ge- 
fertigt wurden,  über  ihre  Fabrication  und  andere  Dinge  treffende  Aufschlüsse  zu 
erhalten.  Hierbei  wird  auf  die  die  Bronzen  begleitenden  Mengen  von  Antimon, 
Blei,  Arsen,  Nickel,  Silber  und  Zink  Werth  zu  legen  sein.  Es  werden  bei  diesen 
Untersuchungen  namentlich   die  älteren  Formen  der  Bronzen   zu  berücksichtigen 


(129) 

«eiD,  deren  Bestandtheile  noch  unvermischt  erhalten  blieben,  während  die  jüngeren 
durch  ümschmelzongen  und  Beimischungen  schon  manche  Veränderungen  erfahren 
haben. 

Die  bis  dahin  bekannt  gewordenen  chemischen  Analysen  sind  nicht  genügend, 
um  nach  dieser  Richtung  hin  sichere  Stützpunkte  zu  gewähren.  Solche  Unter- 
Buchungen,  davon  bin  ich  überzeugt,  werden  von  nicht  zu  unterschätzender  Be- 
deutung sein,  nicht  allein  für  die  Entstehungsgeschichte  der  ersten  Bronzen  und 
die  Kenntniss  der  zu  ihrer  Darstellung  verwendeten  Materialien,  sondern  auch  für 
die  Vorgeschichte  der  Völker  im  Allgemeinen,  deren  Verbreitung  und  Wanderungen, 
Handelsbeziehungen  und  Cultur-Entwickelung.  — 

'  (21)  Hr.  A.  Treichel  in  Hoch-Paleschken,  Westpreussen ,  übersendet  ausser 
mehreren  volkskundlichen  Mittheilungen  folgenden  historischen  Nachtrag  zu 
seinen  AusAlhrungen  (8.  58  flg.)  über 

Hehlkeiif  Kreis  Carthans. 

Es  fehlte  mir  in  meiner  Arbeit  über  den  Burgwall  bei  Mehlken  bezüglich 
der  FVage,  ob  eine  frühere  Niederlassung  des  Klosters  von  Zuckau  nicht  etwa 
wo  anders  und  nicht  in  der  Nähe  von  Mehlken  bestanden  habe,  an  einer 
sicheren  Unterlage,  so  dass  ich  diese  Frage  unentschieden  lassen  musste.  Heute 
jedoch  bin  ich  in  der  Lage,  darüber  Gewisses  zu  vermelden  und  auszu- 
sagen, dass  zu  dem,  was  bisher  nur  als  unbegründete,  wiewohl  zu  den  Funden 
passende  Sage  gelten  musste,  sich  ein  geschichtlicher  Hintergrund  finden  lasse. 
Der  schon  erwähnte  Probst  Lic.  J.  Stenzel  hat  in  seinem  Schriftchen  über  das 
Kloster  Zuckau  (Danzig  1892),  auf  welches  ich  erst  jetzt  stosse,  darauf  hingewiesen, 
dass  die  erste  Ansiedelung  an  einem  Orte  geschehen  sei,  der  seitwärts  von  Zuckau 
in  einem  niedrigen  Grunde  gelegen  war,  wo  das  Flüsschen  Stolpe  (also  die  sogen. 
Kleine  Stolpe)  in  die  Kadaune  mündet.  Das  würde  durchaus  mit  der  (westlichen 
und  nahen)  Lage  von  Mehlken  übereinstimmen.  Dieser  Ort  hiess  einst  Stolpa,  wie 
ja  viele  Orte,  die  in  ihrer  ersten  Anlage  durch  Holzpfählungen  hergestellt  wurden, 
diesen  Öfters  wiederkehrenden  oder  einen  selbst  noch  bei  heutiger  Zeit  daran  an- 
klingenden Namen  führen  Lic.  Stenzel  sagt  unverhüllt,  aber  ohne  genaue  Platz- 
angabe, von  diesem  geographischen  Punkte  in  seiner  Schrift  schon  dasselbe  aus,  was 
ich  erst  viele  Jahre  später  fast  als  Märchen  habe  hören  müssen,  mit  den  Worten:  ^^^^^ 
-es  sollen  sich  daselbst  [ja,  aber  wo?  Diese  Unterleissung  hätte  nicht  geschehen  sollen!] 
noch  Ueberreste  der  ersten  Anlage  gefunden  haben. ^  Gewiss,  ich  habe  die  Spuren 
gesehen,  für  begründet  halten  müssen  und  mich  jetzt  wundem  dürfen,  wie  der 
Volksmund  so  viele  Jahrhunderte  hindurch  die  Wahrheit  hat  festhalten  können! 
Aber  schon  früh  verlor  sich  dieser  Name,  wahrscheinlich  als  bald  darauf  die  Ueber- 
ftthrung  des  Klosters  an  seine  jetzige  Stelle  stattfand,  wenn  es  auch  fraglich 
ist,  ob  dies  aus  Ursache  eines  feindlichen  Ueberfalles  geschehen  sei.  Ob  sich  nun 
Lic.  Stenzel  gerade  dabei  auf  die  ergiebigen  und  quellenmässigen  „Klasztory 
ienskie  w  dyecezyi  Chelminskiej*'  ( Frauen  -  Klöster  der  Diöcese  Culm)  des 
f  Domvicars  Fankid ejski  stützt,  weiss  ich  nicht,  möchte  andererseits  auch  bei 
dieser  Betrachtung  die  Werke  über  die  Bau-  und  Kunst-Denkmäler  der  Provinz 
Westpreussen  ausser  Acht  lassen  und  nur  erwähnen,  dass  seine  Hauptstütze  eine 
pomerellische  Studie  von  Prof.  Th.  Hirsch  ist,  niedergelegt  in  der  Zeitschrift  d. 
westpr.  Geschichts-Vereins  1882,  H.  6,  S.  1 — 148.  Beide  jedoch  kommen  zurück  auf 
eine  Urkunde  (vei^gl.  Pomerell.  ürL-B.,  S.  12,  Nr.  14),  wonach  Herzog  Mestwin  L, 
iFürst  in  Danzig,  im  Jahre  1209  (24.  April,  Zuckau)  die  Stiftungs-Urkunde  über  ein 

Vtrhandl   d«r  B«rl.  Antbropol.  GetetUcbaft  1897.  9 


(130) 

NonneD- Kloster  ausstellt,  —  die  erste  sichere  Nachricht  über  das  pomerellische 
Hochland,  die  uns  ans  dem  historischen  Dunkel  entgegentritt.  Hier  handelt  ea 
sich  aber  nicht  um  ein  erst  zu  grtlndendes  Kloster,  sondern  es  heisst:  „zu  einem 
Kloster  für  die  Nonnen,  welche  Gott  und  der  heiligen  Maria  in  Stolpa  dienen^  (ad 
claustrum  sanctimonialibus  deo  et  beatae  Mariae  in  Stolpa  famulantibus).  Darao& 
geht  hervor,  dass  eine  solche  Anlage  eines  Klosters,  übrigens  der  Norbertinerinnen, 
schon  bestanden  haben  muss  vor  Ausstellung  der  obigen  Urkunde.  Wo  diese  aber 
zu  suchen,  dazu  hat  uns  die  Tradition  zuerst,  und  dann  erst  die  sicherere  Spur  ge- 
wiesen. An  die  heutige  Stadt  Stolp  ist  gar  nicht  zu  denken,  weil  dort  keine 
Norbertinerinnen  erwähnt  werden,  übrigens  ein  Bxodus  derselben  aus  einer  als 
palissadirte  Stadt  in's  Auge  gefassten  Ansiedelung  in  das  zwar. nicht  flache,  aber 
doch  feldmässigere  Land  nicht  zu  denken  ist.  Auch  wirft  es  ein  Streiflicht  auf 
jene  früheren  Zeiten,  dass  in  jener  Stiflungs-Ürkunde  von  1 209,  ausser  in  anderen 
Begabungen  durch  Fürst,  Hausfrau  und  Söhne,  auch  die  Biber  mit  eingeschlossen 
werden  (in  castoribus  intra  metas  claustri  manentibus),  wie  man  sieht,  in  diesem 
Falle  keineswegs  eine  der  gewöhnlichen  Erweiterungen  des  Ausdruckes.  Somit  wäre 
die  erste  Kloster-Anlage  wohl  für  Mehlken  auch  historisch  erwiesen.  Der  Grund  der 
Uebersiedelung  nach  Zuckau  mag  in  Verschiedenem  gelegen  haben.  Für  1201  wird 
dort  nehmlich  schon  eine  Jacobi-Kirche  erwähnt,  an  welche  es  Anschluss  zu  finden 
galt.  Dieser  noch  bestehende  Bau  trägt  auf  dem  Ostgiebel  sogar  eine  Wetter- 
fahne mit  der  Jahreszahl  1031,  welche  schon  einmal  in  meinen  Berichten  (Arabische 
Zahlenzeichen  an  Kirchenfahnen,  1893,  Nachrichten,  H.  5,  S.  72  ff.)  zur  Vermerkung 
gelangte.  Bs  ist  nur  zu  verwundem,  dass  Mehlken  bei  Hrn.  Lac.  Stenzel  nicht 
zu  den  nach  Zuckau  gehörigen  Ortschaften  gerechnet  wird,  wie  sie  noch  für  den 
Anfang  dieses  Jahrhunderts  aufgeführt  werden.  Ein  feindlicher  Ueberfall  mag  mit- 
gewirkt haben  zur  Uebersiedelung,  sei  er  geschehen  oder  nur  befürchtet,  da  wir  aua 
den  kärglichen  üeberlieferungen  sogar  für  Zuckau  von  Heimsuchungen  erfahren:  so 
1224  schon  von  den  Streifzügen  heidnischer  Pomcsanier  in  die  Umgegend  von  Danzig, 
wo,  wie  Oliva  am  12.  September,  so  auch  Zuckau  am  12.  October  erliegen  musste; 
als  Ort  der  blutigen  That  der  Ermordung  der  Nonnen  gilt  eine  Anhöhe,  auf  welcher 
jetzt  eine  dem  heiligen  Johannes  von  Nepomuk  geweihte  Gapelle  steht;  diesen  Heiligen, 
der  ja  den  Wassertod  in  der  Moldau  bei  Prag  starb,  treffen  wir  in  dieser  wasser- 
reichen Oegend  übrigens  sehr  häufig  in  Standbildern  an,  die  am  Wasser  gelegen. 
Auch  ist  der  Ueberfall  durch  die  Hassiten  von  1433  zu  erwähnen.  Vielfach  indeas 
waren  immer  die  Frauen  und  Töchter  des  kassubischen  Fürstenhauses  in  und  für 
Zuckau  thätig;  ich  erwähne  nur  die  jetzt  fast  sagenhaften  Namen  Damroca  und 
Witoslawa.  Die  Uebersiedelung  des  Klosters  muss  aber  (nach  Stenzel)  in  den 
nächsten  Jahren  nach  1209  geschehen,  jedenfalls  aber  schon  vor  April  1224  zu 
denken  sein,  da  in  einer  Urkunde  aus  diesem  Jahre  schon  Zuckau  als  Wohnsitc 
der  Nonnen  angegeben  wird.  Uebrigens  fehlten  ihnen  hier  auch  nicht  die  sebon 
für  Mehlken  volkskundlich  gemeldeten  Bauwerke  Tür  Brauerei,  Wasch-,  Schlacht- 
und  Backhaus.  Alle  diese  EÄumlichkeiten  wurden  nach  dem  am  9.  December  1862 
erfolgten  Tode  der  letzten  Ordensfrau  Agnes  Bojanowski  meistbietend  zum  Nieder- 
reissen  verkauft  und  einem  Danziger  für  873  Thaler  zugeschlagen.  ^So  wurden  in 
unserer  westpreussischen  Heimath,  die  an  und  für  sich  so  arm  an  historiachen 
Bauwerken  ist  (schreibt  Stenzel  mit  Recht),  die  Denkmäler  unserer  Vergangenheit 
noch  in  einer  Zeit  vernichtet,  welche  sich  so  gern  ihres  historischen  Sinnes  rühmt *^ 
Den  genetischen  Zusammenhang  aber  zwischen  Gründung  und  Stiftung  zeigi 
uns  Lic.  Stenzel  in  einer  Schilderung  (S.  12),  die  ich  ebenfalls  zur  VeranBcbmn- 
lichung  hierhersetzen  will.    „Es  war  die  Sitte  allgemein,  dass  das  Kloster,  welche« 


(131) 

zur  üebernahme  einer  neuen  Ansiedelung  ansersehen  wnrde,  einige  seiner  Mit- 
glieder an  Ort  und  Stelle  sandte.  Diese  hatten  die  Gegend  und  die  Verhältnisse 
kennen  zu  lernen,  und  genau  zu  untersuchen,  ob  der  filr  die  Grtlndung  ausersehene 
Ort  die  nöthigen  Eigenschaften  ftLr  den  beabsichtigten  Zweck  besass.  Sobald  die 
Verhältnisse  und  die  Oertlichkeit  den  neuen  Ansiedlem  genehm  erschienen,  pflegte 
ihnen  Seitens  des  Klosters  die  Erlaubniss  zum  weiteren  Verbleiben  gegeben  zu 
werden,  worauf  dann  die  Bestätigung  und  Anerkennung  der  neuen  Niederlassung 
durch  das  General-Gapitel  erfolgte.^  So  geschah  es  einerseits  in  Oliva,  wohin 
schon  1170  die  ersten  Mönche  aus  Kolbatz  kamen,  obwohl  die  Stiftungs-Urkundo 
erst  8  Jahre  später  ausgestellt  wurde;  so  geschah  es  andererseits,  diesmal  im 
Wechsel  historisch  nachweisbar,  fär  Pogutken-Pelplin.  Einen  ähnlichen  Hergang 
haben  wir  uns  bei  der  Errichtung  des  Klosters  von  (Mehlken-)  Zuckau  zu  denken, 
obschon  hier  nichts  von  einem  Wechsel  überliefert  worden  ist.  Die  ersten  Nonnen 
kamen  hierher  aus  Strzelno,  einem  unbedeutenden  Städtchen  bei  Inowraclay  im 
Grossherzogthum  Posen;  sie  waren  von  Alardus  gesandt,  dem  Abte  des  St.  Vincenz- 
Stiftes  in  Breslau.  Die  Schenkung  der  Jacobi-Kirche  in  Zuckau  von  1201  geschah 
unzweifelhaft  an  Alardus  zu  dem  Zwecke  einer  Niederlassung  des  Ordens  des 
heiligen  Norbert.  So  vertrieb  dessen  weibliche  Glieder  auch  wohl  der  Wille  der 
Oberen  und  die  grössere  Zweckmässigkeit!  — 

(22)  Hr.  G.  Schweinfurth  schreibt  in  einem  an  Hm.  Rud.  Virchow  ge- 
richteten Briefe  aus  Assuan,  18.  Febraar,  über 

neue  Forschiugen  in  Aegypten  und  die  Einbalsamining  von  Köpfen 

im  Alterthom. 

„Hier  in  Assuan  herrschte  den  ganzen  Winter  hindurch  reges  Leben  und  viel 
Touristen- Verkehr.  Das  sehr  gut  gehaltene  Hdtel  beherbergt  90  Gäste  und  ist 
immer  noch  voll.  Zahlreiche  Dahabiehen  und  kleine  Miethsdampfer  kommen  und 
gehen  ausser  den  drei  grossen,  die  wöchentlich  mit  ihren  Uammel-Heerden  an- 
gerückt kommen.  Ganz  überraschend  ist  die  Zahl  deutscher  Touristen.  Es  fehlt 
nicht  an  Aegyptologen  und  anderen  interessanten,  überhaupt  an  hervorragenden 
Persönlichkeiten,  ron  denen  man  hier  in  Müsse  vollauf  profltiren  könnte,  wenn 
nicht  die  Damen  mit  dabei  wären,  die  jetzt  mehr  als  je  ihre  Rechte  geltend  zu 
machen  gewillt  sind.  Alle  sind  einer  Ansicht  über  die  Vorzüge  Assuans,  wo  doch 
im  Gegensatze  zu  Luksor  halbwegs  Wü«tenluft  und  Staubfreiheit  herrscht  Die 
Stadt,  die  sich  durch  Bauten  sehr  verschönert  hat,  wird  in  musterhafter  Ordnung 
und  sehr  reinlich  gehalten. 

„Ich  mache  häufig  Ausflüge  nach  allen  Richtungen,  wobei  sich  überall  ver- 
schiedenes Neue  ergiebt.  Ein  Thal,  das  nach  Osten  gekehrt  und  4  hn  nördlich  von  der 
Stadt  mündet,  das  Wadi  Abu  Agjag,  ist  voller  Inschriften  und  Graffiti  aus  allen  mög- 
lichen (hieroglyphischen,  kuflschen,  modern-arabischen  und  vielleicht  prähistorischen) 
Epochen,  da  durch  dasselbe  die  grosse  Strasse  nach  Berenike  führte.  Ein  merk- 
würdiges Quiproquo  hat  sich  in  allen  Assuan  behandelnden  Reisebüchem  und  dergl. 
eingebtti^rt,  das  ist  die  Angabe  von  Bischarin,  die  hier  zu  sehen  sein  sollen, 
während  alle  hier  vor  der  Stadt  lagernden  Hamiten  Ababde  sind  und  die  Bischarin 
erst  nach  10 — 12tägigem  Marsch  in  südöstlicher  Richtung  und  nicht  nördlich  von 
22^  30'  nördl.  Breite  zu  erreichen  sind.  Ich  stelle  mir  vor,  dass  diese  Bezeichnung 
aus  älterer  Zeit  vor  Mehemed  Ali  datirt,  als  Bischarin  hierselbst  mit  Carawanen 
vielleicht  noch  in  persona  erschienen  sein  mögen.  Nach  der  Eroberung  des  Sudan 
1822  wurde  der  grosse  Heerweg  von  Assuan,   bezw.  Korosko  nach  Abu  Hamed 


(132) 

den  Ababde  als  Privileg  übergeben,  weil  diese,  mehr  arabisirt,  also  mehr  civilisirt, 
dann  aber  vor  Allem,  weil  mehr  in  den  Klauen  der  ägyptischen  Macht  befindlich, 
zur  Sicherung  des  grossen  Verbindungsweges  mit  Khartnm  weit  mehr  Garantie 
darboten,  als  die  Bischarin.  Die  Einwohner  am  Nil,  die  Nubier  hierselbst,  werden 
den  altgewohnten  Namen  wohl  beizubehalten  Yorgezogen  haben,  zumal  da  sich  die 
beiden  Völker  äusserlich  nicht  unterscheiden,  und  dann,  wie  ich  vermuthe,  weil  in 
dem  Namen  Bischari  das  HauptstUck  zum  sprachlichen  Ausdruck  gelangt,  durch 
welches  die  Rasse  im  Gegensatz  zu  den  geschorenen  Nilfoewohnern  charakterisirt 
werden  kann,  nehmlich  das  lange  Haar,  arabisch  schäV,  woran  man  beim  Nennen 
des  ^Hischäri^  (altägyptisch:  „am  Rotheu  Meer^)  doch  immer  erinnert  wird').  In 
Folge  dieser  Verwechselung  müssen,  wenn  man  genau  sein  will,  viele  ältere  An- 
gaben richtig  gestellt  werden,  namentlich  die  sprachlichen  Studien,  die  hier  zur 
Erforschung  der  Bedauye-Sprache  vermittelst  angeblicher  Bischarin-Gewährsmänner, 
die  aber  Ababde  waren,  gemacht  worden  sind,  so  namentlich  die  Werke  Ton 
H.  Almkwist  über  die  Bischari-Sprache,  deren  Titel  eine  Abänderung  in  dem  er- 
läuterten Sinne  zu  erfahren  haben  würde ^).  Reinisch  dagegen  hat  das  meiste 
seiner  Studien  im  Süden  des  Gebietes  der  Bega-Völker  herausgebracht. 

„Von  Hrn.  Legrain,  Museums-Inspector,  habe  ich  25  Proben  von  sogen,  prä- 
historischen, bezw.  vorpharaonischen  Gräberfunden,  meist  Inhalt  der  den  Todten  bei- 
gegebenen, mit  den  Aschen  der  Lebensmittel  gefüllten  Thongefasse.  Hr.  de  Morgan 
versprach  mir  eine  weitere  Fortsetzung,  von  einem  neueren  Funde  derselben  Art  bei 
Selsele,  der  eben  erst  ausgebeutet  worden  ist.  In  den  Aschen  finden  sich  die  ver- 
kohlten Reste  von  Getreidekörnern,  die  sich  bei  genauerer  Untersuchung  sicher  be- 
stimmen lassen  werden.  Dagegen  müssen  erst  neue  Methoden  ausfindig  gemacht 
werden,  um  die  überaus  mürben,  selbst  unter  dem  Rasirmcsser  zerkrümelnden  Uolz- 
und  Rindenreste  in  ihren  anatomischen  Structurverhältnissen  beurtheilen  zu  können. 
Es  scheint,  dass  bei  etlichen  der  in  contracter  Körperlage  begrabenen  Körper  Hüllen 
nachweisbar  sind,  die  vielleicht  gleich  Mumienbinden  durch  Umwickelung  auf- 
getragen wurden,  Rinden,  Papyrusschäfte  und  dergl.  Indess  kann  ich  nicht  beur- 
theilen, ob  diese  Hüllen  den  Körpertheilen  direct  auflagen  oder  ob  dieselben  etwa 
ein  sargartiges  Gefäss  darzustellen  den  Zweck  hatten. 

„Ich  will  auf  der  Rückreise  einen  Besuch  bei  der  Ausgrabungsstelle  des 
Hm.  Am^lineau  bei  Abydos  machen.  Letzterer  hat  mir  einige  Schädel  für 
Sie  versprochen,  und  ich  hofl'e,  seine  Vermuthung  werde  sich  bestätigt  haben, 
dass  er  jetzt  an  die  alte  Nekropole  genathen  ist,  von  der  in  seinem  Briefe  die 
Rede  ist.  Ich  will  auch  mein  möglichstes  thun,  um  mir  Schädel  der  Bedauye- 
Völker  (Bega)  zu  verschaffen,  fürchte  aber,  dass  meine  hiesige  Wirksamkeit 
sich  nicht  auf  so  hohe  Ziele  wird  erstrecken  können.  Dazu  muss  man  mit 
zuverlässigen  Leuten  in  den  Wüsten  umherreisen  und  nach  den  alten  Ababde- 
Gräbern')  suchen,  die  sich  durch  Steinhaufen  verrathen.  Eine  weit  bessere  Ge- 
legenheit dürften  dazu  die  Vorbereitungs-Arbeiten  der  Engländer  zur  Wieder- 
eroberung des  Sudans  bieten.  In  der  grossen  Nubischen  Wüste,  zwischen  Wadi 
Haifa  und  Abu  Hamed  (350  km)  wird  eine  Eisenbahn  gebaut  und  zwar  (für  den 
im  Sommer  1898  zu  erwartenden  Vormarsch)  mit  ägyptischen  Soldaten.   Auf  dieser 

1)  Dieselbe  Behauptung  vernahm  ich  ohne  mein  Zuthun  aus  dem  Munde  eines  ein- 
gebomen  Kopten,  unseres  deutschen  Consular-Agenten  Todros  in  Luksor,  als  wir  auf  dem 
Markte  Ababde  antrafen  und  er  sie  Bischarin  nannte.    (Nachschrift  von  G.  Schw.) 

2)  VergL  Bd.  I,  8.  3.    (üpsala  1881.) 

8)  Der  Briefschreiber  hat  nachträglich  6  Schftdel  früherer  Wüftenbewohner  ausgegraben, 
die  er  in  der  Umgegend  von  Assuan  fand. 


(133) 

Strecke  werden  sich  gewiss  auch  Gräber  finden  und  diese  müssen  den  ßischarin 
angehören.  Ich  vermuthe,  dass  zur  Zeit  keine  Sammlung  der  Welt  über  ein 
einigermaassen  brauchbares  Material  Ton  Schädeln  der  Bischurin,  oder  Ababde,  oder 
Hadendoa  yerfUgt,  höchstens  werden  einzelne  Schädel  Yorhanden  sein.  Beschämend 
für  Aegypten  ist  das  Fehlen  jeglicher  Schädel -Sammlung  in  der  Medicinischen 
Schule.  Wie  soll  man  da  die  Schädel  aus  den  sogen,  prähistorischen  Gräbern 
Aegyptens  durch  Vergleiche  prüfen?  Plinders  Petrie  wird  von  seinen  3000  durch- 
wühlten Gräbern  von  Nagada  gewiss  viele  Schädel  nach  England  gebracht  haben. 
Werden  diese  nicht  untersucht  und  beschrieben? 

^Da  die  Identität  der  Amölineau'schen  Funde  mit  denen  von  Flinders  Petrie 
ausser  Frage  steht,  so  müssten  sich  doch  unter  den  von  Letzterem  herrührenden 
Schädeln  auch  solche  mit  Harz-Infiltrationen  in  der  Schädelhöhle  vorfinden.  Es 
liesse  sich  also  reichlicheres  Untersuchungsmaterial  hinsichtlich  des  Schädel-Inhaltes 
erlangen.  Ich  war  in  hohem  Grade  überrascht,  aus  Ihren  Mittheilungen  zu  ersehen, 
dass  das  Verdict  des  Laboratoriums  hinsichtlich  des  Schädel -Inhaltes  auf  Harz 
lautet.  Da  zur  Unterscheidung  von  Fett-  und  von  Harzsäuren  ganz  bestimmte 
und  unzweideutige  Mittel  vorhanden  sind,  darf  ich  ja  ein  solches  Verdict  nicht  be- 
zweifeln, und  ich  möchte  es  doch.  Um  wegen  des  Einführungs-Canals  durch  die 
Nasenhöhle  bei  den  Schädeln  von  Abydos  Nachforschung  zu  halten,  habe  ich  an 
Dr.  Fouquet  geschrieben  und  ihn  auf  Ihre  Querschnitte  aufmerksam  gemacht. 
Ich  habe  von  Geh.  Rath  Prof.  C.  Engler,  dem  Chemiker  von  Carlsruhe,  der  hier 
war,  erfahren,  dass  derselbe  aus  Mammuth-Rnochen  alte  Fettreste  von  harzartigem 
Aussehen  (ich  weiss  nicht,  in  welcher  Gestalt)  nachgewiesen  hat.  Eine  Verschieden- 
heit des  Verhaltens  der  Peruanischen  Schädel  und  der  von  Abydos  ist  durch  die 
Verschiedenheit  des  Terrains  gegeben.  In  Peru  waren  die  Körper  nie  Regen- 
güssen ausgesetzt,  in  Abydos,  wo  jede  Hülle  oder  Sarg  fehlte,  gab  es  sicher  alle 
8— 10  Jahre  einmal  einen  Guss;  der  Beweis  ist  in  den  Salzkrystallen  gegeben,  die 
an  einigen  dieser  Schädel  ausgeschossen  sind. 

„Ich  erhielt  vor  Kurzem  einen  sehr  interessanten  Brief  von  Hrn.  Amelineau  aus 
Abydos,  der  dort  mitten  in  der  ersten  Dynastie  ist.  Wie  ich  höre,  sollen  jetzt  auch 
de  Morgan  und  Prof.  Wiedemann,  vielleicht  in  Folge  der  wichtigen  Funde,  dorthin 
gegangen  sein.  Amelineau  schrieb  mir  am  5.  Februar,  dass  er  ein  96  m  langes  und 
29  m  breites  Bauwerk  aus  ungebranntem  Thon  aulgedeckt  habe,  bei  10  m  Tiefe,  und 
dass  dasselbe  aus  zwei  Hälften  besteht,  von  denen  er  die  erste  bereits  ausgebeutet 
hatte.  Diese  Hälfte  bestand  aus  37  verschiedenen  Räumen.  Er  fand  über  2000,  aus  allen 
möglichen  Steinarten  gehauene  Gefässe  von  der  vollkommensten  Art  der  Ausführung, 
die  sich  denken  lässt.  Wunderbare  Kieselmesser  grösster  Art  wurden  erbeutet.  In 
einem  einzigen  dieser  Räume  wurden  594  solcher  Kiesel-Artefakte  aufgelesen,  die 
einen  fein  ausgeführt,  die  anderen  von  roher  Arbeit.  An  einer  anderen  Stelle  fand 
Amelineau  auf  ein  Mal  1220  kleine  Kupfer-Gegenstände,  namentlich  Beile,  Sicheln 
und  andere  Instrumente.  Wie  er  die  zweite  Hälfte  des  Bauwerkes  in  Angriff  nahm, 
stiess  er  auf  vereinzelte  Gi:äber.  Das  erste  enthielt  zwei  Körper,  davon  der  eine  in 
contracter  Körperlage  vergraben  ohne  Sarg,  der  andere  in  einer  Art  von  Holzkiste  ohne 
Deckel.  Amelineau  vermuthet,  dass  das  Bauwerk,  auf  das  er  in  diesem  Jahre 
gestossen  ist,  an  Alter  den  Funden  des  Vorjahies  vorauszusetzen  sei.  Hoffentlich 
wird  bald  grössere  Klarheit  über  den  Fund  verbreitet  werden,  wenn  erst  einmal 
verschiedene  Kenner  die  Oertlichkeit  in  Augenschein  genommen  haben  werden.  Hr. 
Prof.  Sayce  hat  vor  Kurzem  bei  el  Qab  einige  40  neue  Inschriften  aufgefunden.''  — 

In  einer  Nachschrift  macht  Hr.  Schweinfurth  Mittheilung  von  einer  neu  auf- 
gefundenen Stein-Inschrift: 


(134) 

^Prof.  Sayce  hat  auf  seiner  Dahabieh  einen  Stein,  das  Fragment  einer  sehr 
rohen  Figur  ans  Sandstein,  auf  deren  Rücken  Zeichen  angebracht  sind,  die  keiner 
bekannten  Schrift  angehören;  der  Fund  ist  mit  Sicherheit  als  der  Zeit  der 
XVIII.  Dynastie  zugehörig  erklärt  worden." 


Hr.  Rud.  Virchow  legt  femer  folgenden  an  ihn  gerichteten  Brief  des  Hm. 
Dr.  Fouquet  aus  Oairo,  21.  Februar,  Tor: 

„J'ai  reiju  aujourd'hui  meme  une  lettre  de  M.  le  Prof.  Seh  wein furth  qui  a 
bien  voulu  m^enroyer  la  traduction  d'un  passage  de  votre  lettre  concemant  l'examen 
des  matiferes  resineuses  renant  d'un  des  cranes  d'el  Omra.  Yotre  examen  confirme 
celui  que  j'avais  fait  moi-meme  et  je  suis  tres  heureux  de  savoir  que  ces  matieres 
ne  ressemblent  pas  k  Celles  que  Ton  trouve  dans  les  momies  peraviennes.  — 

^Au  Caire  je  suis  tres  bien  place  pour  recevoir  des  documents  antbropo- 
logiques,  mais  en  fort  mauraise  Situation  pour  les  Studier.  «Tai  peu  de  lirres  et 
pas  de  collections  anthropologiques  pouvant  me  permettre  d'etablir  des  comparaisons. 
J^avoue  d^ailleurs,  sans  peine,  qae  cela  n^cst  pas  du  tont  ma  specialite,  bien  que 
je  trouve  ces  recherches  fort  passionnantes.  — 

„Votre  objection  relative  au  procede  d'extraction  de  la  cervelle  par  la  voie 
nasale,  ne  peut  s^appliquer  a  mes  cranes. 

Non  seulement  Tethmoide  n'est  point  perfore,  mais  encore  la  cloison  entiere 
des  fosses  nasales,  les  coraets,  leur  muqueuse  meme  dessechee,  sont  en  place  en 
certains  cas. 

^Dans  Tune  des  tetes  (le  n^  3)  les  debris  des  yeux  se  trouvaient  meme  dans 
les  orbites.  —  II  n'y  avait  certainement  pas  d'autre  voie  que  le  trou  occipital  pour 
penetrer  dans  la  cavite  cranienne.  Je  prends  toutefois  bonne  note  de  votre  opinion 
et  dans  la  revision  que  je  viens  de  faire  j'ai  pris  soin  d^eclairer  par  l*inierieur 
la  tete,  dans  un  Heu  obscur  pour  pouvoir  juger  s*ü  existait  une  Ouvertüre  peu 
visible.  Oette  apres-midi  j'avais,  au  contraire,  avec  un  ecran  trouö  cherch^  ä  faire 
penetrer  les  rayons  du  soleil  ä  Tinterieur  par  la  fente  sphenoidale;  pais  avec  an 
miroir  laryngien  j'ai  etudie  tous  les  points  de  la  base  du  cräne  sans  pouvoir  trouver 
un  pertuis  capable  de  livrer  passage  ä  Tenc^phale  meme  dissoci^.  —  Comme  d*nn 
autre  cöt^  je  partage  votre  opinion  et  comme  avec  vous  j'admets  qu*il  faut  extraire 
la  cervelle  avant  dMntroduire  une  matiere  resineuse,  meme  liquide,  j'avais  du 
songer  ä  une  decollation  au  moins  partielle  du  cadavi%  pour  aborder  la  voie  du 
trou  occipital.  — 

^L'abscnce  de  toute  partie  molle  sur  les  pieces  soumises  ä  mon  examen  ne 
me  permettait  pas  d'appuyer  mon  hypothese  sur  une  Observation  de  fait  — 

„J'ai  trouv^,  u  d'autres  epoques,  des  pratiques  aussi  bizarres;  tous  en  trouveret 
un  tres  succinet  expose  dans  une  petite  note  publice  par  moi  ä  T Institut  Egyptien.  — 

„J'ajouterai  que  j'ai  des  raisons  tr^s  fortes  de  penser  que,  ä  el  Omra  3  fois  et 
pour  un  crane  ayant  date  certaine  de  la  XII«  Dynastie,  ce  qui  pour  cette  epoque  est 
sürement  une  exception,  la  cervelle  avait  du  etre  enlevee  par  la  fente  sphenoYdale.^  — 


(135) 

Hr.  Virchow:  Die  Abhandlang  des  Hrn.  Pouquet  (Note  pour  servir  a 
Vhistoire  de  rembaumement  en  l^lgj^te.  Institut  Egyptien,  S^nce  du  6  Mars  1 896) 
betrifft  die  Schädel  des  Hm.  Amelineau  nicht.  Sie  giebt  dagegen  sehr  wichtige 
Einzelheiten  über  die  Untersuchnng  der  berühmten  Priester-Mumien  von  Deir-el- 
Bahri  (XXI.  Dynastie),  von  denen  Hr.  Fouquet  mehr  als  Hundert  auswickeln 
konnte.  Er  fand  dabei  manche  ßesonderheiten,  über  welche  weder  die  alten,  noch 
die  neueren  Schriftsteller  etwas  berichtet  haben.  Da  dieselben  jedoch  für  den  voi^ 
liegenden  Fall  keine  Bedeutung  haben,  so  will  ich  daraus  nur  erwähnen,  dass  Hr. 
Fouquet  an  einzelnen  Mumien  die  Angabe  des  Papyrus  Khind  bestätigt  fand,  wo- 
nach zur  Entfernung  der  Weichtheile  17  verschiedene  Einschnitte  in  die  Leichen 
gemacht  wurden.  Von  solchen  traf  er  8  an  den  Extremitäten,  einen  am  Rücken, 
2  im  Gesicht  (an  den  Mundwinkeln),  2  im  Innern  des  Mundes  längs  den  inneren 
Rändern  des*  Unterkiefers;  dazu  rechnet  er  ferner  die  Perforation  des  Siebbeins, 
die  Abtragung  beider  Augen  und  die  Eröffnung  der  linken  Bauchseite.  Da  jedoch 
manche  Mumien  nur  die  letztere  Oeffnung  zeigen,  so  nimmt  er  an,  dass  diese  von 
armen  Leuten  und  solchen,  die  an  ansteckenden  Krankheiten  gestorben  waren,  hei^ 
stammten.  A^as  die  uns  specieH  interessirende  Perforation  des  Siebbeins  anlangt, 
so  hält  er  daran  fest,  dass  dieselbe  regelmässig  von  der  Nase  aus  durch  einen 
das  Siebbein  durchdringenden  Haken  hervorgebracht  wurde,  so  dass  die  Oehim- 
substanz  durch  einen  Wasserstrahl  ausgespült  werden  konnte. 

Ich .  habe  inzwischen  gleichfalls  an  einer  Anzahl  von  ägyptischen  Mumien- 
Schädeln  Untersuchungen  über  die  bei  der  Einbalsamirung  erfolgte  Extraction  des 
Gehirns,  specielt  über  die  Stelle,  wo  die  Perforation  des  Schädelgrnndes  von  der 
Nase  aus  vorgenommen  warde,  angestellt.  Diese  zeigen  zwei  verschiedene  Durch- 
bohrungsstellen. 

Um  die  Beobachtung  zu  erleichtem,  habe  ich  die  Schädel  nebst  den  an- 
getrockneten Weichtheilen  durch  einen  mitten  über  die  Wölbung  geführten  Säge- 
schnitt in  zwei  Hälften  zerlegt.  Man  ist  auf  diese  Weise  in  der  Lage,  sowohl  die 
Beschaffenheit  der  äusseren  Theile,  als  die  der  Innenfläche  genau  zu  übersehen 
und  beide  mit  einander  zu  vergleichen. 

Einer  dieser  Schädel  (Fig.  1 — 3),  bei  dem  der  Mund  noch  durch  eingelegte 
Oewebsstücke  vollständig  geschlossen  ist,  Hess  aussen  nichts  weiter  erkennen,  als 
eine  stärkere  Ausdehnung  der  linken  Nasenöffnung,  die  sowohl  in  der  Vorder- 
Ansicht  (Fig.  1),  als  in  der  Seitenansicht  (Fig.  2)  bemerkbar  ist.  An  der  Innen- 
seite des  abgesägten  Vordertheils  des  Kopfes  zeigte  sich  sofort  eine  weite,  rund- 
liche Oeffnung  mit  zerbrochenen  Rändern,  welche  den  vorderen  Abschnitt  der  Sella 
turcica  und  den  hinteren  Theil  des  Planum  ethmoideale  etwas  schief  durchbrochen 
hatte.  Das  Ephippium  war  dabei  an  seinem  oberen  Umfange  verletzt;  die  Ala 
temporalis  sinistra  zeigte  in  der  Richtung  auf  die  linke  Nasenhöhle  ausgedehntere 
Defecte,  so  dass  der  Proc.  clinoideus  anterior  mit  seiner  Umgebung  gänzlich  zer- 
stört war  (Fig.  3).  Von  da  fUhrte  der  künstlich  hergestellte,  fast  horizontal  ver- 
laufende Canal  durch  den  Körper  des  Keilbeins  in  die  linke  Nasenhöhle. 

In  einem  anderen  Falle  fand  sich  die  innere  Oeffnung  auf  der  rechten  Seite, 
dicht  neben  der  Crista  galli  in  derLamina  cribrosa  des  Siebbeines.  Da  hier 
die  angetrocknete  Dura  mater  noch  vollständig  erhalten  war,  so  Hess  sich  bestimmt 
feststellen,  dass  das  perforirende  Instrument,  wie  ein  Geschoss,  ein  scharfes  Loch 
in  der  Hirnhaut  hervorgebracht  hatte  (Fig.  4).  Die  Richtung  des  künstlichen  Canals 
war  hier  eine  fast  senkrechte,  so  dass  nur  an  einer  kleinen  Stelle  die  vordere 
Oeffnung  der  Nasenhöhle  direct  sichtbar  war. 


(136) 


(137) 

Die  Bichtang  der  Perforation  war  also  in  den  beiden  Fällen  nicht  unerheblich 
Terschieden,  und  es  ist  selbstrerständlich,  dass  die  Dorchgängigkeit  des  Canals,  ins- 
besondere die  Möglichkeit,  ihn  Yon  aussen  her  nach  dem  Tode  aufzufinden,  in 
einzelnen  Fällen  recht  gross,  in  anderen  recht  gering  ist.  Wir  besitzen  von  unserenk 
leider  zu  früh  yerstorbenen  correspondirenden  Mitgliede  Prof.  A.  Macali ster,^ 
dem  früheren  Präsidenten  des  grossbritannischen  anthropologischen  Instituts,  eine 
prächtige  kleine  Abhandlung:  Notes  on  Egyptian  Mummies,  London  1898  (Joum. 
of  the  Anthr.  Institute,  1893,  Not.),  in  welcher  die  genauesten  Angaben  über  diese 
Operation  und  über  die  nachträgliche  Ausfüllung  der  Nasenhöhle  mit  Geweben  ent- 
halten sind  (p.  115).  Er  fand,  dass  in  56  pCi  seiner  Schädel  die  Extraction  dea 
Gehirns  durch  die  Nase  ausgefflhrt  war,  und  zwar  in  5  pGt.  durch  die  linke,  in 
3  pGt.  durch  die  rechte  Nasenöffnung;  in  den  anderen  war  dabei  die  Scheidewand 
zerbrochen.  In  zwei  Fällen  war  das  Instrument  durch  das  Basisphenoid  (den 
Körper  des  Keilbeins)  eingetrieben,  in  einem  war  das  Gehirn  durch  den  Grund 
der  Augenhöhle  extrahirt.  Obwohl  im  Allgemeinen  grosse  Sorgfalt  darauf  ver- 
wendet war,  das  Gesicht  unversehrt  zu  erhalten,  so  fand  Macalister  doch  in 
manchen  Fällen  grosse  Verletzungen.  Einmal  war  die  ganze  Nase  gebrochen  und 
durch  eine  Thonnase  ersetzt,  ein  andermal  war  das  ganze  Gesicht,  Nase,  Kiefer  u.  s.  w. 
zertrümmert  und  die  Höhle  mit  Gewebe  und  darüber  mit  Thon  geschlossen  und 
dann  sorgsam  bandagirt.  Von  ganz  besonderem  Interesse  mit  Bezug  auf  die  An- 
gaben des  Hm.  Fouquet  ist  folgender  Fall:  Der  Kopf  war  vollständig  durch  den 
ersten  Halswirbel  hindurch  abgetrennt  xmd  ein  mit  Asphalt  beschmierter  Sycomoren- 
Stock  in  den  Kopf  getrieben,  um  den  letzteren  auf  der  Wirbelsäule  zu  befestigen  (to- 
peg  the  head  to  the  spine).  Die  Bandagen  waren  so  gut  angelegt,  dass  vor  ihrer 
Entfernung  die  vorherige  Enthauptung  (the  pre-sepulcbral  decapitation)  nicht  bemerkt 
wurde.  Es  Hess  sich  jedoch  nicht  ausmachen,  ob  die  Abtrennung  des  Kopfes  vor 
oder  erst  nach  dem  Tode  ausgeführt  war. 

Wir  werden  uns  also  hüten  müssen,  die  vorkommenden  Fälle  nach  einem 
allgemein  gültigen  Schema  zu  beurtheilen,  und  ich  erkenne  an,  dass  nach  dei^ 
Angaben  des  Hm.  Fouquet  ein  Urtheil  über  das  an  den  Schädeln  des  Hm. 
Amelineau  eingehaltene  Verfahren  sidi  erst  gewinnen  lassen  wird,  wenn  die 
Untersuchung  des  Inhaltes  dieser  Schädel  zu  einer  grösseren  Evidenz  geführt  sein 
wird.  Da  wir  bisher  keine  ausreichenden  Materialien  für  eine  ausgiebige  Analyse 
der  in  diesen  Schädeln  enthaltenen  Masse  besitzen,  so  müssen  wir  unser  Urtheil 
vorläufig  suspendiren.  Die  Extraction  des  Gehims  ohne  Perforation  dea 
Schädelgewölbes  und  ein  Ersatz  des  Schädelinhaltes  durch  balsamirende  Sub- 
stanzen ist  nicht  anders  denkbar,  als  durch  den  Wirbelcanal  und  das  grosse  Hinter- 
hauptsloch, aber  eine  solche  Operation  bietet  die  grössten  technischen  Schwierig- 
keiten. Auch  ein  sehr  erfahrener  Operateur  der  Jetztzeit  würde  dieselbe  kaum  aus- 
führen können.  Man  mag  nun  über  die  Geschicklichkeit  und  namentlich  über  die 
Geduld  der  alten  Einbalsamirer  so  günstig  denken,  wie  nur  immer  möglich,  immer 
wird  man  sich  doch  erst  entschliessen  können,  ein  so  complicirtes  und  dabei 
schwer  verständliches  Verfahren  anzunehmen,  wenn  die  Natur  der  ausfüllenden 
Masse  sicher  festgestellt  ist. 

Um  die  Frage,  ob  das  in  der  Schädelhöhle  vorgefundene  Material  nicht  bloss 
eingetrocknetes  und  im  Laufe  von  Jahrtausenden  verändeites  Gehirn  ist,  weiter  zu 
klären,  habe  ich  Hrn.  Salkowski  bestimmt,  sich,  im  Anschlüsse  an  seine  früheren 
Analysen  (S.  32),  einer  weiteren  Untersuchung  zu  unterziehen.  Ich  habe  ihm  dazu 
das  geringe  Material  geliefert,    welches  ich  durch  die  Zersägung  und  Ausleerung 


(138) 

verschiedener  ägyptischer  und  peruanischer  Momienköpfe  gewonnen  habe.  Sein 
Re&oltat  war  auch  diesmal  in  Rücksicht  auf  die  schwebende  Frage  ein  negatives, 
wie  die  sofort  anznschliessende  Darstellung  ergeben  wird.  — 

(23)  Hr.  E.  Salkowski  hat  unter  dem  19.  März  folgenden  Bericht  erstattet  über 

» 

weitere  üntersuchuiigeii  von  aus  der  Schädelhöhle  yon  Hnmienköpfen 

entleerten  Hassen. 

Gegenstand  der  Untersuchung  waren:  1.  Substanz  aus  einem  ägyptischen 
Mumiei^opfe,  in  Anlehnung  an  die  früheren  Untersuchungen  mit  der  fortlaufenden 
Nr.  lü  bezeichnet;  2.  Nr.  IV  Substanz  aus  verschiedenen  Peruanischen  Schädeln, 
vereinigt;  3.,  4.,  5.  Nr.  V,  VI  und  Vü  Substanz  aus  ägyptischen  Mumienköpfen. 
Nr.  in,  IV,  VI  und  VII  sind  mir  von  Hrn.  R.  Virchow  direct  übergeben  worden, 
Nr.  V  verdanke  ich  Hm.  Li  s  sau  er.  Die  letztere  Masse  rührt  nach  der  freundlichen 
Mittheilung  desselben  von  einem  Mumienkopfe  her,  den  Gerhard  Rebifs  aus  der 
Oase  Siwah  aus  den  Felsengräbern  im  Todtenberge,  „Gebel  Muta^,  mitgebracht  hat 
Die  Masse  stammt  nicht  aus  der  Schädelhöhle  selbst,  sondern  aus  den  beiden 
ersten  Halswirbeln.  Um  die  Halswirbel  herum  sass  eine  äusserlich  ganz  ähnliche 
Masse,  welche  ich  bei  der  Untersuchung  möglichst  vermieden  habe. 

Da  die  zur  Verfügung  stehende  Quantität  des  Untersuchungsmaterials  eine  er- 
heblich grössere  war,  als  früher,  so  konnte  ich  auch  andere  Wege  zur  Unter- 
suchung einschlagen.  Vor  Allem  schien  es  mir  wichtig,  auf  einem  sicheren  Wege 
festzustellen,  inwieweit  die  zu  untersuchenden  Massen,  ihrer  Zusammensetzung 
nach,  als  Gehimsubstanz  zu  betrachten  seien,  bezw.  inwieweit  sie  möglicher  Weise 
etwas  Anderes  als  Gehimsubstanz  sein  könnten.  Hierzu  wählte  ich  die  Ermittelung 
des  Gehaltes  an  Stickstoff,  welcher  jedenfalls  der  Hauptsache  nach  auf  Eiweits- 
Substanzen  zu  beziehen  ist,  und  die  Bestimmung  dos  für  das  Nervengewebe 
ehakteristischen  Phosphorgehaltes.  Die  Bestimmung  des  Stickstoffes  geschiüi  nach 
-der  Methode  von  Rjeldahl,  die  Bestimmung  des  Phosphors  in  der  üblichen 
Weise  durch  Schmelzen  mit  einem  Gremisch  von  Salpeter  und  Soda,  Fällung  der 
entstandenen  Phosphorsäure  mit  molybdänsaurem  Ammoniak,  Ueberführang  in 
Magnesium-Pyrophosphat  und  Wägen  desselben.  Da  die  Substanzen  sehr  ver- 
schiedene Quantitäten  von  hygroskopischem  Wasser,  sowie  von  Aschen-Bestand- 
theilen,  bezw.  auch  Sand  enthielten,  so  war  es  noth wendig,  um  von  einem  v^» 
gleichbaren  Material  ausgehen  zu  können,  durchweg  auch  den  Gehalt  an  Wasser 
und  Asche  zu  bestimmen.  Die  nachfolgenden  Zahlen  für  Stickstoff  und  Phosphor 
beziehen  sich  daher  auf  die  „organische  Trockensubstanz^  der  Massen.  Alle  diese 
Bestimmungen  sind  von  Hm.  Dr.  Georg  Schrader  ausgeführt,  während  ich  die 
Untersuchung  auf  Fette  und  harzartige  Substanzen  übemommen  habe. 

Da  die  Zahlen  für  den  Wasser-  und  Aschengehalt  des  Untersnchungsmaterimls 
immerhin  ein  gewisses  Interesse  haben,  so  seien  sie  hier  angeführt: 

Nr.  Hl  enthielt  2,52  pCt.  Wasser,    8,57  pGt  Asche. 

„    IV       „        1,372  „  „      ,    3,61     „ 

„      V        „       3,486  ,  „      ,  20,25     ^ 

.    VI       ^        1,64     „  „      ,    9,078  ^ 

„  VU        „       1,435  ,  „      ,    5,446  ^ 

Es  handelte  sich  also  in  allen  Füllen  um  sehr  wasserarme  Substanzen  gegen- 
über frischer  Gehimsubstanz,  deren  Wassergehalt  man  auf  mnd  75  pCt  veran* 
schlagen  kann. 


(139) 

Die  Bestimmungen  des  Stickstoffes  mid  des  Phosphors')  ergaben  Folgendes: 
Nr.  III  enthielt  6,41  pOt.  Stickstoff,  1,049  pCt.  Phosphor. 

„     IV       ,       4,70    „  „       ,  0,66      „ 

„      V       „       8,04    „  „       ,  0,275    „ 

„     VI       ,       4,45    „  „       ,  0,607    „ 

»  VII       „       4,33    y^  „       ,  0,932    „  „ 

Nach  diesen  Bestimmangen  sind  Nr.  III,  lY,  VI,  YII  der  Hauptsache  nach 
Oehimsubstanz,  immerhin  könnten  noch  ansehnliche  Quantitäten  von  heterogenen 
Substanzen  beigemischt  sein.  Nr.  V  erscheint  bei  seinem  hohen  Gehalt  an  Stick- 
stoff und  seinem  niedrigen  Gehalt  an  Phosphor  etwas  unsicher.  Die  Masse  könnte 
zum  Theil  wohl  aus  eingetrockneter  Musculatur  bestehen. 

Auch  die  Untersuchung  der  durch  heissen  Alkohol  ausziehbaren  Stoffe  ist 
diesmal  etwas  anders  ausgeführt  worden.  Zunächst  habe  ich  darauf  rerzichtet,  zu 
ermitteln,  wieviel  von  in  Alkohol  löslichen  Stoffen  in  den  Massen  enthalten  sei, 
einerseits  weil  davon  nach  den  früheren  Untersuchungen  kein  wesentlicher  Anf- 
schluss  zu  erwarten  war,  andererseits  weil  die  erhaltenen  Zahlen  wegen  des 
wechselnden  Gehaltes  des  Alkoholextraktes  an  Salzen  doch  mit  Unsicherheiten  be- 
haftet sind,  dieser  aber  nicht  bestimmt  werden  konnte,  ohne  das  Untersuchungs- 
object,  das  Alkoholextrakt,  zu  zerstören.  Es  hätten  durchweg  doppelte  Extractionen 
vorgenommen  werden  müssen  und  das  schien  nicht  lohnend  genug. 

Die  Untersuchung  beschränkte  sich  also  auf  die  Zusammensetzung  der 
durch  Ausziehen  mit  Alkohol  erhaltbaren  Substanz.  Das  eingeschlagene  Verfahren 
war  dasselbe,  wie  bisher,  jedoch  mit  dem  wesentlichen  Unterschiede,  dass  diesmal 
die  Quantität  der  harzartigen  Substanz  nicht  aus  der  Differenz  bestimmt,  sondern 
direct  gewogen  wurde.  Die  Untersuchung  verlief  also  folgendermaassen :  eine 
nicht  genau  gewogene  Quantität  der  so  gut  wie  möglich  zerkleinerten  Masse  wurde 
mit  Alkohol  ausgekocht,  nach  dem  Erkalten  flitrirt,  der  alkoholische  Auszug  ein- 
gedampft, unter  Erwärmen  in  mit  Natronlauge  alkalisirtem  Wasser  gelöst,  die  ent- 
standene trübe  Lösung  mit  Aether  ausgeschüttelt.  Der  flltrirte  ätherische  Auszug 
hinterliess  nach  dem  Abdestilliren  und  Verdunsten  das  Neutralfett  oder  richtiger 
gesagt,  die  direct  in  Aether  lösliche  Substanz  (A).  Dann  wurde  die  alkalische 
Lösung  angesäuert  und  mit  Aether  geschüttelt,  der  Aether- Auszug  nochmals  mit 
Wasser  geschüttelt.  Der  verdunstete  Aether-Auszug  lieferte  die  Fettsäuren  (B). 
Die  theils  sofort,  theils  beim  Schütteln  des  Aether- Auszuges  mit  Wasser  aus- 
geschiedene harzartige  Substanz  wurde  gesammelt,  die  Beste  in  Alkohol  gelöst, 
alles  vereinigt.  Die  alkoholischen  Auszüge  lieferten  beim  Verdunsten  die  harzartige 
Substanz  (C).  Sämmtliche  erhaltenen  Substanzen  wurden  bei  100^  getrocknet  und 
gewogen.  Die  Gewichtsmengen  von  A,  B  und  C  wurden  addirt,  gleich  100  gesetzt, 
und  hieraus  die  Zusammensetzung  znrückberechnet. 

Ehe  ich  die  erhaltenen  Zahlen  mittheile,  möchte  ich  noch  etwas  über  die  Be- 
schaffenheit der  beim  Verdunsten  des  Alkohol-Auszuges  erhaltenen  Substanz  sagen. 
Nur  in  Fall  Nr.  V  erinnerte  ihre  Beschaffenheit  einigermaasseu  an  die  bei  der  ersten 
Untersuchung  beobachtete,  in  allen  anderen  Fällen  war  dieselbe  dagegen  von  salben- 
artiger, ziemlich  weicher  Consistenz ').  Dem  entsprach  nun  auch  die  Zusammen- 
setzung. 

1)  einschliesslich  der  phosphorsaoren  Salze.  Alle  Zahlen  beliehen  sich  auf  die  Asche  und 
die  wasserfreie  Trockensabstani,  bezw.  sind  auch  diese  umgerechnet  worden.  Die  meisten 
Stickstoff-,  sowie  einige  Phosphor-BestimmuDgen  sind  doppelt  ausgeführt  worden. 

2)  sehr  ähnlich  der  aus  dem  Pemanischen  Sch&dolinhalt  durch  Alkohol-Extraction  er- 
haltenen Substanz. 


(140) 
Zusammensetzung  der  in  Alkohol  löslichen  Substanz  in  Procenten: 


Nr.  III   :   Nr.  IV       Nr.  V       Nr.  VI      Nr.  VH 


Direct    in   Aether    losliclie   Substanz 
(Neutralfett) 

Nach  (lern  Ansäueni  in  Aethor  lösliche 
Substanzen  (Fettsäuren) 

Harzartige  Substanz 


14,3 

75,4 
14,3 


7,2 

86,2 
6,6 


2,3 

66,4 
31,8 


0,9 

92,6 
7,4 


14,1 

79,9 
7,0 


In  allen  Fällen  war  also  die  Quantität  der  harzartigen  Substanz  sehr  gering,, 
einigermaassen  erheblich  nur  in  der  Masse  aus  Fall  V,  die  mir  aber  ihrer  Herkunft 
nach  nicht  vollständig  sicher  erscheint.  Auch  in  diesem  Falle  war  ihre  Quantität 
erheblich  kleiner,  wie  bei  dem  Inhalt  aus  dem  Mumienkopfe  der  ersten  Untersuchung. 
Ferner  fehlte  die  harzartige  Substanz  auch  in  dem  Alkohol-Auszuge  der  Masse  aus 
Peruanischen  Mumienköpfen  nicht  ganz. 

Die  BeschafTenheit  der  harzartigen  Substanz  war  in  allen  Fällen  dieselbe:  eine 
spröde,  bräunlich  gefärbte,  durchsichtige  Masse.  Erwähnenswerth  ist  vielleicht 
noch,  dass  das  ,.  Neutral  fett  "^  in  allen  darauf  untersuchten  Fällen  eine  sehr  starke 
Cholesterin-Reaction  gab. 

Nach  dem  Kesultat  dieser  Untersuchungen  liegt  kein  zwingender  Grund  zu  der 
Annahme  vor,  dass  in  den  untersuchten  Fällen  Harze  in  die  Schädelhöhle  hin- 
eingebracht worden  sind.  Es  scheint  mir  sehr  wohl  möglich,  dass  die  kleine 
Quantität  harziger  Substanzen  im  Laufe  der  Zeit  aus  Gehim-Bestandtheilen  selbst 
entstanden  ist.  Verharzungen  gehören  in  der  organischen  Chemie  zu  den  ge- 
wöhnlichsten Erscheinungen;  allerdings  sind  dabei  meistens  starke  Reagentien  im 
Spiele,  es  ist  jedoch  sehr  Avohl  denkbar,  dass  die  Länge  der  Zeit  die  Mitwirkung 
starker  Reagentien  ersetzt.  — 


1 


(24)  Hr.  R.  Yirchow  bespricht,  unter  Vorlegung  der  neuerdings  eingesendeten 
Knochentheile,  folgende  Mittheilung  des  Hm.  Ober-Bürgermeisters  Brecht,  d.  d. 
Quedlinburg,  17.  December  1896,  über  eine 

Aiis^rabiinju:  auf  der  Moorseliaiize  bei  Quedlinburg. 

Die  im  Eigenthura  der  Stadt  Quedlinburg  befindliche  Moorschanze,  ein  Htigel 
von  40  m  unterem  Durchmesser  und  etwa  5  m  Höhe,  liegt  1  hn  südlich  von  Quedlin» 
bürg,  hart  am  rechten  Rande  des  etwa  20  m  hohen  diluvialen  Bode-Ufers. 

In  der  Voraussetzung,  dass  der  Hügel  ein  vorgeschichtliches  Grab  bei^, 
wurde  die  Ausgrabung  beschlossen  und  nach  Anweisung  des  Prof.  J.  Schmidt, 
Directors  des  Frovinzial-Museums  zu  Halle,  am  11.  August  1896  mit  der  Ziehung 
eines  Grabens  von  1,90  m  Sohlbreite  von  ONO.  nach  WSW.,  nach  der  Mitte  zu,  be- 
gonnen. Der  Graben  wurde  bis  auf  den  gewachsenen  Boden  ausgebracht,  der  aua 
Kies  mit  einem  etwa  5  rm  starken  Lehmüberzuge  bestand  und  am  Rande  dea 
Hügels  1.34  m  unter  der  gegenwärtigen  Höhe  des  Ackers  ermittelt  wurde.  Es 
zeigte  sich  alsbald,  dass  dtT  Hügel  von  diesem  Urboden  ab  künstlich  auf- 
geschüttet ist. 

Nahe  am  Rande,  f).*)  cm  unter  der  Oberfläche,  fanden  sich  die  Bruchstücke 
eines  gerauhten  Latene-Gefässes,  nohmlich  der  runde  Boden  von  10  mi  Durch- 
messer und  einige  Theile  der  Wandungen;  daneben  das  Bruchstück  einer  roh  ge- 


(141) 


bt-annten  Tasse  von  unbestimmbarem  Alter  (Fig.  1).  In  der  Aufschüttung,  in  der 
man  die  Schichten  verschiedener  Erdgattungen  unterscheiden  konnte,  fanden  sich 
dann  verschiedene  kleine  Scherben  mit  Stich-  und  Schnittverzierung  aus  der  jüngeren 
Steinzeit  (Fig.  2  —  4),  und  ein  IOV2  cm  langes,  schräg  zageschliffenes  Stück  eines 
Röhrenknochens.  Als  sich  der  Graben  dem  Mittelpunkte  des  Hügels  auf  6  m  ge- 
nähert hatte,  fand  sich  1  m  unter  der  Oberfläche,  unter  einem  fast  verrotteten  Bohlen- 
stücke von  1  m  Länge,  40  cm  Breite  und  6  —  10  cm  Dicke,  ein  gut  geformtes  und 
gebranntes,  gehenkeltes  Gefäss  (Fig.  5)  von  14  cm  oberem  Durchmesser  und  7Va  cm 
Höhe,  aus  der  frühen  Bronzezeit,  das  weiter  keinen  Inhalt  hatte,  als  das  ein- 
gedrungene morsche  Holz. 


Fig.  1. 


Fig.  B. 


Fig.  2. 


Fig.  5.    Va 


Fig.  4. 


Nahe  dem  Mittelpunkte  des  Hügels  wurden  3,15  m  tief  einige  wagerecht  liegende, 
sehr  gewölbte  Scherben  angetroffen,  ohne  Verzierung  und  ohne  ausgeführte  Form, 
die  einem  amphorenartigen  Gefässe  angehört  haben  können,  aber  ein  Ganzes  nicht 
liefern. 

Neben  dieser  Stelle  und  unmittelbar  am  Mittelpunkte  des  Hügels  wurde  die 
hier  sehr  kiesige  Aufschüttung  durch  einen  tiefschwarzen,  ganz  mit  Asche  und 
vielen  kleinen  Rohlenstücken ,  verrotteten  Holzstückchen  und  Thierknochen  durch- 
setzten Erdkörper  von  modrigem  Gerüche  abgelöst.  Dieser  Erd-Aschenkörper  lagerte 
auf  dem  ürboden.  Seine  Höhe  war  1,90  m;  am  Rande  verringerte  sich  die  Höhe 
und  lief  theilweise  in  Null  aus.  Die  ostwestliche  Ausdehnung  betrug  7,5  m,  die 
südnördliche  5  m. 

Am  Ostende  dieses  Aschenkörpers  fand  sich  in  der  Mitte  des  Hügels  auf  dem  Ür- 
boden, der  hier  5,53  m  unter  der  Oberfläche  des  Hügels  lag,  eine  Art  von  Stein  bau 
(Fig.  6)  aus  9  unbehauenen  Geschiebe -Steinen,  in  der  Stärke  von  15  X  20  bis 
50  X  70  cm.  Die  Steine  lagen  in  der  Form  eines  Hufeisens,  dessen  Schenkel  etwas 
auseinandergezogen  waren,  die  offene  Seite  nach  Westen  (Fig.  7).  Die  Schenkel 
entfernten  sich  von  einander  bis  auf  1  m;  nicht  ganz  so  gross  war  die  Tiefe  der 
Figur.  Der  zweitgrösste  (38  X  58  cm)  der  Steine  stand  aufrecht,  gegenüber  der 
offenen  Seite  in  der  Mitte  (6);  über  ihm  lag  der  grösste  (a).  Die  anderen  lagen 
unregelmässig  neben  einander. 

Am  Ende  der  beiden  Schenkel  der  Figur  fand  sich  je  ein  Pferde- (?)  Kiefer.  Der 
auf  dem  Südende  lag  unter  einem  Steine  über  Rohlenstückchen;  der  auf  dem  Nord- 
ende lag  zwischen  zwei  Steinen  über  und  unter  Stückchen  von  Kohlen  und  ver- 
modertem Holze.    Die  Riefer  lagen  60  cm  von  einander  entfernt.    Unter  einem  der 


(140) 
Zusammensetzung  der  in  Alkohol  löslichen  Substanz  in  Procenten: 


Nr.  III   ,   Nr.  IV   1    Nr.  V    I   Nr.  VI   i  Nr.  VH 


Direct   in   AeÜier   lösliche   Substanz 
(Neutralfett) 

Nach  dem  Ans&aem  in  Aether  lösliche 
Substanzen  (Fettsäuren) 

Harzartige  Substanz 


14,8 

76,4 
14,3 


7,2 

86,2 
6,6 


2,3 

66,4 
81,8 


0,9 

92,6 
7,4 


14,1 

79,9 
7,0 


In  allen  Fällen  war  also  die  Quantität  der  harzartigen  Substanz  sehr  geringe 
einigermaassen  erheblich  nur  in  der  Masse  aus  Fall  V,  die  mir  aber  ihrer  Herkunft 
nach  nicht  yollständig  sicher  erscheint.  Auch  in  diesem  Falle  war  ihre  Quantität 
erheblich  kleiner,  wie  bei  dem  Inhalt  aus  dem  Mumienkopfe  der  ersten  Untersuchung. 
Ferner  fehlte  die  harzartige  Substanz  auch  in  dem  Alkohol-Auszuge  der  Masse  aus 
Peruanischen  Mumienköpfen  nicht  ganz. 

Die  Beschaffenheit  der  harzartigen  Substanz  war  in  allen  Fällen  dieselbe:  eine 
spröde,  bräunlich  gefärbte,  durchsichtige  Masse.  Erwähnenswerth  ist  vielleicht 
noch,  dass  das  „Neutralfett^  in  allen  darauf  untersuchten  Fällen  eine  sehr  starke 
Cholesterin-Reaction  gab. 

Nach  dem  Resultat  dieser  Untersuchungen  liegt  kein  zwingender  Grund  zu  der 
Annahme  vor,  dass  in  den  untersuchten  Fällen  Harze  in  die  Schädelhöhle  hin- 
eingebracht worden  sind.  Es  scheint  mir  sehr  wohl  möglich,  dass  die  kleine 
Quantität  harziger  Substanzen  im  Laufe  der  Zeit  aus  Gehim-Bestandtheilen  selbst 
entstanden  ist.  Verharzungen  gehören  in  der  organischen  Chemie  zu  den  ge- 
wöhnlichsten Erscheinungen;  allerdings  sind  dabei  meistens  starke  Reagentien  im 
Spiele,  es  ist  jedoch  sehr  wohl  denkbar,  dass  die  Länge  der  Zeit  die  Mitwirkung 
starker  Reagentien  ersetzt.  — 


(24)  Hr.  R.  Virchow  bespricht,  unter  V^orlegung  der  neuerdings  eingesendeten 
Knochentheile,  folgende  Mittheilung  des  Hrn.  Ober-Bürgermeisters  Brecht,  d.  d. 
Quedlinburg,  17.  December  1896,  über  eine 

Ausgrabung  auf  der  Moorsehanze  bei  Quedlinburg. 

Die  im  Eigenthum  der  Stadt  Quedlinburg  befindliche  Moorschanze,  ein  Hügel 
von  40  m  unterem  Durchmesser  und  etwa  5  m  Höhe,  liegt  1  hm  südlich  von  Quedlin- 
burg, hart  am  rechten  Rande  des  etwa  20  m  hohen  diluvialen  Bode-Ufers. 

In  der  Voraussetzung,  dass  der  Hügel  ein  vorgeschichtliches  Grab  berge^ 
wurde  die  Ausgrabung  beschlossen  und  nach  Anweisung  des  Prof.  J.  Schmidt, 
Directors  des  Provinzial-Museums  zu  Halle,  am  11.  August  1896  mit  der  Ziehung 
eines  Grabens  von  1,90  wi  Sohlbreite  von  ONO.  nach  WSW.,  nach  der  Mitte  zu,  be- 
gonnen. Der  Graben  wurde  bis  auf  den  gewachsenen  Boden  ausgebracht,  der  aus 
Kies  mit  einem  etwa  5  cm  starken  Lehmüberzuge  bestand  und  am  Rande  des 
Hügels  1,34  m  unter  der  gegenwärtigen  Höhe  des  Ackers  ermittelt  wurde.  Es 
zeigte  sich  alsbald,  dass  der  Hügel  von  diesem  Urboden  ab  künstlich  auf- 
geschüttet ist. 

Nahe  am  Rande,  55  cm  unter  der  Oberfläche,  fanden  sich  die  Bruchstücke 
eines  gerauhten  Latene-Gefasses,  nehralich  der  runde  Boden  von  10  cm  Durch- 
messer und  einige  Theile  der  Wandungen;  daneben  das  Bruchstück  einer  roh  ge- 


(141) 


brannten  Tasse  ron  unbestimmbarem  Alter  (Fig.  1).  In  der  Aufschüttung,  in  der 
man  die  Schichten  verschiedener  Erdgattungen  unterscheiden  konnte,  fanden  sich 
dann  rerschiedene  kleine  Scherben  mit  Stich-  und  Schnittverzierang  aus  der  jüngeren 
Steinzeit  (Fig.  2  —  4),  und  ein  lOy,  cm  langes,  schräg  zugeschliffenes  Stück  eines 
Röhrenknochens.  Als  sich  der  Graben  dem  Mittelpunkte  des  Hügels  auf  6  m  ge- 
nähert hatte,  fand  sich  1  m  unter  der  Oberfläche,  unter  einem  fast  verrotteten  Bohlen- 
stücke von  1  m  Länge,  40  cm  Breite  und  6  — 10  cm  Dicke,  ein  gat  geformtes  und 
gebranntes,  gehenkeltes  Oelass  (Fig.  5)  von  14  cm  oberem  Durchmesser  und  77,  an 
Höhe,  aus  der  frühen  Bronzezeit,  das  weiter  keinen  Inhalt  hatte,  als  das  ein- 
gedrungene morsche  Holz. 


Fig.  1. 


Fig.  3. 


Fig.  2. 


Fig.  5.     Va 


Fig.  4. 


Nahe  dem  Mittelpunkte  des  Hügels  wurden  3,15  m  tief  einige  wagerecht  liegende, 
sehr  gewölbte  Scherben  angetroffen,  ohne  Verzierung  und  ohne  ausgeführte  Form, 
die  einem  amphorenartigen  Gefasse  angehört  haben  können,  aber  ein  Ganzes  nicht 
liefern. 

Neben  dieser  Stelle  und  unmittelbar  am  Mittelpunkte  des  Hügels  wurde  die 
hier  sehr  kiesige  Aufschüttung  durch  einen  tiefschwarzen,  ganz  mit  Asche  und 
vielen  kleinen  Kohlenstücken,  verrotteten  Holzstückchen  und  Thierknochen  durch- 
setzten £rdkörper  von  modrigem  Gerüche  abgelöst.  Dieser  Erd-Aschenkörper  lagerte 
auf  dem  ürboden.  Seine  Höhe  war  1,90  m;  am  Rande  verringerte  sich  die  Höhe 
und  lief  theilweise  in  Null  aus.  Die  ostwestliche  Ausdehnung  betrug  7,5  m,  die 
südnördliche  5  m. 

Am  Ostende  dieses  Aschenkörpers  fand  sich  in  der  Mitte  des  Hügels  auf  dem  Ür- 
boden, der  hier  5,53  m  unter  der  Oberfläche  des  Hügels  lag,  eine  Art  von  Steinbau 
(Fig.  6)  aus  9  unbehauenen  Geschiebe- Steinen,  in  der  Stärke  von  15  X  ^0  bis 
50  X  70  cm.  Die  Steine  lagen  in  der  Form  eines  Hufeisens,  dessen  Schenkel  etwas 
auseinandergezogen  waren,  die  offene  Seite  nach  Westen  (Fig.  7).  Die  Schenkel 
«ntfemten  sich  von  einander  bis  auf  1  m;  nicht  ganz  so  gross  war  die  Tiefe  der 
Figur.  Der  zweitgrösste  (38  X  58  cm)  der  Steine  stand  aufrecht,  gegenüber  der 
offenen  Seite  in  der  Mitte  (6);  über  ihm  lag  der  grösste  (u).  Die  anderen  lagen 
nnregelmässig  neben  einander. 

Am  Ende  der  beiden  Schenkel  der  Figur  fand  sich  je  ein  Pferde- (?)  Kiefer.  Der 
auf  dem  Südende  lag  unter  einem  Steine  über  Kohienstückchen;  der  auf  dem  Nord- 
ende lag  zwischen  zwei  Steinen  über  und  unter  Stückchen  von  Kohlen  und  ver- 
modertem Holze.    Die  Kiefer  lagen  60  cm  von  einander  entfernt.    Unter  einem  der 


Steine  lag  ein  Knochenstück, 
um  1,30  m. 


(142) 
Die  Aschen-Erdschicht  überragte  den  höchsten  Stein 


Fig.  6. 


Durchschnitt  in  der  Richtung  SO.— KW. 

H,  Husarenstieg,  QL,  gelber  Lehm,  U»  Urboden,  A,  Asche, 

a  Steinpackong  mit  Pferde- (?)  Kiefern,  b  Einielsch&del,  c  Gerippe. 


Fig.  7, 


a  aufrecht  stehender,  h  darfiber  liegender  Stein. 

Beim  weiteren  Abbau  des  Aschen-Erdkörpers  Ton  Ost  nach  West  fanden  sich 
yerschiedene  Nester  Ton  bräunlicher  und  röthlicher  Erde,  zahlreiche  Holzreste, 
Knochen  und  Kohlenstückchen  (Fig.  8,  A.A.)y  Höhlungen  von  25 — 75  cm  Durch- 
messer, nur  theilweise  mit  ganz  lockerer  Erde  und  Knochenresten  ausgefüllt 

Auch  fand  sich  ein  Erdenkloss  mit  dem  schönen  Abdrucke  eines  (Eichen-?) 
Blattes.  Als  die  Abräumung  2  m  weit  Ton  der  Steinsetzung  yorgeschritten  war, 
zeigte  sich  eine  2,60  m  lange,  von  1,20  m  Höhe  über  dem  Urboden  im  Süden  bi« 
65  cm  über  dem  Boden  im  Norden  streichende  Höhlung,  die  in  dem  oberen,  1,50  m 
langen  Theile  unregelmässig  gekrümmt  war  und  bis  zu  15  cm  Durchmesser  hatte, 


(143) 

in  dem  unteren  Theile  aber  geradlinig  war  und  10  cm  Dnrchmesser  hatte.   Der  obere^ 
Theil  der  HöUang  zeigte  an  der  oberen  Fläche  Tiele  von  der  Erde  festgehaltene^ 

Fig.  8. 


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•  •    4  •.  •       •  •    .      • 


Aiisschachtimg  der  Moorschanze,  Horixontal- Ansieht. 
A.  Aseheoerde  mit  Kohlen,  Knochen  und  Holzresten,  St.  u,  Pf.  Steinpackong  mit  Pferde- (?)• 

Kiefern,  S.  Einzelsch&del,  0,  Gerippe. 


Fig.  9. 


Knochenspnren,  der  untere  viele  Holzreste.  30  em  unter  dem  oberen  Theile  war 
eine  etwa  30  cm  tiefe,  20  cm  hohe  und  35  cm  lange  Höhlung,  in  der  sich  yiele 
Knochen,  eine  Scherbe  mit  Stich-  und  Strich -Yerziemng 
(Fig.  9)  und  ein  Erdenkloss  mit  dem  gut  erhaltenen  Ab- 
drucke der  Innenfläche  der  Mittelfinger  einer  Hand  fanden. 
50  cm  darunter  war  ein  zusammenhängender,  etwa  70  cm 
langer,  1  mm  starker  Streifen  von  Knochenstoff. 

Bei  der  Weiterarbeit  in  der  Richtung  nach  Westen 
traf  man   eine   Tom  Urboden   im  Winkel  von  etwa  50  ** 

ron  Ost  nach  West  bis  70  cm  unter  der  Oberfläche  des  Hfigels  aufsteigende,  2  m 
lange  Röhre  Ton  50  cm  Durchmesser,  die  mit  ganz  lockerer  Aschenerde  geftUlt 
war,  und  daneben  eine  andere,  nach  Süden  herumgehende,  von  2  m  Länge  und. 
10  em  Dnrchmesser  mit  lockerer  Asche  und  yerbrannten  Knochen. 


(144) 

Von  dem  unteren  Anfange  dieser  Röhre  1,20,  tod  der  2,60  langen  Höhlung 
1,50  und  von  der  Steinsetzung  3,50  m  entfernt  und  von  ihr  in  westlicher  Richtung, 
fand  sich  dann  ein  Schädel,  der  nach  der  Blosslegung  gelb  war,  alsbald  aber 
roth  wurde. 

Fig.  10. 


Monrschanze  bei  Quodlinbnrg, 
Aufnalime  <.auf ',',  verkleinert)  Ton  N.,  etwit  2,5  m  Ober  dem  SchSdel 

nnil  2,6  m  von  ihm  entfernt. 
Der  Schüdel  lag  an!  einer  etwa  15  cm  starken  Scliii-bt  Tbonerde, 
welche   auf  den  Urboden   anfgetragen   war.     Dieser  Auftrag   ist 
bi«  auf  eine  geringe  Entfernung  Totii  Srhüdcl  entfernt,  um  den 
ürboden  sichtbar  lU  machen.    Daher  der  Kreis  nm  den  SchAdel. 

Der  Schildel  war  von  einer  15  cm  starken  thnnigen  Erdschicht  unterbettet,  die 
ihrerscils  auf  dem  Urbodon  lag.  Mit  einer  gleichen  Schicht  war  er  auch  bedeckt. 
Der  Aschen-Rrdbörper  über  dorn  Schädel  war  1,90  m  hoch.  Darüber  war  noch 
2,80  m  ÄufschUttDng.  Der  Schilde!  hatte  Rückenlage,  mit  dt;r  Richtung  genau  nach 
West.  Die  Achse  war  aber  nicht  wagerei^ht,  aondcm  in  einem  Winkel  von  20°  nach 
hinten  (Osten)  geneigt.    HO  cm  um  den  Schädel  herum  war  die  Aschenerde  besonden 


C145) 

reich  an  reiner  Äsche,  Knochen  und  KohlenstOckchen.  In  der  Asche  Aber  dem 
Bchädel  lagen  mehrere  Scheriten,  daninter  zwei  mit  Stich-Verzienint;  (JPig.  12,  a,  &); 
swei  andere  mit  Stich-Verziemng  (ßig,  13,  o,  b)  nnd  eine  mit  Zickzack -Terziemn^ 
(Fig.  14)  fanden  sich  in  der  Nähe;  doch  ist  es  nicht  sicher,  ob  sie  nicht  von  der 
Anrschfittang  heruntergefallen  waren.  Von  dem  Schädel  in  seiner  Lage  'wnrden 
Photographien  anfgenommen  (Fig.  10  und  11). 

Fig.  U. 


Moorschanie  bei  Quedlinburg. 

Der  Schädel  lag  4,80  m  tief  nnitt  einer  1,90  m  hoben  Äachen-Erdscbitht. 

Die  Anfnahme  ist  von  Osten  aus  erfolgt,  etwa  1,60  in  Qber  dem  Sch&dol  - 

nnd  7  m  von  ihm  entfernt. 


Fig.  12. 


Fig.  13. 


Efei  der  weiteren  Entfernang  der  Aschen-ErdHChicht  fand  sich  2,50  in  von  dem 
Einzelschädel  in  westHUdweBtl icher  Richtung  ein  auf  dem  Urboden  lagerndes  Ge- 
rippe. Die  Aachen-Erdschicht  über  diesem  Gerippe  betrog  1,90  w,  wurde  in  der 
Cmgebnng  nach  Sud,  West  und  Nord  aber  niedriger  und  verlief  sich  in  einer  Ent- 
femnng  von  2 — 3  m.  Die  Entfernung  von  dem  Gerippe  bis  zur  Oborlläche  des 
HUgela  betrug  4,70  m. 

Das  Gerippe  lag  in  Rückenlage  mit  dem  etwas  nach  links  geneigten  Kopfe 
nach  Westen.    Schädel  mit  Unterkiefer,  Rippen  und  Becken  waren  in  der  richtigen 

TokudL  dtr  Bul.  «DtlirBpoL  a»*ILicli(ri  1397.  IQ 


(146) 

Lage;  die  Armknochen  schienen  über  der  Brust  gekreuzt  gewesen  zu  sein.  An 
das  Becken  schloss  sich  nur  eine  Lage  von  Knochen  an,  so,  als  seien  die  Unter- 
schenkel unter  die  Oberschenkel  geschlagen.  Die  ganze  Länge  des  Gerippes  betrug 
95  cm. 

Nachdem  sämmtliche  Knochen  aus  der  lockeren  Erde  hervorgenommen  waren, 
ergab  sich,  dass  verschiedene  Knochen  zur  Vollständigkeit  eines  Menschen-Gerippes 
fehlten,  andere  überreich  vorhanden  waren  und  das  Gerippe  aus  den  Knochen  von 
3  oder  mehr  Menschen  zusammengesetzt  gewesen  war.  Es  fand  sich  1  Schädel 
mit  nicht  zugehörigem  Unterkiefer,  2  rechte  und  1  linkes  Oberarmbein,  2  ver- 
schiedene Ellen,  6  Speichen,  9  Rippen,  2  Lendenwirbel,  1  Kreuzbein,  2  Hälftien  des 
Beckens,  2  verschiedene  Oberschenkel -Knochen,  2  verschiedene  Schienbeine, 
3  Wadenbeine  und  ein  anderer  Röhrenknochen.  Auf  dem  Urboden  in  der  Um- 
gebung des  Gerippes  waren  Spuren  von  verrottetem  Holze  und  ganz  kleinen 
Knochenresten;  grössere  Knochenreste  und  deutliche  Asche  fehlten  hier. 

Im  Norden  des  Gerippes  wurde  gefunden: 

a)  im  Abstände  von  25  an,  aber  80  cjh  höher  als  das  Gerippe,  der  Abdruck 
eines  Pferdehufes  in  thohiger  Erde, 

b)  im  Abstände  von  1,45  7/1,  aber  1,20  m  höher  als  das  Gerippe,  ein  hammer- 
ähnlicher, unbehauener  Stein  von  22  cm  Länge  (Pig.  15),  10 — 6  cm  Breite 
und  4Vi — 3  cm  Dicke  und 

c)  im  Abstände  von  2,50  m,  aber  1,50  m  höher,  als  das  Gerippe,  ein  Schweine- 
kiefer. 

In  der  Nähe  dieser  Gegenstände  traf  man  auch  eine  Scherbe  mit  Schnitt-  und 
Strich-Verzierung  (Pig.  16). 

Fig.  14.  Fig.  15.  Fig.  16. 


Todten- Urnen  und  Beigaben  der  üblichen  Art  standen  im  Umkreise  von 
0,70 — 3,50  m  von  dem  Gerippe,  wie  auch  von  dem  Einzelschädel,  nicht.  Der  Ur- 
boden war  an  der  Stelle  des  Einzelschädels  um  34  cm  höher,  als  an  der  Stelle  des 
Gerippes,  und  20  cm  höher,  als  an  der  Stelle  des  Steinbaues.  — 

Ilr.  R.  Virchow:  Schon  in  seinem  ersten  Begleitschreiben  hatte  Hr.  Brecht 
auf  die  Hauptpunkte  des,  wie  er  sich  ausdrückte,  „ziemlich  räthselhaften^  Ergeb- 
nisses der  Untersuchung  hingewiesen:  „auf  der  höchsten  Stelle  des  Urbodens  ein 
einsamer  Schädel,  3*/,  m  nach  Osten  eine  Art  von  Steinbau  mit  zwei  Pferde- 
Kiefern,  27,  m  nach  Südwesten  ein  aus  Knochen  von  mehreren  Menschen 
sorgsam  zusammengesetztes  Gerippe;  über  dem  Allen  eine  1,90  m  hohe 
Schicht  von  Erde,  die  mit  Asche  und  Resten  von  Knochen,  Holz  und  Kohlen  ganz 
durchsetzt  war,  und  dabei  keine  Spur  von  Leichenbrand,    keine  Urne,   keine  Bei- 


(147) 

gabeD.^  Er  erwähnte  zugleich  die  Meinung  des  bei  der  Ausgrabung  zugezogenen 
Hrn.  J.  Schmidt,  dass  möglicherweise  der  Htigel  gar  nicht  als  Todtenhügel  auf- 
getragen sei. 

In  einem  neueren  Begleitschreiben  vom  16.  Februar,  bei  Ucbersendung  der 
Knochen,  betont  er  mit  Recht  die  ^ausserordentliche  Terschiedenheit  in  der  Ge- 
stalt der  beiden  SchüdcP.  Er  erwähnt  zugleich,  dass  Hr.  Weinhold  in  seiner 
Abhandlung  über  die  heidnische  Todtenbestattung  in  Deutschland  einige  analoge 
Funde  anführe,  nehmlich  aus  einem  Hügelgrabe  bei  Olmütz  die  Knochen  zweier 
Skelette,  zu  einem  Gerippe  yereinigt^  mit  nur  einem  Schädel,  und  aus  einem  Hügel- 
grabe  bei  Ranis  nur  4  Schädel.  In  dem  Torliegenden  Falle  „scheine  das  künstlich 
zusammengesetzte  Gerippe  einen  zuverlässigen  Beweis  des  Skeletirens  zu  er- 
geben". 

Bei  dem  Auspacken  und  Ordnen  der  Knochen  war  begreiflicherweise  meine 
Aufmerksamkeit  vorzugsweise  diesem  „Gerippe^  zugewendet.  Es  fand  sich,  dass 
die  osteologische  Bestimmung  der  einzelnen  Knochen,  sowie  die  Angaben  über 
ihre  Zahl  zutreffend  waren.  Schon  aus  dieser  letzteren  folgt,  dass  einzelne 
Knochen,  wie  der  Radius,  in  6,  ein  Paar  andere  in  je  3  Exemplaren  vorhanden 
waren,  so  dass  also,  die  Zusammengehörigkeit  von  je  2  vorausgesetzt,  doch  Be- 
standtheile  von  2,  ja  einmal  von  3  Gerippen  vorliegen  mussten.  Allein  die  genauere 
Betrachtung  erwies,  dass  die  Voraussetzung  von  je  2  zusammengehörigen  Knochen 
nicht  zulässig  ist,  dass  vielmehr  eine  fast  allgemeine  Discordanz  unter  den  ihrem 
allgemeinen  Charakter  nach  gleichwerthig  erscheinenden  Knochen  bestand.  Ich 
gebe  zunächst  eine  kurze  Uebersicht  dieser  Gebeine: 

Os  humeri ....    3  Stück  (alle  unter  einander  verschieden), 

ülna 2      ^      (sehr  verschieden), 

Radius 6      „      (fast  alle  verschieden,    höchstens  2  zusammen- 
gehörig), 

Os  femoris     ...    2      „      (1  rechtes  und   1  linkes,   aber  verschieden  lang 

und  stark), 

Tibia 1      „      (von  einem  Kinde,  dicl^,  die  Epiphysen  abgelöst), 

„         2      „      (von  Erwachsenen,  ganz  verschieden), 

Fibula 3      „      (verschieden), 

Beckenknochen   .     .     2      „      (Seitentheile    von    2  Personen,    an    dem   einen 

eine  ganz  weite  Pfanne  mit  hyperostotischem 
Rande), 
^  .    .     1      „      (Kreuzbein,    klein,   anscheinend  weiblich,  stark 

gekrümmt,  mit  grossen  Intervertebrallöchern), 

Wirbel 2      „      (lumbare,  vielleicht  zusammengehörend), 

Unterkiefer     ...     1      „      (sehr  klein,  vielleicht  weiblich). 

Es  konnte  daher  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  mindestens  von  3  verschiedenen, 
und  zwar  sowohl  männlichen,  als  weiblichen  Gerippen,  Knochen  da  waren,  ja  sogar 
die  Tibia  eines  Kindes.  Nach  der  Beschaffenheit  der  Radien  mussten  wenigstens 
f>  ursprüngliche  Gerippe  benutzt  worden  sein.  Die  mir  zugegangene  Beschreibung 
lässt  nicht  erkennen,  in  welcher  Weise  die  Herstellung  eines  „künstlichen  Gerippes" 
ausgeführt  war.  Wahrscheinlich  waren  die  Knochen  nicht  „zusammengesetzt", 
sondern  nur  in  solcher  Reihenfolge  niedergelegt,  wie  sie  für  die  Herstellung  eines 
Skelets  nothwendig  erschien.  Wäre  ein  voUstündigos  Gerippe  (Skelet)  vorhanden 
gewesen,  so  müsste  sich  aus  den  eingesendeten  Knochen  ein  solches  wieder  zu- 
sammensetzen lassen;  dies  ist  jedoch  gänzlich  unmöglich,  da  selbst  die  paar* 
weise  vorhandenen  Knochen   nicht  zusammenpassen.     Wenn  man  auf  ein  „voll- 

10* 


(148) 

ständiges^  Gerippe  verzichten  wollte,  würde  nar  ein  Haufe  von  Gebeinen  übrig- 
bleiben, bei  denen  der  Nachweis  zasammengehöriger  Knochen  nur  für  vereinzelte 
Stücke  zu  liefern  wäre.  Dadurch  wird  anch  die  Möglichkeit  widerlegt,  dass  die 
Knochen  ans  mehreren  Gräbern  gesammelt  und  erst  nachträglich  zusammengelegt 
sind.  Wie  sollte  jemand  auf  den  Gedanken  kommen,  aus  einem  Grabe  ein  rechtes, 
aus  einem  anderen  ein  linkes  Os  femoris  zu  entnehmen  und  beide  „künstlich'^  zu  ver- 
einigen? Oder  wie  könnte  im  Ernst  der  Plan  ersonnen  werden,  mit  zwei  Lendenwirbeln 
ein  Skelet  nachzubilden,  während  der  Schädel  ohne  Halswirbel  niedeigeiegt  wurde? 

Wenn  an  einer  Stelle  neben  einander  eine  Mehrzahl  von  Gräbern  geöCTnet  wird, 
so  kann  es  leicht  geschehen,  dass  bei  der  Wiedereinscharrung  der  Knochen  Skelet- 
theile verschiedener  Gerippe  bunt  durch  einander  zusammengelegt  werden.  An 
einem  Orte,  wo  nur  zwei  Schädel  zu  Tage  gekommen  sind,  ist  eine  solche  An- 
nahme, zumal  wenn  es  sich  um  Knochen  von  3  oder  gar  5  Skeletten  handelt,  nicht 
zulässig.  Wo  sollten  die  vielen  fehlenden  Knochen  geblieben  sein?  Dazu  kommt 
ein  anderer  Umstand,  der  von  grosser  Wichtigkeit  ist.  Der  Erhaltungszustand  der 
verschiedenen  Knochen  ist  ein  so  verschiedener,  dass  man  an  eine  einheitliche 
Herkunft  derselben  nicht  denken  kann.  Die  beiden  Schädel  sind  verhältnissmässig 
gleichartig  beschaffen.  Sie  haben  jenes  tief  bräunliche  Aussehen,  welches  bei 
Schädeln,  die  nicht  zu  lange  in  der  Erde  gelegen  haben,  häufig  angetroffen  wird. 
Sie  zeigen  auch  jenes  losere  GefUge  der  oberflächlichen  Theile,  welches  beim 
Eintrocknen  das  Abblättern  der  äussersten  Rindenschicht  bedingt,  und  jenes  ver- 
hältnissmässig leichtere  Gewicht,  welches  auf  die  Einwirkung  feuchter  Umgebungen 
und  eine  dauernde  Auslaugung  der  Erdsalze  hindeutet.  Ich  kann  ihnen  daher  keine 
sehr  lange  Dauer  der  Bestattung  zuschreiben,  am  wenigsten  eine  Dauer,  die  bi» 
in  die  neolithische  Zeit  zurückreichen  könnte.  Ein  Paar  Jahrhunderte  scheinen 
mir  das  äusscrste  Zeitmaass  auszudrücken,  welches  man  ihnen  zugestehen  darf; 
vielleicht  sind  sie  noch  jünger. 

Diesem  Zustande  entsprechen  einzelne  der  anderen  Knochen,  so  namentlich 
das  kleine  Kreuzbein.  Andere  dagegen  sind  ganz  fest,  an  ihrer  Oberfläche  glatt 
und  von  mehr  weisslich-  oder  gelblich-grauer  Farbe,  übrigens  unverletzt.  Sie  sehen 
aus,  wie  regelmässig  macerirte  Knochen,  wie  man  sie  in  anatomischen  Anstalten 
absichtlich  zum  Studium  herrichtet.  Wäre  es  ein  Sachverständiger,  ein  Anatom 
oder  ein  Arzt  gewesen,  der  sie  niedergelegt  hätte,  so  könnten  manche  von  ihnen 
nicht  sauberer  sein.  Ist  es  nun  ganz  undenkbar,  dass  ein  früherer  Besitzer,  der 
sie  zu  wissenschaftlichen  Zwecken  gesammelt  hatte,  sie  schliesslich  hat  vergraben 
lassen,  oder  dass  seine  Erben  oder  Nachfolger  sie  haben  wegbringen  lassen? 
Sollten  auf  der  Moorschanze  Hinrichtungen  stattgefunden  haben,  so  könnte  die 
Gelegenheit,  Gebeine  zu  vergraben,  von  dem  Besitzer  benutzt  sein,  um  sich  der 
nicht  mehr  zu  verwendenden  Theile  zu  entäussern. 

Dabei  bemerke  ich,  dass  Spuren,  die  auf  eine  Enthauptung  hinweisen,  sich 
nicht  vorfinden,  wie  denn  auch  sonstige  Zeichen  von  Gewalt-Einwirkungen,  die  so 
od  unter  einer  grösseren  Zahl  von  einzelnen  Knochen  bemerkt  werden,  fehlen. 
Selbst,  wenn  die  Moorschanze  einmal  eine  Richtstütte  gewesen  wäre,  auf  der 
man  die  Hingerichteten  oder  deren  Gebeine  bestattete,  wären  Enthauptung  oder 
Riiderung  als  Todesart  auszuschliessen.  Des  Gegensatzes  wegen  will  ich  hier  an 
einen,  auch  in  anderer  Beziehung  sehr  merkwürdigen  Fund  erinnern,  den  ich  in 
der  Sitzung  vom  19.  Januar  1884  (Verhandl.  S.  53,  Taf.  II)  eingehend  beschrieben 
habe.  In  dem  Burgwull  von  Ketzin  an  der  Havel,  in  der  Nähe  von  Potsdam^ 
wurden  an  einer  Stelle  3  Schädel  mit  Unterkiefern,  und  ausserdem  2  einzelne 
Unterkiefer   gefunden;    alle    weiteren  Skeletknochen    fehlten.     Es    blieb   mir   kein 


(149) 

Zweifel,  „dass  wir  es  hier  mit  den  abgeschlagenen  Köpfen  von  Männern  zu  thnn 
hatten,  deren  Körper  nicht  mit  an  die  Stelle  gebracht  wurden,  wo  man  schliesslich 
iiie  Köpfe  einscharrte*^.  Deutliche  Uiebyerletzungen  um  das  grosse  Hinterhaupts- 
loch und  an  den  Unterkiefern  lieferten  den  Beweis,  dass  die  Köpfe  gewaltsam  ab- 
geschlagen waren.  Sie  glichen  darin  anderen  Schädeln,  die  ich  früher  beschrieben 
hatte  und  die  ich  kurz  aufzählte.  Hier  haben  wir  also  ein  Beispiel,  das  sich  einer- 
seits durch  den  Mangel  zugehöriger  Skcletknochen  dem  Quedlinburger  Funde, 
wenigstens  dem  ^einsamen ^  Schädel  anschliesst,  andererseits  durch  die  occipitalen 
Verletzungen  sich  gänzlich  daron  unterscheidet. 

Betrachten  wir  nunmehr  die  beiden  Quedlinburger  Schädel  etwas  näher: 
1.  der  nach  Annahme  der  Finder  zu  dem  Gerippe  gehörige  Schädel 
(Fig.  17),  zu  dem  ein  passender  Unterkiefer  nicht  yorhanden  ist,  erweist  sich  als 
«in  annähernd  ausgebildeter  Kephalone:  seine  Gapacität  beträgt  1555  ccm, 
sein  Horizontal-Umfang  570  mm,  der  rerticale  333,  der  sagittale  396,  seine  hori- 
zontale Länge  194,  seine  grösste  Breite  163,  seine  gerade  Höhe  138,  seine  Stirn- 
breite  (minimale)  107  mm.  Daraus  berechnen  sich  ein  stark  brachycephaler 
(84,0)  Breiten-  und  ein  ausgesprochen  orthocephaler  (71,1)  Höhen-Index.  Der 
Schädel  besitzt  gewaltige  Stirnhöhlen,  denen  ein  starker  Stimnasenwulst  ent- 
spricht (Fig.  17—19)'). 

Fig.  17.    Vs 


Der  Schädel  hat  einem  alten  Manne  angehört:  der  Oberkiefer  ist  ganz  zahnlos; 
nur  die  Alreole  des  rechten  mittleren  Schneidezahnes  ist  erhalten  und  zeigt  eine 
ungewöhnlich  gerundete  Form.  Einige  andere  Vorderzähne  sind  später  ausgefallen 
and  haben  nur  zertrümmerte  Alveolen  hinterlassen.  Alle  anderen  Zähne  scheinen 
vor  längerer  Zeit  verloren  gegangen  zu  sein:  die  Alveolen  der  linken  Backzähne 
sind  gänzlich  obliterirt  und  der  ganze  Alveolarfortsatz  bis  auf  einen  niedrigen 
Rand  geschwunden.  Auch  von  diesem  fehlt  rechts  ein  Stück  wegen  Zertrümmerung 
der  Kieferhöhle.  Von  den  Nähten  in  der  Schläfengegend  sind  nur  die  Sut.  spheno- 
temporales  erhalten;  alles  Andere  ist  synostotisch  (Fig.  17).  Dafür  ist  der  obere 
Theil  der  Schläfengegend,  soweit  die  Sut.  coronaria  noch  offen  ist,  bombenförroig 
ausgeweitet.  Von  der  Pfcilnaht  ist  nur  das  vordere  Dritttheil  noch  vorbanden 
(Fig.  18).  Die  Lambdanaht  beginnt  gegen  die  Spitze  hin  zu  verstreichen.  Ueber 
der  Spitze  befindet  sich  eine  mediane  Vertiefung.  Rechts  eine  Spur  der  Sni 
iransv.  occipitis.    Die  Plana  temporalia  gehen  weit  in  die  Höhe  bis  über  die  Tub. 

1)  Die  Schädel  sind  von  Hm.  Heibig  nach  der  geometrischen  Methode  gezeichnet. 


(140) 
Zusammensetzung  der  in  Alkohol  löslichen  Substanz  in  Procenten: 


Nr.  III      Nr.  IV   i    Nr.  V    I   Nr.  VI      Nr.  VH 


Direct   in   Aether   lösliche   Substanz 
(NeutTÄlfett) 

Nach  dem  Ans&uem  in  Aether  lösliche 
Substanzen  (Fetts&urcn) 

Harzartige  Substanz 


14,3     I        7,2 


2,3 


0,9 


14.1 


76,4 
14,3 


86,2  66,4 

6,6  31,8 


92,6  79,9 

7.4  7,0 


In  allen  Fällen  war  also  die  Quantität  der  harzartigen  Substanz  sehr  geringe 
einigennaassen  erheblich  nur  in  der  Masse  aus  Fall  V,  die  mir  aber  ihrer  Herkunft 
nach  nicht  vollständig  sicher  erscheint.  Auch  in  diesem  Falle  war  ihre  Quantität 
erheblich  kleiner,  wie  bei  dem  Inhalt  aus  dem  Mumienkopfe  der  ersten  Untersuchung. 
Ferner  fehlte  die  harzartige  Substanz  auch  in  dem  Alkohol-Auszuge  der  Masse  aus 
Peruanischen  Mumienköpfen  nicht  ganz. 

Die  Beschaffenheit  der  harzartigen  Substanz  war  in  allen  Fällen  dieselbe:  eine 
spröde,  bräunlich  gefärbte,  durchsichtige  Masse.  Erwähnenswerth  ist  Tielleieht 
noch,  dass  das  ^Neutralfett^  in  allen  darauf  untersuchten  Fällen  eine  sehr  starke 
Cholesterin-Reaction  gab. 

Nach  dem  Resultat  dieser  Untersuchungen  liegt  kein  zwingender  Orund  zu  der 
Annahme  vor,  dass  in  den  untersuchten  Fällen  Harze  in  die  Schädelhöhle  hin- 
eingebracht worden  sind.  Es  scheint  mir  sehr  wohl  möglich,  dass  die  kleine 
Quantität  harziger  Substanzen  im  Laufe  der  Zeit  aus  Gehim-Bestandtheilen  selbst 
entstanden  ist.  Verharzungen  gehören  in  der  organischen  Chemie  zu  den  ge- 
wöhnlichsten Erscheinungen;  allerdings  sind  dabei  meistens  starke  Reagentien  im 
Spiele,  es  ist  jedoch  sehr  wohl  denkbar,  dass  die  Länge  der  Zeit  die  Mitwirkung 
starker  Reagentien  ersetzt.  — 


(24)  Hr.  R.  Yirchow  bespricht,  unter  V^orlegung  der  neuerdings  eingesendeten 
Knochentheile,  folgende  Mittheilung  des  Hm.  Ober-ßürgermeisters  Brecht,  d.  d. 
Quedlinburg,  17.  December  1896,  über  eine 

Ant^^abnng  auf  der  Hoorsehanze  bei  Quedlinburg. 

Die  im  Eigenthum  der  Stadt  Quedlinburg  befindliche  Moorschanze,  ein  Hügel 
von  40  m  unterem  Durchmesser  und  etwa  5  m  Höhe,  liegt  1  km  südlich  von  Quedlin- 
burg, hart  am  rechten  Rande  des  etwa  20  m  hohen  diluvialen  Bode-Ufers. 

In  der  Voraussetzung,  dass  der  Hügel  ein  vorgeschichtliches  Grab  berge« 
wurde  die  Ausgrabung  beschlossen  und  nach  Anweisung  des  Prof.  J.  Schmidt, 
Directors  des  Provinzial-Museums  zu  Halle,  am  11.  August  1896  mit  der  Ziehung 
eines  Grabens  von  1,90  m  Sohl  breite  von  ONO.  nach  WSW.,  nach  der  Mitte  zu,  be- 
gonnen. Der  Graben  wurde  bis  auf  den  gewachsenen  Boden  ausgebracht,  der  ans 
Kies  mit  einem  etwa  5  cm  starken  Lehmüberzuge  bestand  und  am  Rande  des 
Hügels  1,34  m  unter  der  gegenwärtigen  Höhe  des  Ackers  ermittelt  wurde.  Es 
zeigte  sich  nlsbald,  dass  der  Hügel  von  diesem  Urboden  ab  künstlich  auf- 
geschüttet ist. 

Nahe  am  Rande,  55  cm  unter  der  Oberfläche,  fanden  sich  die  Bruchstücke 
eines  gerauhten  Latene-Gefässes,  nehralich  der  runde  Boden  von  10  cm  Durch- 
messer und  einige  Theile  der  Wandungen;  daneben  das  Bruchstück  einer  roh  ge- 


(141) 


brannten  Tasse  von  unbestimmbarem  Alter  (Fig.  1).  In  der  Aufschüttung,  in  der 
man  die  Schichten  verschiedener  Erdgattungen  unterscheiden  konnte,  fanden  sich 
dann  verschiedene  kleine  Scherben  mit  Stich-  und  Schnittverzierung  aus  der  jüngeren 
Steinzeit  (Pig.  2  —  4),  und  ein  10*/,  cm  langes,  schräg  zageschlififenes  Stück  eines 
Böhrenknochens.  Als  sich  der  Graben  dem  Mittelpunkte  des  Hügels  auf  6  m  ge- 
nähert hatte,  fand  sich  1  m  unter  der  Oberfläche,  unter  einem  fast  verrotteten  Bohlen- 
atücke  von  1  m  Länge,  40  cm  Breite  und  6  — 10  cm  Dicke,  ein  gut  geformtes  und 
gebranntes,  gehenkeltes  Oefäss  (Pig.  5)  von  14  ein  oberem  Durchmesser  und  Ty^  cm 
Höhe,  aus  der  frühen  Bronzezeit,  das  weiter  keinen  Inhalt  hatte,  als  das  ein- 
gedrungene morsche  Holz. 


FiR.  1. 


Fig.  B. 


Fig.  2. 


Fig.  5.     Va 


Fig.  4. 


Nahe  dem  Mittelpunkte  des  Hügels  wurden  3,15  m  tief  einige  wagerecht  liegende, 
sehr  gewölbte  Scherben  angetroffen,  ohne  Verzierung  und  ohne  ausgeführte  Form, 
die  einem  amphorenartigen  Gefässe  angehört  haben  können,  aber  ein  Ganzes  nicht 
liefern. 

Neben  dieser  Stelle  und  unmittelbar  am  Mittelpunkte  des  Hügels  wurde  die 
hier  sehr  kiesige  Aufschüttung  durch  einen  tiefschwarzen,  ganz  mit  Asche  und 
vielen  kleinen  Kohlenstücken,  verrotteten  Holzstückchen  und  Thierknochen  durch- 
setzten £rdkörper  von  modrigem  Gerüche  abgelöst.  Dieser  Erd-Aschenkörper  lagerte 
auf  dem  Urboden.  Seine  Höhe  war  1,90  m;  am  Rande  verringerte  sich  die  Höhe 
und  lief  theilweise  in  Null  aus.  Die  ostwestliche  Ausdehnung  betrug  7,5  m,  die 
südnördliche  5  m. 

Am  Ostende  dieses  Aschenkörpers  fand  sich  in  der  Mitte  des  Hügels  auf  dem  Ur- 
boden, der  hier  5,53  m  unter  der  Oberfläche  des  Hügels  lag,  eine  Art  von  Stein  bau 
(Pig.  6)  aas  9  unbehauenen  Geschiebe -Steinen,  in  der  Stärke  von  15  X  20  bis 
50  X  70  cm.  Die  Steine  lagen  in  der  Form  eines  Hufeisens,  dessen  Schenkel  etwas 
auseinandergezogen  waren,  die  offene  Seite  nach  Westen  (Fig.  7).  Die  Schenkel 
entfernten  sich  von  einander  bis  auf  I  m;  nicht  ganz  so  gross  war  die  Tiefe  der 
Figur.  Der  zweitgrösste  (38  X  58  cm)  der  Steine  stand  aufrecht,  gegenüber  der 
offenen  Seite  in  der  Mitte  (6);  über  ihm  lag  der  grösste  (</).  Die  anderen  lagen 
anregelmässig  neben  einander. 

Am  Ende  der  beiden  Schenkel  der  Figur  fand  sich  je  ein  Pferde- (?)  Kiefer.  Der 
auf  dem  Südende  lag  unter  einem  Steine  über  Rohlenstückchen;  der  auf  dem  Nord- 
ende lag  zwischen  zwei  Steinen  über  und  unter  Stückchen  von  Kohlen  und  ver- 
modertem Holze.    Die  Riefer  lagen  60  cm  von  einander  entfernt.    Unter  einem  der 


(142) 

Steine  lag  -ein  Knochenstück.    Die  Aschen-Erdschicht  überragte  den  höchsten  Stein 
um  1,30  m, 

Fig.  6. 


Durchschnitt  in  der  Richtung  SO.— NW. 

H,  Husarenstieg,  OL  gelber  Lehm,  U,  Drboden,  A.  Asche, 

a  Steinpackong  mit  Pferde- (?)  Kiefern,  b  Einzelschftdel,  c  Gerippe. 


Fig.  7. 


a  anirecht  stehender,  h  darfiber  liegender  Stein. 

Beim  weiteren  Abban  des  Aschen-Erdkörpers  von  Ost  nach  West  fanden  sich 
rerschiedene  Nester  von  bräunlicher  und  röthlicher  Erde,  zahlreiche  Holzreste, 
Knochen  und  Kohlenstückchen  (Fig.  8,  A.A,)^  Höhinngen  von  25 — 75  cm  Darch» 
messer,  nur  theilweise  mit  ganz  lockerer  Erde  und  Knochenresten  ansgefttUt 

Auch  fand  sich  ein  Erdenkloss  mit  dem  schönen  Abdrucke  eines  (Eichen-?) 
Blattes.  Als  die  Abräumung  2  m  weit  von  der  Steinsetzung  vorgeschritten  war, 
zeigte  sich  eine  2,60  m  lange,  von  1,20  m  Höhe  über  dem  Urboden  im  Sttden  bis 
65  cm  über  dem  Boden  im  Norden  streichende  Höhlung,  die  in  dem  oberen,  1,50  m 
langen  Theile  unregelmässig  gekrümmt  war  und  bis  zu  15  cm  Durchmesser  hatte, 


(143) 

in  dem  unteren  Theile  aber  geradlinig  war  und  10  cm  Durchmesser  hatte.   Der  obere^ 
Theil  der  Höhlung  zeigte  an  der  oberen  Fläche  yiele  von  der  Erde  festgehaltene^ 

Fig.  8. 


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Aosscbacbtang  der  Moorsohanze,  Horisontal-Ansicht 
A.  Aschenerde  mit  Kohlen,  Knochen  und  Holzresten,  St  u,  Pf.  8teinpackung  mit  Pferde- (?)- 

Kiefern,  S.  Einzelschädel,  0.  Gerippe. 


Fig.  9. 


Knochenspuren,  der  untere  viele  Holzreste.  30  cm  unter  dem  oberen  Theile  war 
eine  etwa  30  cm  tiefe,  20  cm  hohe  und  35  cm  lange  Höhlung,  in  der  sich  viele 
Knochen,  eine  Scherbe  mit  Stich-  und  Strich -Verzierung 
(Fig.  9)  und  ein  Erdenkloss  mit  dem  gut  erhaltenen  Ab- 
drucke der  Innenfläche  der  Mittelfinger  einer  Hand  fanden. 
50  cm  darunter  war  ein  zusammenhängender,  etwa  70  cm 
langer,  1  mm  starker  Streifen  von  Knochenstoff. 

Bei  der  Weiterarbeit  in  der  Richtung  nach  Westen 
traf  man   eine   vom  Urboden   im  Winkel  von  etwa  50*^ 

von  Ost  nach  West  bis  70  cm  unter  der  Oberfläche  des  Hügels  aufsteigende,  2  m 
lange  Röhre  von  50  cm  Durchmesser,  die  mit  ganz  lockerer  Aschenerde  gefüllt, 
war,  und  daneben  eine  andere,  nach  Süden  herumgehende,  von  2  m  Länge  und. 
10  cm  Durchmesser  mit  lockerer  Asche  und  verbrannten  Knochen. 


(144) 

VoD  dem  unteren  Anfange  dieser  Röhre  1,20,  Ton  der  2,60  lan;^n  Höhlung 
],5U  und  von  der  Steinsetzung  3,50  in  entfernt  und  tod  ihr  in  westlicher  Richtung, 
fand  sich  dann  ein  Schädel,  der  nai^h  der  BlosBlefZung  gelb  war,  alsbald  aber 
roth  wurde. 

Fig.  10. 


MoDTSchanie  bei  Quedlinburg. 
Anfuabme  :aufV(  verkleinert)  von  N.,  etwa  3,5 'n  über  dem  Schädel 

nu<l  3,5  m  tod  ihm  entfernt. 
Der  Schädel  lag  auf  einer  etvs  15  im  starken  Schiebt  Thoncrde, 
welche  auf  den  Urbodcn  aiifgetragon  war.     Diesir  Anftraf;  ist 
bis  anf  eine  geringe  Entfernung  viun  Schädel  entfernt,  nm  den 
Urhodcii  eichtliar  zu  machen.    Daher  der  Kreis  nin  den  Schädel, 

Der  Schiidol  war  von  einer  15  cm  starken  thonigen  Enischicht  unterbettet,  die 
iJirerscits  iiuf  dem  Urboden  lag.  Mit  einer  gleichen  Schicht  war  er  au<-h  bedeckt 
Der  Aschen-Erdbörper  über  dem  Schädel  war  1,90  ui  hoch.  Darüber  war  noch 
2,80  ni  Aufachilttung.  Der  Schädel  hattu  Rückenlage,  mit  der  Richtung  genau  nach 
"West.  Die  Achse  war  aber  nicht  wagerecht,  sondern  in  einem  Winkel  von  20"  nach 
hinten  (Osten)  geneigt.    HO  cm  um  den  Schüdel  herum  war  diu  Aschenerde  besonders 


(145) 

reich  sd  reiner  Asche,  Knochen  nnd  KohlenstUckchen.  la  der  Asche  über  dem 
Schädel  lagen  mehrere  Scherben,  darunter  zwei  mit  Stich-Yerziernnf?  (Fig.  12,  a,  b); 
awei  andere  mit  Stich- Verzierung  (Fig.  13,  a,  i)  and  eine  mit  Zickzack -Terzierung 
(Fig.  14)  fanden  sich  in  der  Nähe;  doch  ist  es  nicht  sicher,  ob  sie  nicht  von  der 
AnfschUttang  herantergerallen  waren.  Ton  dem  Schädel  in  seiner  Lage  'worden 
Photographien  aufgenommen  (Fig.  10  nnd  11). 

Fig.  U. 


Moorschanie  bei  Quedlinburg. 

Der  Sch&del  lag  4,80  m  tief  unt^r  einer  1,90  m  hohen  Aschen- Erdsciücht. 

Die  Anrnbhme  ist  von  Osten  «la  erfolgt,  etwK  1,60  in  aber  dem  Sch&dol  - 

nnd  7  m  ron  ihm  entfernt. 


Pig-  12. 


Fig.  13. 


Bei  der  weiteren  Entfernung  der  Aschen-Erdschicht  fand  sich  2,50  m  von  dem 
Einzelscbädel  in  wcststldwestt icher  Richtung  ein  auf  dem  Urboden  lagerndes  Ge- 
rippe. Die  Aschen-Erdschicht  über  diesem  Gerippe  betrug  1,90  m,  wnrde  in  der 
Umgebung  nach  Süd,  West  und  Nord  aber  niedriger  und  verlief  sich  in  einer  Ent- 
fernung von  2 — 3  m.  Die  Entfernung  ron  dem  Gerippe  bis  zur  Oberfläche  des 
Hügels  betrag  4,70  m. 

Das  Gerippe  lag  in  Rackenlage  mit  dem  etwas  nach  links  geneigten  Kopfe 
nach  Westen.    Schädel  mit  Unterkiefer,  Rippen  nnd  Becken  waren  in  der  richtigen 

Vubudl.  dtr  BarL  ABlIinpaJ.  GHallicbift  139;.  10 


(146) 

Lage;  die  Annknochen  schienen  über  der  Brost  gekreuzt  gewesen  zu  sein.  An 
das  Becken  schloss  sich  nur  eine  Lage  von  Knochen  an,  so,  als  seien  die  Unter- 
schenkel unter  die  Oberschenkel  geschlagen.  Die  ganze  Länge  des  Gerippes  betrog 
95  cm. 

Nadhdem  sämmtHche  Knochen  aus  der  lockeren  Erde  hervorgenommen  waren, 
ergab  sich,  dass  verschiedene  Knochen  zur  Vollständigkeit  eines  Menschen-Gerippes 
fehlten,  andere  überreich  vorhanden  waren  und  das  Gerippe  aus  den  Knochen  von 
3  oder  mehr  Menschen  zusammengesetzt  gewesen  war.  Es  fand  sich  1  Schädel 
mit  nicht  zugehörigem  Unterkiefer,  2  rechte  und  1  linkes  Oberarmbein,  2  ver- 
schiedene Ellen,  6  Speichen,  9  Rippen,  2  Lendenwirbel,  1  Kreuzbein,  2  Hälften  des 
Beckens,  2  verschiedene  Oberschenkel -Knochen,  2  verschiedene  Schienbeine, 
3  Wadenbeine  und  ein  anderer  Röhrenknochen.  Auf  dem  Urboden  in  der  Um- 
gebung des  Gerippes  waren  Spuren  von  verrottetem  Holze  und  ganz  kleinen 
Knochenresten;  grössere  Knochenreste  und  deutliche  Asche  fehlten  hier. 

Im  Norden  des  Gerippes  wurde  gefunden: 

a)  im  Abstände  von  25  cm^  aber  80  an  höher  als  das  Gerippe,  der  Abdruck 
eines  Pferdehufes  in  thoniger  Erde, 

b)  im  Abstände  von  1,45  tr,  aber  1,20  m  höher  als  das  Gerippe,  ein  hammer- 
ähnlicher, unbehauener  Stein  von  22  cm  Länge  (Fig.  15),  10 — 6  cm  Breite 
und  4V8 — 3  cm  Dicke  und 

c)  im  Abstände  von  2,50  m,  aber  1,50  m  höher,  als  das  Gerippe,  ein  Schweine- 
kiefer. 

In  der  Nähe  dieser  Gegenstände  traf  man  auch  eine  Scherbe  mit  Schnitt-  und 
Strich-Verzierung  (Fig.  16). 

Fig.  14.  Fig.  15.  Fig.  16. 


Todten-Umeu  und  Beigaben  der  üblichen  Art  standen  im  Umkreise  von 
0,70 — 3,50  m  von  dem  Gerippe,  wie  auch  von  dem  Einzelschädel,  nicht  Der  Ur- 
boden war  an  der  Stelle  des  Einzelschädels  um  34  cm  höher,  als  an  der  Stelle  des 
Gerippes,  und  20  cm  höher,  als  an  der  Stelle  des  Steinbaues.  — 

Hr.  It  Virchow:  Schon  in  seinem  ersten  Begleitschreiben  hatte  Hr.  Brecht 
auf  die  Hauptpunkte  des,  wie  er  sich  ausdrückte,  „ziemlich  räthselhaften^  Eigeb- 
nisscs  der  Untersuchung  hingewiesen:  „auf  der  höchsten  Stelle  des  Urbodens  ein 
einsamer  Schädel,  3'/,  m  nach  Osten  eine  Art  von  Steinbau  mit  zwei  Pferde- 
Kiefern,  2'/,  m  nach  Südwesten  ein  aus  Knochen  von  mehreren  Menschen 
sorgsam  zusammengesetztes  Gerippe;  über  dem  Allen  eine  1,90  m  hob« 
Schicht  von  Erde,  die  mit  Asche  und  Resten  von  Knochen,  Holz  und  Kohlen  gani 
durchsetzt  war,  und  dabei  keine  Spur  von  Leichenbrand,   keine  Urne,  keine  Bei- 


(147) 

gaben. ^  Er  erwähnte  zugleich  die  Meinung  des  bei  der  Ausgrabung  zugezogenen 
Hrn.  J.  Schmidt,  dass  möglicherweise  der  Hügel  gar  nicht  als  Todtenhögel  auf- 
getragen sei. 

In  einem  neueren  Begleitschreiben  vom  16.  Februar,  bei  üebersendung  der 
Knochen,  betont  er  mit  Recht  die  y,ausserordentliche  Verschiedenheit  in  der  Ge- 
stalt der  beiden  Schädel^.  Er  erwähnt  zugleich,  dass  Hr.  Weinhold  in  seiner 
Abhandlung  über  die  heidnische  Todtenbestattung  in  Deutschland  einige  analoge 
Funde  anführe,  nehmlich  aus  einem  Hügelgrabe  bei  Olmütz  die  Knochen  zweier 
Skelette,  zu  einem  Gerippe  vereinigt^  mit  nur  einem  Schädel,  und  aus  einem  Hügel- 
grabe bei  Kanis  nur  4  Schädel.  In  dem  vorliegenden  Falle  „scheine  das  künstlich 
zusammengesetzte  Gerippe  einen  zuverlässigen  Beweis  des  Skeletirens  zu  er- 
geben**. 

Bei  dem  Auspacken  und  Ordnen  der  Knochen  war  begreiflicherweise  meine 
Aufmerksamkeit  vorzugsweise  diesem  „Gerippe"  zugewendet.  Es  fand  sich,  dass 
die  osteologische  Bestimmung  der  einzelnen  Knochen,  sowie  die  Angaben  über 
ihre  Zahl  zutreffend  waren.  Schon  aus  dieser  letzteren  folgt,  dass  einzelne 
Knochen,  wie  der  Radius,  in  6,  ein  Paar  andere  in  je  3  Exemplaren  vorhanden 
waren,  so  dass  also,  die  Zusammengehörigkeit  von  je  2  vorausgesetzt,  doch  Be- 
standtheile  von  2,  ja  einmal  von  3  Gerippen  vorliegen  mussten.  Allein  die  genauere 
Betrachtung  erwies,  dass  die  Voraussetzung  von  je  2  zusammengehörigen  Knochen 
nicht  zulässig  ist,  dass  vielmehr  eine  fast  allgemeine  Discordanz  unter  den  ihrem 
allgemeinen  Charakter  nach  gleichwerthig  erscheinenden  Knochen  bestand.  Ich 
gebe  zunächst  eine  kurze  üebersicht  dieser  Gebeine: 

Os  humeri ....    3  Stück  (alle  unter  einander  verschieden), 

ülna 2      „      (sehr  verschieden), 

Radius 6      „      (fast  alle  verschieden,    höchstens  2  zusammen- 
gehörig), 

Os  femoris     ...     2      „      (1  rechtes  und   1  linkes,   aber  verschieden  lang 

und  stark), 

Tibia 1      „      (von  einem  Kinde,  dicl^,  die  Epiphysen  abgelöst), 

„         2      „      (von  Ei;wachsenen,  ganz  verschieden), 

Fibula 3      „      (verschieden), 

Beckenknochen   .     .     2      „      (Seitentheile    von    2  Personen,    an    dem   einen 

eine  ganz  weite  Pfanne  mit  hypcrostotischem 
Rande), 
„  .     .     1      „      (Kreuzbein,    klein,   anscheinend  weiblich,  stark 

gekrümmt,  mit  grossen  Interrertebrallöchern), 

Wirbel 2      „      (lumbare,  vielleicht  zusammengehörend), 

Unterkiefer     ...     1      „      (sehr  klein,  vielleicht  weiblich). 

Es  konnte  daher  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  mindestens  von  3  verschiedenen, 
und  zwar  sowohl  männlichen,  als  weiblichen  Gerippen,  Knochen  da  waren,  ja  sogar 
die  Tibia  eines  Kindes.  Nach  der  Beschaffenheit  der  Radien  mussten  wenigstens 
5  ursprüngliche  Gerippe  benutzt  worden  sein.  Die  mir  zugegangene  Beschreibung 
lässt  nicht  erkennen,  in  welcher  Weise  die  Herstellung  eines  „künstlichen  Gerippes" 
ausgeführt  war.  Wahrscheinlich  waren  die  Knochen  nicht  „zusammengesetzt", 
sondern  nur  in  solcher  Reihenfolge  niedergelegt,  wie  sie  für  die  Herstellung  eines 
Skelets  nothwendig  erschien.  Wäre  ein  vollständiges  Gerippe  (Skelet)  vorhanden 
gewesen,  so  müsste  sich  aus  den  eingesendeten  Knochen  ein  solches  wieder  zu- 
sanunensetzen  lassen;  dies  ist  jedoch  gänzlich  unmöglich,  da  selbst  die  paar« 
weise  vorhandenen  Knochen   nicht   zusammenpassen.     Wenn  man  auf  ein  «voU- 

10* 


(148) 

ständiges^  Gerippe  verzichten  wollte,  würde  nur  ein  Hanfe  von  Gebeinen  übrig- 
bleiben, bei  denen  der  Nachweis  zusammengehöriger  Knochen  nur  für  vereinzelte 
Stücke  zu  liefern  wäre.  Dadurch  wird  auch  die  Möglichkeit  widerlegt,  dass  die 
Knochen  aus  mehreren  Gräbern  gesammelt  und  erst  nachträglich  zusammengelegt 
sind.  Wie  sollte  jemand  auf  den  Gedanken  kommen,  aus  einem  Grabe  ein  rechtes, 
aus  einem  anderen  ein  linkes  Os  femoris  zu  entnehmen  und  beide  „künstlich^  zu  ver- 
einigen? Oder  wie  könnte  im  Ernst  der  Plan  ersonnen  werden,  mit  zwei  Lendenwirbeln 
ein  Skelet  nachzubilden,  während  der  Schädel  ohne  Halswirbel  niedergelegt  wurde? 

Wenn  an  einer  Stelle  neben  einander  eine  Mehrzahl  von  Gräbern  geöffnet  wird, 
so  kann  es  leicht  geschehen,  dass  bei  der  Wiedereinscharrung  der  Knochen  Skelett 
theile  verschiedener  Gerippe  bunt  durch  einander  zusammengelegt  werden.  An 
einem  Orte,  wo  nur  zwei  Schädel  zu  Tage  gekommen  sind,  ist  eine  solche  An- 
nahme, zumal  wenn  es  sich  um  Knochen  von  3  oder  gar  5  Skeletten  handelt,  nicht 
zulässig.  Wo  sollten  die  vielen  fehlenden  Knochen  geblieben  sein?  Dazu  kommt 
ein  anderer  Umstand,  der  von  grosser  Wichtigkeit  ist.  Der  Erhaltungszustand  der 
verschiedenen  Knochen  ist  ein  so  verschiedener,  dass  man  an  eine  einheitliche 
Herkunft  derselben  nicht  denken  kann.  Die  beiden  Schädel  sind  verhältnissmässig^ 
gleichartig  beschaffen.  Sie  haben  jenes  tief  bräunliche  Aussehen,  welches  bei 
Schädeln,  die  nicht  zu  lange  in  der  Erde  gelegen  haben,  häufig  angetroffen  wird. 
Sie  zeigen  auch  jenes  losere  Gefüge  der  oberflächlichen  Theile,  welches  beim 
Eintrocknen  das  Abblättern  der  äussersten  Rindenschicht  bedingt,  und  jenes  vor- 
hältnissmässig  leichtere  Gewicht,  welches  auf  die  Einwirkung  feuchter  Umgebungen 
und  eine  dauernde  Auslaugung  der  Erdsalze  hindeutet.  Ich  kann  ihnen  daher  keine 
sehr  lange  Dauer  der  Bestattung  zuschreiben,  am  wenigsten  eine  Dauer,  die  bis 
in  die  ncolithische  Zeit  zurückreichen  könnte.  Ein  Paar  Jahrhunderte  scheinen 
mir  das  äusserste  Zeitmaass  auszudrücken,  welches  man  ihnen  zugestehen  darf; 
vielleicht  sind  sie  noch  jünger. 

Diesem  Zustande  entsprechen  einzelne  der  anderen  Knochen,  so  namentlich 
das  kleine  Kreuzbein.  Andere  dagegen  sind  ganz  fest,  an  ihrer  Oberfläche  glatt 
und  von  mehr  weisslich-  oder  gelblich-grauer  Farbe,  übrigens  unverletzt.  Sie  sehen 
aus,  wie  regelmässig  macerirte  Knochen,  wie  man  sie  in  anatomischen  Anstalten 
absichtlich  zum  Studium  herrichtet.  Wäre  es  ein  Sachverständiger,  ein  Anatom 
oder  ein  Arzt  gewesen,  der  sie  niedergelegt  hätte,  so  könnten  manche  von  ihnen 
nicht  sauberer  sein.  Ist  es  nun  ganz  undenkbar,  dass  ein  früherer  Besitzer,  der 
sie  zu  wissenschaftlichen  Zwecken  gesammelt  hatte,  sie  schliesslich  hat  vergraben 
lassen,  oder  dass  seine  Erben  oder  Nachfolger  sie  haben  wegbringen  lassen? 
Sollten  auf  der  Moorschanze  Hinrichtungen  stattgefunden  haben,  so  könnte  die 
Gelegenheit,  Gebeine  zu  vergraben,  von  dem  Besitzer  benutzt  sein,  um  sich  der 
nicht  mehr  zu  verwendenden  Theile  zu  entäussern. 

Dabei  bemerke  ich,  dass  Spuren,  die  auf  eine  E^nthauptung  hinweisen,  sich 
nicht  vorfinden,  wie  denn  auch  sonstige  2^ichen  von  Gewalt-Einwirkungen,  die  so 
oft  unter  einer  grösseren  Zahl  von  einzelnen  Knochen  bemerkt  werden,  fehlen. 
Selbst,  wenn  die  Moorschanze  einmal  eine  Richtstätte  gewesen  wäre,  auf  der 
man  die  Hingerichteten  oder  deren  Gebeine  bestattete,  wären  Enthauptung  oder 
Räderung  als  Todesart  auszuschliessen.  Des  Gegensatzes  wegen  will  ich  hier  an 
einen,  auch  in  anderer  Beziehung  sehr  merkwürdigen  Fund  erinnern,  den  ich  in 
der  Sitzung  vom  19.  Januar  1884  (Verhandl.  S.  53,  Taf.  II)  eingehend  beschrieben 
habe.  In  dem  BurgwuU  von  Ketzin  an  der  Havel,  in  der  Nähe  von  Potsdam« 
wurden  an  einer  Stelle  3  Schädel  mit  Unterkiefern,  und  ausserdem  2  einzelne 
Unterkiefer  gefunden;   alle   weiteren  Skeletknochen    fehlten.    Es   blieb   mir   keia 


(149) 


Zweifel,  ,,da8s  wir  es  hier  mit  den  abgeschlagenen  Köpfen  von  Männern  za  thtin 
hatten,  deren  Körper  nicht  mit  an  die  Stelle  gebracht  wnrden,  wo  man  schliesslich 
die  Köpfe  einscharrte*'.  Deutliche  Uiebyerletzungen  um  das  grosse  Hinterhaupts- 
loch und  an  den  Unterkiefern  lieferten  den  Beweis,  dass  die  Köpfe  gewaltsam  ab- 
geschlagen waren.  Sie  glichen  darin  anderen  Schädeln,  die  ich  früher  beschrieben 
hatte  und  die  ich  kurz  aufzählte.  Hier  haben  wir  also  ein  Beispiel,  das  sich  einer- 
seits durch  den  Mangel  zugehöriger  Skcletknochen  dem  Quedlinburger  Funde, 
wenigstens  dem  „einsamen*^  Schädel  anschliesst,  andererseits  durch  die  occipitalen 
Verletzungen  sich  gänzlich  davon  unterscheidet. 

Betrachten  wir  nunmehr  die  beiden  Quedlinbürger  Schädel  etwas  näher: 
1.  der  nach  Annahme  der  Finder  zu  dem  Gerippe  gehörige  Schädel 
(Fig.  17),  zu  dem  ein  passender  Unterkiefer  nicht  vorhanden  ist,  erweist  sich  als 
«in  annähernd  ausgebildeter  Kephalone:  seine  Capacität  beträgt  1555  ccm, 
sein  Horizontal-Umfang  570  mm,  der  verticale  333,  der  sagittale  396,  seine  hori- 
zontale Länge  194,  seine  grösste  Breite  163,  seine  gerade  Höhe  138,  seine  Stirn- 
breite  (minimale)  107  mm.  Daraus  berechnen  sich  ein  stark  brachycephaler 
{84,0)  Breiten-  und  ein  ausgesprochen  orthocephaler  (71,1)  Höhen-Index.  Der 
Schädel  besitzt  gewaltige  Stirnhöhlen,  denen  ein  starker  Stirnnasen wulst  ent- 
spricht (Fig.  17—19)'). 

Fig.  17.    Vs 


Der  Schädel  hat  einem  alten  Manne  angehört:  der  Oberkiefer  ist  ganz  zahnlos; 
nur  die  Alveole  des  rechten  mittleren  Schneidezahnes  ist  erhalten  und  zeigt  eine 
ungewöhnlich  gerundete  Form.  Eünige  andere  Vorderzähne  sind  später  ausgefallen 
und  haben  nur  zertrümmerte  Alveolen  hinterlassen.  Alle  anderen  Zähne  scheinen 
vor  längerer  Zeit  verloren  gegangen  zu  sein:  die  Alveolen  der  linken  Backzähne 
sind  gänzlich  obliterirt  und  der  ganze  Alveolarfortsatz  bis  auf  einen  niedrigen 
Rand  geschwunden.  Auch  von  diesem  fehlt  rechts  ein  Stück  wegen  Zertrümmerung 
der  Kieferhöhle.  Von  den  Nähten  in  der  Schläfengegend  sind  nur  die  Sut.  spheno- 
temporales  erhalten;  alles  Andere  ist  synostotisch  (Fig.  17).  Dafür  ist  der  obere 
Theil  der  Schläfengegend,  soweit  die  Sut.  coronana  noch  offen  ist,  bombenförroig 
ausgeweitet.  Von  der  Pfeilnaht  ist  nur  das  vordere  Dritttheil  noch  vorhanden 
(Fig.  18).  Die  Lambdanaht  beginnt  gegen  die  Spitze  hin  zu  verstreichen.  Ueber 
der  Spitze  befindet  sich  eine  mediane  Vertiefung.  EiCchts  eine  Spur  der  Sni 
transv.  occipitis.    Die  Plana  temporalia  gehen  weit  in  die  Höhe  bis  über  die  Tub. 

1)  Die  Schädel  sind  von  Hm.  Heibig  nach  der  geometrischen  Methode  gezeichnet. 


(150) 

par.  nnd  nach  hinten  bis  an  die  Lambdanaht.  Die  Basis  cranii  ist  sehr  breit  and 
Toll.  Am  Hinterhaupt  tiefe  Muskelzeichnongen.  Das  Foramen  magnum  gross  und 
breit,  etwas  schief,  nach  hinten  etwas  verlängert  (Fig.  19).  Die  Scheitelcanre  stark 
gewölbt  (Fig.  17).     Das  Stirnbein  gross,  breit  und  etwas  flach  gewölbt 

Das  Gesicht  erscheint  im  Ganzen  etwas  reclinirt,  so  dass  der  Al?eolarfortsatz 
nahezu  opisthognath  erscheint.  Bei  der  äusseren  Betrachtung  könnte  man  fast 
glauben,  es  handle  sich  um  jene  basilare  Impression,  wie  ich  sie  bei  nieder- 
ländischen Kephalonen  mehrfach  nachgewiesen  habe;  bei  der  basilaren  Ansicht  ist 
freilich  die  Apophysis  basilaris  ungewöhnlich  breit,  jedoch  nicht  eingedrückt,  und 
die  Proc.  condyloides  liegen  sehi*  weit  auseinander,  aber  sie  stehen  weit  vor  (Fig.  19). 


Fig.  IS.     Vi 


Fig.  19.    V. 


Das  Obei^sicht  ist  niedrig  und  sehr  breit,  die  Stirnnasennaht  von  dem  (freilich 
sehr  defectcn)  Alveolarrande  nur  G7  nun  entfernt.  Die  Kieferhöhlen  gross  und 
blasig  aufgebläht  Die  Orbitac  hoch,  etwas  schräg  gestellt,  Index  80,0,  chamae- 
konch.    Die  Nasenbeine  fehlen,  der  Index  ist  leptorrhin,  45,6.  — 

Der,  wie  es  scheint,  in  der  Nähe  dieses  Schädels  gefundene  Unterkiefer, 
der  sicherlich  nicht  zu  dem  Schädel  gehört,  ist  sehr  klein  und  zeigt  noch  den 
rechten  Weisheitszahn  in  seiner  Alveole  halb  eingeschlossen,  während  der  linke 
fehlt  und  seine  Alveole  trichterförmig  erweitert  und  undeutlich  geworden  ist  Neben 
jtingeren  Zähnen,  namentlich  einem  linken  Schneidezahn  und  3  Praemolaren,  rechts 
eine  ganz  verstrichene  Alveole  und  jederseits  ein  Paar  tiefgraubranner  Wurzel- 
Stummel;  der  linke  Molaris  I  tief  abgenutzt,  von  dem  Mol.  I  rechts  nur  ein  plattet 
Wurzelstück  vorhanden.  Dabei  zeigt  die  KJnngegend  eine  leicht  progenäische 
Bildung.  Alae  sehr  schief  gestellt  Jedenfalls  stammt  dieser  Kiefer  von  einem 
jüngeren  Indi?iduum.  — 

2.  Der  „einsame"^,  gleichfalls  männliche  Schädel  ist  in  den  meisten 
Beziehungen  ganz  verschieden.  Seine  Capacität  beträgt  nur  1348  ccm^  sein 
Horizontal-Umfang  526,  der  verticale  (frontal)  306,  der  sagittale  358,  Stimbreite 
100  mm;  er  misst  in  der  horizontalen  Länge  191,  in  der  grössten  Breite  138,  in 
der  geraden  Höhe   127  mm.     Er  ist  demnach  chamacdolichocephal  (Längen* 


(151) 

oreit«nindex  73,3,  LängenhiJheDindex  66,5),  so  dass  er  lang,  schmal  und  niedrij* 
ansBieht  (Fig.  20).  Da  seine  ziemlich  vollständig  erhaltenen  Zähne  stark  abgenutzt 
sind  (Fig.  22),  so  mnss  anf  ein  höheres  Alter  (^schlössen  werden.  Seine  Ober- 
fläche ist  besser  erhallen,  als  bei  dem  Schädel  Nr.  1 ,  aber  sie  hat  gleichfalls  eine 
tterbrännliche  Farbe. 


Die  Scheitelcnrre  ist  lang  und  flach  (Fig.  20).  Anch  hier  ist  der  mittlere 
Abschnitt  der  Sagittalis  verstrichen  (Fig.  21),  der  vordere  im  Verstreichen;  die 
Obliteration  ist  in  diesem  Falle  vielleicht  schon  in  der  Jugend  geschehen.  Alle 
übrigen  Nahte  sind  offen.  Im  oberen  Abschnitte  der  Lambdanafat  einige  Schalt- 
knocben  (Fig.  21);  über  derselben  ein  deutlicher  Absatz,  durch  stärkere  Answölbung 
der  Hinterhanptsschuppe  bedingt  (Fig.  20).  Die  Stirn  flachgewölbt,  etwas  znrtlckgelegt, 
mit  kleinen  Tubera  supraorbitalia,  aber  stärkerem  Nasen fortsatz,  so  dass  an  der  Sat. 


(152) 


nasofirontalis  ein  tiefer  Absatz  hegt  Die  Basis  lang  nnd  schmal,  Apophysis  breit, 
Proc.  condyloides  weit  ron  einander.  Foramen  magnum  gross,  breit  nnd  mehr  ge- 
rundet (Fig.  22). 

Das  Gesicht  hoch  und  schmal,  leptoprosop  (Index  90,8).  Die  Orbitae  hoch, 
etwas  eckig,  Index  85,7,  hypsikonch.  Nase  sehr  schmal,  stark  vortretend,  in  der 
Mitte  etwas  eingebogen;  Index  41,8,  hyperleptorrbin.  Kiefer  ganz  orthognath, 
Gaumen  lang  und  schmal;  Index  66,0,  leptostaphylin.  Der  Unterkiefer  kräftig, 
die  Aeste  hoch  und  breit,  das  Mittelstück  stark  und  hoch,  das  Kinn  steil,  breit  und 
vortretend  (Fig.  20). 

Dabei  ist  zu  bemerken,  dass  sowohl  der  Schädel,  als  das  Gesicht  etwas  schief 
sind.  Am  Schädel  sieht  man  die  linke  hintere  Seitengegend  etwas  abgeflacht 
(Fig.  21);  die  Nase  steht  mehr  nach  links  (Fig.  21  u.  22).  Daher  passen  die  Längs- 
nähte vom  Schädel  und  vom  Gesicht  nicht  genau  auf  einander. 

Eine  Zusammenstellung  der  Messzahlen  und  Indices  eigiebt  folgende  üebersicht: 


Schftdel  ans  der  Moorschanze 
von  Quedlinburg 


Schädel 
Nr.  1  $ 
(bei  dem 
Gerippe) 


I.  Absolate  Hesszahlen. 

Capacität ccm 

GrOsste  horiiontale  Länge mm 

„       Breite ^ 

Gerade  Höhe „ 

Ohrhöhe „ 

Horizontalumfang „ 

Minimale  Stimbreite ^ 

Gesicht,  Höhe  A n 

n        B „ 

Breite  a „ 

n         b , 

»         c , 

Orbita,  Höhe , 

,    ,  Breite « 

Nase,  Höhe „ 

n    ,  Breite „ 

Gaumen,  Länf^c „ 

,      ,  Breite 


n.  Berechnete  Indices. 


L&ngenbre  itenindex 
Längenhöhenindex 
Ohrhöhenindex  .  . 
Gesichtsindex.  .  . 
Orbitalindcx  .  .  . 
Nasenindex.  .  .  . 
Gaumenindex.   .   . 


1555 
194 
163 
138 
109 
570 
107 

67 
144 

97 

32 
40 
57 
26 


84,0 
71,1 
56,1 

80,0 
46,6 


Schädel 
Nr.  2  $ 

(einsam) 


1348 

191 

138 

127 

108 

526 

100 

119 

74 

131 

92 

95 

86 

42 

55 

23 

56 

37 


72,3 
66,5 
66,4 
90,8 
85,7 
4L8 
66,0 


(153) 

Die  indiridaellen  Eigenschaften  der  beiden  Schädel  sind  gross  genug,  um  den 
Gedanken  an  die  Zugehörigkeit  derselben  zu  verschiedenen  Stämmen  zu  recht- 
fertigen. Ich  muss  jedoch  hervorheben,  dass  ein  solcher  Gedanke  nur  gegenüber 
von  „reinen^,  d.  h.  unvermischten,  Stämmen  zulässig  ist,  dass  er  aber  auf  Nationen 
oder  Völkerbünde  oder  gemischte  Stämme  nicht  ohne  Weiteres  angewendet  werden 
darf.  So  habe  ich  früher  durch  eine  umständliche  Untersuchung  nachgewiesen, 
dass  in  Holland  und  den  angrenzenden  deutschen  Gebieten  in  grosser  Häufigkeit 
Verhältnisse  vorkommen,  die  der  Annahme  einer  Mischung  verschiedener  Stämme 
sehr  günstig  liegen,  sich  aber  auch  durch  die  Annahme  weitgehender  Variation  er- 
klären lassen.  Ich  verweise  auf  meine  „Beiträge  zur  physischen  Anthropologie 
der  Deutschen,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Priesen"  (Berlin  1876),  speciell 
auf  8.  356  u.  folg.,  sowie  auf  die  sich  daran  schliessenden  „weiteren  Mittheilungen 
über  friesische  und  niederländische  Schädel"  in  den  Monatsberichten  der  Königl. 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  vom  2.  November  1876,  S.  622  u.  folg.  Der 
kephalonische  Schädel  Nr.  1  und  der  chamaecephale  Nr.  2  aus  der  Moorschanze 
von  Quedlinburg  legen  die  Vergleichung  sehr  nahe.  Es  bedarf  wohl  nur  einer  Er- 
innerung an  das  wiederholt  von  mir  erörterte  Friesenfeld  (Frisonovelt)  am  Ost- 
harze (Verh.  Bd.  XVII,  S.  67,  566,  und  Bd.  XX,  S.  511),  um  auch  eine  historische 
Unterlage  für  eine  thatsächliche  Beziehung  einer  bis  in  die  merovingische  und 
karolingische  Periode  zurückreichenden  Verwandtschaft  zu  gewinnen.  Indess  ver- 
zichte ich  für  diesmal  auf  eine  weitere  Erörterung,  die  eine  umfassende  Zusammen- 
stellung des  umfangreichen  Materials  an  Schädeln  aus  den  Harzgebieten  nöthig 
machen  würde. 

Dagegen  möchte  ich  einige  Bemerkungen  über  anderweitige  Angaben  des  Hm. 
Brecht  vortragen: 

1.  Die  von  ihm  wiederholt  erwähnten  beiden  Pferdekiefer  haben  sich  bei 
genauerer  Prüfung  als  Rinderknochen  erwiesen.  Hr.  Prof.  Schütz  von 
der  Königlichen  Thierarzueischule  erklärt  dieselben  als  Unterkiefer-Hälften 
eines  kleinen  Rindes.  Auch  das  S.  142  erwähnte  Rnochenstück  ist  die 
Spitze  des  Kronenfortsatzes  eines  solchen  Kiefers. 

2.  Die  in  den  Zeichnungen  (Fig.  1—5,  9,  12 — 14,  16)  nach  Skizzen  des  Hm. 
Brecht  wiedergegebenen  Abbildungen  von  Thonscherben  und  Gefässen 
scheinen  mir  nicht  mit  Sicherheit  auf  neolithische  Geräthe  hinzudeuten. 
Ich  verkenne  nicht,  dass  sie,  namentlich  in  den  Ornamenten,  manche 
Analogie  mit  Gefässen  der  Steinzeit  darbieten.  Aber  für  überzeugend 
vermag  ich  sie  nicht  ohne  Weiteres  anzuerkennen.  Das  Fehlen  wirklicher 
Steingeräthe  fordert  zu  grosser  Vorsicht  auf.  Der  unbehauene,  hammer- 
ähnliche Stein  (Fig.  15)  dürfte  eine  zufällige  Beigabe  eines  natürlichen 
Gebildes  sein. 

Selbst  wenn  man  den  neolithischen  Charakter  der  keramischen  Stücke  an- 
erkennen wollte,  würde  es  doch  unmöglich  sein,  die  Schädel  der  gleichen  Periode 
zuzuschreiben.  Sie  haben  so  sehr  die  Merkmale  einer  mehr  recenten  Herkunft  an 
sich,  dass  man  höchstens  annehmen  dürfte,  die  Schädel  seien  an  einer  Stelle 
beigesetzt,  wo  vorher  schon  Gräber  einer  älteren  Zeit  vorhanden  waren.  Die 
Anhäufung  von  Asche,  Kohlen  und  Knochen  und  die  Steinpackung  könnten  auf 
früheren  Leichenbrand  hinweisen;  indess  hat  keiner  der  Knochen  oder  Schädel, 
welche  ich  beschrieben  habe,  Brandspuren  an  sich.  Die  Auffindung  der  Rinder- 
knochen könnte  als  Beweis  gelten,  dass  hier  eine  Leichenfeier  stattgefunden  hat. 
Da  aber  der  andere,  von  Hrn.  Brecht  (S.  146)  erwähnte  Knochen  sich  nach  der 
Bestimmung  des  Hm.  Schütz  als  die  rechte  Unterkiefer-Hälfte  eines  Hausschweines 


(154) 

erwiesen  hat,  so  müsste  die  Leichenfeier  einer  Bevölkerung  zugeschrieben  werden, 
welche  schon  im  Besitze  der  wichtigsten  Hausthiere  war. 

Eine  vollständige  Auflösung  des  vorliegenden  „Räthsels^  vermag  ich  nicht  zu 
geben.  Ich  möchte  nur  darauf  hinweisen,  dass  bei  der  Grösse  der  Moorschanze 
eine  weitere  Ausgrabung  vielleicht  neue  Anhaltspunkte  für  die  Beurtheilung  des 
höchst  sonderbaren  Befundes  bringen  könnte.  — 

(25)    Hr.  Rud.  Virchow  bespricht 

Schädel  der  Bakwiri,  Kamermi. 

Ein  glücklicher  Umstand  hat  mich  in  den  Besitz  von  2  Schädeln  der  Bakwiri 
gebracht,  jenes  Stammes,  der  den  Südost-Abhang  des  Kamerun-Gebirges  bewohnt. 
Unter  dem  23.  Februar  übersandte  mir  aus  Darmstadt,  wo  er  einen  Theil  seines 
Urlaubes  zubrachte,  Freiherr  v.  Stein,  Lieutenant  in  der  Kaiserlichen  Schutztroppe 
für  Kamerun,  den  Schädel  eines  im  Buea- Kriege,  December  1894,  gefallenen 
Bakwiri-Mannes.  Im  letzten  Sommer  hatte  mir  Hr.  Stabsarzt  A.  Plehn  das  freilich 
sehr  defecte  Skelet  eines  Weibes  von  ßuea  mitgebracht,  das  seiner  Kleinheit  wegen 
meine  Aufmerksamkeit  erregte;  Hr.  v.  Stein  hatte  die  Person  im  Leben  gekannt. 
So  konnte  über  das  Geschlecht  der  beiden  Leute  kein  Zweifel  aufkommen. 

Ich  bemerke  das  ausdrücklich,  da  bei  den  ersten  Dualla-Schädeln  von  Kamerun, 
welche  in  meine  Hände  gelangten,  solche  Zweifel  in  hohem  Maasse  bestanden.  In 
der  Sitzung  unserer  Gesellschaft  vom  23.  April  1887  (Verhandl.,  S.  332)  zeigte  ich 
zwei  solche  Schädel,  welche  Hr.  Zintgraff  eingesendet  hatte.  Beide  hatten  Zettel: 
der  eine  bezeichnete  einen  Schädel  als  den  eines  Mannes,  der  andere  den  zweiten 
als  den  einer  Frau.  Ich  bemerkte  jedoch  dabei:  „Offenbar  sind  dieselben  durch 
irgend  einen  Umstand  verwechselt  worden;  wenigstens  hege  ich  nicht  das  mindeste 
Bedenken,  die  Bezeichnungen  zu  vertauschen.^  So  habe  ich  sie  denn  auch  be- 
schrieben. Die  jetzt  vorliegenden  Schädel  können  das  Bedenken  erregen,  ob  ich 
mich  damals  nicht  getäuscht  habe.  Es  ist  mir  Aehnliches  bei  Schädeln  „wilder* 
Stämme  auch  sonst  begegnet,  und  ich  will  daher  die  Gelegenheit  wahrnehmen, 
um  von  Neuem  zu  grösster  Vorsicht  in  der  Bestimmung  des  Geschlechts  fremd- 
ländischer Völker  zu  mahnen. 

Das  Skelet  der  Frau  von  Buea  kann  annähernd  auf  eine  Höhe  von  1415  mm 
veranschlagt  werden.  Diesem  niedrigen  Maasse  scheint  auch  der  Kopf  (Fig.  2)  zu 
entsprechen,  der  im  Ganzen  klein  und  zart  aussieht.  In  der  That  hat  er  ein  Ge- 
wicht von  nur  537,5  <7,  während  der  weit  kräftigere  und  anscheinend  grössere  Nr.  l 
710,5  g  wiegt.  Aber  die  Capacität  des  ersteren  beträgt  1330,  die  des  letzteren 
1329  ccm,  also  das  gleiche  Maass.  Um  keine  Fehler  zu  begehen,  habe  ich  beide 
Messungen  mit  aller  Vorsicht  wiederholt.  Ich  füge  hinzu,  dass  der  Horizontal- 
Umfang  des  weiblichen  Schädels  492,  der  des  männlichen  500  mm  ergab.  Bei  den 
früheren  Dualla-Schädeln  waren  ähnliche  Verhältnisse  herausgekommen.  Der  nach 
dem  angehängten  Zettel  als  männlich  bezeichnete  hatte  einen  Horizontal  -  Umfang 
von  490  mm  und  eine  Capacität  von  1300  crm,  der  als  weiblich  bezeichnete  ergab 
die  Zahlen  von  562  mm  und  1370  ccm.  Zum  Mindesten  folgt  daraus,  dass  es  bei 
diesen  Leuten  unthunlich  ist,  aus  der  Grösse  des  Horizontal- Um fanges  sichere 
Schlüsse  auf  die  Grösse  des  Schädciraumes  oder  gar  auf  das  Geschlecht  zu  ziehen. 
Dass  von  den  jetzt  vorliegenden  Schädeln  der  scheinbar  kleinere  weibliche  Schädel 
die  gleiche  Capacität  besitzt,  wie  der  anscheinend  viel  grössere  männliche,  erklärt 
sich,  wie  die  genauere  Vcrgleichung  ergiebt,  hauptsächlich  aus  der  viel  kräftigeren 


(155) 

Gesichtsbildnng  des  männlichen  (P)g.  I),   ist  aber  im  Hinblick  aur  ein  weit  ver- 
breitetes Vorartheil  recht  bemerkenswerth. 


Nr.  1.  Der  münnliche  Schädel  (Fig.  I)  erinnert  durch  seine  lange,  scbtiiale 
nnd  hohe  Form  an  die  Stenocephalen  der  Sudsec,  denen  er  auch  durch  seine 
colossale  Prognathie  recht  nahe  kommt.  Seine  Form  ist  orthodolichocephal 
(L.-Br.-I.  70,7,  L.-H.-E.  72,3,  Ohr-H.-I.  62,5).  Die  Länge  wird  durch  das  stark 
hinausgeschobene  Hinlerhaupt  vcrslärkt:  die  gerade  horizontale  Hinterhauptslänge 
beträft  56  mm  —  30,4  pOt.  der  Gesammtlänge.  Die  Scheitetcurve  ist  flach  gewölbt, 
das  Stirnbein  zurückgeschoben,  so  duss  die  Fontanellstcllc  (Bregma)  fast  senkrecht 
über  dem  vorderen  Kande  des  grossen  Hinterhiiuptsloches  steht-  Alle  Nähte  sind 
offen,  nur  die  an  der  vorderen  Fontanellstelle  und  am  Lambdawinkel  einTach. 
Im  hinteren  Abschnitte  der  Sagittalis,  dicht  hinter  den  etwas  schier  gestellten 
Emissarien,  ein  cigenthUmlichcr,  median  gestellter  Höcker:  an  dieser  Stelle  liegt 
jederseits  von  der  erhaltenen  Naht  eine  flache  .Anschwellung,  die  mit  der  jen- 
seitigen eine  leicht  zugespitzte  Erhöhung  bildet.  Auch  die  temporalen  Nähte  offen, 
aber  die  8ut  aphenoterap.  kurz;  rechts  7,  links  9  mm  lang.  Dem  entsprechend  ist 
der  Angalus  parietalis  schmal  und  kurz,  die  Ata  sphenoidealis  stark  eingebogen, 
aber  es  findet  sich  keine  Andeutung  eines  Stirn rorlsatzes,  dugegen  eine  flache  Vor- 
wölbung des  Proc.  tomporalis  vom  Stirnbein.  Die  Plana  temporalia  müssig  hoch. 
Senkrecht  über  die  Squama  tempor.ilis  verlauft  eine  starke  Gefässrinne,  die  bis 
anf  das  Parietale  reicht;  ihr  centrales  Ende  führt  zu  einer  grossen  OeCTnung,  die 
am  hinteren  Ansatz  des  Proc.  zygomaticua  nach  innen  verschwindet.  Auch  die 
Basis  ist  lang  und  schmal;  der  stark  verlängerten  Hlnterhauptsschnppe  entspricht 
ein  langes,  vorn  schmales,  hinten  in  eine  Art  von  Spitze  anagezogenes  nnd 
daher  grob  dreieckiges  Foramen  magnum  von  33  mm  Länge  und  25  mm  Breite: 
Index  75,7. 

Das  Gesicht  erscheint  hoch  und  schmal,  hat  jedoch  einen  mesoprosopen 
Index  ($&,i).  Die  Stirn  hat  ein  fast  weibliches  Aussehen:  die  minimale 
Stimbrette  beträgt  nur  92  mm;  Supraorbitalwülsle  fehlen  fast  ganz,  dagegen  ist  der 
Stirnnasen fortaatz  vorgewölbt,   geht  aber  unmerklich  in  die  flachen  Orbilalränder 


(156) 

über.  Die  Orbitae  sind  gross  und  etwas  schief  diagonal  entwickelt;  ihre  Fissuren 
weit  und  im  Dach  eine  Reihe  Ton  GefUssIöchem:  Index  80,0,  chamaeprosop. 
Wangenbeine  stark,  mit  weit  vortretender  Tuberositas  maxillaris,  aber  die  Joch- 
bogen eher  angelegt;  Tuberositas  temporalis  flach.  Nasenwurzel  sehr  breit,  auch 
die  knöcherne  Nase  im  Ganzen  colossal  breit  und  flach,  so  dass  die  beiden  Nasen- 
beine fast  in  einer  Ebene  liegen;  die  Nasennaht  etwas  gewunden,  nach  unten 
synostotisch.  Die  NasenöfTnungen  gross;  vorzugsweise  breit,  weniger  hoch. 
Nasenindex  63,0,  ultraplatyrrhin.  Oberkiefer  gross,  namentlich  hoch  und  mit 
starkem,  weit  vorgeschobenem  Alveolarfortsatz:  extrem  prognath;  die  Zähne, 
besonders  die  vorderen,  sehr  gross,  beide  mittleren  Schneidezähne  medial  schief 
abgefeilt,  so  dass  zwischen  ihnen  eine  V- förmige  Oeffnung  liegt  Gaumen  lepto- 
staphylin  (Index  70,0).  Unterkiefer  in  der  Mitte  sehr  hoch  und  stark  eingebogen, 
daher  das  breite  Rinn  weit  vorgeschoben;  Seitentheile  unverhUltnissmässig  niedrig, 
mit  tiefem  Absatz  vor  dem  Winkel  (Proc.  lemurianus);  Aeste  sehr  breit 
und  steil.  — 

Nr.  2.  Der  weibliche  Schädel  (Fig.  2)  ist,  wie  gesagt,  sehr  leicht,  aber  von 
derselben  Capacität,  wie  der  schwerere  und  anscheinend  grössere  Schädel  Nr.  1. 
Er  ist  kürzer  und  niedriger,  aber  erheblich  breiter,  als  der  letztere,  so  dass  seine 
Form  ein  chamaemesocephales  Maass  (L.-Br.-I.  75,1,  L.-H.-I.  68,9,  O.-H.-L  59,8) 
ergiebt.  Der  Hinterkopf  ist  viel  kürzer;  er  misst  in  der  Horizontalen  nur  46  mm  s 
25,9  pCt.  der  Gesammtlänge.  Seine  Scheitelcurve  ist  langgestreckt  und  fast  flach, 
nur  zeigt  sich  hinter  der  Coronaria  eine  sattelförmige  Einbiegung;  nach  vom 
und  hinten,  gegen  Stirn  und  Hinterhaupt  ein  schneller  Abfall  mit  stärkerer  Vor- 
wölbung  der  medianen  Theile.  Die  Stirn  ist  ausgemacht  weiblich,  die  Stirn  breite 
wie  bei  dem  Manne,  die  Tnbera  flach  vortretend,  die  Glabella  voll,  gar  keine 
vortretenden  Wülste  am  unteren  Umfange,  Alles  ganz  glatt  und  flach.  Tubera 
parietalia  stärker  entwickelt,  aber  die  grösste  Breite  unter  und  vor  denselben.  Hinter- 
hauptsschuppe breit. 

Alle  Nähte  offen.  Die  Sagittalis  stark  gezackt,  nur  zwischen  den  Emissarien 
einfacher.  Lambdawinkel  flach,  im  linken  Schenkel  ein  viereckiger  Schaltknochen, 
ein  kleiner  an  der  rechten  Fontanelle.  Beiderseits  ein  Processus  frontalis 
squamae  temporalis.  Der  rechte  (Fig.  2)  6  mm  lang  und  vom  ebenso  breit, 
links  etwas  länger  und  schmaler,  darüber  ein  kleines  halbmondförmiges  Epipte- 
ricum.  Die  ziemlich  breiten  Alae  sphenoideales  sind  durch  diese  Fortsätze  von 
den  kurzen  und  stumpfen  Anguli  parietales  ganz  abgetrennt  Die  Proc.  temporales 
der  Stirnbeine  etwas  aufgetrieben,  die  Schläfenschuppen  abgeplattet. 

An  der  langen  Basis  cranii  ein  colossnlcs  Foramen  magnum:  37  mm  lang  und 
31  mm  breit,  Index  83,7,  also  gänzlich  verschieden  von  dem  männlichen.  Die  Proc. 
condyloides  weit  nach  vorn,  aber  mehr  quergestellt.  Das  Hinterhaupt  sehr  dick. 
Der  Proc.  basilaris  breit  und  flach.     Die  Warzenfortsätze  klein. 

Das  seiner  Zeit  zum  Zwecke  einer  Section  abgesägte  Schädeldach  dünn,  mit 
einem  starken  quergeraden  Osteophyt  des  Stirnbeins  und  zum  Theil  der  Seitenwand- 
beine. 

Das  Gesicht  leptoprosop  (Index  91,1).  Wangenbeine  und  Jochbogen  zart, 
wenig  vortretend.  Orbitae  gross  und  hoch,  Index  91,6,  hyperhypsikonch.  Nase 
hoch,  der  lange  Rücken  breit,  abgeflacht,  eingebogen,  Apertur  niedrig  und  breit, 
Index  48,9,  mesorrhin.  Der  Oberkiefer  in  seinem  Körper  zarter,  mit  starkem, 
16  mm  langem,  weit  vorstehendem  Alveolarfortsatz,  äusserst  prognath.  Zähne 
gross.     Der  rechte  obere  Weisheitszahn  ist  im  Durchbrechen,    der  linke  und  die 


(157) 


beiden  unteren  fehlen.  Ebenso  die  lateralen  Schneidezähne  oben  und  der  linke 
Caninus  unten.  Die  medialen  oberen  Schneidezähne  sind  an  ihrer  inneren  Seite 
stark  abgefeilt,  so  dass  sie  eine  V-förmige  Spalte  bilden,  die  namentlich  von 
hinten  her  sehr  deutlich  zu  sehen  ist.  Gaumen  hyperleptorrhin  (Index  62,9).  — 
Der  etwas  plumpe  Unterkiefer  ist  lang  und  dick,  insbesondere  an  d^  Seitentheilen; 
die  Winkel  flach.  Die  unteren  Schneidezähne  stark  prognath,  an  ihrer  Schneide 
durch  tiefe  Einkerbungen  dreigetheilt.  Das  Rinn  zurückstehend;  die  Aeste 
breit,  aber  niedrig  und  schräg  gestellt. 


Bakwiri-Schädel 


Schädel 
Nr.  1  5 


I.  Schädelmaasse. 

Gewicht g 

Capacitftt ccm 

Horizontalumfang mm 

Grösste  horizontale  Länge „ 

n       Breite „ 

Gerade  Höhe 

Ohrhöhe „ 

Hinterhauptslänge „ 

Bünimale  Stimbreite „ 

Foramen  magnum,  Länge „ 

„  9      ,  Breite ^ 

Gesicht  Höhe  A „ 

n        B „ 

Breite  a „ 

.      b 


Orbita,  Höhe  . 

„     ,  Breite. 
Nase,  Höhe    . 

„    ,  Breite  . 
Gaumen,  Länge 
„      ,  Breite 


n.  Berechnete  Indices. 


Längenbreitenindex  . 
Längenhöhenindex  . 
Ohrhöhenindex  .  .  . 
Hinterhauptsindex .  . 
Gesichtsindex.  .  .  . 
Obergesichtsindex.  . 
Orbitalindex    .... 

Nasenindex 

Gaomenindex  .... 
Hinterhanptslochindex 


Schädel 
Nr.  2  $ 


710,5 

537,5 

1829 

1880 

600 

497 

184 

177 

129 

138 

182 

122 

110 

104 

56 

46 

92 

92 

88 

87 

25 

81 

115 

108 

66 

64 

180 

118 

92 

89 

92 

82 

88 

33 

41 

86 

46 

47 

29 

24 

60 

54 

40 

84 

70,7 

75,1 

72,3 

68,9 

62,5 

59,8 

80,4 

25,9 

88,4 

91,1 

50,7 

66,6 

80,0 

91,6 

68,0 

48,9 

70,0 

62,9 

75,7 

88,7 

i 


(158) 

Die  beiden  Schädel  bieten  demnach,  trotz  mancher  Aehnlichkeit  in  gröberen 
Verhältnissen,  eine  ungewöhnlich  grosse  Zahl  von  Verschiedenheiten  dar,  so  gross, 
dass  man  nicht  überrascht  sein  würde,  sie  bei  Leuten  verschiedenen  Stammes  zu 
finden.  Nun  ist  es  ja  nicht  ausgeschlossen,  dass  die  Frau,  obwohl  sie  in  Buea, 
also  mitten  im  Bakwiri-Gebiet,  wohnte,  doch  von  fremdem  Stamme  war,  sei  es, 
dass  sie  als  Sklavin  gekauft  oder  als  Kriegsbeute  erworben  war  Wir  werden 
das  schwerlich  ermitteln  können.  Eine  bloss  geschlechtliche  Variation  ist  nicht 
ohne  Weiteres  zuzulassen.  Das  aufrälligste  Unterscheidungs-Merkmal  zwischen 
beiden  Schädeln  könnte  ja  der  Stimfortsatz  des  Schläfenbeins  sein,  den  das  Weib 
besass,  aber  der  Mann  nicht.  Nun  ist  aber  meines  Wissens  bis  jetzt  gerade  diese 
Variation  (oder  dieser  Atavismus)  bei  Frauen  nicht  häufiger  beobachtet  worden, 
als  bei  Männern.  Ein  Stimfortsatz  an  einem  ausgemacht  prognathen  Ropf  verdient 
sicherlich  mehr  Aufmerksamkeit,  und  das  vereinigte  Auftreten  beider  Anomalien 
bei  demselben  Individuum  könnte  vielleicht  darauf  hinweisen,  dass  in  der  Frau 
wahres  Negerblut  circulirte.  Aber  der  Prognathismus  des  Mannes  ist  nicht  minder 
gross,  als  der  der  Frau.  In  diesem  Punkte  unterscheiden  sich  beide  von  den 
Dualla.     Auch  die  Feilung  der  Zähne  dürfte  hier  zu  er\^'ähnen  sein. 

In  Betreff  der  Schädel indices  gilt  dasselbe.  Meine  beiden  ersten  Dualla-Schädel 
waren  hypsimesocephal  (Verhandl.  1887,  S.  332  —  33).  Auch  aus  den  Messuogen 
des  Hrn.  Zintgraff  an  Lebenden  hatte  ich  ein  mcsocephales  Mittel  berechnet 
(ebcndas.  S.  334).  Ebenso  fand  ich  bei  zwei  Schädeln,  die  Hr.  F.  Plehn  ans  dem 
Dorfe  Mbome  im  Urwalde,  wo  sie  als  Trophäen  aufgehängt  waren,  mitgebracht 
hat,  hypsi-  und  einfach-mesocephale  Indices  (Verhandl.  1891,  S.  291,  294).  Auch 
der  junge  Ekambi,  den  Hr.  Kund  aus  Akwadorf  zu  uns  geführt  hatte,  war  hypsi- 
mesocephal (Verhandl.  1889,  S.  542).  Ich  verwies  daher  auf  die  Bantu-Stämme 
des  Congo-Gebietes  als  nächstverwandte  (ebendas.  S.  545).  Aber  unsere  beiden 
Bakwiri  passen  in  dieses  Schema  nicht.  Der  Mann  war  orthodolichocephal,  die 
Frau  chamaemesocephal.  Der  erstere  ist  daher  in  gar  keine  Parallele  zu  den  auf- 
gezählten Dualla  zu  bringen;  die  Frau  aber,  obwohl  mesocephal,  ist  zugleich  so 
ausgesprochen  chamaecephal,  dass  mir  bis  jetzt  kein  analoger  Fall  aus  der  Kame- 
runer Gegend  vorgekommen  ist.  Ich  trage  daher  grosses  Bedenken,  diese  Ver- 
schiedenheiten auf  bloss  individuelle  Variation  zu  beziehen,  zumal  da  an  den 
Schädeln  ein  besonderer  Grund  der  Variation  nicht  zu  erkennen  ist.  Der  Umstand, 
dass  die  Bakwiri  ein  Gebirgsstamm  sind,  ist  ohne  Weiteres  auch  nicht  genügend, 
um  eine  so  tiefgreifende  Verschiedenheit  von  den  Niederungsstämmen  zu  erklären. 

Hr.  C.  Morgen,  ein  so  erfahrener  Kenner  der  betreffenden  Stämme,  unter- 
schied in  seinem  Vortrage  vom  19.  November  1892  (Verh.,  S.  512)  im  Kamerun- 
Gebiet  zwei,  der  Abstammung  nach  völlig  von  einander  verschiedene  Volksstämme: 
nördlich  vom  5.  Breitengrade  Sudan-Neger,  südlich  davon  Bantu.  Er  erkannte  an, 
dass  vielfache  Vermischungen  beider  vorkommen,  so  ^dass  vielfach  die  ursprfing- 
llche  Abstammung  nicht  mehr  zu  erkennen  ist^.  Wenn  nun  in  unserem  Falle  eine 
solche  Vermischung  nicht  nachgewiesen  ist,  so  will  ich  doch  nicht  verhehlen,  dass 
sie  mir  mehr  plausibel  erscheint,  als  die  blosse  Variation.  Jedenfalls  muss  diese 
Frage  zunächst  ganz  scharf  gestellt  werden.  Es  wird  dann  hoffentlich  nicht  an 
Beobachtern  fehlen,  welche  weiteres  Material  heranbringen,  und  wir  werden  nicht 
verfehlen,  wenn  uns  das  Material  zugeführt  wird,  es  nach  Krallen  zu  verarbeiten. 
Gerade  die  Bergstämmc  und  dann  die  Stämme  des  Hinterlandes  mflssten  zuerst  in 
Angriff  genommen  werden.  Ist  es  doch  einigermaassen  betrübend,  dass  wir  von 
den  Bakwiri,    einem  so  nahe  an   dem  eigentlichen  Kamerun-Gebiete  wohnenden 


(159) 

Stamme,  fast  gar  keine  brauchbaren  anthropologischen  Kenntnisse  besitzen.    Möge 
daher  mein  Aufruf  recht  bald  seine  Wirkung  ausüben!  — 

(26)  Hr.  Preuss  spricht,  unter  Vorlage  zahlreicher  und  sehr  fleissig  ausgeführter 
eigener  Zeichnungen,  über 

kttnstlerische  Darstellnngen  ans  Kaiser  Wilhelms -Land 
und  deren  Beziehnngen  znr  Ethnologie. 

Die   Abhandlung    wird   im   Text   der   „Zeitschrift   für  Ethnologie"    gedruckt 
werden.  — 

(27)  Neu  eingegangene  Schriften: 

1.  V.  Hellwald,  F.,  Die  Erde  und  ihre  Völker.  4.  Aufl.  von  W.  üle.  Lief.  12  u.  13. 

Verlag  der  Union.    1897. 

2.  Bulletins  de  la  Societe  d'Anthropologie  de  Paris.    4.  S^rie.    T.  7.    Fase.  5. 

Paris  1896. 

3.  Records  of  the  geological  survey  of  India.    Vol.  XXVI.    Part  1.    Febr.  1893. 

Calcutta. 

4.  Memoires  de  la  Societe  de  Medecine  ä  Ekaterinoslawe  1895.    (Russisch.) 

5.  Expose  des  travaux  geographiques  ex^cutes  en  Finlande.    Helsingfors  1895. 

6.  Das   öffentliche   Localrauseum   zu   Minussinsk.     1.  und  2.      Tomsk   1886/87. 

(Russisch.) 

7.  Rechenschafts-Bericht  über  das  Localrauseum  von  Minussinsk  f.  d.  Jahr  1892. 

Minussinsk  1893.    (Russisch.) 

8.  Beilage  zum  Rechenschafts-Bericht  des  Minussinskischen  Localmuseums   für 

1^90.     Krassnojarsk  o.  J.     (Russisch.) 
Nr.  1 — 8  durch  Hrn.  R.  Virchow. 

9.  Vestnik  narodopisn^ho  Musea  ceskosloFanskeho.    Öislo  1.    y  Praze  1896. 

10.  Hubert,  F.  A.,  PHspeyky  k  d^jindm  ndrodopisu  ceskoslovanskeho.    1.    v  Praze 

1896. 

11.  Niederle,  L.,   I.    Zpraya  v  cinnosti  narodopisneho  Musea  ceskoslovanskeho. 

V  Praze  1896. 

12.  Derselbe,  Führer  durch  das  cechoslavische  Ethnographische  Museum.   Prag  1896. 

Nr.  9 — 12  Gesch.  d.  Öechosl.  Ethnogr.  Musenms. 

13.  Buschan,  G.,  Körperlänge.     Wien,  o.  J.    (Real-Encyklopädie  der  gesammten 

Heilkunde.    3.  Aufl.)    Gesch.  d.  Verf. 

14.  Herrmann,  P.,  Das  Gräberfeld  von  Marion  auf  Cypern.    Berlin  1888.    Gesch. 

d.  Verf. 

15.  Müller,  Soph.,  Vor  Oldtid.    15.  Levering.    Kjobenhavn  1897.    Gesch.  d.  Verf. 

16.  V.  Török,   A.,   lieber  den  Yezoer  Aino-Schädel.    11.  und  III.  Theil.    Braun- 

schweig 1895/96.     (Arch.  f.  Anthropol.)    Gesch.  d.  Verf. 

17.  Balaw eider,  A.,  Abstammung  des  Allseins.    Wien  1894.    Gesch.  d.  Verf. 

18.  Ploss-Bartels,  Das  Weib.    5.  Aufl.    4.  und  5.  Lief.    Leipzig  1897.    Gesch. 

d.  Verf. 

19.  Alfaro,  A.,  Mamiferos  de  Costa  Rica.    San  Jose  1897.    Gesch.  d.  Verf. 

20.  Behla,   R.,    üeber  Nichtvererbbarkeit   von  Stummelschwänzen   bei  Thicren. 

Berlin,  o.  J.    (Naturwissensch.  Wochenschrift.   XI.   41.) 

21.  Derselbe,  Die  Mondscheibe  in  der  Volks-Phantasie.   München  1896.   (Corresp.- 

Bl.  d.  deutsch,  anthropol.  Ges.) 
Nr.  20  u.  21  Gesch.  d.  Verf. 


(160) 

22.  Hol  ab,   E.,   Die  Greuel  in  Ehodesia.  —  Graf  Berchtold  auf  Borneo.  —  Die 

afrikanische  Seuche.  —  Hungersnoth  in  Süd-Africa.    Wien  1896.    (Neues 
Wiener  Tageblatt,  Nr.  204,  206,  228,  306  u.  318.)    Gesch.  d.  Verf. 

23.  y.  Andrian,   F.,  Ueber  Wort-Aberglauben.    München  1896.    (Corresp.-Bl.  d. 

deutsch,  anthropol.  Ges.)    Gesch.  d.  Verf. 

24.  Vedel,  E.,  Efterskrift  til  Bomholms  Oldtidsminder  og  Oldsager.    Rjebenhavn 

1897.    Gesch.  d.  Verf. 

25.  Kohl,    C,   Nachträge  zu  den  Berichten  über  neue  prähistorische  Funde  aus 

Worms  und  Umgebung.    Darmstadt  1896.    (Quartalbl.  d.  bist.  Ver.  f.  das 
Grossh. -Hessen.)    Gesch.  d.  Verf. 

26.  Zibrt,  C,  0  srovndvacim  studiu  lidoveho  poddni.    v  Praze  1897.    (Öeski  Lid.) 

Gesch.  d.  Verf. 

27.  Pleyte,  0.  M.,  Katalog  Nr.  I.   Verzeichniss  einer  ethnographischen  Sammlung 

aus  der  Südsee,  während  der  Jahre  1880 — 82,  angelegt  vom  General-Oonsul 
0.  Zembsch  in  Apia  (Samoa).    Leiden  1897.    Gesch.  d.  Verf. 

28.  Stieda,   L.,   Aus  der  russischen  Literatur.     Braunschweig,  o.  J.    (Archiv  f. 

Anthropol.,  Bd.  XXIV.)    Gesch.  d.  Verf. 

29.  The  Medico-legal  Journal.   XIV.   No.  1—2.    New  York  1896.    Gesch.  d.  Hm. 

Baron  v.  Landau. 

30.  Bulletin  de  la  Society  Ouralienne  d'amateurs  des  sciences  naturelles.   XVIII.    1. 

Jekaterinenburg  1896.    (Russisch.) 

31.  Bulletins  de  la  Societe  d'anthropologie  de  Paris.   VII.   4.   Paris. 

Nr.  30  u.  31  durch  Hm.  R.  Virchow. 

32.  Heierli,  J.,  und  W.Oechsli,  Urgeschichte  des  Wallis.   Zürich  1896.    (Mitth. 

d.  antiquar.  Ges.  in  Zürich.)    Gesch.  d.  Verlegers. 

33.  Olympia,  Textband  III.    2.     Beriin  1897.     Gesch.  d.  Veriagshandlung. 

34.  Deininger,  J.  W.,  Das  Bauernhaus  in  Tirol  und  Vorarlberg.   I.  Abth.   5.  Heft. 

Wien,  o.  J.    Angekauft. 


Berichtigung: 

Auf  8.  26,  Zeile  1  von  unten  lies  ^»Kraas,  ein  erprobter  Höhlenforscher*'  statt 
»Krauss,  ein  erprobter  Erforscher  altslavischer  Reste". 


Sitzung  Tom  24.  April  1897. 

Vorsitzender:  Hr.  W.  Schwartz. 

(1)  Als  Gäste  sind  anwesend  die  HHm.  Corvetten-Capitän  Eüdiger,  Landes- 
Haaptmann  von  Neu-Goinea;  Dr.  med.  Jacobsthal,  Charlottenbui^;  Dr.  med. 
Däubler,  Berlin.  — 

(2)  Die  Gesellschaft  hat  wiedemm  den  Tod  eines  ihrer  geschätztesten  cor- 
respondirenden  Mitglieder  zu  beklagen:  Dr.  med.  Heinrich  Wankel,  Knappschafts- 
Arzt  in  Blansko,  Mähren,  ist  am  5.  April  in  einem  Alter  von  75  Jahren  gestorben. 
Der  Tod  hat  ihn  von  schwerem  Siechthum  erlöst.  Er  hat  uns  fast  20  Jahre  an- 
gehört,, zuerst  als  ordentliches,  später  als  correspondirendes  Mitglied.  An  den  Con- 
gressen  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  hat  er  wiederholentlich  Theil 
genommen,  so  dass  viele  von  uns  in  persönliche,  freundschaftliche  Berührung  mit 
ihm  getreten  waren.  Für  die  vorgeschichtliche  und  urgeschichtliche  Erforschung 
Mährens  war  er  einer  der  eifrigsten  und  glücklichsten  Vorkämpfer.  Es  braucht 
nur  an  seine  erfolgreichen  Ausgrabungen  in  der  Slouper-  imd  der  B]f6iskdla- 
Höhle,  sowie  des  Mammuthjäger-Lagers  bei  Pfedmost  erinnert  zu  werden.  Jahre 
lang  ist  der  Verstorbene  auch  der  Vorstand  des  Museums  in  Olmütz  gewesen. 
Wir  werden  ihm  ein  ehrendes  Andenken  bewahren.  — 

(3)  Von  unseren  ordentlichen  Mitgliedern  haben  wir  durch  den  Tod  verloren 
den  Geheimen  Regierungsrath  Prof.  Hermann  Weiss  in  Berlin,  den  früheren 
Director  der  königl.  Rupferstich-Sammlung  und  danach  des  königl.  Zeughauses. 
Durch  sein  klassisches  Werk  über  die  Costümkunde  ist  er  allgemein  bekannt 
So  lange  ihn  nicht  ein  schweres  körperliches  Leiden  hinderte,  hat  er  ziemlich  regel- 
mässig an  unseren  Sitzungen  theilgenommen.  Seine  geistige  Frische  hat  er  sich 
trotz  seiner  grossen  körperlichen  Beschwerden  bis  zu  seinem  Tode  erhalten.  Er 
starb  am  21.  April.  Sein  freundlicher  Rath  und  seine  immer  hülfsbereite  Belehrung 
wird  schmerzlich  vermisst  werden.  — 

(4)  Aus  der  Zeitung  wird  uns  das  Dahinscheiden  eines  Mannes  bekannt, 
der  zwar  nicht  Mitglied  unserer  Gesellschaft  war,  aber  vielen  von  uns  in 
freundlichster  persönlicher  Erinnerung  geblieben  ist:  Oberförster  Dr.  Frank  in 
Schussenried  (Württemberg),  f  am  9.  April.  Ihm  verdankt  die  Prähistorie  seines 
engeren  Wirkungskreises  Bedeutendes  durch  die  sorgfältige,  wissenschaftliche  Er- 
forschung des  Pfahlbaues  von  Schussenried.  Als  der  deutsche  Anthropologen- 
Congress  in  Ulm  tagte  (im  Jahre  1892),  hatten  wir  Gelegenheit,  unter  der  sach- 
kundigen Ftlhrung  des  Verstorbenen  diesen  Pfahlbau  zu  besuchen  und  neuen  Aus- 
grabungen beizuwohnen.  — 

Hr.  M.  Bartels  legt  einige  ihm  damals  freundlichst  überlassene  Proben  von 
da  vor,  die  er  dem  königl.  Museum  anbietet.  — 

Yerlundl.  dtr  BtrI.  AntbropoL  OtteUtob»ft  1897.  11 


(162) 

(5)  Seine  Majestät  der  Kaiser  hat  sein  Allerhöchstes  Interesse  für  die  Ge- 
sellschaft TOD  Neuem  dadurch  bekundet,  dass  er  bei  der  so  eben  erfolgten  Neu- 
bildung der  Sachverständigen -Oommissionen  für  die  königl.  Museen  als  Sach- 
verständige für  die  beiden  Abtheilungen  des  königl.  Museums  für  Völkerkunde  fast 
nur  Mitglieder  unserer  Gesellschaft  ernannt  hat 

Für  die  vaterländische  Abtheilung  wurden  ernannt  als  ordentliche  Mit- 
glieder die  HHm.  R.  Virchow  und  W.  Schwartz;  als  Stellvertreter  die  HHrn. 
A.  V.  fleyden,  K.  Künne  und  M.  Bartels. 

Für  die  ethnologische  Abtheilung  als  ordentliche  Miiglieder  die  HHm. 
R.  Virchow,  F.  Freiherr  v.  Richthofen,  William  Seh önl an k  und  M.  Bartels; 
als  Stellvertreter  die  HHm.  W.  Joest,  K.  Künne,  K.  von  den  Steinen,  Strauch 
und  Ehrenreich. 

Bisher  noch  nicht  Mitglieder  unserer  Gesellschaft  sind  die  ebenfalls  für  die 
ethnologische  Abtheilung  ernannten  Sachverständigen  Hr.  v.  König,  Wirklicher 
Legations-  und  Vortragender  Rath  im  Auswärtigen  Amt,  als  ordentliches  Mitglied; 
Hr.  Commerzienrath  und  Persischer  General-Consul  Gilka  und  Hr.  Prof.  Dr.  Louis 
Lew  in  als  Stellvertreter.  Das  Mandat  der  beiden  Sachverständigen-Commissionen 
währt  bis  zum  31.  März  1900.  — 

(6)  Der  Herr  Cultus-Minister  hat  durch  Erlass  vom  1 2.  April  der  Gesellschaft 
für  das  Jahr  1897,98  wiederam  eine  ausserordentliche  Beihülfe  von  1500  Mk.  be- 
willigt. Er  spricht  dabei  sein  Bedauern  aus,  „nach  Lage  und  Bestimmung  der 
dortseitigen  Fonds  die  beantragte  Erhöhung  der  Beihülfe  auf  2000  Mk.  nicht  ein- 
treten lassen  zu  können**.  — 

(7)  Von  den  neu  erwählten  correspondirenden  Mitgliedern,  Hrn.  Munro 
(Edinburgh)  und  Flinders  Petrie  (London)  sind  Dankschreiben  für  ihre  Ernennung 
eingegangen.  — 

(8)  Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet: 

Hr.  Historien-  und  Porträtmaler  Paul  Beckert  in  Charlottenburg. 
^    Maurer*  und  Zimmermeister  Hans  Gessner  in  Berlin. 
^     Dr.  med.  Walter  Levinstein  in  Schöneberg  bei  Berlin. 

(9)  Hm.  Dr.  Lehmann-Nitsche,  der  heute  zum  letzten  Male  unter  uns 
weilt,  werden  die  besten  Wünsche  mit  auf  den  Weg  gegeben.  Derselbe  ül>eraimmt 
die  Stellung  des  Naturalista  an  dem  Museum  in  La  Plata,  welche  bisher  unser 
correspondirendes  Mitglied,  Hr.  ten  Kate,  innegehabt  hatte.  Mögen  durch  seine 
Vermittelung  die  freundschaftlichen  Beziehungen,  welche  wir  seit  vielen  Jahren  mit 
dem  gelehrten  Süd-America  unterhalten,  immer  fester  und  gedeihlicher  werden.  — 

(10)  Hr.  Joest  übersendet  aus  Wellington  auf  Neu-Seeland  unter  dem  8.  März 
einen  Zeitungs-Ausschniti  Auch  Hr.  Sökeland  hat  eine  Postkarte  von  ihm  er- 
halten, aus  der  sein  Wohlbefinden  ersichtlich  ist.  — 

(11)  Die  Vossische  Zeitung  vom  6.  April  bringt  folgende  Notiz  über  eine 

nordamerikanische  Expedition  nach  der  Nordwest-Kftste 
and  nach  den  asiatischen  Nachbarländern. 

Mr.  Morris  K.  Jesup,  Präsident  des  amerikanischen  Museums  für  Natur- 
geschichte, rüstet,  wie  ^Nature"^  mittheilt,  eine  anthropologische  Expedition 
aus,  die  auf  einer  siebenjährigen  Heise  (deren  Kosten  auf  mehr  als  (K)  000  Dollarn 


(163) 

geschätzt  werden)  sich  mit  dem  Studium  des  vorgeschichtlichen  Menschen  in 
allen  Theilen  der  Welt  beschäftigen  soll.  Die  Expedition  wird  von  dem  Anthro- 
pologen Prof.  F.  W.  Putnam,  dem  Secretär  der  ^American  Association  for  the 
Advanceroent  of  Science",  geführt  werden.  Ihm  zur  Seite  stehen  der  auch  in 
unseren  Anthropologen-Kreisen  wohlbekannte  Dr.  Franz  Boas,  der  mehrere  Jahre 
unter  den  Indianer-Stämmen  des  nordwestlichen  Amehca's  zugebracht  hat,  und  ein 
Stab  von  Assistenten.  Man  will  sich  zuerst  nach  der  Nordwest- Rüste  von  Nord- 
America,  nördlich  von  British  Columbia,  begeben  und  die  Küste  bis  nach  Alasca 
und  der  Behringstrasse  hinaufgehen.  Darauf  wird  die  Expedition  nach  Asien  hin- 
übersetzen, in  Sibirien  und  China  thätig  sein,  und  den  Indischen  Ocean  entlang 
nach  Aegypten  ziehen.    - 

« 

(12)  Der  Vorsitzende  der  Nieder -Lausitzer  anthropologischen  Gesellschaft, 
Hr.  Prof.  Jen t seh  (Guben),  übersendet  eine  Einladung  zur  Theilnahme  an  der 
13.  Haupt-Versammlung  dieser  Gesellschaft,  die  am  8.  und  9.  Juni  in  Finster- 
walde in  der  Lausitz  stattfinden  wird.  Für  den  ersten  Versammlungstag  ist  eine 
Ausgrabung  auf  einem  nahen  Gräberfelde  und  der  Besuch  eines  slavischen  Rund- 
walles und  anderer  sehenswerther  Punkte  geplant.  Am  zweiten  Tage  finden  die 
wissenschaftlichen  Verhandlungen  u.  s.  w.  statt.  — 

(13)  An  die  Mitglieder  der  Gesellschaft  ist  eine  Einladung  ergangen  zur  Theil- 
nahme  an  einem  unter  dem  Patronate  Sr.  Majestät  des  Königs  der  Belgier  vom 
16.  bis  19.  August  dieses  Jahres  in  Brüssel  stattfindenden  Congres  International 
Coloaial.  Derselbe  bildet  die  XIV.  Section  der  Exposition  Internationale;  Präsident 
dieser  Section  ist  Hr.  Baron  Lambert.  Für  die  Mitglieds-Karte  sind  10  Francs 
zu  entrichten.  Hierfür  erhält  man  auch  die  Veröffentlichungen.  Eine  Damenkarte 
kostet  5  Francs.  Nach  dem  aufgestellten  Programm  wird  verhandelt  werden  über 
Colonisation ,  Colonies,  Methodologie  coloniale,  Organologie  de  la  colonisation, 
Etüde  des  colonies  particuliöres  u  chaque  pays,  Introduction  en  Afrique  des  noirs 
d'Amerique,  Philosophie  de  la  colonisation,  Questions  diverses. 

Wir  werden  aufgefordert,  auch  noch  sonstige  uns  geeignet  erscheinende  Themata 
für  die  Verhandlung  in  Vorschlag  zu  bringen. 

Unser  Mitglied,  Hr.  Louis  Henning  in  Antwerpen,  hat  sich  erboten,  Berichte 
ttber  diese  Ausstellung  einzusenden.  — 

(14)  Aus  dem  Vortrage  des  Hrn.  Jacobsthal  über  Metall -Intarsien,  sowie 
aus  den  Vorlagen  hausgewerblicher  Gegenstände  in  Bosnien  durch  Hrn.  Bartels 
ist  erinnerlich,  dass  in  Bosnien  mehrere  hausgewerbliche  Industriezweige  geblüht 
haben.  Die  österreichisch-ungarische  Regierung  hat  staatliche  Schulen  eingerichtet, 
in  welchen  die  heranwachsende  Jugend  beiderlei  Geschlechts  in  einigen  dieser 
Industrien  methodischen  Unterricht  erhält;  namentlich  sind  es  die  Metall-Intarsia- 
nnd  Tauschir-Arbeiten  einerseits,  die  Teppich -Knüpferei  und  Textil- Industrie 
andererseits.  Auch  das  Treiben  und  Graviren  in  Metall  wird  gelehrt.  Diese  staat- 
lichen Schulen  haben  zur  Zeit  hier  in  Berlin  eine  Ausstellung  ihrer  Arbeiten  ver- 
anstaltet. Sie  befindet  sich  im  Monopol-Hotel  in  der  Friedrichstrasse  und  ist  von 
10 — 2  und  von  4 — Vs^  ühr  unentgeltlich  zugängig.  — 

"(15)  Die  Vossische  Zeitung  (3.  April)  brachte  die  Nachricht,  dass  am  1.  April 
in  Cairo  der  Grundstein  für  das  neue  Museum  gelegt  wurde,  welches  die 
%7ptischen  Alterthümer  aufnehmen  soll.  — 

11* 


L 


(164) 

(16)  Es  hat  sich  ein  Comite  gebildet,  am  dem  bertthmten  Berliner  Anatomen 
and  Physiologen  Johannes  Hdller  in  seiner  Vaterstadt  Coblenz  ror  seinem  Ge> 
bnrtchaase  ein  Denkmal  zn  errichten.  Der  engere  AnBBchnss  wendet  sich  aach  an 
die  Mitglieder  onserer  Gesellschad  mit  der  Bitte,  zu  diesem  Denkmale  beicnatenern, 
and  hat  fOr  diesen  Zweck  Listen  eingesendet    Dieselben  werden  vorgelegt.  — 

(17)  Hr.  C.  F.  Lehmann  übersendet  folgenden  Hinweis  auf 

weitere  Darstellnngen  Bagyriflcher  Ruhebetten. 
Die  Torli^ende  Darstellung ')  7on  Betten,  an  denen  ein  Mann  beschäftigt  ist  (s. 
Abbild.),  zeigt,  dass  die  Ansicht,  es  befinde  sich  in  der  von  mir  Mher  wieder» 
gegebenen  DarsteDong  (Verh.  1896,  8.  585)  ein  Uensch  in  dem  Bett,  an  welchem 
sich  ein  stehender  Mann  z»  schaffen  macht,  irrig  ist  Zn  dieser,  wie  bemerkt,  anch 
dnrch  das  „Verzeichniss  der  vorderasiatiachen  AlterthOmer  and  Gypsabgfisse"  der 
kSnigl.  Hnseen  anscheinend  sanctionirten,  aber  an  zaständiger  ^lle  anf  Grand 
eben  der  jetzt  vorgelegten  Darstellnng  Terworfoaen  Ansicht  verleitete  namentlich  die, 
wie  sich  nnn  heransstellt,  nur  scheinbare  Andeatang  eines  Aoges  nngeftlhr  an  der 
fUr  den  Kopf  eines  im  Bette  Liegenden  za  erwartenden  Stelle. 


Dass  anter  jener  inigen  Voraassetzang  die  „Darstellung  mit  Aosnahme  der 
Bewegungen  der  Hauptperson  nur  skizzirt  gehalten  sei,  so  dass  die  KSrperlinie 
des  im  Bett  Li^enden  und  die  Details  des  Bettes  and  seiner  etwaigen  Bedeckaog 
nicht  besonders  hervortreten",  war  von  vornherein  hervorgehoben  worden.  DerVer^ 
gleich  mit  den  hier  wiedergegebenen  Darstellangen  lässt  aber  wohl  keine  andere 

1)  Layard,  Konuments  of  Ninivah,  I,  PI.  77.  3.  je  das  tweit«  Zell  in  den  boiden 
unteren  Reihen  der  Abbildung. 


(165) 

Deutung  zn,  als  dass  wir  es  dort  mit  dem  gleichen  hochgepolsterten  Kuhebett  zu 
thun  hatten,  dessen  yornübergebengtes  Rissenende  einen  Kopf  vortäuscht,  ^er  an 
dem  Bett  Beschäftigte  macht  sich  mit  der  Glättung  der  Rissen  zu  schaffen,  aller- 
dings mit  einer  einigermaassen  auffallenden  Haltung  der  Hände. 

So  sicher  die  Deutung  auf  eine  Massage  die  nächstliegende  war,  wenn  es  sich 
um  einen  im  Bette  Liegenden  handelte,  so  sicher  dttrfte  von  einem  Belege  für  die 
Uebung  der  Massage  bei  dieser  Darstellung  nicht  mehr  geredet  werden,  sobald 
nur  ein  Zweifel  an  der  Voraussetzung,  es  sei  jemand  im  Bett  liegend  dargestellt, 
erlaubt  wäre.    Hier  erscheint  aber  diese  Voraussetzung  geradezu  widerlegt. 

Die  früher  und  die  heute  gegebenen  Darstellungen  behalten  ihr  Interesse  nur 
als  Darstellungen  assyrischen  Lebens.  — 

(18)  Hr.  Dr.  Kohl  übersendet  aus  Worms  zwei  Nummern  der  "Wormser 
Zeitung  vom  10.  und  26.  April,  in  welcher  er  über  die  neuen  dortigen  archäologischen 
Funde  berichtet.  In  dem  ausgedehnten  römischen  Gräberfelde  auf  den  Terri- 
torien des  Preiherm  y.  Heyl  sind  496  Gräber  sachgemäss  eröffnet  worden.  Die 
Skeletbestattung  in  Holzsärgen  herrschte  Tor;  Stein-Sarkophage  fanden  sich  nur  21, 
darunter  nur  4  yoUständig  unberührte;  Brandgräber  sind  in  dieser  Zeit,  dem  3.  und 
4.  nachchristlichen  Jahrhundert,  schon  sehr  selten.  Es  fanden  sich  über  100  Gläser, 
darunter  solche  yon  den  schönsten  und  seltensten  Formen,  Hunderte  yon  Thon- 
gefässen,  sowie  eine  grosse  Zahl  yon  Beigaben,  darunter  ein  bronzener  Spazier- 
stock-Knopf und  die  Zwinge  dazu,  Münzen,  bis  zu  8  in  einem  Grabe,  welche  der 
Verstorbene  yermuthlich  in  einem  kleinen  Beutel  in  der  Hand  gehalten  hatte,  und 
femer  in  dem  Steinsarge  eines  kleinen  Mädchens  zwei  bemalte  Gänse-Eier.  Der 
noch  nicht  untersuchte  Theil  des  Gräberfeldes  enthält  yermuthlich  noch  Hunderte 
yon  Gräbern. 

In  der  Nähe  yon  Worms,  bei  Wachenheim,  auf  dem  südlichen  Abhänge  des 
Pfrimmthales,  hat  man  das  Brandgrab  eines  Kriegers  der  mittleren  La- 
Tene-Periode,  mit  einem  grossen  Schwert  in  eiserner  Scheide,  einem  ketten- 
förmigen Schwertgehänge,  einer  schilfblattförmigen  Lanzenspitze  und  einem  band- 
förmigen Schildbuckel,  alles  in  Eisen,  ausserdem  eine  schöne  Bronze-Fibel  auf- 
gefunden. 

Dieser  Fund  führte  zu  der  Entdeckung  eines  neuen  neolithischen  Gräber- 
feldes, welches  gerade  in  der  Mitte  zwischen  demjenigen  am  Hinkelstein  und 
dem  kürzlich  untersuchten  auf  der  Kheingewann  bei  Worms  sich  befindet.  Es 
wurde  ein  auf  seiner  rechten  Seite  „liegender  Hocker"  entdeckt  mit  zwei  Feuer- 
stein-Messern und  Thierknochen.  Der  Wormser  Alterthums- Verein  wird  an  dieser 
Stelle  weitere  Ausgrabungen  in  Angriff  nehmen.  — 

(19)  Fräulein  M.  Lehmann-Filhes  übersendet  eine  Mittheilung  über 

Freysnes  im  östlichen  Island. 

Aus  dem  „Jahrbuch  der  isländischen  Alterthümer- Gesellschaft"  (Arbok  hins 
islenzka  fomleifafäags")  ftlr  1896  ist  Mittheilung  zu  machen  yon  einer  Unter- 
suchung, die  der  Arzt  Jon  Jönsson  in  der  Mülasysla  im  östlichen  Island  an- 
gestellt und  im  Arbok  beschrieben  hat.  Dort  durchströmt  ein  zu  einem  See,  dem 
Lagarfljot,  erweiterter  Fluss  eine  der  schönsten  Gegenden  Islands.  Zwei  Land- 
spitzen (nes),  Thörsnes  und  Freysnes  genannt,  strecken  sich  einander  gegenüber 
in  das  Lagarfljot  hinein.  Etwa  4  dänische  Meilen  dayon,  nach  dem  oberen,  süd- 
westlichen Ende  des  Lagarfljot,   liegt  der  Hof  Bessastadir.    Hier  hat  ein  Tempel 


(166) 

gestanden.  MüncUiche  Ueberliefening,  deren  der  Probst  Sigurdur  Onnnarsson 
(„Safn  til  sögu  Islands""  ü,  S.  460)  und  der  Bezirksarzt  Thorvardur  Rerilf 
(^Ärbök  hins  islenzka  fomleifafelags""  1882,  S.  38)  gedenken,  erzählt,  nach  Ein- 
führang  des  Christenthnms  seien  die  Götterbilder  aus  diesem  Tempel  in  das 
Lagarfljöt  geworfen  worden;  wo  sie  an 's  I^md  trieben,  wurden  die  Stellen  nach 
ihnen  benannt,  Thorsnes  nach  Thor,  Freysnes  nach  Freyr.  Nach  einer  anderen 
Tradition  ist  die  Verwüstang  des  Götzenhaoses  schon  vor  der  Einfiihrang  des 
Christenthums  geschehen  and  den  beiden  Göttern  Thor  und  Freyr,  jedem  auf  seiner 
Landspitze,  ein  neuer  Tempel  erbaut  worden*). 


1)  Im  „Arbök''  für  1882,  S.  35ff.  yerdfrentlicht  Sigurdur  Yigfüsson  eine  den  Tempel 
von  Bessastadir  und  seine  Verwüstung  betreffende  Stelle  aus  einer  in  der  Laudes-Bibliothek 
in  Reykjavik  befindlichen  Handschrift  der  Droplaugarsonasaga  („Geschichte  von  den  Söhnen 
Droplaug's**).  In  den  gedruckten  Ausgaben  dieser  Saga  ist  die  betr.  Schilderung  nicht 
enthalten.  Wenn  auch  nicht  die  Handschrift  selbst,  hält  Sigurdur  Yigfüsson  doch  ihren 
Inhalt  in  allem  Wesentlichen  für  alt  und  acht  —  Zwei  Droplaugs- Söhne,  Helgi  und 
Grfmur,  sind  von  Ameidarstadir  nach  Vidivellir  unterwegs,  werden  von  schrecklichem  Un- 
wetter, Schneetreiben  und  Dunkelheit  überfallen,  yerirren  sich  in  Folge  dessen  und  er- 
leiden allerlei  Ungemach.  —  „Da  sahen  sie  im  Schneetreiben  etwas  Grosses,  Schwanes 
▼or  sich.  Sie  sehen,  dass  es  ein  grosser  Wall  ist,  so  hoch,  dass  Helgi  nur  gerade  ebenso 
hoch  langen  konnte.  Sie  gehen  um  den  Wall  herum  und  er  war  kreisrund;  sie  finden 
eine  Pforte  im  Wall  und  da  war  ein  verschlossenes  Gitter  davor  und  wohl  verwahrt  Helgi 
sprach:  „Wissen  wirst  Du,  wohin  wir  jetzt  gekommen  sind.**  „Nein,*  sagt  Grimur,  „das 
ist  bei  weitem  nicht  so,  hierher  bin  ich  nie  zuvor  gekommen,  soviel  ich  mich  erinnere". 
„Mit  mir  ist  es  nicht  so,^  sagt  Helgi,  „ich  erkenne  bestimmt,  wohin  wir  gekommen  sind, 

dies  ist  der  Tempelwall  meines  Pflegevaters  Bessi' Grfmur  sprach:   „Lass  uns 

möglichst  schnell  von  hier  fortgehen.**  „Nein,"  sagt  Helgi,  „ich  möchte  hier  hineinkommen, 
denn  ich  will  die  Behausungen  sehen,  die  hier  vorhanden  sind".  Damit  geht  er  an  die 
Pforte  und  schlägt  mit  dem  Schwertknauf  auf  das  Schloss  und  bricht  es  ab;  alsdann 
stemmen  sie  sich  gegen  die  Thür  und  brechen  sie  auf;  dann  gehen  sie  hinein  in  den 
Tempel.  Da  nimmt  Grfmur  das  Wort  und  spricht:  .Uebel  thust  Du  nun,  Bruder,  dass 
Du  hier  mit  soviel  Gewalt  verfährst  und  Alles  am  Tempel  verdirbst;  ich  weiss,  dass  es 
Deinem  Pflegevater  Bessi  sehr  übel  gefallen  wird,  wenn  er  es  wahrnimmt**  Helgi  ant- 
wortet: „Wissen  will  ich,  welche  Aufnahme  wir  bei  diesen  Unholden  finden,  denn  es  ist 
nicht  gewiss,  dass  ich  es  ein  anderes  Mal  nöthiger  habe,  als  jetzt;  sie  wird  ein  anderes 
Mal  nicht  gut  sein,  wenn  sie  sich  jetzt  schlecht  erweist**  Da  geht  Helgi  in  den  Tempel 
hinein  und  sieht,  dass  es  dort  hell  ist,  so  dass  nirgends  ein  Schatten  hinfiel;  es  war  da 
Alles  mit  Vorhängen  behängt,  und  beide  Bänke  waren  besetzt  und  Alles  funkelte  von  Gold 
und  Silber.  Diese  (=  die  auf  den  Bänken  sassen)  glotzten  mit  den  Augen  und  luden  die 
nicht  ein,  die  gekommen  waren.  Im  Hochsitz  („öndvegi")  auf  der  vornehmeren  Bank 
sassen  Freyr  und  Thor  zusammen.  Helgi  trat  vor  und  sprach:  „Da  sitzt  ihr  Lumpe,  —  die, 
die  Euch  verehren,  mögen  Euch  für  vornehme  Häuptlinge  halten,  aber  wenn  Ihr  woDt, 
dass  wir  Brüder  an  Euch  glauben,  wie  Andere,  so  stehet  auf  und  benehmt  Euch,  wie  vor- 
nehme Leute,  und  ladet  uns  Brüder  ein,  denn  draussen  ist  jetzt  schlechtes  Wetter.  Wenn 
Ihr  das  nun  bejahen  wollt,  so  werden  wir  an  Euch  glauben,  wie  andere  Menschen.  Wenn 
Ihr  aber  eine  hofiihrtige  Miene  aufsetzt  und  uns  keine  Hülfe  leisten  wollt,  so  werden  wir 
nicht  das  Geringste  von  Euch  halten.**  Aber  sie  nahmen  eine  hoffährtige  Miene  an  und 
schwiegen.  Da  wendet  sich  Helgi  quer  über  den  Fussboden:  da  sassen  Frigg  und  Freyja. 
Er  sprach  da  dit'selben  Worte  zu  ihnen,  wie  zu  jenen,  und  sagte,  er  wolle  ihnen  Freund- 
lichkeit erweisen,  wenn  sie  sie  gut  aofhähmen.  Grfmur  sprach:  «Sei  nun  so  gut,  Bruder, 
und  gieb  Dich  nicht  länger  mit  diesen  Unholden  ab  und  lass  uns  von  hier  fortgeben,  denn 
mir  scheint  kein  Beistand  zu  erwarten  von  solchen  Bestien,  die  nicht  reden  und  nicht 
sehen,  noch  hören  können,  und  es  ist  darum  eine  schlimme  Schande,  irgend  auf  sie  iq 
vertrauen."    Helgi  antwortet:    ,,Nie  soll  mir  das  begegnen,  was  manchem  geschieht,  dass 


(167) 

um  festzustellen,  ob  dieser  üeberlieferoDg  etwas  Thatsächliches  zu  Grunde 
liege,  unternahm  Hr.  Jon  Jönsson  seine  Untersuchung  und  fand  auf  Thorsnes 
einen  alten  Wall,  der  indessen  auch  für  einen  alten  Schafpferch  gelten  könnte,  auf 
Freysnes  aber  deutliche  Ueberreste  von  Baulichkeiten,  die  der  Bauer  auf  dem  be- 
nachbarten Hofe  Ekkjufell  unter  dem  Namen  „Godatoettur'^  0  kannte.  Die  Ruine 
misst  einschliesslich  der  Wände  96  Fuss  in  der  Länge  und  23  in  der  Breite.  Die 
nördliche  Giebelwand  ist  halbkreisförmig.  Zwei  Querwände  theilen  das  Gebäude 
in  drei  Räume:  der  nördlichste,  grösste  hat  nur  eine  Thür  nach  aussen,  in  der 
östlichen  Längs  wand  neben  der  Querwand,  steht  also  mit  dem  übrigen  Theile  des 
Gebäudes  nicht  in  Verbindung;  die  beiden  anderen  Abtheilungen  sind  durch  eine 
Thür  in  der  Querwand  mit  einander  verbunden,  und  neben  der  südlichen  Giebel- 
wand führt  eine  Thür  nach  Osten  in's  Freie.  Der  nördliche  Raum  hat  die  dicksten 
Wände  und  die  dickste  Erdschicht  auf  dem  Felsboden;  auch  befinden  sich  in  ihm 
4  Erhöhungen:  eine  runde  innerhalb  der  runden  Giebelwand  und  3  längliche  parallel 
mit  den  3  anderen  Wänden.  Des  Verfassers  Meinung  geht  dahin,  dass  sie  die 
Ueberreste  der  Altäre  (stallar;  Sing.:  stalli  oder  stallur)  sind,  auf  denen  die  Götter 
gestanden  haben;  femer,  dass  nur  dieser  Raum,  das  afhüs,  ein  festes  Dach  aus 
Rasen  gehabt  habe,  der  vordere  Theil  des  Tempels  aber  offen  gewesen  und  nur 
zur  jedesmaligen  Benutzung  nach  Art  der  Thingbuden')  mit  einem  Zeltdach  ver- 
sehen worden  sei.  (Hierzu  bemerkt  eine  Autorität  auf  diesem  Gebiete,  Dr.  Yaltfr 
Gudmundsson,  in  der  von  ihm  redigirten  S^itschrift  „Eimreidin^  (=  „der  Dampf- 
wagen*'), gelegentlich  einer  Besprechung  des  Arbök:  „Dann  folgt  eine  klare  und 
einsichtsvolle  Schrift  vom  Arzte  Jon  Jonsson  über  die  Godatoettur  auf  Freysnes 
in  der  Mülasysla.  Besonders  bemerkenswerth  ist  darin  u.  a.  die  Bemerkung,  dass 
nur  der  für  die  Götter  bestimmte  Raum,  —  der  „hörgur**'),  wie  ich  ihn  nenne,  — 
mit  einem  Dach  versehen,  der  Tempel  („hof")  selbst  aber  ohne  Dach  gewesen  sein 
werde;  denn  dies  stimmt  gut  zu  der  ursprünglichen  Bedeutung  des  Wortes,  und 
man  müsste  darauf  Acht  geben,  ob  nicht  an  mehr  Orten,  wo  sich  alte  Ruinen  be- 
finden, Anzeichen  davon  zu  sehen  sind.") 

Etwa  20  Klafter  von  der  Südecke  des  Gebäudes  entfernt,  liegen  mehrere  kleinere 
Ruinen  mit  dünneren  Wänden,  vermuthlich  alte  Thingbuden.  Dieses  Thing  findet 
sich  zwar  in  der  Literatur  nicht  erwähnt,  wohl  aber  ein  Lambanessthing,  von  dem 
man  nicht  weiss,  wo  es  gelegen  hat    Der  Verfasser  hält  es  für  möglich,  dass  es 


ich  den  Wall  da  berenne,  wo  er  am  niedrigsten  isf  Damit  rüttelt  er  an  Thor  und  Frejr 
und  reisst  sie  von  den  Bänken  und  zieht  ihnen  alle  Kleider  ab  und  macht  es  so  mit  einem 
nach  dem  anderen,  bis  er  allen  Göttern  die  Kleider  abgerissen  hat,  und  stösst  sie  von  den 
B&nken  hcnmter  auf  den  Fassboden;  dann  trägt  er  sie  alle  zusammen  in  eine  Ecke  vom 
und  verwahrt  sie  dort,  so  dass  nichts  verdorben  werden  konnte.  Grimur  sprach:  „Das 
ist  böser  Spott  und  Du  setzest  Dich  der  Feindschaft  unseres  Pflegevaters  Bessi  aus.'' 
Helgi  antwortet:  ,,Ich  aber  meine,  dass  ich  nie  in  meinem  Leben  ein  besseres  Werk 
vollführt  habe,  als  dieses,  weil  sie  uns  diesen  ganzen  Tag  auf  falsche  Wege  geführt  haben; 
ich  habe  mich  früher  in  meinem  Leben  nie  verirrf  Damit  geht  Uelgi  hinaus  und  lässt 
den  Tempel  offen;  nun  dringt  das  Schneetreiben  durch  den  ganzen  Tempel''  —  Was 
weiter  mit  den  Qöttem  geschah,  wird  hier  nicht  erzählt,  doch  scheint  mir  diese  Episode 
interessant,  schon  wegen  der  Schilderung  des  Tempels.  (Vergl.  auch  Verhandl.  1898, 
S.  606.) 

1)  Tcettur  =  ein  ungewöhnlicher  Plural  von  t<5tt  (od.  töpt  =  Ruine),   anstatt  t<5ttir; 
Godatoettur  also:  Götzenruinen. 

2)  Vergl.  Verhandl  1895,  S.  358  ff. 
8)  Ebendas.  1893,  S.  604. 


i 


(168) 

hier  gefunden  sei  und  den  Namen  Freysnes  erst  erhalten  habe,  als  Freyr  daselbst 
^Land  nahm**.  — 

(20)  Hr.  W.  V.  Schulenburg  übergiebt  eine  Mittheilung  über 

die  Harpa  auf  Island  und  die  Harfe  in  der  Mark. 

In  ihren  „Isländischen  Volkssagen^ ^)  theilt  Fräulein  Lehmann-Filh^s  mit, 
dass  ^der  auf  Mitwinter  folgende  Monat  (vom  24.  Januar  bis  22.  Februar)  Thorri 
heisst,  der  dann  folgende  Ooa;  der  letzte  Winter-Monat  Einmanudur^  [was  Alles 
nach  Simrock')  auch  für  Norwegen  gilt  W.  v.  8.]  ,,und  der  erste  Sommer-Monat 
Harpa". 

Am  ersten  Thorri-Tage  musste  der  Bauer  als  Hausherr  anderen  ein  Gastmahl 
geben;  das  hiess  Thorri  empfangen.  An  einigen  Orten  im  Nordland  (auf  Island) 
muss  die  Hausfrau  ihren  Bauer  gut  bewirthen  und  das  heisst  noch  jetzt  „Thorra- 
blot^  (Thorrisopfer).  Beim  Empfang  des  Thorri  musste  der  Bauer,  nur  mit  dem 
Hemd  bekleidet,  auf  einem  Fuss  um  das  Haus  „hüpfen"  [also  hinken].  Am  ersten 
Goa-Morgen  musste  die  Bäuerin,  als  Hausfrau,  die  Goa  empfangen  und  dabei  wenig 
bekleidet  dreimal  um  das  Haus  gehen.  Ebenso,  heisst  es  weiter,  mussten  die 
Jünglinge  den  Einmanudur,  die  Jungfrauen  die  Harpa  empfangen.  „Es  ist  kaum 
zu  bezweifeln,"  sagt  Fräulein  Lehmann-Filhes,  „dass  diese  Sitte,  Harpa  zu 
empfangen,  ein  Ueberrest  ist  von  dem  alten  Sumarmalablot  (Sommeranfangs-Opfer), 
wenn  auch  vom  festlichen  Empfange  jetzt  überall  wenig  mehr  zu  finden  ist,"  und  sie 
spricht  die  Yermuthnng  aus,  ob  diese  Harpa  yielleicht  Frau  Harke  oder  Harfe  sei. 
Diese  Annahme  dürfte  gestattet  sein,  denn  die  Harke  heisst  in  der  Mark  vielfach 
Harfe.  Die  Einholung  der  Harpa  würde  ganz  der  deutschen  Sitte  entsprechen,  den 
Sommer  einzuholen,  und  als  Sommer-Göttin  kann  auch  Frau  Harfe,  in  ihren  früheren 
Verhältnissen,  betrachtet  werden.  Bezüglich  des  feierlichen  Empfanges  in  wenig 
bekleidetem  Zustande  möchte  ich  hinweisen  auf  ähnliche  Sitten  in  der  Mark'), 
wenngleich  verschiedene  Ursachen  zu  Grunde  liegen  mögen. 

Es  wäre  zu  wünschen,  dass  weitere  Einzelheiten  über  die  Harpa  bekannt 
würden,  sei  es  von  Island,  sei  es  aus  Norwegen,  von  wo  Island  besiedelt  wurde.  — 

(21)  Hr.  W.  V.  Schulenbnrg  übergiebt  eine  Mittheilung  über 

das  Wollespinnen  mit  Spindel  und  Wirtel. 

In  den  Verhandl.  1896,  S.  473  hat  Hr.  A.  Götze  Mittheilungen  gemacht  Ober 
Wollespinnen  mit  der  Spindel  und  weitere  Angaben  für  wünschenswerth  erklärt. 
Auf  eine  Anfrage  schrieb  mir  der  Bauer,  Schulze  Hantscho-Hano  in  Schleife 
(Kreis  Rothenburg  in  Schlesien):  „Beim  Spinnen  der  Wolle  musste  früher  ein 
leichter  Wirtel  sein.  Denn  der  Hirte  oder  Schäfer,  welcher  die  Strickwolle  ge- 
sponnen und  dann  sogleich  mit  der  Spille  [=  Spindel]  den  Faden  zwirnte,  hob  den 
Faden-Rnaul  [d.  h.  die  Wolle]  hoch  über  den  Kopf,  drehte  die  Spille  auf  dem 
rechten  Oberschenkel  stark  an  und  Hess  die  Spille,  unten  vor  sich,  so  lange  frei 
drehen,  bis  die  Wolle  genügend  gezwirnt  war.  Ich  habe  dies  als  Rind  bei  meinem 
Grossvater,  welcher  Schäfer  war,  öfters  gesehen.  Gleichzeitig  war  auch  dieser 
Wirtel  gross.    Denn  die  Wolle  wurde  dicht  an  den  Wirtel  gewickelt,  damit  recht 

1)  Berlin  1891.    S.  259,  26a 

2)  Deutsche  Mythologie,  S.  876,  880. 

3)  Brindonburgia  (Monatsblatt).    Berlin  1896.    S.  162—164:  148. 


(169) 

viel  aaf  die  Spille  giag.  Beim  Flachs-  nnd  Hanfspinnen  wurde  der  tannene 
oder  auch  bleierne  Wirtel  bald  abgenommen,  damit  die  Spille  nicht  so  schwer 
war.  Spille  nnd  Wirtel  haben  sich  die  alten  Schäfer  selbst  geschnitzelt.  Die 
Spille  mnsste  einen  Kerb  haben,  sonst  blieb  der  Wollenfaden  nicht  eingehakt.  Die 
Eurechtgekratzte  Wolle  hielt  der  Hirte  oder  Schäfer  unter  dem  linken  Hemdsärmel 
nod  spann  beim  Gange  hintar  der  Heerde. 

„Ich  habe  in  der  letzten  Zeit  einige  kleine  Wirlei  Ton  gebranntem  Thon  ge- 
fanden, aber  diese  sind  znm  Spinnen  doch  nicht  gebraacht  worden.  Ich  glanbe 
mehr,  dass  sie  irgendwie  als  Perlen  znm  Schmuck  für  die  Heiden  hier  oder  sonst 
zu  etwas  benutzt  worden  sind.  Die  Dinger  habe  ich  nicht  mehr,  sie  waren  in 
dieser  Grösse:" 

@     ®     © 

Ich  selbst  (W.  t.  S.)  habe  bei  früherem  mehrmaligem  Aufenthalt  in  dortiger 
Gegend  zwar  noch  das  Übliche  FlacbBspinoen  mit  der  Spindel  gesehen  in  den 
Hinsem  (vergl.  meine  Abbildung  einer  solchen  Spinnerin  in  den  Verhandl.  XIV, 
1882,  S.  35),  aber  nicht  mehr  das  Wolleapinnen  im  Freien.  — 

(22)   Hr.  H.  Jentsch  (Guben)  übersendet  folgende  Mittbeilung  über  eine 
Skarabäen-Gemme  von  Sadersdorf,  Kreis  Gnbea. 

Zu  den  bisher  nicht  reröffentlichten  Funden  aas  dem  Sadersdorfer  Gräber- 
felde'), das  ans  der  mittleren  und  der  Spät-La-Tene-Zeit  bis  in  die  provincial- 
römiscbe  Cultar- Periode  hineinreicht,  gehört  ein  Skarabäus  aus  gefrittetem 
Thon  (Fig.  1).  Er  ist  gefunden  mit  einigen  raeloneniormigen ,  bläulich  weissen 
Perlen  aua  demselben  Stoffe,  von  denen  leider  eine  seiner  unteren  Fläche  an- 
haftet (Fig.  2),  femer  mit  einem  angeschmolzenen,  aufgebogenen  Bronzeringe 
Ton  1,2  cm  DurcbmesBer  im  Lichten,  mit  zwei  kleinen,  eimerformigen  Breloquea*) 
fvmd  mit  einer  milcbglas artigen  Masse,  die  einem  Knochenstücke  angebacken 
ist.     Von  der  Gluth  hat  auch  jener  ßkarabäus  gelitten;   die  untere  Platte  (Pig.  3) 

Fig.  1.  Fig.  2.  Fig.  8. 


1)  S.  Verhandl.  1896,  8.240:  Nieder-Lauaitier  UittheU.,  »d.4,  8.  1—88,  ancb  den 
SoBderdmck:  Das  Grfiberfeld  bei  Sadersdorf  und  die  jflngit«  Oermanenzeit  der  Nieder- 
Lauitz.    Guben  1896. 

2)  In  der  letztangefohrten  Schrift,  S.  41,  Fig.  13. 


(170) 

zeigt  einen  Sprung;  auch  ist  ihre  Oberfläche  porös  und  kömig  geworden.  Der 
Kücken  ist  an  der  einen  Seitenkante  gleichfalls  löcherig.  Die  Farbe  ist  ungleich- 
massig:  an  der  wohlerhaltenen  Seite  überwiegend  hell  bläulich,  an  der  entgegen- 
gesetzten mehr  weiss;  dem  Schlussstück  der  Flügeldecken  haften  kleine  Streifen 
lackartig  rother  Farbe  an.  Die  Länge  beträgt  26,  die  grösste  Breite  15  mm.  Der 
unteren  Fläche  ist  eine  dem  Umriss  —  jedoch  in  Folge  des  begonnenen  Schmelz- 
prozesses nicht  ganz  genau  —  entsprechende  Furche  eingeprägt  und  im  Felde 
innerhalb  derselben  nahe  der  angeschmolzenen  Perle  ein  Kreis  und  zwischen  diesem 
und  dem  Längsriss  eine  etwa  einem  F  ähnliche  Zeichnung,  endlich  unter  der  Perle 
eine  längliche  keulen-  oder  flaschenförmige  Austiefung.  Eine  Deutung  der  Zeichen 
hat  sich  bis  jetzt  nicht  als  möglich  erwiesen.  Das  Stück  ist  der  Länge  nach 
zwischen  der  unteren  Platte,  die  durch  eine  stellenweise  überschmolzene  Furche 
abgetrennt  ist,  und  dem  Thierkörper  durchbohrt.  Die  Oeffnung  von  2 — 3  mm  Durch- 
messer ist  aber  zur  Durchführung  des  erwähnten  kleinen  Bronzeringes  mit  übrigens 
fast  rhombischem  Querschnitt  zu  eng;  von  einem  anderen  Ringe,  der  etwa  auf 
dem  Finger  zu  tragen  gewesen  wäre,  hat  sich  keine  Spur  gefunden;  die  Gemme 
war  daher  wohl  zugleich  mit  den  übrigen  Schmuckgegenständen  aufgereiht 

Bemerkenswerth  ist,  dass,  während  in  dem  weiteren  Bezirke  unserer  Provinz 
und  in  ihrer  Umgebung  Seitenstücke  fehlen,  deren  zwei  in  nicht  zu  grosser  Ent- 
fernung gefunden  worden  sind,  nehmlich  ostwärts,  im  Abstände  von  10  km ^  bei 
Amtitz  eine  Skarabäen-Oemme  *)  aus  Cameol,  an  deren  Zusammengehörigkeit  mit 
den  zugleich  ausgegrabenen  römischen  Münzen  des  2.  nachchristl.  Jahrhunderts 
nach  dem  vorliegenden  Sadersdorfer  Funde  nicht  mehr  gezweifelt')  zu  werden 
braucht,  obgleich  sie  der  Bericht  aus  dem  Jahre  1830  über  das  muthmaassliche 
Nachbegräbniss  in  einem  alten  Lausitzer  Oräberfelde  nicht  ausdrücklich  hervorhebt, 
und  ferner  in  25  hn  östlichem  Abstände  jenseit  der  Oder  bei  Tammendorf, 
Kreis  Grossen'),  in  der  Richtung  auf  Kurtschow:  hier  ist  eine  ovale  Oemme  (In- 
taglio)  mit  flach  gewölbtem,  aber  nicht  käferartig  geformtem  Rücken,  mit  der  Dar- 
stellung des  Asklepios  und  der  Hygieia,  zwischen  den  Scherben  einer  zerfallenen 
Urne  gefunden  worden,  weisslich  von  Farbe,  angeblich  aus  durchglühtem  Cameol 
bestehend.  Dieser  Fimd  ist  zugleich  mit  mehreren  Gold-  und  einigen  Silbersachen, 
auch  einer  wohlerhaltenen  eisernen  Scheere,  geborgen  worden  und  wird  durch  die 
Xebenfunde  gleichfalls  der  provincial-römischen  Periode  zugewiesen. 

Dies  zweite  Seitenstück  giebt  vielleicht  einen  Anhalt  für  Vermuthungen,  wenn 
auch  nicht  über  die  Herkunft,  so  doch  über  den  Weg  der  Einführung  des  Amtitzei^ 
und  Sadersdorfer  Exemplars,  da  es  den  Blick  auf  die  Oderstrasse  lenkt.  Auf 
irgend  eine  Handelsbeziehung  zu  Aegypten  selbst  wird  aus  diesen  Fanden  niemand 
Schlüsse  ziehen,  da  sie  unzweifelhaft  von  Italien  her  durch  Händler  nach  Deutsch- 
land verschleppt  worden  sind.  Dass  sie  der  eingegrabenen  Zeichnungen  wegen 
als  Amulette  verwendet  wurden,  ist  selbstverständlich  nicht  ausgeschlossen,  die  Fund- 
umstände nöthigen  aber  nicht  zu  dieser  Annahme:  nach  den  Nebenfunden  können 
wir  sie  nur  als  Schmuckstücke  ansprechen.  — 


1)  Abgebildet  im  Lausitz.  Magazin,  Bd.  8,  1830,  Taf.  8,  Fig.  4,  im  Gubener  Gymnasial- 
Programm  1883,  Taf.  1,  Fig.  20.    Befindet  sich  in  der  Gubener  Gymnasial-Sammlnng. 

2)  Nieder-Laasitzer  Mittheilongen  III,  S.  191. 

3)  Siehe  A.  Götze,  Die  Vorgeschichte  der  Neamark.  Ijuidsberg  1897.  8.  46.  Die 
obigen  Einzel-Angaben  nach  dessen  frenndlichen  brieflichen  Mittheilnngen.  —  Im  KOnigL 
Moscum  für  Yölkcrkundo  za  Berlin. 


(171) 


(23)   Hr.  Lehmann-Nitsche  überreicht  folgende  Mittheilung: 

Ein  Burgwall  und  ein  vorslavischer  Urnen -Friedhof  von  Königsbmnn, 

Cujavien. 

Einigen  Bewohnern  des  etwa  5  km  nordöstlich  von  der  Kreis-Hauptstadt  Strelno 
gelegenen  Banerndorfes  Königsbrunn  in  Onjanen  waren  schon  seit  längerer  Zeit 
„Schanzen^  bekannt,  welche  sich  bei  näherem  Zusehen  und  genauer,  im  September  1895 
Yorgenommener  Untersuchung  als  ein  vorgeschichtlicher  Burgwall  herausstellten. 
Derselbe  liegt  etwa  \  km  in  nordnordwestl.  Richtung  von  der  Ortschaft  mitten  im 
freien  Felde  und  ist  wohl  in  frtlheren  Jahren  gleichmässig  abgefahren,  um  einer- 
seits die  herum  gelegene  Niederung  trockener  und  fruchtbar  zu  gestalten,  anderer- 
seits die  Anlage  selbst  in  die  landwirthschaflliche  Bestellung  mit  einzubeziehen; 
im  Uebrigen  hat  der  Pflug,  der  seit  Jahren  darüber  hingeht,  das  Seine  gethan,  die 
Wälle  niedriger  und  breiter  zu  machen  und  schärfere  Spuren  zu  verwischen,  so 
dass  gewissermaassen  nur  noch  der  Grundriss  der  Burg-Anlage  vorhanden  ist,  der 
sich  allerdings  noch  ganz  deutlich  erkennen  lässt: 

Vier  Erd- Wälle  von  etwa  20  Schritt  Durchmesser  umfassen  ein  Rechteck  (Fig.  1} 
von  140  Schritt  Länge  und  80  Schritt  Breite  (auf  der  Höhe  der  Wälle  abgeschritten), 
dessen  äusserer  Umfang  GOO  Schritt  beträgt  und  dessen  längere  Seite  von  Norden 
nach  Süden  gerichtet  ist.  Von  einem  Wallgraben  ist  nichts  zu  sehen,  und  es 
muss  dahingestellt  bleiben,  ob  überhaupt  ein  solcher  vorhanden  gewesen.  Zu 
dem  östlichen  Walle  führt  als  Zugang  senkrecht  darauf  zu  ein  kurzer,  ansteigender 
Wall,  der  sich,  allmählich  wieder  abnehmend,  noch  eine  kleine  Strecke  in  das 
Burginnere  erstreckt,  dessen  Niveau  nach  der  Mitte  zu  ganz  leicht  buckelartig  an- 
steigt. Die  Höhe  der  Wälle  ist  nur  noch  sehr  gering,  etwa  IVs  bis  2  m;  nur  der 
östliche  Wall,  zu  welchem  der  eben  erwähnte  Zugang  führt,  ist  höher  und  steigt 
an  seiner  nordöstlichen  Ecke  wohl  auf  3  m  an,  was  mit  den  gegebenen  natürlichen 
Verhältnissen  in  innigem  Zusammenhange  steht.  Wie  trefflich  nehmlich  die  ganze 
Borg-Anlage  sich  diesen  anpasst,  wird  so  recht  klar,  wenn  man  sich  die  genauere 
Lage  auf  der  Oeneralstabs-Karte  ^)  ansieht  (Fig.  2): 


Kg.  1. 


13>. 


Fig.  2. 


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ii  Tz 


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\ 


Grundriss  des  Bargwalles. 


Sitnations-Skizze. 


Copie  der  Generalstabs-Karte. 


1)  Vergl.  preuss.  Landes -Aufnahme  1888,  herausg.  1889,  Blatt  1794,   Strelno,  wo 
übrigens  der  Burgwall  nicht  eingezeichnet  ist 


(172) 

Nördlich  von  Kfinigsbrann  in  schräger  Bicbtnng,  Ton  BW.  nach  NO.  ver- 
laufend, zieht  eich  nehmlich,  beginnend  zwischen  den  Orischallen  Blnmendorf  und 
Kaiserthal,  weiterhin  stldlich  an  Bzegotki  vorbei  bis  ganz  nordöstlich  hinauf  nach 
Bozejewice  ein  Strich  snmpQger  Niederung,  deren  niedrigster  Fonkt  anf  der 
Karte  mit  88,7  m  angegeben  wird.  An  einer  Stelle,  wo  diese  einen  kurzen 
Zipfel  nach  Süden  sendet,  schiebt  sich  zwischen  diesen  und  die  eigentliche  Niederung 
von  Osten  her  eine  ftlr  die  dortigen  Terhältnisse  nicht  nnbedentende  Anhöhe 
(höchster  Fnnkt  nach  Angabe  der  Karte  93,8  m)  zungenformig  herein:  aaf  dieser 
Höhe  ist  der  Bargwall  (Fig.  i)  angelegt  Sie  steigt  von  Osten  her  allmählich  an 
und  fällt  nach  dem  Snmpfe  zn  ziemlich  steil  ab;  es  musste  daher  der  östliche 
Wall  höher,  als  die  übrigen,  aufgeworfen  werden,  sollte  er  die  gleiche  Höhe  mit 
denselben  haben,  und  er  konnte  allein  den  Zugang  vermitteln,  da  die  Qbngen  Seiten 
der  Burg  vom  Sumpf  hufeisen förmig  gedeckt  waren.  Hente  freilieb  haben  ver- 
besserte Vorflnth -Verhältnisse  und  erst  im  vorigen  Jahre  ausgeftlhrie  grössere 
Drainagearbeiten  den  Boden  entwässert  und  die  Niederung  fast  ganz  trocken  gel^t, 
so  dass  der  Werth  einer  Anhöhe 
Pj^  g  g^en  fHlher  nicht  mehr  in  Be- 

tracht kommt,  wo  der  Sampt 
jedenfalls  viel  ausgedehnter  und 
nnpassirbar,  das  Bnrgwall-Terrain 
kleiner  und  leichter  zu  verthei- 
digen  war.  Noch  vor  Kurzem 
soll  in  der  Niederung  in  un- 
mittelbarer Nähe  der  „Schanzen" 
danemd  Wasser  gestanden  ha- 
ben. — 

Beim  Nachsuchen  auf  dem 
gepflügten  Boden  fanden  sich  anf 
den  Wällen  nnd  im  Bnrginnem 
Reste  von  Holzkohle,  gebrannt« 
ThonstUcke,  ein  Knochenpfrie- 
men, Thierknochen,  ein  Stein, 
dessen  abgeriebene  flächen  dar- 
auf achliessen  lassen,  dass  er 
irgendwie  zom  Glätten  diente,  und 
eine  grosse  Anzahl  von  Scher- 
ben. Darunter  sind  zwei  neo- 
lithische  am  beachtenswerthesten 
(Fig.  3).  Die  übrigen  sind  voi^ 
slavische  geglättete,  zum  Theil 
mit  einfachem  Strich -Ornament 
versehen,  femer  typisch  slavische 
mit  Bargwall -Ornament,  auch 
einige  mittelalterliche').  Es  ist 
demnach  der  Bargwall  in  vor> 
slavischer  Zeit  angelegt  und  von 
den  Slaven  weiter  benutzt  worden. 
DafUr  spricht  auch  der  weitere 

1)  Slmmtlichc  luf  dem  Burgwsll  gesammelteo,  eben  erwUinten  Stficke  habe  ich  dem 
Berliner  KOnigl.  Mnseum  für  TOlkerkundt;  äb^rgebea 


(173) 

Umstand,  dasa  etwa  1000  Schritte  wesUich  davon  ein  vorslavischer  Ümen-Friedhof 
entdeckt  wnrde,  deaaen  Oefäaae  denselben  Charakter,  wie  die  vorsl ansehen  Scherben 
des  Btugvralles,  zeigen. 

Vor  etwa  40  Jahren  wnrde  nehmlich  auf  einer  leichten  Anhöhe,  welche  frOfaer 
im  Volksmonde  der  Katzenbuckel  genannt  wnrde  nnd  etwa  800  Schritt  von  der 
Ortscbaft  entfernt  liegt,  beim  Steineaachen  eine  grosse  Anzahl  von  Urnen,  angeblich 
Aber  30,  aufgedeckt  und  zum  grössten  Theil  zerstört.  Sie  sollen  in  Steinkisten  ge- 
standen haben;  oh  das  wirklich  der  Fall  war  und  welcher  Art  die  Steinsetzung 
gewesen,  liess  sich  nicht  mehr  feststellen.  Die  noch  unversehrt  gebliebenen  Umeii 
nahm  der  Finder,  ein  Bauer  des  Dorfes,  mit  nach  Hause  und  hob  sie  auf  seinem 
Dachboden  auf,  mnsste  sie  aber  auf  Veranlassung  seiner  Fran,  die  es  auf  dem  Boden 
spuken  hören  wollte,  wieder  an  Ort  und  Stelle  tragen  und  ve^n^ben.  Erst  im 
Herbst  189.S  wurden  sie  von  Nenem  an's  Tageslicht  befördert,  als  der  neue  Be- 
sitzer des  betreffenden  QrundstUckes,  Ur.  Erxleben,  mit  dem  TiefpQuge  pflagen 
liess  und  bei  dieser  Gelegenheit  sie  wieder  anfdeckte.  Hr.  Lehrer  ßadler  ia 
Königsbninn  schützte  sie  seitdem  ror  Zerstörung. 

Was  von  den  ganzen  Fnndstttcken  noch  flbrig  blieb,  besteht  aus  5  Urnen, 
einem  Hützendeckel,  einer  Schale  und  dem  Boden  einer  grösseren  Urne. 

Fig.  *.  Fig.  6. 


Urne  I  (Fig.  4)  ist  ein  mächtiges  bauchiges  Gel&sa,  mehr  breit,  als  hoch,  nnd 
ziemlich  plump  mit  der  Hand  geformt.  Die  ganze  Aussenseite  ist  grob  verstrichen, 
rauh  nnd  nneben,  nur  Hais  nnd  BodenstUck  sind  sorgsam  herausgearbeitet  und 
sorgfältig  aussen  geglättet,  der  Hals  in  einer  Höhe  von  etwa  6 — 7,  der  Boden  von 
etwa  3  cm.  Der  Thon  ist  ziemlich  grob  und  mit  vielen  grob  zeratossenen  Qaarz- 
stSckchen  durchsetzt;  die  Stärke  der  Wandung  beträgt  '/, — 1  cm.  Das  Oeföss  ist 
aussen  ziegelroth  gebrannt  und  der  Brand  geht  fast  ganz  durch;  die  Innenseite  ist 
dagegen  mehr  gelblich.    Das  Gelass  hatte  zwei  öhsenartige  kleine  Henkel. 

Höhe  27,5  CTn;  Durchmesser  des  Bodens  12,5  cm,  des  Bauches  28,5  cm,  der 
Oeftnnng  19,0  em;  gröaster  Umfang  90  cm.  Umfang  des  Halses  57  cm. 

Urne  II  (Pig.  5)  ist  von  hoher,  schlanker  Vasenform,  die  Anaaenseite,  wie  bei 
der  vorigen,  nur  weniger  rauh.  Geglättet  iat  nnr  der  Hals,  und  zwar  in  einer  Höhe 
von  etwa  10  cm.    Der  Rand  ist  etwas  defect,   so  dass  er  nicht  mehr  ergänzt  und 


(174) 

die  Höhe  dea  Geföesea  nicht  mehr  genau  bestimmt  werden  kann.  Die  Einwirknng 
des  Feuers  beim  Brennen  war  weniger  stark,  der  Brand  ist  ziemlich  nnregelmässig, 
gelblich,  abwechselnd  mit  ^Iblichrotb,  der  obere  (glatte)  Theil  geschwärzt.  Henkel 
nicht  vorhanden.  Wandstärke  etwa  '/= — '/•  <™-  Das  Material  ist  feiner,  als  bei 
dem  vorigen  Qefasse,  und  enthält  nur  wenigen  zerstosaenen  Quarz. 

Höhe  etwa  28,5  cw;  Durchmesser  des  Bodens  10,0  cm,   des  Bauches  23,0  cm, 
der  Oeffnung  12,0  cm;  grösster  Umfang  73,0  cm.  Umfang  des  Halses  39  cm. 

Urne  m  (Fig.  6)  ist  ein  Geffiss  von 
Fig.  6.  eleganter  offener  Vasenform,  aus  feinem, 

mit  Glimmer  rersetztem  Thon  sehr  sorg- 
föltig  gearbeitet,  achwach  und  unregel- 
mässig  gelblich  bis  gelblichroth  gebrannt, 
durchweg  gl  eich  massig  geglättet.  Der 
Brand  ging  nicht  durch  die  ganze  Wand- 
stärke: die  innere  Schicht  ist  schwarz. 
Auch  nach  dem  Boden  zu  hat  daa  Feuer 
weniger  stark  eingewirkt.  Unter  dem 
Halse,  der  leicht  abgesetzt  ist,  zieht  sich 
ein  mit  einem  Stäbchen  ganz  leicht  ein- 
gedrücktes Strich -Ornament  herum,  nur 
unterbrochen  durch  drei  symmetrisch  an- 
geordnete, röhren  artige  Henkel. 

Höhe  20  cn;  Durchmesser  des  Bodens 
10,0  cm,  des  Bauches  24,5  cm,  der  OeCTnuug 
16,5  cm;   grösster  Umfang  78  cm.    Umfang  des  Halses  wegen  Beschädigang  nicht 
zu  messen. 


J 


Drne  IV  (Fig.  7),  bedeutend  kleiner,  hat  die  Form  einer  Vase  mit  hoch  auf- 
gezogenem Halse.  Die  wintere  Hälfte  ist,  wie  bei  Urne  I  und  II,  raah,  ausserdem 
stark  verwittert.  Aus  der  oberen  sorgfaltig  geglätteten  Hälfte  ist  ein  Elals  ganz 
leicht  abgesetzt  (auf  der  Zeichnung  nicht  zu  sehen).  Der  Brand  ist  itnregel- 
mässig,  röthlicb,  gelblich  bis  schwarz  (am  oberen  Bande),  das  Material  verhält- 
nissmäasig  fein,  mit  Qnara  durchsetzt.  Wand  '/• — 'It  c">  stark.  Henkel  und  Orna- 
mente fehlen. 


(175) 

Höhe  20,5  cm;  Durchmesser  des  Bodens  10 — 11  cm,  des  Bauches  19  cm,  der 
OeflhuTig  10  cm;  grösster  Umfang  60  cm,  Umfang  des  Halses  32  cm, 

Urne  V  (Fig.  8)  steht  in  der  Form  zwischen  Nr.  H  und  IV;  Aussenseite  des 
unteren  Theiles,  wie  dort    Im  Besitz  des  Hrn.  Propstes  Kittel  in  Hochkirch. 

Höhe  25  cm;  Durchmesser  des  Bodens  10  cm,  des  Bauches  25  cm,  der  Oeffnung 
12  cm;  grösster  Umfang  70  cm.  Umfang  des  Halses  40  cm. 

Sämmtliche  5  Urnen  waren  mit  calcinirten  Knochenstückchen  angefüllt. 

Urne  V,  deren  Inhalt  noch  ganz  intact,  wurde  nicht  weiter  untersucht  Von 
den  übrigen  vier  enthielt  nur  Nr.  I  Beigaben:  Reste  von  einem  Paar  Ohr- 
ringen in  Gestalt  kleiner,  etwa  2  cm  langer  Stückchen  eines  feinen,  2  mm  starken 
Bronzedrahtes  und  zwei  flacher,  unregelmässig  gearbeiteter  Eisenringe  mit  beider- 
seits eingekerbtem  Band,  wie  sie  als  Anhängsel  an  Bronze-Ohrringen  an 
^ Gesichtsurnen  vorkommen  (Fig.  9). 

Fig.  9. 


Fig.  10.  Fig.  11. 


Sehr  interessant  ist  es,  dass  Hr.  Conservator  Ed.  Krause  das  gleiche  An- 
hängsel, aber  in  Knochen,  in  einer  mit  calcinirten  Knochen  angefüllten  Ge- 
sichtsurne von  Schwartow,  Kreis  Lauenburg  in  Pommern,  auffand,  wie  er 
mir  gütigst  mittheilte.  Die  betreffenden  von  ihm  ausgegrabenen  Funde,  im  Besitz 
des  Königl.  Museums  für  Völkerkunde  zu  Berlin,  werden  von  ihm  später  publicirt 
werden.  In  Geföss  Ic,  Nr.  1979,  lag  mitten  unter  den  Knochen  „eine  runde,  in  der 
Mitte  durchlochte  Knochenscheibe  mit  gekerbtem  Rande,  gebrannt  und  defect, 
Durchmesser  2  cm**  (Inventar-Katalog  des  Königl.  Museums  Ic,  Nr.  1980). 

Die  übrigen  Fundstücke  des  cujavischen  Friedhofes  bestanden  aus  einem 
Mützendeckel  (Höhe  4,5  cm^  Durchmesser  12  cm),  Fig.  10,  einer  flachen  Schale 
(Höhe  4,5  cm,  Durchmesser  13,5  cm),  Fig.  11,  und  dem  Bodenstücke  einer  grösseren 
Urne  (Durchmesser  10  cm). 

Auf  der  Stelle,  wo  der  Friedhof  sich  befunden,  kamen  auch  hin  wieder  ge- 
brannte Thonstücke  zum  Vorschein. 

Nach  Allem  erscheint  es  in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  dass  Friedhof  und 
Burgwall  in  Beziehung  zu  einander  zu  bringen  sind.  — 

(24)  Hr.  M.  Bartels  zeigt  drei  photographische  Aufnahmen  des  Marktes  in 
Lyck  (Masuren),  die  sein  Bruder,  Oberst  Bartels  (Lyck)  übersendet  hat.  Die- 
selben sind  als  Geschenk  für  das  Museum  für  deutsche  Volkstrachten  u.  s.  w.  be- 
stimmt — 

(25)  Hr.  M.  Bartels  legt  einige  photographische  Aufnahmen  von  Dayaken 
aus  West-Bomeo  vor,  welche  er  von  Hm.  Capitän  Schulze  (Batavia)  käuflich  er- 
worben hat.  — 


I 


(176) 

(26)  Von  Hm-  Dr.  W.  Wenge  in  Wilmersdorf  wird  das  erste  Heft  einer 
neuen  Zeitschrift  übersendet,  welche  von  ihm  herausgegeben  wird.  Sie  heisst 
„Zeitschrift  für  Criminal  -Anthropologie,  Gefängniss  -Wissenschaft 
und  Prostitutionswesen".  — 

(27)  Hr.  Th.  Voges  berichtet  aus  Wolfenbüttel,  21.  April,  über  eine 

Doppelaxt  aus  Kupfer  von  Börssum. 

Wird  in  den  „Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde^  1897,  Nr.  3,  rer- 
öffentlicht  — 

(28)  Hr.  Li  SS  au  er  spricht  über 

* 

gewellte*)  Bronze-Urnen. 

In  den  Verhandlungen  der  Gesellschaft  vom  16.  Januar,  S.  36,  hat  Hr. 
Director  Anger  in  Oraudenz  über  die  Bronze-Üme  von  Topolno,  Kreis  Seh  wetz, 
eine  Mittheilung  TeröflTentlicht,  in  welcher  er  diese  mit  einer  ähnlichen  Urne  Ton 
Münsterwalde,  Kreis  Marien werder,  vergleicht,  die  der  Vortragende  im  Jahre  1874 
in  den  Schriften  der  Naturf.  Oesellsch.  zu  Danzig  III,  3,  beschrieben  hat.  Seit  jener 
Zeit  ist  die  Zahl  dieser  immerhin  seltenen  Bronzegefässe  auf  etwa  25  gestiegen. 
Es  handelt  sich  stets  um  kleine  Kessel  ans  dünnem  Bronzeblech,  mit  wenig  oder 
gar  nicht  eingezogenem  Halse,  deren  Wandungen  durch  getriebene  verticale  Wellen- 
linien von  innen  heraus  verziert  sind,  während  der  dickere  Boden  concentrische 
Kreise  zeigt,  die  auf  der  Drehbank  abgedreht  sind;  die  vollständigen  Exemplare 
besitzen  sämmtlich  Bügel,  die  unvollständigen  zeigen  meistens  noch  Löthstellen 
auf  dem  oberen  Rande,  an  welchen  die  durchlochten  Lappen  zum  Einhängen  der 
Bügel  befestigt  waren. 

Trotz  der  bedeutenden  Vermehrung  der  bekannt  gewordenen  Gefösse  dieser 
Art  ist  das  Fnndgebiet  doch  dasselbe  geblieben,  wie  früher.  Es  entfallen  nehmlich 
15  auf  Dänemark'),  2  auf  Schweden'),  3  auf  Norwegen^)  und  5  auf  Nord-Deutsch- 
land; von  diesen  letzteren  wurden  eines  in  Böen  a.  d.  Haase  in  Oldenburg^),  2  in 
Zerbst  und  2  an  der  tmteren  Weichsel  in  Münsterwalde  und  Topolno,  wie  schon 
erwähnt,  geftinden.  Südlicher  sind  bisher  keine  solchen  Geftisse  bekannt  ge- 
worden. 

Die  beiden  in  Zerbst  gefundenen  sind  im  Besitz  des  Königl.  Museums  fClr 
Völkerkimde  zu  Berlin  (U,  4248  und  4249),  doch  ist  die  nähere  Fundgeschichte 
nicht  bekannt.  Sie  sind  im  Wesentlichen  einander  und  den  übrigen  Gelassen 
dieser  Art  gleich  und  unterscheiden  sich  nur  durch  die  Grössenveriiältnisse,  wie  die 
folgende  Zusammenstellung  lehrt*).  In  der  einen  derselben  konnten  an  der  am 
Boden  angetrockneten  Erde  noch  deutliche  Reste  von  gebrannten  Knochen  nach- 


1)  Ich  wähle  diese  Bezeichnung,  um  jede  Yerwechselung  mit  den  gerippten  CisUn 
ansiuschliessen. 

2)  Sophos  Müller,  Ordning  af  Danmarks  Oldsager,  Kjebenhavn  1888—95.   II.  Nr.  188. 
8)  Bruzelius  im  K.  Akad.  Minadsblad.    Stockholm  1874.    S.  27. 

4)  Undset  in  Aarb.  f.  nord.  Oldk.  1880.    8.  188. 

5)  Bericht  über  die  Thätigkeit  des  Oldenbnrger  Landesrereins  für  Alterthnmskmide, 
Oldenburg  1875.    8.  18. 

6)  Die  nachstehende  Zeichnung,  welche  von  Hrn.  Brunn  er  freundlichst  angefertigt 
und  mit  gütiger  Erlaabniss  des  Hm.  Director  Voss  hier  zum  ersten  Male  verftffentliehi 
wird,  stellt  die  eine  derselben  vor. 


(177) 

gewiesen  werden,   —  auch,  sind  noch  schwache  Sparen  von  Löthstellen  auf  dem 
oberen  Bande  zu  erkennen. 


Urne  von  Zerbst. 


Die  Form  aller  dieser  Gefasse  weicht  im  Allgemeinen  wenig  von  der  obigen 
ab.  Nor  die  Urne  von  Böen  im  Museum  zu  Oldenburg  zeigt  einen  stärker  ein- 
gezogenen Hals  und  ebenso,  wie  die  von  Oremolla  in  Stockholm '),  bedeutend  breitere 
Wellenlinien,  als  die  anderen;  die  letzte  unterscheidet  sich  ferner  dadurch  von 
allen  übrigen,  dass  sie  keinen  Bügel,  sondern  2  Tragringe  hat,  welche  unter  der 
Oberkante  angelöthet  sind  und  im  herabhängenden  ruhenden  Zustande  eine  runde 
Scheibe  mit  einer  rohen  Menschenmaske  umrahmen,  welche  ebenfalls  an  der  Ge- 
(asswand  befestigt  ist.  Diese  Tragringe  sind  an  der  äusseren  Peripherie  gewunden, 
ebenso  wie  der  Bügel  an  der  Oldenburger,  an  der  Graudenzer  von  Topolno  und  an 
einigen  Urnen  im  Museum  zu  Kopenhagen;  doch  kommen  auch  glatte  Bügel  vor. 
Der  Bügel  an  der  Oldenburger  Urne  zeichnet  sich  femer  durch  eine  grössere 
Dicke  aus,  als  sie  an  den  grösseren,  mehr  kelchförmigen  römischen  Bronze-Gefässen 
gewöhnlich  ist;  derselbe  endet  femer  an  beiden  Seiten  in  vogelkopfahnliche  Ge- 
stalten, wie  dies  auch  an  einigen  der  Ropenhagener  Urnen  der  Fall  ist.  Die  meisten 
enden  jedoch  spitz. 

Was  femer  die  getriebenen  Wellenlinien,  das  charakteristische  Merkmal  dieser 
Gefasse  betrifft,  so  werden  sie  oben  gewöhnlich  von  mehreren  Kreislinien  begrenzt, 
welche  unterhalb  eines  ringförmigen  Wulstes  um  den  kiirzen  Hals  gezogen  sind. 
Bei  dem  Oldenburger  Gefäss,  an  welchem  der  Wulst  und  die  Kreislinien  fehlen, 
beginnen  sie  direct  unter  dem  breit  umgelegten  Rande;  bei  dem  Gefasse  von 
Topolno  verlaufen  jene  Grenzkreise  über  die  Wellenlinien  hinweg,  da  diese  offenbar 
aus  Versehen  zu  hoch  angefangen  wurden.  Dagegen  zeigen  die  Gefasse  von 
Zerbst  unter  den  Kreislinien  und  die  von  Yalleby  in  Kopenhagen  nahe  unter  dem 
Wulst  selbst  einen  zickzackförmigen  Saum,  der  die  Wellenlinien  oben  begrenzt  — 
Das  untere  Ende  derselben  und  der  Fuss  bieten, .  wie  es  scheint,  keine  Verschieden- 
heiten dar.  — 


1)  Bruzelius  1.  c.  und  Montelius,  Sveuska  Fornsaker.    Stockholm  1872.    Nr.  B73. 

V«rbaudl.  der  Berl.  Aothropol.  GeielUcbaft  1897.  12 


(178) 

Ueber  die  Grössen  Verhältnisse  giebt  die  folgende  Zasammenstellung  eine  lieber- 
sieht,  soweit  diese  bisher  zu  erreichen  ist 


Fundort 


Münster-    To- 
walde     polno 


Zerbst  I  Zerbst  II  Böen   VaUoby  ÖremoUa'  b^«) 


Höhe cm 

Durchmesser  der 
oberen  Oeffnung  „ 

Durchmesser  der 
grössten  Breite   „ 

Durchmesser  des 
Bodens  »  ,  »  ,    „ 


18,5 

19,6 

20,6 

9,ö 


17,5 
25,7 


16,3        26,8')  ,    20 


26,3    ;    25,8 


26,5       27,5        27,7 


14,0 


29 
85 


18,0        18,6     I     17 


11,6«)      28,5 


20,0«) 
20,0«) 
11,2«) 


18,0 


28,7     I    21,0 
80,6«)  i    27,6 


11,0 


12,3 


Die  meisten  dieser  gewellten  Bronze-Ümen  sind,  soweit  deren  Fundgeschichte 
bekannt  ist,  als  wirkliche  Aschengefässe  zur  Aufnahme  des  Leichenbriandes  benutzt 
worden,  obwohl  kein  Zweifel  darüber  obwalten  kann,  dass  sie  ursprünglich  zu 
häuslichen  Zwecken  angeschafft  worden  sind.  Doch  kommen  sie  auch  als  Bei- 
gaben in  Skeletgräbem  vor,  wie  in  Nordrup*),  wo  eine  gewellte  Urne  zu  Raupten 
des  Skelets  stand,  oder  in  Yalleby  ^),  wo  zwei  solcher  Gefässe  zu  Füssen  der  Leiche, 
geftillt  mit  Vogelknochen,  angetroffen  wurden;  das  eine  dieser  letzteren  zeigte  aussen 
auf  dem  Boden  eine  unleserliche  Inschrift,  wenigstens  vermochte  Engelhard t  nicht 
zu  entscheiden,  ob  es  lateinische  Buchstaben  oder  Runenzeichen  sind. 

Was  endlich  die  Sjeitstellung  dieser  Urnen  betrifft,  so  gehören  dieselben  ihrer 
Technik  nach  in  Uebereinstimmung  mit  den  darin  gefundenen  Beigaben  der  so- 
genannten Völkerwanderungs-Periode,  200 — 400  nach  Chr.*),  an,  der  Zeit,  in 
welcher  der  Import  von  fabrikmässig  hergestellten  Waaren  aus  den  römischen 
Grenzprovinzen  oach  dem  Norden  am  meisten  blühte.  Die  edlen  Formen  der  vor- 
hergehenden Periode  sind  um  diese  Zeit  schon  verloren  gegangen^;  statt  des 
schweren  Metalls  findet  sich  dünnes  Blech,  statt  des  künstlerisch  gestalteten 
Gefäss-Henkels  ein  einfacher  Bügel,  statt  der  soliden  Mundkante  der  GefUsse 
ein  dünner  Rand,  statt  der  tief  eingedrehten  Kreise  am  Boden  seichte  Kreislinien,  — 
mit  einem  Worte:  statt  des  Kunst-Handwerks  Fabrik-Arbeit  Gerade  im  unteren 
Weichsel-Gebiet  tritt  dieser  Gegensatz  der  Perioden  scharf  hervor.  Das  Danziger 
Museum  besitzt  aus  einer  Kiesgrube  bei  Rondsen,  Kr.  Graudenz,  einen  römischen  Fund 
der  älteren  Zeit^):  ein  kannenförmiges  Bronze-Gefäss  mit  kleeblattförmiger  Mund- 
Öffnung,  mit  einem  schön  ciselirten,  aus  geflochtenen  Weinreben  gebildeten  Henkel, 
welcher  oben  und  unten  in  einen  bärtigen  Männerkopf  endet;  femer  ein  zweites 
casserollenartiges    Bronze-Gefäss,    dessen    cannelirter  Griff  in  einen  Widderkopf 


1)  Dieses  Gefäss  ist  stark  verdrfickt 

2)  Auf  der  Zeichnung  gemessen.  —   Sophus  Müller  giebt  für  den  grössten  Durch- 
messer überhaupt  17—27  cm  an. 

8)  Im  Museum  zu  Christiania:  die  Maasse  sind  nach  der  Abbildung  in  Rjgh,  Norske 
Oldsager,  Christiania  1885,  Nr.  351,  genommen. 

4)  Sophus  Müller,  Vor  Oldtid.    Kjebenhavn  1897.    8.522. 

5)  Engelhardt,  Aarbeger  f.  nord.  Oldk.  1873.    8.  285 ff.,  Fig.  10  und  10a. 

6)  nach  Montelius   Eisenalter,  Periode  Y. 

7)  VergL  hierüber  Sophus  Müller:   Vor  Oldtid.    8.  504. 

S)  Lissauer,   Die   pr&histor.  Denkmiler  der  ProYini  Westpreussen.     L«ipiig  1887. 
8. 147,  Tafel  IV,  Fig.  22  und  25. 


(179) 

•endet;  dazu  Fibeln  mit  oberer  Sehne  n.  a.  m.  Man  Tei^leiohe  nur  a.  a.  O.  Tafel  IV 
die  Henkelkanne  (Fig.  22)  mit  der  gewellten  Urne  darunter  (Fig.  25),  um  den  ganzen 
Unterschied  der  Zeiten  sofort  zu  überschauen! 

Aber  nicht  nur  die  technische  Arbeit,  —  auch  die  Form  der  einzelnen  Stücke 
ist  eine  andere  geworden.  Die  Casserollen  aus  Bronze,  welche  früher  eine  ge- 
wölbte Form  und  breite  Griffe,  oft  mit  Fabrik-Stempel,  hatten,  zeigen  jetzt  gerade 
Seitenwände  und  schmälere,  aber  lange  Griffe  mit  zwei  hakenförmigen  Absätzen; 
statt  der  Fibeln  mit  oberer  Sehne  treten  die  verschiedenen  Formen  der  Armbmst- 
.  Fibeln  auf:  zuerst  die  mit  ^  hohem  Nadelhalter ^,  mit  „dreikantigem  Nadelhalter^, 
mit  „umgeschlagenem  Fuss^  —  Tischler's  Periode  C  von  150 — 250  — ,  später 
^Zwei-  und  Dreirollen-Fibeln'',  „grossköpfige  Fibeln^,  Armbrust-Sprossen-Fibeln'^ 
u.  a-  m.  —  Tischler's  Perioden  D— E  250—400  nach  Chr. 

An  der  Hand  dieser  wohlbegründeten  Thatsachen  wird  es  weiterhin  möglich, 
die  Zeitstellung  der  gewellten  Bronze -Urnen  innerhalb  der  Völkerwanderungs- 
Periode  etwas  genauer  zu  bestimmen. 

In  der  Urne  von  Münsterwalde  lag  ein  Rnopfspom  aus  Bronze  von  der 
gleichen  Form,  welche  ein  in  Vimose  gefundener  aus  Eisen  zeigt').  Nun  wird 
zwar  der  Vimoser  Moorfund  sehr  verschieden  datirt.  Während  ündset^)  den- 
selben als  einen  der  jüngsten  unter  den  4  grösseren  Mooritinden  um  das  Jahr  400 
nach  Chr.  datirt,  setzt  ihn  Montelius')  als  den  ältesten  in  das  3.  Jahrhundert; 
ebenso  setzt  Tischler^)  den  Münsterwalder  Rnopfspom  sammt  der  gewellten  Urne 
in  seine  Periode  C,  —  also  jedenfalls  nicht  später,  als  in  das  3.  Jahrhundert  Für 
diese  letztere  Bestimmung  spricht  auch  der  Fund  eines  Denars  der  Faustina  jun. 
im  Vimoser  Moor,  obwohl  eine  einzige  Münze  nicht  entscheidend  ist. 

Zwei  ganz  gleiche  Sporen  aus  Bronze  sind  nun  auch  in  der  Bronze-Urne  von 
Brunsberg,  Norwegen^),  gefunden  worden,  zusammen  mit  verschiedenen  Waffen 
und  einer  Armbrust-Fibel  mit  „hohem  Nadelhalter'',  welche  auch  Sophus  Müller^ 
als  seine  vierte  Form  der  Völkerwanderungs-Periode  zuschreibt,  d.  i.  dem  dritten 
und  vierten  Jahrhundert  Dieselbe  Fibelform  tritt  aber  auch  in  dem  Skeletgrabe 
von  Valleby,  Seeland  auf^,  zusammen  mit  zwei  gewellten  Bronze-Urnen,  einem 
Bronze-Gefäss  der  älteren  und  einer  Bronze-Casserolle  der  jüngeren  Form  mit 
geraden  Wänden  und  zwei  hakenförmigen  Absätzen  an  dem  langen  Griff,  so  dass 
Sophus  Müller  diesen  Fund  in  die  Uebergangszeit  von  der  „römischen"  zur 
„Völkerwanderungs-Periode"  setzt,  welche  also  vom  Ende  des  2.  bis  in  den  An- 
fang des  3.  Jahrhunderts  gerechnet  werden  muss.  Dasselbe  ist  der  Fall  bei  den 
gewellten  Bronze-Urnen  von  Eilerup,  Fünen,  wo  gleichfalls  eine  Gasserolle  mit 
Sieb  der  jüngeren  Form  zusammen  mit  einem  älteren  Trinkhom  aus  Bronze  ge- 
funden worden,  und  von  Gjerum,  Jütland^),  wo  den  Resten  des  Leichenbrandes 
in  der  Urne  auch  eine  ältere  Goldbreloque  beigegeben  war. 

Auch  mit  der  Urne  von  Oreroolla  in  Schweden^)  ist  eine  Casserolle  und  ein 
Sieb  der  jüngeren  Form  nebst  2  Glas-Bechern  mit  eingeschliffenen  Ovalen  gefunden 


1)  Engelhardt,  Njdam  Mosefandet    Kjobenhavn  1865.    S.  54. 

2)  ündset.  Das  erste  Auftreten  des  Eisens.    Hamburg  1882.    S.  469. 

3)  Montelius-Reinach,  Les  temps  pröhistoriques  en  Suede.    Paris  1895.    8.  170. 

4)  Olshansen,  YerhandL  der  Berliner  anthropoL  Gesellschaft  1890.    S.  199. 
ö)  Rygh,  Norske  Oldsager,  Nr.  226. 

6)  Aarbeger  f.  nord.  Oldk.   1874.   S.  840. 

7)  Ebend.  1873.    S.  285ff.,  Fig.  7,  8,  10  und  17. 

8)  Engelhardt,  Ny dam  Mosefundet.  S.  57.  Nr.  3. 

9)  Brnzelins  1.  c. 

12  • 


(180) 

worden;  indessen  haben  diese  GelUsse  zwar  den  Griff  der  jüngeren,  aber  noch  die 
gerundete  Wandung  der  älteren  Zeit,  so  dass  auch  dieser  Fund  eher  auf  die  Ueber* 
gangszeit  oder  doch  auf  den  Anfang  der  Vöikerwandemngs-Periode  hinweist 

Allerdings  kennen  wir  aus  Dänemark  eine  Reihe  von  Funden,  wie  von  Nordrup, 
Thorslunde,  Gaardstedt^)  u.  a.,  in  denen  gewellte  Bronze-Urnen  nur  mit  Beigaben 
der  Yölkerwanderungs-Periode  zusammen  vorkommen;  nirgends  aber  ist  mit  den- 
selben ein  Gegenstand  gefunden  worden,  welcher  auf  den  Schluss  der  Periode,  auf 
Tischler' s  Periode  D— E,  hinweist 

Soweit  sich  das  aus  dem  bisher  bekannten  Material  feststellen  lässt,  können 
wir  daher  aus  dieser  Untersuchung  den  Schluss  ziehen,  dass  die  geweilten  Bronze- 
Urnen  überhaupt  dem  3.  Jahrhundert  nach  Chr.  angehören,  und  dass  bisher  keine 
Thatsache  bekannt  geworden  ist,  welche  beweisen  könnte,  dass  sie  in  noch  späterer 
Zeit  in  Gebrauch  waren.  — 

(29)   flr.  Olshausen  spricht  über 

ein  weiteres  AusfüUungs-Material  der  vertieften  Ornamente 

an  Thongeräth. 

Wiederholt  habe  ich  hier  Zusammenstellungen  aller  der  Stoffe  vorgelegt,  welche 
mir  als  zur  Ausfüllung  der  vertieften  Ornamente  an  Thongeräth  dienend  bekannt 
waren  (diese  Verh.  1895,  S.  124  o.  464).  Als  scheinbar  ganz  neu  konnte  ich  damals 
Urnenharz  hinzufügen,  das  ich  an  2  steinzeitlichen  Scherben,  einem  von  der  Insel 
Amruro,  Schleswig-Holstein,  und  einem  zweiten  von  Wernsdorf,  Rr.  Beeskow- 
Storkow,  Keg.-Bez.  Potsdam,  festgestellt  hatte.  Seither  habe  ich  gefunden,  dass  etwaa 
Aehnliches  schon  früher  mitgetheilt  war.  Undset  erwähnt  in  seinem  Werke  „Das 
erste  Auftreten  des  Eisens  in  Nord-Europa'',  Hamburg  1882,  S.  243 — 44,  Note  5,. 
ein  Urnenfragment  von  Staffel  de,  Kr.  Randow  i.  Pommern,  dessen  vertiefte 
Omamentlinien  mit  Muschelschalen  ausgelegt  sind,  die  in  Reihen  mittels  Harz 
befestigt  sind.  Siehe  Günther  und  Voss,  Photogr.  Album  d.  Berliner  prähist  Aus- 
stellung von  1880,  III,  Taf.  22,  zwei  Scherben,  deren  einer  eine  Thierfigur  zeigt, 
wie  sie  ganz  ähnlich  an  Gesichtsumen  und  deren  Verwandten  vorkommen  (vergl. 
Undset,  a.  a.  O.  Taf.  14,  13  und  Conwentz,  Bildliche  Darstellungen  von  Thieren 
usw.  an  westpr.  Gräberumen,  in  Schriften  d.  naturf.  Ges.  Danzig,  N.  F.  8,  3  [1894] 
S.  191  ff.  u.  Taf.  3  u.  4).  —  Der  Fund  stammt  aus  einem  Grabhügel  und  befindet 
sich  in  der  Stettiner  Sammlung  unter  No.  1299.  Herr  Conservator  A.  Stuben- 
rauch bestätigte  mir  nochmals  die  Richtigkeit  der  Beobachtung;  die  Reste  der 
Muschelschalen  sind  jetzt  allerdings  nur  noch  äusserst  gering,  früher  müssen  sie 
aber  z.  Th.  über  die  Umenflächcn  und  aus  den  Vertiefungen  der  Ornamente  her- 
vorgeragt haben. 

Herr  Stubenrauch  konnte  mir  nun  noch  einen  zweiten  Fund  dieser  Art  nach- 
weisen. Ein  Thongefäss  aus  einem  grossen  Depotfunde  von  Schwennens,  Kr. 
Randow,  2 — 3  Meilen  von  Staffeide,  ist  genau  in  derselben  Weise  verziert  gewesen, 
doch  sind  die  Muschelschalen  nun  schon  sämmtlich  herausgefallen.  Auch  bezüg- 
lich der  Thonmasse,  der  Wandstärke,  Farbe  (schwarz)  und  Giättung  gleicht  das 
Geföss  den  Scherben  von  Staffeide.  Schumann,  welcher  dasselbe  in  diesen  Ver- 
handl.  1894,  S.  435  ff.  als  Fig.  2  abbildet  und  die  Verzierung  sonst  ausführlich 
bespricht,  erwähnt  die  Einlage  g^ar  nicht,  und  die  Zeichnung  erweckt  den  unrichtigen 
Eindruck,  als  wenn  die  vertieften  Linien  des  Ornaments  nicht  glatt  eingeschnitten 


1}  Aarb«ger  f.  nord.  Oldk.   1874.   S.  372. 


(181) 

oder  eingezogen,  sondern  dnrch  Eindrücken  von  kleinen,  dicht  aneinandergereihten 
Zellen  erzeugt  seien.  Da  aber  Schumann  selbst  Ton  „sorgfältig  eingestrichenen^^ 
Wellenlinien  redet,  so  sind  vielleicht  in  der  Zeichnung  die  Löcher  im  Harze  wieder- 
gegeben worden,  in  welchen  die  Muschelschalen  sassen.  Die  Photographie  der 
Staffelder  Scherben  im  Album  macht  einen  ganz  ähnlichen  Eindruck.  „Zellen'^  der 
angedeuteten  Art  wtlrden  auf  die  Steinzeit  weisen;  der  ganze  Fund  gehört  aber  in 
die  jüngere  Bronzezeit,  Montelius'  Periode  4  und  5.  Ungefähr  ebenso  ist  auch  der 
Scherben  von  Staffeide  anzusetzen,  dessen  Thierzeichnung,  wie  bemerkt,  auf  die 
Keramik  der  Oesichtsumen  hindeutet  Oesichtsumen  selbst  sind  freilich  so  weit 
westlich  nicht  angetroffen;  ihr  westlichster  Fundort  in  Fonimem  ist  Mühlendorf 
{MahlendorO,  nördlich  von  Labes,  Kr.  Regenwalde.  (Baltische  Studien  17, 1  [1858] 
S.  17;  33  [1883],  S.  300;  Emil  Walter,  Prähist.  Funde  in  Pommern  zwischen 
Oder  und  Rega,  Stettin  1889,  No.  16  [Programm  mit  Fundkarte]).  Etwas  weiter 
östlich  folgt  dann  Kreitzig,  Kreis  und  nördlich  von  Schivelbein  (Bali  Stud.  29, 
118—20  und  305).  Um  die  Zeit  der  Oesichtsumen  wird  es  sich  aber  handeln, 
mithin  sind  die  Funde  von  Staffeide  und  Schwennenz  beide  viel  jünger,  als  die 
von  Amrum  und  Wemsdorf.  Die  Rolle,  welche  das  Harz  in  ihnen  spielt,  ist  auch 
eine  etwas  andere;  an  jenen  steinzeitlichen  Scherben  trat  es  als  selbständiges, 
alleiniges  Füllsel  auf,  bei  den  Randowem  diente  es  wesentlich  nur  zur  Befestigung 
der  Muschelschalen. 

Diese  Muschelschalen  bieten  nun  noch  ein  weiteres  Interesse.  0.  Helm 
hatte  zuerst  in  Conwentz'  16.  amtlichem  Bericht  über  das  westpreussische  Pro- 
vincialmuseum  f.  1895,  S.  34  u.  40,  dann  ausführlicher  in  den  Schriften  d.  naturf. 
Oes.  in  Danzig,  N.  F.  9,  Heft  2  ri»96],  die  weisse  Einlage  in  mehreren  Oefässen 
aus  westpr.  Steinkisten  (der  Oesichtsurnenzeit)  wegen  ihres  sehr  hohen  Oehaltes 
an  Kalkphosphat  als  gebrannten  Knochen  ani^sprochen,  worin  ich  ihm 
schon  am  erstgenannten  Orte  beistimmte.  Auch  Hr.  Tt  Virchow  hat  neuerdings 
Helmes  Deutung  für  sehr  wahrscheinlich  erklärt  (diese  Verhandl.  1897,  36).  Von 
anderer  Seite  dagegen  vrar  mir  die  Yermuthung  geäussert,  es  könne  sich  um  phos- 
phorsäurehaltige junge  Ralkbildungen  handeln,  die  aus  Muschel-  oder  Schnecken- 
schalen und  dergleichen  entstanden  seien,  um  sog.  Wiesenkalk.  Solches  Material 
habe  ich  nie  in  Händen  gehabt  und  Analysen  desselben  sind  mir  nicht  bekannt; 
aber  nach  Feststellung  der  Verwendung  von  Muschelschalen  an  2  Gefässen  in  der 
geschilderten  Weise  schien  es  mir  doch  nöthig,  die  Möglichkeit  einer  solchen  Her- 
kunft der  von  Helm  beobachteten  Masse  zu  prüfen  an  Hand  der  Analysen  jener 
Schalen.  Leider  steht  mir  hierzu  im  Augenblick  nur  J.  E.  Schlossberger's  All- 
gemeine Thierchemie  Bd.  1  [Chemie  der  Gewebe],  Lpz.  1856,  zur  Verfügung,  wo 
ich  in  dem  Abschnitt:  Mineralbestandtheile  der  Molluskenschalen,  S.  208—12,  fol- 
gende Angaben  finde:  Spuren  von  Phosphorsäure  scheinen  in  keiner  Bival venschale 
und  in  keinem  Gastropodengehäuse  zu  fehlen;  dem  entsprechend  ist  auch  Phosphor- 
säure in  allen  Versteinerungen  führenden  Kalken  enthalten.  Calciumcarbonat 
tiberwiegt  aber  mit  Ausnahme  eines,  wohl  etwas  verdächtigen  Falles  (Schale  der 
Zungenmuschel,  Lingula,  mit  85,79  Phosphat  in  100  Asche)  stets  bei  weitem  das 
Phosphat,  während  es  bei  den  Knochen  umgekehrt  ist  (85  Phospat).  Insbesondere 
enthält  in  lOOTheilen  die  innere  Schale  der  gemeinen  Sepia  (Sepia  officinalis)  nur 
Spuren  von  Phosphorsäure;  die  Asche  der  Enten-  oder  Teichmuschel  (Xnodonta) 
0,55  Phosphat,  99,45  Carbonat;  die  j^meine  Auster  (un^eglüht)  1,2  auf  98,1  Car- 
bonat;  die  Asche  des  Deckels  der  Weinbergschnecke  (Helix  pomatia)  5,73  Phosphat, 
94,24  Carbonat.  —  Erheblich  mehr  Phosphat  enthalten  allerdings  die  Crustaceen- 
panzer  (S.  215—21),  so  in  100  Asche:  die  Scheeren  des  Hummers  12,06;   der 


(182) 

Brustpanzer  des  Flusskrebses  13,17;  der  F.  des  kleinen  Krebses  ^Pinnenwächter*^ 
(Sqnllla)  47,52,  alle  3  nach  einem  und  demselben  Analytiker. 

Die  genannten  Substanzen  würden  demnach  wohl  zur  Erklärung  eines  niederen 
und  selbst  mittleren  Gehalts  an  Phosphorsäure  in  den  Umeneinlagen  dienen  können, 
.  aber  nicht  zur  Erklärung  des  fast  reinen  Phosphats,  es  sei  denn,  dass  in  Kalken, 
gebildet  aus  jenen  Schalen,  Gehäusen  und  Panzern,  eine  Anreicherung  an  Phosphor- 
säure stattfände,  etwa  durch  vorzugsweises  Auslaugen  des  Carbonats  durch  die  Kohlen« 
säure  führenden  Tagewässer. 

Auch  ein  anderes  Naturproduct,  das  sich  durch  seine  blendende  Weisse  gleich« 
sam  aufdrängt,  die  Eierschale,  kommt  hier  wenig  in  Betracht.  Denn  es  ent- 
hält nach  S..224  die  Hühnereiechale,  laut  Angabe  zweier  verschiedener  Analy- 
tiker, auch  nur  5,7  oder  gar  nur  1,0  pCt  Calcium-  und  Magnesiumphosphat 

Ich  halte  daher,  wo  das  Füllsel  wesentlich  Kalkphosphat  ist,  an  Helmes 
Deutung  fest,  bemerke  jedoch,  dass  das  scheinbar  Yöllige  oder  doch  fast  völlige 
Fehlen  der  Kohlensäure  in  der  Ausfüllmasse,  bei  einem  Gehalt  von  etwa  12  pCt. 
Garbonat  in  der  Knochenasche,  wohl  stets  auf  die  Schwierigkeit  der  Beobachtung 
zu  schieben  ist,  die  schon  Helm  selbst  in  Schriften  N.  F.  9,2,  S.  5,  No.  3  berührte. 
Es  empfiehlt  sich,  das  zu  prüfende  trockene  Pröbchen  auf  einem  Uhrglase  mög- 
lichst beisammen  zu  halten,  dann  mittels  eines  Glasstabes  einen  einzigen 
Tropfen  Säure  daran  zu  bringen.  Jede  Vergrösserung  der  Flüssigkeitsmenge  be- 
wirkt eine  verstärkte  Absorption  der  ausgeschiedenen  Kohlensäure  bis  zum  völligen 
Unterbleiben  einer  Entwickelung  von  Gasblasen,  die  ja  hier  das  alleinige  Kenn- 
zeichen für  das  Vorhandensein  von  Kohlensäure  ist 

Nimmt  man  nun  allgemein  an,  dass  die  überwiegend  Kalkphosphat  enthaltenden 
weissen  Füllsel  Knochenasche  seien,  so  entsteht  die  Frage,  ob  es  sich  um  thierische 
oder  menschliche  Knochen  handelt  Es  würden  ja  Thierknochen,  in  ein  Heerdfeuer 
gerathen,  vollständig  durchgebrannt  und  so  für  den  fraglichen  Zweck  dienlich  ge- 
worden sein  können.  Näher  liegt  jedoch  der  Gedanke,  dass  die  Anregung  zur 
Verwendung  von  Knochenasche  bei  Verzierung  der  Grabgelasse  in  Vorgängen  des 
Begräbnisses  selbst  gelegen  habe,  d.  h.  im  Leichenbrande,  und  man  demnach  auch 
die  Asche  menschlicher  Gebeine  benutzte.  Dann  würde  sich  aber  diese  Verwendung 
auf  die  Zeit  nach  dem  ersten  Auftreten  des  Leichenbrandes  beschränken, 
also  für  die  Steinzeit  im  Allgemeinen  ausgeschlossen  bleiben  müssen,  auch  in  späterer 
2jeit  schwerlich  bei  Körperbestattung  zu  finden  sein,  vielmehr  nur  in  Brandgräbem 
vorkommen.  Unter  diesem  Gesichtspunkte  gewinnt  Helm's  Beobachtung  an  einem 
Scherben  vom  Lorenzbei^  bei  Kaldus,  Kr.  Kulm,  Westpr.,  erhöhte  Bedeutung. 
Der  Scherben,  nach  Conwentz*  brieflicher  Mittheilung  Einzelfund,  ist  ein  stein- 
zeitlicher (Amtlicher  Bericht  f.  1895,  S.  34),  seine  Einlage  enthält  aber  Phosphor- 
säure in  nicht  geringer  Menge.  Allerdings  fand  sich  auch  in  der  Masse  des 
Scherbens  selbst  Phosphorsäure,  wenn  auch  nur  sehr  wenig.  Will  man  aber  trotz- 
dem annehmen,  die  Einlage  sei  Knochenasche,  worüber  sich  Helm  vorsichtiger- 
weise nicht  ausspricht,  so  bleibt  nur  die  Wahl,  an  Thierknochen  zu  denken,  oder 
einen  der  wenigen  Fülle  von  steinzeitlichem  Leichenbrand,  die,  wie  wir  wissen, 
bei  uns  zu  Lande  vorgekonmien  sind,  vorauszusetzen.  So  kennt  man  aus  dem 
hier  besonders  in  Betracht  kommenden  nordöstl.  Deutschland  einen  sicheren  Fund 
der  Art  v^  Warnitz,  Kr.  Königsberg  i.  Neumark,  und  einen  andern  von  Lieben- 
thal, Kr.  und  SO  von  Marienburg,  Westpr.  (Siehe  meine  Arbeit  über  Leichen- 
verbrennung, diese  Verhandl.  1892,  141fr.  und  A.  Götze,  Die  Vorgeschichte  der 
Neumark,  Würzburg  1897,  S.  16 — 17,  aus  Schriften  des  Vereins  f.  d.  (beschichte 
der  Neumark,  Heft  5,  Landsberg  a.  W.).    Kaldus  würde  sich  gut  zwischen  jene 


(183) 

beiden  Orte  einfügen.  Neolithische  Scherben  von  dort,  deren  einer  ebenfalls  weiss 
ausgelegt  gewesen  zu  sein  scheint,  besitzt  auch  das  K.  Mus.  f.  Völkerkunde  Berlin 
(Xo.  I  b,  205  b).  Die  Auffindung  weiterer  steinzeitlicher  .Brandgräber  in  Deutsch- 
land würde  man  um  so  eher  erwarten  dürfen,  wenn  sich  die  Beobachtungen  Je- 
linek's  und  y.  Weinzierl's  bestätigen  sollten,  nach  denen  auch  in  Böhmen  an 
yerschiedenen  Orten  solche  zum  Vorschein  gekommen  sind,  entsprechend  meinet*, 
^Leichenverbrennung^  S.  157 — 58  ausgesprochenen,  Vermuthung.  (Mittheilungen 
der  anthrop.  Ges.  Wien,  1891,  S.  1—2;  1894,8.  144  ff.,  namentlich  149—51;  1895, 
S.  29  ff.,  besonders  S.  40—43,  und  S.  192—93.  —  Zeitschr.  f.  Ethnol.  1894,  102; 
1895,  53  u.  67;  1897,  Verhandl.  S.  42-43.  —  Prähistorische  Blätter,  München, 
1895,  S.  42).  Man  beachte  indess  die  flinwendungen  M.  Much^s,  Wiener  Mitth. 
1895,  S.  29,  Note.  — 

(30)  Hr.  A.  Götze  spricht  unter  Vorlage  erläuternder  Fundstücke  aus  der 
Schliemann-Sammlung  über 

Technisches  aus  Troja. 

Den  Vorgang  bei  der  Bearbeitung  der  Steing er äthe  kann  man  genau  ver- 
folgen, da  solche  in  allen  Stadien  der  Bearbeitung  vorhanden  sind. 

Für  die  Kenntniss  der  Töpferei  ist  eine  im  Jahre  1894  aufgedeckte  Anls^e 
der  VI.— VII.  Schicht  von  Wichtigkeit. 

Von  metallurgischen  Geräthen  sind  Schmelztiegel,  Gusstrichter  und  Gussformen 
vorhanden,  und  zwar  die  letzteren  in  drei  Arten :  eintheilige  und  zweitheilige  Formen, 
sowie  —  bis  jetzt  ein  ünicum  —  eine  verlorene  Form. 

So  viel  nur  kurz  über  den  Inhalt  des  Vortrages,  welcher  demnächst  in  er- 
weiterter Gestalt  in  dem  Berichte  über  die  Resultate  der  Ausgrabungen  in  Troja 
aus  den  Jahren  1890 — 94  veröffentlicht  werden  wird.  — 

(31)  Herr  G.  Fritsch  spricht  über 

RaphaeFs  Adam  und  Eva  im  Original  und  Kupferstich. 

Als  ich  im  vorigen  Winter  über  die  graphischen  Methoden  zur  Darstellung 
der  Verhältnisse  des  menschlichen  Körpers  sprach  und  das  Vorgetragene  an  Pro- 
jectionsbildern  erläuterte,  führte  ich  auch  ein  Bild  vor,  welches  der  Proportions- 
lehre von  Zeising  entnommen  war  und  vom  Autor  kurz  als  „Raphaels  Eva^ 
bezeichnet  wurde,  ohne  dass  sich  eine  weitere  Angabe  über  die  Herkunft  des  zu 
Grunde  liegenden  Originals  dabei  findet.  Ich  wählte  es  damals,  weil  sich  an  der 
Figur  gleichzeitig  eine  Anwendung  des  goldenen  Schnittes,  auf  dieselbe  bezogen,  fand. 

Die  später  angestellten  Versuche,  über  die  Herkunft  des  Originals,  sowie  über 
seine  Beschaffenheit  nähere  Aufschlüsse  zu  erlangen,  schlugen  fehl,  da  die  Raphael- 
Werke  das  Bild  nicht  enthalten,  und  es  bleibt  nur  die  Vermuthung  übrig,  dass 
Zeising  einen  angeblich  in  der  Albertina  zu  Wien  oder  in  Dresden  befindlichen 
Entwurf  Raphaels  seiner  Zeichnung,  die  im  Holzschnitt  wiedergegeben  wurde,  zu 
Grunde  gelegt  hat.  Die  Nachforschungen  hatten  aber  ein  anderes  bemerkens- 
werthes  Resultat  durch  die  Vergleichungen  der  verschiedenen  Darstellungen,  in 
welchen  ^Raphaels  Eva^  erscheint,  und  dürften  wohl  von  einem  allgemeinen  Stand- 
punkt einiges  Interesse  verdienen. 

Raphael's  berühmtes  Bild  „Adam  und  Eva  im  Paradies*'  befindet  sich  bekannt- 
lich zu  Rom  im  Vatican,  wo  es  in  der  „Sala  della  segnatura^  ein  etwas  schräg 


(184) 

gegen  die  gewölbte  Decke  anstrebendes  Feld  an  der  Seite  des  Fensters  einnimmt. 
Es  ist  kein  sogenanntes  „Zwickelbild^,  wie  sie  die  schnell  nach  oben  rerbreiterten 
Felder  zwischen  den  Garten  gewölbter  Bogen  einnehmen,  sondern  die  leichte 
Wölbung  der  Ansteigimg  bewirkt  nur  eine  geringe  Ansbiegung  des  umgebenden 
Rahmens;  die  Verhältnisszahl  der  Höhe  zur  Breite  ist  1,29.  Als  Beispiel  eines 
richtigen,  ebenfalls  von  Raphael  herrührenden  Zwickelbildes  mag-  hier  die  Venns- 
gruppe  aus  dem  ^Leben  der  Psyche^  folgen.  Wir  sehen  auf  demselben,  dass  auch 
bei  Kaphael  das  weibliche  Schönheitsideal  doch  einen  recht  soliden  Charakter 
hatte,  der  fast  an  Formen  des  Rubens  erinnert  Man  möchte  die  arme  Psyche 
bedauern,  dass  sie  sich  den  Groll  einer  so  stattlich  veranlagten  Dame  zugezogen 
hatte;  denn  eine  richtige  Ohrfeige  aus  derartig  begabtem  Handgelenk  muss  eine 
recht  üble  Sache  gewesen  sein. 

Die  Vorführung  dieser  RaphaeFschen  Venusfigur  schien  mir  nun  deswegen 
hier  angezeigt,  weil  sie  sich  durch  besonders  normale  Verhältnisse  der  Glieder 
auszeichnet  und  darin  von  der  sogleich  zu  besprechenden  Eva  erheblich  abweicht; 
die  Beine  haben  bei  ihr  ein  Verhältniss  zum  Körper,  wie  es  in  der  Natur  bei  un- 
seren Rassen  als  das  am  meisten  verbreitete  vorkommt,  und  nicht  die  erstaunliche 
Länge  anderer  menschlicher  Figuren  derselben  Zeit  Diese  mächtige  Entwicklung 
der  unteren  Rörperhälfte  zeichnet  auch  RaphaeFs  Eva  aus,  wie  es  sich  schon  aus  der 
bei  Zeising  aufgenommeneu  Figur  ergiebt  und  seiner  Zeit  von  mir  betont  wurde. 
Da  die  Abbildung  immer  noch  einen  etwas  apokryphen  Charakter  trägt,  so  war  auf  . 
die  Beobachtung  nicht  viel  zu  geben,  sondern  es  musste  erst  festgestellt  werden, 
wie  weit  sie  dem  Original  entspricht  und  ob  sie  überhaupt  mit  demselben  etwas 
zu  thun  hat  Das  Ergebniss  schon  dieser  Vergleichung  spricht  für  die  Vermuthung, 
dass  es  sich  thatsächlich  um  einen  Entwurf  des  Meisters  zu  dem  Original  auf  dem 
Frescobilde  handelt;  er  ist,  um  ein  bekanntes  Scherzwort  zu  gebrauchen,  „ebenso, 
aber  anders^.  Die  Haltung  des  Oberkörpers  wurde  beibehalten,  der  erhobene  linke 
Arm  legt  sich  um  den  Ast  eines  Baumes,  an  dem  auch  der  obligate  Schlangen- 
schwanz nicht  fehlt,  aber  damit  ist  die  Uebereinstimmung  wesentlich  zu  Ende. 

Bekanntlich  existiren  zu  einer  ganzen  Reihe  raphaelischer  Bilder,  besonders 
seiner  Madonnen,  sehr  bemerkenswerthe  Entwürfe  des  Malers,  an  denen  man  sieht 
wie  sich  die  Figuren  in  seiner  Phantasie  erst  allmählich  sicher  und  bestimmt  aus- 
gestaltet haben  und  manche  uncorrecte  Linie  des  meist  nackt  entworfenen  Körpers, 
der  erst  dann  mit  der  Gewandung  bekleidet  wurde,  stehen  blieb.  Auch  im  vor- 
liegenden Falle  kann  man,  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Abbildung  nicht  von 
Zeising  entstellt  wurde,  Besonderheiten  der  Zeichnung  sehen,  welche  uncorrect 
wirken  und  von  denjenigen  Beschauem,  die  eine  ausgesprochene  Leidenschaft  haben, 
Verzeichnungen  aufzudecken,  als  solche  angesprochen  werden  sollten.  Ich  freue 
mich  hier  wiederum  zu  betonen,  dass  ich  mich  nicht  zu  dieser  Klasse  von  Be- 
schauem rechne,  mich  nie  über  Verzeichnungen  aufrege,  weil  ich  die  so  vielfach 
unterschätzte  Schwierigkeit  der  Beurtheilung  von  solchen  kenne  und  daher  auch  hier 
nur  Besonderheiten  der  Darstellung  bespreche.  Aus  irgend  einem,  vielleicht  ganz  zu- 
fälligem Grande  hat  der  Künstler  beim  Erheben  des  linken  Armes  die  Brost  der 
entsprechenden  Seite  nicht  folgen  lassen  und  so  einen  anscheinenden  Fehler  in  die 
Figur  gebracht. 

Wir  können  in  diesem  Falle  Raphael  durch  Raphael  controliren,  indem  wir 
das  Frescobild  selbst  zu  Rathe  ziehen,  von  dem  glücklicher  Weise  eine  recht  gute 
Photographie  existirt.  Freilich  zeigt  sich,  dass  der  Zahn  der  Zeit  an  dem  Bilde 
nicht  unbeträchtlich  genagt  hat,  aber  die  Gesammtwirkung,  besonders  der  Evaflgur, 


(185) 

ist  doch  recht  gat  erhalten;  störend  wirkt  Tomehmlich  nur  das  grob  heraustretende 
Mosaik  des  hellen  Hintergrundes,  auf  dem  die  Farben  al  fresco  aufgesetzt  sind. 
Hier  erscheint  die  Stellung  der  Brüste  in  gebührender  Uebereinstimmung  mit  der- 
jenigen der  Schultern  und  des  erhobenen  linken  Armes,  aber  die  untere  Körper- 
hälAe  ist  ebenfalls  auffallend  mächtig  und  lang. 

Dabei  zeigt  die  Figur  eine  Besonderheit,  welche  mir  sofort  aufftel,  da  sie  auch 
beim  üppig  entwickelten  Körper  der  erwachsenen  Frau  nicht  vorzukommen  pflegt: 
der  linke,  etwas  vorgestreckte  Unterschenkel  setzt  sich  gegen  das  Fussblatt  durch 
eine  quere  Doppelfalte  ab,  wie  sie  fettleibigen  Kindern  in  den  ersten  Lebensjahren 
sehr  häufig  zukommt.  Ohne  dass  ich  dieses  Merkmal  besonders  schön  finden 
konnte,  lag  es  mir  doch  fern,  Raphael  zu  kritisiren,  ihn  eines  Fehlers  zu  zeihen, 
sondern  ich  tröstete  mich  in  dem  Gedanken,  dass  der  Künstler  wohl  seine  triftigen 
Gründe  dabei  gehabt  haben  mochte. 

Die  Yermuthung  lag  nahe,  dass  Veränderungen  des  Originals  in  der  Zeit  oder 
durch  spätere  Uebermalung  den  störenden  Eindruck  veranlasst  haben  könnten,  und 
ich  wurde  so  darauf  geführt,  die  von  dem  Bilde  vorhandenen  Stiche  eingehend 
zu  vergleichen.  Das  Ergebniss  dieser  Untersuchungen  war  im  höchsten  Maasse 
überraschend  und  drängt  unvermeidlich  zu  weiteren  Schlüssen  von  allgemeiner 
Bedeutung,  da  in  der  Literatur  solche  Vergleichungen  nur  selten  angestellt  zu  sein 
scheinen.  Man  könnte  mit  dürren  Worten  sagen :  die  Kupferstecher  haben  das 
Bild  überhaupt  nicht  wiedergegeben,  wenn  man  sich  auf  RiehTs^)  be- 
hcrzigenswerthen  Ausspruch  stützt,  dass  der  Kupferstecher  zwar  berechtigt  sei,  den 
Ktlnstler  zu  interpretiren,  aber  nicht  als  ^absichtlicher  Verbesserer". 

Die  Eigenthümlichkeit  der  Technik,  die  besondere  Vortragsweise  des  Kupfer- 
stechers nöthigt  ihn,  sich  mancherlei  Freiheiten  in  der  Behandlnngsweise  des  Gegen- 
standes zu  gestatten,  und  als  freier  Künstler  wird  er  sich  wohl  auch  gelegentliche 
unwesentlichere  Abweichungen  gestatten  dürfen:  „nur  dass  die  Kunst  gefällig  sei,^ 
wie  Goethe's  Faust  sich  ausdrückt 

Ueber  diese  Grenze  hinaus  sollte  er  dagegen  logischer  Weise  nicht  gehen; 
denn  wenn  ein  Kupferstecher  sich  aus  freier  Entschliessung  an  die  Wieder- 
gabe eines  classischen  Bildes  durch  den  Stich  heranwagt  und  damit  eine  jahrelange 
mühevolle  Arbeit  unternimmt,  so  sollte  man  doch  meinen,  dass  er  eine  gewisse 
Andacht  für  das  Original  mitbringt  und  so  verhindert  wird,  muthwillige  Ver- 
besserungen daran  vorzunehmen. 

Eine  solche  Anschauung  über  die  Kupferstecher  ist  im  gebildeten  Laienpublicum 
auch  sehr  allgemein  verbreitet,  und  ich  selbst  huldigte  noch  bis  vor  kurzer  Zeit 
dieser  Meinung,  bis  ich  sie  als  irrig  erkannte  und  zu  dem  leider  unerlässlichen 
Spruch  wort  zurückkehren  musste,  welches  ich  nunmehr  auch  auf  diesem  Gebiet 
weiter  empfehlen  möchte,  nämlich:  „Trau,  schau,  wem!*^ 

An  der  Hand  des  vorliegenden  Materials  lässt  sich  der  Beweis  leicht  führen, 
dass  die  Nachbildner  gleichzeitig  als  Kritiker  aufgetreten  sind  und  entgegen  dem 
oben  ausgesprochenen  Grundsatz  als  absichtliche  Verbesserer  gearbeitet  haben. 
Dabei  handelt  es  sich  nun  keineswegs  um  Kleinigkeiten,  wie  eine  feindselige 
Richtung  unter  den  Kritikern  alsbald  achselzuckend  vermuthen  dürfte,  sondern  um 


1)  „Der  wahrhaft  geniale  Kupferstecher  copirt  eben  nicht  bloss,  er  interpretirt  zugleich, 
aber  er  soll  nicht  interpretiren  als  ein  absichtlicher  Verbesserer,  wie  initnnter  Edlinck 
gethan,  auch  nicht  als  ein  Professor,  der  umschreibt,  sondern  als  der  selbstentsagende 
Künstler,  welcher  dem  veränderten  Material  entsprechend  umbildet  und  das  Original  im 
Spiegelbild  seines  ehrlichen  Verständnisses  wiedergiebt"  (Ri  ehl,  Culturhistor.  Studien  S.  229). 


(186) 

Grössen  Verhältnisse,  welche  man  im  gewöhnlichen  Leben  scherzweise  als  ein 
^Zimmermannshaar^  zu  bezeichnen  pflegt. 

Es  sollen  hier  die  Reproductionen  von  drei  verschiedenen  Stichen  voi^legt 
werden^  nämlich  von  dem  berühmten  deutschen  Kupferstecher  Müller,  von  dem 
Italiener  Gar elii  und  von  dem  Franzosen  Richomme,  wodurch  die  Yergleichung 
einen  etwas  internationalen  Beigeschmack  erhält;  leider  war  mir  der  älteste  Stich 
von  Marcanton,  der  zu  Baphaers  Zeiten  selbst  angefertigt  wurde,  nicht  zugänglich. 
Ich  würde  dies  noch  mehr  bedauern,  wenn  nicht  feststünde,  dass  der  Maler  für 
den  Stich  sein  Werk  nochmals  gezeichnet  hätte,  und  so  etwaige  Abweichungen  der 
Vorlage  von  dem  ersten  Original  des  Bildes  vorhanden  gewesen  sein  mögen. 

Solche  Abweichungen  sind  durchaus  nicht  unwahrscheinlich,  weil  Raphaei 
selbst  seinen  Darstellungen  einen  heiligen  Ernst  entgegenbrachte;  seine  wechseln- 
den Entwürfe  zu  den  Bildern  lehren,  wie  schwer  er  mit  seinen  eigenen  Leistungen 
zufrieden  zu  stellen  war.  So  existirt  ausser  einer  berühmten  Federzeichnung  des 
Adam,  welche  sich  in  der  Oxford-Sammlung  befindet,  ein  Studienblatt  RaphaeFs  im 
Louvre,  auf  dem  dieser  Adam  vom  Künstler  fünfmal  in  verschiedener,  besonders  die 
Beine  betreffender  Haltung  entworfen  wurde.  Von  einer  derartig  mühsam  ge- 
troffenen  Entscheidung  sollte  dann  der  Kupferstecher  doch    auch  nicht  abgehen. 

Aber  nicht  auf  den  Adam  allein  beziehen  sich  die  beabsichtigten  Verbesserungen, 
sondern  auch  auf  die  Eva  im  Ganzen  und  in  Einzelheiten,  auf  die  Auffassung  der 
Schlange  mit  dem  Weiberkopf,  die  Wiedergabe  des  Terrains  bis  hinauf  zu  dem 
Format  des  Bildes  selbst 

Das  längliche  Eckfeld  des  raphaelischen  Bildes  ist  von  keinem  der  genannten 
Kupferstecher  auch  nur  annähernd  wiedergegeben  worden.  Berechnet  man 
die  Verhältnisszahlen  der  Höhe  zur  Breite  bei  den  verschiedenen  Stichen,  so  er- 
giebt  sich,  dass,  während  die  Zahl  beim  Original  1,29  beträgt,  sie  bqi 
Richomme  schon  auf  1,21  sinkt,  bei  Garelli  auf  1,16  und  bei  Müller  bis 
zu  1,12  herabgeht.  So  ist  bei  dem  deutschen  Kupferstecher  aus  dem  länglichen 
Eckfelde  ein  beinahe  quadratisches  Bild  geworden. 

Da  der  gewonnene  Raum  in  der  Breite  doch  ausgefüllt  werden  musste,  so 
wurden  die  Figuren  entsprechend  in  die  Breite  gedehnt  und  haben  sich  dies  Pro- 
crustesbett  ruhig  gefallen  lassen  müssen,  während  der  Bewunderer  des  Originals 
wohl  berechtigt  ist,  Zeter  zu  schreien. 

Wählt  man  die  Grösse  der  photographischen  Wiedergabe  nach  der  Höhe,  so 
geht  das  Bild  nach  Müller  nicht  in  denselben  Rahmen  und  es  wird  von  den  seit- 
lichen Gliedern  (Eva^s  linkem  Arm  und  Adam's  rechtem  Fuss)  ein  Stück  ab- 
geschnitten; zieht  man  dagegen  vor,  die  Breite  festzuhalten,  so  bleibt  oben  und 
unten  noch  genug  Raum  übrig,  um  auch  die  äusserst  sinnige  Beigabe,  die  der  philo- 
sophisch angehauchte  Kupferstecher  zugegeben  hat,  geniessen  zu  können.  Ich  be- 
dauere, dass  der  betreffende  Sinnspruch  nicht  höflicher  für  die  Damen  ausgefallen 
ist,  er  lautet:  r»^  <^s  in  grauer  Vorzeit  sich  begeben,  noch  täglich  sehen  wir's  im 
Leben."^  Diese  billige  Philosophie  muthet  uns  um  so  sonderbarer  an,  wenn  man 
bedenkt,  dass  Raphaei  in  seiner  genialen  Ausschmückung  der  Stanza  della  Segna- 
tura  den  Sündenfall  gleichsam  als  illustrative  Beigabe  zu  der  darüber  schwebenden 
allegorischen  Figur  der  Theologie  angebracht  hat. 

Der  in  die  Breite  jret^angene  Adam  ist  erheblich  massiver  geworden  und  liegt 
mehr  vornüber,  die  Eva  hält  ihre  Arme  in  einer  mehr  der  Horizontalen  genäherten 
Lage.  Im  Uebri^n  ist  Müller  dem  Original  treuer  geblieben;  er  hat  die  eigen- 
thümliche  Falte  über  dem  Fussrücken  der  Eva.  welche  mich  eigentlich  auf  die 
Vergleichung  brachte,    zwar  gemildert,    aber   doch    deutlich    gekennzeichnet;   das 


(187) 

Terrain  ist  in  wesentlicher  Uebereinstiramong  mit  dem  Raphaerscben  Bilde.  Völlig- 
yerfehlt  ist  dagegen  der  weibliche  Kopf  der  Schlange,  deren  freundliches  Lächeln 
dem  anmuthigen  Liebreiz  der  Eva  nur  Abbruch  thun  kann,  während  das  Original 
trotz  seines  Alters  den  dämonischen  Ausdruck  und  das  cynische  Grinsen  des 
Schlangen weibes  noch  wohl  erkennen  lässt.    ' 

Der  Italiener  Garelli,  dessen  Stich  in  der  Gesammtwirkung  einen  etwas  weich- 
lichen, kraftlosen  Eindruck  hervorruft,  ist  den  Verhältnissen  des  Urbildes  erheblich 
treuer  geblieben;  die  seitlichen  Verschiebungen  sind  geringer,  aber  er  hat  auch  die 
Falte  des  Fussrückens  nur  in  der  Andeutung  belassen,  die  Schlange  ebenfalls  ver- 
fehlt, das  Terrain  etwas  frei  behandelt,  aber  noch  ähnlich,  wie  Eaphael,  dar- 
gestellt 

Höchst  merkwürdig  ist  nun  aber  die  Vergleichung  des  Stiches,  welchen  uns 
der  Franzose  Richomme,  wie  ausdrücklich  darunter  vermerkt,  nach  dem  Vatica- 
nischen  Bilde,  entworfen  hat.  Ersichtlich  ist  derselbe  von  dem  Geschmack  seiner 
Zeit  (1816)  beeinflusst,  aber  ein  Blick  auf  das  Bild  lehrt  sofort,  auf  welch  hoher 
Stufe  damals  die  Technik  der  Kupferstechkunst  in  Frankreich  stand.  Trotz  der 
unerhörten  Freiheiten,  die  er  sich  in  Einzelheiten  erlaubt  hat,  ist  doch  bei  ihm 
allein  etwas  von  der  noch  jetzt  ersichtlichen  wunderbaren  Lichtwirkung  und  dem 
prachtvollen  Farbenglanz  des  raphaelischen  Bildes  zum  unverkennbaren  Ausdruck 
gelangt;  Richomme  allein  hat  einigermaassen  Glück  gehabt  mit  der  Wiedergabe 
des  dämonischen  Grinsens  im  Gesicht  des  Schlangenweibes.  Gegenüber  dieser 
unbestreitbaren  Gesammtwirkung  des  herrlichen  Stiches  vergisst  man  fast  darauf, 
den  Einzelheiten  mit  kritischem  Blick  nachzugehen;  wir  dürfen  es  uns  aber  hier 
im  Interesse  der  Sache  nicht  versagen.  Zunächst  ergiebt  sich  freilich,  das» 
Richomme  das  Format  RaphaePs  genauer  eingehalten  hat,  als  die  bereits  be- 
sprochenen Stecher,  dagegen  sieht  man  mit  einer  gewissen  Bestürzung,  dass  die 
Bildiläche  erheblich  vcrgrössert  werden  muss,  um  die  Figuren  vergleichbar  zu 
machen;  wie  bei  dem  fast  quadratischen  deutschen  Stich  reicht  dann  die  Breite 
des  hier  verfügbaren  Bildfeldes  gar  nicht  aus,  um  den  französischen  Stich  ganz 
aufzunehmen. 

Man  fragt  unwillkürlich:  Ja,  wie  ist  denn  das  überhaupt  möglich?  und  die  Ant- 
wort darauf  ist  von  verblüffender  Einfachheit:  Der  Künstler  hackte  von  den  Figuren 
so  viel  ab,  wie  ihm  gut  dünkte.  Dadurch  musste  natürlich  auf  der  Bildfläche 
Raum  frei  werden;  dieser  wurde  in  zierlicher,  dem  Zeitgeschmack  entsprechender 
Weise  mit  einem  sorgfältig  gepflegten,  botanischen  Garten  im  Kleinen  ausgefüllt, 
der  in  Raphaers  kühne  Phantasie  schwerlich  hineinpasste.  Dabei  ist  dann  gleich- 
zeitig unsere  liebe  Urmutter  Eva  ganz  glücklich  von  ihrem  Fussleiden  geheilt 
worden:  die  merkwürdige  Falte  ist  nicht  nur  absolut  verschwunden,  sondern  der 
Operateur  hat  sogar  noch  etwas  zur  Verbesserung  der  Fussstellung  beitragen 
können,  indem  er  die  sonst  verdeckte  Ferse  am  inneren  Fussrande  erscheinen  lässt. 
Das  wichtigste  und  für  mich  wegen  der  allgemeineren  Vergleichungen  werthvollste 
Moment  der  absichtlichen  Abweichung  des  Stechers  vom  Original  beruht  ober  in 
der  erstaunlichen  Verkürzung  der  Evafigur.  Man  möchte  zunächst  glauben,  es 
handle  sich  dabei  um  eine  gewisse,  allgemeine  Reduction  der  Grösse,  was  zwar 
überflüssig,  aber  immerhin  möglich  erscheinen  musste;  durch  Uebertragung  der 
Bilder  auf  einander  lässt  sich  indessen  leicht  zeigen,  dass  davon  nicht  die  Rede 
sein  kann,  sondern  dass  Richomme  thatsächlich  der  armen  Eva  ein  Stück  von 
ihren  Beinen  abgeschnitten  hat. 

Richomme  hat  sich  vermuthlich  gesagt:  ^Ach  die  Beine  sind  ja  immer  noch 
lang  genug  I'^  und  mit  allem  Respect  vor  Raphael  muss  ich  bemerken,  dass  er  in 


(188) 

dieser  Hinsicht  nicht  ganz  Unrecht  hat  Es  dürfte  wohl  Jeden  tiberraschen  zu 
sehen,  um  welch  enormes  Maass  (etwa  Vio  cler  ganzen  Länge  des  Körpers)  es  sich 
dabei  handelt;  daher  wird  man  den  obigen  Ansdraclc,  dass  die  Abweichungen  ge- 
legentlich von  der  Breite  eines  Zimmermannshaares  seien,  unter  solchen  Umständen 
wohl  nicht  zu  hart  finden. 

Unzweifelhaft  kommt  das  von  Kichomme  gewählte  Verhältniss  in  den  Längen 
der  Extremitäten  in  der  Natur  häufiger  zur  ßeobachtmig,  als  dasjenige  der  raphae- 
lischen  Eva;  er  ist  aber  von  dem  Vorwurf  nicht  frei  zu  sprechen,  dass  er  eigen* 
willig  an  dem  Urbilde  eine  Verbesserung  anzubringen  versucht  hat  In  dieser 
Hinsicht  ist  also  auch  das  schöne  Werk  von  Rieh o mm e  keine  richtige  Wieder- 
gabe des  Originals,  welches  er  angeblich  reproduciren  wollte. 

Der  Kritiker  hat  über  den  andächtigen  Kupferstecher  triumphirt.  Da  die  gleich 
anfangs  gezeigte  Fignr  der  Venns  aus  dem  Leben  der  Psyche  deutlich  beweist, 
dass  auch  Raphael  das  Vorkommen  anderer,  als  der  in  der  Eva  gewählten  Ver- 
hältnisse des  Körpers,  bekannt  und  geläufig  war,  so  musste  sein  Nachbildner  wohl 
die  Meinung  und  den  künstlerischen  Geschmack  des  Meisters,  den  er  verewigen 
wollte,  respectiren  und  sich  selbst  eine  innerlich  berechtigte  Verbesserung  desselben 
versagen. 

Zum  Schluss  kann  ich  nicht  unterlassen  darauf  hinzuweisen,  dass  wohl  gerade 
Raphael  unter  den  Kunstkennern  vom  Fach  privatim  eine  ganz  merkwürdig 
wechselnde  Beurtheilung  erfahrt,  wie  andächtig  man  auch  immer  öffentlich  vor  ihm 
im  Staube  liegen  mag.  Leider  werden  solche  privaten  Meinungen  nicht  gleich 
stenographirt  und  gelangen  nicht  in  die  Oeffentlichkeit,  sie  würden  sonst  in  vielen 
Beziehungen  recht  lehrreich  und  nützlich  wirken  können. 

Mir  kam  es  im  vorliegenden  Falle  aber  gewiss  nicht  darauf  an,  Raphael  zu 
kritisiren,  sondern  in  Ermangelung  solcher  stenographirten  Privatunterhaltungen 
durch  die  graphische  Methode  nachzuweisen,  welche  Freiheiten  sich  die  Kritik, 
hier  in  den  Händen  der  Kupferstecher,  auch  mit  einem  Genius,  wie  Raphael, 
nimmt 

Darin  kann  nur  eine  erneute  Stärkung  der  Ueberzeugung  gefunden  werden, 
dass  vielfach  die  Kunstkritik  nur  mit  der  hohlen  Phrase  arbeitet  und  öffentlich 
Mücken  seiht,  während  sie  heimlich  (oder  vielfach  unwissentlich)  Elephanten  ver- 
schluckt. Für  das  gebildete  Publicum  aber  sollte  daraus  eine  dringliche 
Mahnung  gefolgert  werden,  mit  eigenen  Augen  zu  sehen  und  sich 
lieber  auf  die  eigenen  Augen  zu  verlassen,  als  durch  die  Brille  eines 
Anderen  zu  sehen,  auch  wenn  derselbe  seinem  Auftreten  nach  als  der  eigent- 
liche Erfinder  der  Kunst  betrachtet  werden  will.  — 

(32)   Hr.  G.  Oppert  überreicht  eine 

Skizze  über  Kaschmir. 

Sohon  im  grauen  Alterthume  war  das  im  Nordosten  von  Indien  inmitten 
riesiger  Schneeberge  gelegene  Thal  von  Kaschmir  hochberühmt  wegen  seines  herr- 
lichen Klimas,  seiner  hinreissenden  Naturschönheit,  seiner  erstaunlichen  Frucht- 
barkeit und  seiner  geschützten  Lage,  so  dass  Viele  es  für  das  irdische  Paradies 
hielten.  Obgleich  es  in  Wirklichkeit  nicht  dieses  überschwängliche  Lob  verdient, 
so  ist  es  gleichwohl  einer  der  gesegnetsten  Plätze  der  Erde,  der  unter  einer  ge- 
rechten und  sorgsamen  Verwaltung  der  höchsten  Entwicklung  fähig  ist. 

Herodot  erwähnt  es  zweimal  (IIJ,  102  und  IV,  44),  und  berichtet,  dass 
Skylax   von   Karyanda  auf  Befehl  des  Königs   Darius  Hystaspes   von  der  Stadt 


(189) 

Kaspatyros  seine  Fahrt  den  Indus  stromabwärts  antrat.  Hekataeus  aus  Abdera, 
der  Begleiter  Alexanders  des  Grossen,  spricht  in  seinen  Fragmenten  von  Kaspapyros 
und  Ptolemaeus  kennt  das  Land  Raspeiria  und  die  Hauptstadt  Kaspeira. 

Die  Sanskritepen,  das  Mahäbhärata  und  Rämäyana,  gedenken  ebenfalls  des 
heiligen,  im  Norden  gelegenen  Landes.  Der  uralten  Sage  gemäss  war  das  Thal 
von  Kaschmir  ursprünglich  ein  grosser  See.  Der  Verfasser  der  Käjatarangipl,  der 
Pandit  Kalhapa,  erzählt  in  seinem  Geschichtswerke  (I,  25 — 28),  „dass  seit  dem 
Beginn  des  Kalpa  das  im  Innern  des  Himälaya  gelegene  Land  Kaschmir  sechs 
Manyantara  hindurch  (d.  h.  6  X  ^  320  000  Jahre),  mit  Wasser  gefüllt,  der  See  der 
SatT  gewesen,  und  dass  beim  Beginn  des  jetzigen  Vaivasvata  Manrantara  der 
Prajäpati  Kasyapa*)  den  Druhipa  (Brahma),  Upendra,  Rudra  und  die  übrigen 
Götter  herabzusteigen  und  den  im  See  wohnenden  Unhold  Jalödbhava  zu  tödten 
bewog  und  den  See  hierdurch  in  das  auf  der  Erde  als  Kaschmir  bekannte  Land 
umschuf.  Dies  übergab  er  dann  seinem  Sohne  Nila,  dem  Herrn  aller  Näga,  dessen 
Sonnenschirm  aus  dem  quellenden  Sprudel  (bei  Vernag)  des  schwellenden  Vitastä- 
Wassers  entsteht^.     Derselben  Chronik  zufolge  giebt  es  „in  diesem  von  Yishnu, 

* 

8iva  und  den  anderen  Gottheiten  geschmückten  Lande  keinen  Fleck,  sei  er  selbst 
so  klein  wie  ein  Sesamkorn,  ohne  Heiligthum.  Durch  die  Macht  der  Frömmigkeit, 
nicht  aber  durch  die  bewaffneter  Krieger,  kann  es  erobert  werden,  und  deshalb 
existirt  auch  bei  seinen  Bewohnern  nur  die  Furcht  vor  der  nächsten  Welt.  Im 
Winter  giebt  es  Badehäuser  mit  warmen  Bädern,  am  Strome  sind  sichere  Ufer- 
plätze, und  die  Flüsse  bieten  keine  Gefahr  und  sind  frei  von  Wasser-Ungethümen. 
Die  Sonne  erzeugt  in  dem  Lande,  das  der  Vater  Kasyapa  gewissermaassen  zu 
seiner  Verherrlichung  erschaffen,  selbst  im  Sommer  keine  übermässige  Hitze. 
Hohe  Lehrgebäude  (Fig.  1),  Safran,  eiskaltes  Wasser  und  Weintrauben,  Dinge, 
welche  im  Himmel  sogar  schwer  erlangbar  sind,  sind  hier  gewöhnlich.  In  diesen 
drei  Welten  ist  das  edelsteinreiche  Gebiet  des  Kuvera  des  Preises  werth,  eben- 
daselbst auch  der  Felsen  (Himälaya),  der  Vater  der  Gaun'),  und  das  in  ihm  ge- 
legene Land  Kaschmir  (Räjat  I,  38 — 43)'*. 

Nach  dem  Nilamatapuräria")  gewährte  Vish^u  dem  vom  Könige  der  Vögel, 
Garuda,  bedrängten  Schlangen -König  Väsuki  den  Satisaras  als  Zufluchtsort  für 
seine  ünterthanen,  die  Näga  (Schlangen),  und  Nlla  wurde  als  König  eingesetzt. 
Als  nun  Jalödbhava,  der  Sohn  des  Unholdes  Sarograha,  die  benachbarten  Gebiete 
verheerte,  begab  sich  Kasyapu  mit  seinem  Sohne  Nila  nach  dem  Sitze  Brahma's 
und  erbat  sich  von  diesem,  sowie  von  Vishou  und  äiva  Beistand  gegen  das  Un- 
gethüm,  das  sich  in  den  See  geflüchtet  hatte  und  dort  unangreifbar  war.  Auf  den 
Rath  Vishi;u's  durchbrach  Siva  mit  seinem  Dreizack  die  das  Wasser  umgebende 
Bergkette,  und  Vishiju  schlug,  als  das  Wasser  abgelaufen  war,  dem  Jalödbhava 
mit  seinem  Diskus  den  Kopf  ab.  In  diesem  so  entstandenen  Kaschmir  erhielten 
dann  die  Götter  und  die  Näga  ihre  Plätze  angewiesen.  Da  sich  die  letzteren  aber 
der  von  Kasyapa  beabsichtigten  Niederlassung  der  Menschen  widersetzten,  ver- 
fluchte Kasyapa  die  Näga  dazu,  mit  den  Pisächi  (Teufeln)  zusammenzuwohnen.  Nila 
erwirkte  jedoch  eine  Milderung  des  Fluches,  wonach  Menschen  und  Pisächi  vier 
Kalpa ^)  hindurch  abwechselnd  je  sechs  Monate  im  Jahre  das  Land   inne    haben 

1)  Der  Name  des  Thaies  von  Kaschmir  wird  von  dem  des  Kasyapa  abgeleitet. 

2)  oder  Parvati,  Gemahlin  des  Siva. 

3)  Siehe  „Detailed  Report  of  a  tour  in  search  of  Sanskrit  Manuscr.  made  in  Kashroir, 
Bajpntana  and  Central  India'  by  G.  Bühler,  Bombay  1877,  p.  39,  40. 

4)  Ein  Kalpa  =  482  000000  Jahren  von  Sterblichen  =  einem  Tage  Brahma's  =  1000  Yuga, 


(190) 

sollten.  Nach  Verlanf  der  vier  Kalpa  blieb  ein  alter  Brafamane,  Chandradera,  nach 
dem  Abzug  der  anderen  Menschen  noch  im  I^nde  and  fiel  in  die  Hände  der 
Pisöchi,  welche  ihn  als  Spielzeug  betrachteten  und  missbandelten.  Es  gelang  ihm 
indessen,  zum  Könif;  Nila  zu  entkommen.  Dieser  lehrte  ihn  seine  Gebote,  welche 
er,  als  sechs  Monate  später  die  Menschen  wieder  in's  Land  kamen,  deren  König 
Tiryodaya  mittheilte  und  ihre  strenge  Beobachtung  von  ihm  erwirkte,  so  dass  Kaschmir 
in  Zukunft  das  ganze  Jahr  für  Menschen  bewohnbar  blieb.  Der  Räjataraiigiijl  (I, 
184)  zafolge  führte  Chandradeva  die  Gebote  Nila's  unter  König  Abhimanyn  wieder 
ein.  Vordem  hatten  sich  die  Näga  gegen  die  Buddhisten  erhoben  und  das  Land 
verheert;  durch  die  Beobachtung  dieser  Torschrirten  wurde  die  Ruhe  bald  wieder- 
hergestellt.   Später  kam  Gonanda  III.  zur  Regierung. 

Fig.  1. 


bereis  J 

dieser  Reise   brachte   er  sechzehn  Jahre   zu").     Er  beschreibt  folgend ermaassen  ' 

Kaschmir:    „Das  Königreich  Kaschmir  (Kia-shi-mi-lo)  ist  ungefähr  7000  Li')  im  \ 
Umfang,  und  von  allen  Seiten  von  Bergen  eingeschlossen.    Diese  Berge  sind  sehr       \ 

1)  Siehe  BuiliUiistic  records  of  the  Western  World   l>y   Samuel  Beal.    Vol    L    p 
XVIH— XIX. 

2)  Eiu  Li  int  ungefähr  ',\  cngliadic  Meile  oder  0,82  hu. 


\ 

1 


(191) 

hoch.  Obwohl  Pässe  durch  diese  Bei^e  führen,  so  sind  doch  solche  eng  und  ge- 
wunden. Die  Nachbarstaaten,  welche  Kaschmir  angegriffen  haben,  konnten  es  nie 
unterjochen.  Die  Hauptstadt  ist  auf  der  Westseite  von  einem  grossen  Fluss  be- 
grenzt Von  Norden  nach  Süden  erstreckt  sie  sich  12—13  Li  und  von  Osten  nach 
Westen  4-^5  Li.  Der  Boden  ist  für  den  Getreidebau  geeignet  und  hat  Ueberfluss 
an  Früchten  und  Blumen.  Hier  giebt  es  auch  Drachenwurz,  wohlriechende  Oelb- 
wurz,  Fochii^)  und  medicinische  Pflanzen.  Das  Klima  ist  kalt  und  rauh.  Es  giebt 
viel  Schnee,  aber  wenig  Wind.  Das  Volk  trägt  lederne  Wämmser  und  weiss- 
leinene  Anzüge.  Sie  sind  leichtsinnig  und  frivol  und  von  Charakter  schwach  und 
feige.  Da  das  Land  von  einem  Drachen  beschützt  wird,  hat  es  sich  immer  die 
Herrschaft  über  die  Nachbar- Völker  angemaasst.  Die  Bevölkerung  hat  ein  hübsches 
Aeusseres,  ist  aber  verschlagen.  Sie  hat  Vorliebe  für  das  Lernen  und  ist  gut  unter- 
richtet Es  finden  sich  unter  ihr  sowohl  Ketzer  wie  auch  Gläubige,  gegen 
100  Klöster  (Sahghäräma)  und  5000  Priester.  Der  König  Asöka  erbaute  4  Stüpa, 
deren  jeder  ungefähr  ein  Nössel  voll  Reliquien  von  Buddha  (Tathägata)  besitzt 
Die  Geschichte  des  Landes  berichtet,  dass  es  einst  ein  Drachensee  gewesen.  Als 
der  Herr  Buddha  nach  Bezwingung  eines  Unholdes  in  U-chang^na  (Udyäna)  nach 
dem  mittleren  Königreiche  (Indien)  zurückkehrte  und  gerade  in  der  Luft  über 
demselben  sich  befand,  sagte  er  zu  Änanda:  „Nach  meinem  Nirväiia  wird  der 
Arhat  Madhyäntika  ein  Königthum  in  diesem  Lande  gründen,  die  Bevölkerung 
civilisiren  und  durch  seine  eigenen  Bemühungen  das  Gesetz  des  Buddha  auswärts 
verbreiten.^  Madhyäntika,  der  Schüler,  des  Ananda,  hörte  im  hundertsten  Jahre 
nach  dem  Nirväpa  diese  Prophezeiung  Buddha's  und  begab  sich  hocherfreut  durch 
die  Luft  nach  Kaschmir*},  wo  ihm  der  Näga  einen  Fleck,  auf  welchem  er  mit 
seinen  Knien  ruhen  konnte,  im  See  einräumte.  Der  Arhat  machte  aber  durch  seine 
zauberische  Gewalt  den  Umfang  seines  Körpers  immer  grösser,  und  da  der  NSga 
das  Wasser  von  ihm  abhielt,  wurde  der  See  zuletzt  trocken  und  der  Näga  musste 
ihn  verlassen.  Er  erhielt  jedoch  das  Versprechen,  zurückkehren  zu  dürfen,  so- 
bald Buddha's  Lehre  aus  dem  Lande  verschwinden  sollte.  Madhyäntika  kaufte 
dann  von  den  umliegenden  Ortschaften  für  die  Priester  eine  Anzahl  armer  Leute 
als  Diener,  die  Ki-li-ta  (Kritlya)')  hiessen.  In  der  Folgezeit  machten  sich  aber 
diese  Sklaven  wiederholt  zu  Herren  des  Landes.  Hundert  Jahre  nach  dem  Nir- 
väpa  gelangte  Asöka,  der  König  von  Magadha,  zur  Herrschaft  über  die  Welt,  er- 
richtete 500  Sanghärama  in  Kaschmir  und  gab  das  Land  den  Priestern.  400  Jahre 
nach  dem  Nirväpa  brachte  Kanishka,  König  von  Gandhära,  Kaschmir  unter  seine 
Botmässigkeit  und  berief  ein  Concil  von  300  weisen  Männern,  denen  Vasumitra 
präsidirte,  um  Buddha's  Lehre  festzustellen.  Nach  Kanishka's  Tod  gelangten  die 
Krftlya  abermals  zur  Herrschaft,  bis  der  König  von  Himatala  aus  dem  Lande  der 
To-hu-lo  (Tukhära)  und  dem  Geschlechte  der  ääkya  dem  Könige  der  Kritiya  den 
Kopf  abschlug,  die  Priester  wieder  in's  Land  zurückführte  und  ihnen  dasselbe 
übergab. '^  Jedoch  war  diese  Restauration  nur  von  kurzer  Dauer,  denn  die  Kntiya 
rissen  immer  von  Neuem  die  Macht  an  sich  und  verdrängten  den  Buddhismus. 
Deshalb  war  zur  2jeit  des  Hiuen-tsiang  der  Zustand  Kaschmir^s  den  Buddhisten 
nicht  günstig  und  Ketzerei  herrschte  im  Lande  ^). 

1)  Lenülles  de  verre. 

2)  Er  fliegt  mit  10000  Bettelmönchen  durch   die  Luft  nach  dem  Berge   U^ira  in 
Kaschmir;  siehe  ebendas.  I,  134. 

8)  Vielleicht  vom  Sanskritworte  krita  =  „gekauft*^.    Im  Chinesischen  mal-te,  gekaufte 
Leute,  ibid.  I,  150,  n.  94. 

4)  Siehe  Buddhistic  records.  I.  p.  148  ff. 


(192) 

Was  die  Krltiya  betrifft,  so  ist  es  bemerkenswerth,  dass  das  Vishpopnräpa  und 
Bhägavata  besagen,  dass  läüdra,  Ausgestossene  und  Barbaren  am  Indus,  Dänrika 
und  Chandrabhäga  in  Kaschmir  Herren  werden  würden  (siebe  H.  H.  Wilson, 
Vishoupuräpa  IV,  223,  224).  In  verschiedenen  Sanskritwerken  kommt  Rira  als 
Name  Ton  Kaschmir  und  seiner  Bewohner  vor  (siehe  Böhtlingk  und  Roth 
Sanskrit- Wörterbuch  unter  Kira,  II,  p.  298).  In  der  Räjatarangipi  werden  das  Volk 
der  Krittika  und  deren  Vertreterin,  die  Kiityadevi,  erwähnt  (I,  131 — 147)  aber  die 
Kfittika  sind  hier  Buddhisten. 

Obwohl  die  brahmanischen  und  buddhistischen  Berichte,  wie  wir  gesehen 
haben,  je  nach  ihren  religiösen  Ansichten  von  einander  abweichen,  so  stimmen  sie 
doch  in  der  Angabe  überein,  dass  das  Thal  Kaschmir  ehedem  ein  grosser  See  ge- 
wesen; hiermit  stimmt  auch  die  geologische  Formation  des  Landes  ttberein.  Das 
jetzige  Thal  hat  wirklich  einstmals  unter  Wasser  gestanden,  und  zwar  mnss  der 
See  eine  Höhe  ron  gegen  5800  Fuss  über  dem  Meeresspiegel  erreicht  haben,  denn 
die  Karewa ^)  oder  felsigen  Klippen,  welche  das  Hochland  bilden  und  durch  tiefe, 
an  einigen  SteUen  300 — 400  Fuss  hinabfallende  Schluchten  von  einander  getrennt 
sind,  waren  wahrscheinlich  nicht  überschwemmt.  Dies  gilt  zumal  von  der  Hoch- 
ebene bei  Martand,  die  sich  schroff  und  steil  nach  der  heiligen  Quelle  bei  Bawan 
und  Mattan  senkt. 

Die  Bergwand  wurde  bei  Bäramüla  durchbrochen  und  somit  dem  Flusse,  den 
die  Brahmanen  Vitastü,  die  Griechen  Hydaspes,  die  Muhammedaner  Bihut  und 
die  Neueren  Ihilam  nennen,  Abfluss  gewährt  Vishpu  soll  als  Eber  Varäha,  einer 
Sage  gemäss,  dieses  bewirkt  haben,  und  nach  ihm  die  Stätte  Varähamüla,  das 
heutige  Bäramüla,  genannt  sein.  Den  Namen  Kaschmir's,  des  Landes  des  Kasyapa, 
leitet  Burnouf  von  Kasyapa-mira,  See  des  „Kasyapa^  ab. 

Kaschmir  ist  der  einzige  Staat  des  vorderindischen  Continents,  der  eine  das 
Alterthum  einschliessende,  fortlaufende  geschichtliche  Literatur  besitzt  Leider  sind 
die  ältesten  Chroniken  nicht  vorhanden,  und  der  Verlust  des  von  Suvrata  ver- 
fassten  Abrisses  ist  sehr  zu  bedauern.  Der  Paqdit  Kalhaoa  geht  in  seiner  Rftja- 
tarangipi  bis  zum  Jahre  1 148  A.  D.,  1070  der  Saka-Aera,  und  seine  Nachfolger  haben 
sein  Werk  bis  in  die  Zeit  Kaiser  Akbar^s  fortgesetzt  Ausser  der  Käjatarangipi  be- 
sitzen wir  noch  das  vorhin  erwähnte  Nilamatapuräpa  und  verschiedene  Mähätmya*). 
Für  chronologische  Bestimmungen  sind  die  vier  ersten  Bücher  der  Räjatarangiqf 
werthlos.  Gonanda  I.  gilt  als  Zeitgenosse  und  Freund  Jaräsandha's  und  als  Feind 
Krishpa^s,  gegen  den  er  bei  Mathurä  im  Kampfe  lallt  Sein  Sohn  Dämodara  hat 
das  gleiche  Schicksal,  und  Krishna  setzt  dessen  Gemahlin  Yasovati  als  Königin 
ein.  Ihr  Sohn  Gonanda  IL  ist  zu  jung,  um  am  Kampfe  zwischen  den  Kaurava  und 
Päpdava  theilzunehmen.  Verschiedene  Herrscher  aus  verschiedenen  Familien  re- 
gieren Kaschmir.  Kalhapa  widerspricht  seiner  eigenen  Behauptung,  dass  Kaschmir 
nie  von  Fremden  unterjocht  worden.  Hushka,  Jushka  und  Kanishka  sind  turusch- 
kischer  Herkunft  und  Buddhisten,  Gründer  dreier  nach  ihnen  benannter  Städte  und 
vieler  Klöster  und  Tempel.  Ihnen  folgen  Abhimanyu  und  Gonanda  IIL,  der  die 
Vorschriften  Nila^s  wiederherstellte').  Unter  Vasukula  fielen  die  Mleccha  in 
Kaschmir  ein.  Mit  Durlabhavardhana,  dem  kayastischen  Schwiegersohn  Bäläditya's, 
beginnt  die  historische  Zeit    Kaschmir's  Ruf  (598—634)   reizte  die  Habgier  der 

1)  Die  bedeutendsten  Karewa  sind  bei  Pämpor,  Islam&bad  im  Norden,  und  bei  Zyn&pnr, 
Nonagar,  Khanpur  und  Damudar  im  Süden. 

2)  Ausser  Suvrata  und  dem  Nilamataparaoa  erwähnt  Kalha^a  noch  die  Kdnigsllsten 
von  KshSmCndra,  Hcläräja  und  Padmamihira.    Siehe  Kaj.  I,  12,  18,  17,  18. 

3)  Raj.  I,  168-172. 


(193) 

Eroberer,  aber  im  Allgemeinen  war  ihre  Herrschaft  nicht  von  langer  Dauer.  Ausser 
den  Indo-Scythen  verheerten  im  1 1 .  Jahrhundert  die  Turushka  unter  den  vorher  er- 
wähnten Hammira  (Räj.  Vü,  53  ff.)  Kaschmir.  Hammira  ist  der  bekannte  Eroberer 
Mahmud  vonGhazna,  der  um  lOlöRaschmir  unterjochte.  1305  erschienen  die  Tibetaner 
im  Lande,  vertrieben  den  König  Soha  D^va,  und  Ringhana,  der  Sohn  des  tibeta- 
nischen Königs  Yuftan,  usurpirte  den  Thron.  Er  soll  Muhammedaner  geworden  sein 
und  den  Namen  Sadaru<-'d-din  angenommen  haben.  Nach  dem  Tode  UdyänadSva's 
bestieg  sein  Minister  Shäh  Mir  als  Shamsu-'d-din  1340  den  Thron.  Er  wird  ge- 
wöhnlich als  der  erste  muhammedanische  Herrscher  von  Kaschmir  bezeichnet.  Bis 
1536  regierte  seine  Familie,  in  der  sich  Shähäbu-'d-din  (1356)  und  Sikandar  (Batshikan) 
als  fanatische,  die  alten  Hindu-Tempel  und  Heiligthttmer  zerstörende  Muhammedaner 
hervorthaten,  während  das  Andenken  des  grossen  Bädshäh  Zinalabudin  (1423), 
welcher  53  Jahre  Kaschmir  beglückte,  noch  heute  geehrt  wird.  Er  selbst,  ein 
Künstler  und  Dichter,  förderte  Künste  und  Wissenschaften.  Er  führte  die  Shawl- 
Webereien,  die  Olas-Fabrication,  Papiermachö-Industrie  und  Buchbinderei  ein,  und 
errichtete  viele  Bauten.  Später  bemächtigte  sich  Käji,  welcher  der  einilussreichen 
Chakfamilie  von  ärtnagar  entstammte,  der  Herrschaft,  und  obgleich  er  selbst  1540 
dem  Mirza  Haidar,  einem  Milchbruder  des  Kaisers  Humayün  unterlag,  so  behaupteten 
doch  die  Chak  ihr  Ansehen,  bis  Akbar  1587  Kaschmir  seinem  Reiche  annectirte. 
166  Jahre,  bis  1753,  bildete  Kaschmir  eine  Provinz  des  Reiches  der  Orossmogule. 
Diese  erkoren  dasselbe  zu  ihrem  Sommeraufenthalt,  schmückten  es  mit  prachtvollen 
Bauten  und  legten  auf  der  über  Bhimbar  und  den  Pir-Panjäl-Pass  dahin  führenden 
kaiserlichen  Landstrasse  luxuriöse,  jetzt  theils  in  Trümmern  liegende,  theils  noch 
bestehende  Rasthäuser  (Sarai)  für  sich  und  ihr  zahlreiches  Gre folge  an.  Der  Einfall 
Nadir  Schah's  in  Indien  (1739)  gab  der  Herrschaft  des  Grossmoguls  den  Gnaden- 
stoss,  und  Kaschmir,  dass  zuletzt  von  verschiedenen  Beamten  selbständig  ver- 
waltet worden  war,  gehörte  von  1753  bis  1816  unter  sechzehn  Gouverneuren  zum 
Reiche  der  Duri^ni,  das  sich  auch  über  Pishäwar,  Labore  und  Multän  erstreckte. 

Am  5.  Juli  1819  besiegte  Divan  Chand,  der  General  Ranjit  Singh's,  den 
Pathan -Gouverneur  Jabbar  Khan  bei  Chotipur  und  brachte  hierdurch  Kaschmir 
unter  die  Herrschaft  der  Sikh,  die  es  bis  1846  behielten,  als  die  Engländer  Lahore 
nahmen  und  Kaschmir  am  16.  März  1846  dem  Mahäräja  von  Jamu,  Ghnlab  Singh, 
übermachten,  welcher  im  Laufe  seiner  Regierung  Ladakh,  Skardu,  Gilgit  und  Astor 
seinem  Reiche  hinzufügte.  Ihm  folgte  sein  Sohn  Ranbir  ^ingh  und  diesem  wieder 
1H85  sein  ältester  Sohn,  der  gegenwärtige  Mahäräja  Partab  Singh  auf  dem  Throne. 
Kaschmir  steht  unter  britischer  Oberhoheit,  und  ein  britischer  Resident  repräsentirt 
in  Srlnagar  den  Vicekönig  von  Indien.  Seit  dem  Vorwiegen  des  britischen  Ein- 
flusses hat  sich  das  Land  bedeutend  gehoben. 

Das  kaschmirische  Reich  hat  demnach  eine  viel  grössere  Ausdehnung  als  das 
Thal  von  Kaschmir,  und  da  Hiuen-tsiang  Kaschmir  einen  Umfang  von  7000  Li 
zuschreibt,  während  die  Thallandschaft  nur  300  Li  an  Umfang  hat,  so  rouss  auch 
zu  seiner  Zeit  das  Gebiet  des  Königs  von  Kaschmir  andere  Länder  umfasst  haben ; 
wahrscheinlich  gehörten  zu  ihm  die  ganze  gebirgige  Region  zwischen  dem  Indus 
und  dem  Chinab  bis  nach  der  Salzkette  im  Süden'). 

Das  jetzige  Gebiet  von  Kaschmir,  das  in  die  fünf  administrativen  Bezirke 
Jamu,  Kaschmir,  Ladakh,  Skardu  und  Gilgit  zerfällt  und  mit  Ausnahme  des  Thaies 
von  Kaschmir  überwiegend  gebirgig  ist,  erstreckt  sich  von  32^  17'  bis  zu  36*^58' 
nördlicher  Breite  und  von  73^26    bis  zu  80^30'  östlicher  Länge.     Es  grenzt  im 


1)  Siehe  The  ancient  Geographj  of  India,  by  Alexander  Cunningham,  p.  89. 

V«rhandl.  der  Berl.  Anthropul.  Oc^rll^chaft  1897.  13 


(194) 

Norden  an  mehrere  kleinere  Fürstenthümer  nnd  das  Karakomm-Oebirge,  im  Osten 
an  Tibet,  im  Süden  an  Spiti,  Lahnl  und  Panjab  und  im  Westen  an  letzteres, 
Hazara,  Chiläs  und  Därel.  Es  umfasst  gegen  30  900  englische  Qoadratmeilen 
und  wurde  nach  dem  Census  von  1891  ron  2  543  952  Menschen  bewohnt;  hiervon 
kamen  1439  543  auf  Jamu,  949  041  auf  Kaschmir,  2^274  aufLadakh,  110  325  auf 
Skardu  und  16  769  auf  Gilgit. 

Die  Ausläufer  des  Himälaya  in  Kaschmir  rangiren  zwischen  3 — 4000',  die 
mittlere  Bergkette  erreicht  8000  —  10000',  während  die  höchsten,  mit  ewigem  Schnee 
bedeckten  Bergriesen  den  zweithöchsten  Berg  der  Erde,  den  Nanga  Parvata  oder 
Dayarmur,  unter  sich  zählen.  Alle  diese  Höhenzüge  gehören  zum  Flussgebiete  des 
Indus,  der,  anfänglich  Ton  Südosten  nach  Nordwesten  fliessend,  Ladakh  durch- 
strömt, unweit  Kiris  mit  dem  gewaltigen  Shäyok  sich  vereinigt,  dann  bei  Haramosh 
sich  südlich  wendet,  bei  Hatu-Pir  Astor  verlässt  und  schliesslich  in  südwestlicher 
Richtung  durch  das  Panjab  strömt.  Der  Jhilam*)  (wie  oben  erwähnt,  die  Vitasti 
der  Inder,  der  Hydaspes  der  Oriechen,  nnd  die  Bihat  der  Muhammedaner)  ist  der 
bedeutendste  Nebenfluss  des  Indus  auf  kaschmirischem  Gebiet,  während  noch  den 
Süden  der  Chinab  (der  Chandrabhäga  der  Inder  und  der  Akesines  der  Griechen) 
benetzt  Viele  Pässe  führen  in  das  Thal  von  Kaschmir,  die  bekanntesten  sind  im 
Westen  über  Baramula  (5525 ',  Tia  Marri,  Punch  und  Abbottabad);  im  Süden  über 
den  Pir  Panjal  (11400',  via  Bhimbar  und  Räjäori),  Firozpur  (12  500',  via  Punch 
und  Räjäori)  und  über  den  Banihäl  (9200,  via  Jamu);  im  Osten  über  Marbal 
(11  750'  über  Kistawär  und  Chamba)  und  über  Margan  (11  600',  via  Maru,  Wardwan 
und  Suru);  und  im  Norden  über  Zojilä  oder  Dras  (11  300',  via  Dras  und  Ladakh) 
und  über  Eäjdiangan  (11900',  via  Gurais,  Tilail  und  Klein-Tibet).  Bis  Rawal- 
pindi') geht  die  Eisenbahn.  Dort  beginnt  die  Grand  Trunk  Road  per  „Tonga'' 
und  führt  direct  nach  Baramula.  Die  Strecke  zwischen  Rawal-Pindi  und  Baramula 
beträgt  I62V4  englische  Meilen.  Gewöhnlich  unterbricht  man  die  Tour  in  Harri,  ehe- 
mals Sommer-Residenz  des  Lieutenant-Govemor  des  Panjab,  dessen  Haus  jetzt  in 
ein  Hotel  verwandelt  worden  ist.  Marri  ist  jetzt  die  bedeutendste  Militärstation 
auf  dieser  Grenze.  Die  Grand  Trunk  Road  geht  über  Sunnybank,  wo  sich  der 
Weg  nach  Marri  abzweigt,  nach  Kohala,  wo  der  Jhilam  überschritten  wird  und 
man  von  britischem  auf  kaschmirisches  Gebiet  übertritt.  Ton  Rawal-Pindi  steigt 
die  Landstrasse  ungefähr  4300',  senkt  sich  aber  gegen  4000'  wieder  nach  Kohala'). 
Ein  sehr  hübscher,  schattiger  Weg  fQhrt  von  Mani  in  8  Meilen  nach  Deywal,  und 
von  da  sind  es  noch  10  Meilen  nach  Kohala.  Allerdings  ist  man  auf  dieser  Strecke 
der  Sonne  ausgesetzt;  trotzdem  ist  auch  diese  Strasse  reich  an  herrlichen  Fem- 
blicken, während  man  unten  im  Thal  das  Brausen  des  Jhilam  hört,  in  den 
sich  unweit  Kohala  die  Kanair  stürzt.  Als  ich  im  Jahre  18D3  vom  Panjab  aus 
Kaschmir  besuchte,  waren  durch  die  furchtbaren  Regengüsse  alle  Brücken  über  den 
Indus,  den  Jhilam  und  die  übrigen,  den  Weg  nach  Kaschmir  kreuzenden  Flüsse 
weggeschwemmt  worden,  und  es  stand  nur  die  Strasse  über  Kohala  offen;  aber 
auch  hier  musste  man  den  Jhilam  in  einem  über  einem  Telegraphendrahte  hangenden 
Korbe  passiren,  auch  war  die  Grand  Trunk  Road  fUr  .^Tonga"^  und  ^Ecka*^  durch 
Erdrutsche  unfahrbar,  und  selbst  fär  Pferde  und  Esel  an  vielen  Stellen  ungangbar 


1)  Trojer  (ü,  294)  erklärt  diesen  Kamen  durch  jala,  Wasser;  siehe  Lassen,  Ind. 
Alt  1,  p.  62  (41). 

2)  Unweit  Rawal,  15  Meilen  van  Pindi,  liegt  Manikyala  mit  dem  berühmten  Stöpa. 

8)  Die  Entfernung  zwischen  Kawal-Pindi  und  Sannybank  beträgt  SB'/«,   und  die  von 
Sunnybank  nach  Kohala  277«  Meilen. 


(195) 

geworden.  Die  bisherige  Fahrstrasse  war  an  manchen  Orten  weggeschwemmt,  und 
alle  locken  und  üebergangsorte  zerstört.  Von  Station  zu  Station  war  man  nn- 
gewiss,  ob  man  die  nächste  erreichen  könne,  oder  nicht.  Diese  ehemals  so  schöne 
Landstrasse  war  erst  am  10.  September  1890  vom  Mahäräja  Partab  Singh  eröffnet, 
nachdem  sie  mit  vieler  Schwierigkeit  erbaut  worden,  wobei  100  Arbeiter  ihr  Leben 
Terloren  hatten.  Sie  geht,  denn  jetzt  ist  sie  wieder  hergestellt,  am  linken  Ufer 
des  Jhilam  entlang,  der  laut  brausend  und  schäumend  Ton  Baramöla  an  in  seinem 
Felsenbett  hinabströrot  Sie  führt  ron  Kohala  über  Dulai,  dessen  anheimelndes 
Rasthaus  stehen  geblieben  war,  nach  Domel.  Hier  hatte  die  Fluth  furchtbar  ge- 
haust; beinahe  der  ganze  Ort  mit  Brücke  und  Kasthaus  war  zerstört  worden,  und 
höchst  gelahrliche  Bergrutsche  rersperrten  den  Weg.  In  Domel  mündet  auch  die 
von  der  Eisenbahn-Station  Hasan-Abdal  über  Abbottabad  führende  Strasse,  welche 
die  Krishqaganga  und  den  Jhilam  bei  Muzaffarabäd  überschreitet;  beide  Brücken 
waren  1893  auch  weggeschwemmt.  Man  hat  die  Absicht,  von  Hasan-Abdal  eine 
Eisenbahn  nach  Domel  zu  bauen  und  somit  Kaschmir  dem  Weltverkehr  zu  er- 
öffnen. Grarhi  und  Hattian  mit  Seil -(Jhüla-)  Brücken  und  Mussuk  mit  Böten  aus 
Büffelfellcn,  um  den  Jhilam  zu  passiren,  Ghakoti,  Uri  und  Rampur  bilden  die 
Halteplätze  nach  Baramula.  2  Meilen  vor  Rampur  bei  Urambuah  liegt,  inmitten 
von  Laubwerk,  der  alte  Tempel  Pandu  Ghar,  der,  ebenso  wie  der  benachbarte  jen- 
seit  Rampur  gelegene  Tempel  bei  Bhavanyar  (Fig.  2),  an  die  Ruinen  von  Martand 
und  Avantipur  erinnert. 

Von  Ouzerat  über  Bhimbar  beginnt  die  sogenannte  kaiserliche  Strasse,  so  be- 
nannt, weil  die  Grossmogule  dieselbe  auf  ihren  häu6gen  Ausflügen  nach  Kaschmir 
benutzten,  und  der  Franzose  Fran(^ois  Bern i er  hat  ausführlich  eine  derartige  Reise 
beschrieben,  welche  er  im  Gefolge  von  Aurang-Zeb  mitmachte^).  Es  ist  hier  un- 
nöthig,  diese  Route  eingehend  zu  schildern,  da  sie  schon  häufig  beschrieben  worden 
ist.  Die  Grossmogule  waren  auf  ihren  Zügen  von  einem  zahlreichen  Gefolge  und 
einer  ansehnlichen  Armee  begleitet;  Bernier  berichtet,  dass  Aurang-Zeb  nicht  allein 
30  000  Mann  Gavallerie,  sondern  auch  über  10  000  Mann  Infanterie,  50 — 60  leichte 
Feldgeschütze  aus  Bronze  und  62  schwere  Geschütze  mit  sich  führte*).  Auf  dem 
ganzen  Wege  waren  zur  Aufnahme  der  kaiserlichen  Familie  und  des  Hofstaates  in 
Zwischenräumen  von  wenigen  Meilen  umfangreiche  und  prächtige  Rasthäuser  oder 
Sarai.  Von  Bhimbar  gelangt  man  über  Saidabad,  Noashera,  Changas,  Rajaori, 
Thanna  Mandi')  nach  Barangalla.  Zwischen  diesen  beiden  Stationen  liegt  der 
Rutten  Pir.  In  Barangalla  starb  der  Grossmogul  Jahanghir,  der  13  Sommer  mit 
seiner  geliebten  NOrmahal  in  Kaschmir  zugebracht  hatte  und  Yernig  vor  seinem 
Tode  zu  erreichen  wünschte.  Zwischen  Poschin  und  Aliabad  Sarai  Übersteigt  man 
den  bekannten  Pir  Panjäl,  der  nach  einem  Fakir  Pir  Panjäl  Pantral  benannt  ist. 
Dann  folgen  Hirpur,  Shupiyan,  wo  der  Weg  nach  Vernäg  in  östlicher  Richtung 
sich  abzweigt,  Ramu  und  ^rinagar,  das  17  Meilen  von  Ramu  entfernt  liegt. 

Der  jetzige  Beherrscher  von  Kaschmir  benutzt  von  seiner  alten  Residenz  Jamu 
aus  den  Weg  über  den  Banihal-Pass,  welcher  zwischen  Devgol  und  Vernäg  liegt, 
und  seine  Reiseroute  berührt  von  Jamu  aus  Nagrota,  Dansal,  Udampur,  Drumtal, 
Batoti,  Ramband,  Ramsu,  Devgol,  Vemag  und  Islamabad,  von  wo  man  direct  per 
Boot,  oder  über  Land  durch  Avantipur  nach  Srinagar  gelangen  kann.    Von  ärlnagar 

1)  Siebe  Yojages  de  Fran<;oi8  Bernier.    Amsterdam  1699.   H.  p.  206—363. 

2)  Siehe  ebendas.  ü.  p.  208. 

3)  Von  Thanna  Mandi  geht  über  Suran,  Punch,  Kahnta,  Haidarabad  und  Uri  ein  anderer 
Weg  nach  Srinagar. 

13* 


(196) 

Khrt  man  per  Boot  nach  GandarbBl  Über  Shadipttr,  oder  geht  Aber  Land  beim  Hari 
Pairat  Torbei  durch  Naoshera.  ?'/■  Meilen  hinter  Qandarbal  befp&nt  das  Sindha- 
thal,  und  man  gelangt  über  Kangan,  Gond,  Qagangir,  Sonamarg,  Baltal,  den  11500' 
hohen  Zogi-la-Pasa,  Matayac,  Dras,  Tashgtun,  Chnn^ond,  Kaigil,  Shargol,  den 
13  001'  hohen  Nämika-Lfi-Paaa,  Kharbo,  LUmayDrO,  über  den  13  400'  hohen  Fotu- 
Pass,  Khabi,  TimiBgam,  Tämtse,  Nimfi  nach  Leh,  das  260  englische  Meilen  von 
Snnagar  lie^ 

Fig.  2. 


Uiudu-Tempel  bei  BhaTuajac,  Bepräient»at  des  indiscb-kaichmiriacben 

SteiosijU,  im  QegnaaUi  tum  ciobeimbclieD  Hahbtu,  «elcheo    <lie  tum 

Islam  bekehrten  Easchmir>^r  für  ihre  Hoächeea  lieibeh  ielten. 

Von  Islamabad  geht  Über  das  11  Meilen  entrernte  Kishtwar  ein  anderer  Weg 
nach  Leb'). 

Von  ärinagar  Tilbri  über  Bindipur  in  21  Mlrdcbea  die  Strasse  nach  Qilgit 
Seitdem  Gilgit  von  eogliscben  Truppen  besetzt  ist,  hat  man  eine  gute  Ueeratrasae 

n  Er  paasirt  Bftgni,  Pijas.  Siri,  Atholi,  Kuadbel,  Hacbel,  Bnjwu,  Bugjan  Hivan, 
Ganra,  über  den  ITS'O'  hohen  UmasILa,  Ating,  Saoi,  Padam,  Thandhe,  Zan^U,  NamtM, 
aber  den  14  16U'  hohen  Cheloog  Labbo,  Pangatse,  Mir<i.  über  den  16600'  hohen  Nin- 
V*se,  Yalohnng,  l'buuli«a,  Hoaupatcu,  Waala,  Laia^jüra  nach  Leh. 


(197) 

nach  dort  angelegt  Die  Orte,  welche  passirt  werden,  sind:  Rralpura,  Tragbai 
(9160'),  Zotkusu  (9050'),  Kunzälwan,  Gurais,  Gurikot  (9370'),  Kala  Pani,  Kamri- 
Pass  (13  300'),  Pukarkot,  Chagam,  Gurikot  von  Astor,  Astor  (Hasora),  Harcho, 
Daschkin,  Dniyan,  Ramghat,  Bhawanji,  Chakarkote  (über  den  Indus),  und  Minawar, 
von  dem  GUgit  1 1  Meilen  entfernt  ist. 

Bis  Gurais  führt  derselbe  Weg  nach  Skärdü;  von  hier  zweigt  man  aber  ab 
nach  Bangla  (8725'),  Mapanum  (10130'),  Burzil  (10  740'),  Sikhbach  (13  160'), 
über  den  Stakpita-  O2  90(»')  und  den  Sarsingar-Pass  (13  860'),  Lalpani  (12  500'), 
üsar  Mar  (13  970'),  Karpitü  (7636')  und  den  Burji-Pass  (15  700'). 

Das  Thal  von  Kaschmir,  von  9 — 19000^  hohen  Schneebergen  umgeben,  mit  dem 
Pir  Panjäl  im  Süden  und  dem  Haramuk  im  Norden  und  vom  Jbilam  durchströmt, 
ist  ungefähr  90  englische  Meilen  lang,  18 — 22  Meilen  breit  und  umfasst  gegen 
3500  englische  Quadrat-Meilen.  Von  Kanbal  bei  Islamabad  bis  Bäramäla,  d.  h.  un- 
gefähr 60  Meilen,  ist  der  Jhilam  schiffbar.  Er  entspringt  unweit  von  Vemäg;  unfern 
von  Ranbal  fliessen  in  ihn  die  Häpat-,  Bnnjh-  und  Sandiahan-Bäche,  unterhalb  Kanbal 
strömt  ihm  zur  Rechten  die  Liddar  in  zwei  Zweigen  zu,  bei  Shadipur  nimmt  er 
den  Sindh,  bei  Dabgao  den  Pohra  auf,  während  auf  der  linken  Seite  der  Yeshan 
bei  Marhäma,  die  Ramchu  bei  Karkarpur  und  die  Dudhganga  unweit  ^nnagar  sich 
mit  ihm  vereinigen.  Von  den  Landseen  sind  der  Dal  oder  Stadtsee  bei  ^rinagar 
und  der  Anchar,  der  kleine,  aber  schöne  Manasbal  (Mänasa  sarovara)  unterhalb 
Sumbai  und  der  grosse  Wullar  (Ullöla)  erwähnenswerth.  Unzählige  Quellen, 
meistens  im  östlichen  Theile  des  Thaies,  entspringen  den  Bergen;  die  berühmtesten 
sind  Ananta  Nag,  Bawan,  Atchibal,  Vemdg,  Kukar  Näg  und  Vateritter.  Auch  an 
Mineralquellen  fehlt  es  nicht,  wie  der  Wian  Näg  bei  Pampur  und  der  Salik  Näg 
und  Malik  Näg  bei  Islamabad,  welche  eisen-  und  schwefelhaltig  sind.  Im  Kasch- 
mirischen bedeutet  Näg  ^Quelle ^,  eine  Bedeutung,  die  Näga  im  Sanskrit  meines 
Wissens  nicht  hat. 

Das  Klima  in  Kaschmir  ist  im  Ganzen  recht  angenehm  und  für  den  Europäer 
zuträglich;  Juli  und  August  sind  die  heissesten,  Januar  und  Februar  die  kältesten 
Monate  im  Jahre.  Leider  wird  das  Land  aber  vielfach  von  Erdbeben  heimgesucht. 
Die  europäischen  Hausthiere  acclimatisiren  sich  rasch  in  Kaschmir.  Die  ein- 
heimischen Pferde  und  Rinder  sind  klein.  Fliegen,  Mosquitos  und  andere  Insecten 
sind  sehr  zahlreich  und  im  Sonuner  äusserst  lästig;  Bienenzucht  wird  viel  ge- 
trieben, und  der  Seidenwurm  wird  gezüchtet.  Der  Ibex,  Markhor,  Bara  singh  und 
anderes  Wild  finden  sich  in  grosser  Menge  in  den  Bergen,  wie  auch  Affen, 
Schakale,  Bären  und  Leoparden.  Merkwürdigerweise  finden  sich,  obgleich  der 
Näga-Cultus  in  Kaschmir  durch  die  Brahmanen  so  verbreitet  ist,  keine  oder 
wenigstens  sehr  wenige  Schlangen  in  Kaschmir,  eine  Thatsache,  welche  schon 
Bernier  hervorgehoben  hat^).  Der  Boden  des  Landes  ist  sehr  fruchtbar.  Getreide 
und  Gemüse  gedeihen  prächtig,  und  Fruchtbäume  und  Waldbäume  bedecken  Thal 
und  Berg.  Walnüsse,  Maulbeeren,  Pfirsiche,  Kirschen,  Aprikosen,  Granatäpfel, 
Weintrauben,  Aepfel,  Birnen,  Quitten,  Haselnüsse,  Ahorne,  Pappeln,  Weiden, 
Kastanien  und  andere  Pflanzen  wachsen  üppig'). 

Die  volksthümliche  Eintheilung  von  Kaschmir  ist  inKamräj  (Kramaräjya),  nördlich 
und  östlich  von  i^rlnagar,  und  Miräj  (Meräj)  südlich  und  östlich  davon.  Kaschmir 
besitzt  vier  Städte:    ^rinagar  mit  118  960,   Anantanäg  mit  10  227,  Sopur  mit  8410 


1)  Siehe  Bernier  II,  p.  270:   „II  ne  s'j  trouve  ni  Serpens,   ni  Tigres,   ni  Ours,  ni 
Ljoos,  si  ce  n'est  tres-rarement.* 

2)  Siehe  Ince's  Eashmir  Handbook,  p.  3 — 16. 


(198) 

und  BäramOla  mit  5656  Einwohnern,  von  denen  bezw.  26069,  981,  858  und  787  Hindu, 
und  92  575,  9236,  7550  und  4809  Muhammedaner  sind. 

Es  liegt  uns  fern,  eine  Beschreibung  des  Landes  und  der  Städte  Kaschmir's 
hier  zu  geben,  denn  schon  viele  Reisende  haben  solches  gethan*)*  I^ie  heutige 
Stadt  i^rlnagar  liegt  an  beiden  Seiten  des  Jhilam.  Srinagara  war  auch  der  Name 
der  angeblich  vom  Könige  Asöka  gegrQndeten  (Räj.  I,  1<^),  vom  Könige  Abhiroanyu 
aber  verbrannten  Stadt  (um  630  a.  D.)*  Pandritan,  stidöstlich  vom  Takht-i-Sulaiman 
am  rechten  Ufer  des  Jhilam  gelegen,  bezeichnet  die  Lage  der  ehemaligen  Residenz 
Puräpädhistäna.  Ein  kleiner,  inmitten  eines  Teiches  gelegener  Tempel  stammt 
noch  aus  älterer  Zeit.  Pravarasena  gründete,  anstatt  des  alten  ärinagar,  Pravarapura, 
das  heutige  Srinagar.  Der  Tempel  auf  dem  sogenannten  Takht-i-Sulaiman  („Thron 
Salomo^s*^)  wird  ialschlich  dem  Jalöka,  dem  Sohne  Asöka's  zugeschrieben.  Nach 
Anderen  soll  ihn  Sandhimati  oder  Aryaräja  erbaut  haben,  doch  ist  dies  fraglich. 
Auf  dem  Hari  Parvat  oder  Börparvat,  d.  h.  dem  ääri(ka)  Parvat,  steht  die  von 
Akbar  zur  Bezwingung  ^nnagar's  erbaute  Festung.  Viele  Ortschaften  am  Jhilam 
bewahren  noch  Spuren  ihrer  früheren  Bedeutung,  wie  Pampur  mit  seinen  Safran- 
Plantagen  und  den  in  seiner  Nähe  befindlichen  Mineralquellen;  Ladu,  Karkarpur  und 
Payech  mitseinenTempelruinen;  Avantipur,  die  ehemalige,  vonAvantivarma(855 — 833) 
gegründete  Residenz  mit  angeblich  3  Millionen  Einwohnern,  deren  Ruinen  an  die 
mächtigen  Bauten  von  Martand  erinnern.  Bijbehar  oder  Bijhror,  das  alte  Vijay^svara, 
wo  Asöka  einen  prächtigen  Tempel  errichtet,  den  Sikandar  aber  zerstört  haben  soll. 
Auch  Anantanäg,  das  heutige  Islamabad,  war  ehedem  eine  Stadt  von  hoher  Be- 
deutung, wovon  die  5  Meilen  nördlich  gelegenen  Ruinen  des  dem  Sonnengotte  ge- 
weihten Martapda  (Pig.  3)  Zeugniss  ablegen.  Im  Volksmunde  heissen  diese,  wie 
auch  andere  Tempel-Trümmer  Pandu  Lari  oder  Pandu  Gor,  Häuser  der  Pändava, 
denn  alles  Alte  wird  mit  den  Pändava  in  Beziehung  gebracht  Anderthalb  Meilen 
von  Martand  liegt  das  kleine  Dorf  Bawan  oder  Mattan  (Martända)  mit  seiner 
heiligen  Quelle  inmitten  schöner  Platanen.  Dieselbe  ist  dem  Gott  Vishnu  geweiht 
Unweit  davon  liegen  auf  dem  Wege  zum  Liddar-Thal  die  von  Pilgern  besuchten 
Bohlen  von  Bhumju.  Auch  das  durch  seine  Quellen  berflhmtc,  von  Jahanghir  mit 
einem  Lustschloss  geschmückte  Atchibal  ist  unweit  Martand.  Die  Entfernung  von 
Atchibal  nach  Vemäg  beträgt  nur  15  Meilen.  Auf  dem  Wege  liegt  das  kleine  Dorf 
Shangus,  ehemals  berühmt  wegen  seiner  schönen  Tänzerinnen  (Fig.  4).  Vemäg, 
am  Fusse  des  Banihal-Passes,  ist  einer  der  herrlichsten  Plätze  in  Kaschmir  und 
war  deshalb  der  Lieblingssitz  Jahanghir's,  wo  er  sich  über  der  Quelle  des  Jhilam 
einen  Sommer-Palast  erbaute. 

Von  Srinagar  stromabwärts  passirt  man  Purana  Chowni,  den  Landungsplatz 
für  Gulmarg.  Weiter  unten  liegt  Shadipur  mit  der  Insel  Prayäga,  wo  der  Sindhu 
in  die  Vitastä  (Jhilam)  fliesst.  Auf  ihr  steht  ein  grosser  Ahombaum  (Chenar), 
und  sieben  Stufen  führen  zum  Schreine  Siva's.  Von  diesem  heiligen  Platze  haben 
sich  viele  Hindu  in  den  Fluss  gestürzt,  unter  anderen  auch  Mitranarma  mit  seiner 
Gattin,  der  treue  Minister  der  Könige  Lalitäditya  und  Kuvalayapida  (Räj.  III,  1005). 

1)  Jetzt  wird  Kaschmir  jedes  Jahr  von  Tausenden  besucht:  früher  war  es  aber  nicht 
so  zugänglich,  da  es  besonderer  Erlaubiiiss  bedurfte,  es  zu  betreten.  Von  älteren  Reisenden 
mögen  hier  aber  erwähnt  werden:  der  Jesuit  Xavier  und  Goei,  die  zur  Zeit  Akbar's 
Kaschmir  besuchten  (U)6ö\  der  Franzose  Bernier,  der  Jesuit  Desideri  (1714),  der 
Madras-Civilist  Forster  ,1786  ,  Moorcraft  (1823^,  Jacquemont  ^831),  Wolff  (1882) 
und  Baron  v.  Hügel,  Vigne  und  Dr.  Henderson  ;1885\ 


(1!«0 
Fig.  3. 


TJinii'r);mppi'  tud  Shantni«. 


(200) 

Hinter  Shadipur  liegt  Samba],  von  wo  ein  Canal  nach  dem  berühmten  Mänasbal- 
See  führt.  Dann  gelangt  man  nach  dem  wegen  seiner  Stürme  gefürchteten  Wullar- 
See  (Ullöla),  in  dem  die  minenreiche  Insel  Lanka  liegt  Am  südlichen  Ufer  Hegt 
Sopur  (Suyyapura  oder  Svayyapura),  so  benannt  nach  dem  berühmten  Architecten 
des  Königs  Avantivarma,  und  weiter  abwärts,  am  Ende  des  schiffbaren  Jhilam,  der 
Ort  Bäramüla,  der  mit  dem  gegenüber  liegenden  Ushkar  oder  Hashkapura  einst 
eine  Stadt  bildete.  Das  Andenken  an  Huvishka  lebt  noch  in  der  Bevölkerang,  and 
man  zeigte  mir  die  Gnmdmaaern  seines  ehemaligen  Palastes.  Bäramüla  (Varäha- 
müla)  ist  eine  aufblühende  Stadt,  zeigt  aber  noch  die  Sparen  des  Erdbebens  von 
1885.  Den  Oensasberichten  zufolge  theilt  sich  die  kaschmirische  Bevölkerang  mit 
Bezug  auf  ihre  Religion  in  fünf  Gemeinden.  Die  Muhammedaner  stehen  mit 
883  099  Seelen  an  der  Spitze,  dann  folgen  der  Zahl  nach  60  3 IG  Hindu,  5473  Sikh, 
145  Parsi  und  8  Christen. 

Obwohl  unter  den  Hindu  Unterschiede  bestehen  und  anerkannt  werden,  giebt 
es  unter  ihnen  eigentlich  keine  Rasten.  Sie  bilden  eine  brahmanische  Genossen- 
schaft, trotzdem  die  Vorfahren  vieler  Familien,  wie  wohlbekannt,  aus  verschiedenen 
Theilen  Indien^s  stammen.  Der  gebräuchliche  Name  der  Kaschmir- Brahmanen, 
„Pagdif^  (Gelehrte),  ist  um  so  auffälliger,  als  die  Mehrzahl  derselben  sehr  ungebildet 
und  ununterrichtet  ist  Ihrer  verschiedenen  Herkunft  und  Lebensstellung  ungeachtet 
essen  und  lernen  alle  Hindu  mit  einander,  aber  in  Bezug  auf  eheliche  Verbin- 
dungen sind  sie  mehr  reservirt.  Für  besonders  vornehm  gelten  die  Nachkommen 
der  11  Familien,  welche  den  muhammedanischen  Verfolgungen  (1435 — 42)  wider- 
standen, nicht  zum  Islam  übertraten  und  im  Glauben  ihrer  Väter  beharrten;  diese 
Brahmanen  bilden  die  Aristokratie,  studiren  Sanskrit,  leben  grösstentheils  von 
Stipendien  und  anderen  Einnahmen,  welche  sie  zumeist  der  Gunst  des  Mahäräja  ver- 
danken. Die  übrigen  Pagdit  ernähren  sich  so  gut  sie  können  in  verschiedenen  Berufen. 
Gewöhnlich  behaupten  die  Brahmanen,  dass  sie  Chaturvedi,  d.  h.  Renner  der  vier 
Veden  seien;  in  ihren  häuslichen  Ceremonien  aber  folgen  sie  dem  Chäräyapiya 
Kä(haka,  welcher  dem  Weisen  Laugäkshi  zugeschrieben  wird.  Sie  beobachten 
auch  strenge  die  Sacramente  (Samskära),  Bussen  (Präyascitta),  Todtenspenden 
(äräddha)  und  Gelübde  (Vrata).  Alle,  Männer  sowohl  wie  Frauen,  tragen  einen 
grossen,  grauen,  wollenen  Mantel.  Bei  den  Männern  der  niederen  Klassen  bildet 
dieser  Mantel  und  eine  Leibbinde  (Langöfi)  die  ganze  Bekleidung.  Die  Reichen 
tragen  selbstverständlich  schönere  Stoffe,  leichtere  im  Sommer  und  schwere  Unter- 
kleidung im  Winter.  Auch  haben  alle  den  brahmanischen  Gürtel  (Mekhalä).  Die 
Frauen  tragen  häufig  Manschetten,  einen  Gürtel  um  die  Taille  und  einen  über  den 
Rücken  fallenden  Schleier.  Das  Haar  ist  in  der  Mitte  gescheitelt,  gelockt,  und 
Schnurgehänge  sind  an  beiden  Seiten  der  Ohren.  Die  meisten  Brahmanen  essen 
Ziegen-  und  Hammelfleisch,  auch  Fisch,  aber  kein  Ochsen-  und  Schweinefleisch 
und  das  verbotener  Thiere.  Beinahe  alle  Kaschmirer  sind  Anhänger  des  Gottes 
i^iva;  einige  Familien  indessen  sind  ääkta,  d.  h.  Verehrer  der  äakti,  und  zwar  sind 
sie  in  diesem  Falle  meistens  Vämachari  oder  Vämapanthi,  d.  h.  Verehrer  der  linken 
Hand,  die  den  roheren,  mehr  sinnlichen  Quitos  repräsentirt*). 

Die  Kaschmir-Brahmanen  haben  sich  sehr  um  die  Sanskrit-Literatur  verdient 
gemacht  Viele  der  bedeutendsten  Gelehrten  und  Dichter  der  Vor-  und  Neuseit 
haben  in  Kaschmir  gelebt  und  gewirkt,  und  noch  jetzt  befinden  sich  dort  ans* 
gezeichnete  Kenner  des  Sanskrit,  die  von  der  jetzigen  Herrscher-Familie  sehr  be- 


1)  Vergleiche  hierüber  auch  den  obent^rw ahnten  Bericht  Dr.  G.  Bühler's. 


(201) 

^ünstigt  werden.  Auch  ist  Kaschmir  reich  an  werthyolien  Handschriften,  zu  deren 
Erforschung  seiner  Zeit  Prof.  Dr.  Georg  Bühl  er  Kaschmir  auf  Kosten  der  indischen 
Regierung  erfolgreich  bereiste. 

Die  überwiegende  Mehrzahl  der  Kaschmirer  sind  Muhammedaner.  Die  erste 
Einführung  des  Islam  knüpft  sich  an  die  angebliche  Bekehrung  des  tibetanischen 
Prinzen  Rinchana,  der  um  1320  Sahadeva,  den  König  Ton  Kaschmir,  vertrieb  und 
sich  des  Landes  bemächtigte.  Rinchana  war  Anfangs  wahrscheinlich  Buddhist  und 
trat  später  zum  Islam  über,  wozu  ihn  der  Fakir  Bulbul  Shah  bekehrt  haben  soll. 
Dieser  soll  der  erste  Muhammedaner  gewesen  sein,  der  sich  in  Kaschmir  nieder- 
Hess,  und  er  liegt  am  rechten  Jhilam-Ufer,  unterhalb  der  Ali-Kadal-Brücke,  in 
^rinagar  begraben  (Fig.  5).  Staats-Religion  wurde  aber  der  Islam  nach  dem  Tode 
des  Königs  UdyänadSva  (1339),  als  sein  Minister  Shah  Mir  des  Königs  Wittwe 
Kottädevi  heirathete  und  unter  dem  Namen  Shamsu-'d-din  den  Thron  bestieg.  Die 
Zwangsbekehrung  der  Bevölkerung  zum  Islam  begann  Shah  Mir's  Enkel  Shihäbu-^d-din, 
dazu  angestachelt  von  dem  bigotten  bukharischen  Fakir  Syed  Ali  Hamadäni  (1356), 
nach  welchem  die  bedeutendste  muhammedanische  Moschee  in  ^rinagar  (Fig.  6) 
benannt  ist,  und  die  Verfolgung  wurde  fortgesetzt  von  Shihäbu-*d-din's  grausamem 
Neffen,  dem  Ikonoklasten  Sikandar.  Allmählich  erhoben  sich  blutige  Fehden  zwischen 
Sunniten  und  Schiiten,  angeregt  vornehmlich  von  den  sogenannten  Nur-Bakshi- 
Schiiten,  welche  den  herrschenden  Sunniten  entgegentraten.  Akbar,  der  Partei  für 
die  Sumiten  nahm,  stellte  den  FriMen  äusserlich  wieder  her.  Uebrigens  gelten 
die  Kaschmir-Muhammedaner  keineswegs  für  eifrige  und  devote  Bekenner  des 
Islams. 

Der  Buddhismus  scheint  immer  nur  vorübergehend  in  Kaschmir  geherrscht  zu 
hal>en;  jetzt  ist  er  ganz  aus  dem  Thal  verschwunden,  und  der  brahmanische 
Hinduismus  und  der  Islam  sind  die  zwei  Hauptreligionen  des  Landes.  Die  Sikh 
sind  eingewanderte  Panjäbi. 

Ueber  die  ethnologische  Zugehörigkeit  der  Kaschmirer  wissen  wir  nichts  Zu- 
verlässiges. Es  ist  ein  schöner,  grossgewachsener,  kräftiger  Menschenschlag,  aber, 
wie  schon  Hiuen-tsiang  bemerkt,  sehr  feige  und  schlau.  Wahrscheinlich  haben 
langdauemde  Unterdrückungen  dies  herbeigeführt.  Unter  der  Hindu-Bevölkerung 
haben  Viele  helle  und  röthliche  Haut  und  Gesichtsfarbe;  die  Muhammedaner  (Fig.  7), 
welche,  meiner  Meinung  nach,  mit  wenigen  Ausnahmen  die  Nachkommen  der  ein- 
heimischen Bevölkerung  sind,  machen  merkwürdiger  Weise  durch  ihre  gebogenen 
Nasen  einen  entschieden  jüdischen  Eindruck,  obwohl  deshalb  auf  etwaige  semitische 
Abstammung  nicht  geschlossen  werden  darf.  Trotz  des  vorwiegend  arischen  Ur- 
sprunges der  heutigen  Kaschmirer  deuten  noch  manche  Volksschichten  auf  das 
Vorhandensein  einer  unarischen  Urbevölkerung,  wozu  vornehmlich  die  Feldarbeiter, 
auch  die  Batal  (Batwal),  Galawän  (Pferdeknechte)  und  die  sogenannten  Dum  oder 
Dorfwächter  zu  rechnen  sind. 

Diese  niederen  Volksschichten  sind  von  dunklerer  Farbe  als  die  übrigen 
Kaschmirer,  und  beanspruchen,  wie  in  anderen  Theilen  Indien's,  die  eigentlichen 
Herren  des  Bodens  in  alter  Zeit  gewesen  zu  sein.  Und  diese  Ueberlieferung 
acheint  durch  die  bei  Hiuen-tsiang  sich  vorfindende  und  vorher  erwähnte  Sage 
von  der  durch  Madhyäntika  nach  Kaschmir  gebrachten  dienenden  Klasse  der  Ki- 
li-to,  welche  sich  später  zu  Herren  des  Landes  machten,  bestätigt  zu  werden. 
Wenn  man  nun  bedenkt,  dass  der  religiöse  Cultus  der  Ur-Einwohner  Indien's  der 
weiblichen  Energie,  der  äakti  oder  Devi  geweiht  war,  und  dass  dieser  später  Auf- 
nahme in  das  brahmanische  Religionssystem  fand,  so  ist  das  Vorwiegen  der  Devi- 


(■->02) 
Fig.  6. 


Blick  von  iler  Ali  Kadal,  ilPr  eiKten  Hriicke  übur  ilen  JhiUm  in  ^rinajjar. 
Fig.  6. 


Ali'Hamadltni-Mo^chee  in  ^rina^'ar  am  Jhilam.  ilie  achönsU'  aus  H<>U  i<rbantc  UoBchov 


(203) 

Verehrnng  im  Kaschmir-Thale  in  dieser  Binaicht  aehr  beacbtenswsrth.  Zunächst 
gehört  dieser  Gottheit  dag  ganze  Thal,  denn  es  war  ursprünglich  ihr  See,  der 
Satisaras.  Dann  aber  ist  ihr  der  heiligste  Platz  in  Kaachmir,  zu  dem  aus  ganz 
Indien  Brahmanen  herbeiaträmen,  d.  h.  die  Quelle  der  Khir  (Ksfaira  =  Milch) 
BhaTänl  bei  Talamnla  am  Ausgange  des  Sindbu-Thales,  nnweit  von  Gandarba], 
geweiht.  Dort  steht  ein  kleiner,  in  anaprachsloser  Form  erbauter  Tempel,  in- 
mitten  von  prächtigen  Waldbäumen.  Die  Pilger  müssen,  wenn  sie  die  Göttin  be- 
suchen, sich  des  Fleiachgeniiaaes  enthalten;  ihr  werden  Zucker,  Milch,  Beis  und 
Blomen  als  Opfergaben  geweihi 


Gruppe  von  6  Muhanimedanern  (4  Kaachmir-Bootleutcn)  mit  2  Kindern 
und  2  Faujäbi-Dienera. 


Die  Gottheit  auf  dem  Uari  Parvnt.  ebenTalls  eine  Göttin,  iat  die  Hör  oder 
g&rikä  D^'i,  welche  die  schwarze  oder  grause  Seite  der  Amm»,  die  Räli,  re- 
präsentirt,  weshalb  ihr  auch  Fleiachopfer  gespendet  werden.  So  giebt  es  noch 
viele  Tempel  in  Kaschmir,  welche  ausschliesslich  dem  Cultus  der  D^vt  dienen. 
Viele  derselben  stammen  allerdings  aus  spiiterer  Zeit,  aber  sie  sind  trotzdem  als 
Evidenz  Tür  die  urapriingliehe  Religions-Anschauung  der  eingebomen  Bevölkerung 
beachtenswerth. 

Das  Kashmtri,  die  Landessprache  in  Kaachmir,  ist  aus  dem  alten  Präkrit 
entstanden,  und  ist  eng  TerknUpft  mit  den  benachbarten  Pahäri-  oder  IlUgel- 
Dialekten.  Es  hat  aber  viele  Wörter  aus  dem  Persischen,  Arabischen,  Tibetanischen, 
Panj&bi  und  Uindustäni  entlehnt  — 


(204) 

(33)  Hr.  F.  V.  Luachan  bespricht 
eine  neue  Form  der  Armbrust 
aus  dem  Uinterlande  von  Kamerun.  Die  vor* 
gelegten  Stücke  stammen  aus  einer  Sammlung,  die 
das  Berliner  Museum  kürzlich  von  dem  Lieutenant 
Freiherm  v.  Stein  erworben  hat  und  aollen  fUr 
die  Bnkwiri  charakteristisch  aein.  Im  wesent- 
lichen schliessen  sie  sich  an  die  gewöhnliche  Arm- 
brust der  Fan  an,  sind  aber  mit  einem  langen 
hölzernen  Laufe  versehen. 

Bekanntlich  wird  allgemein  angenommen,  dass 
die  Armbrust  der  Fan  nicht  autochthon  ist,  son- 
dern sich  im  Laufe  ron  etwa  Tier  Jahrhunderten 
aus  der  europäischen  Armbrust  entwickelt  hat; 
diese  Ansicht  ist  nicht  ganz  ohne  Widerspruch 
geblieben,  aber  wie  immer  sich  das  verhält.  Dir 
die  neue  Armbrust  der  Bakwiri  kann  gar  kein 
Zweifel  sein,  dass  sie  ala  eine  Gombination  der 
Fan-Armbrust  mit  einer  europäischen  Flinte  auf- 
zufassen ist.  Die  beistehende  Abbildung  zeigt  den 
wie  bei  einer  Flinte  gebildeten,  veraierten  Schalt 
und  den  sehr  stark  gekrümmten  Bügel.  Die  Sehne 
ist  aus  Bastfasern  gedreht  und  sehr  krärtig;  der 
nAbzug"  ist  noch  primitiver,  oder  richtiger  gesagt, 
noch  mehr  degenerirt,  als  dies  schon  bei  der  Arm- 
brust der  Fan  der  Fall  ist:  die  gespannte  Sehne 
wird  in  eine  geschweiite  Rinne  gelegt  und  beim 
Losschieasen  mit  einem  Finger  in  die  Höbe  ge- 
hoben. Die  Bolzen  sollen  einfache  runde  Stäbchen 
aein,  etwa  i^  cm  lang  und  3— 4  mm  dick,  natürlich 
ohne  irgendeine  Art  von  Befiederung.  Die  Ber- 
liner Sammlung  besitzt  zwei  Stücke  dieser  bisher 
unbekannt  gewesenen  Armbrust,  die  unter  IIIc, 
686:1  und  63  katalogisirt  sind:  der  Lauf  der  einen 
ist  t,63,  der  der  anderen  1,38  m  lang.  Die  Aus- 
höhlung scheint  mit  einem  glühenden  Draht  er- 
folgt zu  sein  und  ist  eine  sehr  regelmässige.  Hier 
Torgenommene  Sc  biessr  ersuche  haben  ergeben, 
dass  trotzdem  die  Treffsicherheit  eine  recht  geringe 
ist;  natürlich  leidet  auch  die  Anfangs-Gflschwindig- 
keit  des  Projectiles  durch  die  Reiboog  in  dem 
langen  Laufe  und  die  Waffe  kann  daher  kaum 
als  eine  besonders  glücklich  construirte  bezeichnet 
werden.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  Bolzen 
vergiftet  wurden,  um  wenigstens  dadurch  die 
Wirkung  etwas  kralliger  zu  gestalten.  — 


Armbnut  der  Bakwiri,  '/,..  d.  n.  Gr. 


(205) 

(34)   Neu  eingegangene  und  erworbene  Schriften: 

1.  Virchow,  R.,  Ueber  ^Criminalanthropolögie.    München  1896.    (Corresp.-Blatt 

der  deutschen  anthrop.  Ges.)    Gesch.  d.  Verf. 

2.  Jacobsthal,  J.  E.,  Orientalische  Neusilber-Einlagen  in  Holz  und  Hom.    Berlin 

1888.    (Blätter  für  Architektur  u.  Kunsthandwerk).     Gesch.  d.  Verf. 

3.  Boas,  F.,  The  limitations  of  the  comparative  method  of  anthropology.  New- 

York  1896.    (Science.) 

4.  Derselbe,  Traditions  of  the  Ts'ets'ä'ut.  Boston,  o.  J.  (Journal  of  American  Folk- 

Lore.    Vol.  IX— Nr.  35.) 

5.  Derselbe,  Sixth  report  on  the  Indians  of  British  Columbia.    Lirerpool  1896. 

(Report  on  the  North-Westem  Tribes  of  Canada.    Section  H.) 
Nr.  3—5  Gesch.  d.  Verf. 

6.  Ploss-Bartels,Das  Weib.     5.  Aufl.     6.  u.  7.  Lief.    Leipzig  1897.     Gesch. 

d.  Verf. 

7.  Conwentz,  Erläuterungen  zu  den  rom  Westpreussischen  Prorincial-Museum 

in  Riga  18^6  ausgestellten  Gegenständen.    Danzig  1896.    Gesch.  d.  Verf. 

8.  Buschan,  G.,    Einfluss  der  Rasse  auf  die   Häufigkeit  und    die  Formen   der 

Geistes-  und  Nervenkrankheiten.  Berlin  1897.  (Allg.  Med.  Central-2jeitung.) 
Gesch.  d.  Verf. 

9.  Cora,  G.,  Die  Zigeuner.    Turin,  o.  J.  (Ausland  1890.)    Gesch.  d.  Verf. 

10.  Fewkes,  J.  W.,  The  Miconinovi  flute  altars.     (Boston),  o.  J.  (Joum.  Amer. 

Polk-Lore  IX.,  Nr.  35.) 

11.  Derselbe,  Pacific  coast  shells  from  prehistoric  Tusayan  pueblos.  Washington 

1896.    (Amer.  Anthrop.) 

12.  Derselbe,  Two  ruins  recently  discovered  in  the  Red-rock   country,   Arizona. 

Washington  1896.    (Amer.  Anthrop.) 

13.  Derselbe,   The   prehistoric   culture   of  Tusayan.    Washington    1896.    (Amer. 

Anthrop.) 

14.  Derselbe,  Tusayan  totemic  signatures.     Washington  1897.     (Amer.  Anthrop.) 

Nr.  10—14  Gesch.  d.  Verf. 

15.  Conze,  A.,  üeber  den  Ursprung  der  bildenden  Kunst.  Berlin  1897.  (Sitzungsb. 

d.  K.  Pr.  Akad.  d.  Wissenschaft.)    Gesch.  d.  Verf. 

16.  yanderChijs,  J.  A.,  Nederlandsch-Indisch Plakaatboek.  15.Deel.  1808—1809. 

Batavia  1896.    Gesch.  d.  Verf. 

17.  Piette,  M.  E.,  Fouilles  faites  a  Brassempouy  en   1895.    Paris  1896.     (Bull. 

Societe  d'Anthrop.  de  Paris.) 

18.  Derselbe,  Etudes  d'ethnographie  prehistorique.     Paris,  o.  J.  (L'Anthropologie 

VII  Nr.  3.) 

Nr.  17  u.  18  Gesch.  d.  Verf. 

19.  Mercer,  H.  C,  An  exploration  of  aboriginal  shell  heaps  revealing  traces  of 

cannibalisra  on  York  river,  Maine.    Boston  1897.  (Publ.  of  the  University 
of  Pennsylvania.) 

20.  Derselbe,  The  discovery  of  aboriginal  remains  at  a  rockshelt^r  in  the  Delaware 

Valley  known  as  the  Indian  hoase.     Boston  1897.    (Publ.  of  the  Univers, 
of  Pennsylv.) 

21.  Derselbe,  An  exploration  of  Durham  cave  in  1893.    Boston  1897.    (Publ.  üniv. 

of  Pennsylvania.) 

Nr.  19—21  Gesch.  d.  Verf. 

22.  Radioff,  W.,  Altas  der  Alterthümer  der  Mongolei.    IIl.  Lief.    St.-Petersburg 

1896.     Gesch.  d.  Raiserl.  Akademie  d.  Wissensch. 


(206) 

23.  Bulletin  de  la  societe  ouralienne  d'amateurs  des  sciences  naturelles.  XIII  lirr. 

2.  und  XV  livr.  1.  Ekaterinebui^  1891—95. 

24.  Hazeu,  0.  A.  J.,  Bijdrage  tot  de  Kennis  van  het  Javaansche  Tooneel.    Leiden 

1897.    (Dissertat.) 

Nr.  23  u.  24  durch  Hrn.  R.  Virchow. 

25.  Hendriks,  H.,  Het  Burusch  van  Mäsarete.    's  Gravenhage  1897.     Gesch.  <). 

K.  Instituut  van  Nederlandsch-Indie. 

26.  Rijks   ethnographisch  Museum   te   Leiden.     12   Berichte   ran   anno   1894   en 

5  Berichte  van  anno  1895. 

27.  Serrurier,  Uittreksel  uit  het  Verslag  van  den  diiecteur  van's  rijks  ethnographisch 

Museum  te  Leiden.     1894/95. 

(Nr.  26  u.  '27  sind  vom  R.  ethnogr.  Museum  in  Leiden  geschenkt.) 

28.  Serrurier,  L,  De  Wajang  Poerwä.    Leiden  1896.    Gesch.  des  Ministers  van 

Binnenlandsche  Zaken. 

29.  Miller,   G.  S.,  The  beach  mouse  of  Muskeget  Island.  Boston  1896.    (Proc. 

Boston  S.  N.  H.) 

30.  Shaler,  N.  S.,  Conditions  and  effects  of  the  expulsion  ofgases  from  the  earth. 

Boston  1896.    (Proc.  Boston  S.  N.  H.) 

31.  Proceedingsof  theannualmeeting,  May  6, 1896.  Boston  1896.  (Proc.  Boston  S.N.H.) 

32.  Dyar,  H.  G.,  On  the  larvae  of  the  higher  bombyces  (Agrotides  Grote.)  Boston 

1896.  (Proc.  Boston  S.  N.  H.) 

33.  Marcou,  J.,  The  Jura  of  Texas.    Boston  1896.    (Proc.  Boston  S.N.H.) 

34.  Bangs,  0.,  An  important  addition  to  the  fauna  of  Massachusetts.  Boston  1896. 

(Proc.  Boston  S.  N.  H.) 

35.  Woodworth,  J.  ß.,  On  the  fracture  System  of  joints,  with  remarks  on  certain 

great  fractures.    Boston  1 896.    (Proc.  Boston  S.  N.  H.) 

36.  Batch eider,  Gh.  F.,  Some  facts  in  regard  to  the  distribution  of  certain  mammals 

in  New-England  and  Northern  New-York.  Boston  1806.  (Proc.  Boston  S.  N  H-) 

37.  Füller,  M.  L.,  A  new  occurrence  of  carboniferous  fossils  in  the  Narragansett 

basin.    Boston  1896.    (Proc.  Boston  S.  N.  H.) 

38.  Mason,  0.  T.,  Primitive  travel  and  transportation.    Washington  1896.  (Report 

U.  S.  Nat.  Mus.  for  1894.) 

39.  Culin,  S.,  Mancala,  the  national  game  of  Africa.    Washington  1896.    (Report 

U.  S.  Nat  Mus.  for  1894.) 

40.  Wilson,  T.,  The  golden  patera  of  Rennes.    Washington  1896.    (Report  CS. 

Nat.  Mus.  for  1894.) 

41.  Derselbe,  The  Swastika.    Washington  1896.  (Rep.  ü.  S.  Nat  Mus.  for  1894.) 

42.  Satoh,  A.,  The  wooden  statue  of  Baron  II  Ramon-No-Rami  Naosuke.  Wash- 

ington 1896.  (Rep.  U.  S.  N.  Mus.  f.  1894.) 

43.  Mc  Guire,  J.  D.,  A  study  of  the  primitive  methods  of  drilling.    Washington 

1896.    (Rep.  ü.  S.  N.  Mus.  f.  1894.) 

(Nr.  29—43  sind  vom  Smithsonian  Institut  geschenkt.) 

44.  Glasnik.  VIII.  1896.  Nr.  3—4.  Sarajevo  1896.    Gesch.  d.  Herrn  R.  Virchow. 


Sitzung  vom  15.  Mai  1897. 

Vorsitzender:   Hr.  R.  Virchow. 

(1)  Die  Gesellschaft  hat  folgende  ordentliche  Mitglieder  durch  den  Tod 
verloren : 

Medicinalrath   Dr.  Menger,   langjähriges   und   sehr  verdientes  Mitglied   des 
Central-Comites  der  deutschen  Vereine  vom  Rothen  Kreuze,  am  29.  April.  — 

Maurermeister  Strassmann,   einen  der  um  die  Stadt  Berlin  hochverdienten 
Gebrtlder  Strassmann,  am  3.  Mai.  — 

Dr.  Marimon  y  Tudo  in  Sevilla,  ihr  einziges  spanisches  Mitglied.  — 

(2)  Am  12.  April  ist  der  ausserordentliche  Professor  Dr.  Julius  Hoffory,  ein 
vorzüglicher  Renner  der  skandinavischen  Literatur,  hierselbst  verstorben.  — 

(3)  Als  neues  Mitglied  wird  angemeldet:  Gand.  med.  Alfred  Bormann  in 
Berlin.  — 

(4)  Das  neu  gewählte  correspondirende  Mitglied  Hr.  J.  de  Morgan  dankt  in 
einem  Schreiben  an  den  Vorsitzenden  aus  Teil  el  Amama,  7.  April,  in  den  freund- 
lichsten Ausdrücken  für  die  ihm  erwiesene  Ehre  und  macht  zugleich  Mittheilung 
über  die 

Auffindung  eines  Königsgrabes  in  Negada. 

^Je  prepare,  en  ce  moment,  un  travail  sur  une  tombe  royale  que  je  viens  de 
decouvrir  ä  N^gadah.  Gette  s^pulture,  dont  le  monument  en  briques  crues  ne 
renfermait  pas  moins  de  27  chambres,  contenait  une  foule  d^objets  du  plus  haut 
interet. 

„Nous  ne  possedons  que  la  banniere  royale,  et  les  egyptologues  ne  sont  pas 
encore  fix^s  sur  sa  lecture.  Dans  tous  les  cas  ce  roi  appartient  aux  d^buts  des 
annales  eg^tiennes.  II  n^est  certainement  pas  posterieur  ä  ia  II®  dynastie,  mais 
probablement  doit  etre  ränge  dans  la  premiere. 

^Les  chambres  royales,  dans  lesquelles  tout  le  mobilier  avait  ete  incendi^, 
contenaient  tres  peu  d^objets  metalliques,  un  grand  nombre  dUnstruments  de  siiex, 
beaucoup  de  vases  de  terre  et  de  pierre,  des  vases  en  quartz  et  en  obsidienne,  des 
fignrines  d^ivoire  repr^sentant  des  lions,  des  chiens  et  des  poissons,  des  pieds  de 
meubles  en  ivoire  et  un  grand  nombre  de  sceaux  faits  au  cylindre  et  portant  des 
textes  qui  n'ont  encore  pu  etre  interpretes,  tant  ils  sont  archaiques. 

„J'espere,  Monsieur  le  President,  que  cette  nouvelle  interessera  nos  collegues; 
cette  decouverte  nous  foumit  un  jalon  de  plus  dans  les  debuts  de  Thistoire 
^gyptienne.**  — 


I 


(208) 

(5)  Das  ordentliche  Mitglied  Hr.  W.  Krause  sendet  in  einem  Sehreiben  an 
den  Vorsitzenden  vom  Bord  der  „Karlsruhe",  südlich  von  Kreta,  23.  April,  einen 
Bericht  über  den  Antritt  seiner 

australischen  Reise. 

„In  Antwerpen  musste  ich  mich  mit  dem  Lloyd-Dampfer  etwas  aufhalten  und 
sah  im  Musee  du  Steen  ein  Dutzend  ziemlich  merkwürdiger  Schädel.  Hr.  Baron 
de  Yinck  sagte  mir,  dass  sie  einer  paläontoiogischen  Gesellschaft  in  Antwerpen 
gehörten,  die  sich  jedoch  aufgelöst  hätte.  In  dem  offtciellen  Kataloge  des  Musee  du 
Steen,  den  ich  nach  Berlin  mitbringen  werde,  sind  sie  nicht  registrirt.  Sie  stammen 
von  Ausgrabungen  her,  mit  ein  Paar  Ausnahmen,  die  zur  Vergleichung  aufgestellt 
zu  sein  scheinen;  diese  sind  ganz  modern  und  könnten  Negern  oder  Papua's  an- 
gehört haben.    Zu  näherer  Untersuchung  fehlte  mir  die  2jeit 

„Ein  instructives  Verfahren  sah  ich  im  zoologischen  Garten  zu  Antwerpen. 
Man  vereinigt  wohl  überall  die  Raubthiere,  Raubvögel,  Stranssvögel  u.  s.  w.  zu 
Gruppen.  In  Antwerpen  aber  sind  innerhalb  der  Gruppen  die  näher  verwandten 
Arten  in  räumliche  Nachbarschaft  gebracht,  was  die  Vergleichung  erheblich  er- 
leichtert. Ausserdem  haben  die  über  nur  kleine  Bezirke  verbreiteten  Species  neben 
ihren  Namen  eine  kleine  Weltkarte  hangen,  worauf  in  rothem  Deberdrnck  der  be- 
treffende Verbreitungsbezirk  angegeben  ist."  — 

(6)  Das  Secretariat  der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien  übersendet  eine 
Einladung  zu  einer  Excursion  nach  Brunn  und  Umgegend  für  die  Tage  vom 
27.  bis  29.  Mai.  Der  dortige  Geschäftsführer,  Hr.  Alexander  Makowsky,  der  hoch- 
verdiente Erforscher  der  Brünner  Lössfunde,  schickt  das  reichhaltige  Programm, 
welches  vorgelegt  wird.  — 

(7)  Der  Vorsitzende  der  Niederlausitzer  Gesellschaft  für  Anthro- 
pologie und  Alterthumskunde,  Hr.  H.  Jentsch,  übersendet  nochmals  die  Ein- 
ladung und  das  Programm  für  die  am  8.  und  9.  Juni  in  Finsterwalde  zusammen- 
tretende 13.  Hauptversammlung  der  Gesellschaft. 

In  dem  an  den  Vorsitzenden  gerichteten,  sehr  warmen  Begleitschreiben  wird 
die  Bitte  um  persönliche  Theilnahme  wiederholt  und  über  das  Wachsthum  der  Ge- 
sellschaft berichtet,  die  gegenwärtig  schon  415  Mitglieder  zählt. 

Der  Vorsitzende  bedauert,  dass  die  gleichzeitige  Tagung  des  Congresses  für 
innere  Medicin  in  Berlin  es  ihm  unmöglich  macht,  an  der  Versammlung  der  von 
ihm  so  hoch  geschätzten  Gesellschaft  persönlich  theilnehmen  zu  können.  — 

(8)  Es  liegen  verschiedene  Einladungen  zur  Theilnahme  an  belgischen  Con- 
gressen  vor:  ausser  dem  Congres  archeologique  de  Malines  und  der  Ex- 
position internationale  (S.  27,  163)  wird  ein  internationaler  Gongress  für 
Nerven-Heilkunde,  Psychiatrie,  Elektro-Pathologie  und  Hypnologie 
auf  den  14.  bis  19.  September  nach  Brüssel  berufen.  — 

(9)  Der  schon  früher  (S.  85)  besprochene  Verein  für  sächsische  Volks- 
kunde, dessen  Satzungen  eingegangen  sind,  hat  die  erste  Nummer  seiner  „Mit- 
theilungen **  erscheinen  lassen.  — 

(10)  Aus  Hohenstadt  in  Mähren  ist  ein  Aufruf  des  ^Ausschusses  für  die  Er- 
greifung umfassender  Schutzmaassregeln  zur  Erhaltung  der  deutschen 


(209) 

Sprachinsel  Hohenstadt  und  Umgebnng"  TomJuli  1896  eingesendet  worden, 
welcher,  unter  Aufzählnng  der  grOBsen  Opfer,  welche  die  BUrger  der  kleinen, 
kanm  3000  Einwohner  zählenden  Stadt  fUr  die  AafrecbthBltuDg  ihrer  nationalen 
Stellung  gebracht  haben,  dringend  nm  Httlfe  bittet.  — 

(U)   Hr.  General  t.  Erobert  schenkt  Iilr  die  Sammlung  der  GeHellschaft  eine 
Reibe  charakteiistiscber  Photographien  kaakasisoher  Typen.  — 

(19)   Hr.  E.  Rösler  Übersendet  aus  Sohnsoha,    19./31.  März,   folgende  Hit- 
theilnngen  über 

archäologische  Funde  in  Trsnshaukasien. 

1.   Photographische  Abbildung  prähistorischer  Thongefässe 

ron  Dshawat,  Gouvernement  Baku. 

Die  Äschenkrlige   stammen  aus   dem  Kreise  Dshawat,    Gouvernement  Baku, 

Transkaakasien,   und  befinden  sich  im  Besitze  des  Hm.  Baba  Ttlnebekjanz  in 

Sohuscha.     In  meinem  vorjährigen  Berichte  über  archäologische  Forschungen  in 


Transkaukasicn  ist  dieses  Fundes  bereits  Erwähnung  getban  worden,  vergl,  Verb. 
1896,  8.  169,  HO  dass  die  vorliegende  Abbildung  als  Illastrations-Ergänznng  der 
betreffenden  Noliz  angesehen  werden  kann.    Letztere  möchte  ich  heute  noch  durch 


(210) 

einige  Bemerkungen  vervollständigen,  da  ich  anlangst  (jelegenheit  hatte,  die  Fund- 
objeete  einer  sorgfältigeren  Prüfung  zu  unterziehen. 

Ueber  die  grosse  Aehnlichkeit  der  Urnen  mit  denen  von  Dawschanli-Artschadsor, 
Ssircl^awande-Ballukaja  und  Chodshali  habe  ich  mich  damals  schon  kurz  geäussert; 
sie  ist  sofort  in's  Auge  fallend:  dasselbe  Kunstverständniss  offenbart  sich  hier,  wie 
dort,  in  der  vorzüglichen  Arbeit,  der  gefälligen  Form  und  dem  originellen  Buckel-, 
Rillen-  und  Hand-Ornament.  Zwar  tragen  die  Oefasse  vom  Araxes  nicht  die  typische, 
schwarze  Glanz-Farbe  derer  vom  Chatschenaget  u.  s.  w.,  doch  ist  dies  —  wie  an 
einzelnen  von  ihnen,  an  welchen  noch  Spuren  des  schwarzen  Ueberzuges  bemerkbar 
sind  —  einst  der  Fall  gewesen.  Das  jetzige  verwaschene,  graue  Colorirt  erklärt  sich 
aus  dem  längeren  Verweilen  der  Urnen  im  Wasser  des  reissenden  Flusses  Araxes, 
aus  welchem  sie  —  nach  der  ganz  zufälligen  Entdeckung  des  Depotfundes  in  Folge 
eines  Ufer- Abrutsches  —  zum  Theil  mit  Netzen  herausgefischt  worden  sind. 

Die  Ai^alogie  zwischen  den  keramischen  Erzeugnissen  aus  den  Bronze-Oräbem 
der  Flüsse  des  östlichen  Kleinen  Raukasus,  und  zwar  in  dem  im  Norden  vom 
Chatshenaget  und  im  Süden  vom  Araxes  begrenzten  Gebiete,  darf  somit  als  fest- 
stehend ausgesprochen  werden.  Alle  diese  formvollendeten  Artefakte  machen  den 
Eindruck,  als  ob  sie  aus  einer  kunstgewerblichen  Centrale  hervorgegangen  seien. 
Diese  hochentwickelte  Periode  der  Töpferkunst  nun  fällt  in  die  Bronzezeit  mit 
den  letzten  Nachklängen  aus  der  Steinzeit;  denn  in  allen  Gräbern,  worin  solche 
Urnen  von  mir  gefunden  wurden,  bestand  die  metallische  Ausbeute,  neben  Gold, 
Silber  und  Zinn  in  unbedeutenden  Mengen,  nur  aus  Bronze.  Mit  dem  Ver- 
schwinden der  Bronze  scheint  die  Blüthezeit  der  keramischen  Industrie  hier  ein 
zeitweiliges  Ende  erreicht  zu  haben;  wenigstens  bin  ich  in  Gräbern  aus  der 
üebergangszeit  von  der  Bronze  zum  Eisen,  in  denen  also  neben  Bronze  schon 
Eisen  auftaucht  (Gräber  aus  der  reinen  Eisenzeit  sind  mir  bis  jetzt  in  dieser 
Gegend  überhaupt  noch  nicht  vorgekommen),  niemals  auf  keramische  Producte 
dieser  Art  gestossen. 

Von  den  nach  Angabe  des  Besitzers  in  und  mit  den  Krügen  an's  Licht  ge- 
förderten zahlreichen  Silbermünzen  konnte  ich  bis  heute  trotz  aller  Bemühungen 
noch  keine  zur  näheren  Untersuchung  erhalten,  was  sehr  zu  bedauern  ist,  da  es 
ja  höchst  wichtig  wäre,  daraus  zu  bestimmen,  wann  ungefähr  die  Sachen  der  Erde 
anvertraut  sein  mögen;  doch  hat  Hr.  Tünebekjanz  versprochen,  eine  der  Münzen 
der  Kaiserlichen  Archäologischen  Commission  in  Petersburg  zur  Ansicht  zu  senden. 
Dass  derselbe  sich  nach  Jahr  und  Tag  nun  doch  noch  entschlossen,  seine  irdenen 
Schätze  für  einige  Minuten  dem  Objectiv  des  Photographen  preiszugeben,  verdient 
dankende  Anerkennung!  — 

2.   Ein  durchbohrter  Steinhammer  von  Horadies. 
Gouvernement  Elisabethpol. 

Der  Hammer  ist,  entgegen  meiner  Anordnung,  vom  Photographen  leider 
nicht  von  der  vortheilhaftesten  Seite  wiedergegeben  worden.  Er  wurde  im  vorigen 
Jahre  etwa  8  Werst  nördlich  vom  Flusse  Araxes  im  Dorfe  Horadies,  Kreis 
Dshebrail,  Gouvernement  Elisabethpol,  gefunden.  Erdarbeiter  stiessen  beim  Aus- 
heben des  Grundes  zu  einem  Hausbau  auf  zwei  solcher  Instrumente,  wobei  eines 
von  ihnen,  und  zwar  das  grössere,  ^der  Wissenschaft  wegen"  zerschlagen')  und 
verworfen  wurde.    Der  im  Bilde  reproducirte  kleinere  Hammer  aber  kam  durch 

1)  Es  ist  eine  sich  bei  meinen  archäologischen  Aus^abungen  steta  wiederholende, 
nicht  gerade  angenehm  berührende  Erscheinung,  dass  die  hiesigen  Arbeiter  an  den  ans 


(2U) 

Znfall  dem  mir  bekannteD,  im  Flecken  Wank  residirenden  Pristaw  BachschN 
Bek  Ter-Akopofr  in  die  Hände,  der  sich,  gelegentlich  seiner  letzten  Anwesenheit 
in  Schascha,  bewegen  liess,  ihn  mir  Hlr  die  Kaiserliche  ÄrchäologiBche  Commission 
zn  überlassen. 

Das  Uaterial  des  Artefakts  ist  graugrüner,  sehr  fester,  von  schwarzen  und 
gelblichen  Adern  nnd  bandartigen  Streifen  durchzogener  Stein  (Serpentin?).  Das 
sich  nach  beiden  Enden  zu  verjüngende  Oeräth  hat  eine  randliche,  leicht  gebogene 
Form  and  länn  vom,  an  dem  vom  Stielloch  aus  längeren  Tbeiie,  in  eine  auf 
beiden  Seiten  mit  zwei  schlafen  artigen  Ginsenkungen  versehene,  ziemlich  scharfe, 
gewölbte,  intacte  Schneide  aus,  während  der  kürzere,  hintere  Theil  in  einer  stumpfen 
Spitze  endigt  und  ebenfalls  solche  Flankeneinbuchtungen  aufweist.  An  diesem 
Ende  trägt  das  Werkzeug,  durch  das  Vergrösserungsglas  betrachtet,  deutlich  erkenn- 
bare  Sparen  seines  Gebrauchs  in  Gestalt  von  Schrammen  und  Kitzen.  Das  Stielloch 
ist  fassartig  geformt  und  sehr  glatt  gebohrt.  Der  obere  Rand  desselben  ist  etwas 
ausgebrochen,  der  untere  wohlerhalten,  sich  nach  aussen  sanft  erweiternd.  Der 
Hammer  ist  sehr  saaber  gearbeitet  und  schön  geglättet.  Sein  Gewicht  beträgt 
200  ff. 

Fig.  2.    V. 


Der  üoradieser  Steinharomer  erregt  nach  meiner  Meinung  besonderes  Inter- 
esse, da  er  —  soviel  mir  bekannt  —  das  erste  in  dieser  Gegend  Transkaukasiens 
gefundene  Artefakt  Ist,  welches  ohne  Zweifel  den  ausgeprägten  Charakter  der 
Geriithe  des  neolithischen  Zeitulters  trägt.  Zudem  ist  die  Zahl  der  hier  im 
Kleinen  Kaukasus  gemachten  Funde  vorgeschichtlicher  Steingeräthe,  welche  zur 
positiven  Beweisführung  der  Existenz  einer  ausgebreiteten  Steincnltnr  dienen 
kannten,  einstweilen  leider  ja  noch  eine  sehr  beschränkte.  Die  im  westlichen 
Gebiete  des  Area  gesammelten,  ans  den  Stollen  alter  Salzbergwerke  stammenden, 
sowie  die  bei  Belenendorf,  unfern  Eliaabethpol,  einem  Steinbmche  entnommenen 
Hämmer:  —  das  igt  wohl  so  ziemlich  Alles,  was  das  südliche  Transkaukasien  bis 
jetzt  von  dem  am  meisten  typischen  Hauptwerkzeng  dieser  Epoche  aufzuweisen  hat. 
Fast  alle  diese  Instrumente  sind  aber  noch  recht  mangelhalt  gearbeitet:  ungeglättet 

einem  Grabe  heruisbefOiderteii  GegeniUndeo,  bevor  sie  sie  weitergeben,  unbedingt  erst 
ihre  Kraft  versuchen  müssen.  Gelingt  ihnen  diese  djnamische  Probe,  was  ja  nicht  selten 
der  Fall  ist,  so  pflegen  sie  mir  die  Stücke  des  lerbrochenen  corpus  delicti  mit  einem  viel- 
BBgeodea,  verstand aissioni gen  Grinsen  in  fiberreichen.  — 


(212) 

and  angebohrt,  and  scheinen  —  wie  sieh  ja  auch  durch  die  Stätte  ihres  Aaffindens  hin- 
reichend erklärt  —  nar  zum  Losschlagen  der  Erze  und  des  Gesteins  benatzt  worden 
zu  sein,  mithin  also  ihre  Entstehung  mehr  einem  örtlichen  Bedtlrfniss  verdankt  zu 
haben.  Von  einer  hier  zu  Lande  entdeckten  ausgesprochenen  Culturstätte  aus  der 
Steinzeit  dagegen  kann  heute  noch  keine  Hede  sein.  Gegen  die  wenigen  erwähnten 
Steingeräthe  bekundet  nun  der  Hammer  ron  Horadies  einen  ganz  gewaltigen  kunst- 
gewerblichen Fortschritt,  und  es  drängen  sich  die  Fragen  auf:  woher  tauchen  hier 
plötzlich  solche  Artefakte  mit  unyerkennbarem  Gepräge  der  jttngeren  Steinperiode 
auf?  Sind  sie  Ausflüsse  einer  selbstständigen  Cultur  oder  aus  anderen  Gegenden 
eingeführt? 

Vielleicht  rechtfertigt  sich  meine  aus  der  Lage  der  Dinge  resultirende  Ver- 
muthung,  dass  an  dem  Fundorte  des  Stackes  —  einem  Ton  (Gebirgsausläufern  ge- 
bildeten, sich  in  der  Richtung  NW. — SO.  gegen  den  Araxes  öffnenden  Thale  — 
ehemals  eine  neolithische  Absiedlung  bestanden  haben  mag.  Um  nun  dieser  Sache 
auf  den  Grund  zu  kommen,  habe  ich  bei  Einsendung  des  Fundobjects  an  die 
Kais.  Archäol.  Kommission  in  Vorschlag  gebracht,  mich  mit  der  näheren  Er- 
forschung der  Oertlichkeit  zu  beauftragen.  Gelangt  diese  für  die  berorstehenden 
Osterferien  geplante  Untersuchung  des  Dorfes  Horadies  und  seiner  Umgebung  zur 
Ausführung,  so  gedenke  ich  auf  der  Rückreise  einige  der  am  Köndalan-tschai,  beim 
Dorfe  Karabulagh,  belegenen,  in  meinem  Bericht  über  die  Dshebrailer  Excursion 
vom  Jahre  1895  schon  beschriebenen  Grabhtigel  auszugraben. 

Hoffentlich  hat  der  in  diesem  Jahre  überaus  andauernde  schneereiche  Winter 
bis  dahin  das  Feld  geräumt  und  der  ersehnte  Lenz  die  Bahn  über  das  Gebirge 
freigelegt  — 

Hr.  R.  Virchow:  Die  Mittheilungen  des  unermüdlich  thätigen  Forschers  er- 
regen diesmal  besonderes  üiteresse. 

Die  Thongefässe  schliessen  sich  den  durch  die  Ausgrabungen  der  HHm. 
Bayern  und  W.  Belck  an  der  Akstafa  und  bei  Kalakent  in  grosser  Zahl  zu  Tage 
geförderten  nahe  an.  Es  wird  daher  nicht  zu  bezweifeln  sein,  dass  das  ganze 
Hochland  zwischen  Rura  und  Araxes  demselben  Calturgebiet  angehört  hat  Fraglich 
erscheint  es  dagegen,  ob  dieses  Gebiet  der  reinen  Bronzezeit  zugerechnet  werden 
darf.  Allerdings  haben  sich  in  manchen  der  Gräber  dieses  Hochlandes  nur  Bronze- 
sachen gefanden,  weshalb  schon  Bayern  die  Gräber  an  der  Akstafa  in  diese  Zeit 
versetzte;  aber  auch  er  hat  sich  bei  weiteren  Nachforschungen  überzeugt,  dass  nicht 
wenige  Eisengeräthe  darin  zu  finden  sind.  Wir  werden  daher,  wie  bei  so  vielen 
kaukasischen  Gräbern,  diese  Anlagen  wohl  richtiger  dem  Beginn  der  Eisenzeit  zu- 
rechnen müssen.  Immerhin  kommen  wir  damit  schon  recht  weit  rückwärts  in  die 
Vorzeit  hinein. 

Noch  ?iel  wichtiger  ist  der  polirte  und  durchbohrte  Steinhammer.  Auch  mir 
ist  kein  analoges  Stück  aus  Transkaukasien  bekannt  Ich  finde  aoch  keinen  Grund, 
dieses  Stück  in  Betreff  seiner  Annäherung  an  die  jüngere  Steinzeit  zu  bemängeln. 
Einen  entscheidenden  Beweis  dafür  aber  rermag  ich  in  seiner  Auffindung  nicht  zu 
erkennen.  Bei  uns  im  Norden  finden  sich,  wie  ich  erst  neulich  wieder  hervor- 
gehoben habe  (Verhandl.  1896,  S.  485),  derartige  Steinhämmer  zweifellos  bis  in 
die  Eisenzeit  hinein.  Dass  auch  in  dem  fernen  Südosten  Aehnliches  vorgekommen 
sein  mag,  wird  einigermaassen  wahrscheinlich  durch  den  Umstand,  dass  Stein- 
hämmer in  verschiedener  Form  und  Grösse  auf  dem  armenischen  Plateau  recht 
häufijT,  und  zwar  unter  Umständen,  welche  kein  so  hohes  Alter  anzeigen,  gefunden 
werden,  ja  dass  noch  heut  zu  Tage  Steinhämmer  dort  vielfach  im  Gebrauch  sind.   Ich 


(213) 

verweise  deswegen  auf  meine  Mittheilungen  in  früheren  Verhandlungen  (1881, 
8.  415;  1882,  S.  215;  1884,  S.  587).  Das  in  der  Abbildung  dargestellte  Stück 
zeichnet  sich  jedoch  ror  den  gewöhnlichen  Steinhämmem  durch  seine  künstliche 
Glättung  und  die  correcte  Bohrung  vortheilhaft  aus,  und  ich  erkenne  an,  dass  es 
in  höherem  Maasse  an  die  Form  der  neolithischen  Zeit  erinnert.  Nur  möchte  ich 
nicht  verschweigen,  dass  die  vorspringende  und  verhältnissmässig  scharfe,  gebogene 
Schneide  schon  stark  an  metallische  Vorbilder  erinnert.  — 

(13)  Von  Hm.  J.  D.  E.  Schmeltz  ist  ein  neuer,  vollständiger  Abguss  des 
seiner  Zeit  (Verh.  1896,  S.  186)  angemeldeten  japanischen  Schädel-Artefaktes 
eingegangen,  das  Hr.  Serrurier  mit  dem  Pithecanthropus  erectus  Dub.  in  Be- 
ziehung gebracht  hatte. 

Hr.  Rud.  Virchow  legt  dasselbe  vor,  bezweifelt  aber,  dass  irgend  eine  solche 
Beziehung  bestanden  haben  könne.  Der  Hirntheil  dieses  Schädels  hat  nicht  die 
mindeste  Aehnlichkeit  mit  dem  Fragment  des  Pithecanthropus.  Der  Gesichtstheil 
ist  allerdings  in  vielen  Stücken  thierähnlich ,  namentlich  in  Betreff  des  colossalen 
Gebisses;  da  jedoch  von  diesem  Theil  an  dem  Pithecanthropus  nichts  erhalten 
ist,  so  lässt  sich  auch  keine  Vergleichung  anstellen.  Im  Ganzen  macht  das  Artefakt 
jedoch  so  sehr  den  Eindruck  einer  Carricatur,  dass  an  ein  naturalistisches  Vorbild 
desselben  kaum  gedacht  werden  kann.  Es  handelt  sich  wohl  nur  um  das  Er- 
zeugniss  einer  durch  die  sonderbaren  Götter-  und  Dämonen -Figuren  der  Ost- 
Asiaten  erregten  Phantasie.  — 

(14)  Hr.  V.  Gross  übersendet  unter  dem  24.  April  aus  Neuveville  die 
Photographie  einer  eisernen  Dolchklinge  aus  dem  Bieler  See. 

Der  Dolch  ist  in  der  Nähe  von  Neuveville  in  einer  Tiefe  von  60  cm  in  dem 
Seesande  gefunden  worden.  Er  ist  47  cm  lang,  wovon  33  cm  auf  die  Klinge 
fallen.  Er  hatte  einen  hölzernen  Griff  und  steckte  in  einer  Lederscheide,  die  mit 
einer  Bronze-Garnitur  verziert  war.  Auf  einer  Seite  des  Griffes  fand  sich  in  der 
ganzen  Länge  eine  Reihe  schwer  zu  deutender,  an  gothische  Schriftzeichen  er- 
innernder Gravirungen,  über  welche  ein  Gutachten  gewünscht  wird.  — 

Hr.  E.  Friede!  hat  das  Stück,  welches  der  letzten  Zeit  des  Mittelalter»*  an- 
zugehören scheint,  durch  Dr.  Bahr  fei  dt  untersuchen  lassen.  Dieser  erkennt  daran 
ein  AVE  MARIA  und  Aehnliches.  — 

(15)  Hr.  J.  A.  Jentsch  in  Dresden  übersendet  weitere  Bemerkungen  über  das 

Wort  Korke!. 

Bei  der  Frage,  ob  das  plattdeutsche  Wort  Rurkel  als  Bezeichnung  einer 
Pantoffel-Art  von  dem  deutschen  Worte  Kork  oder  aus  dem  Slavischen  abzuleiten 
sei  (Verhandl.  1896,  S.  186),  kann  es  gestattet  sein,  auf  Johann  Beckmann 
zu  verweisen.  Dieser  erzählt  auf  S.  481  im  2.  Bande  seiner  „Beyträge  zur  Ge- 
schichte der  Erfindungen^  von  dem  Korke,  dass  man  schon  im  alten  Rom,  wie 
noch  zu  seiner  Zeit  (1788)  in  Deutschland,  aus  dem  Korke  Sohlen  machte,  die 
in  die  Schuhe  gelegt  wurden,  um  die  FHisse,  sonderlich  im  Winter,  wider  Nässe  zu 
sichern  (Vsus  praeterea  in  hibemo  feminarum  calceatu.  PI  in.).  Beckmann  be- 
richtet weiter:  „Weil  man  damals  noch  nicht  die  hohen  Hacken  an  den  Schuhen  im 
Gebrauch  hatte,  so  legten  die  Mädchen,  welche  gern  grösser  scheinen  wollten,  als 
sie  waren,  recht  viel  Kork  unter  (Xenophon  de  tuenda  re  famil.,  und  Clemens 
Alex.  lib.  3  paedag.).**  Nach  Beckmann  wurde  im  16.  Jahrhundert  in  Frankreich 
der  meiste  Kork  zu  Sohlen  verbraucht  (Karl  Stephanus  in  seinem  Praedium  ru- 


C2H) 

Bticum  vom  Jahre  1553:  cortex  ad  nos  plariraos  defertnr,  maniendia  adTGraaa  fri- 
gori«  injuriam  bieme  calceamentiB).  Ceber  den  Namen  Kork  aagt  Beckmann  aar 
8.  477:  Dass  Saber  der  Lateiner  anser  Korkbanro  sei,  wird  allgemein  angenommen, 
und  dae  mit  Recht,  Offenbar  meldet  Plinins  ron  ihm  Alles,  was  Theophrnst 
fem  ({ifXXo'^  gesagt  hat  (lib.  16.  eap.  8.  p.  7.),  und  Uberdem  ersieht  man  aus  seiner 
Nachricht,  dass  man  schon  zu  seiner  Zeit  vom  Korke  Tast  einen  so  mann  ich  faltigen 
Gebranch  wie  jetzt  gemaclit  hat.  Unser  deutscher  Name  Kork  ist  wohl  mit  der 
Waare  selbst  zu  uns  aas  Spanien  gekommen,  wo  man  dieselbe  corcho  (de  alcor- 
Doque)  nennt.  Ursprünglich  ist  es  gewiss  cortex  der  Lateiner,  die  schon  selbst  den 
Kork  ohne  weiteren  Znsatz  corticem  genannt  haben.  So  sagt  Horaz  Od.  III,  4: 
tu  levior  cortice,  und  Plinius:  non  infacete  Qraeci  (suber)  corticis  arborem 
appellant.  — 

(16)  Hr.  Sanitätsrath  Dr.  Köhler  in  Posen  übersendet  unter  dem  9.  Mai 
folgende  Mittheilung  Über 

Geflügelte  Lancenspitcen. 

In  der  Nähe  der  Stadt  Obornik,  Pr.  Posen,  holten  Fischer  vor  3  Jahren  in 
einem  Netze  aas  der  Warthe  zwei  eiserne  Lanzenspitzen  herans,  welche  jetzt  in  meiner 
Sammlung  sich  befinden.  An  der  Fundstelle  soll  früher  eine  Fahrt  gewesen  sein. 
Da  eine  dieser  Speerspitzen  anbedingt  in  unserer  Gegend  zu  den  gröasten  Selten- 
heiten gehört,  ja  wohl  ein  Unicum  ist  (denn  trotz  meiner  Recherchen  konnte  ich 
keine  zweite  in  der  Provinz  nachweisen),  so  werde  ich  dieselbe  genauer  beschreiben, 
ehe  ich  zu  weiteren  Bemerkungen  und  Erläuterungen  Übergehe. 

I.  Geflügelte  Lanzenspitze  (Fig.  1).  Dieser  Speer 
hat  zu  beiden  Seiten  der  TUlle  je  einen  qnerstehenden  Haken ; 
diese  bilden  mit  der  Klinge  und  TUlle  gleichsam  ein  Kreuz. 
Dies  Speereisen  ist  .')5  em  lang,  wovon  auf  die  Tülle  16  c« 
abgehen.  Die  spitie,  flache  Klinge  steigt  sanft  nach  der 
Mitte  zu,  ohne  eint  Rippe  zu  bilden,  und  misst  an  der 
breitesten  Stelle  5,5  cm.  Nach  unten  zu  verjüngt  sich  die 
Klinge  und  geht  in  die  Tülle  über,  die  wiederum  an  dem 
offenen  Ende  breiter  wird.  Die  Seitenflächen  der  Schaft- 
röhre oberhalb  der  Flügel  sind  flach,  nicht  abgerundet,  und 
bilden  langgestreckte  Dreiecke,  deren  spitzer  Winkel  oben 
in  die  Schneide  der  Klinge  ausläuft.  An  den  Seiten  des 
unteren  Drittels  der  Tülle  befinden  sich  zwei  Zapfen,  wie 
die  Querstangen  an  Schwertern;  ihre  oberen  und  seitlichen 
Kanten  sind  gerade,  die  unteren  dagegen  bilden  einen  halben 
Bogen.  Der  obere  Rand  der  Flügel  ist  ö,5  €■/',  der  seitliche 
l,j  cia  lang.  Unter  beiden  Flügeln  befinde!  sich  je  ein 
durch  die  Wand  der  Tülle  durchgehender  Nietnagel.  An 
der  inneren  Tüllenwand  haften  Reste  des  Holzschaftes.  Der 
Speer  ist  an  einigen  Stellen  durch  Rost  angegriffen,  die 
Tülle  an  einer  Seite  der  Länge  nach  geplatzt. 

'i.  Die  weidenblattäbniiche  Speerspilze  (Fig.  i). 
Die  Länge  betragt  45  an,  die  grösste  Breite  4  cw.  Die 
Mein  lange  Tülle  ist  an  dem  Schaflende  breiter,  ihr  Rand 
durch  Rost  zerfressen,  NielenölTnaagen  sind  nicht  vorhanden. 
Der  Speer  ist  gut  erhallen,  an  einzelnen  Stellen  mehr  oder 


Fig.  1. 


(215) 


Fig.  2. 


Va 


mehr  oder  weniger  durch  Rost  angegriffen.    Die  Rlingenfläche  erhebt  sich  leicht 
nach  der  Mitte  zn,  eine  Mittelrippe  besteht  nicht. 

Eine  besondere  Würdigung  erfordert  die  Lanzenspitze  mit  seitlichen 
Zapfen  (Fig.  1)  schon  deswegen,  weil  sie  das  erste  Exemplar  ist,  welches 
in  früher  polnischen  Ländern,  ja  im  Osten,  gefunden  wurde.  Es  drängt 
sich  aber  auch  die  Frage  auf:  ist  diese  Art  von  Lanzen  spitze  slavischer 
Herkunft,  wie  es  behauptet  wurde?  oder  welchen  Landes  Erzeugniss? 
und  auf  welchen  Wegen  ist  sie  in  das  Posensche  gekommen?  Zum 
Schluss  will  ich  auch  zu  erklären  mich  bestreben,  welchem  Zwecke 
diese  Haken,  Zapfen,  Querstangen,  auch  Flügel  genannt,  dienten. 

Um  ein  Urtheil  fallen  zu  können,  welches  Volk  zuerst  Haken 
an  den  Lanzenspitzen  anbrachte,  die  unbedingt  einen  praktischen  Zweck 
beim  Kampfe  verfolgten,  und  aus  welchem  Lande  dieselben  über  die  Nach- 
bargrenzen herübergekommen  sind,  muss  man  unter  Berücksichtigung 
der  entsprechenden  archäologischen  Literatur  eine  Einsicht  in  die 
grossen,  neuesten  Werke  über  die  Trachten  thun.  Auf  Grund  des  ge- 
sammelten Materials  wird  es  sich  ergeben,  wo  man  diese  Waffen  am 
zeitigsten  und  am  häufigsten  in  Gebrauch  zog.  Da  diese  Speere  schon 
in  die  theilweise  historischen  Zeiten  fallen,  werden  wir  auch  die  Wege, 
auf  denen  sie  zu  uns  gelangten,  näher  nachweisen  können. 

Walery  Eljasz  stellt  in  seinem  Werke  (übiory  w  Polsce  i  u 
SQsiadow.  Rrakau  1879.  Bd.  I,  Th.  1  u.  2)  in  Stichen  einige  geflügelte 
Lanzenspitzen  dar.  Auf  Taf.  I,  Nr.  4  u.  5  sehen  wir  zwei  fränkische 
Soldaten  aus  dem  IX.  Jahrb.,  die  mit  Lanzen  bewaffnet  sind,  deren 
Spitzen  Flügel  zeigen  mit  dem  bogenförmigen  Ausschnitt,  wie  beim 
Speer  von  Obornik.  Diese  Zeichnungen  sind  nach  Quicherat:  Histoire  du  costume 
en  France,  abgebildet. 

Ein  nach  dem  Psalterium  aus  der  Bibliothek  zu  Stuttgart  dargestellter  Krieger 
hat  ein  Panzerhemde  und  ein  Schild,  ausserdem  in  der  Rechten  eine  Lanze,  deren 
Spitze  mit  zwei  Haken  in  der  Form  von  Parallelogrammen  versehen  ist.  Auf  der- 
selben Tafel  Nr.  22  befindet  sich  noch  eine  nach  Quicherat*  abgebildete  Speer- 
spitze, deren  Querbalken  nach  oben  zu  gewendet  sind.  Diese  beiden  Lanzen  werden 
dem  X.  Jahrh.  zugeschrieben. 

Nach  Weiss  (CostUmkunde)  stellt  Eljasz  auf  Taf.  VIII  Nr.  14  einen  Ritter 
aus  dem  XL  Jahrh.  nach  dem  Erangeliar  zu  Bamberg  dar,  dessen  Lanzenspitze 
Flügel  in  Form  zweier  Parallelogramme  hat. 

Auf  Taf.  XI,  Nr.  6  sehen  wir  die  durch  Otto  HL  dem  Polenkönige  Boleslaus 
im  Jahre  1000  verehrte  und  in  der  Kathedrale  zu  Krakau  aufbewahrte  Lanze  des 
hl.  Mauritius  im  Stich  wiedergegeben,  lieber  diese  Lanze  hat  Graf  Alexander 
Prze/dziccki  (O  wloczni  zwanej  ^S.  Maurycego  przechowanej  w  skarbcu  Katedry 
Krakowskiej.  Warschau  186o)  eine  grössere  Monographie  geschrieben.  Aus  dieser 
historischen  Studie  erfahren  wir,  dass  die  eben  erwähnte  Lanze  eine  Nachbildung 
der  eigentlichen  „heiligen^  Lanze  ist,  deren  sich  der  hl.  Mauritius  bediente,  welcher 
im  Jahre  286  starb.  Die  deutschen  Kaiser  vertheilten  Lanzen,  welche  eine  mit 
Reliquien  versehene  Nachbildung  der  Lanze  des  hl.  Mauritius  waren,  an  Fürsten  als 
Zeichen  der  Souveränität;  eine  solche  Lanze  erhielt  auch  von  Otto  IlL  Boleslaus 
von  Polen.  Przeldziecki  bringt  eine  Abbildung  der  in  Wien  aufbewahrten 
„heiligen^  Lanze,  wie  auch  der  an  Boleslaus  geschenkten.  Sie  ähneln  einander, 
sind  aber  nicht  gleich;  beide  haben  aber  die  uns  jetzt  näher  angehende  Eigenschaft: 
beide  haben  ebensolche  Flügel  mit  dem  bogenförmigen  unteren  Ausschnitt,  wie  die 


(216) 

Lanzenspitze  von  Obornik.  Beide  entstammen  ans  dem  Westen,  denn  dass  die 
Wiener  Lanze  nicht  mit  der,  mit  welcher  Christas  durchbohrt  wnrde,  identisch  ist, 
hat  Przezdziecki  vollkommen  nachgewiesen. 

Auf  Taf.  XV,  Nr.  13—21  befinden  sich  unter  den  Sosdalen,  die  Nowogrod 
überfielen,  3  Lanzenträger,  dargestellt  nach  einer  Miniatur  aus  einem  Manuscript 
vom  XU.  Jahrh.  Die  Lanzenspitzen  sind  zu  den  Seiten  mit  balkenförmigen  Fort- 
sätzen versehen. 

Premislaus  L,  Fürst  von  Masovien,  ist  auf  dem  Siegel  eines  Diploms  vom  Jahre 
1252  mit  einer  Lanze  dargestellt,  an  der  zwei  2iapfen  in  der  Gestalt  von  Parallelo- 
grammen sich  befinden,  unter  denselben  ein  Fähnchen  (Taf.  XVIII,  Nr.  4). 

Ein  Soldat  des  XIII.  Jahrh.  erscheint  nach  einer  Miniatur  des  Manuscripts  der 
Leipziger  Bibliothek  mit  einer  Lanze  bewaffnet,  deren  Spitze  geflügelt  ist  (nach 
Hefner,  Taf.  XXII). 

Auf  den  Siegeln,  welche  Zakrzewski  (Codex,  dipl.  majorisPoloniae.  Posen  1881), 
Stronczynski  (Rilka  stow  o  dawnych  piecz^eiach  w  ogölnosci  a  w  szczegolnosci 
0  dawnych  piecz^ciach  polskich.  IPrzegl^d  bibliograficzno-archeologiczny.  Warschau 
1881)  und  Piekosinski  (Materjaly  sfragistyczne.  Wiadomosci  numizmatyczno- 
archeologiczne.  Rrakau  1892)  beschrieben  und  in  Abbildungen  wiedergegeben  haben, 
finden  wir  keine  geflügelten  Lanzenspitzen,  obgleich  Lanzen  auf  ihnen  vorkommen. 
Die  polnische  Literatur  bringt,  wie  wir  uns  überzeugen,  wenig  Beweise  dafür,  dass 
in  den  polnischen  Ländern  geflügelte  Lanzenspitzen  in  Gebrauch  waren.  Ihre  An- 
wendung im  weiten  Osten,  im  XII.  Jahrh.,  weisen  nur  die  Snsdalen,  welche  den 
Angriff  auf  Nowogrod  bewirkten,  nach. 

Im  Westen  bediente  man  sich  im  Kampfe  viel  öfter  und  schon  zeitiger  der 
geflügelten  Lanzenspitzen,  was  eine  Durchsicht  des  neuesten,  sehr  umfangreichen 
ethnologischen  Werkes  von  Fr.  Hottenroth  (Trachten  u.  s.  w.  Stuttgart  1891)  nach- 
weist. Im  II.  Bde.,  Taf.  21  sind  3  Speere  mit  Flügeln,  die  den  Franken  vom  VI. 
bis  XIII.  Jahrh.  zugeschrieben  werden,  abgebildet.  Die  Flügel  sind  nach  der  Spitze 
zu  ausgebogen,  andere  bilden  nur  Knöpfe,  das  dritte  Paar  hat  die  Gestalt  von 
Parallelogrammen.  Zwei  Speere,  die  auch  Lindenschmit  angiebt,  und  die  wir  noch 
später  berücksichtigen  werden,  sind  auf  Taf.  72,  Bd.  I  dargestellt;  beide  stammen 
aus  der  franko-merovingischen  Zeit. 

Den  Franken  oder  Langobarden  schreibt  Hottenroth  die  auf  Taf.  71,  Bd.  I 
abgebildete  geflügelte  Lanzenspitze  zu.  Ein  aus  dem  VIII. — IX.  Jahrh.  nach^ebil- 
deteit  Krieger  auf  Taf.  74,  Bd.  I  hat  an  der  I^nzenspitze  Querbalken;  dies  ist 
ein  Krieger  der  karolingischen  Zeit. 

Aus  dieser  Zeit  sehen  wir  auch  die  Abbildung  eines  byzantinischen  Soldaten, 
VIII.— XI.  Jahrh.  (Bd.  I,  Taf.  66),  mit  einer  Lanzenspitze,  an  deren  Tülle  zwei 
Paare  Flügel  angebracht  sind. 

Auf  Taf.  1(*,  Bd.  II  sehen  wir  einen  Deutschen  des  X.  Jahrh.,  der  mit  einer 
Lanze  mit  geflügelter  Spitze  bewaffnet  ist,  einen  anderen  ans  der  Regierungszeit 
Ottos  IL,  weiter  schon  ans  dem  XV.  Jahrh.  einen  Gerichtsboten  und  aus  der  ersten 
Hälfte  des  XVL  Jahrh.  Soldaten  (Bd.  II,  Taf.  4H  und  49). 

Aas  Italien  hat  sich  in  den  Jahrbüchern  von  Genua  die  Abbildung  eines 
Ritters  des  XII.  Jahrh.  mit  geflügelter  Lanzenspitze  erhalten  (Bd.  II,  Taf.  27).  Im 
XV.  Jahrh.  waren  italienische  Soldaten  mit  Lanzen  mit  geflflgelten  Spitzen  bewaffnet 
(Bd.  II,  Taf.  86.) 

Aus  Skandinavien  giebt  noch  Hottenroth  .Bd.  II,  Taf.  29)  einen  Ritter  des 
XIV.  Jahrb.,  dessen  Speerspitze  mit  Flüi^eln  versehen  ist. 


(217) 

Die  Flügel  der  erwähnten  Lanzenspitzen  bilden  fast  durchweg  Parallelogramme, 
welche,  wie  bei  den  Deutschen  des  XVI.  Jahrh.,  an  den  Enden  in  Knöpfe  aus- 
laufen. Die  Flügel  der  Speentpitzen,  welche  wir  zuerst  aus  dem  Hottenroth'schen 
Werke  angeführt  haben,  auf  welche  wir  aber  noch  einmal  zurückkommen  müssen, 
aus  der  franko-merovingischen  Zeit  haben  die  Gestalt  von  Haken,  die  nach  dem 
Schafte  zu  gebogen  sind.  An  keiner  dieser  Lanzenspitzen  treffen  wir  die  Form  der 
Flügel  der  Oborniker  Speerspitze. 

Aus  dem  goldenen  Codex  zu  St  Gallen  führt  Dem  min  (Die  Kriegswaffen  in 
ihren  geschichtlichen  Entwickelungen  von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf  die  Gegen- 
wart. Gera  1891,  S.  359)  einige,  mit  Lanzen  mit  geflügelten  Klingen  bewaffnete 
Krieger  aus  dem  VIII.— IX.  Jahrh.  an.  Weiter  giebt  er  (S.  830)  bei  der  Be- 
schreibung der  Partisanen  Abbildungen  solcher,  die  aus  der  Schweiz  und  Deutsch- 
land stammen  und  die  er  auf  das  XV.  Jahrh.  verlegt.  Der  bogenförmige  Ausschnitt 
am  unteren  Rande  der  Flügel  erinnert  sehr  an  die  Gestalt  der  Zapfen  der  Oborniker 
Lanzenspitze,  doch  bildete  letztere  nicht  den  eisernen  Theil  der  Partisane,  die  in 
Polen  fast  oder  wohl  gar  nicht  in  Anwendung  kam. 

Die  Oborniker  Speerspitze  ist,  was  die  Gestalt  anbetrifft,  vollkommen  gleich  der 
Speerspitze,  welche  Lubor  Niederle  (Bemerkungen  zu  einigen  Charakteristiken 
der  altslavischen  Gräber,  Mittheil,  der  anthrop.  Gesellschaft  in  Wien  1894.  IV. 
S.  208)  abbildet  Diese  wurde  in  Thunau  bei  Gars,  Niederösterreich,  gefunden 
und  befindet  sich  im  naturhistorischen  Museum  zu  Wien.  Leider  hat  Niederle 
dieselbe  nicht  näher  beschrieben,  auch  auf  directe  Anfrage  keine  Antwort  gegeben. 
Aus  einem  freundlichen  Briefe  des  Hm.  Dr.  Much  erfahre  ich,  dass  diese  Lanzen- 
spitze der  Oborniker  gleicht,  doch  kleiner  ist  Sie  wurde  mit  frühslavischen 
Sachen  gefunden.  Niederle  erwähnt  weiter  eine  ähnliche  Lanzenspitze  aus  Burg- 
Lengenfeld  (eigentl.  Burglengenfeld),  welche  er  in  den  Sammlungen  der  Akademie 
zu  München  gesehen  hat;  wir  müssen  auf  sie  bei  Erörterung  der  Abstammung  dieser 
geflügelten  Lanzenspitzen  noch  einmal  zurückkommen.  Derselbe  Verfasser  wieder- 
holt die  Aufzählung  derartiger  Lanzenspitzen  durch  Lindenschmit  (Handbuch 
der  deutschen  Alterthumskunde  I.  S.  176).  Nach  diesem  giebt  es  zwei  im 
Mainzer  Museum,  zwei  aus  Bessungen  im  Privatcabinet  des  Grossherzo^s  in 
Darmstadt,  ein  Exemplar  aus  Greisch,  eines  aus  Severy  in  Waadt,  zwei  aus 
Gräbern  in  Charmay,  fünf  aus  Gräbern  der  Normandie.  An  diese  reiht  Niederle 
noch  diejenigen,  welche  er  während  seiner  Reisen  gesehen  oder  über  welche 
er  Notizen  in  der  Literatur  gefunden  hat  Femer  ersehen  wir,  dass  der  Westen 
die  zahlreichsten  Fundstellen  lieferte:  eine  derartige  Speerspitze  wurde  gefunden 
in  Amiens,  4  in  der  Themse,  aufbewahrt  im  British  Museum  zu  London,  wo  sich 
auch  die  geflügelte  Lanzenspitze  von  Alice  St  Reine,  Cote  d'Or,  befindet  Im 
Musee  des  Antiquitös  nationales  in  St  Germain -en-Laye  sind  solche  aus  der 
Merovinger  Zeit  von  unbekanntem  Fundorte.  Weiter  wurden  sie  gefunden  in 
Andernach,  in  Mestloch  bei  Polch,  in  Kaltenengers  (Rheinprovinz),  wie  auch  in 
Reihengräbern  von  Thalmässig.  Das  Museum  in  Nürnberg  besitzt  ihrer  5  Stück. 
In  Oxford,  Paris,  Bologna,  Florenz  sah  sie  Niederle  nicht;  aus  seinem  Berichte 
entnehmen  wir  aber  die  Nachricht,  dass  in  Böhmen  in  Kresfovic  eine  bronzene 
geflügelte  Lanzenspitze  gefunden  wurde.  In  Polen  und  Russland  sind  sie  nach 
diesem  Verfasser  nicht  bekannt;  in  Moskau  hat  er  zwar  ein  Exemplar  gesehen,  doch 
ist  es  am  Schwarzen  Meere  gefunden  worden  und  von  gothischer  Herkunft.  (Die 
ot>en  erwähnten  Susdalen!)  Die  Hercegovina  hat  aus  dem  Bilecer  Kreise  ein 
£xemplar  geliefert.    In  dem  vorher  citirten  Werke  hat  Lindenschmit  nähere  An- 


(218) 

gaben  über  die  Mainzer  geflügelten  Lanzenspitzen  nicht  gegeben,  da  er  dies  in 
einem  anderen  Werke  gethan  hat,  und  zwar  in  den  „AlterthOmem  unserer  heidnischen 
Vorzeit'',  Mainz  1858.  Hell  I,  Taf.  6.  Unter  Nr.  6  steht  daselbst  die  Abbildung  einer 
der  Obomiker  ganz  ähnlichen  Lanzenspitze,  die  47,5  cm  lang  ist.  Die  8chaltr5hre 
misst  13,5  cm,  das  Blatt  in  der  grössten  Breite  5  cm.  Die  Flügel  haben  die 
Gestalt  Ton  Dreiecken,  ihr  oberer  Rand  ist  2,5  cm  lang.  Der  Fund  wurde  in 
Reihengräbem  zu  Nackenheim  gemacht  und  stammt  aus  der  iVänkisch-aleroannischen 
Zeit.  —  Die  zweite  Oborniker  Lanzenspitze  entspricht  vollkommen  der  von  Linden- 
schmit  Taf.  9,  Nr.  26  des  L  Heftes  gegebenen,  welche  zu  Schierstein  in  Nassau 
gehoben  wurde.    Ihre  Länge  beträgt  55  cm^  wovon  auf  die  Tülle  12,5  cm  gehen. 

Der  freundlichen  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  Pallat  nach  befinden  sich  im 
Museum  zu  Wiesbaden  zwei  geflügelte  Lanzenspitzen ;  da  sie  nicht  beschrieben  sind, 
so  gehen  wir  auf  dieselben  näher  ein.  Die  in  Heimersheim  (Rheinhessen)  mit 
fränkischen  Altsachen  gefundene  Lanzenspitze  entspricht  der  Obomiker.  Die  Flügel 
haben  dieselbe  Gestalt  mit  dem  unteren  bogenförmigen  Ausschnitt  Der  obere 
Rand  misst  4,5  cm.  Die  ganze  Lanzenspitze  ist  50  cm  lang,  die  Tülle  selbst  1*2  *w. 
Bei  der  zweiten  Lanzenspitze  sind  die  Haken  nach  oben  zu  gebogen.  Die  Klinge 
ist  kurz,  sie  misst  nur  15  cm,  während  die  Tülle  22  cm  lang  ist  Diese  Lanzenspitze 
ist  in  Wiesbaden  gefunden  worden,  nähere  Umstände  sind  unbekannt 

Wir  wollen  noch  auf  die  Erörterung  der  Lanzenspitzen  mit  Zapfen,  wie  sie  im 
Norden  gefunden  wurden,  eingehen,  zumal  da  ihr  Alter  und  ihre  Abstammung  sich  am 
genauesten  nachweisen  lässt.  Im  Museum  zu  Kiel  befinden  sich  3  geflügelte  lanzen- 
spitzen, die  fast  der  aus  Obomik  gleich  sind.  Sie  wurden  theils  in  Brand-,  theils 
Skeletgräbern  gefunden,  und  zwar  in  Begleitung  von  anderen  Gegenständen.  Eine 
ausführliche  und  genaue  Beschreibung  verdanken  wir  Fräulein  Mestorf.  In  den 
Mittheilungen  des  anthropologischen  Vereins  in  Schleswig-Holstein  I.  Heft,  Kiel  1888, 
hat  sie  die  Resultate  der  Ausgrabungen  des  Gräberfeldes  von  Immenstedt  in  S.- 
Dithmarschen  bei  Meldorf  niedergelegt.  Das  Interessanteste  für  die  uns  be- 
schäftigende Frage  finden  wir  in  der  Beschreibung  des  unter  IX  (S.  15)  angeführten 
Grabes,  dessen  Topographie  in  einer  Abbildung  erläutert  ist  Dieses  sehr  reich 
ausgestattete  Grab  barg  unter  Anderem  (Schwert,  Schildbnckel,  Speer,  Beschläge, 
Pfeile,  Sporen,  Steigbügel,  Schnallen,  Dolch)  auch  eine  geflügelte  Lanzenspitze, 
die  zur  linken  Seite  des  Schädels  lag,  mit  der  Spitze  denselben  überragend. 
Diese  Lanzenspitze,  deren  Abbildung  noch  einmal  auf  Tafel  2  gegeben  ist,  ent- 
spricht ganz  der  Obomiker.  Die  Zapfen,  wohl  durch  Rost  vernichtet,  zeigen 
keine  regelmässigen  Ränder,  dagegen  ist  das  Blatt  ganz  dem  Oborniker  gleich.  Die 
Lanzenspitze  ist  45  cm  lang,  das  Blatt  misst  an  der  breitesten  Stelle  5,5  cm,  eine 
Mittelrippe  fehlt  gleichfalls.  Die  Tülle  ist  1 1  cm  tief,  an  den  inneren  Wänden  haften 
Holzfasern.  Im  Ganzen  wurden  29  Gräber  aufgedeckt,  in  keinem  sonst  fand  man 
eine  Lanzenspitze,  auch  nicht  von  anderem  Typus.  Alle  Gegenstände  waren  aus 
Eisen,  nur  ein  Stück  einer  Fibel  war  aus  Bronze;  die  eisernen  Steigbügel  waren  mit 
Bronzedraht  umwunden.  Die  Gräber  zeichneten  sich  aus  durch  ihren  Inhalt  von 
Buchenrinde,  in  welche  wohl  die  Leichen  eingehüllt  waren. 

In  den  epikritischen  Bemerkungen  erwähnt  Frl.  Mestorf  noch,  dass  in  Fre- 
stedt  im  Kreise  Hastedt,  wie  auch  in  Krinkberg  je  eine  Lanzenspitze  des  Immen- 
stedter  Typus  gefunden  wurde.  Beide  befinden  sich  im  Museum  zu  Kiel.  (In 
einer  auf  meine  Anfrage  freundlich  ertheilten  Antwort  nennt  Frl.  Mestorf  den 
letzt  angegebenen  Ort  Schemfeld.)  Die  Ausbeute  in  Krinkberg  brachte  ausser 
der  geflügelten  Lanzenspitze  noch  9()  Denare  Karls  d.  Grossen,   Bruchstücke  von 


(219) 

Silberschmuck  und  Hacksilber.  Die  Haupttypen  dieser  Münzen  hat  FrK  Mestorf 
in  den  „  Vorhistorischen  Alterthdmem  aus  Schleswig^  unter  Beigabe  von  Nachbildungen 
auf  52  Tafeln  dargestellt.  Der  Schatz  enthielt  keine  orientalischen  Mtlnzen,  es  fehlt 
ihm  also  das  Charakteristische  der  späteren  fiacksilberftinde.  Frl.  Mestorf  hält 
die  Gräber  von  Immenstedt,  Frestedt  und  Krinkberg  für  gleichzeitig,  was  die 
charakteristischen  Fundstücke  vollkommen  erweisen.  Weiter  verlegt  die  verehrte 
und  unermüdliche  Forscherin  die  Gräber  in  die  Zeit  des  VIII.  und  IX.  Jahrb., 
in  die  Zeit  der  blutigen  Kämpfe  der  Saphsen  mit  Karl  d.  Grossen  und  seinen 
Vorgängern,  die  das  Ohristenthum  hier  einzuführen  strebten.  Auch  diese  Ansicht 
theilen  wir  gern,  doch  können  wir  nicht  annehmen,  dass  manche  Fundgegenstände 
nicht  (S.  29)  fränkischen  Ursprungs  sein  sollten,  besonders  die  mit  Seitenflügeln 
versehenen  Lanzenspitzen.  Unserer  Meinung  nach  stand  die  Wiege  (sit  venia  verbo) 
dieser  Speerspitzen  im  Lande  der  Franken,  von  wo  sie  sich  unter  die  Nachbarvölker 
verbreitet  haben.  Hier  sind  sie  schon  viel  früher,  als  im  VIIL  Jahrh.,  bekannt  und 
angewandt  gewesen.  Die  immer  neu  aufgenommenen  Rriegszüge  Karls  d.  Grossen 
erforderten  immer  neuen  Vorrath  davon,  immer  zahlreicher  fanden  sie  sich  in  den 
Händen  des  kriegerischen,  fränkischen  Volkes  und  gingen  als  Beute  zu  den  Nachbar- 
völkern über.  In  heissem  Kampfe  schwer  errungene  Beute  waren  wohl  die  in  Schleswig 
gefundenen  geflügelten  Lanzenspitzen,  wie  auch  wohl  die  dort  geilindenec,  ^em 
tapferen  Krieger  ins  Grab  mitgegebenen  Denare  als  Kriegsbeute  anzusehen  sind.  Die 
mit  Schwert  und  Lanze  geführte  blutige  Bekehrung  der  Sachsen  und  Dänen  musste 
Widerstand  und  Abwehr  hervorrufen,  was  wiederholte  Angrifl'e  der  Franken  noth- 
wendig  machte,  die  erst  nachliessen,  als  Karl  d.  Grosse  mit  Gewalt  die  Sachsen 
in  seine  Länder  überführte  und  ansiedelte.  33  Jahre,  von  772 — 804,  dauerte  diese 
gewaltsame  Bekehrung. 

Der  Kampf  zwischen  Franken  und  Slaven,  der  schon  im  Jahre  630  begann, 
wie  Bogustawski  nachgewiesen  hat  (Dzieje  Slowianszczyzny  posnorno  zachodniej 
do  polowy  wieku  XIII.  Dziedo  uwienczone  na  konkursie  Tow.  Grz3^aci6l  Nauk. 
d.  h.  Die  Geschichte  der  nordwestlichen  Slaven  bis  zur  Hälfte  des  XIII.  Jahrh.)  Posen, 
1892,  Bd.  ni),  wurde  sehr  heftig  zu  den  Zeiten  Karls  d.  Grossen  und  seines  Nach- 
folgers Heinrichs  des  Frommen.  Im  Jahre  810  überschritt  Karl  d.  Grosse  das  rechte 
Ufer  der  Elbe  und  gründete  Hamburg,  um  schon  im  nächsten  Jahre  die  Slaven  auf 
dem  linken  Ufer  unterwürfig  zu  machon.  Heinrich  der  Fromme  mischte  sich  weiter 
in  die  Angelegenheiten  der  Slaven,  doch  waren  sein  Schwert  und  seine  Lanze  weniger 
glücklich.  Wir  wollen  uns  nicht  weiter  in  diese  Kämpfe  einlassen,  es  genügt  für 
unsere  weiteren  Deductionen  der  Hinweis  auf  diese  Vorgänge. 

Aus  der  Zusammenstellung,  die  ich  oben  gegeben  habe,  geht  hervor,  dass  in 
den  von  Franken  bewohnten  Gebieten  die  besprochenen  Lanzenspitzen  in  39  jetzt 
bekannten  Exemplaren  gefunden  worden  sind.  Einige  davon  werden  von  Kennern  in 
das  VI.  Jahrh.  verlegt,  mit  der  Annahme,  dass  sie  bis  in  das  XIII.  Jahrh.  An- 
wendung fanden.  In  den  Nachbarländern  sind  sie  nur  vereinzelt,  höchstens  in 
drei  Exemplaren,  aus  der  Erde  gehoben  worden;  man  kann  sie  hier  nur  dem 
VUI.  bis  IX.  Jahrh.  zuschreiben.  Nach  Osten  zu  auf  den  früher  polnischen  Ge- 
bieten  steht  die  Lanzenspitze  von  Obornik  als  Unicum  da;  wir  finden  hier 
nur  zweimal  Nachbildungen  auf  Siegeln,  auf  denen  sie  als  Symbol  der  Souveränität 
erscheinen.  Die  mit  Zapfen  versehenen  Lanzenspitzen  der  Susdalen,  wie  auch 
die  zu  Moskau  aufbewahrte,  scheinen  von  Südosten  abzustammen. 

Einer  geflügelten  Lanzenspitze  müssen  wir  noch  gedenken,  nämlich  der  in 
Krakau  sich  befindenden,  der  des  hl.  Mauritius.  Auch  sie  ist  ein  Importstück  des 
Westens,    eine  Nachbildung  der  vom  hl.  Mauritius  heldenmüthig   geführten.    Ich 


(220) 

möchte  sie  als  Prototyp  der  späteren,  im  Lande  der  Franken  auftretenden  Lanzen  an- 
sehen, denn  ehe  die  dem  IIL  Jahrh.  entstammende  Lanze  in  den  Besitz  des  römisch- 
deutschen Kaisers  kam,  war  sie  Eigenthom  fränkischer  Fürsten. 

Die  geflügelte  Lanzenspitze  von  Obornik  ist  kein  locales  Erzengniss; 
man  kann  nicht  annehmen,  dass,  wenn  sie  eine  von  den  dortigen  Einwohnern  öfter 
oder  stets  gebrauchte  Waffe  gewesen  wäre,  sie  nur  in  einem  Exemplare  sich  vorfinden 
sollte,  zumal  da  unsere  Sammlungen  sehr  reich  an  hiesigen  FundstOcken  sind. 
Unserem  Dafürhalten  nach  kam  sie  zur  Zeit  Karls  d.  Grossen  in  den  Besitz  eines 
an  den  Ufern  der  Elbe  wohnenden  Slaven,  um  von  dort  auf  Handelswegen  oder 
als  Beute  Eigenthum  eines  Kriegers  aus  der  Gegend  von  Posen  zu  werden. 
Wenn  wir  diese  Hypothese  annehmen,  so  müssen  wir  die  Lanzenspitze  mindestens 
in  die  Hälfte  des  IX-  Jahrh.  verlegen;  denn  der  Weg  von  der  Elbe  bis  zur  Warthe 
konnte  zu  jener  Zeit  nicht  schnell  zurückgelegt  werden,  und  eine  so  kostbare 
Waffe  kam  nicht  leicht  von  Hand  zu  Hand. 

In  seiner  oben  erwähnten  Abhandlung  sagt  Niederle,  dass  Prof.  Ranke  in 
München  sich  seiner  Zeit  geäussert  habe,  diese  Lanzenspitzen  seien  slavisch.  Auf 
meine  Anfrage  erhielt  ich  jedoch  von  diesem  Herrn  die  Antwort,  dass  er  nie  diese 
Ansicht  gehabt  habe;  die  münchener  Lanzenspitze  wurde  zwar  in  Bnrglengenfeld  mit 
slavischen  Sachen  gefunden,  aber  gerade  deswegen  setzt  sie  der  hochverehrte  Pro- 
fessor in  die  karolingische  Zeit  und  lässt  sie  fränkischen  Ursprungs  sein.  „Die 
Slaven  in  Bayern  wurden  erst  von  Bamberg  aus  vom  XI.  Jahrhundert  an  gänzlich 
christianisirt.^ 

Wozu  dienten  nun  diese  Zapfen,  Haken,  Flügel  an  den  Lanzenspitzen?  Gewiss 
nicht  zur  Zierde,  sie  mussten  einen  praktischen  Zweck  haben. 

Lindenschmit  (a.  a.  0.)  behauptet,  dass  diese  Querstangen  verhindern  sollten, 
dass  die  Lanzen  nicht  bis  an  die  Stange  in  den  Leib  des  Gegners  eindrängen. 
Ein  Brechen  des  Schaftes  könnte  stattfinden,  und  man  müsse  eine  grössere  Kraft 
anwenden,  um  die  tief  eingedrungene  Spitze  herauszuziehen.  Aber  auch  die  Kraft, 
die  dazu  nöthig  wäre,  um  einem  Menschen  die  über  einen  halben  Meter  lange  und 
dabei  noch  breite  Lanzenspitze  in  den  Körper  einzutreiben,  müsste  bedeutend 
grösser  sein,  ja  die  eines  Menschen  könne  dazu  nicht  ausreichen.  Darin  kann 
man  Lindenschmit  nicht  beistimmen. 

Man  glaubte,  die  Querstangen  hätten  zur  Abwehr  der  mit  dem  Schwerte  er- 
theilten  Schläge  gedient.  Diesen  Zweck  konnte  man  aber  nicht  ausführen,  denn 
der  Lanzenträger  kam  nie  in  die  Lage,  solche  Schläge  abzuwehren.  Der  Angriff 
mit  der  über  4  m  langen  Lanze  geschah  aus  einer  gewissen  Entfernung,  in  welcher 
ein  Hieb  mit  dem  Schwerte  oder  einer  anderen  Waffe  den  Lanzenträger  nicht  er- 
reichen konnte,  daher  war  auch  Pariren  nicht  angezeigt. 

Wenn  auch  die  Flügel  oder  2iapfen  an  den  uns  beschäftigenden  Lanzenspitzen  von 
verschiedener  Gestalt  sind,  so  stellen  sie  doch  stets  Haken  dar.  In  dieser  Eigenschaft 
liegt  ihre  Aufgabe,  ihr  Zweck.  Der  Feind  schützte  seinen  Körper  mit  dem  Schilde: 
der  gut  gelenkte  Schild  nahm  den  Hieb  und  den  Stoss  auf;  durch  den  Schild  ge- 
deckt, versuchte  man  den  Gegner  anzugreifen,  und  es  war  daher  sehr  wichtig,  den 
Schild  schon  aus  einiger  Entfernung  dem  Feinde  zu  entreissen,  ihn  blosszustellen, 
ehe  er  einen  wohlgezielten  Hieb  thun  konnte.  Hierzu  dienten  die  Haken,  welche 
man  auf  den  Rand  des  Schildes  warf;  während  man  ihn  gewaltsam  zurückzog,  ver- 
suchte man  schnell,  dem  entblössten  Feinde  mit  der  Lanze  einen  Stich  beizubringen. 

Gleichzeitig,  aber  auch  schon  früher,  wandten,  denselben  Zweck  verfolgend,  die 
Franken  Wurfspeere  (framea,  angon)  an;  darin  finden  wir  nicht  nur  eine  Analogie, 
sondern  auch  eine  Bestätigung  der  eben  gegebenen  Erklärung.    Diese  starken  Wurf- 


(221) 

Speere'  hatten  an  ihren  Klingen  acharTe  Widerhaken;  man  warr  aie  gegen  den  Schild, 
in  welchem  sie  fest  stecken  blieben.  Sehnelt  sprang  dann  der  Krieger  zn,  trat  mit 
dem  Fnase  anf  die  Stange,  der  Schild  neigte  sich  und  der  nun  entblösste  Feind  wurde 
mit  dem  Schwerte,  der  Francisca  oder  einer  anderen  Hiebwaffe  angegriffen.  — 


(17)   Hr.  H.  Schumann  abersendet  a 
ttber  ein 


i  Löcknitz,  3.  April,  folgenden  Bericht 


3. 


Bronseschwert  ans  der  Peene. 

Aur  dem  Flussbette  der  Peene,  in  der  Nähe  von  Demmin,  wurde  vor  Kurzem 
ein  Bronzeschwert  gefanden,  welches  durch  seine  roraflgliche  Erhaltung  aus* 
gezeichnet  ist  und  einen  nicht  gerade  häufigen  Typns  repräsentirt. 

Das  Schwert  hat  ein  Gewicht  von  650  g 
nnd  eine  Länge  von  f>90  >nni,  wovon  111  mm 
auf  den  Griff  kommen.  Die  Klinge  (Fig.  1) 
ist  33  mm  breit,  scfailfblattfSrmig,  nach  der 
Mitte  hin  etwas  verbreitert,  unten  scharf  zu- 
gespitzt. Dabei  ist  sie  gewölbt  und  mit  einem 
breiten  Mittelgrat  versehen,  der  nach  Aussen 
durch  je  eine  vertiefte  Linie  begrenzt  wird. 
Der  tief  ausgeschnittene  Griff-Ansatz  ist  mit  der 
Klinge  durch  zwei  Niete  verbunden. 

Der  Griff  (Fig.  3)  ist  nicht  rund,  sondern 
flach  achtkantig.  Omamentirt  ist  derselbe  durch 
10  herumlanfendc  Bänder  von  abwechselnden 
Horizontal  reifchen  und  concentrischen  Kreisen. 
Der  Knauf  ist  oval,  an  der  Unterseite  verziert 
durch  kleine  eingepunzte  Halbkreischen,  die 
radial  vom  Griffe  abgehen  und  wie  Fisch - 
schuppen  über  einander  liegen.  Die  Oberseite 
des  ebenen  Knaufes  hat  einen  ovalen  Knopf, 
um  den  an  seiner  Aussenseite  ein  Band  von 
Horizontallinien,  durch  kleine  Halbkreise  be- 
grenzt, herumlüult,  während  die  Knanl^latte 
auf  der  Oberseite  (Fig.  2)  durch  concentrische 
iKreise  ornamentirt  ist,  die  unter  sich  durch  je 
eine  klammerartige  Figur  getrennt  und  durch 
zum  Thei)  pnnctirte  Ovallinien  nach  dem  Knopfe 
xa  abgegrenzt  werden.  Schwerter,  dem  vor- 
liegenden   ähnlich    im    Typus,    in    der    Orna- 

mentirung  aber  abweichend,   besitzen  wir  in  Pommern  noch  aus  Stolzenburg  bei 
Pasewalk  und  Lagow  bei  Pyritz. 

Was  die  Verbreitung  dieser  Schwerter  betrifft,  so  kommen  ganz  ähnliche 
Formen  schon  in  der  H.  Periode  der  oberitalischen  Bronzezeit  vor,  in  dem 
Depot  von  Cascina  Ranza  (Montelius,  La  civtlisation  primitive  en  Italie  depuis 
l'introduction  des  metanx.  PI.  28,  Fig.  10).  Grössere  Verbreitung  haben  diese 
Schwerter  in  Ungarn  gefunden,  wo  sich  auch  solche  mit  rundem  und  schälchen- 
förniigem  Knauf  hinzugesellen  [Hampel,  Bronzezeit  in  Ungarn,  Taf.  XXI— XXIIl]  ')- 


t)  Auch  BUS  dem  MuBenni  lu  SaUburg  habe  ich  ein  fthnlichea  Stock  notirt. 


(222) 

Aach  in  der  Prov.  Brandenburg  sind  Sehwerter  und  Dolche 'des  gleichen  Typus  ge- 
funden, z.  B.  in  dem  Bronze-Depotfund  von  Spandau  (Voss,  Verh.  1882,  S.  131 
und  Taf.  XII,  Fig.  5).  Aus  Westpreussen  ist  ein  ähnliches  Exemplar,  aber  mit 
rundem  Knauf,  bekannt  von  Ronojad  (Li  s  sau  er,  Alterthümer  der  Bronzezeit  in 
Westpreussen,  Taf.  III,  Fig.  4).  Aus  Meklenburg-Strelitz  (Neu-Brandenburg) 
ist  ein  verwandtes  Exemplar  aus  Mirow  abgebildet  (Photogr.  Album  von  Voss  und 
Günther,  Sect.  V,  Taf.  I,  Fig.  71).  Aus  Meklenburg-Schwerin  ist  ein  gleich- 
falls verwandtes  Exemplar  bekannt  von  Brttel,  mit  aufgehöhten  Bändern  am  Griffe, 
S-förmigen  Ornamenten  und  rundlichem  Kopfe  (Mittheil,  des  Hrn.  Dr.  Beltz), 
sowie  ein  ähnliches  von  Löwenberg  (Yerhandl.  1885,  S.  405).  Ein  mit  unserem 
auch  in  Bezug  auf  die  Ornamente  übereinstimmendes  Exemplar  (Griff)  befindet 
sich  im  Museum  zu  Lübeck  aus  Holstein  (Photogr.  Album  von  Voss  und 
Günther,  Sect.  V,  Taf.  III).  Ebenso  finden  sich  in  Hannover,  Dänemark  und 
Schweden  die  gleichen  Formen. 

Die  nordischen  Forscher  (Sophus  Müller)  halten  diese  Schwertform  für 
eine  westliche,  nicht  eigentlich  nordische,  sondern  für  importirt,  aus  der  sich  eine 
rein  nordische  Form  erst  entwickelt  hat.  Wir  sind  gewöhnt,  diese  Schwerter  als 
ungarisch  zu  bezeichnen.  Auch  die  in  Ober-Italien  gefundenen  Stücke  wird  man 
wohl  vorerst,  da  doch  Ungarn  diesen  Typus  so  besonders  häufig  hat,  mit  diesem 
Lande  in  Verbindung  bringen  müssen.  — 

Hr.  Rnd.  Virchow:  Bei  Gelegenheit  der  Besprechung  eines  vorzüglich  er- 
haltenen cuja vischen  Bronzeschwertes  in  der  Sitzung  vom  16.  April  1881  (Verhandl. 
8.  139)  habe  ich  die  geographischen  Beziehungen  dieser  Schwertart,  namentlich 
ihr  vorwiegendes  Vorkommen  in  Ungarn,  ausführlich  dai^legt.  Das  hier  in  Rede 
stehende  Exemplar  zeigt  die  mannichfaltigsten  Aehnlichkeiten  mit  jenem  cujavischen 
Stücke,  obwohl  in  der  Omamentation  einzelne  Abweichungen  vorkommen;  letztere 
sind  jedoch  ganz  untergeordneter  Art.  Dafür  besitzt  es  aber  jene  (lilien-)  blatt- 
ähnliche (leaf-shaped)  Klinge,  welche  für  die  älteren  Bronzeschwerter  so  charak- 
teristisch ist.  Der  Versuchung,  diese  Form  für  eine  „westliche^,  d.  h.  aus  dem 
Westen  importirte,  zu  halten,  möchte  ich  vorläufig  gleichfalls  widerstehen.  Auch 
mir  scheint  es  wahrscheinlich,  dass  sie  über  Ungarn  zu  uns  gekommen  ist;  aber 
ich  möchte  glauben,  dass  ihr  Ursprung  viel  weiter  südlich  zu  suchen  ist.  Eis  ist 
nicht  das  erste  Mal,  dass  die  Peene  uns  werthvolle  Waffen  erhalten  hat,  aber, 
soviel  ich  mich  erinnere,  das  erste  Mal,  wo  ein  so  altes  Stück  daraus  zu  Tage 
gekommen  ist  — 

(18)  Herr  M.  Bartels  legt  21  grosse 

photographische  Anfhahmen  von  Javanerinnen 

vor,  welche  er  von  Hrn.  Capitän  Fedor  Schnitze  (Batavia)  käuflich  erworben  hat 
Die  dargestellten  Personen  stammen  meistens  aus  den  Residentsc haften  Batavia  und 
Preanger,  eine  auch  von  der  Stadt  Makassar  auf  Celebes.  Die  sehr  gelungenen 
Bilder  lassen  eine  grosse  Zahl  anthropologischer  Einzelheiten  erkennen.  — 

(19)  Herr  Beyfuss  hat  3  Photographien  von  Javanern  zur  Vorlage  ein- 
gesendet Zwei  davon  sind  die  Porträts  des  Regenten  von  Malang  (Residentschalt 
Posoeroeang,  Ost-Ja vu)  und  seiner  Gemahlin,  welche  ihm  bei  seinem  Abschiede 
•dieselben  verehrten;  die  dritte  stellt  die  Babu  oder  Kinderfrau  der  Beyfuss^scben 
Kinder  vor,  welche  diese  auf  ihrer  Reise  nach  Europa  begleitet  hat  — 


(223) 

(20)  Hr.  Hermann  Busse  spricht  über 

Pflanzenreste  in  yorgeschichtlichen  Gefässen. 

Im  August  1896  Terbrachte  ich  einige  Tage  auf  dem  von  mir  aufgefundenen 
altgermanischen  Unienfelde  bei  Wilmersdorf,  Kr.  Beeskow-Storkow.  Schon  mehrere 
Male  habe  ich  an  dieser  Stelle  verschiedene  bedeutende  Fundstttcke  von  diesem 
ürnenfelde  vorgezeigt  und  besprochen  (Verhandl.  1895,  S.  456  u/  528,  und  1896, 
8.  126—28).  — 

.  Bei  dem  Regenwetter,  das  in  der  ganzen  Zeit  herrschte,  waren  die  kerami- 
schen Funde  nur  gering.  Die  besseren  Sachen  davon  sind  im  Mark.  Provincial- 
Museum  und  auch  in  meiner  Sammlung  in  der  Woltersdorfer  Schleuse.  Von 
Bronze -Sachen  fanden  sich  nur  einige  Fingerringe  und  mehrere  Fragmente. 

Von  Stein-Funden  kamen  ein  halbes  durchlochtes  Steinbeil  (Fig.  1)  und  ein  rund- 
licher, auf  den  Oberflächen  vertiefter  platter  Keibstein  [Käsestein]  (Fig.  2),  5  cm  im 
Durchm.,  2  cm  dick,  zum  Vorschein.  Es  waren  12  Gräber,  die  ich  aufdeckte.  Das 
letzte  davon  war  ein  sehr  reichlich  mit  schönen  Gefassen  ausgestattetes  Grab;  es 
enthielt  3  grössere  Buckel-Urnen  und  8  grössere  und  kleinere  verschiedenartige  Ge- 

Fig.  1.    \  Fig.  2.    Vs  Fig.  8. 


Fig.  4. 


fasse.  Die  Buckel-Urnen,  mit  einem  Henkel  versehen,  waren  mit  je  6  Buckeln  aus- 
gestattet; zwei  davon  waren  mit  Leichenbrand  gefüllt,  ebenso  eine  Doppel-Schale. 
Alle  Grefässe,  nur  4  kleinere  ausgenommen,  standen  verkehrt,  d.  h.  mit  der 
OefTnung  nach  unten.  Unter  den  Beigefässen  ist  eines  wegen  seiner  badewannen- 
förmigen  Gestalt  mit  Henkel  besonders  zu  erwähnen  (Mark.  Museum).  Die  beiden 
mit  Leichenbrand  gefüllten  Buckel-Urnen  waren  bis  unten  herab  mit  Steinen  um- 
stellt und  von  diesen  letzteren  so  arg  beschädigt,  dass  sie  sich  nicht  erhalten  Hessen. 
Die  dritte  Buckel-Urne  stand  frei  und  ich  brachte  sie  ganz  heraus;  doch  war  das 
Material  derselben  so  aufgeweicht,  dass  das  Gefäss  am  andern  Morgen,  trotzdem 
ich  es  tiber  Nacht  gegen  den  Regen  geschützt  hatte,  in  viele  Stücke  auseinander- 
gefallen war.  Im  Innern  der  Urne  stand  jedoch  noch  ein  Gefäss,  das  mir  sehr 
werthvoll  vorkam,  da  es  oben  auch  kleine  Buckel  zeigte.  Bei  dem  feuchten  Zu- 
stande desselben  umwickelte  ich  es  mit  Holzwolle  und  steckte  es  allein  in  ein 
Säckchen,  um  es  in  der  Hand  tragen  zu  können.  Nach  mehrwöchentlicbem  Trocknen 
bei  mir  ging  ich  an  die  Untersuchung:  es  entpuppte  sich  ein  schlanker,  henkelloser 
Topf  (Fig.  3),  der  von  einem  kleinen,  mit  6  Buckeln  versehenen  niedlichen  Gefäss 
(Fig.  4,  11  cm  hoch,  15  cm  grösste  "Weite,  7,5  cm  Mundweite,  5,5  cm  Bodenweite, 


(224) 

1  cm  Bodenhöhe)  bedeckt  war,  das  aber  so  fest  darauf  sass,  dass  ich  es  erst  nach 
geraumer  Zeit  abdrehen  konnte,  wobei  verschiedene  Theilchen  der  Oberfläche  des- 
selben abblätterten.  Das  Gefass  hat  konischen  Hals  und  war  ursprtingHch,  wie 
deutlich  erkennbar,  mit  2  Henkeln  versehen,  die  aber  offenbar  mit  Berechnung 
p.     .  entfernt  wurden,  um  einen  besseren  Schluss  herzustellen.    Der 

Hals  des  unteren  Topfes  (Fig.  5,  17  cn»  hoch,  13,5  cm  Mund- 
weite, 13  cm  Bauch  weite,  10  cm  Halsweite,  6,5  rm  Bodenweite), 
ist  nehmlich  nach  oben  zu  weiter,  der  des  Deckel-Gefösses  nach 
oben  enger,  so  dass  beide  dicht  aneinand^rschlossen.  War  mir 
nun  schon  die  ganze  Verpackung  auffällig,  so  fiel  mir  noch  mehr 
auf,  dass  der  untere  Topf  nur  etwa  halb  mit  Sand  geftÜIt  war, 
während  sonst  alle  Beigefässe  bis  zum  Rand  gefallt  sind. 

Der  Sand  zeigte  sich  auch  von  so  feiner  Qualität,  dass  ich 
weiter  folgerte,  der  Schluss  der  beiden  Grefasse  sei  ein  derartiger 
gewesen,  dass  nur  im  Anfange  dieser  feinere  Sand  sich  eindrängen 
konnte,  später  aber,  nachdem  die  Thonmasse  feuchter  geworden 
war  und  sich  ausgedehnt  hatte,  tiberhaupt  ein  weiteres  Eindringen 
von  Sand,  vielleicht  auch  selbst  von  Wasser,  ausgeschlossen  war.  Der  Inhalt  des 
Topfes,  also  der  Sand,  wurde  nun  längere  SiCit  getrocknet;  späterhin  erregten 
helle  und  dunklere  Theilchen  desselben  meine  weitere  Aufmerksamkeit.  Ich  warf 
etwas  davon  in  kochendes  Wasser,  und,  was  ich  erst  zaghaft  vermuthete,  das  zeigte 
sich  jetzt,  indem  leichtere  Partikelchen  an  der  Oberfläche  herumschwammen. 

Mir  kam  die  Idee,  dass  diese  leichteren  Bestandtheile  wohl  Pflanzenreste  sein 
könnten.  Meine  Ansichten  hiertlber  theilte  ich  mehreren  bekannten  Herren  mit, 
die  wohl  in  diesem  Falle  die  nöthige  Erfahrung  und  Renntniss  haben  konnten. 
Mir  wurde  gerathen,  das  Betreffende  Hm.  Geh.  Rath  Prof.  Wittmack,  Director 
der  Rönigl.  Landwirthschaftlichen  Hochschule,  zur  näheren  Untersuchung  einzu- 
senden. Das  that  ich  auch,  und  am  20.  April  d.  J.  schreibt  mir  Hr.  Witt- 
mack: ^Die  im  Sande  befindlichen  helleren  harten  Pflanzenfragmente  rühren  meist 
von  Hanf  her,  und  zwar  sind  es  die  Frucht-  und  Samenschalen  desselben.  Die 
dunkleren  leichteren  Theilchen  sind  Blatt-  und  Samen-,  bezw.  Fruchtschal-Fra^- 
mente,  doch  lässt  sich  ihre  nähere  Herkunft  nicht  feststellen.^  Meine  Ansicht  hatte 
mich  also  nicht  getäuscht,  und  ich  freute  mich  herzlichst,  namentlich  auf  diese  Art 
und  Weise  einen  derartigen  Fund  gemacht  zu  haben.  Wohl  hunderte,  ich  möchte  wohl 
behaupten,  tausende  von  Beigefassen  hatte  ich  auf  ihren  Inhalt  untersucht,  immer 
vergeblich;  höchstens  fand  ich  moosartige  Gewächse  darin,  die  jedenfalls  erst 
später  sich  gebildet  hatten.  Eine  Untersuchung  draussen  auf  dem  Umenfelde  ist 
ja  nie  maassgebend;  ich  bin  ganz  sicher:  hätte  ich  in  meinem  Falle  den  Inhalt  des 
Topfes  draussen  untersucht,  ich  hätte  sicher  nichts  ^funden.  Ich  erinnere  mich 
bei  dieser  Gelegenheit,  dass  Prof.  Jentsch  in  den  Nachrichten  über  deutsche 
Alterthumsfunde  1^96,  S.  5,  Getreidereste  von  einer  Cruciferen-Art  bespricht,  die 
in  Lausitzer  Gräbern  gefunden  wurden;  auch  A.  Körte  hat  (Yerhandl.  1896,  S.  123) 
in  Phrygischen  Gräbern  Getreidereste  constatirt  Von  Aegyptischen  Gräbern  haben 
wir  das  mehrfach  ;rehört.  In  der  ägyptischen  Abtheilung  des  Königl.  Museums 
(unter  15 — 17  aufbewahrt)  sehen  wir  sogar  ein  4000  Jahre  altes  Brod,  welches 
Unicum  Hr.  Wittmack  in  der  Gesellschaft  naturforschender  Freunde  näher  be- 
sprach. Ich  möchte  auch  einen  hierher  gehörigen  Artikel  der  National -Zeitung 
vom  7.  April  Ibdb  von  E.  Lemke  anführen,  der  über  den  ^Hunger  und  Durst  der 
Todten^  handelt.  Jedenfalls  spreche  ich  auch  an  dieser  Stelle  Hm.  Wittmack 
meinen  herzlichsten  Dank  für  seine  Bemühung  aus.  — 


(225) 

Wir  sehen  hieraus,  dass  Hanf  schon  lange  vor  unserer  Zeitrechnung  gebaut 
wurde  (denn  die  Wilmersdorfer  Gräber  sind  wohl  der  Hallstatt-Zeit  zuzurechnen), 
und  dass  man  seine  ölhaltigen  Früchte  zu  Speisen  verbrauchte,  wenn  auch  yielleicht 
nicht  allein,  denn  die  Herkunft  der  dunkleren  Theilchen  ist  ja  nicht  festgestellt. 
Hanf  wird  im  Allgemeinen  heute  nicht  mehr  so  viel,  wie  früher,  gebaut;  das  hängt 
wohl  damit  zusammen,  dass  in  jetziger  Zeit  anstatt  Stricke  und  Taue  vielfach  eiserne 
Retten  und  Drähte  gebraucht  werden. 

In  der  Gegend  des  besprochenen  Urnenfeldes  werden  auch  heute  noch  Speisen 
genossen,  die  von  uns  gar  nicht  gekannt  sind  und  die  man  aus  den  Früchten 
des  Waldes  zubereitet  hat  In  Diensdorf  am  Scharmützel -See  bekam  ich  einen 
röthlichen  Kohl  zu  Mittag,  dessen  Geschmack  von  unserem  Rothkohl  ganz  ver- 
schieden war.  Es  war  einfach  Weisskohl  mit  Brombeeren  gemeinschaftlich  gekocht^ 
Er  schmeckte  recht  gut  Im  benachbarten  Lamitsch  erfuhr  ich,  dass  dort  und  in 
der  Umgegend  ein  Mus  aus  den  Wachholderbeeren  bereitet  wird,  das  sich  jahre- 
lang aufbewahren  lässt 

Die  hier  vorliegenden  einzelnen  Gefass- Buckel  stammen  von  der  Urne,  die 
über  den  die  Getreidereste  enthaltenden  Topf  gestülpt  war.  Sie  erinnern  an  weib- 
liche Brüste  und  sind  technisch  recht  sauber  und  ganz  genau  übereinstimmend  mit 
einander  ausgeführt.  — 

Hr.  Rud.  Yirchow  erkennt  das  grosse  Interesse  an,  welches  der  Fund  dar- 
bietet, macht  aber  darauf  aufmerksam,  dass  Hanf  sicherlich  keine  einheimische 
Pflanze  ist,  dass  es  sich  also  um  ein  eingeführtes  Gewächs  handeln  würde.  Wenn 
sich  die  botanische  Diagnose  bestätigen  sollte,  so  würde  doch  vielleicht  die  Frage 
aufgeworfen  werden  dürfen,  ob  die  Samen  nicht  erst  in  einer  späteren  Zeit  in  die 
Töpfe  gekommen  seien.  — 

(21)    Hr.  Rud.  Virchow  berichtet  über  einen 

Besach  der  Höhlen  von  St.  Canzian  bei  Triest. 

Der  ungewöhnliche  Reichthum  des  Rarstgebirges  an  Höhlen  hut  seit  langer 
Zeit  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  sich  gezogen  und  der  Strom  der  Besucher 
hat  sich  von  Jahr  zu  Jahr  verstärkt,  da  nicht  nur  die  Grösse  und  die  geologische 
Ausstattung  mancher  dieser  Höhlen,  sondern  auch  ihre  unterirdischen  Wasserläufe, 
ihre  Fauna  und  ihre  prähistorischen  Einschlüsse  die  wichtigsten  Anhaltspunkte  für 
wissenschaftliche  Untersuchungen  und  für  erhebende  Naturbetrachtung  darbieten. 
Obwohl  mein  Weg  mich  zu  wiederholten  Malen  in  dieses  fremdartige  Gebiet  ge- 
führt hat,  so  hatte  ich  doch  nur  eine  der  Höhlen,  die  berühmte  Adelsberger,  kennen 
gelernt  Besondere  Hindemisse  hatten  mich  von  einer  Fortsetzung  dieser  Besuche 
abgehalten.  So  wurde  eine  grössere  Gesellschaft,  mit  der  ich  die  neu  erschlossenen 
Höhlen  von  St.  Canzian  besuchen  sollte,  vor  einigen  Jahren  durch  ein  gewaltiges 
Unwetter  zurückgetrieben. 

Endlich  gelang  es  mir  in  diesem  Frühjahr,  den  alten  Plan,  und  zwar  unter 
den  günstigsten  Umständen,  zur  Ausführung  zu  bringen.  Am  Oster -Sonntage 
(18.  April)  fuhr  ich  von  Venedig  aus  mit  dem  schnellsten  Dampfer,  der  den  Namen 
unseres  alten  Collegen  in  der  Höhlenforschung,  des  früheren  österreichischen  Handels- 
Ministers  Grafen  Wurmbrand,  trägt,  in  4  Stunden  nach  Triest  hinüber.  Rlarer 
Sonnenschein  lag  am  nächsten  Morgen  über  der  Landschaft;  die  tief  verschneiten 
Alpen  rahmten  das  herrliche  Bild  ein.  Unser  Freund,  Hr.  C.  de  Marchesetti, 
der  so  grosse  Verdienste  um  die  Erforschung  der  Höhlen  hat,   war  nach  Verlust 

Verhandl.  der  B«rl.  Antbropol.  Getcllichalt  1897.  15 


(226) 

des  einen  Auges  in  Folge  einer  schweren  Retinitis  wieder  soweit  hergestellt,  dass 
er  die  Führung  unternehmen  konnte.  Mit  ihm  waren  die  beiden  unermüdlichen 
und  unverzagten  Pfadfinder  in  dem  unterirdischen  Gebiet,  die  HHm.  Friedrich 
Müller  und  Joseph  Marinitsch,  nebst  einer  Anzahl  treuer  Helfer  zur  Stelle,  um 
das  ^Wunder  des  Rarstes^  in  seiner  grössten  Ausdehnung  zu  zeigen  und  zu  er- 
läutern.  Eine  grosse  Erleuchtung  sicherte  da,  wo  die  Fackeln  der  Arbeiter  und 
Aufseher  nicht  ausreichten,  die  volle  Renntnissnahme,  insbesondere  auch  der 
staunenswerthen  Wege,  welche  ausgeführt  worden  sind,  um  an  senkrechten  Fels- 
wänden und  durch  vorspringende  Wände,  häufig  in  schwindelnder  Höhe  über 
brausenden  Wildwässern,  von  einer  Höhle  zur  anderen  zu  gelangen. 

Es  kann  nicht  meine  Aufgabe  sein,  von  der  fast  unerschöpflichen  Mannich- 
faltigkeit  dieser  weit  ausgedehnten  Höhlenwelt  eine  ausreichende  Beschreibung  zu 
liefern;  es  muss  genügen,  auf  die  vortrefflichen  Schilderungen  zu  verweisen,  welche 
insbesondere  Hr.  Marchesetti  (Ricerche  preistoriche  nelle  caverne  di  S.  Canziano 
presso  Trieste.  Estr.  dal  Bollettino  della  Soc.  Adriatica  di  scienze  naturali  in 
Trieste.  Vol.  XL  1889,  con  2  tavole)  und  Hr.  Fr.  Müller  („Die  Grottenwelt  von 
St.  Ganzian^  in  der  Zeitschr.  des  Deutschen  und  Gesten*.  Alpenvereins  1890,  Bd.  XXI. 
„Entdeckungsfahrten  in  den  St.  Ganzianer  Höhlen  vom  18.  bis  25.  unterirdischen 
Wasserfall  im  Jahre  1890^  in  den  Mittheilungen  des  Deutschen  und  Gesterr. 
Alpenvereins,  Jahrg.  1891,  Nr.  8 — 10)  veröffentlicht  haben.  Diese  Schriften  sind 
mit  den  trefflichsten  Illustrationen  ausgestattet  und  gewähren  ein  anschauliches 
Bild  von  den  gewaltigen  Zerstörangen,  die  im  Laufe  von  Jahrtausenden  den  Unter- 
grund dieser  Gegend  betroffen  haben.  Mir  schwebt  nur  die  Aufgabe  vor,  eine  ge- 
drängte Uebersicht  der  Gertlichkeit  und  der  darin  gemachten  Funde  zu  geben. 

S.  Ganziano  ist  ein  kleiner,  höchst  imposant  gelegener,  im  Mittelalter  befestigt 
gewesener  Grt  auf  einer  mächtigen  Felswand,  welche  sich  quer  durch  ein  tief  ein- 
gerissenes Thal  erstreckt.  Man  gelangt  bis  in  seine  Nähe  durch  eine  der  beiden 
Eisenbahnen,  die  von  Triest  in  schnellem  Anstieg  zur  Höhe  des  Rarstplateaus  auf- 
steigen; die  Hauptlinie  entspricht  der  grossen  Strasse,  die  über  Divaca  in  der 
Richtung  auf  St.  Peter  und  Wien  hinzieht  Von  der  Höhe  aus  überblickt  man 
eine  weite,  massig  vertiefte  Niederung,  die  sich  weithin  gegen  Gsten  ausbreitet 
und  an  deren  Rande  ein  mächtiger  Regelberg,  der  Rrainer  Schneeberg  (1796  m), 
emporragt.  Von  diesem  Berge  strömt  ein  wasserreicher  Wildbach,  oder  wenn 
man  will,  Fluss  herab,  dessen  Name,  Reka  (oder  Recca),  mich  lebhaft  an  meine 
pom mensche  Rega  erinnerte.  In  Regenzeiten  schwillt  derselbe  schnell,  zuweilen 
fast  plötzlich  an,  so  dass  er  sich  hoch  über  sein  gewöhnliches  Bett  erhebt.  Sein 
Lauf  ist  fast  senkrecht  gegen  die  erwähnte  Felswand  gerichtet;  die  Bildung  der 
Nachbarfläche  lässt  erkennen,  dass  er  einstmals  durch  die  Felswand  abgelenkt  wurde 
und  in  einem  grossen  Bogen  nach  Norden  hin  den  Berg  umflossen  hat  Endlich 
aber,  lange  vor  der  historischen  Zeit,  hat  er  die  Felswand  mittelst  eines  unter- 
irdischen Ganais  fast  gerade  durchbrochen;  jetzt  strömt  er  durch  die  enge  Geffnung 
mit  brausender  Gewalt  in  eine  gewaltige,  an  der  Stefanie- Warte  160  m  tiefe  Schlucht, 
von  der  aus  sich  seitlich  und  vorwärts  zahllose  Nebenhöhlen  und  weitere  Schluchten 
öffnen.    Das  ist  der  eigentliche  Anfang  der  Höhlen  von  St  Ganzian. 

Nach  einer  längeren  Strecke  verschwindet  der  Fluss  in  enge,  schwer  oder  gar 
nicht  zugängliche  Schlünde.  Man  wusste  nicht,  wo  er  blieb.  Die  Vermuthungen 
darüber  fanden  einen  starken  Anhalt  in  dem  Umstände,  dass  an  der  Rüste  der 
Triester  Bucht  bei  S.  Giovanni  di  Duino  ein  wasserreicher  Fluss  ansmtindet,  der 
nicht  weit  voq  da  aus  den  Felsen  hervorbricht  Die  ersten  Nachrichten  über 
ihn  gehören  der  Zeit  an,    wo  die  römischen  Heere  das  nordöstliche  Italien  unter- 


(227) 

warfen;  der  FIuss  hiess  damals  Timavus,  und  die  Sage  Hess  auf  ihm  die  Argonauten 
von  ihrer  langen  Fahrt  zurückkehren.  Aber  erst  aus  dem  17.  Jahrhundert  finden 
sich  Angaben  über  den  Zusammenhang  der  Reka  und  des  Timavus.  1689  erzählt 
der  Freiherr  von  Valvasor  (Die  Ehre  des  Herzogthums  Krain,  Cap.  67):  ^Der  Fluss 
flutet  zu  einem  Felsen  hinein  in  die  Erde  und  und  reiset  unter  ihrer  Decke  vier 
Meilwegs  in  den  Rarst.  Alsdann  bricht  er  zwischen  Tywein  und  S.  Johannis  durch 
einen  Felsen  aus  sieben  Löchern  hervor,  gleich  als  hette  die  Erde  ihn  zur  Dank- 
barkeit der  Anvertrauung  reichlich  begabt,  und  mit  einem  ansehnlich -vermehrten 
Gebiet  wieder  beurlauben  und  erlassen  wollen.^  Zweifellos  war  auch  dies  nur 
ebeVermuthung;  denn  alle  Versuche,  den  wirklichen  Zusammenhang  beider  Flüsse 
nachzuweisen,  Versuche,  die  immer  wieder  aufgenommen  wurden,  blieben  erfolglos. 
Auch  die  jetzigen  Forscher  gelangten,  nachdem  sie  25  Wasserfalle  passirt  hatten, 
endlich  in  eine  enge  Spalte,  die  durch  cingeschwemmtes  Reisig  und^  Holzstänmie 
gänzlich  verlegt  war.  Trotzdem  bezweifelt  keiner  von  ihnen,  dass  der  Timavus  der 
wirkliche  Ausfluss  ist.  Uebrigens  berichtet  schon  Strabon  (Erdbeschreibung,  ver- 
deutscht von  Groskurd.  Berlin  und  Stettin  1831.  I.  S.  372),  Poseidonios  be- 
haupte, der  aus  dem  Gebirge  kommende  Fluss  Timavus  falle  in  einen  Erdschlund; 
sodann  etwa  130  Stadien  unter  der  Erde  fortgeflossen,  schafl'e  er  sich  am  Meere 
den  Aasweg. 

Fig.  1. 


Diese  Gegend  war  sicherlich  eine  der  ältesten  Berührungsstellen  der  ein- 
gebomen  Bevölkerung  mit  der  südlichen  Cultur.  Der  Timavus  selbst  galt  als  die 
Grenze  zwischen  Ramem  und  Henetem.  An  seiner  Mündung  war  ein  altes  Heilig- 
thamj^des  Diomedes.  Nicht  weit  westlich  von  da  gründeten  die  Römer  schon 
181  vor  Chr.  die  berühmte  Colonie  Aquileja,  die  bis  auf  Attila  eine  ähnliche  Be- 
deutung für  das  ganze  Hinterland  bis  nach  Deutschland  besass,  wie  Massilia  für 
Gallien.  Von  da  aus  ging  die  grosse  Heer-  und  Handelsstrasse  aus,  welche  die 
julischen  Alpen  überstieg  und  nach  Pannonien  führte.  Sie  lief  ein  gutes  Stück 
nördlich  von  St.  Canzian  durch  den  vielgenannten  Birnbaumer  Wald,  wo  die  Station 

15» 


(228) 

ad  Firum  die  Passhöhe  (sammas  Alpes)  deckte;  man  sieht  den  Nanos-Berg  (1300  m), 
wo  diese  Station  gelegen  haben  soll,  bequem  von  dem  Plateau  bei  St  Canzian, 
gegen  NNO.  Aber  es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  dieser  Weg  schon  vor  den 
Römern  benutzt  wurde,  ja,  dass  er  in  fernen  prähistorischen  Zeiten  begangen  ist; 
Zeugniss  dafUr  liefern  zahlreiche  Funde.  In  meinem  Vortrage  über  den  Zag  der 
Langobarden  nach  Italien  (Verhandl.  1888,  S.  512  flg.)  habe  ich  diese  Frage  ein- 
gehend behandelt. 

Wir  yerdanken  die  genauere  Schilderung  der  in  den  Schluchten  der  Reka 
und  der  benachbarten  Höhlen  gemachten  Funde  der  erwähnten  Abhandlung  des 
Hrn.  de  Marchesetti.  Er  begann  seine  Ausgrabungen  in  der  kleinen  Höhle  Oska 
spela,  welche  hoch  oben  in  der  nördlichen  Wand  der  grossen  Doline  gelegen  ist; 
die  Ausbeute  war  gering.  Es  fanden  sich  Schichten  von  Asche  und  Kohle,  Scherben 
von  groben  Thongefassen  und  ein  Paar  bearbeitete  StUcke  von  Knochen  und  Feuer- 
stein. Sehr  ergiebig  erwies  sich  dagegen  die  benachbarte  Tominz-Höhle,  die 
grösste  aller  Seitenhöhlen  dieser  Schlucht.  Die  Tiefe  dieser  Höhle  beträgt  gegen 
290  m;  man  tritt  in  sie  durch  ein  10  7/i  hohes  und  20  m  breites  Thor  ein.  Frtther 
war  sie  nur  in  der  beschwerlichsten  Weise  zugänglich,  jetzt  ist  sie  aber  durch 
eingesprengte  Wege  leicht  erreichbar.  Da  sie  dem  Hochwasser  der  30  m  tiefer 
fliessenden  Reka  gelegentlich  ausgesetzt  ist,  auch  Sickerwasser  durch  die  Decke 
hineinfällt,  so  war  ihr  Boden  zum  grösseren  Theile  mit  mächtigen,  eingeschwemmten 
Lehmschichten  bedeckt.  Jetzt  ist  der  gewaltige  Raum  mit  seinen  zahlreichen  Aus- 
buchtungen und  Nebenhöhlen  fast  ganz  ausgeleert  Bei  diesen  Arbeiten  fand  man 
4  tlber  einander  gelagerte  Cnlturschichten :  eine  20 — 30  cm  mächtige  neolithische; 
eine  15 — 20  cm  dicke,  welche  schon  Bronze-Artefakte,  aber  keine  Feuerstein-Greräthe 
mehr  brachte;  eine  dritte,  bis  zu  15 — 60  cm  starke,  in  der  Eisen  getroffen  wurde, 
und  endlich  eine  noch  jüngere,  aber  nicht  continuirliche  Aschenlage  mit  mittel- 
alterlichen und  neueren  Einschlüssen,  darunter  13  Kämme  aus  Bein.  Wegen  der 
Einzelheiten  muss  ich  auf  die  Original-Abhandlung  und  auf  die  daraus  entnommene, 
mh  schönen  Illustrationen  ausgestattete  ^Grotten welt^  des  Hm.  Fr.  Müller  ver- 
weisen.   Hier  will  ich  nur  einige  Hauptpunkte  erwähnen. 

In  der  untersten  Lage  fand  sich,  ausser  zahlreichen  Spähnen  und  Messerchen 
aus  Homstein,  eine  schöne,  gemuschelte,  12  cm  lange  Lanzen-  oder  Dolch- 
spitze aus  weissgesprenkeltem  Feuerstein  (Marchesetti.  Tav.  I.  Fig.  l)  und  eine 
kleinere,  gleichfalls  gemuschelte  aus  Rosenquarz  (ebendas.  Fig.  4).  Bearbeitete 
Thierknochen  kamen  in  den  verschiedensten,  meist  als  Stichwerkzenge  branch- 
baren Exemplaren  vor.  Sehr  reichlich  waren  Thonscherben ;  aber  nur  ein  einsiges 
kleines  Gefass  (Tav.  II.  Fig.  1),  48  cm  hoch  und  von  einem  Gehalt  von  nur  34  g 
(una  capacita  di  soli  34  grammi),  mit  weitem  und  hohem  Henkel  und  gerundetem 
Boden,  war  ganz  erhalten.  Hr.  Marchesetti  stellt  es  unter  die  tazze.  Mir  war 
es  besonders  interessant,  weil  es  mich  lebhaft  an  zwei  Geßlsse  erinnerte,  die  ich 
an  einem  und  demselben  Tage  in  der  Niederlausitz  ausgegraben  habe:  das  eine  in 
dem  Burgwall  von  Niemitsch  (Verhandl.  1886,  S.  568,  Fig.  Id),  das  andere  in  dem 
Urnenfelde  von  Strega  (ebendas.  S.  574,  Fig.  2).  Ich  verglich  sie  damaU  mit 
unseren  heutigen  Sahnentöpfchen.  Sollte  diese  Form  wirklich  bis  in  die  Steinzeit 
zurückreichen,  so  wtlrde  das  eine  höchst  aulTällige  Persistenz  einer  bestimmten 
Mode  anzeigen,  denn  die  niederlausitzer  Gefässe  gehören  zweifellos  der  Eisen- 
zeit an. 

Ich  möchte  hier  gleich  ein  anderes  Fundstück  aus  der  Tominz-Höhle  er- 
wähnen, das  Hr.  Marchesetti  selbst  der  Cebergangspenode  zu  der  Metallzeit  zu- 
weist   Es  ist  das  ein  schöner  Flachcelt  aus  Kupfer  (Tav.  IL    Fig.  40).    Er 


(2-29) 

nennt  ihn  tma  ascia  plana  da  an  lato  e  leggcrmente  incurrata  dall'  altro.  Sie  ist 
an  der  Schneide  62,  am  hinteren  Ende  nur  6  mm  breit  und  wiegt  223  g.  Hr. 
Vierthaler  fand  bei  der  Analyse  98,88  Knpfer,  0,81  Silber,  0,05  Nickel,  0,26  Eisen 
and  eine  Spur  von  Antimon.  Dieser  wichtige  Fand  wird  es  gestatten,  auch  iu  Be- 
ziehnng  auf  das  Tbongeräth  ein  etwas  zurückhaltendes  Urtheil  aaszusprecben,  znmal 
da  sich  noch  3  andere,  wahrscheinlich  aus  Kupfer  bestehende,  dünne  nnd  kurze, 
dreieckige  Dolchblätter  von  der  ältesten  italischen  Form  fanden.  Eines  derselben 
(Tav.  II.   Fig.  41)  trug  am  hinteren  Ende  noch  zwei  Niete. 

Ein  nicht  geringer  Theil  der  Ton  Hrn.  Karchesetti  gesammelten  Scherben, 
namentlich  der  gehenkelten  (Tav.  II.  Fig.  18 — 25),  scheint  mir  gleichfalls  in  Betreff 
ihres  Alters  zweifelhaft;  die  Virtel  ans  Thon  nnd  Knochen  (Tav.  I.  Fig.  47 — äl) 
bezeichnet  der  umsichtige  Forscher  selbst  als  strani  oggetti.  Sicherer  erscheinen 
mir  die  Stucke,  welche  mit  erhabenen  nnd  mit  Eindrucken  versehenen  Leisten  aus- 
gestattet sind.  Von  den  in  der  Tominz-Uöhle  Für  Besucher  angesammelten  Scherben, 
Ton  denen  mir  einige  Überlassen  wurden,  die  ich  unserem  Museum  ffir  Völker- 
kunde Übergebe,  hatten  die  meisten  keine  künstlerische  Ausgestaltung  erfahren. 
Am  häußgslen  waren  breit«,  über  die  ganze  Oberfläche  in  schiefer  Richtung  ge* 
legte  Striche  oder  Furchen,  die  nach  Art  Ton  Grnsern  rielfach  unter  spitzen  Winkeln 
zusammenliefen,  gelegentlich  sich  auch  kreuzten  nnd  in  ihren  Zwischenräumen 
durch  feine  Linien  verbanden  waren,  gleichsam  als  ob  der  weiche  Thon  auf  einer 
Gras-Unterlage  geruht  habe. 

Ein  solches  StUck,  das  ich  vorlege  nnd  von  dem  Fig.  2  nach  einer  Zeichnung 
meiner  Tochter  Hanna  hergestellt  wurde,  ist  schwach  gebogen,   an  der  äusseren 

Fig.  2. 


Fläche,  abgesehen  von  den  Strichen,  ziemlich  glatt,  innen  matt  nnd  scheinbar  durch 
Abstreichen  mit  einem  Finger  breit  gefurcht,  ohne  jede  Spur  der  Drehscheibe.  Es 
ist  schwer  und  dicht,  fast  wie  Steingut,  bis  zu  7  mm  dick,  von  gelblichgraner  Farbe, 
mit  Brocken  von  Kalkspath  durchsetzt,  auf  dem  Bruche  rauh,  offenbar  gut  ge- 
brannt. Wie  mir  scheint,  bietet  es  ein  MusterstUck  eines  dort  häufiger  vertretenen 
Typus. 

Von  Thierknochen  fuhrt  Hr.  Marchesetti  an:  solche  vom  braunen  Bären,  vom 
Hirsch  nnd  Reh,  vom  Wildschwein,  Fuchs  und  Dachs,  aber  anch  vom  Rind, 
Schwein,  Schaf  und  von  der  Ziege,  endlich  von  einem  Hunde  kleiner  Rasse. 


(230) 

unabhängig  Ton  diesem  Fände  und  an  einem  anderen  Orte  wurde  in  einer 
Felsspalte  der  Reka-Höhle,  nahe  dem  6.  unterirdischen  Wasserfall,  der  mit  ge- 
waltigem Donner  7  m  herabstürzt,  in  einer  Tiefe  von  1,5  w  unter  dem  mittleren 
Wasserstande  ein  prächtiger,  1135  .^  schwerer  Bronzehelm  (Tav.  II.  Fig.  52)  ent- 
deckt. Er  war  aus  einem  Stück  eines  etwa  0,5  mm  dicken  Bronzebleches  getrieben  und 
bis  auf  eine  glänzend  abgescheuerte  Stelle  schön  patinirt.  Er  lag,  zwischen  Klippen 
eingekeilt,  an  einem  bis  vor  wenigen  Jahren  ganz  unzugänglichen  Platze,  mindestens 
400  m  entfernt  von  dem  Punkte,  wo  der  FIuss  in  der  Erde  verschwindet.  Reste 
eines  Menschen  wurden  nicht  dabei  bemerkt.  Nach  der  Analyse  des  Hm.  Vier- 
thaler besteht  die  Bronze  aus  83,52  Kupfer  mit  15,69  Zinn  und  Spuren  von  Silber 
und  Eisen.  Form  und  Technik  stimmen  ganz  überein  mit  den  Helmen,  die 
mehrfach  in  Krain  und  Steiermark  ausgegraben  worden  sind.  Ich  habe  eine  üeber- 
sicht  der  südösterreichischen  Helme  früher  gegeben  (Verhandl.  1887,  S.  544,  547, 
548,  552)  und  möchte  hier  nur  den  Helm  aus  dem  Pass  Lueg  hinzufügen,  der,  so- 
viel ich  weiss,  unter  ganz  ähnlichen  Verhältnissen  aus  dem  Flusse  hervorgehoben 
ist.  Man  gelangt  damit  chronologisch  bis  in  die  Hallstatt-,  allenfalls  bis  in  den 
Anfang  der  Tene-Zeit. 

Dieser  Fund  hat  um  so  grössere  Bedeutung,  als  Hr.  Marchesetti,  wie  er 
uns  schon  früher  (Verhandl.  1896,  S.  534)  mittheilte,  bei  S.  Canziano  eine  Nekropole 
explorirt  hat,  welche,  wie  er  sich  damals  ausdrückte,  „dem  Uebergangsstadium  au« 
der  Bronzezeit  zur  Villanova-Periode  angehört**.  Diese  Nekropole,  nach  welcher 
der  Fussweg  von  S.  Canziano  nach  Divaca  den  Namen  Nekropolis-Weg  erhalten 
hat,  liegt  an  den  Abhängen  einer  Thalsenkung,  welche  von  dem  Plateau  zu  der 
Keka-Schlucht  hinabführt  Hr.  Marchesetti  geleitete  uns  auf  dem  Rückwege 
nach  Herpelje  über  das  öde  und  steinige  Gefilde,  auf  dem  uns  gelegentliche  Funde 
von  Bronze  und  Eisen,  sowie  von  römischen  Sachen,  die  Anwesenheit  alter  Gräber 
anzeigten.  Man  hatte  früher  die  Erde  von  dieser  Stelle  weggenommen,  um  den 
Kirchhof  von  S.  Canziano  zu  erweitem.  In  seiner  ersten  Pnblication  rechnete  Hr. 
Marchesetti  diese^)  Nekropole,  in  welcher  der  Leichenbrand  üblich  gewesen  sei 
und  welche  unfern  von  dem  Castelliere  von  Gradisce  liege,  der  Hallstatt-Zeit  zu. 
Er  glaubt  ein  ähnliches  Gräberfeld  im  Westen  von  S.  Canziano  annehmen  zu 
dürfen.  — 

Schliesslich  muss  ich  erwähnen,  dass  es  endlich  auch  gelungen  ist,  mensch- 
liche Gebeine  in  der  Tominz-Höhle  aufzufinden.  Hr.  Fr.  Müller  (Grottenwelt 
S.  58)  berichtet  darüber,  dass  im  Grunde  der  vorderen  grossen  Höhle  ein  Loch 
sei,  durch  welches  ein  Mann  durchschlüpfen  könne;  man  gelange  dann  4  m  steil 
hinab  in  eine  kleine,  kammerartige  Höhle,  5  m  lang  und  3  m  breit  Hier  stiess  man 
beim  Graben  in  40  cm  Tiefe  auf  eine  3  cm  starke  Kalksinterdecke  und  unter  dieser, 
10 — 20  cm,  auf  Menschenknochen.  Es  wurden  5  theils  vollständige,  theils  zerstörte 
Schädel  und  eine  Menge  anderer  Knochen  gesammelt.  Nach  Hm.  Marchesetti 
scheinen  es  meist  junge  Individuen  gewesen  zu  sein.  Die  Schädel  waren  do- 
lichocephal.  Da  man  ausser  einer  dünnen  Lehmschicht,  welche  den  Thon 
durchzieht,  nur  noch  Reste  vom  Ochsen  und  Reh  (Geweih)  und  einige  rohe  Topf- 
scherben traf,  so  schien  der  Gedanke  an  eine  Begräbnissstätte  ausgeschlossen; 
man  nahm  an,  dass  die  Leute,  vom  Hochwasser  überrascht,  ertrunken  seien. 
Auch  schienen  die  Gerippe  durch  später  eindringende  Fluthen  auseinandei^wühli 
zu  sein. 

1)  Ich  setze  voraus,  dass  ich  die  beiden  Nekropolen  hier  in  richtiger  Weise  aas  ein- 
ander halte. 


(231) 

Noch  interessanter  ist  ein  Fund,  den  Hr.  Marinitsch  im  Jahre  1891  in  der 
Tominz-Höhle  gemacht  und  den  Hr.  ügo  G.  Vrara  (Atti  della  Soc.  Rom.  di  Antro- 
pologia.  1891.  Vol.  lU.  Fase.  2)  veröffentlicht  hat.  In  einer  Entfernung  von  33  m 
vom  Eingange  und  in  einer  Tiefe  von  50  cm  wurde  unter  der  römischen  Schicht 
ein  unversehrtes  Skelet  in  der  Richtung  NW. — SO.,  mit  dem  Gesicht  nach  unten, 
ohne  irgend  eine  Beigabe  aufgefunden.  Die  durch  eine  Abbildung  erläuterte  Be- 
schreibung betrifft  nur  den  Schädel.  Derselbe  ist  ohne  Basis  und  auch  von  dem 
Gesicht  ist  nur  der  Unterkiefer  vorhanden,  an  welchem  die  Zähne  stark  abgenutzt 
sind.  Es  ergab  sich,  dass  der  Schädel  durch  Compression  in  der  Sagittalrichtung 
und . besonders  in  der  Gegend  der  vorderen  Fontanelle  stark  deformirt  und  daher 
plagiocephal  ist.  Zugleich  sind  die  Nähte  vollständig  verknöchert;  in  der  Lambda- 
naht  einige  Worm'sche  Beine.  Das  Stirnbein  ist  stark  zurückgelegt  und  bildet  vor  der 
Rranznaht  eine  Erhöhung,  welche  gegen  die  Naht  abfällt;  dann  folgt  in  der  „ganzen 
bregmatischen  Gegend^  eine  tiefe  Einbiegung,  die  sich  seitlich  bis  zu  den  temporo- 
parietalen  Nähten  fortsetzt.  Hinter  der  Einsattelung  erheben  sich  die  Parietalia 
wieder  und  erreichen  den  höchsten  Punkt  der  Scheitelcurve;  von  da  ab  senken  sie  sich 
schnell  und  bilden  mit  der  Schuppe  das  (steil  abfallende)  Hinterhaupt. 

Hr.  Vram  erinnert  dabei  kurz  an  die  Makrocephalen  des  Kaukasus  und  ver- 
schiedener Orte  in  Europa,  sowie  an  die  Meinung  des  Hrn.  Sergi,  dass  solche 
Schädel  Individuen  von  kaukasischer  Abstammung  (origine  caucasica)  angehört 
haben,  die  sich  mit  Einwanderern  verbunden  hatten  in  den  Epochen  der  Invasion, 
welcher  Europa  im  Mittelalter  ausgesetzt  war. 

Ich  sah  diesen  Schädel  im  Museo  civico  von  Triest  und  war  nicht  wenig  er- 
staunt, in  demselben  ein  genaues  Gegenstück  zu  den  deformirten  Schädeln  der 
Philippinen -Höhlen  anzutreffen,  über  welche  ich  in  meiner  akademischen  Ab- 
handlung: „Die  Bevölkerung  der  Philippinen"  am  18.  Mürz  d.  J.  in  der  König- 
lichen Akademie  der  Wissenschaften  gesprochen  habe.  Die  von  mir  beigegebene 
Abbildung  eines  sagittalen  Durchschnittes  eines  solchen  Schädels  aus  der  Höhle 
von  Lanang  auf  der  Insel  Samar  zeigt  alle  charakteristischen  Besonderheiten  des 
Höhlen-Schädels  von  S.  Canziano,  insbesondere  die  eigenthttmliche  Faltung  der 
„Bregma-Gegend""  und  die  steile  Abplattung  des  Hinterhauptes.  Solche  Schädel  sind 
in  den  Höhlen  der  Philippinen  keine  Seltenheit,  und  da  sie  zweifellos,  wenigstens 
zu  einem  grossen  Theile,  aus  einer  Zeit  stammen,  wo  noch  kein  Europäer  die  Inseln 
betreten  hatte,  so  wird  der  Gedanke  an  einen  kaukasischen  Ursprung  wohl  nicht 
erst  aufgenommen  werden  dürfen.  Es  ist  viel  mehr  Wahrscheinlichkeit  vorhanden, 
dass  es  sich  dort  um  malayische  oder  auch  um  protomalayische  Stämme  handelt. 
Soviel  ich  zu  erkennen  vermag,  ist  weder  die  Deformation  überhaupt,  noch  diese 
besondere  Art  derselben,  weder  in  Europa,  noch  in  Asien,  noch  in  America,  auf 
bestimmte  Bässen  beschränkt;  sie  hat  mit  der  Descendenz  nichts  zu  thun,  sondern 
ist  von  ganz  anderen  Gesichtspunkten  aus  zu  behandeln.  Immerhin  ist  es  ein  dankens- 
werther  Fortschritt,  zu  wissen,  dass  in  Istrien  nicht  erst  im  Mittelalter,  sondern  schon 
Tor  der  Ausbreitung  der  römischen  Herrschaft  „Makrocephalen"  existirt  haben.  Wären 
sie  früher  gefunden  worden,  so  wären  sie  vielleicht  als  Beweismittel  dafür  gebraucht 
worden,  dass  die  aus  Colchis,  dem  eigentlichen  Makrocephalen-Lande,  heimkehrenden 
Argonauten  hier  einen  von  dort  gebürtigen  Todten  bestattet  hätten.  — 

(22)   Hr.  Fritsch  legt  einige  Präparate  von 

tättowirten  Hantstttcken  des  Menschen 

vor,    um    die    Vortheile    der    zu    gedachtem    Zweck   bisher   nicht    angewandten 
Methode  der  Conservirung  zu  erläutern.    Erhärtet  man  die  ausgeschnittenen  Haut- 


(232) 

stttcke  zwischen  zwei  Glasplatten  unter  starkem  Alkohol,  entwässert  nach  einigen 
Tagen  weiter  mit  absolutem  Alkohol,  so  lassen  sich  die  Hautstücke  mit 
Terpentin  aufhellen  und  ähnlich,  wie  mikroskopische  Präparate,  in  Canada- 
Balsam,  den  man  durch  Erhitzen  eingedickt  hat,  zwischen  Glasplatten  ein- 
schliessen.  Der  erkaltete  Balsam  wird  sofort  fest  und  läuft  nicht  mehr  zwischen  den 
Platten  heraus,  die  man  schliesslich  am  Rande  mit  Papierstreifen  umkleben  kann. 
Während  sonst  mich  Einwirkung  von  Alkohol  das  Gewebe  der  Haut  ein  trübes 
Ansehen  bekommt  und  viele  Feinheiten  der  Tättowirung  verschwinden,  so  lässt  die 
durch  Canadabalsam  aufgehellte  Haut  jedes  Partikelchen  des  eingebrachten  Farb- 
stoffes klar  und  deutlich  erkennen. 

Da  die  Präparate  zwischen  den  Glasplatten  im  Balsam  unveränderlich  sind, 
so  eignen  sie  sich  in  dieser  Form  auch  besonders  zur  Aufstellung  in  Schau- 
sammlungen und  zur  Demonstration  bei  Vorträgen. 

(Der  Vortragende  stellt  dieselben  den  öffentlichen  Sammlungen  zur  Ver- 
fügung.) — 

Hr.  v.  Luschan  macht  darauf  aufmerksam,  dass  man  die  tättowirte  Haut  auch 
durch  Gerben  conserviren  kann.    Er  legt  eine  Probe  vor.  — 

Hr.  R.  Virehow  bemerkt,  dass  im  Patholog.  Institut  zu  Berlin  eine  reiche 
Sammlung  von  tättowirten  Hautstücken,  die  lediglich  durch  Trocknen  und  üeber- 
ziehen  mit  Fimiss  oder  in  Spiritus  consernrt  wurden,  sich  befindet.  Er  wird 
Proben  davon  vorlegen.  — 

(23)  Hr.  Fritsch  zeigt  im  Hinblick  auf  das  vor  einiger  2^it  (V^erhandl.  1896, 
S.  544)  durch  Hm.  Zenker  vorgelegte  Feuerstein-Gebilde,  welches  ungefähr  die 
Gestalt  eines  kindlichen  Fusses  hatte,  bei  dessen  Vorlegung  er  sich  aber  über 
diese  sonderbare  Uebereinstinunung  nicht  genauer  aussprechen  wollte,  ein  ver- 
wandtes Object  vor,  das  in  auffallender  Weise  an  eine  durch  Elephantiasis  ver- 
unstaltete Hinterhand  eines  Schimpanse  erinnert. 

Im  vorliegenden  Falle  handelt  es  sich  um  nichts  Anderes,  als  eine  in  der 
Umgebung  Berlins  gewachsene  Mohrrübe.  Man  sieht  deutlich  die  vier  kurzen, 
geschwollenen  Zehen  mit  den  verlängerten  Ruppennägeln  und  den  abgesetzten, 
kräftigen  Daumen. 

Es  wurden  gleichzeitig  zwei  solcher  Rüben  eingeliefert,  so  dass  man  eine  linke 
und  rechte  Hand  hätte  unterscheiden  können.  Konnten  bei  dem  Feuersteinfuss 
noch  mancherlei  nach  meiner  Ueberzeugung  freilich  unzutreffende  Vermuthungen 
des  Zusammenhanges  aufgestellt  werden  (Versteinerung?,  Abdruck?,  Pseudomor- 
phosis?),  so  ist  bei  der  vorgelegten  Mohrrübe  selbstverständlich  jede  solche  Er- 
wägung ausgeschlossen. 

Sie  kann  nichts  weiter  sein,  als  ein  sogenanntes  ^ Naturspiel *^  (Lusus  naturae), 
worüber  die  Jetztzeit  sehr  kühl  denkt,  während  in  der  ersten  Hälfte  dieses  Jahr- 
hunderts, als  die  Naturphilosophie  ihr  Wesen  trieb,  dieser  ^Gestaltungstrieb^  der 
Natur  ganz  erstaunlich  ernst  genommen  wurde.  Haben  doch  Manche  in  den  Ver- 
steinerungen ^vorläufige",  in  anderem  Material  ausgeHlhrte  Modelle  sehen  wollen, 
welche  die  Natur  später  in  dem  belebten  Material  vollendete!  So  sicher  diese  un- 
geheuerliche Anschauung  falsch  ist,  so  sicher  dürfen  wir  die  sogenannten  Natur- 
spiele als  Zufälligkeiten  der  Formenüberemstimmung  auffassen.  — 


(233) 

(34)   Neu  eiDgegangene  Schriften: 

1.  Hatiegka,  J-,  Umele  deformoranä  lebka  z  Budyne  t  f;ech&ch.    t  Praze  1894. 

Nebst  französischem  Reaume  (Rozprary  Öesk«  Akad.  Cisate  Frantiska  Jo- 
sefa). 

2.  Derselbe,  Zkoumäni  koski  a  lebek  ceskych  t  kostnici'ch  venkorskych.   t  Praze 

1S96.  Nebst  französischem  Resnme  (ßozpr.  Öeske  Akad.  Ci's.  Frant.  Josefa). 
Nr.  1  u.  2  Gesch.  d.  Verf. 
o.  Hoffmana,  W.  Jaroes.  The  Menomini  Indiana.  Washington  1896.  (Report  of 
the  Bnreau  of  Ethnology.)    Gesch.  d.  Verf. 

4.  Ploss-Bartels,  B.,  Das  Weib.   5.  Anfl.   8.  bis  10.  Lief.   Leipzig  1897.    Gesch. 

d.  Verf. 

5.  Schwartz,  W.,  De  antiqnisaima  Apollinis  natura.    Berlin  1843.  (Dissertation.) 

6.  Derselbe,  Die  Alt-Griechischen  Schlangengottheiten.    Berlin  IS58.  (Programm 

des  Friedrich s-Werd ersehen  Gymnasiums.) 
Nr.  5  u.  6  Gesch.  d.  Verf. 

7.  Steenstrup,  Japetus,  Til  Forstaaelsen  af  Nordens  „Guldbrakteat-Faenomen"  og 

dets  Betydning  for  Nord-Enropas  Kolturhistorie.  Kjebenhavn  1897.  (Overs. 
y.  D.  K.  D.  Tidensk.  Selsk.  Forh.  1897.  Nr.  1.)    Gesch.  d.  Verf. 

8.  Polakowsky,  0.,  Zar  Lepragefahr.   München  1897.  (Beilage  z.  Allgem.  Ztg. 

1897,  Sr.  80.)    Gesch.  d.  Verf. 

9.  Götze,   A.,   Referat   über  Urgeschichte   des  Menschengeschlechts   für   1895. 

Berlin  1895.    (Jahresber.  d.  Geschichtswissenschaft) 

10.  Derselbe,    Die  Vorgeschichte   der  Neumark,    noch   den   Fanden    dargestellt. 

Würzborg  1897.    (Sep.-Abdr.  a.  d.  Schritten  d.  Vereins  f.  d.  Geschichte 
d.  Neumark.   V.) 

Nr.  9  n.  10  Gesch.  d.  Verf. 

11.  Lidzbarski,  M.,  Geschichten  und    Lieder   ans   den   neaaramäiscben   Hand- 

schriften d.  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin.  Weimar  189C.  Gescb.  d.  Verlegers. 

12.  Lincke,  A.,  Assyrien  und  Ninive  in  Geschiebte  und  Sage  der  Mittelmeervölker 

(nach  607/6).    Berlin  1894. 

13.  Die   Europäische  Längengradmessnng  in  52  Grad  Breite  Ton  Greenwich  bis 

Warschau.    IL  Heft.    Berlin  1896. 

14.  Bestimmung  der  Polhöhe  nnd  der  Intensität  der  Schwerkraß  anf  22  Stationen 

Ton  der  Ostsee  bei  Kolberg  bis  zur  Schneekoppe.    Berlin  1896.    (Veiöff. 
d.  K.-Pr.  Geodät.  Inatit.) 

Nr.   12—14  durch  Herrn  R.  Virchow. 

15.  Borgstede,  Statistisch-Topographische  Beschreibung  der  Kuri 

bürg.     I.  Berlin  1788.     Gescb.  d.  Frl.  Clara  Korn  in  Berli 

16.  Biolley,  P.,  Moluscoa  terrestres  y  fluviatiiea  de  la  meseta  ce: 

Rica.     San  Jose  1897. 

17.  Tristan.  J.  F.,  Insectos  de  Costa  Rica.    San  Jose  1897. 

Nr.  16  u.  IT  von  Mnseo  nacional  de  Costa  Rica. 

18.  Le  Tour  dn  monde.    Jahrg.  1891—1897.    Paris  1891—1897. 

19.  Sommer,  E.,  Sagen,  Märchen  und  Gebräuche  aus  Sachsen  u 

Halle  1846. 

Nr.  18  u.  19  Gesch.  d.  Herrn  Sanitätsrath  Bartels. 

20.  Thurston,  E.,  Anthropology  of  the  Badagas  and  Imlas  of  the  t 

1897.    (Bulletin  of  the  Madras  Government- Museum.    II.    1 
Government- Mnsenm,  Madras. 


1 


(284) 

21.  Albrich  sen.,  C,  Programm  des  evangel.  Gymnasiums  zu  Hermannstadt  für 

das  Schuljahr  1895/96.    Hermannstadt  1896.    Gesch.  d.  Verf. 

22.  Boas,  F.,  The  growth  bf  children.   o.  0.  1897.    (Science  V,  Nr.  119.) 

23.  Derselbe,  Traditions  of  the  Ts'ets'ä'ut.   o.  0.  u.  J.    (Joum.  of  American  Polk- 

Lore.) 

Nr.  22  u.  23  Gesch.  d.  Verf. 

24.  Castelfranco,  P.,  Necropoli  di  Bissone  nella  provincia  di  Pavia.   Parma  1897. 

(Estr.  Bull,  di  paletnologia  ital.)    Gesch.  d.  V^erf. 

25.  Colini,  G.  A.,  Martelli  o  mazzuoli  litici  con  foro  rinvenuti  in  Italia.    Parma 

1896.  (Estr.  Bull,  di  paletnologia  italiana.)    Gesch.  d.  Verf. 

26.  Munro,   R.,  Prehistoric  problems.    Edinburgh  and  London  1897.    Gresch.  d. 

Verf. 

27.  Wegener,   Ph.,   Die  Alterthums- Sammlung  des  Gymnasiums  in  Neuhaldens- 

leben,  o.  0.  1897.  (Sep.-Abdr.  a.  d.  Festschr.  zur  Feier  des  25jährigen 
Jubiläums  des  Gymnasiums.)    Gesch.  d.  Verf. 

28.  Heierli,  J.,  Nachträge  zur  archäologischen  Karte  des  Cantons  Zürich.    Zürich 

1897.  (Sep.-Abdr.  a.  d.  Anzeig.  f.  Schweiz.  Alterthumskunde.)  Gesch.  d. 
Verf. 

29.  Scudder,  S.  H.,  List  of  exotic  Orthoptera.    Boston  1896.   (Proceedings  Boston 

S.  of  N.  H.)    Gesch.  d.  Verf. 

30.  White,  J.  C,  Thomas  Tracy  Bouve.    Boston  1896.    (Proc.  Boston  S.  of  N.  H.) 

Gesch.  d.  Verf. 

31.  Dorsey,  G.  A.,  Numerical  variations  in  the  molar  teeth  of  fifteen  New  Guinea 

Crania.    Chicago  1897.    (Rep.  Dental  Review.) 

32.  Derselbe,  A  Maori  Skull  with  double  left  parietal  hone.    Chicago  1897.    (Rep. 

Chicago  Medical  Recorder.) 

33.  Derselbe,   The  lumbar  curve  in  some  American  races.    Salem,   Mass.  1897. 

(Bull.  Essex  Instit.) 

Nr.  31—33  Gesch.  d.  Verf. 

34.  Virchow,  R.,  Die  Bevölkerung  der  Philippinen.     Berlin  1897.     (Sitzungsber. 

d.  K.  Akad.  d.  Wissenschaft   XVI.)    Gesch.  d.  Verf. 

35.  Mies,  J.,  lieber  die  sogenannten  Zwischenformen  zwischen  Thier  und  Mensch: 

die  Mikrocephalen  und  den  Pithecanthropus  erectus  Dubois.  Köln  1896. 
(Sep.-Abdr.  a.  d.  Corresp.-Bl.  d.  ärztl.  Ver.  i.  Rheinl.  u.  Westfalen.  Nr.  59.) 
Gesch.  d.  Verf. 


Sitzung  vom  19.  Juni  1897. 

Vorsitzender:   Hr.  R.  Virchow. 

(1)  Als  Gäste  sind  anwesend  die  HHrn.  W.  Werkmeister,  G.  Schweitzer, 
Dr.  Franz  Olshausen,  Ludwig  ßorchardt  und  Dr.  Gramatzky.  — 

(2)  Von   ihren   Reisen   zurückgekehrt   sind   die    HHrn.   G.    Schweinfurth, 
Seier,  ühle  und  Hirth.  — 

(3)  Der  Vorsitzende  meldet  mit  höchstem  Bedauern  den  Tod  von  Hrolf 
Vaughan  Stevens.  Nach  einer  Benachrichtigung  des  Hrn.  Karl  Hienerwadel, 
der  früher  in  Penang  gewohnt  und  dort  die  Bekanntschaft  des  Reisenden  gemacht 
hatte,  aus  Singapore  vom  17.  Mai,  welcher  er  eine  Nummer  der  „Singapore  Free  Press** 
vom  14.  Mai  beigefügt  hat,  ist  der  Tod  unseres  so  eifrigen  und  muthigen  Forschers 
am  29.  April  in  Anebeig,  Kuching  (Sarawak)  in  Folge  völliger  Erschöpfung  ein- 
getreten. Er  wurde  am  Vormittage  auf  seinem  Lager,  wie  ein  Schlafender,  aber 
schon  kalt,  angetroffen.  Die  HHrn.  J.  C.  Ferrier  und  C.  D.  Harvey,  welche 
ihn  in  letzter  Zeit  wiederholt  gesehen  hatten,  berichten,  dass  er  seit  Januar  in 
Aneberg  gelebt  habe,  aber  schon  3  Wochen  vor  seinem  Tode  sich  so  schwach  ge- 
fühlt habe,  dass  er  einige  Anordnungen  für  den  Fall  seines  Todes  traf.  Nach 
seiner  Angabe  war  er  62  Jahre  alt  und  pecuniär  sicher  gestellt.  Er  schrieb  seine 
Leiden  den  Strapazen  auf  der  malayischen  Halbinsel  zu ;  in  Folge  von  Herzschwäche 
habe  er  neuerlich  zwei  Ohnmacht- Anfälle  gehabt.  Trotzdem  lehnte  er  ärztliche 
Hülfe  ab,  da  er  genug  wisse,  um  sich  selbst  behandeln  zu  können.  In  der  letzten 
Zeit  hatte  er  nur  von  Milch  gelebt,  aber  sein  verschlimmerter  Zustand  hatte  zuletzt 
nur  mehr  den  Genuss  einer  minimalen  Menge  davon  gestattet.  Mr.  Harvey  sandte 
ihm  wiederholt  Weingelee,  welche  der  Kranke  nahm  und  so  gut  vertrug,  dass  er 
am  Tage  vor  seinem  Tode  •,ein  gut  Theil  Käse^  zu  sich  nahm.  Früher  war  er 
in  die  Veranda  oder  den  Garten  gegangen,  aber  in  den  letzten  10  Tagen  war  er 
nach  dem  Zeugniss  seines  chinesischen  Dieners  zu  schwach,  um  sich  zu  bewegen. 
Das  Kind,  welches  er  von  seiner  Ayah  hatte,  hörte  ihn  am  Morgen  des  Todestages 
gegen  6  h.  30  stöhnen;  der  Diener  machte  um  8  Uhr  dieselbe  Wahrnehmung,  zu- 
gleich sprach  der  Kranke  mit  sich.    Um  10  h.  15  wurde  er  todt  gefunden. 

So  hat  dieser  treue  und  geschickte  Forscher  geendet,  dem  unsere  Sammlungen 
so  viel  verdanken  und  dessen  in  unseren  Sitzungen  so  oft  gedacht  ist.  Er  hatte 
seine  Befähigung,  mit  wilden  Stämmen  in  ihrer  Art  zu  verkehren  und  so  auch  in 
ihre  intimeren  Verhältnisse  einzudringen,  zuerst  auf  Reisen  im  Innern  von  Australien 
und  dann  durch  einen  längeren  Aufenthalt  unter  den  Weddas  in  Ceylon  entwickelt 
Unsere  Aufmerksamkeit  auf  ihn  wurde  namentlich  durch  den,  nun  auch  schon  ver- 
storbenen Baron  Ferd.  v.  Müller  in  Melbourne  gelenkt.  Wir  entschlossen  uns, 
ihm  die  Mittel  zu  einer  Erforschung  der  malayischen  Halbinsel  urfd  namentlich 
der  dortigen  wilden  Stämme  anzuvertrauen.    Das  Königliche  Museum  für  Völker- 


(236) 

künde  und  die  Kudolf  Virchow-Stiftung  tragen  zu  gleichen  Theilen  dazu  bei 
(Verhandl.  1889,  S.  735).  Die  Aufgabe  war  leider  viel  schwieriger,  als  Toraus- 
gesehen  war,  und  sie  ist  nicht  vollständig  gelöst  worden,  obwohl  Stevens,  der 
vom  December  1888  bis  vor  2  Jahren  in  immer  neuen  Versuchen  in  das  Innere  vor- 
zudringen gewusst  hatte,  es  an  Hingebung  und  Opfermuth  nicht  fehlen  liess.  So 
gestatteten  wir  ihm  endlich  abzubrechen.  Er  kehrte  dann  zunächst  nach  Australien 
zurück.  Seine  letzten  Sammlungen  in  Malacca  sind  noch  nicht  eingetroffen;  nach 
dem  erwähnten  Zeitungsbericht  hat  er  vor  seinem  Tode  den  Auftrag  gegeben,  seine 
Effecten  an  den  deutschen  Consul  in  Singapore  zu  schicken.  Hoffentlich  werden 
sich  darunter  auch  die  noch  ausstehenden  Berichte  über  eine  inzwischen  hier  ein- 
getroffene Schädel-  und  Knochen-Sendung  finden'). 

Nachdem  seine  Briefe  aus  Australien  die  Wiederkehr  seiner  Gesundheit  und 
seine  Zuversicht  auf  erneute  Thätigkeit  gemeldet  hatten,  war  eine  Expedition  nach 
Borneo  mit  ihm  verabredet  worden.  Auf  Wunsch  des  Hrn.  Bastian  hat  das 
Ethnologische  Comite  dazu  Mittel  bewilligt.  Leider  muss  jetzt  angenommen  werden, 
das8  die  eigene  Auffassung  des  Reisenden  von  seinem  Rräftezustande  auf  Selbst- 
täuschung beruhte.  Es  ist  allerdings  noch  eine  Schädelsammlung  von  ihm  vda- 
gemeldet, aber  wir  werden  kttnAig  von  ihm  nur  als  von  einem  Märtyrer  der  Wissen- 
schaft sprechen  können.  Reiner  von  uns  hat  dem  thatendurstigen  Manne  den  An- 
stoss  zu  seinen  mühseligen  und  gefährlichen  Unternehmungen  gegeben;  er  selbst 
hatte  den  brennenden  Wunsch  darnach  ausgesprochen  und  wir  durften  sein  An- 
erbieten um  so  weniger  ablehnen,  als  sein  Vorleben  die  Bürgschaft  zu  bieten 
schien,  dass  er  den  Gefahren  sowohl  des  Klimas,  als  der  Menschen  Widerstand 
leisten  werde. 

Sein  Andenken  wird  von  uns  in  Ehren  gehalten  werden.  — 

(4)  Von  unseren  correspondirenden  Mitgliedern  ist  Sir  Augustus  Wollaston 
Franks,  M.  A.,  F.  K.  S.,  Director  der  archäologischen  Abtheilung  des  British  Museum 
in  London,  gestorben.  Er  war  durch  seine  ausgedehnte  Kenntniss  nicht  nur  der  alten, 
sondern  auch  der  mittelalterlichen  und  selbst  der  modernen  Erzeugnisse  des  Kunst- 
gewerbes ein  Führer  von  unschätzbarer  Sicherheit  Das  British  Museum  verdankt 
ihm  die  Erwerbung  der  seltensten  und  werth vollsten  Stücke,  auch  aus  Deutsch- 
land. — 

(5)  Am  1.  Juni  ist  eines  unserer  besten  Mitglieder  aus  unserem  Kreise  ge- 
schieden. August  V.  Hey  den,  der  noch  in  der  März-Sitzung  (S.  112)  uns  eine 
interessante  Mittheilung  hatte  zugehen  lassen,  ist  einem  schleichenden  Nierenleiden 
erlegen.  Seinen  verschlungenen  Lebensgang  vom  practischen  Bergmann  und  späteren 
Bergbeamten  zum  Maler,  Costümforscher  und  Dichter,  sogar  zum  Staatsmann  hat 
Hr.  Ludwig  Pietsch  (Vossische  Zeitung,  2.  Juni,  Beilage  2)  mit  voller  Sach-  und 
Personenkenntniss  und  mit  angenehmer  Wärme  geschildert.  Für  uns  war  der  viel- 
erfahrene Mann  mit  seinem  vorsichtigen  L'^rtheil  und  seiner  erprobten  Hingebung 
ein  gesuchter  Helfer  und  Lehrer  in  Fragen  der  Tracht  und  des  Arbeitsgeräthes.  — 

Am  12.  Juni  starb  plötzlich  an  einem  Herzschlage  Dr.  med.  Carl  Fischer  zu 
Lenzen  a.  d.  Elbe,    einer  der  wenigen  Ueberlebenden  aus  dem  Kreise  von  Alter- 


1)  Nachträglich  mus8  erwähnt  werden,  dass  nach  einer  Benachrichtigung  der  Ver- 
waltung des  Museums  für  Völkerkunde  vom  19.  Juli  der  Nachlass  des  Reisenden  hier  ein- 
getroffen ist,  dass  sich  aber  in  demselben  weder  die  erhoflften  Nachrichten,  noch  sonstige 
werth  volle  Stücke  gefunden  haben. 


(237) 

thumsfrennden,  mit  denen  unsere  Excursion  in  die  West-Priegnitz  uns  in  persön- 
liche Beziehung  gebracht  hatte.  — 

(6)  Von  hervorragenden  Genossen  ausserhalb  unseres  Kreises  sind  zu  nennen: 
Dr.  G.  Ossowski,  f  16.  April  zu  Tomsk,  Sibirien,  ein  geborener  Westpreusse 

und  durch  zahlreiche,  namentlich  auch  kartographische  Arbeiten  über  die  Grenzgebiete 
zwischen  Polen  und  Deutschland  weit  bekannt.  Der  Bau  der  sibirischen  Eisenbahn 
hatte  ihn  um  der  erwarteten  prähistorischen  Funde  wegen  in  die  Ferne  gelockt.  — 

Dr.  Stephan  Berger,  f  22.  Februar  in  Prag,  einer  der  glücklichsten  und  zu- 
verlässigsten Erforscher  der  böhmischen  Gräber.  — 

Dr.  V.  Boye  in  Kopenhagen,  dessen  Arbeit  über  die  dänischen  ^ Eichenkisten*' 
uns  erst  kürzlich  seine  Bedeutung  erschlossen  hatte  (Zeitschr.  f.  Ethnolog.  1896, 
8.  244).  — 

Dr.  Jacob  v.  Falcke,  der  Director  des  von  ihm  geschaffenen  Kunstgewerbe- 
Museums  in  Wien.  — 

Consul  Sahl  in  Sydney,  der  uns  und  unseren  Keisenden  so  oft  hülfreich  ge- 
wesen ist.  — 

(7)  Unser  Mitglied,  der  bisherige  Gesandte  der  Kepublik  Haiti,  Hr.  Delorme 
hat  Berlin  verlassen.  Vorstand  und  Ausschuss  haben  ihn  zum  correspondirenden 
Mitgliede  erwählt.  — 

(8)  Als  ordentliche  Mitglieder  sind  neu  angemeldet: 
Städtisches  Museum  in  Gera. 

Hr.  Chemiker  Carl  Przibylla  in  Vienenburg  am  Harz. 
^    Maler  und  Zeichner  Georg  Hei  big  in  Berlin. 

(9)  Hr.  Karl  von  den  Steinen  hat  eine  längere  Reise  angetreten,  welche  zu- 
nächst die  Marqaesas-Inseln,  wo  vor  Kurzem  unser  Mitglied  Hr.  A.  Bässler  weilte, 
als  Ziel  in  das  Auge  gefasst  hat  Nachdem  er  noch  in  Düsseldorf  das  50jährige 
Arzi-Jnbiläum  seines  Vaters  mitgefeiert  hatte,  ist  er  nach  Quebec  abgefahren.  Von 
Liverpool  hat  er  unter  dem  27.  Mai  ein  Lebewohl  an  die  Gesellschaft  gesendet 
So  viel  Neues  wir  von  dem  scharfsichtigen  Beobachter  erwarten,  so  sehr  werden 
wir  seine  stets  bereite  Hülfe  vermissen.  Wir  verlieren  in  ihm  ein  immer  sicheres 
Mitglied  unseres  Ausschusses. 

Letzterer  hat  an  seiner  Stelle  den  Vorsitzenden  des  Ethnologischen  Comites, 
Hrn.  Valentin  Weisbach  cooptirt,  der  die  Wahl  angenommen  hat.  — 

(10)  Unser  ordentliches  Mitglied,  Hr.  Cari  Günther,  unser  erprobter  photo- 
graphischer Helfer,  hat  am  4.  Juni  seinen  70.  Geburtstag  gefeiert.  Wir  haben  ihm 
herzliche  Glückwünsche  und  erneuten  Dank  zu  spenden.  — 

(11)  Hr.  M.  Bartels  theilt  aus  einem  Briefe  von  Hrn.  A.  Bastian  aus  Batavia 
(Ende  April)  folgende  Stellen  mit: 

„Mit  nächster  Gelegenheit  geht  eine  an  die  anthropologische  Gesellschaft 
adressirte  Sendung  von  hier  ab,  enthaltend  50  Exemplare  einer  Brochüre,  die  ich 
während  meines  Verbleibs  in  Batavia  habe  fertigstellen  lassen.  Dieselbe  sollte 
zur  Vertheilung  unter  die  Schenkgeber  der  werthvoUen  Beiträge  zur  Festschrift 
dienen,  denen  ich  so  viel  Liebes  und  Schätzenswerthes  verdanke,  dass  ich  eine  Er- 
widerung darauf  nicht  länger  verzögern  möchte. 

^In  der  Zwischenzeit  bitte  ich  um  freundliche  Grüsse  an  alle  Freunde  und 
Mitarbeiter.^ 


(238) 

Einen  Tag  später  erhielt  Hr.  Bartels  eine  Karte  von  Hrn.  Capitän  Fedor 
Schnitze  mit  folgender  Mittheilung: 

^Hr.  Geheimrath  Bastian  befindet  sich  sehr  wohl,  er  war  vorgestern  noch 
bei  mir;  ich  finde,  dass  er  zu  eifrig  arbeitet  und  dass  er  im  Allgemeinen  zu  wenig 
Ruhe  nimmt.    Seine  Energie  weckt  hier  Bewunderung."  — 

(12)  Hr.  \V.  Joest  gedenkt  demnächst  nach  Neu -Guinea  zum  Studium  der 
Tättowirung  zu  gehen.  — 

(13)  Hr.  Ohnefalsch-Richter  ladet  unter  dem  16.  Juni  zu  einem  Besuche 
der  neu  eröffneten  Transvaal-Ausstellung  am  Stadtbahnhofe,  Savigny-Platz, 
am  22.  d.  M.  ein.  — 

Der  Vorsitzende,  der  eine  vorläufige  Besichtigung  vorgenommen  hat,  rühmt 
die  grossartige  Anlage  und  die  Mannicb faltigkeit  der  vorgeführten  Völkertypen.  — 

(14)  Die  Direction  des  Passage-Panopticums  übersendet  Einlasskarten 
zu  einer  besonderen  Vorstellung  von  Sahara-Bewohnern  (Tuaregs  u.  s.  w.)  am 
23.  d.  M.  — 

(15)  Für  den  27.  d.  M.  ist  eine  anthropologische  Excursion  nach 
Brandenburg  a.  H.  geplant,  die  unter  Leitung  des  Hrn.  Stimming  vor  sich  gehen 
wird.  — 

(16)  Am  14.  d.  M.  haben  in  Berlin  Besprechungen  von  höheren  Beamten  aus 
dem  Gebiete  des  Polizei-  und  Gefängnisswesens  aus  sümmtlichen  deutschen  Bundes- 
staaten begonnen  in  Bezug  auf  Einführung  des  von  Hrn.  Alf.  Bertillon  erfundenen 
Systems  zur  Messung  und  Feststellung  von  Personen  in  Deutschland.  — 

(17)  Das  Programm  der  neu  gegründeten  Rivista  italiana  di  Sociologia 
nebst  Abonnements-Einladung  (Rom,  April)  wird  vorgelegt.  Der  leitende  Rath  be- 
steht aus  den  HHrn.  Cognetto  de  Martiis,  Bosco,  Cavaglieri,  Sergi,  Tan- 
gorra  und  Tedeschi.  — 

(18)  Der  Verein  des  Museums  für  deutsche  Volkstrachten  und  Er- 
zeugnisse des  Hausgewerbes  zu  Berlin  bittet  um  Beiträge,  um  ihn  in  den 
Stand  zu  setzen,  die  Erwerbung  der  sogen.  Chicago-Sammlung  zu  bewerk- 
stelligen. Letztere  ist  nach  ihrer  Rückkehr  von  America  durch  das  für  die  Welt- 
ausstellung gebildete  Ethnologische  Comite  dem  Verein  zur  zeitweiligen  Aufstellung  in 
seinen  Räumen  anvertraut  worden,  aber  der  letztere  besitzt  nicht  die  Mittel,  um 
diese  werthvolle  Sammlung  (Verh.  1893,  S.  28)  erwerben  zu  können.  Die  früher 
gehegte  Hoffnung,  dass  dieselbe  ohne  Weiteres  nach  ihrer  Rückkehr  in  den  Besitz 
des  Trachten-Museums  übergehen  werde,  hat  sich  leider  nicht  verwirklicht.  — 

(19)  Hr.  V.  Luschan  zeigt  ein  von  Eckert  &  Hamann  in  Friedenau  bei 
Berlin  hergestelltes  Planimeter.  Es  ist  durch  verblüffende  Einfachheit  und  ent- 
sprechend billigen  Preis  (15  Mk.)  ausgezeichnet.  Zahlreiche  Proben  haben  einen 
Genauigkeitsgrad  von  meist  unter  1  pCt.  ergeben;  nur  in  wenigen  Fällen  stieg  der 
Fehler  um  ein  ganz  Geringes  über  1  pCt.  Das  Instrument  verdient  daher  auch 
für  craniometrische  Zwecke  warm  empfohlen  zu  werden  und  leistet  jedenfalls  un- 
endlich viel  mehr,  als  bisher  ohne  die  grossen  und  theuren  alten  Planimeter,  etwa 
durch  Abwägen  oder  durch  die  Quadrat-Methode,  erreicht  werden  konnte.  Die  Hand- 
habung ist  eine  ganz  einfache;  jedem  Instrumente  ist  eine  Gebrauchs-Anweisung 
beigegeben.  — 


(241) 

teren  aus  diesem  oder  aus  zinnarmer  Bronze,  und  erst  die  späteren  aus  gewöhnlicher 
Bronze  bestehen,  und  dass  diese  Verhältnisse  nicht  nur  für  Schweden,  sondern  auch 
für  andere  Länder  von  Nord-  und  Mittel -Europa  gelten.  Dies  trifft  auch  in  vor- 
liegendem Falle  zu.  Montelius  charakterisirt  die  beiden  ersten  seiner  sechs 
Flachcelttypen  folgendermaassen: 

1.  Breite,  der  Länge  nach  fast  gleichmässig  breite  Aexte  von  gleicher  Form, 
wie  manche  Aexte  von  Flint-  oder  anderem  Gestein.  Reine  aufstehenden  Seiten- 
ränder, kein  Querabsatz. 

Material:  ungemischtes  Rupfer. v 

2.  Breite  Aexte,  welche  doch  nach  oben  so  stark  abschmalen,  dass  die  Schneide 
mehr  als  doppelt  so  breit  ist,  wie  die  Bahn;  keine  oder  sehr  niedrige  Seitenränder,  kein 
Querabsatz. 

Material :  entweder  ungemischtes  Rupfer  oder  sehr  zinnarme  Bronze  (mit  selten 
mehr  als  3  Procent  Zinn). 

Vorliegendes  Flachbeil  steht  zwischen  diesen  beiden  Grundtypen,  nähert  sich 
aber  mehr  dem  zweiten:  die  Schneide  verjüngt  sich  stark  nach  oben,  fast  um  die 
Hälfte,  und  ist  leicht  geschweift.  Bietet  es  zwar  nichts  Neues  und  ist  das  Vor- 
kommen dieser  Form  in  Nord-Europa  ein  ziemlich  häufiges,  so  dürfte  doch  die 
sorgfaltige  Analyse  manchem  willkommen  sein,  zumal  da  sie  die  Ausführungen  von 
Montelius  bestätigt  und  Much's  Statistik  (Die  Rupferzeit  in  Europa,  2.  Aufl.,  Jena 
1893)  erweitert.  — 

(21)  Hr.  H.  Schumann  übersendet  unter  dem  12.  Mai  aus  Löcknitz  folgende 
Mittheilung: 

BroDzekeale  (3Iorgensterii)  von  Bntzke  (Pommern)  • 

Das  Gut  Butzke  bei  Beigard  in  Hinterporamern  hat  schon  seit  einer  ganzen 
Reihe  von  Jahren  eine  grosse  Anzahl  wichtiger  prähistorischer  Funde  geliefert, 
Hier  wurden  Hügelgräber  der  Bronzezeit  eröffnet  (Spiralflbel ')•  Später  fand  sich 
hier  ein  grosses  Brandgrubengräberfeld  der  jüngeren  La  Tenezeit*).  Auch  eine 
höchst  interessante  Werkstätte  für  Bemsteinperlen  aus  der  römischen  Raiserzeit 
wurde  hier  gefunden').  Von  Butzke  stammt  auch  der  im  Folgenden  zu  beschreibende 
Bronze-Morgenstern. 

Dicht  hinter  dem  Gutshofe  befindet  sich  eine  sumpfige  Wiese,  an  welcher  der 
Weg  nach  dem  Brandgrubengräberfeld  vorüberfOhrt.  In  dieser  Wiese  wurden  1865 
Gräben  ausgeworfen  und  dabei  fand  sich  das  Stück  in  2Vi  Fuss  Tiefe  als  Einzel- 
fund.    Es  befand  sich  bisher  im  Privatbesitz. 

Der  Reulenkopf  ist  aus  Bronze  durch  Guss  hergestellt.  Das  Aussehen  ist 
sehr  dunkel,  fast  schwarz,  wie  bei  vielen  Moorfunden.  Die  Bronze  ist  im  Bruche 
grau,  im  Feilstriche  gelblich.  Gewicht  =^  550  g.,  Länge  genau  100  mm,  grösste 
Breite  zwischen  den  Stachelenden  70  mm.  Die  Röhre  hat  einen  lichten  Durch- 
messer von  18—19  mm.  Die  Wandung  der  Röhre  hat  2  mm  Dicke;  im  Ropilheii 
ist  dieselbe  aber  viel  stärker,  etwa  15  mm. 

Die  Reule  (Fig.  l),  die  eine  oben  und  unten  offene  Röhre  bildet,  hat  am 
oberen  Ende  eine  erhabene  Borte,  in  Form  einer  doppelten  Schnur;  hierauf 


1)  Phot  Album  von  Voss  und  Günther,  Sect.  HL  Taf.  18. 

2)  Schumann,  ürnenfriedhöfe  in  Pommern.    Bali.  Stud.  88.  8.  109. 

3)  Verhandl.  1887,  S.  56. 

T«rhandl.  der  Beri.  Aotliropol.  Gesellschaft  1$97.  16 


(242) 

kommt  ein  Kranz  von  4  kleinen  Zacken  in  Fonn  von  kurzen  vierseitigen  Pyra- 
miden.   Hiennf  ein  Kranz  von  4  grossen  ebensolchen  Pyramiden.   Die  ^ia  jeder 

dieser  gr&saeren  Zacken   hat 
ein  geperlles  Band  and  in  jeder 
r    ,  Ecke  ein  Knöpfchen.   Das  ge- 

3  perlte  Band  ist  dadurch  her- 

gestellt, dasB  ein  gegossenes 
Doppel wUl stehen  der  Quere 
nach  durch  tiefe,  scharfe  Pdo- 
zenachiageeingekerbttBt  Hier- 
auf folgt  wieder  ein  Kranz 
von  4  kleinen  pyramidalen 
Zacken  und  unterhalb  der* 
selben  als  Äbschloas  eine  er- 
habene Schnur. 

Die  Bahre  nnterhalb  des 
Kopfes  zeigt  ein  Band,  aas 
3  Doppel -Spiralen  bestehend, 
deren  jede  in  der  Mitte  mit 
einem  Knöpfchen  versehen  ist. 
Hierauf  wieder  eine  erhabene 
Schnur  und  wiederum  ein  ans 
3  Doppel  Spiralen  bestehendes 
Band,  während  die  B.öhre  nach 
unten  durch  eine  Verzierung 
in  Form  einer  Doppelscbnur, 
wie  oben,  abgeschlossen  ist.  Alle  diese  Ornamente,  die  Schnüre,  Spiralen  nnd 
Knöpfchen,  sind  aber  zierlich  herausmodeltirt  nnd  über  die  Fläche  erhaben. 

Veon  auch  im  ersten  Angenblick  beim  Betrachten  der  Spiralen  jemand  auf 
den  Gedanken  kommen  könnte,  daas  das  Stück  etwa  unserer  älteren  Bronzezeit 
angehören  möge,  in  der  diese  Doppelspiralen  ja  bekanntlich  ein  sehr  beliebtes 
Verzlerungsmotir  waren,  so  kann  doch  bei  genauer  Betrachtang  davon  keine  Rede 
sein.  Die  Ponn  der  Spiralen  mit  einem  Knöpfchen  im  Centmm  ist  ganz  un- 
bekannt bei  uns  in  dieser  Zeit,  nnd  auch  die  Doppelspirale  cn  retief  ist  etwas 
ganz  Ungewöhnliches.  Aach  die  verschiedenen  Reliefschnüre,  welche  beramlaufen 
lud  die  einzelnen  Bänder  abtheilen,  sind  in  unserer  Bronzezeit  eine  unbekannte 
Verzierungaart. 

Dabei  ist  das  Stück  trotz  seiner  Schwere  nicht  plump,  sondern  geradezu  ge- 
Khmackvoll  nnd  zierlich  gearbeitet. 

Bronzekenten,  wie  die  vorliegende,  gehören,  sowohl  was  ihre  Verwendung,  als 
was  ihre  Fettstellung  nnd  Herkunft  belrifft,  zu  den  am  wenigsten  bekannten  prä- 
historischen Qeräthen.  Der  Grund  ist  wohl  darin  zu  suchen,  dass  diese  Keulen* 
köpfe,  soviel  ich  ersehe,  meist  Binzelfunde  sind. 

Keulenköpfe  ans  Stein  in  Form  einer  durchbohrten  Kugel,  der  Steinzeit 
angehörend,  werden  aus  verschiedenen  Gegenden  erwähnt.  So  aus  Ostprenssen 
von  Tischler'),  femer  von  Olshanaen  aus  Ostprenssen  nnd  Thüringen^).    Auch 


1)  Schriften  der  pbys  -Skonom.  Ges.  in  Königsberg  16S4.  S.  13. 

2)  Terhandl,  1891.  S.  849  u.  f. 


(243) 

in  Pommern  kommen,  wie  Schreiber  dieser  Zeilen  beobachtet  hat,  ähnliche  Reolen- 
köpfe  in  Form  durchbohrter  Rngeln  ans  hartem  Gestein  vor. 

Kenlenköpfe  ans  Bronze,  der  Bronzezeit  angehörig,  werden  angeftthrt:  ein 
Exemplar  Ton  gerippter  Form  ans  der  Gegend  ron  Bernburg  und  ein  Exemplar 
▼on  doppelkonischer  Form  [einem  grossen,  doppelkonischen  Spinnwirtel  gleichend] 
aus  Ostpreussen ').  Alle  diese  Kenlenköpfe  sind  aber  ron  unserem  Stücke  von 
Bntzke  yerschieden  und  geben  über  die  Herkunft   des  letzteren  keine  Auskunft. 

Keulenköpfe  mit  Stacheln,  wie  der  vorliegende,  haben,  obwohl  dieselben 
keineswegs  häufig  sind,  doch  ein  ziemlich  weites  Verbreitungsgebiet  Aus  Gondek 
bei  Kumik  in  Posen  hat  Buchholz  ein  Exemplar  publicirt').  Es  unterscheidet 
sich  dieser  Keulenkopf  von  unserem  dadurch,  dass  demselben  die  schöne  Oma- 
mentirung  fehlt;  auch  sind  die  Stacheln  dreiseitig  pyramidal.  Weiter  habe  ich  mir 
Exemplare  notirt  aus  dem  Museum  zu  Wiesbaden,  von  unbekanntem  Fundort, 
sowie  aus  den  Museen  zu  Frankfurt,  Karlsruhe,  Sigmaringen  (aus  Italien) 
und  ein  Stück  aus  dem  Rhein  bei  Mainz  im  Mainzer  Museum. 

Diese  Stücke  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  sie  ohne  wesentliche  Ornamente 
sind,  ziemlich  niedrige,  mehr  ringförmige  HtQsen  bilden,  und  dem  unseren  an 
Länge  und  Gewicht  erheblich  nachstehen. 

Abgebildet  sind  derartige  Keulenköpfe  von  Lindenschmit:  Alterthümer 
uns.  heidn.  Vorzeit  I.  VIU.  auf  Taf.  II,  Nr.  1,  ohne  näheren  Fundort  aus  Bayern 
(Nationalmuseum  in  München),  Nr.  2.  aus  Italien  (Wiesbaden),  Nr.  3  ohne  näheren 
Fundort  aus  Meklenburg (Museum  zu  Schwerin),  Nr.  4  aus  der  Thunschen  Samm- 
lung (Kgl.  Antiquarium  in  München),  Nr.  5  von  Weltendorf  (Bayern)  im  Mus.  zu 
Hannover,  Nr.  6  u.  7  aus  Italien  (Mus.  zu  Sigmaringen.) 

Femer  von  Lindenschmit:  Alterthümer  der  Fürstl.  Sammlung  zu  Hohen- 
zoliem- Sigmaringen  auf  Tafel  XLI.  5.  Exemplare  aus  Italien,  von  denen  schon 
vorher  zwei  abgebildet  sind,  Nr.  6  u.  7. 

Auch  Genthe  erwähnt  in  seiner  bekannten  Arbeit  über  den  Tauschhandel 
der  Etrusker  nach  dem  Norden  diese  Keulenköpfe  (S.  54).  Er  erkennt  nur  die 
kleinsten  Exemplare  als  Geisseiknöpfe  an  und  hält  die  schwereren  für  Streit- 
kolben. Als  nördlichstes,  ihm  bekanntes  Stück  führt  er  ein  solches  aus  dem 
Hafen  von  Istadt  in  Schweden  an  (S.  175).  Ausserdem  zwei  Exemplare  ans 
Ungarn  (S.  147):  von  Sajö-Kerestar  (Comitat  Borsod),  noch  mit  einem  hölzernen 
Schaft  versehen,  und  ein  Stück  von  Dömös  (Comitat  Gran),  bei  welchem  die 
Schaftröhre  oben  und  unten  mit  einem  gekerbten  Wulstring  versehen  ist,  also 
ähnlich,  wie  bei  unserem. 

In  neuerer  Zeit  hat  sich  auch  Forrer  mit  diesen  Gegenständen  beschäftigt 
^md  führt  eine  Anzahl  Stücke  in  Abbildung  vor').  Er  zeigt,  dass  diese  Keulen- 
köpfe (Geisseiknöpfe)  besonders  verbreitet  sind  in  Italien  und  Ungarn,  seltener  in 
Deutschland,  Frankreich  und  der  Schweiz;  auch  aus  Aegypten  wird  ein  Exemplar 
angeführt  Er  unterscheidet  zwei  Formen:  einen  italischen  und  einen  ungarischen 
Typus,  von  denen  der  italische  durch  zahlreiche  Stacheln  und  niedere  Ringform, 
der  ungarische  durch  längere  Hülse  und  drei-  bis  vierseitig-pyramidale  Stacheln 
charakterisirt  wird.  Zwischen  beiden  Typen  finden  sich  Uebeigangsformen.  Ein 
ganz  besonders  wichtiges  Stück  bildet  Forrer  auf  Taf.  HI,   Fig.  1   ab.    Dieses 


1)  ebendas. 

2)  Verhandl.  1884,  S.  818. 

8)  Beiträge  zur  prähist.  Archäologie  von  R.  Forrer.    Strassburg  1892. 

16  • 


(244) 

Stück  giebt  zugleich  einen  Fingerzeig  für  die  Verwendung  dieser  Geräthe.  Es  be- 
steht nebmlich  aus  einer  bohlen  Eisen  spitze,  um  deren  Basis  der  Reulenkopf  Ton 
Bronze  herumläuft  und  gewissermaassen  eine  Garnitur  derselben  bildet  Diese 
Eisenspitze  mit  Reulenkopf  war  nach  Forrer's  Meinung  auf  einem  Holzstab  be- 
festigt und  diente  zu  gleicher  Zeit  als  Stimulus  und  als  Keule  zum  Antreiben 
von  Zngthieren.  Er  deutet  zum  Beweise  auf  Sculpturen  von  Beni  Hassan  in 
Aegypten  hin. 

Man  wird  zugeben  müssen,  dass  dieser  Erklärungs versuch  viel  Bestechendes 
hat  Zugleich  beweist  aber  auch  der  Eisenstacbel  des  letzt  angeführten  Exemplars, 
dass  diese  niedrigen  italischen  Stachelkeulen  nicht  mehr  der  Bronze-,  sondern 
schon  der  Eisenzeit  angehören^).  Die  Grösse  dieser  Stacbelkeulen  ist  ungemein 
verschieden.  Forrer  führt  Stücke  an  von  15  g  Gewicht.  Dass  diese  als  Keulen 
keine  nennenswerthe  Kraft  ausüben  konnten,  ist  einleuchtend;  sie  werden  in  der 
That  nur  eine  Art  von  Garnitur  gebildet  haben.  Dass  aber  die  stärkeren  und 
massiven  Exemplare,  wie  das  unsere,  geradezu  als  Waffe  gebraucht  wurden,  scheint 
mir  sicher;  denn  auch  unsere  Keule  ist  an  vielen  Stellen  ersichtlich  durch  Schlagen 
abgenützt  und  einer  der  kleinen  Zacken  ist  direct  abgeschlagen.  Jedenfalls  wäre 
es  ein  Leichtes,  mit  unserem  Stücke,  wenn  es  auf  einem  Stocke  befestigt  ist,  auch 
den  härtesten  Schädel  einzuschlagen. 

Weitere  hierher  gehörige  Geräthe  sind  bei  den  interessanten  Ausgrabungen  zum 
Vorschein  gekommen,  die  Hr.  Rösler  für  die  russische  Regierung  in  den  letzten 
Jahren  in  Transkaukasien  vorgenommen  hat.  Er  hat  in  einem  bronzezeitlichen 
Kurgan  bei  Artschadsor  Altsacben  ausgegraben,  die  ganz  unseren  Bronzekeulen 
entsprechen').  Auch  sie  bestehen  aus  einer  langen  Bronzeröhre,  die  mit  runden 
oder  vierseitig  pyramidalen  Stacheln  besetzt  ist.  Sogar  die  Vierzahl  der  herum- 
laufenden Stacheln  stimmt  mit  unseren  europäischen  Exemplaren  überein.  Ein 
Unterschied  liegt  nur  darin,  dass  diese  transkaukasischen  Keulenköpfe  nicht  an 
beiden  Seiten  offen,  sondern  an  der  einen  geschlossen  sind;  im  Uebrigen  ist  die 
Zusammengehörigkeit  offenbar.  Einige  derselben  enthalten  noch  die  Reste  des 
hölzernen  Schaftes,  so  dass  Rösler  zu  der  Meinung  kommt,  sie  hätten  den  unteren 
Abschluss  eines  hölzernen  Lanzenschaftes  gebildet.  Hierbei  wäre  wohl  ein  Grand 
für  die  Stacheln  kaum  erkennbar;  wir  werden  dieselben  daher  wohl  besser  gleich- 
falls für  den  Abschluss  von  Peitschenstöcken  zu  halten  haben,  die  zu  gleicher  Zeit 
als  Geissein  oder  Keulen  benutzt  werden  konnten,  wie  unsere  modernen  Ochsen- 
ziemer. Auch  Forrer  bildet  übrigens  in  seiner  oben  citirten  Arbeit  auf  Taf.  V» 
Fig.  1  einen  Reulenkopf  ab,  der  ganz  wie  die  transkaukasischen  an  einer 
Seite  geschlossen  und  mit  4  flachen  Stacheln  besetzt  ist,  während  er 
nach  unten  in  eine  gerade  Hülse  ausläuft,  wie  der  von  Butzke.  Dieser  Kenleo- 
kopf stellt  also  gewissermaassen  den  Uebergang  der  transkaukasischen 
Keulenköpfe  zu  den  ungarischen  Formen  her,  zu  denen  man  auch  den  von 
Butzke  rechnen  wird. 

Chemische  Analyse. 

Um  möglicher  Weise  auf  diesem  Wege  der  Zeitstellung  dieser  Bronzegeräthe 
näher  zu  kommen,  veranlasste  ich  eine  chemische  Analyse  des  Stückes.  Hr. 
Prof.  Dr.  F.  W.  Sem  ml  er  in  Greifswald  hatte  die  Güte,   dieselbe  auszufahren^ 


1)  Die  Forrer^sche  Arbeit   ist  mir  durch  L.  Lindenschmit   logftnglich   gemicbt 
worden,  wofär  meinen  besten  Dank. 

2)  Verhandl.  18%,  S.  104,  Fig.  68—71. 


(245) 

vofUr  ich  ihm  hierdurch  meinen  besten  Dank  sage.    Gr  theilt  mir  mit,  die  Bronze 
enthalte 

Kupfer 79,81  pCt., 

Zinn 19,23     ,  , 

etwas  Antimon  und  Eisen. 

Vergleichen  wir  diesen  Bernnd  mit  den  in  der  Literatur  veröffentlichten  Bronze- 
Analysen,  so  sehen  wir,  dass  diese  Bronze  jenen  granen  Bronzen  am  nächsten  kommt, 
auf  die  Tirchov  schon  öfter  hingewiesen  hat').  Von  den  angrefUhrten  Bronzen 
steht  unsere  Keule  am  nächsten  der  Scheibennadel  von  Sparow  in  Meklenbui^g 
(Husenm  zu  Schwerin).  Auch  die  eigenthUmlichen  hörnchenrörmigen  Tutuli  von 
Hisdrojr  und  CrUsaow  in  Pommern')  gehören  in  dieselbe  Qruppe.  Auf  eine  spätere, 
römische  oder  Volke rw and ernngszeit  weist  die  Analyse  nicht  hin;  die  Bronze 
wflrde  in  diesem  Falle  höchst  wahrscheinlich  Blei  oder  ZJun  enthalten.  — 


Ti^x. 


al  transkaukaBische  Form  (broniezeitUcb)  nach  BöBler,  Verh.  1896,  S.  104,  I'ig.  69. 

b)  Uebergangsfarm  (broniexejtlich)  nach  Forrer,  Taf.  V,  Fig.  1. 

c)  ungarische  Form  (bronieieitlich). 

d)  itsliacbe  Form  (eisenteitlieh)  nach  Forrer,  Taf.  IV,  Fig.  2  und  5. 


Fasse  ich  das  bisher  über  die  Kenlenböpfe  gebrachte  Malertal  zusammen,  so 
komme  ich  zu  dem  Schlüsse,  duas  dieselben  wahrscheinlich  eine  uns  ursprünglich 
fremde,  aus  dem  Orient  gekommene  Geräthform  darsteiicn.  Der  älteste  Typus 
bildet  eine  unten  offene,  oben  geschlossene,  verdickte  und  mit  Stacheln  besetzte 
Rähre  und  hat  seine  Analoga  in  Trans kaukasten.  Eine  Uebergangsform  zu  den 
folgenden  bildet  ein  Stück  bei  Forrer,  Taf.  V,  Fig.  1.  Eine  jüngere  Form 
Ut  die  ungariachc,  welche  eine  oben  verdickte,  beiderseits  offene,  und  mit  pyrami- 
dalen Stacheln  besetzte  Röhre  bildet.  Die  jüngsten  Formen  scheinen  die  italischen 
zu  sein,  die,  mit  vielen  Stacheln  besetzt,  zu  niederer  Ringform  zusammengeschrumpft 


t)  Verhandl.  I8R4,  S.  MP. 
2)  ebendas.  1890,  S.  608. 


1 


(244) 

Stück  giebt  zugleich  einen  Fingerzeig  für  die  Verwendung  dieser  Oeräihe.  Es  be- 
steht nehmlich  ans  einer  hohlen  Eisen  spitze,  um  deren  Basis  der  Reulenkopf  ron 
Bronze  hemmläaft  und  gewissermaassen  eine  Garnitur  derselben  bildet  Diese 
Eisenspitze  mit  Reulenkopf  war  nach  Forrer's  Meinung  auf  einem  Holzstab  be- 
festigt und  diente  zu  gleicher  Zeit  als  Stimulus  and  als  Keule  zum  Antreiben 
von  Zngthieren.  Er  deutet  zum  Beweise  auf  Sculpturen  ron  Beni  Hassan  in 
Aegypten  hin. 

Man  wird  zugeben  müssen,  dass  dieser  Erklärungsversuch  viel  Bestechende» 
hat.  Zugleich  beweist  aber  auch  der  Eisenstachel  des  letzt  angeltihrten  Exemplars^ 
dass  diese  niedrigen  italischen  Stachelkeulen  nicht  mehr  der  Bronze-,  sondern 
schon  der  Eisenzeit  angehören^).  Die  Grösse  dieser  Stachelkeulen  ist  ungemein 
verschieden.  Forrer  führt  Stücke  an  von  15  g  Gewicht.  Dass  diese  als  Realen 
keine  nennenswerthe  Kraft  ausüben  konnten,  ist  einleuchtend;  sie  werden  in  der 
That  nur  eine  Art  von  Garnitur  gebildet  haben.  Dass  aber  die  stärkeren  und 
massiven  Exemplare,  wie  das  unsere,  geradezu  als  Waffe  gebraucht  wurden,  scheint 
mir  sicher;  denn  auch  unsere  Reule  ist  an  vielen  Stellen  ersichtlich  durch  Schlagen 
abgenützt  und  einer  der  kleinen  Zacken  ist  direct  abgeschlagen.  Jedenfalls  wäre 
es  ein  Leichtes,  mit  unserem  Stücke,  wenn  es  auf  einem  Stocke  befestigt  ist,  auch 
den  härtesten  Schädel  einzuschlagen. 

Weitere  hierher  gehörige  Geräthe  sind  bei  den  interessanten  Ausgrabungen  zum 
Vorschein  gekommen,  die  Hr.  Rösler  für  die  russische  Regierung  in  den  letzten 
Jahren  in  Transkaukasien  vorgenommen  hat.  Er  hat  in  einem  bronzezeitlichen 
Rurgan  bei  Artschadsor  Altsachen  ausgegraben,  die  ganz  unseren  Bronzekeulen 
entsprechen').  Auch  sie  bestehen  aus  einer  langen  Bronzeröhre,  die  mit  runden 
oder  vierseitig  pyramidalen  Stacheln  besetzt  ist.  Sogar  die  Vierzahl  der  herum- 
laufenden Stacheln  stimmt  mit  unseren  europäischen  Exemplaren  überein.  Ein 
Unterschied  liegt  nur  darin,  dass  diese  transkaukasischen  Reulenköpfe  nicht  an 
beiden  Seiten  offen,  sondern  an  der  einen  geschlossen  sind;  im  Uebrigen  ist  die 
Zusammengehörigkeit  offenbar.  Einige  derselben  enthalten  noch  die  Reste  des 
hölzernen  Schaftes,  so  dass  Rösler  zu  der  Meinung  kommt,  sie  hätten  den  unteren 
Abschluss  eines  hölzernen  Lanzenschaftes  gebildet  Hierbei  wäre  wohl  ein  Grand 
für  die  Stacheln  kaum  erkennbar;  wur  werden  dieselben  daher  wohl  besser  gleich- 
falls für  den  Abschluss  von  Peitschenstöcken  zu  halten  haben,  die  zu  gleicher  Zeit 
als  Geissein  oder  Reulen  benutzt  werden  konnten,  wie  unsere  modernen  Ochsen- 
ziemer. Auch  Forrer  bildet  übrigens  in  seiner  oben  citirten  Arbeit  auf  Taf.  V, 
Fig.  1  einen  Reulenkopf  ab,  der  ganz  wie  die  transkaukasischen  an  einer 
Seite  geschlossen  und  mit  4  flachen  Stacheln  besetzt  ist,  während  er 
nach  unten  in  eine  gerade  Hülse  ausläuft,  wie  der  von  Butzke.  Dieser  Keulen- 
kopf stellt  also  gewissermaassen  den  Uebergang  der  transkaukasischen 
Keulenköpfe  zu  den  ungarischen  Formen  her,  zu  denen  man  auch  den  von 
Butzke  rechnen  wird. 

Chemische  Analyse. 

Cm  möglicher  Weise  auf  diesem  Wege  der  Zeitstellung  dieser  Bronzegeräthe 
näher  zu  kommen,  veranlasste  ich  eine  chemische  Analyse  des  Stückes.  Hr. 
Prof.  Dr.  F.  W.  Semmler  in  Greifswald  hatte  die  Güte,   dieselbe  auszuführen^ 


1)  Die  Forrer'sche  Arbeit   ist  mir  durch  L.  Linden schmit   xog&nglich  gemacht 
worden,  wof&r  meinen  besten  Dank. 

2)  Verhandl.  1896,  S.  104,  Fig.  68—71. 


I 


(245) 
wofllT  ich  ihm  hierdorch  meinen  besten  Dank  sage.    Er  theilt  mir  mit,  die  Bronze 


Kupfer 79,81  pCt., 

Zinn 19,23     „   , 

etwas  Antimon  und  Eisen. 

Vergleichen  wir  diesen  Befand  mit  den  in  der  Literatur  veröffentlichten  Bronze- 
Analysen,  so  sehen  wir,  dass  diese  Bronze  jenen  grauen  Bronzen  am  nächsten  kommt, 
anf  die  Virchow  schon  öfter  hingewiesen  hat').  Von  den  angefahrten  Bronzen 
steht  unsere  Keule  am  nächsten  der  Scheibennadel  von  Sparow  in  Ueklenbui;g 
(Uosenm  zu  Schwerin).  Auch  die  eigenthUmlichen  hörnchenrörmigen  Tntnli  von 
Misdroy  und  CrUssow  in  Pomroem')  gehören  in  dieselbe  Gruppe.  Auf  eine  spatere, 
römische  oder  Völkerwanderungszeit  weist  die  Analyse  nicht  hin;  die  Bronze 
wurde  in  diesem  Falle  höchst  wahrscheinlich  Blei  oder  Zinn  enthalten.  — 


r^i. 


a1   traoBkaukasiscbc  Form  (broniezcitUch)  nach  Bösler,  Verb.  1896,  S.  104,  Fig.  ( 

b)   Oebergangsfonn  (lironzeieitlich)  nach  Forrer,  Taf.  V,  Fig.  1. 

c}  ungarische  Fomi  (bronieieiUich). 

d)  italische  Form  (eisen: eitlieh)  nach  Forrer,  Taf.  IV,  Fig.  2  und  5. 


Fasse  ich  das  bisher  über  die  Keulenköpfe  gebrachte  Material  zusammen,  so 
komme  ich  zu  dem  Schlüsse,  dass  dieselben  wahrscheinlich  eine  uns  ursprünglich 
fremde,  ans  dem  Orient  gekommene  Geräthform  darstellen.  Der  älteste  Typus 
bildet  eine  unten  oETene,  oben  geschlossene,  verdickte  und  mit  Stacheln  besetzte 
Röhre  und  hat  seine  Analoga  in  Transkaukasien.  Eine  Ucbergangsfurm  za  den 
folgenden  bildet  ein  Stück  bei  Porrer,  Taf.  V,  Fig.  1.  Eine  jüngere  Form 
ist  die  ungarische,  welche  eine  oben  verdickte,  beiderseits  offene,  und  mit  pyrami- 
dalen Stacheln  besetzte  Röhre  bildet.  Die  jüngsten  Formen  scheinen  die  italischen 
20  sein,  die,  mit  vielen  Stacheln  besetzt,  zu  niederer  Riagform  zusammengeschrumpft 


1)  Verband].  18K4,  S. 

2)  ebendaa.  1890,  S.  C 


(246) 

sind  und  zuweilen  wohl  nur  noch  eine  Garnitur  für  eiserne  Stacheln  (stimalns) 
bildeten. 

Während  die  transkaukasischen  und  ungarischen  Formen  noch  in  die  ächte 
Bronzezeit  zu  fallen  scheinen,  gehören  die  niedrigen  italischen  Formen  schon  der 
Eisenzeit  an.  Es  scheint  sich  somit  der  in  Fig.  2  bildlich  dai^gestellte  Entwickelnngs- 
Prozess  vollzogen  zu  haben. 

Wenn  es  mit  dem  Gesagten  auch  noch  nicht  gelungen  ist,  eine  sichere  Zeit- 
bestiomiung  dieser  noch  so  wenig  bekannten  Keulen  zu  erreichen,  so  sollte  doch 
einmal  wieder  darauf  hingewiesen  werden.  In  hohem  Grade  wichtig  wäre  es, 
wenn  die  Museen  in  Süd-Deutschland  sich  entschliessen  wollten,  gleichfalls  eine 
Analyse  des  einen  oder  anderen  Stückes  vomehmen  zu  lassen;  es  geht  dies  ja 
ganz  gut,  ohne  das  Stück  zu  stark  zu  beschädigen.  — 

(22)   Hr.  R.  V.  Weinzierl  in  Prag  überschickt  folgende  Abhandlung  über 
prähistorische  plastische  Thonflgnren  aus  Böhmen. 

Plastische  Arbeiten  in  Thon,  zum  Zwecke  der  Nachbildung  von  Menschen  und 
Thieren,  sind  in  Böhmen  sehr  selten;  auch  von  anderwärts  kennen  wir  davon 
keine  grosse  Reihe,  bis  auf  den  epochalen  Fund  in  Butmir  bei  Sarajevo,  der  uns 
geradezu  mit  verblüffenden  Massen  von  neolithischen  Artefakten  entgegentritt 

Auf  die  menschlichen  Thonfigttrchen  von  dort  werden  wir  später  zurück- 
kommen. 

Von  Thierfiguren  wurden  in  Butmir  nur  wenige  verstümmelte  Körper  von  Vier- 
fUsslern  gefunden,  soweit  uns  eben  die  erste  Publication  ^  über  diese  südlichst  ge- 
legene neolithische  Station  belehrt  Die  typische  Keramik  und  deren  Verzierungs- 
Technik  bietet  dort  eine  Fülle  von  ausserordentlicher  Reichhaltigkeit  der  localen 
Entwickelung,  mit  Anlehnung  an  südliche  Cultur. 

Die  locale  Ornamentik  der  Gefässe  finden  wir  an  dem  menschlichen  Torso 
angebracht;  keine  der  omamentirten  Figuren  ist  ganz,  dagegen  begegnen  uns  dort 
unter  den  ganzen  Figürchen  nur  rohe  Formen,  mit  leichter  Andeutung  der  Ex- 
tremitäten. Immerhin  sind  diese  kräftig  modellirt  und  die  menschliche  Figur 
ist  deutlich  erkennbar. 

Die  menschliche  Figur,  welche  in  Fig.  1')  in  seiner  Vorder-,  Seiten-  und 
Rückenansicht  in  natürlicher  Grösse  abgebildet  ist,  wurde  bei  Sabnitz,  Bezirk 
Brüx,  gefunden,  und  zwar  in  einem  ovalen  Thongefässe,  das  jedoch  bei  der  Auf- 
findung zerbrochen  wurde  und  in  Verlust  gerieth'). 

Wenn  wir  diese  und  die  rohen,  ganzen  Figuren^)  von  Butmir  nebeneinander- 
stellen,  so  finden  wir  vor  Allem  eine  Uebereinstimmnng  in  der  Grösse  und  der 

1)  Die  neolithische  Station  von  Butmir  bei  Sarajevo,  herausg.  von  Badimsk^- 
Uörnes.  Wien  1896.  Textlich  finden  wir  auf  S.  2  nnd  8  einen  eingehenden  Vergleich 
mit  den  vormjkenischen  Marmor- Statuetten  aas  den  Gräbern  auf  Amorgos  nnd  anderen 
Kjkladen;  die  auf  Tafel  11  und  III  abgebildeten  Figürchen  sind  S.  14  und  15  be- 
schrieben. 

2)  Diese  und  alle  folgenden  Figuren  sind  in  natürlicher  Grösse  geseichnet 

8)  Ich  habe  diese  Figur  dem  ausserordentlichen  Entgegenkommen  des  Hrn.  0.  Scharf 
in  Brüx  zu  danken,  welcher  sich  auch  alle  erdenkliche  Mühe  gab,  die  näheren  Fundumstiade 
sichenustellen. 

4)  Taf.  n,  Fig.  10;  Taf.  lU,  Fig.  12. 


J 


(247) 

rohen  Modellining,  dabingegRo  ist  nnsere  Figur  krärtiger  als  «MenBch"  gekenn- 
zeichnet dnrch  die  heransgearbeileten  Details. 

Die  VorderanBicht  (F^.  1,  ä)  zeigt  ohb,  bei  ziemlich  flachem  Oberkörper,  einen 
kräftigen,  markant  modellirten  Mann. 

Am  Kopfe  sind  die  Angen  durch  eingestochene  Gruben,  der  Mand  ebenfalls 
nnd  quer  rertien  gezeichnet,  während  die  plnmpe,  grosse  Nase  roh  geformt  er- 
scheint. 

Fig.  1.    '/, 


Menschliche  Thoaügnr  von  Sabnitz,  in  Vorder-,  Seiten-  und  Rücken -Ausicht. 

Der  Hals  ist  nicht  angedenlet,  sondern  der  Kopf  geht  direct,  ohne  Absatz, 
zu  den  Achseln  Über,  die  abfallend  wiederum  in  einer  Linie,  ohne  merkliche  An- 
deutung, sich  in  den  äusseren  Contour  der  Arme  fortsetzen. 

Die  Anne,  von  denen  der  linke  unter  der  Achsel  abgebrochen  ist,  reichen 
bis  an  den  Bauch  und  sind  am  Körper  anliegend,  plump  und  ohne  eigentliche 
Gliederung  modellirt 

Die  Hand  ist  ganz  widernatürlich  nach  aussen  abgebogen  und  ohne  Finger- 
Gliederung.  Unter  der  Achsel  ist  eine  Vertiefung  angebracht,  um  den  aus- 
gebogenen Arm  von  dem  Körper  zu  trennen.  Der  abgebrochene  Arm  mnss  eine 
ebensolche  Stellang  gehabt  haben,  da  sowohl  die  Vertiefung  unter  der  Achsel  an- 
gedeutet,' als  auch  längs  des  Körpers  noch  Spuren  der  Ablösnng  bis  znm  Bauche 
vorhanden  sind. 


(248) 

Der  Baach  selbst  ist  flach  und  wenig  vortretend.  Die  Hüften  fallen  nahezu 
gerade  ab  und  sind  wenig  verbreitert 

Die  ansserordentlich  kurzen  Stammelbeine,  gerade  so  wie  bei  den  Figttrchen 
von  Batmir,  sind  eng  anschliessend,  mit  einem  nach  vom  kurz  abgebogenen,  an- 
gedeuteten Fnsse  versehen,  welcher  jedoch  unten  nicht  abgeplattet,  sondern  ab- 
gerundet ist,  so  dass  die  Figur  absolut  nicht  stehen  konnte.  Der  rechte  Fuss  ist 
abgebrochen. 

Die  flache  Brust,  wie  auch  der  plump  und  kräftig  modellirte  Penis  deuten  das 
männliche  Geschlecht  der  Figur  an. 

Von  seitwärts  betrachtet,  ergiebt  sich  eine  kräftige  Proflliiung  des  Unterkörpers 
mit  deutlicher  Vomeigung  des  Oberkörpers. 

Der  Kopf  geht,  nahezu  gerade,  mit  geringer  Andeutung  des  Halses,  in  den 
Rücken  über.    Die  Ohren  scheinen  schwach  angedeutet  gewesen  zu  sein. 

Die  Oberarme  sind  sehr  plump  ausgefallen,  während,  wie  auch  von  rückwärts 
zu  sehen,  das  Oesäss  kräftig  und  gut  herausgearbeitet  ist 

Auch  die  Beine  sind  durch  eine  Vertiefung  als  getrennt  gekennzeichnet 

Mittelst  eines  dünnen  Holzstäbchens  ist  der  Oberkörper  vom  Scheitel  bis  zur 
Mitte  durchbohrt,  ebenso  quer  in  der  Höhe  der  Achseln.  Wahrscheinlich  diente 
je  ein  I^ängs-  und  ein  Querholz  zur  Festigung  der  weichen  Thonmasse;  besonders 
sollte  die  Querstütze  die  Haltbarkeit  der  Arme  erhöhen,  da  dieselben,  an  den  Ober- 
körper angedrückt,  von  beiden  Enden  des  Holzes  gefasst  wurden. 

Das  Material  besteht  aus  blassrothem,  sandhaltigem  Thon  und  ist  schwach 
gebrannt 

Was  nun  den  Zweck  der  Figur  anbelangt,  so  werden  wir  es  wohl  weniger 
mit  einem  Idol,  als  mit  einer  symbolischen  Bestattung  zu  thun  haben.  Die  ge- 
krümmte Haltung  des  Körpers  und  die  abgerundeten  Füsse  lassen  darauf  schliessem 
dass  die  Figur  für  eine  liegende  Stellung  bestimmt  war.  Dazu  kommt,  dass  die- 
selbe in  einem  ovalen,  rohen  Thongefässe  gefunden  wurde,  welches  wahrscheinlich 
mit  einem  Thondeckel  geschlossen  war,  —  Umstände,  welche  die  obige  Andeutung 
der  Darstellung  einer  Bestattung  wahrscheinlich  erscheinen  lassen. 

Der  Fundort  bei  Sabnitz  ist  durch  mannichfache  neolithische  Artefakte  als 
steinzeitliche  Gulturstätte  gekennzeichnet,  so  dass  wir  auch  die  vorliegende  Figur 
dieser  Cultur- Epoche  zuweisen  können,  da  absolut  kein  Moment  einer  gegen- 
theiligen  Annahme  vorliegt.  Die  Figuren  von  Butmir  sind  bis  auf  Fig.  10,  Taf.  II 
alle  zum  Aufstellen  bestimmt  gewesen,  worauf  die  abgeflachte  Basis  derselben  hin- 
deutet 

Alle  dortigen  Figuren  sind  nackt,  wie  unsere;  nur  die  vorhin  bezeichnete  ist 
mit  einem  Halsschmuck  geziert  Die  meisten  Figuren  sind  aus  schwärzlichem 
Thon  helgestellt,  bis  auf  die  ganz  rohen,  die  unserer  Figur  nahe  stehen  und  aus 
demselben  Material,  wie  letztere,  bestehen. 

Die  Analogie  würde  eben  keine  weiteren  Schlüsse  zulassen,  theils  wegen  der 
colossalen  Entfernung  beider  Fundstellen,  theils  wegen  der  verschiedenen  Zeit- 
stellung, da  Batmir  in  das  2.  Jahrtausend  vor  Chr.  zurückversetzte  wird,  dagegen 
unser  Fundort  wohl  dem  jüngsten  Stadium  der  Steinzeit  angehört,  also  um  etwa 
1000  Jahre  unserer  Zeitrechnung  näher  gerückt  ist 

Jedenfalls  können  wir  annehmen,  dass  die  plastische  Kunst  sich  auch  bei 
so  weit  getrennt  lebenden,  einer  und  derselben  Culturstufe  angehörenden  Volks- 
stämmen ohne  jeden  Nebeneinfluss  herausgebildet  hat;  die  immerhin  noch  plampe 

1 ;  Die  neolithische  Station  von  Batmir.  S.  3. 


(249) 

« 

Aosfabning  der  vorliegenden  menschlichen  Figur,  die  im  Ganzen  doch  correcter 
niodellirt  ist,  als  die  rohen  Figuren  von  Butmir,  zeugt  schon  von  einer  vor- 
geschrittenen Auffassung  des  Modelleurs  in  Bezug  auf  sein  Vorbild. 

In  der  Steinzeit  sind  die  plastischen  Thonbilder  ebenso  selten,  wie  die  bild- 
lichen Darstellungen*)  des  Menschen  und  der  Thiere,  welche  wir  in  ganz  hervor- 
ragenden Stücken  sowohl  aus  diluvialen,  als  auch  neolithischen  Fundorten  kennen; 


1)  In  der  Collection  £.  Miksch  sen.,  Prag, 
befindet  sich  ein  Thonschiefer-Stück,  auf  welchem 
eine  menschliche  Figur  in  schlichten  Zügen  ein- 
geritxt  ist.  —  Hr.  Miksch  war  so  liebenswürdig, 
mir  dieses  Stück,  behufs  Abnahme  der  Zeich- 
nung, zur  Verfügung  zu  stellen.  Das  kaum 
etwas  mehr  als  2  mm  starke,  schwarze  Schiefer- 
Täfelchen  ist  rechteckig,  von  4,ö  x  6  c/«,  die  Ober- 
fläche zugeschliffen  und  der  obere  Rand  etwas 
ausgebogen  und  vorgeschliffen. 

Die  nebenstehende  Abbildung  stellt  das  Object 
in  natürlicher  Grösse  dar. 

Die  weibliche  Figur,  nur  im  Brustbüde  dar- 
gestellt, ist  mit  zwei  Ohrgehängen  und  einer 
hohen  Haar-Frisur  versehen.  Das  Gesicht  selbst 
ist  in  dem  Contour  des  Hauptumrisses,  welcher 
an  Stelle  des  Kopfes  eine  Schlinge  bildet,  deutlich 
durch  markant  eingeritzte  Augen,  Nase  und  Mund 
dargestellt;  das  Kinn  erscheint  ausgebrochen. 
Die  ausser  Verhältniss  grossen  Ohren  sind  mit 
Ohrgehängen  behangen,   welche  in  dieser  Form 

uns  aus  dem  Beginn  der  christlichen  Zeit  (Much,  Vor-  und  Mhgeschichtl.  Denkmäler. 
Kunsthistorischer  Atlas,  Abth.  I,  Taf.  XCVIII,  Fig.  8  u.  4,  u.  a.  0.  mehrfach  abgebildet), 
wohl  bekannt  sind,  und  auch,  da  dieselben  häufig  in  Silber  vorkommen,  imter  den  Hack- 
silber-Funden, selbst  mit  böhmischen  Herzogs-Denaren  zusammen,  gefunden  wurden. 

Die  aufstrebenden  Haare  scheinen  eine  dichte,  hohe  Frisur  mit  einem  quereingelegten 
Kranz  oder  dergleichen  zu  bilden  und  sind  bis  über  den  Vorschliff  hinab  eingeritzt.  Die 
Brust  ist  durch  einen  stark  eingeritzten  Querstrich  als  ein  gedrücktes  Dreieck  gekenn- 
zeichnet; innerhalb  der  Basis  desselben,  wie  auch  in  den  oberen  Ecken  sind  Löcher  an- 
gebracht, um  das  Befestigen  zu  ermöglichen.  An  der  linken  Seite  verläuft  eine  einfache, 
schwach  eingeritzte  Wellenlinie,  bis  gegen  die  untere  Ecke,  während  rechts  ein  Blumen- 
gebilde zwischen  zwei  angedeuteten  Blättern  emporrankt. 

Genau  besehen,  zeigt  die  ganze  Fläche  eine  Unzahl  alter  Kitze ;  die  Zeichnung  sowohl, 
wie  auch  deren  primitive  Ausführung,  würden  auf  Aechtheit  schli^ssen  lassen. 

Gefunden  wurde  dieses  Täf eichen  in  Horomßritz  bei  Prag,  gelegentlich  der  Aus- 
hebung eines  Teiches,  Ende  der  70er  Jahre. 

An  dieser  Stelle  lagen  viele  Artefakte  der  Stein-  und  Bronzezeit  Jedenfalls  gehört 
das  vorliegende  Fundobject  aber  der  jüngsten  Cultur,  etwa  dem  9.  oder  10.  Jahr- 
hundert an. 

In  diesem  Täfelchen,  wenn  wir  von  einem  mutbmaasslichen  Zwecke  sprechen  wollen, 
können  wir  vielleicht  ein  Wahrzeichen  oder  die  Bezeichnung  für  Zauberer,  Wahrsager  und 
dergl.  ersehen.    Mittelst  der  drei  Löcher  konnte  es  an  der  Hüttenthür  befestigt  werden. 

Es  würde  zu  weit  führen,  über  diesen  Gegenstand  sich  hier  mehr  auszusprechen;  es 
mag  diese  kurze  Beschreibung  und  Andeutung  über  den  Zweck  genügen,  um  so  mehr,  als 
wir  es  doch  nur  mit  einem  Streufunde  zu  thun  haben,  der  in  keinem  Zusammenhange  mit 
den  übrigen  Funden  der  tieferen  Schiebten  dieses  Ortes  steht. 


L 


(250) 

es  sind  die«  besonders  die  Fände  von  Uadelaine,  Tbayngen,  Laogerie-Basae,  der 
Höhlen  von  Mähren  o.  o.  mehr,  wovon  freilich  maDches  herroiragende  Stück  mit 
groagen  Zweifeln  betrachtet  werden  mnss. 

QrüagteDtheila  wurde  ein  Thier  zam  Vorwurfe  (Koommeo,  welches  sowohl  ge- 
zähmt, als  wild  des  HenscheD  hCchstes  Interesse  erregen  mosste. 

Vor  Allem  war  es  der  Stier,  die  rerkörperte  Stärke,  die  den  Menschen  zn 
nächst  reranlasste,  dessen  Urbild  zn  plastischen  Werken  zn  benatzen,  und  so 
finden  wir  dessen  Kopf  in  mehr  oder  weniger  correcler  Ansfahrong  theils  als  Zier- 
henkel, theils  als  Aasgnss  oder  Aufsatz  an  Pmnk-Gefässen  angebracht  Daher  sind 
Thierbilder  aus  Thon  weniger  selten;  dieselben  kommen  in  rerschiedenen  Stadien 
der  Kunstfertigkeit  vor  nnd  sind  vod  der  neoIJthiscben  Gnlturepocbe  an  durch  alle 
Caltarphasen  beobachtet  worden. 

Häufiger  kommen  in  der  Metallzeit  Thierbilder  (Stier,  Eber,  VSgel  u.  s.  w.)  aus 
Bronze,  Eisen  und  edlen  Metallen  ror;  doch  wollen  wir  diesmal  nur  die  plastischen 
Thongebilde  Böhmens  besprechen-  Stierbilder  aus  Tbon  sind  mir  bisher  nur 
fünf  bekannt  geworden,  deren  Fundverhäitnisse  genau  sichergestellt  sind,  theils 
durch  die  Nebenfunde,  tbeils  durch  die  Fu nd berichte ,  so  dass  wir  auf  sicherer 
Basis  deren  Zeitstellong  flxiren  können. 

Fig.  S.  Ein  sehr  primitiver  Stierkopf,  der  als  Oehse  an  einem  Scherben 
mit  Tnpfenleisten  nnd  Schnitt-Ornament  angebracht  ist,   aus  Podbaba  bei  Prag 


OcfäBsscbcrbe  mit  Slierkopf  als  Oehsp  von  Podbab«. 

stamnii  nnd  der  Collection  Hiksch  angehört  Der  aus  grauem,  gut  gebranntem 
Thon  bestehende  Scherben  ist  mit  grangelbem  Ueberzng  und  schwacher  Olättung  Tei> 
sehen  und  gehörte  einem  Gerdsse  mittlerer  Grösae  an.  Die  umlaufende  Tupfenleiste 
iat  durch  einen  flachen,  sehr  roh  modellirten  Stierkopf  unterbrochen,  weicher  als 
Oehse,   vertical  am  Halsgrunde,   durchstochen  ist.    Der  Vordertheil  des   Kopfes 


(251) 


/ 


▼erücal  gestellt,  ist  flach  and  herzförmig;  die  nach  oben  einwärts  und  mit  den 
Spitzen  gegen  einander  gebogenen  Homer  sind  kurz  und  plump. 

Die  Angen  sind  durch  zwei  flache  Grflbchen  angedeutet;  Nase  und  Ohren 
fehlen,  dagegen  ist  das  Maul  fixirt  und  deutlich  eingeritzt. 

Mit  einem  breiten,  kurzen  und  massiven  Halse  sitzt  der  Stierkopf  auf. 

Das  GefKss-Fragment  gehörte  offenbar  einem  bombenförmigen  Gefösse  an;  die 
Tupfenleiste  umläuft  den  oberen  Theil  desselben,  den  sanften  Bauchumfang  kenn- 
zeichnend. Diese  Leiste  ist  nicht,  wie  es  gewöhnlich  bei  neolithischen  Gefässen 
vorkommt,  roh  modellirt  und  aufgelegt,  sondern  aus  der  Masse  der  Gefässwand 
herausmodellirt.  Die  Ropföhse  wird  sich  wohl  drei-  oder  viermal  im  Umfange 
wiederholt  haben. 

Der  Scherben  selbst  trägt  jenes,  dieser  Gefassform  ganz  typisch  eigene  Schnitt- 
Ornament  von  geraden  und  krummen,  eingeritzten  Linien,  die  uns  hauptsächlich 
von  der  Keramik  dieser  neolithischen  Station  in  den  Collectionen  das  Museum 
regni  Bohemiae  und  der  HHm.  Dr.  Berger,  Miksch,  Jira  in  Prag  bekannt  ist*}. 
Noch  soll  nicht  unbemerkt  bleiben,  dass  die  Tupfenleiste  in  Verbindung  mit  dem 
charakteristischen  Ornamente  und  der  Gefassform  bisher  nicht  beobachtet  wurde, 
wie  überhaupt  das  Leisten-Ornament  auf  diesen  typischen  Gelassen  sehr  selten  ist'). 

Gefunden  wurde  das  interessante  Geföss-Fragment  inPodbabain  neolithischen 
Culturgruben  nebst  anderen  steinzeitlichen  Gefössscherben  mit  Warzen-,  Leisten-, 
Stich-  und  Schnitt-Ornament,  die  theil  weise  den  bekannten  bombenförmigen,  boden- 
losen Gefässen  angehörten. 

Hr.  E.  Miksch  sen.  hatte  die  Liebenswürdigkeit,  mir  das  Fragment  und  den 
Fundbericht  zur  YerHigung  zu  stellen. 

Fig.  8.  Im  Museum  regni  Bohemiae  befindet  sich  in  der  neolithischen  Ab- 
theilung ein  Gefass-Fragment  mit  einem  schönen,  kräftig  modellirten  Stierkopf  von 
Öerny  yül  (Schwarz-Ochs),  Bezirk  Smichov. 

Dieser  ausserordentlich  schön  modellirte  Stierkopf  trägt  grosse,  starke,  nach 
auswärts  aufgebogene  Homer  (das  rechte  Hörn  ist  abgebrochen).  Die  Augen  sind 
nur  ganz  flachgrubig  angedeutet,  Ohren  sind  nicht  vorhanden.  Das  Maul  ist 
deutlich  eingedrückt  gekennzeichnet,  die  Nasenlöcher  darüber  durch  eingestochene 
Punkte  fixirt 

Der  kräftige  und  proportionirt  lange  Hals  ist  mit  zwei  doppelten  Tupfenreihen 
in  spiraliger  Anordnung  geziert. 

Auf  der  Stirn  sehen  wir  in  Dreieckform,  paarweise  gegen  die  Nase  zu  ver- 
laufende, tiefe,  eingestochene  viereckige  Grübchen. 

Dieser  Stierkopf  wurde  nebst  mehreren  dazu  gehörigen  Scherben,  welche  alle 
das  typische,  eingestochene  Ornament  von  Premysleni,  Podbaba,  Leitmeritz,  Lobo- 
sitz  u.  s.  w.  tragen,  gefanden  imd  gehört  einem  Prunkgefässe  an,  welches  in  Inter- 

1)  Diese  bisher  nur  aas  den  neolithischen  Caltargraben  bekannte  Keramik  ist  auch 
sonst  über  die  neolithischen  Stationen  der  nördlichen  Hälfte  Böhmens  verbreitet.  Ebenso 
sind  ans  solche  Gefftsse  aus  Mährens  steinzeitlichen  Ansiedelungen  und  Höhlen  bekannt. 
Verflossenen  Winter  gelang  es  mir,  solch  ein  bombenförmiges  Gef&ss,  mit  seinem  charak- 
teristischen Ornament  und  mit  Oehsen  versehen,  in  einem  neolithischen  Skeletgrabe 
bei  Lobositz  zu  constatiren;  es  war  dies  das  erste  Mal,  dass  dieser  Gefässtypus  an  einer 
„Urne*  gefunden  wurde.  In  einer  späteren  Publication  will  ich  in  ausführlicher  Weise 
darauf  zurfickkommen. 

2)  Ein  ganz  erhaltenes  Exemplar  mit  sehr  schönem  Leisten- Ornament  besitze  ich  aus 
der  Gegend  von  Fürwitz,  nordwestliches  Böhmen;  dieses  interessante  Gef&ss  ist  publicirt 
in  den  „FrShistor.  Blättern**,  VII.  Jahrg.,  Nr.  2/B,  und  auf  Tafel  IV  abgebildet 


Tallen  aufstrebende,  säolenartige  Fortsätze  hat,  die  den  Band  tiberragen,  and 
welches  allem  Anschein  nach  kantig  und  geradwnndig  war,  wie  wir  ähnliche  Oo< 
rässe  bei  Qötze')  finden. 


Stierkopf,  ornunentirt,  Aufsati  eines  PrankgcfisscH  von  Cero;  vtil. 

Ansserdem  kamen  in  den  GnltDr^uben  noch  Fragmente  mit  Band-Keramik  ror. 

Dem  Material  nach  besteben  die  Scherben  aus  grauem,  gnt  gebranntem  Thon 
und  sind  wenig  geglättet. 

Die  Scherben  der  tieferen  Schichten  dieser  GuUnrgmhcn  sind  der  neolithischen 
Culturepoche  zuzuschreiben,  nebat  den  Bein-  und  Stein- Artefakten,  während  einige 
ausgelegte  bronzezeitliche  Scherben  der  Nach  besiede  iung  angehören. 

Dieser  ausserordentlich  interessante  Fund  wird  demnächst  durch  den  CubIos 
Hm.  Prof.  Dr.  Pi£  pnblicirt  werden.  Für  die  dennoch  in  freundlichst  entgegen- 
kommender Weise  gestattete  Abbildung  des  Torliegendcn  Objectes  kann  ich  nicht 
umhin  an  dieser  Stelle  meinen  Dank  zum  Ausdruck  zu  bringen. 

Fiy;.  4.  Dieser  prächtig  modellirte  Slierkopf  besteht  aus  röthüch-gelbem  Thon. 
ist  gut  »geglättet  und  gebrannt,  vollkommen  dünnwandig  und  hohl  und  war  offenbar 
der  Ausguss  eines  Oefässes,  welches  zu  einem  ganz  bedeutenden  Umenfunde 
gehörte'). 


1)  .Die  GofiiasfoTnion  and  Omamcnlc  der  nfulith.  tichnurren.  Keramik'  D.s.  w.  Taf.  I. 
Fig.  47. 

2)  P«Diltk;  arcb.,  XVI,  mit  einer  Tafel.     Kr^flniDug,  XVH,  Heft  4,  S.  3G0.  —  Pri- 
bistoriBcbe  Blltter,  HünclKn  1HU6,  VII].  Jahr^'..  Nr.  2. 


(253) 

In  Wiessen  bei  Sanz  wurden  zwei  Brandgräber  gefnaden,  wovoo  da«  eine 
anter  Anderem  4  prachtvoll  ornameutirte  und  gegliederte  Urnen*)  gleichen  Materials 
enthielt,  welche  wir  wohl  als  qaadische  Keramik  ansehen  können. 

Zn  den  zerbrochenen  Urnen  gehört  auch  das  Fragment,  welches  als  Aosguss 
diente  oder  denselben  andeutete  und  uns  vorliegt 

Die  breite  Stirn  trägt  starke  nnd  lange,  nach  vom  ab-,  mit  der  Spitze  aurwärts 
gebogene  Hörner  (das  linke  Hörn  ist  abgebrochen). 

Die  Augen  sind  als  tiefe,  runde  Grübchen  eingedrückt. 

Fig.  4.    V, 


Stierkopf,  Aaegass  eines  PrunkgeflsBeB,  von  Wiesaen  bei  Siai. 

Der  nach  vom  stark  verengte  Kopf  läsat  die  Nasenlöcher  deutlich  erkennen. 
Das  Maul  ist  quer,  tief  und  gerade  eingedrückt;  in  seiner  Mitte  mündet  die  runde 
AusflnssöfTnang. 

Die  Ohren  sind  nicht  angedeutet. 

Der  Hals  ist  knrz  und  breit,  nnd  geht  direct,  ohne  abgesetzt  zu  sein,  in  die 
Gefasswand  über. 

Der  ganze  Stierkopf  ist,  wie  bereits  erwähnt,  geglättet  und  nicht  orna- 
mentirt. 

Welche  Form  dieses  Prunk-  und  GrabgeHiss  hatte,  ist  nicht  zu  constatiren,  da 
unter  all'  den  Scherben  der  zerbrochenen  BeigelUsse  anch  nicht  ein  einziges  Frag- 
ment za  unserem  Stierkopf  paaste. 

Das  Material  ist  vollkommen  gleich  jenem  der  prachtvollen  Aschenamen,  die 
glücklicher  Weise  erhalten  blieben. 

1}  Den  ganzen  Grabfund,  sowie  auch  den  pi&chtjgen  Stierkopf  verdanke  ich  Um.  Qend.- 
Wachtmeister  Job.  Bart]  in  Kolleschowitz.  dessen  regem  Interesse  fSr  die  prShistoriscben 
Funde  des  Qoldbach-Gebietes  und  dessen  Sammeleifer  ea  aberbaapt  lu  danken  ist,  das« 
so  mancher  wichtige  Fand  vor  dem  Untergänge  gesehfitit  und  erhalten  geblieben  ist.  Es 
verdient  dies  am  so  mehr  lobend  hervorgehoben  zu  werden,  da  in  vielen,  an  Fanden  reichen 
Oegepden  Böhmens  niemand  da  ist,  der  der  Drgeschichts-Foischung  irgend  eia  Interesse 
entgegen  bringt  Hrn.  Bartl  verdanke  ich  die  eingehendsten  Fnndberichte,  Local- 
skiiien  n.  t.  w.,  so  daas  ich  nur  einer  angenehmen  Pflicht  nachkomme,  wenn  ich  genanntem 
Herrn  an  dieser  Stelle  meinen  besonderen  Dank  abstatte. 


(254) 

Wie  in  jenem  Aufsatze  in  den  Pamdtky  arch.  and  den  Prähistorischen  Blättern 
klai^legt  ist,  lässt  sich  ohne  Weiteres  heute  eine  bestimmte  Zeitstellung  für  diese 
ßrandgräber  noch  nicht  fixiren. 

Vor  Allem  erinnert  der  Aufbau')  und  die  Yerzierungstechnik  mit  allen  Motiven 
dieser  Urnen  an  jene  der  merovingischen  Skeletgräber  von  Podbaba,  Uherec  und 
VinaHc,  wiewohl  diese,  ganz  abgesehen  von  der  Bestattungsart,  roher  in  der  Aus- 
führung erscheinen,  massiv,  kleiner  gehalten  und  graphitirt  sind. 

Eine  grössere  Annäherung  zeigt  diese  Keramik  zu  der  in  den  Gräberfeldern 
der  Völkerwanderungzeit  ron  Wehden,  Loxstedt  und  Alten walde  im  Hannoverschen ; 
wir  wollen  daher  unsere  Gräber  ebenfalls  in  diese  Zeit  versetzen  und  glauben,  wenn 
wir  dieselben  den  Quaden  zuschreiben,  keinen  Fehlgriff  gethan  zu  haben. 

Leider  ist  bis  jetzt  in  Wiessen  kein  neuer  Fund  gemacht  worden,  auch  ist 
Ton  früher  keinerlei  Metall-Artefakt  bekannt,  welches  mit  diesen  Leichenbrand- 
Oräbern  in  einem  Zusammenhange  stände. 

Hoffentlich  bringt  uns  die  Zukunft  nähere  Aufschlüsse.  — 

Von  den  Nachbildungen  der  Vierfüssler  in  Thon  liegt  uns  ein  recht  interessanter 
Fund  vom  „Schlauer  Berge^  vor,  welcher  im  Museum  reg.  Boh.  in  der  ersten 
Abtheilung  der  neolithischen  Ansiedelungen  deponirt  und  ausgestellt  ist;  der- 
selbe besteht')  aus  zwei  ausserordentlich  roh  gebildeten,  ungleich  grossen  Stier- 
figuren [Fig.  5a  und  b]. 

Die  grössere  Stierfigur  (a)  hat  einen  walzenförmigen  Körper,  der  von  vier  rudi- 
mentären Füssen  getragen  wird  und  einen  unproportionirten,  grossen  Kopf  hat.  Die 
kräftig  modellirten  Hörner  sind  nach  auswärts  gebogen,  der  Kopf  ist  durch  einen 
^chnabelartigen,  abwärts  gerichteten  Fortsatz  angedeutet. 

Rückwärts  läuft  der  Körper  in  eine  stumpfe  Spitze  aus. 

Das  kleinere  Stierbild  (b)  besteht  eigentlich  der  Hauptsache  nach  aus  zwei 
aufwärts  geschwungenen,  mächtigen  Hörnern,  zwischen  welchen  sich  ein  kurzer, 
nach  rückwärts  zugespitzter  Körper  fortsetzt,  der  von  drei  kleinen  Stnmmelfüssen 
l^etragen  wird. 

Beide  Stierbilder  sind  jedenfalls  der  primitiven  Kunstfertigkeit  einer  Hand  ent- 
sprungen und  bestehen  aus  gebranntem,  grauem  Thon. 

Trotz  dieser  rohen  Ausführung  zeigen  sie  deutlich  eine  Idealisirung  der 
„Kraft^,  indem  das  Hauptgewicht  des  Modelleurs  auf  die  gefährliche  Wehr  des  Urs 
gelegt  wurde. 

Es  ist  dem  prähistorischen  „Künstler"  gelungen,  —  wir  müssen  dies  trotz  der 
scheinbar  ausserordentlich  rohen  Arbeit  sagen,  —  die  idealisirte  Kraft  vollkommen 


1)  Bei  Büschlng,  „Die  heidnischen  Alterthümer  Schlesiens *',  finden  wir  auf  dem  Titel- 
blatte in  Fig.  2  eine  kleine  Urne,  die  jedoch  graphitirt  ist,  abgebildet,  welche  an  den 
Aufbau  und  die  Verzierungsmotive  unserer  Urne  erinnert:  sie  ist  in  den  „Prälüst.  Blättern*^ 
(Fig.  2)  abgebildet.  Auch  die  kleinen  Urnen  des  Titelblattes,  Nr.  8  und  9,  weisen  das 
auf  unseren  Urnen  noch  vorhandene  Zicksackband  auf.  Schon  in  den  Pani&tkj  arch.  und 
den  Pr&hist.  Blättern  erwähnte  ich  seiner  Zeit,  dass  einzelne,  älteren  Culturphasen  an- 
gehörige  Verzierungsmotive  bei  unseren  Urnen  von  Wiessen  sich  wiederholen  und  trotz 
der  grossen  Zeitintervalle  auch  noch  im  Aufbaue  bekannte  Gliederungen  vorkommen. 

2)  Pamätky  arch.,  XVU,  Heft  4,  Taf.  XXXHI,  Fig.  21  und  22.  Schmidt  verweist 
auf  die  einzelnen  Culturphasen,  beschreibt  in  übersichtlicher  Weise  die  im  Mus.  reg.  Boh. 
deponirten  Fundobjecte  und  berücksichtigt  die  beiden  Thonbilder  in  kunen  Worten  als 
zwei  primitiv  verfertigte,  thierähnliche  Figuren,  welche  jedenfalls  nur  eine  „Kinderarbeit* 
darstellen.  Auch  die  Abbildung  dieser  beiden  Objecte  wurde  mir  von  Seiten  des  Hm. 
Prof.  Dr.  PiÖ  freundlichst  gestattet. 


(255) 

zum  Aoadrack  za  bringen.  Und  selbst  wenn  es  nur  kindliche  Anfange  der  Plastik 
wfiren,  so  sehen  wir  gerade  darin  das  wichtige  Haaptmoment  der  Idee  bereits  ver- 
körpert; es  ist  dem  rohen  ürbilde  das  richtige  GhankleristikoD  gegeben,  so  daas 
wir  auch  keinen  Moment  ansser  Zweifel  über  die  Deutung  sein  kennten,  selbst 
wenn  wir  die  räthselhafte,  kleine  Figur  allein  in  die  Hand  bekämen. 

Fig.  &.    V, 


Zwei  primitive  Steinfi^ren  vom  Schlauer  Berge. 

Die  neolithische  Ansiedelung  anf  dem  „Schlaner  Belage"  ist  ganz  bedeutend. 
Wir  sehen  von  dort  in  der  Vitrine  des  Museums  ausgelegt:  Pfriemen  aus  Knochen, 
Feuerstein-Pfeilspitzen  und  -Messer,  -Schaber  nebst  Fragmenten,  Geräthe  aus 
Hirschhorn,  Thonlöffel,  Wirtel  aus  Thon,  neolithische  Keramik,  Ansa  lonata.  Die 
Nacfa-Besiedelung  war  zunächst  bronzezeitlich,  wiewohl  die  bemaltne  Scherben  als 
noch  jünger  zu  deuten  sind.  — 

Anf  dem  „Hrädek"  bei  Öaslao,  wo  Hr.  Gl.  Cermäk  schon  oftmals  erfolgreiche 
Grabungen  vorgenommen  hat,  wurde  in  einer  Tiefe  von  40  cm,  in  der  obersten 
und  jBngsten  slavischen  Culturschicht  dieser  Ansiedelung,  ein  sehr  nettes 
Krügelchen  gefunden,  das  einen  schön  modellirten  Widderkopf  tragt  [Fig.  6]')- 
Dasselbe  stand  in  einer  Steinkammer,  welche  aus  platten  Steinen  zusammengestellt 
war.  Daneben  fand  man  zwei  sehr  schön  omamentirte  Deckplatten  von  Bein- 
kSnunen. 

Das  kleine  Gefäsa  besteht  aus  lichtgrauem  Thon,  der  stark  glimmerhaltig  und 

1)  Durch  die  freundliche  üeberseudung  des  Gef&sses  und  des  Fundberichtes  durch 
Hrn.  Cl.  Ceimik  in  Öaslau  ist  ea  mir  mSglich,  eine  uaturgetreue  AbbUdung  zu  briagen 
weibalb  ich  genanntem  Herru  meinen  besten  Dank  ausspreche.  t 


(-'56) 

gut  gebrannt  ist.  Aus  der  starken  W^andang  ist  sowohl  der  Kopf  des  Widders, 
als  das  Hintertheil  mit  dem  kurzen  Schwänze  heraasmodellirt.  Der  Kopf  ist  mit 
ZuhülfeDahme  eines  Spatels  scharf  gezeichnet,  die  starken  und  eingebogenen  Hörner 
sind  proportional;  die  Ausführung  lässt  auf  eineu  geübten  Modelleur  schliessen. 
Die  Augen  sind  durch  tiefe  Grübchen  angedeutet,  Manl  und  Nase  nicht  be- 
zeichnet. Die  entgegengesetzte  Seite  des  Gefässes  ist  unter  dem  vertical  auf- 
steigenden  Halse  etwas  eingedrückt,  aus(;ezogen  und  endet  in  einen  kurzen  und 
breiten  Schwanz.  Das  Gefäss  verbreitert  sich  stark  nach  unten  and  hat  einen 
nicht  ganz  kreisrunden  Boden.  Auf  dem  kurzen  Halse  ist  ein  breiter,  ausladender 
Rand  aufgesetzt,   der  auf  der  Innenfläche  mit  einer  Reihe  grober,   eingestochener 

Fig.  G.    V, 


W j dller- ' iefäss  aas  dem  Hriidet  von  ','H'ilau. 

Punkte  geziert  ist;  diese  setzen  sich  auch  in  die  innere  llalswandung  des  Ge- 
fässes  fort. 

Unter  dem  umgebogenen  Rande  verläuft  eine  kurze,  eingedrückte  Wellenlinie, 
die  ziemlich  undeutlich  und  flüchtig  ausgeführt  ist.  Unter  derselben,  etwa  in  der 
Höhe  der  Homer,  ist  eine  unregelmüssige  Reihe  eingedrückter  Punkte,  aber  nur 
auf  einer  Seite,  angebracht.  Darunter  läuft  eine  flache  und  ausgedehntere  Wellen- 
linie um  das  Gefäss. 

Dem  Material  und  den  Verzierungsmotiven  nach  gehört  das  kleine  Krügelchen 
von  vornherein  dem  Burg  wall -Typus  an;  in  den  böhmischen  Ansiedelungen  der 
slavischen  Burgwallzeit,  in  den  gleichzeitigen  Rcihengräbem ,  Anden  wir  dieselbe 
Keramik.  Das  vorliegende  GeHiss  gehurt  der  jüngsten  Zeitphase  dieser  Epoche 
an  und  dUrlte  in  die  erste  Zeit  der  böhmischen  Bcrs^öge  fallen. 


(257) 

üeber  den  Zweck  dieses  mit  einem  „"Widder*  verzierten  Getusses  lässt  aich 
nicbt  viel  sagen;  wabrBcheinlich  haben  vir  es  mit  einem  Votirgefäss  zu  thnn. 

Das  interessaDte  „Widder-Gefäss"  gehört  dem  Museums-Verein  „Vtela  ^asIavskA" 
in  Caslau  und  wird  im  dortigen  Uuseum  aufbewahrt,  welches  auch  eine  reichhaltige 
Collection  vom  „Hrädek"  enthält,  die  eine  gute  Uebersicht  Über  jene  slavische 
Caltnrperiode  gewährt  — 

Auch  liegt  uns  in  Fig.  7  eine  Vogel-Darstellung')  in  Thon  vor. 


Vogelfignr  (Schwan?)  von  Havrau,  Bröi. 

Das  interessante  Object  besteht  aus  rothem  Thon  und  ist  mit  einer  gut  ge- 
glätteten Thonschicht  mit  sehr  fein  vertheilten  Glimmerth eilchen  Überstrichen;  es 
ist  scharf  gebrannt. 

Der  lange  Hals,  welcher  in  einen  kleinen  Kopf  mit  Schnabel- Ansatz  asstäafi, 
berechtigt  zu  der  Annahme,  dass  wir  es  mit  einem  Schwanenbilde  zu  thnn  bat)en, 
worauf  auch  die  Körperform  und  das  kurze  Schwanzende  deuten  würden.  Der 
Uala  verbreitert  sich  „verkantig"  und  allmählich  dem  Körper  zu,  der  in  sanfter 
Abrundung  der  Brust  sich  erweitert,  jedoch  gegen  den  Schwanz  zu  rasch  abnimmt 
und  in  eine  stampfe  Spitze  verläuft.  Die  vordere  Fläche  ist  mit  tiefen,  vom 
Kopfe  bis  zum  Schwanzende  parallel  verlaufenden  Rillen  verziert.    In  der  Mitte  des 

1)  Diese  Art  der  Tegel -Darstellung  ist  gani  einzig  und  diente  offenbar  nicht  als 
SpielicDg.  Seine  zeitliche  Stellung  ist  durch  keinerlei  Hinweis  klargestellt;  für  die  Za- 
knnFt  muss  das  Fundfeld  genau  beobachtet  werden,  um  durch  weitere  Funde  prähiBtoriscber 
Objecte  die  betreffende  Culturepochc  bestimmen  lu  können.  Dem  äasseren  Ansehen  und 
Material  nach  dürfte  diese  Vogelfigur  wohl  noch  vorchristlich  sein,  da  in  der  Umgebung 
dieses  Fundortes  bereits  iwei  tjpj  seh -römische  Bronzefibeln  gefunden  wurden,  die  im 
Brüier  Museum  aufbewahrt  werden. 


1 


(258) 

Körpers,  am  Bauche,  sind  zwei  hintereinander  stehende,  tief  ein^stochene  runde 
Löcher,  die  zur  Aufnahme  von  Stäbchen  dienten,  welche  als  Füsse  fungiren  mussten. 

Von  dieser  Yogelfigur  wurden  zwei  ganz  gleich  gebUdete,  jedoch  in  der  Grösse 
verschiedene  Exemplare  bei  Havrau,  Bez.  Brüx,  ausgegraben  und  ohne  näheren 
Fundbericht  dem  Brüxer  Museum  übergeben. 

Das  kleinere  Exemplar,  welches  abgebildet  ist,  wurde  mir  von  dem  Brüxer 
Museum  durch  Hm.  Scharf  im  Tauschwege  freundlichst  überlassen,  während  das 
grössere  in  der  dortigen  prähistorischen  Abtheilung  der  Sammlungen  bewahrt 
wird.  — 

Dies  sind  alle  mir  bisher  bekannt  gewordenen  plastischen  Thonfiguren,  welche 
unter  möglichst  sichergestellten  Fundumständen  aus  Böhmen  stammen. 

Unter  diesen  9  Objecten  befindet  sich  nur  eine  menschliche  Figur  (Fig.  1), 
dagegen  5  Stierbilder,  worunter  3  Köpfe  und  zwei  ganze  Figuren,  1  Widder  und 
eine  Yogelfigur,  bezw.  zwei  einander  ganz  ähnliche,   ungleich  grosse  Vogelbilder. 

Nach  genauer  Erwägung  aller  Fundumstände  der  einzelnen  Objecte  würde 
deren  Zeitstellung  folgendermaasssen  zu  ftxiren  sein. 

Der  neolithischen  Culturepoche  gehören  an: 

Fig.  1.    Die  menschliche  Figur  von  Sabnitz  bei  Brüx; 
Fig.  2.    Der  Stierkopf  als  Oehse  von  Podbaba  bei  Prag; 
Fig.  3.    Der  prächtige  Stierkopf  von  Öemy  vul  bei  Prag; 
Fig.  5.    Die  beiden  Stierbilder  vom  Schlaner  Berg. 

Der  Yölkerwanderungszeit  gehört  an: 
Fig.  4.    Der  Stierkopf  von  Wiessen. 

Derselben,  wenn  nicht  einer  noch  jüngeren  Zeitperiode  gehören  an: 
Fig.  7.    Die  beiden  Yogel- (Schwan-)  Bilder  von  Havrau  bei  Brüx. 

Dem  Beginn  der  historischen  Zeit  (slavisch)  gehört  an: 

Fig.  6.    Das  kleine  Krügelchen  mit  dem  Widder  vom  Hrädek  bei  Ca$lau. 

Fig.  1,  4  und  7  befinden  sich  in  meiner  Collection,  Fig.  3  und  5  im  Museum 
Regni  Bohemiae,  Fig.  2  in  der  Collection  E.  Mi k seh  sen.,  Prag,  und  Fig.  6  in  den 
Sammlungen  des  Museum-Vereins  „Vcela  ^aslavskd^  in  Caslau. 

Fraglich,  bezüglich  der  Zeitstellung  bleiben  nur  die  beiden  Vogel-Figuren  (Fig.  7), 
da  dieselben  als  Streufund  ohne  jeden  Nebenfund,  der  irgend  welche  directen  An- 
haltspunkte bieten  könnte,  ausgeackert  wurden. 

In  Bezug  auf  die  Nachbargebiete  Böhmens  finden  wir  zunächst  Analogien  der 
Metallzeit  in  den  Mährischen  Funden  (Byciskala-Höhle)  in  dem  berühmten  Stiere, 
den  Dr.  Wankel  gefunden  und  beschrieben  hat.  Nordöstlich  begegnen  uns  in  der 
Cultur  der  Lausitzer  und  schlesischen  ümengräber  einige  plastische  Thonbilder, 
Vogel- Darstellungen  an  Qefässen;  im  Südosten  treten  uns  zunächst  die  Vogel- 
Piguren  aus  Thon  von  Lengyel  (Wosinsky,  Taf.  XXXIV)  und  ein  Gefässhenkel 
in  Thiergestalt  aus  demselben  Material  entgej^en. 

Die  Metallzeit  Ungarns  bietet  eine  reiche  Auswahl  von  Thierbildem. 

Auch  die  sogenannten  Mondbilder  und  Idole  von  Thon,  besonders  jenes  von 
Oedenburg,  wären  zu  diesen  plastischen  Gebilden  heranzuziehen. 

Ebenso  bieten  uns  die  beiden  Oesterreich  und  weitergehend  die  südlicheren 
Provinzen,  sowie  auch  Bayern  treffliche  Analogien,  wovon  uns  die  Thonfiguren 
von  Gemeinlebam  nähergerückt  erscheinen.  Es  seien  nur  flüchtig  erwähnt:  der 
flgurenreicbe  Bronze-Wagen  von  Strettweg;  die  Blei-  und  Bronze-Figuren  aus  den 
Grabhügeln  von  Frögg,  Watseh  u,  a.  m.  Von  böhmischen  Metall-Figuren  seien  vor 
Allem  hervorgehoben:    Der  Bronze-Eber  aas  der  Sarka  (Mus.  Reg.  Boh.);  eine 


(259) 

grosse  Fibula  mit  Stierbild  von  Premysleni  bei  Rostock  (Mus.  Reg.  BohO'  ^'^^^ 
kleine  Bronze-Stiere  fraglicher  Provenienz,  die  in  Privathänden  sind;  eine  kleine 
Bronze-Fibula,  deren  Bügel  durch  eine  schlanke,  grossgehörnte  Stier-Figur  gebildet 
ist  (Brttxer  Museum)  u.  s.  w.  Eine  grössere  menschliche  Bronze-Figur,  die  bei 
KauHm  gefunden  wurde  und  auf  der  ethnographischen  cecho-slavischen  Ausstellung 
in  Prag  im  Jahre  1895  einiges  Aufsehen  unter  Fachgenossen  hervorrief  (Casopis 
spol.  pf.  Staro2.  Öeskych,  IV,  l),  welche  aber  des  mangelhaften  Fundberichtes 
wegen  nicht  zeitlich  sichergestellt  werden  kann.  Ueberdies  besteht  diese  Figur 
aus  zwei  Theilen:  der  Kopf  und  Hals  ist  auf  der  Achsellinie  „aufgelöthet*',  was 
dem  Granzen  eine  fragwürdige  Aechtheit  aufbürdet;  der  untere  Theil,  der  Körper 
selbst,  scheint  älter  zu  sein,  als  der  Kopf.  — 

Ausser  diesen  genannten  Metall-Figuren  giebt  es  noch  einige  fraglicher  Her- 
kunft, die  ich  nicht  näher  in  Betracht  ziehen  will.  — 

Es  wird  mit  dieser  allgemeinen  kurzen  Uebersicht  der  Figuren  —  den  mensch- 
lichen und  thierischen  Thon-  und  Metall-Bildern  —  Böhmens  und  der  Nebenländer 
keineswegs  eine  vergleichende  Studie  bezweckt,  sondern  sie  soll  nur  als  flüchtiger 
Hinweis  der  Analogien  zu  Böhmen' s  plastischen  Thonbildern  dienen.  Aus  diesen 
7  böhmischen  Funden,  gegenüber  der  ungeheuren  Menge  von  prähistorischen 
Artefakten,  ersehen  wir  die  grosse  Seltenheit  derartiger  ^Kunst-Erzeugnisse'^  und 
ist  es  um  so  interessanter,  unter  dieser  immerhin  geringen  Zahl,  vier  Funde  der 
neolithischen  Gulturepoche  zuweisen  zu  können. 

Was  den  Zweck  dieser  Thonbilder  anlangt,  so  können  wir  zunächst  die 
menschliche  Figur,  wie  schon  Eingangs  auseinandergesetzt,  als  einem  symbolisirten 
Cultzwecke  dienend  uns  erklären.  Die  Fundverhältnisse  deuten  auf  die  Dar- 
stellung einer  Handlung,  die  dem  primitivsten  Menschen  den  Glauben  an  ein 
weiteres  Seelenleben  aufdämmern  Hess.  Der  Mensch  gab  seinem  verstorbenen 
Mitmenschen  eine  gesicherte  Ruhestätte,  Waffen  und  Schmuck  Hess  er  ihm 
pietätvoll  und  legte  Speise  und  Trank  bei,  damit  der  Todte  die  lange  Wanderung 
nicht  ohne  Stärkung  vollbringe.  Unsere  nackte  Figur,  die  vielleicht  mit  Geweben 
umwickelt  war,  legte  er  zum  Schutze  in  ein  wannenartiges  Gefäss,  bedeckte  dieses 
und  begrub  dieselbe  in  dieser  schützenden  Hülle. 

Der  Todencult  bedingte  FestHchkeiten;  heilige  Haine,  geweihte  Hügel  wurden 
an  Gedenktagen  betreten  und  Opfer  an  der  Ruhestätte  der  Verehrten  niedergelegt. 
Auch  diese  Figur  kann  zu  einem  ähnHchen  Anlasse  gefertigt  worden  sein. 

Die  drei  Stierköpfe  (Fig.  2.  3  u.  4)  haben  einem  bestimmten  Zwecke  gedient, 
abgesehen  davon,  dass  das  Urbild  der  Stärke  und  Gewalt  symbolisirt  wurde,  sie 
waren  dazu  bestimmt,  den  Gefässen  eine  besondere  Zier  zu  sein.  Einerseits  ist 
aus  der  Oehse  kunstfertig  ein  schlichter,  aber  dennoch  scharf  markirter  Stier- 
kopf modellirt  worden  (Fig.  2),  andererseits  bildete  Fig.  3  einen  hervorragenden 
Theil  des  Aufsatzes,  welcher  über  den  Rand  eines  besonders  geformten  Gefässes 
hervorragte.  Dieser  Kopf  trägt  überdies  auch  das  typische,  eingestochene  Ornament 
jener  Keramik,  die  wir  dem  Ende  der  neoHthischen  Gulturepoche  zuschreiben  und 
die  in  Böhmen  so  ziemlich  überall  auftritt,  wo  diese  Culturstufe  constatirt  ist. 

Endlich  bildet  Fig.  4,  ein  ausserordentlich  schön  und  sorgfältig  modelHrter 
Stierkopf,  den  Ausguss  eines  Prunkgefässes ,  von  dessen  Form  wir  leider  keine 
Idee  haben,  da  die  übrigen  Scherben  verloren  gingen. 

Die  beiden  Stier-Bilder  (Fig.  5),  die,  ohne  jede  Kunstfertigkeit,  in  ausser- 
ordentlich simpler  Weise  der  Ausführung  die  ganze  Figur  zur  Anschauung  bringen, 

IT* 


(260) 

erfordern  eine  einigermaassen  regere  Phantasie,  um,  besonders  in  dem  kleineren 
Objeete,  das  Stierbild  zu  erkennen. 

Diese  „Idole^  sind  vielleicht  nur  als  Anfangender  plastischen  Kunst  des  Yer- 
fertigers  anzusehen.  Das  kleine  Krügelchen  mit  dem  Widderkopf  (Fig.  6),  dessen 
prächtige  Darchführung  schon  eine  vorgeschrittene  Zeit  verräth,  ist  ein  Prunk- 
oder  Votivgeföss,  welches  seine  classischen  Vorbilder  hat  und  nicht  mehr  der  prä- 
historischen ^it  angehört,  da  der  Hradek  starke  Gulturschichten  der  slavisch- 
christlichen  Zeit  aufweist. 

lieber  die  Vogel-Bilder  (Fig.  7)  können  wir  leider  nicht  viel  sagen.  Eine 
Analogie  liegt  uns  nicht  vor;  der  Fundbericht  gentigt  auch  nicht,  so  dass  wir  nur 
nach  dem  Material  und  dessen  Verarbeitung  (Glättung)  einigermaassen,  vielleicht 
trügerische,  Schlüsse  ziehen  können. 

Diese  Vögel,  allem  Anschein  nach  Schwanen-Figuren,  dienten  wahrscheinlich 
weniger  als  Spielzeug,  sondern  eher  als  Votivbilder,  worauf  gerade  die  einfache 
Darstellung,  die  gefurchte  Vorderfläche  und  die  beiden  am  Bauche  befindlichen, 
hintereinandergestellten  Löcher  für  die  Füsse,  die  einfache  Hölzchen  ersetzten, 
deuten  würden.  Dadurch  konnten  dieselben  an  beliebigen  Orten  durch  Einstossen 
der  HolzfUsse  zum  Stehen  gebracht  werden. 

Diese  kurz  zusammengefasste  Uebersicht  der  plastischen  Thonfiguren  Böhmen's 
möge  vorläufig  genfigen,  um  deren  Zweck  und  zeitliche  Stellung  zu  charakterisiren. 
Hoffentlich  giebt  uns  die  rege  Forschung  im  Böhmerlande  bald  Gelegenheit,  neue 
Funde  plastischer  „Kunst^  aus  prähistorischer  Zeit  zu  publiciren  und  gute  Analogien 
constatiren  zu  können.  — 

(23)   Hr.  Ed.  Krause  theilt  mit,  dass  die  Resultate  seiner 

Ansfcrabungen  in  Hinter-Pommern 

im  Jahre  1895  jetzt  im  ersten  Seitensaal  der  vorgeschichtlichen  Abtheilung  des 
Museums  für  Völkerkunde  ausgestellt  sind.  Es  befinden  sich  darunter  nicht  weniger 
als  dreissig  Gesichtsurnen.  Unter  diesen  ragen  einige  durch  ihre  Gestalt 
hervor,  andere  durch  ihre  Beigaben,  namentlich  bronzene  und  eiserne  Ohrringe» 
bis  zu  neun  in  einer  Urne.  Eine  Urne  vom  Typus  der  Gesichtsumen  hat  ausser 
interessanten  Zeichnungen  einen  eisernen  Halsring. 

Ausführlicheres  über  diese  Ausgrabungen,  die  vielleicht  die  ersten  systematisch 
betriebenen  grösseren  Ausgrabungen  auf  Gesichtsumen-Oräberfeldern  waren  und 
ausser  mehreren  neuen  Fundstellen  viele  wichtige  Beobachtungen  ergaben,  beab- 
sichtige ich  in  einer  in  Arbeit  begriffenen  grösseren  Veröffentlichung  zu  geben. 
Hier  nur  einige  Folgerungen  aus  meinen  Beobachtungen: 

Die  Gesichtsumen  sind  Grabumen  und  lediglich  Hlr  diesen  Zweck  gearbeitet 
Nach  ihrer  Form  gehören  sie  noch  in  den  Formenkreis  der  Hallstatt-Cultur;  die 
in  ihnen  gefundenen  Beigaben  gehören  indessen  zum  grossen  Theil  der  La  Tene- 
Zeit  an.  Wir  werden  deshalb  nicht  fehl  gehen,  wenn  wir  diese  Urnen  etwa  um 
das  Jahr  400  vor  Chr.  ansetzen.  Zu  dieser  2ieit  sassen  aber  in  dem  Verbreitongs- 
centrum  der  Gesichtsumen,  das  ist  die  Gegend  der  Weichsel -Mündungen,  die 
Gothen.  Wir  müssen  deshalb  die  Gresichtsuraen  diesem  Volksstamme  zuschreiben. 
Durch  die  Züge  der  Gothen,  die  später  durch  die  Gepiden  nach  Süden  gedrängt 
werden,  erklärt  sich  die  weitere  Verbreitung  der  Gesichtsaraen  nach  Posen  und 
Schlesien  hin  und  der  Umstand,  dass  diese  südlichen  Funde  jünger  sind,  als  die 
ihrer  Urheimath  Pomerellen.  — 


(261) 

(24)   Hr.  Ed.  Krause  zeigt 

eine  tbltnerne  Kinder-Klapper  von  Luckan,  NiederlaiuitK. 

Sie  wacde  mit  Urnen  und  Ocrässen  des  sogenannten  Lansitzer  Typus  auf  einem 
Urnen-Giüberfelde  dicht  bei  Lackao  von  dem  Porst  beflissenen  Bm.  Beatin  aus- 
g^raben,  in  dessen  Besitz  sie  sich  noch  befindet    Beim  Anfnehmen  zerfiel  sie  in 
zwei  Theiie  (a  und  ft),  weiche  auT  ihrer  Bruehfläche  die  sehr  interessante  Technik  der 
Uerstellang  zeigen.    Die  Klapper  wurde  aus  zwei  einzeln  geformten  Hälften  zu- 
sammengesetzt,  welche   beim  Aus- 
graben   genau    in    der   Zusammen-  " 
selzangsfläcbe    wieder    auseinander 
brachen.    Es  zeigt  sich  nun,   dass 

nach  der  Znsammensetznng  in  den  "     '* 

noch  feuchten  Thon  ein  rundes  Loch 
eingebohrt  wnrde  zur  Einbringung 
der  kleinen  Steinchen  oder  Thon- 
KUgeichen,  welche  das  Bassein  der 
Klapper  verursachten.  Das  Loch  ist 
zur  Häirte  in  der  einen  Hälfte  der 
Klapper  aaf  der  Bmchlläche  (b)  zu 
sehen.  Die  entsprechende  Stelle  der 
anderen  Hälfte  zeigt  einen  Thon- 
zapfen  (rr),  welcher  durch  Schliessen 
des  Loches    nach  Einbringung   der  /, 

8teinchen  mittelst  fenchten  Thones 

entstanden  ist.  Die  Klapper  (c)  ist  ungerähr  birnenförmig;  das  Stielende  der  Birne 
ist  abgeschnitten  and  mittelst  einer  Dalle  ( näpfcheDfcirroigeQ  Teitiefuug)  ab- 
geschlossen. Die  Klapper  ist  5,3  cm  hoch  und  hat  an  der  weitesten  Stelle  4,9  cm 
im  Durchmesser.  — 

('25)   Hr,  H.  Busse  bespricht  unter  Vorzeigung  der  FondstUcke 

1.   Altgermaniache  Gräber  am  Wehrmtlhlenberg  bei  Biesenthal, 
Kreis  Ober-Barnim. 

Tom  Städtchen  Biesenthal  1  km  nordöstlich  erstreckt  sich  von  West  nach  Ost  eine 
Kette  von  Sand-HUgeln.  Die  westlichen  heissen  die  Wehrmllhlenberge  und  sind 
ganz  kahl,  während  die  östlichen  bewaldet  sind  und  Gerichtsberge  heissen.  — 
Schon  vor  6  Jahren  fielen  rair  diese  HUgel  auf  und  fand  ich  bei  einör  näheren 
Untersuchung  in  3  der  westlich  gelegenen  mehrere  Urnen-Gräber.  Im  April  d.  J. 
führte  ich  eine  neuere  Untersuchung  aus.  Dieselbe  ergab  4  Urnen- Bestattungen  in 
Abständen  von  l'/j  ""  gelegen  und  in  '/*  — '  "•  Tiefe.  Die  Urnen  zeigten  den  be- 
kannten nordöstlichen  Typus  Deutschlands  und  waren  ohne  Ornamente. 

Grab  1  war  nur  oben  mit  Steinen  bedeckt  und  fand  sich  darin  eine  bränn- 
licfae,  leider  zerdrückte,  henkellose  Urne  mit  Leichenbrand  und  ohne  Deckel;  Höhe 
12  Zoll,  Bauchweite  14  Zoll,  keine  Beigaben. 

Grab  2  wurde  aus  25  —  30,  im  Durchmesser  etwa  5  —  7  Zoll  grossen  Steinen 
Pyramiden  artig  gebildet;  darin  stand  auf  einem  ganz  flach  zugehauenen  Stein 
eine  grössere,  hellbraune,  mit  Deckel  versehene  Urne  (Fig.  1).  Deckel  und  obere 
Hälfte  beschädigt,    Höhe  etwa  II,  Weite  13—14  Zoll.    Ueber  dem  Leichenbrande 


(262) 

lag,  umgestülpt,  ein  kleines  mit  2  Oehsen  versehenes  Oefäss  (6  cm  hoch,  7  cm  breit, 
5,3  cm  Oeffnong,  2  cm  Boden)  und  darunter  2,  aus  2  mm  starkem  rundem  Bronze- 
Draht  hergestellte  Ringe.  Der  eine  davon  (Fig.  2,  a),  nur  etwas  offen,  hat  1,9  cm  im 
Durchmesser;  der  zweite  (Fig.  2,  b)  ist  weiter  offen  und  an  einem  Ende  öhsenartig 

Fig.  1. 

Fig.  2. 


umgebogen,  so  dass  er  aussieht,  wie  der  obere  Theil  einer  Fibula.  Ausserdem 
kamen  noch  8  Stücke  1—2  cm  langer  und  1  cm  breiter,  schwacher  Bronze-Plättchen 
zum  Vorschein;  einige  waren  fest  zusammengeschmolzen.  Diese  Stücke  bildeten 
wahrscheinlich  ein  Armband. 

Im  3.  und  4.  Grabe  stand  je  eine  ähnliche,  grössere,  mehr  oder  weniger  durch 
Steine  zerstörte  Urne,  ohne  Deckel,  Henkel  und  Ornament.  Die  Urne  im  3.  Grabe 
stand  auf  einem  umgekehrt  kegelförmig  zugehauenen  Steine.  Beigaben  und  Bei- 
gefässe  fanden  sich  hier  nicht  vor.  — 

2.   Der  Keiherberg  (auch  kleiner  Schlossberg)  bei  Biesenthal, 

Kreis  Ober-Barnim. 

Derselbe  liegt  nördlich  von  der  Stadt  Biesenthal,  zwischen  derselben  und  der 
Wehrmühle,  im  wiesigen  Sumpf- Terrain  der  Finow.  Er  ist  gut  erhalten,  aber 
beackert  Er  hat  einen  oberen  Durchmesser  von  60 — 65  Schritten.  An  der  Nord- 
seite fällt  er  ganz  steil  16 — 20  Fuss  ab,  an  der  Südseite  12  — 15Fuss,  weniger 
steil.  Der  Eingang  ist  von  Westen  her  gut  zu  erkennen.  Während  ich  etwa  vor 
10 — 12  Jahren  die  Oberfläche  des  Rundwalles  zum  grössten  Theil  mit  älteren 
germanischen  und  zum  kleineren  Theil  mit  slavischen  Thon-Scherben  wie  übersäet 
vorfand,  waren  heute  nur  noch  kümmerliche  Reste  zu  finden. 

Der  Name  „kleiner  Schlossberg^  rührt  wohl  nur  von  der  unmittelbaren  Nähe 
des  eigentlichen  Schlossberges  her,  der  dicht  bei  der  Stadt  liegt;  die  Entfernung 
beträgt  180  m.  — 

3.   Bronze-  und  Stein-Funde  vom  grossen  Werder  im  Liepnitz-See, 

Kreis  Nieder-Barnim. 

Der  Fundort,  der  von  mir  oft  genannt  und  beschrieben  worden  ist,  biigt 
noch  Vieles.  Bei  meinem  Besuche  am  25.  April  1897  übeigab  mir  der  Pächter 
dieser  Insel  nachstehend  beschriebene  Stücke,  die  er  beim  tieferen  Pflügen  auf  der 
Südwest!.  Seite  der  Insel  in  einer  sehr  tief  mit  Kohlen-Stücken  durchsetzten  vor- 
geschichtlichen Niederlassung  fand: 

1.  Elinc  Arm-Spirale  (Fig.  3)  aus  Bronze,  3  Windungen,  6  cm  lang  und  von  6,7  cm 
Durchmesser,  Gewicht  27,5  g.  Das  eine  Ende  ist  spitzgedreht,  das  andere  ab- 
gebrochen (hier  fehlt  jedenfalls  ein  Stück).  Der  Durchschnitt  des  Drahtes  (Fig.  3,  a) 
bildet  ein  Dreieck,  das  nur  2,5  mm  hoch  ist.  Unterer  Schenkel  5  mm,  Seiten- 
Schenkel  3  mm. 


(263) 

2.  Ein  18  cm  langes,  eckiges,  gekrfiminles 

Stück  Bronze,  dessen  Querschnitt  ein  Rechteck  ^-  ^- 

Ton  ä  und  d  mm  bildet.    Dieses  Stück  rennag  . " 

ich  nicht  zo  bestimmen;  es  kann  Tielleicht  erst  ^-2^ 

in  späterer  Zeit  in  den  Boden  gekommen  sein. 

Das  Gewicht  beträgt  62  g. 

3.  Ein  halbes,  durcblochtea,  geschUffenes 
Steinbeil,  Gewicht  186  g.  Schneide  5  em  breit, 
am  Loch*3,5  cm.  Die  Durchbohrung  ist  konisch. 
Dorchmesser  1,7  cm. 

Femer  fand  sich  noch  ein  Mahlstein,  im  Durchmesser  von  3  Fuss,  ans  röth- 
lichem  Granit,  wenig  hohl  und  glatt  gerieben.  Dabei  lagen  ein  grässerer,  flacher  nnd 
4  kleinere,  eckige  Reibesleine.  ( 

SSmmtlicbe  Fände  mit  Ausnahme  der  Mahlsteine,  sind  in  meiner  Sammlung.  — 

(26)  Hr.  R.  Andree  Übersendet  aus  Braanschweig,  18.  Mai,  folgende  Beob- 
achtung  des  Hrn.  Amtsrathes  Dr.  W.  Rimpau  in  Schlanstedt,  Provinz  Sachsen: 

Kechtfl  and  links  arbeiten. 

Beim  Arbeiten  mit  Handgeräthen,  wie  Spaten,  Hacke,  Harke,  Mistgabel,  Forke, 
zum  Anfreichen  von  Hen  und  Getreide  n.s.  w.,  scheint  es  bei  der  ländlichen  Be- 
Tölkening  ganz  allgemein  zu  sein,  dass  fast  alle  Männer  links,  fast  alle  Frauen 
rechts  arbeiten,  d.  h.  die  Männer  fassen  das  Ger&tb  so,  daas  die  linke  Hand  vom, 
etwa  an  der  Hälfle  des  Stieles,  die  rechte  Hand  hinten,  am  Ende  des  Stieles  ist. 
Beim  Graben  treten  daher  die  Männer  mit  dem  linken,  die  Frauen  mit  dem  rechten 
Fasse  auf  den  Spaten.  Ich  habe  dies  nicht  nur  bei  der  einheimischen  Arineiter- 
Bevölkerung  beobachtet,  sondern  auch  bei  fremden  Arbeitern  vom  südlichen  Rande 
des  Harzes  (Eichsfeld),  aus  Westpreassen  und  aus  Ober- Schlesien,  welche  den 
Sommer  Ober  in  die  hiesigen  Rliben-Wirth Schäften  gehen. 

Dass  diese  Gewohnheit  irgend  einen  mit  der  Lebensweise  der  beiden  Ge- 
schlechter zusammenhängenden  Grund  haben  muss,  ist  mir  unzweifelhaft;  ich  habe 
aber  noch  keinen  plausiblen  Grand  dafür  Bnden  können.  Sollte  es  daher  rtthren, 
dass  beim  Spinnen  das  Spinnrad  vorwiegend  mit  dem  rechten  Fusse  getreten  wird? 
Aber  weshalb  treten  die  Männer  nicht  auch  vorwiegend  mit  dem  rechten  Fusse 
auf  den  Spaten?  — 

Beim  Tanzen  treten  die  Männer  mit  dem  linken,  die  Frauen  mit  dem  rechten 
Fasse  zuerst  an;  es  ist  aber  kaum  denkbar,  dass  dadurch  die  Gewohnheit  beim  Graben 
entstanden  ist;  auch  werden  beim  Tanzen  beide  Füsse  gleichmässig  angestrengt. 

Es  wäre  interessant,  nachzuforschen,  ob  diese  Gewohnheit  wirklich  allgemein 
ist,  und  nach  ihrem  Grunde  zu  suchen.  — 

(27)  Hr.  Ohnefalsch-Richter  zeigt  die  Photographie  eines  Maqnamba- 
"Weibes  mit  sogenannter  Rnopfnase.  — 

(28)  Hr.  Geofg  Schweinfurth  spricht 

lieber  den  UrepraDg  der  Aegypter. 

Neun  Jahre  sind  es  her,  daas  nnscr  verehrter  Vorsitzender  in  einer  lungeren 
Abhandlang  die  vorhistorische  Zeit  Aegyptens  besprach  und  in  Übersichtlicher 
^'eise  die  bis  dahin  aus  Aegypten  bekannt  gewordenen  Funde,  die  von  der  Stein* 


(264) 

zeit  Runde  gaben,  einer  kritischen  Besprechung  unterzog.  Das  war  damals  der 
erste  Leitfaden  in  einem  Gewirre  von  Zweifeln,  Wahrscheinlichkeiten  und  Un- 
glauben. Der  angenommene  Zusammenhang,  der  zwischen  den  historisch-pharao- 
nischen  Zeiten  und  den  vorhistorischen  bestanden  haben  muss,  und  der,  wie 
Yirchow  so  richtig  hinzusetzte,  sich  noch  in  irgend  einer  anderen  Hinterlassenschaft 
bekunden  muss,  als  in  blossen  Steingeräthen,  —  diese  Annahme  hat  sich  bewährt. 

An  der  Schwelle  eines  neuen  Jahrhunderts  scheinen  uns  grosse  lieber- 
raschungen,  förmliche  Offenbarungen  bevorzustehen  und  die  Zeit  mag  nicht  mehr 
fem  sein,  wo  der  Traum  so  manches  Aegyptologen,  sein  sehnlichster  Wunsch  in 
Erfüllung  geht,  nehmlich  der,  endlich  einmal  das  Räthsel  der  ägyptischen  Civili- 
sation  gplöst,  ihren  frühesten  Entwickelungsprozess  und  die  ersten  Anfänge  des 
Schriftthums  klargelegt  zu  sehen. 

Zu  so  kühnen  Hoffnungen  berechtigen  die  Ausgrabungen  der  letzten  Jahre. 
In  der  That  habeh  diejenigen,  die  Flinders  Petrie  bei  Tuch,  die  Amelineau  in 
der  Umgegend  von  Abydos,  und  zuletzt  diejenigen,  die  de  Morgan  bei  Negada 
gemacht  hat,  eine  solche  Fülle  von  Thatsachen  ans  Licht  gezogen,  dass  kaum 
mehr  daran  zu  zweifeln  ist,  es  sei  die  ersehnte  neue  Epoche  der  Wissenschaft 
nun  endlich  gekommen. 

Mit  den  3000  Gräbern  von  Tuch  und  vielen  anderen,  die  sich  zu  beiden 
Seiten  des  Nilthals  vom  Gebel  Silsele  bis  Girgeh  erstrecken,  mit  den  aufgedeckten 
Königlichen  Peuer-Nekropolen  von  Negada  und  Om-el-Graab  eröffnet  sich  der  Blick 
auf  jene  früheste,  der  ägyptischen  Urzeit  nähergerückte  Periode,  die  bisher  so 
gänzlich  verschleiert  geblieben  ist  und  von  der  die  alten  Aegypter  selbst  sehr 
wenig  gewusst  zu  haben  scheinen.  Zu  Abydos,  bei  dem  alten  Tini,  wo  die  Wiege  des 
ersten  Königs  gestanden  hat,  und  an  der  Stätte  selbst  des  altheiligen  Todtendienstes 
des  Osiris  war  es,  wo  Amelineau  zu  seinen  epochemachenden  Funden  gelangte. 
Aber  nicht  die  erste  Dynastie  allein  ist  es,  die  sich  hier  in  den  Nekropolen  der 
ältesten  Herrscher  des  vereinigten  Aegyptens  offenbart,  in  den  Gräbern  der 
•  Aermeren  tritt  das  Ursprünglichere,  treten  die  Gebräuche  und  Vorstellungen  zu 
Tage,   die  eben  weit  tieferen  Einblick  zurück  in  die  ägyptische  Vorzeit  eröffnen. 

Eine  offenbar  fremdländische  Kultur  erscheint  da  aul^einen  Zustand  aufgepfropft, 
der  bereits  nicht  geringe  Errungenschaften  autochthoner  c^ittung  verräth.  Im 
Besitze  zu  höchster  Vollkommenheit  gebrachter  neolithischtli^  Werkzeuge  und 
Waffen  zeigt  der  Aegypter  bereits  mancherlei  gewerbliches  Ge.Hchick  und  einen 
Kunstsinn,  den  der  fremde  Eroberer  zum  Theil  wenig  beeinflusst  zu  haben  scheint, 
wie  sich  das  namentlich  an  der  reichen  Formensprache  und  der  wertienden  Figuren- 
schrift ersehen  lässt,  die  —  wenn  man  es  geographisch  ausdrücken  will,  ein  ent- 
schieden afrikanisches  Gepräge  an  sich  tragen. 

Die  Ornamentik  der  aufgefundenen  Thongefässc,  deren  Elemente  für  Sie 
auf  einer  Tafel  zusammengestellt  sind,  machte  nicht  den  ganzen  künstlerischen 
Besitz  dieses  frühzeitigen  Aegypter- Volkes  aus;  die  Formvollendung  der  Manufacte, 
insonderheit  der  aus  den  härtesten  Gesteinsarten  hergestellten  Gefasse,  zierliche 
Elfenbeinschnitzereien  und  manches  Andere  geben  Vorstellung  von  einer  viel- 
seitigeren Entwickelung,  aber  der  reiche  Bildschmuck  auf  minderwerthigen  Ge- 
fässen  spricht  deutlich  genug  für  die  bereits  damals  die  festen  Bahnen  eines 
bestimmten  Stils  anstrebende  Richtung,  der  eine  lange  Kunstgewöhnung  im  Xatur- 
zeichnen  vorhergegangen  sein  muss,  so  dass  man  Plinius  (XXXV,  5)  Unrecht 
geben  muss,  wenn  er  die  alten  Aegypter  der  leeren  Aufschneiderei  zieh,  datfs  sie 
der  Erfindung  der  Malerei,  bevor  diese  nach  Griechenland  hinübei^elangte,  bei  iihnen 
ein  sechstausendjähriges  Alter  zuschrieben. 


(265) 

In  der  That  haben  die  letzten  Funde  ein  weiteres  Jahrtausend  erschlossen. 
Das  ist  nun  freilich  ein  geringes  Glied  in  der  endlosen  Rette  der  ewigen  Zeit, 
selbst  der  Gesittungsgeschichte  des  Menschen,  aber  man  ist  doch  dem  Urgründe 
um  etwas  näher  gerückt  und  die  Paralaxe  des  Zeitabstandes  vom  eigentlichen  Aus- 
gangspunkte der  ägyptischen  Gultur  hat  sich  beträchtlich  erweitert;  eine  breitere 
Basis  ist  gewonnen.  ^ 

In  der  neuerschlossenen  Periode  (der  ersten  Dynastie  und  der  Zeit  vorher) 
hören  die  monumentalen  Steinbauten  der  Rönigsgräber  auf,  die  Schrirtproben  der, 
wie  es  scheint,  zum  Theil  noch  unverständlichen  Hieroglyphen  werden  so  knapp, 
dass  es  den  Anschein  hat,  als  werde  man  nirgends  auf  längere  Texte  historischen 
Inhalts  stossen;  da  gebührt  den  gegenständlichen  Funden  eine  erhöhte  Bedeutung 
und  der  Aegyptologe  wird  Platz  zu  machen  haben  für  den  Ethnographen  und 
Naturkundigen,  der  ja  auch  überlieferte  Urkunden  zu  lesen  und  zu  deuten  hat, 
nur  sind  dieselben  nicht  vom  Menschen  geschrieben,  sondern  von  der  Natur,  und 
zwar  mit  Zeichen, ^ die  an  Unanslöschlichkeit  die  Hieroglyphen  noch  übertreffen 
und  die  jedenfalls  weit  klarer  sich  gestalten,  als  diese.  An  die  Stelle  von  Buch- 
staben haben  jetzt  Erzeugnisse  des  Menschen  und  Naturkörper  zu  treten,  um  an 
der  Hand  von  Analogieen,  die  der  ganzen  Welt  und  allen  Zeiten  angehören,  als 
sichere  Wegweiser  zu  dienen. 

Mit  Recht  ist  den  Aegyptologen  der  Vorwurf  nicht  erspart  geblieben,  dass  sie 
den  Methoden,  die  in  die  letztgedachte  Rategorie  fallen,  oft  so  wenig  Beachtung 
geschenkt  haben,  indem  sie  ihr  Hauptinteresse  in  erster  Linie  den  inschrirtlichen 
und  sprachlichen  Dingen  zuwendeten.  Aber  Flinders  Petrie  und  de  Morgan 
haben  gezeigt,  was  der  Alterthumsforscher  vermag,  wenn  er  in  Aegypten  mit 
naturwissenschaftlicher  Methode  vorgeht.  Vor  ihnen  gingen  ja  die  Forscher  der 
eigentlichen  Wüste  nur  selten  zu  Leibe,  wenn  es  an  monumentalen  Steinbauten 
fehlte  und  keine  Inschriften  zu  finden  waren.  Durch  den  Reichthum  an  Urkunden, 
den  die  nähere  Umgebung  des  Flusses  darbot,  zurückgehalten,  überschritt  man 
nur  ungern  diese  engeren  Grenzen,  und  so  kam  es,  dass  den  früheren  Aegyptologen 
jene  grossen  Bauten  aus  geschlagener  Thonerde  und  aus  Luftziegeln  unbekannt 
geblieben  sind,  die  uns,  tief  in  Schutt  und  in  Scherbenhügeln  vergraben,  von  den 
Pharaonen  der  ersten  Dynastie  zu  Gm-el-Gaab  bei  Abydos  und  bei  Negada  zurück- 
gelassen worden  sind.  Dieselbe  Vernachlässigung  alles  Nichtinschriftlichen  war 
auch  die  Ursache,  dass  die  Aegyptologen  sich  über  die  Bedeutung  der  Steinzeit 
in  Aegypten  so  sehr  getäuscht  haben. 

Man  erinnert  sich  noch  des  fast  einstimmigen  Widerspruchs,  den  die  ersten 
Funde  dieser  Art  bei  fast  allen  Aegyptologen  fanden.  Indem  sie  eine  ägyptische 
Steinzeit  als  solche  in  Abrede  stellten,  stützten  sie  sich  vor  Allem  auf  die  vermeint- 
liche Thatsache,  dass  Riesel-Artefakte  während  aller  Epochen  der  ägyptischen 
Geschichte  Verwendung  gefunden  haben.  Wenn  ein  solches  Argument  auf  richtigen 
Voraussetzungen  beruhte,  so  wäre  es  gerade  die  Hartnäckigkeit  des  Festhaltens  an 
solchen  Gebräuchen  gewesen,  die  von  der  ursprünglichen  Steinzeit  hätte  Zeugniss 
ablegen  müssen.  Doch,  das  ist  gegenwärtig  ein  überwundener  Standpunkt,  und  in 
dem  letzten  Werke  von  de  Morgan  ist  endgültig,  und  zum  ersten  Male  an  der 
Hand  topographischer,  namentlich  auch  die  Niveauverhältnisse  der  Fundstellen 
berücksichtigender  Darlegungen,  der  Beweis  geliefert  worden,  dass  in  der  That, 
soweit  Runstfleiss  und  Gewerbe  in  Betracht  kommen,  an  einer  scharfen  Grenze 
festzuhalten  ist,  die  zwischen  der  eigentlichen  Steinzeit  und  den  ältesten  ge- 
schichtlichen Perioden  besteht,  soweit  die  letzteren  bis  1896  bekanni- geworden 
waren,  nehmlich  bis  zu  der  dritten  Dynastie.     Als  mnassgebende  Faktoren  für  die 


1 


(266) 

Charakteristik  der  Cnltnrepoehe  können  die  Steingeräthe  von  da  ab  nicht  mehr 
betrachtet  werden').  Die  zwei  ersten  Dynastien  sind  neolithisch.  Etwas  anderes 
ist  es,  wenn  in  einem  Grabe  ein  oder  das  andere  Stück  darin  sich  als  nebensäch- 
liche Todtengabe  vorfindet,  sei  es  als  Amulet,  als  verehrungswlirdiges  Reliktstfick 
der  Vorzeit,  dem  eine  mystische  Kraft  beigemessen  werden  konnte,  sei  es  als  aus 
atavistischer  Gewohnheit  hergebrachtes,  etwa  zu  rituellen  •  Zwecken  dienliches 
Instrument,  und  etwas  anderes,  wenn  deren  viele  Stücke  oder  gar  Hunderte  in 
allen  Formen  und  in  den  verschiedensten  Graden  der  Aasftihning  angetroffen 
werden.  Bei  der  grossen  Verbreitung,  die  solche  Ansammlungen  von  Kiesel-Arte- 
fakten in  ganz  Aegypten  schon  allein  auf  der  Oberfläche  aufweisen,  kann  man  an- 
nehmen, dass  das  Erdreich  selbst  deren  an  den  meisten  Stellen  enthält,  und  dass 
sie  daher  oft  bei  Grabungen')  sowohl  alter  als  auch  neuer  Plünderer  mit  den 
Fundstücken  aus  historisch  beglaubigten  Epochen  vermengt  werden  mussten. 

Im  Laufe  der  letzten  dreissig  Jahre  ist,  wie  aus  den  Zusammenstellungen 
Virchow^s  und  de  Morgan's  hervorgeht,  ein  grosses  Material  von  Belegstücken 
aufgehäuft  worden,  die  für  Aegypten  nicht  nur  die  neolithische,  sondern  auch  eine 
paläolithische  Periode  sichern.  Wenig  aber  ist  man  der  Lösung  des  Problems 
näher  gerückt,  woher  die  ersten  Aegypter  ihren  Ursprung  nahmen,  und  welche 
Völkerkreuzungen  zu  ihrer  endgültigen  Entwicklung  als  Culturvolk  Veranlassung 
gegeben  haben.  Die  Aegyptologen  wussten  am  wenigsten  Rath  und  ihr  Endurtheil 
gipfelte  nach  wie  vor  in  dem  Satze:  „nichts,  oder  so  gut  wie  nichts  ist  uns  von 
den  frühesten  Generationen  übrig  geblieben.^  Jetzt,  wo  man  mehr  sicheren  Boden 
gewonnen  hat,  wird  man  gewiss  in  Bälde  mit  grösserem  Erfolge  dem  Entwickelungs- 
gange  nachzuspüren  beginnen«  den  die  Steinzeit  in  Aegypten  genommen,  man  wird 
dann  namentlich  auch  genaueren  Nachweis  über  die  in  den  älteren  Ablagerungen 
des  Nilthals  eingebetteten  paläolithischen  Artefakte  zu  erbringen  haben,  als  es 
bisher  geschehen,  um  über  die  den  Culturepochen  vorausgegangenen  Geschlechter 
mehr  Klarheit  zu  gewinnen.  Aber  diese  früheren  Geschlechter,  woher 
stammten  sie?  Gehörten  sie  einer  und  derselben  Rasse  an?  oder  haben  sich  ver- 
schiedene Rassen  zu  wiederholten  Malen  gegenseitig  verdrängt,  sich  ethnographisch 
durchdrungen,  sich  im  Austausche  widerstrebender  Eigenschaften  allmählich  zu 
neuen  Gebilden  umgestaltet? 

Das  sind  Fragen,  die  den  Veiigleich  mit  dem  Geduldspiel  eines  Kindes  wach- 
rufen, das  ein  Bild  aus  unregelmässigen  Stücken,  in  die  man  es  zerlegte,  wieder- 
herzustellen sich  bemüht  Unter  der  Menge  zerstreuter  Thatsachen,  über  die 
man  bereits  verfügt,  giebt  es  viele,  die  sich  zu  einzelnen  Bildern  gruppiren  und 
die  sich  nicht  auseinanderreissen  lassen.  Nun  handelt  es  sich  darum,  diese  Einzel- 
bilder so  ineinander  zu  fügen,  dass  ihre  Formen  zusammenpassen.  Ihre  Correlation, 
die  wechselseitigen  Beziehungen  der  Stücke  müssen  berücksichtigt  werden,  um  ein 
Gesammtbild  za  erhalten. 

Ein  solcher  Versuch  sei  nun  gewagt  und  dazu  zuforderst  an  Südarabien  der 
Hebel  angesetzt.    Jede  Hypothese  wird  auszuschliessen  sein,  die  auf  linguistischem, 

1)  AUcrdings  findet  sich  in  Grftbem  der  XU.  Dynastie  sn  Beni  Uassan  die  Darstellung 
eines  geworbmftssigen  Betriebes  von  Steinmessem  (siehe  Griffith,  Beni  Hassan  III.  T.  VII), 
so  gut  wie  noch  vor  wenigen  Jahren  bei  Cairo  frewerbmussig  Feuersteine  für  Flinten  in* 
gehauen  wurden.  Massen  von  Kiesel-Artefakten  finden  sich  aber  nirgends  mehr  als  Todten- 
gabe der  Grfiber  von  der  III.  Dynastie  an. 

2)  Es  ^i  nur  an  die  Stücke  erinnert,  die  im  Mnseum  für  V^tlkerkunde  aufgehoben 
und  die  gelegentlich  der  Fundamentgrabungen  der  ehemals  Dr.  R eil' sehen  Klinik  in  Cairo 
zu  Tage  gefördert  worden  sind. 


(267) 

ethnologischem  oder  geographischem  Gebiet  gegen  bereits  sichergestellte  That- 
sachen  verstösst,  andererseits  aber  wird  auch  eine  jede,  die  diesen  drei  Grand- 
bedingangen  entspricht,  von  vornherein  auf  eine  gate  Aufnahme  zu  rechnen  haben. 
Es  soll  mein  Bestreben  sein,  mich  solchen  Voraussetzungen  anzubequemen. 

Das  südliche  Arabien,  der  Yemen,  muss  als  einer  der  wichtigsten  Entwickelungs- 
heerde  des  Menschengeschlechts  betrachtet  werden.  Reich  an  Zeugungskraft,  so- 
wohl in  der  materiellen  als  auch  in  der  geistigen  Sphäre,  aber  beschränkt  in 
seinen  Existenzbedingungen,  fruchtbar  in  jeder  Hinsicht,  nur  nicht  was  den  Boden 
betrifft,  hat  es  von  seinem  Ueberschuss  unerschöpflich  an  die  umliegenden  Ge- 
biete abgegeben.  Und  doch  gebrach  es  ihm  selbst  für  eine  dauernde  Cultur- 
entwickelung  an  jenem  mächtigen  Motor,  den  die  Arbeit  gewährt.  Dieses  Arabien 
hat  seine  Expansionskraft  nach  allen  Himmelsrichtungen  hin  ausgestrahlt,  eine,  um 
mit  den  Worten  Eberhard  Schrader^s')  zu  reden,  „lebendige  Menschenquelle,  deren 
Strom  sich  seit  Jahrtausenden  weit  und  breit  nach  Ost  und  nach  West  hin  er- 
gossen hat^. 

Die  ältesten  Beziehungen,  welche  Arabien  und  die  Nachbarländer  auf  der  anderen 
Seite  des  Rothen  Meeres  mit  Aegypten  verbinden,  werden  unwiderruflich  durch  die 
Herkunft  der  beiden  geheiligten  Bäume  des  altägyptischen  Göttercults,  der  Syko- 
more  und  der  Persea  (Mimusops)  bezeugt;  ich  habe  an  dieser  Stelle  den  Gegen- 
stand bereits  in  frtlheren  Mittheilungen  erörtert').  Diese  Bäume  bilden  einen 
festen  Punkt  zur  Beurtheilung  jenes  hypothetischen  Göttercults,  der  in  denr  Brand- 
opfer des  Weihrauches  einen  sichtbaren  Ausdruck  fand,  und  andererseits  in  der 
Namengebung  des  Ursprungslandes  Seitens  der  alten  Aegypter,  als  eines  heiligen 
Landes,  eines  Landes  der  Götter,  weitere  Bestätigung  erhielt.  In  einen  Gegensatz 
dazu  stellt  sich  aber  die  Frage  nach  der  Herkunft  des  Getreidebaues  und  der 
Bronze,  Guiturfaktoren,  die  beide  unweigerlich  auf  die  Euphratländer  hinweisen, 
die  aber  in  Aegypten,  soweit  bis  jetzt  bekannt  ist,  in  ein  eben  so  hohes  Alter  hin- 
aufreichen, wie  Sykomore  und  Persea,  die  ihrerseits  wiederum  in  der  Euphrat- 
Region  nie  vorhanden  gewesen  sind.  Was  war  nun  früher  vorhanden  am  Nil, 
jene  heiligen  Bäume  oder  der  Ackerbau  mit  Gerste  und  Weizen?  Zur  Beantwortung 
dieser  Frage  reichen  die  festgestellten  Thatsachen  noch  nicht  aus.  In  der  grossen 
Rönigs-Nekropole  der  ersten  Dynastie,  die  Amelineau  in  diesem  Jahre  bei  Abydos 
aufgedeckt  hat,  fanden  sich  Massen  von  Sykomorafrüchten  als  Opfergabe  nieder- 
gelegt, desgleichen  aber  auch  eine  Unzahl  von  Bronzegeräthen,  und  zugleich  finden 
Gerste  und  Weizen,  Lein  und  Weintrauben  theils  an  dieser  Stelle,  theils  in  gleich- 
alterigen  Gräbern  anderer  Nekropolen  Vertretung. 

Dasselbe  Arabien,  das  bereits  in  einer  so  frühen  Periode  auf  Aegypten  ein- 
gewirkt hat,  ist  nun  auch  in  späterer  Zeit,  nachdem  das  Semitenthum  greifbare 
Gestalt  angenommen  hatte,  gegen  das  sumerische  Babylonien  vorgegangen  und  hat 
auch  hier  seinen  umgestaltenden  Einfluss  zur  Geltung  gebracht.  Das  kann  aber 
erst  nach  jener  Epoche  erfolgt  sein,  in  der  die  noch  nicht  semitisirten  Altbabylonier 
ihre  auf  Metallurgie  und  Getreidebau  basirte  Cultur  an  die  Ufer  des  Nils  ver- 
pflanzt hatten.  So  stellt  sich  der  frühe  Entwickelungsgang  der  menschlichen  Cultur 
im  Orient  der  Alten  in  Gestalt  eines  Dreiecks  dar,  dessen  Spitzen  durch  die  drei 
Gebiete  Yemen,  Aegypten  und  Babylonien  bezeichnet  werden. 

1)  Ich  gedenke  ausdrücklich  dieses  hoch  verdienten  Forschers,  weil  derselbe  bereits 
vor  16  Jahren  die  arabische  Halbinsel  als  das  eigentliche  Stammland  und  als  den  einzigen 
Entwickelnngsheerd  der  Semiten  dargelegt  hat  (Zeitschr.  der  Morgenl.  Gesuch.  XXVII, 
S.  397—424). 

2)  Vergl.  diese  Zeitschr.  1891,  S.  649—669. 


(268) 

Mit  dem  Rapite)  vom  glücklichen  Arabien  ist  die  Frage  nach  der  Herkunft  der 
hamitischen  Völker  aufs  innigste  verwachsen.  Ueber  die  asiatische  Herkunft  dieser 
grossen  Völkergruppe  sind  die  meisten  Forscher  einig,  aber  neueren  Ursprungs  ist 
die  Frage,  ob  sich  durchgreifende  Merkmale  festhalten  lassen,  die  principiell  eine 
Unterscheidung  von  Semiten-  und  Hamitenthum  in  Bezug  auf  geschichtliche  und 
sprachliche  Entwickelung  möglich  machen.  Die  Sprachforscher,  an  ihrer  Spitze 
Leo  Reinisch,  erkennen  in  den  hamitischen  Sprachen  den  älteren,  primitiveren 
Zustand,  der  eine  gemeinschaftliche  Basis  verräth.  Weitere  Ausführungen  in 
dieser  Richtung  würden  mich  von  der  mir  gesteckten  Aufgabe  abbringen,  ich  kann 
mich  daher  darauf  beschränken,  unter  Hamiten  jene  grosse  ethnographische  Einheit 
zu  verstehen,  die  den  Völkerbestand  von  halb  Africa  umgemodelt  hat  und  deren 
Bewegung,  so  sicher,  wie  die  scheinbare  des  Firmaments,  immerdar  von  Ost  nach 
West  gerichtet  gewesen  ist.  Will  man  aber  den  Ursprung  dieser  Bewegung,  deren 
Richtung  so  klar  vor  Augen  liegt,  räumlich  umgrenzen,  so  stösst  man  schon  in 
Arabien  auf  Widersprüche;  denn  noch  ist  es  nicht  geglückt,  dort  irgendwelche 
Ueberreste  ächter  Hamiten  nachzuweisen.  Beruhigen  wir  uns  indess  bei  dem 
Gedanken,  dass  jene  grosse  hamitische  Einheit  in  Africa  an  und  für  sich  keinen 
ursprünglichen  Zustand  mehr  ausmacht.  Die  lange  Zeit  und  die  Fremdartigkeit 
der  Daseinsbedingungen  können  den  Urstamm  in  Africa  nach  einer  ganz  anderen 
Richtung  hin  entwickelt  haben,  als  in,  Asien,  wo  Arabien  zur  Wiege  des  Semiten- 
thums  wurde. 

Gleichwohl  kann  man  im  südlichen  Arabien  den  gemeinschaftlichen  Ausgangs- 
punkt suchen,  namentlich  wenn  man  an  den  alten  Völkerstrassen  festhält,  die  sich 
wahrscheinlich  nie  geändert  haben.  Wo  der  Ocean  im  Spiel  ist,  pflegen  sich  die 
alten  Wege  nur  infolge  von  neuen  Entdeckungen  und  neuen  Verkehrsmitteln  zu 
ändern.  Solange  diese  Mittel,  Ruder  und  Segel,  und  die  geographischen  Kennt- 
nisse dieselben  blieben,  so  lange  musste  man  auch  festhalten  an  den  von  der 
Natur  selbst  vorgesteckten  Gursen,  die  durch  Monsune  und  Meeresströmungen  er- 
leichtert wurden.  Auf  demselben  Wege,  auf  dem  die  Araber,  d.  h.  die  Bewohner 
Arabiens,  nachweisbar  im  Laufe  der  letzten  25  Jahrhunderte  als  Semiten  [Habaschat] ') 
nach  Africa  gelangt  sind,  werden  sie  auch  schon  in  weit  früheren  Zeiten  als  Hamiten 
herübergekommen  sein. 

Nehmen  wir  also  als  Ausgangspunkt  die  Südwestecke  von  Arabien,  so  er- 
öffnet sich  uns  hier,  ohne  das  schon  damalige  Vorhandensein  einer  wirklichen 
Seeschi fTfahrt  voraussetzen  zu  müssen,  die  Möglichkeit  einer  ersten  Besiedelung 
Aegyptens  durch  hamitische  Einwanderung  auf  dem  Wege  durch  Nubien  und 
stromabwärts. 

War  einmal  die  Meerenge  überschritten,  so  befand  man  sich  in  der  Halb- 
wüste von  Africa,  die  den  gegenüberliegenden  Küstenstrichen  Arabiens  gleich 
gestaltet  ist  und  wo  die  einzige  Lebensbedingung,  die  sich  eröffnete,  diejenige  des 
Hirten  war.  Die  Rinderrasse  fand  in  den  Thälem  des  südlichen  Nubiens  aus- 
reichenden Unterhalt  zu  ihrem  Fortkommen;  ich  habe  nirgends  schönere  Heerden 
gesehen,  als  bei  den  Beni  Amer  am  oberen  Barka.  Ein  grosser  Theil  der  Ein- 
wanderer wird  vorläufig  von  der  Besitzergreifung  des  äthiopischen  Hochlandes  in 
Anspruch  genommen  worden  sein,  da  sich  in  dieser  Citadelle  von  Africa  die 
Autochthonen  mit  Erfolg  verthcidigen  konnten.  Ein  anderer  Zweig  aber  fand  ein 
geräumiges  Feld  der  Ausdehnung  in  den  Thälem  des  südlichen  Nubiens.  Das 
Kameel  war  damals  noch  nicht  Hausthier  geworden,  ja  wahrscheinlich  war  es  noch 

1)  Vergl.  E.  Glaser,  Skiue  der  Geschichte  Arabiens  1889,  8.91.  u.  E. 


(269) 

nicht  einmal  im  südlichen  Arabien  eingebürgert,  denn  von  Gentral-Asien  zum  Yemen 
ist  ein  weiter  Weg.  Dagegen  gelang  in  Nubien  die  Erwerbung  eines  nicht  minder 
werthvoUen  Nutzthiers,  dessen  Verwandte  in  den  mittelarabischen  Bergen,  in  Syrien 
und  in  Persien  (Equus  onager  Pall.  und  E.  heraippus  St.  H.)  erst  nachträglich, 
nachdem  in  Africa  der  grosse  Wurf  gelungen  war,  mit  in  den  Kreis  der  Zuchtversuche 
hineingezogen  zu  sein  scheinen*).  Das  war  der  nubische  Wildesel  (Equus  taeni- 
opus  Heugl.)  mit  gebänderten  Schenkeln,  ein  Bergthier,  das  in  diesen  sterilen  Gebirgs- 
einöden  noch  heute  im  wilden  Zustande  sein  Dasein  fristet  und  das  ursprünglich  von 
der  Natur  dazu  bestimmt  scheint,  dem  Menschen  als  treuer  Begleiter  durch  die  Wüsten 
Folge  zu  leisten.  Man  hat  das  Rameel  Schiff  der  Wüste  genannt,  mit  demselben 
Rechte  kann  man  den  Esel  das  Boot  der  Wüste  nennen,  denn  Jahrhunderte 
lang  hat  derselbe  in  den  Aegypten  umgebenden  Wüsten  als  einziges  Lastthier  ge- 
dient, das  dem  Menschen  ein  Durchziehen  derselben  erst  ermöglichte,  bis  das 
Kameel,  wahrscheinlich  nicht  vor  der  Periode  des  mittleren  Reiches,  allmählich 
diese  wichtige  Aufgabe  zu  übernehmen  begann^). 

Die  nubischen  Gebii^swüsten  (das  Etbai)  sind  noch  sehr  ungenügend  erforscht, 
obgleich  gerade  diese  weite  Region  wichtige  Aufschlüsse  über  die  alte  Völker- 
verschiebungen zu  ertheilen  verspricht.  An  den  von  der  Natur  hier  sehr  deutlich 
vorgezeichneten  Sammelplätzen  des  Menschen  wird  es  an  prähistorischen  Stein- 
geräthen  und  Waffen  nicht  fehlen,  wenngleich  Kiesel-Artefakte  hier  weniger  zu  er- 
warten sind,  auch  in  der  That  von  den  bisherigen  Reisenden  daselbst  nicht  auf- 
gefunden worden  sind.  AJs  die  asiatischen  Einwanderer  sich  in  den  Wüstenthälem 
auszubreiten  begannen,  war  ihr  Streben  gewiss  bald  nilwärts  gerichtet,  denn  die 
Runde  von  diesem  Eldorado  der  Jagd  und  der  unerschöpflichen  Weidegründe 
wird  frühe  zu  ihnen  gedrungen  sein.  Bevor  sie  aber  am  Nil  für  immer  festen 
Fuss  gefasst,  werden  sie  lange  Zeiträume  hindurch  in  den  sterilen  Gebirgen  des 
Ostlandes  ihr  Dasein  verbracht  haben.  Dort  war  es  wohl  auch,  wo  der  Mensch 
die  hohe  Schule  der  Arbeit,  der  Ausdauer  und  der  Mühe  durchzumachen  hatte, 
die  ihn  später  zu  weiteren  Culturfortschritten  befähigte.  Aus  hartem  Gestein 
musste  er  seine  Waffen  zuhauen,  formte  er  die  nothwendigsten  Gefässe,  schlagend, 
bohrend,  polirend  gelangte  er  zu  einer  bewundemswerthen  Steinmetzkunst  Grosse 
Völker  werden  nicht  in  der  Ebene  geboren  und  nicht  der  weiche  Nilthon,  der 
solche  Gesteinsarten  ausschliesst,  kann  zur  Pflanzstätte  einer  Kunst  geworden  sein, 
die  wir  an  den  Gefassen  der  frühesten  Aegypter  zur  höchsten  Vollkommenheit  ent- 
wickelt sehen. 

Um  den  Zustand  zu  schildern,  in  dem  sich  das  Nilthal  vor  Einführung  des 
Getreidebaues  befunden  haben  muss,  könnte  ich  Sie  lange  mit  dem  Bilde  unter- 
halten, das  meine  Vorstellung  nach  Analogie  der  gegenwärtigen  Verhältnisse  in 
den  südlichen  Gebieten  gestaltet.  Ich  verweise  auf  den  Weissen  und  auf  den 
Blauen  Nil  von  heute,  auf  die  südnubischen  Uferwaldungen  grosser  periodischer 
Regenbetten,  um  den  Glauben  zu  bekräftigen,  dass  keine  wesentlichen  Klima- 
veränderungen angerufen  zu  werden  brauchen,  um  den  heutigen  Gegensatz  zu  er- 
klären, der  zwischen  dem  Ueberfluss  am  Nil  und  der  Dürftigkeit  in  den  an- 
stossenden  Wüstengebirgen  besteht,  und  dass  derselbe  Gegensatz  auch  für  vor- 
geschichtliche Zeiten  aufrecht  zu  erhalten  ist,  soweit  dieselben  bei  dieser  Frage  in 
Betracht  kommen.    Das  noch  schwach  bevölkerte  Nilthal  bot  an  seinen  Rändern 


1)  Alle  heutigen  Haus-Esel,  die  ich  in  Arabien  und  Syrien,  oder  von  solcher  Provenienz 
sah,  glichen  weit  mehr  dem  nubischen,  als  den  asiatischen  Wildeseln. 

2)  VergL  diese  Zeitschr.  XXIU,  8.  651. 


(270) 

LebensbediDgangen  dar,  den  die  heutige  Thierwelt  daselbst  infolge  der  jetzigen 
Bevölkerungsdichtigkeit  nicht  mehr  vorfindet.  Daher  das  Schwinden  der  Antilopen- 
heerden,  der  Strausse,  der  Elephanten  u.  s.  w.  Ginge  man  von  einer  durch- 
greifenden Klima-Aenderung  aus,  seit  den  Epochen,  die  ich  im  Sinne  habe  und  die 
einen  unendlichen  Zeitabstand  von  derjenigen  darthun,  die  durch  das  Abschmelzen 
der  europäischen  Gletscher  und  die  dadurch  in  Nord-Africa  hervorgerufenen  reichen 
Niederschläge  bezeichnet  wird,  alsdann  müssten  ganz  andere  Wege  und  Zugänge 
nach  Aegypten  für  die  frühesten  Einwanderungen  in  Betracht  kommen.  Die  geo- 
graphischen Bedingungen  sowohl,  als  auch  der  früheste  Entwickelungsgang  der 
ägyptischen  Geschichte  sprechen  zu  Gunsten  einer  Einwanderung  von  Süden  her. 
In  jenen  Zeiten  ist  Unter-Aegypten  noch  eine  Meeresbucht  oder  eine  unzugängliche 
Kegion  von  Sümpfen  gewesen:  noch  zur  Zeit  Herodots  war  die  Ueberlieferung 
wach,  dass  die  Provinzen  im  Delta  neuen  Ursprungs  seien.  Ein  Zugang  von  Nord- 
osten her  war  in  der  frühesten  Zeit  wahrscheinlich  auf  keinem  Landwege  er- 
möglicht. 

Die  Urbewohner,  welche  die  Hamiten  am  Nil  vorfanden,  waren,  wie  die  Menge 
paläolitischer  Riesel-Artefakte  beweist,  im  Herrichten  solcher  Stücke  bereits  früh- 
zeitig geübt,  und  die  fremden  Eroberer  werden  mit  YergnUgen  zu  diesem  ihnen 
wenig  zugänglichen  Material  gegriiTen  haben,  uro,  dank  ihrer  grossen  Fertigkeit  im 
Verarbeiten  harter  Gesteinsarten,  die  ihnen  damals  vielleicht  noch  neue  Kunst 
der  Rieselbearbeitung  weiter  zu  entwickeln  und  zur  höchsten  Vollkommenheit  zu 
gestalten.  Schönere  Kiesel-Messerklingen,  als  diejenigen  ans  der  neolithischen  Zeit 
Aegyptens,  wird  man  in  den  nordischen  Gegenden  schwerlich  antreffen.  Indess 
scheint  mir  der  Besitz  so  vollkommener  KieselwafTen  weniger  Ursache  eines 
Cultarerfolges,  als  vielmehr  eine  Folge  desselben  gewesen  zu  sein. 

Die  Abkömmlinge  dieser  ersten  Eroberer  sind  uns  in  den  Bega- Völkern,  die 
heute  noch  in  den  Wüstengebirgen  von  Ober-Aegypten  und  Nubien  hausen,  erhalten 
geblieben.  Unter  ihnen  betrachte  ich  die  Ababde  und  die  Bischarin  als  diejenigen, 
die  einen  vielleicht  seit  Jahrtausenden  währenden  Zustand  des  Rückschritts  und 
der  Verkümmerung  an  den  Tag  legen,  obgleich  sie,  besonders  die  Bischarin,  in 
ihrer  Sprache  am  meisten  dem  alten  Typus  treu  geblieben  sein  mögen.  Das  sind 
die  Vertriebenen  und  Enterbten  ihres  Geschlechts,  die  Nachkommen  jener,  die  sich 
den  neuen  Eroberem,  die  später  von  Norden  her  ins  Nilthal  eindrangen,  nicht  iiigen 
wollten.  Denn  auch  an  diese  Hamiten  kam  die  Reihe  der  Vergewaltigung  durch 
Fremde,  und  sie  wurden  von  ihnen  in  die  Gebirgs wüsten  ihrer  Ahnen  zurück- 
gedrängt und  in  das  Nilthal  oberhalb  der  ersten  Katarakte.  Der  Nil-Anwohner  jener 
Epoche  hatte  sich  den  Befehlen  der  neuen  Herren  zu  fügen. 

So  gelangte  der  Aegypter  der  älteren  neolithischen  Epoche  in  den  Besitz  der 
Pflugschar  und  der  Getreidearten.  Die  ihm  an  Gesittung  wahrscheinlich  über- 
legenen Eroberer  haben  es  verstanden,  die  Fähigkeiten  des  neolithischen  Stein- 
arbeiters für  ihre  Zwecke  auszubeuten,  indem  sie  dieselben  in  den  Dienst  des 
Bergbaues  auf  Metallerze  stellten.  Es  waren  die  Kupferminen  am  Sinai*),  die 
durch  sie  zuerst  in  Betrieb  gebracht  worden  sind,  und  deren  geographische  Lage 
zugleich  den  Weg  andeutet,  auf  welchem  die  neuen  Eroberer  sich  mit  dem  Nil- 
thal in  Verbindung  zu  setzen  wussten.     Alles  das  hat  sich  lange  Zeit  vor  der  ersten 

1)  Wenn  sich  die  ursprünglichen  Nil-Anwohner  auf  die  Gewinnung  von  Kupfer  ver- 
standen hätten,  würden  »ie  es  in  der  östlichen  Wüste  näher  gehabt  haben.  Fi  gar  i  (Studj 
scient.  p.  186;  giebt  nicht  weniger  als  sieben  Oertlichkeiten  in  diesem  Gebiete  an,  wo  sich 
das  Kupfer  sowohl  in  geschwefelten,  als  auch  in  oxjdischen  Erzen  vorfindet.  Diese  Stellen 
sind  nie  Gegenstand  eines  Bergbaues  gewesen. 


(271) 

Dynastie  der  Pharaonen  zugetragen  und  die  neuen  Gräberfunde  liefern  für  diese 
Annahme  neue  Beweise. 

Wägt  man  alle  Daten  gegen  einander  ab,  die  durch  die  Ergebnisse  der 
Sprachforschung  und  durch  sachliche  Gräberfunde  gewonnen  wurden,  so  ergiebt 
sich  ein  ganz  entschiedenes  Ueberwiegen  der  auf  die  Euphratländer  hinweisenden 
Judicien,  und  man  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  jene  Eroberer  von  Norden  kein 
anderes  Volk  gewesen  sein  können  als  die  alten  Babylonier,  die  Sumero-Akkader, 
▼on  denen  man  heute  noch  nicht  weiss,  ob  sie  ursprünglich  Turaner  oder  Indo- 
germanen  waren.  Man  weiss  nur,  das  ihre  Sprache  eine  ganz  andere  war  und  ihr 
Ideenkreis  sich  auf  wesentlich  verschiedenen  Bahnen  bewegte,  als  derjenige  der 
Semiten,  die  sich  später  von  Süden  her  mit  ihnen  rerschmolzen  und  ihr  Pantheon 
als  Ganzes  sich  zu  eigen  machten,  aber  unter  Einführung  des  für  die  arabische 
Welt  so  charakteristischen  Stemenkults. 

Bereits  seit  einigen  Jahren  ist  Fritz  Hommel  ftlr  die  Hypothese  „des  baby- 
lonischen Ursprungs  der  ägyptischen  Cultur^*)  eingetreten,  ja  er  hat  in  seinem 
Abriss  der  Geschichte  des  alten  Moigenlandes^)  erst  vor  zwei  Jahren  den  Satz 
ausgesprochen:  „Geraume  Zeit  vor  4000  v.  Chr.,  vielleicht  mehr  als  1000  Jahre 
vorher,  werden  die  ersten  babylonischen  Ansiedler  an  die  Ufer  des  Nils  gekommen 
sein.^  Seine  Altersbestimmung  hat  sich  nun  nach  den  neuesten  Ergebnissen  von 
Am^lineau  und  de  Morgan  als  durchaus  nicht  unzutreffend  erwiesen,  und  man 
wird  ihm  ebenso  in  anderen  Punkten  Glauben  schenken  können,  wenn  auch 
manche  seiner  Gollegen  seinen  Ansichten  nicht  beistimmen  wollen.  Hommel  hat 
auch  die  Identität  der  ältesten  ägyptischen  und  babylonischen  Götter -Genealogie 
aus  den  sumerischen  Göttemamen,  die  beiden  gemeinsam  waren,  nachgewiesen 
und  behauptet,  dass  in  dem  während  der  späteren  semitisirenden  Epochen  sich 
zu  einer  vorwiegend  semitischen  Sprache  umgestaltenden  Altägyptischen  ursprünglich 
der  halbe  Wortschatz  dem  Sumerischen  entlehnt  war,  ja  er  führt  eine  lange  Reihe 
von  Hieroglyphen  auf,  die  in  beiden  Sprachen  dieselben  sein  sollen. 

Zu  alledem  gesellen  sich  nun,  die  Aegyptologen  mögen  behaupten  was  sie 
wollen,  die  sachlichen  Gräberfunde  der  letzten  drei  Jahre,  die  in  Gber-Aegypten  zu 
Tage  gefördert  wurden,  vor  Allem  die  grossen  Feuer-Nekropolen  der  ersten  ägyp- 
tischen Pharaonen,  die  offenbar  denen  analog  sind,  die  Robert  Roldewey  vor 
zehn  Jahren  zu  el-Hibba  und  Sarghull,  dem  ältesten  politischen  Centrum  von 
Babylonien,  ausgegraben  hat*).  Der  Bronze,  des  Weizens  und  der  Gerste,  des 
Leins  und  der  Weintrauben  habe  ich  bereits  gedacht.  Hinzuzufügen  wäre  noch 
der  Gebrauch  der  Cylindersiegel  mit  den  Königlichen  Namen,  vermittelst  derer  die 
grossen  Opferkrüge  in  den  Nekropolen  der  ältesten  Pharaonenzeit  verschlossen 
wurden  *), 

Dass  in  den  Annalen  der  alten  Geschichte  nirgends  der  vorhistorischen  Ur- 
bewohner  (der  Hainiten)  Erwähnung  geschieht,  darf  nicht  befremden,  hat  sich  doch 
ein  ähnliches  Schweigen  fast  in  allen  Ländern  wiederholt.  Stets  wurde,  wie 
de  Morgan  sehr  richtig  hervorhebt,  die  Erinnerung  an  die  Unterjochten  ausgemerzt. 

1)  München  1892  ^autographischo  Schrift). 

2)  S.  39,  63. 

3)  Zeitschr.  for  Assyriologie  Vol.  II,  p.  403—4.^0. 

4)  Ich  nehme  Anstand,  das  Argument  der  auch  im  alten  Babylonien  nachgewiesenen 
Bestattungsweise  in  kontrakter  Körperlage  hier  heranzuziehen,  weil  dieser  Brauch,  dem 
eine  allgemein  menschliche  Idee  zu  Grunde  liegt  (die  embryonale  Lage  bei  der  Rückkehr 
de«  Körpers  in  den  Scbooss  der  Erde}  in  den  entlegensten  Weltgegenden  sich  wiederholt 
und  fBr  die  Systematik  der  grossen  Völkerklassen  von  nur  untergeordneter  Bedeutung  ist. 


L 


(272) 

Aber  etwas  davon  war  doch  noch  bis  auf  die  historischen  Zeiten  gekommen,  nehmlich 
der  traditionelle  Hass,  der  die  Aegypter  und  die  Aethiopen  von  Kusch  trennte, 
diesem  stets  mit  dem  Zunamen  des  ^verdammten^  oder  ^elenden**  bezeichneten 
Kusch. 

Mein  erster  Besuch  in  Aegypten  ging  der  ersten  Erwähnung,  die  der  Steinzeit 
in  diesem  Lande  geschah  (durch  Arcelin  1869),  um  einige  Jahre  voraus.  Zu 
jener  Zeit  hätte  mir  von  keiner  Seite  her  eine  Anregung  zu  Theil  werden  können,  um 
nach  dieser  Richtung  hin  thätig  zu  sein.  Aber  bereits  damals  wurde  meine  Aufmerk- 
samkeit auf  Gegenstände  gelenkt,  die  wohl  geeignet  erschienen,  die  Frage  nach  einer 
Steinzeit  in  Aegypten  wachzurufen,  —  Gegenstände,  die  heute  noch,  nach  33  Jahren, 
ebenso  unbekannt  geblieben  zu  sein  schei[nen,  wie  sie  es  damals  waren.  Im  Sinne  habe 
ich  eigenthümliche  steinerne  Küchengeräthe  derAbabde.  Im  Frühjahr  1854, 
auf  dem  Wege  von  Qeneh  nach  Qosser,  machte  ich  die  erste  Bekanntschaft  mit  diesem 
Volke,  das  als  nördlichster  Zweig  der  grossen  Bega-Familie,  typischer  Hamiten,  zwischen 
23**  und  27°  n.  Br.  die  östliche  Wüste  von  Ober-Aegypten  in  der  Stärke  von  nahe- 
zu 20000  Köpfen  innehat,  von  denen  indess  nur  7000  als  Nomaden  in  den  eigentlichen 
Gebirgsthälem  ihr  kümmerliches  Dasein  fristen.  Die  Ababde  haben  noch  in  neueren 
Zeiten  das  ganze  eigentliche  Wüstengebiet  bis  zur  Breite  von  Sues  besessen  und 
sind  erst  im  Laufe  der  letzten  zwei  oder  drei  Jahrhunderte  durch  den  kriegerischen 
Araberstamm  der  Ma'ase  nach  langen  Kämpfen  zurückgedrängt  worden ').  Vermöge 
des  engeren  Anschlusses,  den  die  Ababde  an  das  ägyptische  Nilthal  haben,  sind 
sie  bis  zu  einem  gewissen  Grade  arabisirt  worden,  namentlich  haben  sie  ihre  ur- 
sprüngliche Sprache  gegen  eine  stark  mit  arabischen  Bestandtheilen  vermischte 
Mundart  vertauscht,  während  die  südlichen  Nachbarn,  die  ihnen  nächstverwandten 
Bischarin,  in  jeder  Hinsicht  ihre  Eigenart  unverändert  bewahrten.  Was  aber 
die  allgemeinen  Lebensgew^ohnheiten  anlangt,  sind  auch  die  Ababde  ihren  alten 
üeberlieferungen  treugeblieben. 

Unter  den  geringen  Habseligkeiten,  welche  die  in  den  Thälern  umherziehenden 
Ababdefamilien  mit  sich  führten,  fielen  mir  nun  vor  allen  Schalen,  Näpfe  und 
Kochtöpfe  auf,  die  aus  dem  in  diesen  Gebirgen  unter  den  krystallinischen  Sediment- 
gesteinen sehr  verbreiteten  Talkschiefer  (bezw.  Steatit)  hergestellt  waren.  Von  diesen 
in  sehr  regelmässigen  Formen  zugehauenen  und  sorgfaltig  geglätteten  Gefässen  habe 
ich  im  vergangenen  Winter  eine  Anzahl  bei  den  in  der  Umgegend   von  Assuan 

1)  Zahlreiche  Ocrtlichkeiten ,  die  heute  als  ^Grab  der  Ababde*"  bezeichnet  werden, 
geben  davon  Kunde.  Asiatische  Nomadeustämme  sind  bekanntlich  bereits  seit  den  ältesten 
Zeiten  auf  dein  Wege  über  den  Isthmus  in  Aegypten  eingedrungen,  und  ihnen  wird  jeden- 
falls die  Einfuhrung  des  Kameeis  (nicht  vor  der  XII.  Dynastie)  zuzuschreiben  sein,  aber 
ihre  Wohnsitze  überschritten  nicht  den  Wüstenrand.  Es  scheint,  dass  in  der  inneren  Wüste 
stets  allein  Begavölker  gehaust  haben.  Einmal  im  Besitze  des  Kamcels  vermochten  sie 
ihre  Sitze  erst  recht  zu  behaupten  Durchziehende  Karawanen,  deren  Aufgabe  es  war, 
zwischen  Syrien  und  dem  mittleren  Nilthale  Aegyptens  eine  direkte  Verbindung  zu  unter- 
halten, mögen  trotzdem  schon  frühzeitig  von  Arabern  geleitet  worden  sein.  Für  diese 
bürgerte  sich  seit  der  Mitte  des  4.  Jahrhunderts  n.  Chr.  die  Bezeichnung  Saracenen 
{Ungaxtivoi)  ein,  ein  Name,  der  zuerst  in  der  dem  Athanasius  zugeschriebenen  Lebens- 
beschreibung  des  Heiligen  Antonius  und  fast  gleichzeitig  bei  Ammianus  Marcellinus  ge- 
nannt wird.  Die  Araberstämme,  die  mit  dem  Islam  kameu,  sahen  sich  zunächst,  dank 
ihrer  socialen  Bevorzugung,  keineswegs  auf  die  unwirthlichen  Theile  der  nördlichen  Wüsten 
beschränkt,  wo  selbst  heutigen  Tages  und  selbst  auf  Grundlage  des  Kameelbesitzes  nur 
für  eine  sehr  beschränkte  Anzahl  von  Familien  kärgliche  Lebensbedingungen  geboten  sind. 
Auch  hat  die  ausgedehnte  Region  der  Wüstenränder  den  Arabern  für  lange  einen  aus- 
reichenden Tummelplatz  ihrer  Entwickelung  abgegeben. 


(273) 

bausenden  Ababde  aafgetrieben  uad  dieselben  mit  anderen  Stücken,  die  mir  durch 
Gute  des  Prof.  Dr.  Eberhard  Fraas  aus  der  Gegend  von  Qosafr  zugingen,  dem 
hiesigen  K.  Museum  Air  Völkerkunde  Übergeben,  das  in  seinen  Sammlungen  von 
dieser  Gattung  von  Gelassen  noch  keinerlei  Beispiel  aus  Africa  aufzuweisen  hatte,  vie 
ich  denn  anch  annehmen  masa,  daas  solche  (der  Ababde)  bis  jetzt  überhaupt  noch 
in  keinem  der  europäischen  Museen  Vertretnng  gefunden  haben  mögeD.  Da  anch 
die  das  Gebiet  behandelnde  Literatur  den  Gegenstand  mit  Stillschweigen  abergeht, 
—  Klanzinger*)  ist  der  einzige,  der  des  Vorkommens  mit  einer  ganz  kurzen 
Notiz  Erwähnung  Ihut,  —  schalte  ich  hier  eine  Beschreibung  der  Gefässe  ein. 

Die  von  den  Ababde  und  Bischarin  mit  dem  auch  arabischen  Ansdruck  „burma" 
bezeichneten  Koctitöpfe  (Fig.  1—3)  sind  gewöhnlich  Id  bis  30  em  lang,  im  Umriss 
beiderseits  kreisrund  oder  oval,  mit  weiter  oder  mit  enger  Oeffnang  versehen  und 
mit  glatt  abgeschnittenen,  weder  erhabenem  noch  vorspringendem  Rande.  Die 
Gefässe  sind  entweder  sphärisch  bauchig  oder  an  der  Basis  verflacht.  Nahe  am 
Rande  oder  mehr  gegen  die  Mitte  zn  befindlich  sind  beiderseits  vorspringende  vier- 
eckige  Zapfen   angebracht,   die  als  Henkel  dienen.     Die  Dicke  der  Wandungen 

Fig.  1.  Fig.  2.  Fig.  8. 


Kochtdpfe  der  Ababde  aua  Talkschiefer  (io  Vs  tiat.  GrSsse). 

beträgt  I  bis  2  cm.  Der  Talkschiefer,  in  der  Bega-Spmche  „hämur"  genannt,  tritt 
in  verschiedenen  Härteverhältnissen  auf  and  empfiehlt  sich  wegen  seiner  Fener- 
beständigkeit  nnd  der  im  Vergleich  zu  ThongelSssen  geringeren  Zerbrechlichkeit 
den  Bedürfnissen  des  Nomadenlebens.  Die  Masse  ist  bald  grünlich  durchsichtig 
schimmernd  (Seifen stein),  bald,  je  nach  dem  Glimmerreichthnm,  von  mehr  oder 
minder  kömiger  Beschaffenheit,  und  alsdann  schwärzlich  und  hellgrau  gesprenkelt 
Auch  reinschwane  Massen  kommen  vor,  die  polirl  wie  Ebenholz  glänzen.  In  der 
Granitregion  der  östlichen  Wüsten  von  Ober-Aegypten  und  Kuhlen,  dem  mit  dem 
Namen  „Eibai"  bezeichneten  Stammlande  der  Bischarin  und  Ababde,  giebt  es 
viele  Stellen,  wo  Talkschiefer  noch  heutigen  Tages  zu  dem  erwähnten  Zwecke  von 
den  Eingeborenen  ausgebeutet  wird.  Klunzinger  giebt  halbwegs  zwischen  Qeneh 
und  Qosser,  südlich  von  Hammamät  eine,  Ri'a  (d.  fa.  Pass)  genannte  Oertlichkeit 
an,  und  nach  den  Angaben  von  Captain  G.  H,  Lyons  und  Major  Talbot  steht 
in  der  grossen  nnbischen  Wüste  in  dem,  Abu-Sinaijel  genannten  Tbale,  1'/,  Stunde 
in  West  der  Brunnen  von  Murät,  die  genannte  Felsart  in  beträchtlichen  Massen 
an,  begleitet  von  Homblendeschiefcr. 

Weiche  und  zersetzte  Talkschiefermassen  haben  in  diesem  Gebiete  eine 
grössere  Verbreitung  und  diese  (Mag nesiam Silicate)  werden  von  den  Nilthalbewohnern 
mit  Sand  vermengt  zur  Herstellung  vortrefflicher  und  feuerbeständiger  Thongerasse 
verwandt.  Diese  mergelartige  Talkmasse  fflhrt  gleichfalss  den  Namen  „hämur", 
die  Aegypter  bezeichnen  sie  mit  dem  Nameo  „bürum"  nnd  auf  der  Nordseite  der 


1)  C.  B.  Klunzinger,  Zeilschr.  d.  Ges.  f.  Erdk.  1879,  Bd.  XIV,  S.  429. 


(274) 

Stadt  Aisaan')  werden  zwischen  Granit  und  Qlimmeracbierer  anstehende  Lager 
davon  aasgebeutet.  In  dem  in  der  Nähe  befindlichen  Dorfe  Schema  brennen  die 
TSprer  aas  diesem  Talkmergel  sehr  schöne  Kochkessel,  die  dorch  eine  hetlleder- 
gelbe  Färbung  und  ein  gewissermaassen  elastisches  Oeruge  ausgezeichnet  sind. 

Wenn  nun  auch  die  Gelasse  der  heutigen  Ababde  in  Hinsicht  weder  auf 
AniftÜirnng  und  FonnTollendnng,  noch  auf  die  bei  der  Bearbeitung  der  Steinmasse 
«rTorderliche  Geschick  lieh  k  ei  t  einen  Vergleich  aushalten  mit  jenen  kunstvoll  endeten 
und  aus  den  härtesten  Qesteinsarten  hergestellten  Vasen,  von  denen  ich  später 
gelegentlich  der  Funde  in  den  der  neolithischen  Epoche  der  ersten  Dynastieen  und 
der  denselben  vorausgegangenen  Zeiten  reden  will,  so  möchte  ich  doch  an  der 
Vorstellung  festhalten,  dass  wir  es  hier  mit  einer  aus  atavistischer  Gewähnnng 
herzuleitenden  Leistung  zu  thnn  haben,  dass,  mit  anderen  Worten,  in  diesen  Ge- 
fassen  die  Steinzeil  von  ihrem  Portbestehen  hier  noch  unter  der  lebenden  Generation 
Kunde  giebt.  Diese  Hamiten  leben,  seit  Jahrtausenden  von  besseren  Gegenden 
verdrängt  und  auf  die  unwirthlichen  GebirKswUsten  des  Etbai  beschränkt,  in  einem 
Zustande  der  Verkümmerung,  der,  wie  es  den  Anschein  hat,  seit  den  Tagen  eines 
Artemidoms  keine  nennenswerthen  Veründemngen  aarzuweisen  hat.  Man  darf 
daher  von  ihnen  keine  hervorragenden  Kunslleistungen  erwarten.  Andererseils  er- 
scheint das  Festhalten  an  den  immerhin  doch  in  hohem  Grade  unpraktischen  Stein- 
geßsaen  bei  dem  häufigen  Verkehr  der  Ababde  mit  den  >~ilthalbewohnem,  die 
gerade  dort,  bei  Qeneh  und  Assuan,  in  Töpferarbeiten  aller  Art  sich  hervorthun, 
aufällig  genug.  Hau  bedenke  ferner,  dass,  wie  ich  bereits  erwähnte,  in  jenen 
Gebirgsgegenden  selbst  an  vorzUglichem  Uaterial  zur  Betfaätigang  im  letztgenannten 
Gewerbe  kein  Hangel  ist  and  dass  es  daselbst  auch  an  FeuerungssloSen  keineswegs 
gebricht,  —  betreiben  doch  die  heutigen  Ababde  in  allen  Thäleni  das  Kohlenbrennen 
aus  Akazienholz  mit  grossem  Eifer,  als  einen  der  wenigen  Erwerbszweige,  die  ihnen 
den  Bezug  der  unentbehrlichen  Komvorräthe  zum  eigenen  Unterhalte  möglich  machen. 

In  besonders  annalliger  Weise  aber  bekundet  sich  die  Vorliebe  der  Bega- 
Völker  fUr  Steingerätbe  in  einem  anderen  Gegenstände  aus  Talkschiefer,  den  mau 
wohl  im  Besitze  eines  jeden  von  ihnen  anlreffen  wird.  Ich  meine  die  kleinen 
Tabakspfeifen  (Fig.  4),   von   denen   ich  eine  Anzahl   vorzulegen  die  Ehre   habe. 

Fig.  i. 


Tabakpfeife  der  Ababde  and  Bischsrin  aua  Talk^chiefer  ,iD  ' ,  nst.  Gr.). 

KloBzinger')  ist  wiederum  der  einzige,  der  sie  erwähnt  hat    Dieselben  bestehen. 
das  Bohr  und  der  Kopf  aas  einem  Sttlck.  in  einem  wohlgeglätteten,  im  rechten 

1)  Aach  erwlhnt  FiRSri,  Studj  sci«nt  suU  E^lto,  p.  15T,  da-^s  die  sltea  AegTpter 
sick  bereits  des  Talkschierers  inr  Herslellang  viiq  feinen  Thonwsaren  bedient  bitten. 

2)  Ober-Aegjpten,  Kapitel  IV.    Harhieitd-fitfbräncbe. 


(275) 

Winkel  geknickten  Cylinder,  der  durchbohrt  an  seinem  etwas  kürzeren,  aber  gleich 
dicken  Schenkel  eine  zur  Aufnahme  des  Tabaks  beigestellte  erweiterte  Aushöhiang 
zeigt  Diese  Pfeifen  haben  eine  Länge  von  5  bis  15  cm  und  einen  Durchmesser 
von  2  cm.  In  Ermangelung  solcher  Steinpfeifchen,  die  auf  dem  Markte  von 
Suakin  in  grosser  Auswahl  zum  Rauf  geboten  werden,  bedienen  sich  die  Leute 
wohl  auch  mitunter  eines  Stückes  Röhrenknochen,  den  sie  durch  einen  Zipfel 
ihres  baumwollenen  Umschlagtuches  hindurch  rauchen.  Für  gewöhnlich  aber  birgt 
der  letztere,  geknotet,  die  kleine  Steinpfeife  und  den  Tabak,  den  sie  über  Alles 
werthschätzen.  Als  vor  kaum  27«  Jahrhunderten  der  Gebrauch  des  Tabaks  sich 
in  diesen  Gegenden  einzubürgern  begann,  werden  die  Wüstenbewohner  bei  den 
ersten  Ueberbringem  des  Narkotikons  wohl  auch  die  Thonpfeifen  zu  sehen  be- 
kommen haben,  deren  man  sich  zu  seinem  Genüsse  bedient.  Thönerne  Pfeifen 
lassen  sich  spielend  fast  überall  herstellen,  dennoch  griff  der  Hamite  zu  dem  ihm 
so  gewohnten  Steinmaterial,  und  ich  glaube,  in  diesem  Verhalten  kommt  noch  deut- 
licher der  Atavismus  der  Steinzeitgebräuche  zum  Ausdruck. 

Gefösse  aus  Talkschiefer  und  Speckstein  sind  aus  verschiedenen  Weltgegenden 
bekannt.  Unser  Museum  für  Völkerkunde  birgt  eine  grosse  Anzahl  schöner  Stücke, 
die  aus  Kaschmir  und  aus  dem  Distrikte  von  Salem  (Präs.  Madras)  herstammen 
und  daselbst  auf  den  Märkten  als  Köchgefasse  feilgeboten  werden.  Auch  sind 
neuerdings  aus  Talkschiefer  geformte  zierliche  Tabakspfeifen  (in  Gestalt  unserer 
Cigarrenspitzen)  aus  den  Gebieten  der  Nama,  Rasuto,  Bergdamara  u.  a.  eingesandt 
worden,  die  in  Süd-Africa  von  weiter  Verbreitung  zu  sein  scheinen,  sowohl  bei 
Hottentotten-,  als  auch  bei  den  östlichen  Bantu- Stämmen').  Auch  in  manchen 
Gegenden  Europas  werden  aus  Speckstein  Pfeifenköpfe  gedrechselt.  In  den  von 
mir  bereisten  Theilen  von  Africa  sind  mir  indess  Gefässe  von  Talkschiefer  ausser- 
halb des  Etbai  nirgends  zu  Gesipht  gekommen,  auch  habe  ich  in  der  Africa- 
Literatur  bisher  keine  darauf  bezüglichen  Angaben  ausAndig  zu  machen  vermocht. 

Ich  sehe  mich  genöthigt,  bei  diesem  Gegenstande  länger  zu  verweilen,  weil 
der  Talkschiefer  auch  in  den  Gräbern  der  ältesten  bisher  für  Aegypten  bekannt 
gewordenen  Epochen  eine  gewisse  Rolle  spielt  und  sich  wichtige  Fragen  an  die 
aus  dieser  Gesteinsart  hergestellten  Sachen  knüpfen.  Das  Schweigen  der  Literatur 
über  den  Gegenstand  entschuldigt  Professor  Flinders  Petrie,  wenn  er  bei  der 
Umschan  nach  Analogieen  es  unterlassen  hat,  seinen  Blick  den  hamitischen  Wüsten- 
völkem  von  Aegypten  und  Nubien  zuzuwenden.  Bekanntlich  erregten  die  gross- 
artigen Grabungen,  die  der  unermüdliche  Forscher  vor  drei  Jahren  auf  einem  aus- 
gedehnten Gräberfelde  in  der  Nähe  von  Tuch,  am  Wüstenrande  der  Libyschen 
Seite  unterhalb  Theben  ins  Werk  gesetzt  hatte,  grosses  Aufsehen,  als  derselbe  an 
der  Hand  zahlloser  Funde,  deren  Merkmale  in  fast  allen  Stücken  von  der  bisher 
an  altaegyptischen  Gegenständen  wahrgenommenen  Form  abwichen,  die  Hypothese 
einer  „neuen  Rasse^  aufstellte,  die  während  der  Epoche  des  mittleren  Reiches  von 
Westen  her  in  Aegypten  eingedrungen  sein  und  sich  in  Bezug  auf  Sitten  und 
Runstbethätigung  von  jeder  Berührung  mit  den  übrigen  Landesbewohnem  fern 
gehalten  haben  sollte.  In  seinem  neuesten  Werke*)  sind  die  eigenen  Ansichten 
des  Autors,  sowie  die  seiner  Mitarbeiter  durch  Wort  und  Bild  zu  ausführlicher 
Erörterung  gelangt.  Inzwischen  ist  aber  auch  die  in  Frage  stehende  Epoche  durch 
die  Ausgrabungen  von  E.  Amelineau  und  die  von  J.  de  Morgan  weiter  aufgehellt 


1)  vergL  H.  Schinz,  Deutsch-Südwest- Africa,  S.  9S.    Die  ethnographische  Sammlung 
in  Zürich  besitzt  eine  reiche  Auswahl  dieser  Stücke. 

2)  W.  M.  Flinders  Petrie  and  J.  E.  Quibell,  Nagada  and  Dallas,  London  18%. 

18  • 


(276) 

und,  dank  den  aufgeAindenen  Konigsnamen,  a]«  der  ersten  Dynastie  sogehdrig' 
fest^stellt  worden.  Ausser  dem  von  Flinders  Petrie  ausgebeuteten  Gr&berfelde 
sind  noch  zahlreiche  kleinere,  mit  jenem  in  allen  Einzelheiten  übereinstimmende, 
zu  beiden  Seiten  des  Nils  .  ausfindig  gemacht  worden;  sie  erstrecken  sich  Ton 
Gebelen  im  Süden  angefangen  bis  gegen  Girgeh  im  Norden.  {Is  sind  auch  bei 
Abydos  und  Negada  sechs  Rönigsgräber  aufgedeckt  worden,  darunter  zwei  ron 
grossartigen  Verhältnissen,  die  alle  einen  ron  den  übrigen  Gräbern  derselben  Epoche 
sehr  abweichenden  Todtencult  (Feuer-Nekropolen)  zur  Schau  stellen,  die  aber  durch 
eine  Anzahl  verschiedener  Beigaben  die  vollständige  Gleichalterigkeit  mit  den 
Gräbern  der  Privatpersonen  und  der  unteren  Klassen  ausser  Zweifel  stellen. 

Das  im  Druck  befindliche  Werk  de  Morgan's  über  die  königliche  Nekropole 
von  Negada  wird  über  die  Rönigsgräber  der  ersten  Dynastie  näheren  Aufschlnss 
ertheilen.  Ueber  die  kleinen  Gräber  dieser  Epoche,  die  sich  nicht  auf  die  drei 
ersten  historischen  Dynastieen  beschränken,  sondern  wahrscheinlich  auch  Zeiten 
umfassen,  die  dem  Beginn  derjenigen,  die  für  uns  in  Aegypten  als  die  historische 
gilt,  noch  um  ein  Beträchtliches  vorhergehen,  findet  man  vielseitigen  Aufschluss 
in  dem  erwähnten  Werke  von  Flinders  Petrie,  sowie  in  de  Morgan's  gleich- 
zeitig mit  diesem  erschienenen  ^Recherches  sur  les  origines  de  F^lgypte,  Tage 
de  la  pierre  et  des  metaux^,  Paris  1896.  Es  sei  mir  indess  gestattet,  gewisse 
Ei^enthümlichkeiten  der  kleinen  Gräber  hier  noch  besonders  hervorzuheben,  inso- 
fern sie  uns  neue  Probleme  darbieten  und  für  die  angeregten  Fragen  von  Belang 
erscheinen. 

Bei  dieser  Art  von  Gräbern,  deren  nun  bereits  im  Laufe  der  letzten  Jahre  Tausende 
untersucht  worden  sind,  müssen  zwei  streng  von  einander  getrennte  Rategorieen 
festgehalten  werden,  da  sie  nach  Rasse,  Abstammung  und  Lebensweise  verschie- 
denen Rlassen  der  damaligen  Bevölkerung,  wa)^rscheinlich  aber  nicht  zeitlich  aus- 
einander zu  haltenden  Generationen,  zu  entsprechen  scheinen.  Ftlr  die  Gräber  der  pri- 
mitiveren, ärmeren  Bestattungsweise  möchte  ich  den  Namen  der  „troglodytischen*^ 
in  Vorschlag  bringen,  da  sie  deijenigen  der  alten  Troglodyten  entspricht,  von 
welcher  nach  dem  Berichte  des  Artemidorus  uns  übereinstimmende  Beschreibungen 
von  Strabo  (XVI,  222),  Diodor  (lU,  32)  und  Agatharchides  in  seiner  Be- 
schreibung des  Erythräischen  Meeres  (63)  wiederholt  worden  sind.  Die  troglo- 
dytischen  Gräber  enthalten  je  einen  Rörper  ohne  Sargbehälter  frei  im  Boden 
ruhend,  seltener  in  mit  Rohziegeln  ausgekleideten  Schächten,  aber  stets  (ursprünglich) 
nur  umhüllt  von  Häuten  oder  Matten.  Die  Skelettheile  sind  zusammenhängend  und 
zeigen  die  kontrakte  Stellung  der  Gliedmassen,  welche  der  Bestattungsweise,  nicht 
nur  der  alten  Troglodyten,  sondern  auch  vieler  noch  lebender  Völker  Africas  (z.  K 
Bongo,  Mittu,  Raffern,  Betschuana,  Gva-Herero  u.  a.)  entspricht,  nur  mit  dem  unter- 
schiede, dass  hier  der  Rörper  nicht  in  kauernder,  hockender  Stellung  sitzend,  bei- 
gesetzt wurde,  sondern  stets  auf  der  linken  Seite  liegend,  Arme  und  Beine  in  der 
Gelenkbeuge,  die  Rnie  vor  der  Brust  (wahrscheinlich  vermittelst  Bast  und  Rinden- 
stricke zusammengeschnürt),  die  Hände  vor  die  Gesichtsfläcbe  gezogen.  Der  Todte 
war  von  handgeformten  rothen  Thonkrügen  und  Näpfen  von  verschiedener  Gestalt 
umgeben,  unter  denen  cylindrische  und  solche  mit  schwarzangelaufenen  Rändern 
einen  Air  die  Epoche  charakteristischen  Typus  darstellen,  femer  von  Thongefiissen, 
die  eine  zierliche,  in  höchst  eigenartiger  Figurensprache  zur  Darstellung  gebraohte 
Ornamentik  darbieten.  Die  Gefässe  sind  mit  Nilerde  oder  mit  Aschen-  und 
Rohlenresten  von  der  Feuerstelle  des  Wohnsitzes  des  Verstorbenen  angefüllt,  sel- 
tener mit  Rnochenresten.    In  einigen  dieser  Gräber  finden  sich  tellerartige  Schalen 


(277) 

niedergelegt,  die  mit  abgeschnittenen  Haaren  0  verschiedener  Individuen  gefüllt 
worden,  wahrscheinlich  denen  der  Anverwandten,  die  sie  als  Zeichen  der  Trauer 
an  dieser  Stelle  zum  Opfer  brachten.  Unter  Haarbüschel  von  schwarzer  Farbe 
finden  sich  andere  gemengt,  die  goldgelb  oder  flachsartig  fahl  erscheinen,  offenbar 
in  Folge  von  angewandten  Färbungs-  oder  Bleichungsmitteln,  nach  Art  der  heutigen 
Somal,  die  vermittelst  einer  dicken  Lage  von  frisch  gelöschtem  Kalk  oder  durch 
Einreiben  mit  gelber  Thonerde,  dem  Verwitterungsprodukte  vulkanischer  Tuflfe^ 
ihren  Haaren  häufig  ein  falbrothes  Aussehen  ertheilen').  Von  sonstigen  Beigaben 
der  Gräber  sind  Kieselartefakte  zu  erwähnen,  die  sich  stets  in  grosser  Menge  in 
ihnen  vorfinden,  aber  auch  der  zweiten  Kategorie  nicht  fehlen,  während  die 
königlichen  Fenemekropolen  deren  zum  Theil  in  ungeheurer  Menge  beherbergen. 
Tor  allem  sind  es  die  sonderbaren  Schieferplatten,  die,  in  Gestalt  von  allerhand 
Thieren,  namentlich  Fischen,  Schildkröten,  verschiedenen  YierfQsslem,  Vögeln,  dann 
aber  auch  zu  Rhomben,  Parallelogrammen  und  anderen  Formen  zugeschnitten,  für 
diese  troglodytischen  Gräber  besonders  charakteristisch  erscheinen.  In  denselben 
finden  sich  diese,  häufig  zum  Anhängen  durchlöcherten  Schieferplatten  an  Stellen, 
die  darauf  hindeuten,  dass  man  sie  bei  der  Bestattung  dem  Todten  in  die 
GUinde  gab  oder  vor  der  Brust  befestigte.  Wegen  einiger  Farbenreste,  die  sich 
an  einzelnen  dieser  oder  ähnlicher  Stücke  vorfanden,  vermuthete  Flinders  Petrie'), 
dass  die  Platten  als  Palletten  zum  Anreiben  von  Schminke  gedient  hätten;  allein 
nach  Analogie  der  im  Museum  für  Völkerkunde  zu  Berlin  befindlichen,  aus  ähn- 
lichem Schiefer  und  zum  Theil  in  ähnlicher  Gestalt  hergestellten  Stücke  der 
Jago raschen  Sammlung  aus  Kaschmir  (man  vergleiche  z.  B.  Nr.  3858  I,  c.)  ist 
man  eher  berechtigt,  die  Platten  für  Amulette  zu  halten,  die  als  Talismane  auf  der 
Brust  getragen  wurden,  um  allerhand  körperliche  Uebel  fernzuhalten.  Damit  sei 
nicht  gesagt,  dass  alle  Platten  dem  gleichen  Zweck  gedient  haben  müssen.  Wieder- 
holt hat  man  auf  ihnen  auch  die  Umrissfigur  eines  Krokodils  mit  gespreizten  vier 
Extremitäten  eingeritzt  gefunden. 

Einen  vornehmeren  Charakter  tragen  die  Gräber  der  zweiten  Kategorie  an  sieh, 
die  man  als  diejenigen  mit  secundärer  Bestattungsweise  bezeichnen  muss. 
Sie  haben  das  Eigenthümliche,  dass  sie  in  einem,  meist  mit  Rohziegeln  aus- 
gemauerten Hohlraum  einen  verschiedenartig  gestalteten  rohen  Behälter  aus  bald 
gebrannter,  bald  ungebrannter  Thonerde  zeigen,  der  die  Körperreste  als  zerstreute 
oder  willkürlich  durcheinander  geworfene,  meist  sehr  unvollständige  Skelettheile 
enthält.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  hier  eine  secundäre  Bestattung 
üblich  war,  wie  solche  ja  heute  noch  in  verschiedenen  Gegenden  Africas^)  geübt 


1)  Von  diesen  habe  ich  einen  guten  Vorrath  dem  Eönigl.  pathologischen  Institut  fiber- 
geben, aus  Gr&bem  von  Negada  und  Gebel  Silsile  stammend. 

2)  Eines  ähnlichen  Verfahrens  bedienen  sich  auch  Eingeborene  auf  Neu- Guinea.  Bei 
den  Dinka  wird  eine  fuchsrothe  Färbung  dnrch  fortgesetzte  Wascbnngen  mit  Kuhham 
hervorgerufen,  auch  soll  eine  14tftgig6  Compresse  von  Mist  und  Asche  ein  gleiches  Er- 
gebniss  hefem.  Stntser  dieses  Volkes  verstehen  es,  ihr  ursprünglich  krauses  Haar  durch 
andauerndes  Streichen  und  Kämmen  halbwegs  schlicht  zu  gestalten.  (Vcrgl.  Schwein- 
fnrth,  „Im  Herzen  von  Africa"  I,  S.  161, 162).  Durch  Verwendung  von  Pflanzenstoffen  ist 
dagegen  wohl  nur  bei  ergrauten  Haaren  ein  Blondf&rben  möglich;  bekannt  ist  die  Ver- 
wendung von  Hennah  (Lawsonia.) 

8)  FL  Petrie,  Nagada,  p.  43. 

4)  In  dem  vor  Kurzem  erschienenen  vortrefflichen  Werke  des  Prof.  Dr.  Georg 
Volkens  (Berlin  1897,  bei  Dietrich  Reimer)  wird  dieser  Brauch  bei  den  AVadschagga 
(8.  252,  253)  beschrieben.    Schädel  und  Knochen  des  Skelets  werden  nach  Jahresfrist  aus- 


(278) 

wird,  wo  die  Verstorbenen  zunächst  in  der  von  ihnen  bei  Lebzeiten  bewohnten 
Hatte  beigesetzt  werden,  nm  erst  nach  Ablanf  einer  längeren  Frist  den  wieder 
ausgegrabenen  Skeletresten  ein  endgiltiges  Begräbniss  zu  TheU  werden  zu  lassen. 
Prof.  Flinders  Petrie*)  hat  dieser  Bestattungsweise  die  offenbar  irrige  Deutung 
gegeben,  als  rührten  die  in  den  Gräbern  durcheiuandeigemengten  Körpertheile 
Ton  einer  am  Cadaver  im  frischen  Zustande  vorgenommenen  Zerstückelung  her, 
die  er  ausserdem  noch  ganz  unnöthiger  Weise  mit  angeblich  kannibalischen  Ge- 
bräuchen roher  Naturvölker')  in  Verbindung  bringt.  Er  beruft  sich  auch  im  miss- 
verstandenem Sinne  auf  eine  Stelle  des  Diodor  (V,  18),  wo  von  den  Grab- 
gebräuchen der  alten  Balearen  die  Rede  ist,  die  aber  keineswegs,  wie  er  sagt» 
ihre  Todten  „mit  hölzernen  Messern  oder  Aexten  zerschnitten'',  sondern,  nach 
Diodor,  nur  die  Gliedmassen  mit  Knüppeln  zerschlugen,  um  die  Körper  in  ein 
Geföss  hineinzuzwängen.  Die  Anwendung  von  Gewalt  behufs  Einzwängung  des 
Leichnams  in  einen  beschränkten  Raum,  oder  auch  zum  Zusammenschnüren  in 
kontrakter  Körperlage  hat  nichts  Ueberraschendes  und  wird  heute  noch  bei  ver- 
schiedenen Völkern  Africas  geübt,  z.  B.  bei  den  Gva-Herero,  die  nach  Schinz, 
(Deutsch-Süd west-Africa,  S.  1 74)  ihren  Todten  zu  diesem  Zwecke  das  Kreuz  brechen. 
Bei  anderen  Völkern  werden  zu  diesem  Hehufe  Einschnitte  in  die  Knie  hergestellt 
Die  sehr  häufige  Unvollständigkeit  der  Skelettheile  und  gewisse  Einzelheiten 
ihrer  Lage  im  Grabe  sprechen  in  ganz  überzeugender  Weise  gegen  die  Hypothese 
einer  absichtlichen  Zerstückelung  der  Leichen,  und  eine  gleiche  Bewandniss  wird 
es  wohl  auch  mit  den  algerischen  Dolmen')  und  den  von  Naue  beschriebenen 
Bronzcgräbem  in  Ober- Bayern  haben,  auf  die  sich  Flinders  Petrie  beruft.  Unter 
den  von  J.  de  Morgan  gelegentlich  seiner  diesjährigen  Ausgrabungen  bei  Negada 
von  Gräbern  der  hier  besprochenen  Kategorie  gemachten  Einzelplänen  und  Situations- 
aufnahmen der  Knochenbefunde  möchte  ich  einer  solchen  Aufnahme  hier  besondere  Er- 
wähnung thun,  da  sich  an  ihr  die  ganze  Hinfälligkeit  der  Flinders  Petrie* sehen  Hypo- 
these darthun  lässt.  Das  betreffende  Grab  gehörte  der  „Arabat-Krescha''  genvunten 
Nekropole  an  und  enthielt  in  einem  ovalen,  70  X  ^0  cm  messenden,  mit  einem 
Deckel  versehenen  Behälter  aus  gebranntem  Thon  ein  ziemlich  vollständiges  Skelet, 
dessen  einzelne  Knochen  in  sehr  unordentlicher  Weise  ausgebreitet  waren.  Der 
Unterkiefer  fand  sich  gesondert  vom  Schädel  und  ebenso  wie  die  einzeln  getrennten 
Schulterblätter  und  Schlüsselbeine  gerade  an  den  entgegengesetzten  Enden  des 
Geiasses.  Die  Rippen  lagen  in  drei  Gruppen  gesondert  an  ebensovielen  Stellen, 
die  Wirbel,  von  denen  viele  fehlten,  waren  gleichfalls  vereinzelt  und  zerstreut 
Nun  ist  doch  wohl  vorauszusetzen,  dass  Leute,  wenn  sie  sich  der  überaus  grossen 
Mühe  unterzogen,  die  einzelnen  Knochen  von  einander  zu  trennen,  dieselben  aus 
dem  frischen  Cadaver  herauszuschneiden,  herauszuschälen  und  namentlich  den 
Unterkiefer  aus  seinen  Angeln  zu  heben  (!),  auch  ein  Interesse  daran  gehabt  haben 
sollten,  für  die  Vollständigkeit  aller  Skelettheile  Sorge  zu  tragen;  dass  dies  der 

gegraben  und  gesondert  in  einem  Thonkrog  untergebracht  der  in  der  Bananenpflaorang 
so  eingegraben  wird,  dass  die  Oeffnong,  die  man  mit  einer  Scherbe  xndecki,  die  Ober^ 
fläche  erreicht  Volken§  vennnthet,  dass  nicht  bloss  der  brutale  Wunsch,  steh  der 
Todten  möglichst  schnell  und  ohne  Arbeit  zu  entledigen,  dieser  Sitte  lu  Omnde  tiege. 

1}  Nagada,  p.  ß2. 

"2)  Fl.  Petrie  hat  noch  neuerdings  in  einem  in  der  „Contemporary  Review*  veröffent- 
lichten Aufsatze  solchen  Vermuthungen  bei  Besprechung  der  Felsengräber  von  Deschascha 
wiedemm  Spielraum  gegeben. 

8")  vergl.  Faidherbe,  Hecherches  anthropologiques  sur  \e»  tombeanx  m^igalithiques 
de  Roknia. 


(279) 

Fall  nicht  war,  habe  ich  bereits  herrorgehoben.  Der  Umstand,  dass  sich  Füsse 
und  Hände  in  diesen  Gräbern  zuweilen  in  zusammenhängender  Knochenlage  vor- 
finden, darf  nicht  für  die  Annahme  einer  gewaltsamen  Zerstückelung  angerufen 
werden,  denn  in  den  trockenen  Gräbern  Aegyptens  sind  solche  Gliedmassen  die 
ersten,  die  austrocknen  und  solchergestalt  im  Verbände  bleiben,  während  alles 
andere  durch  Verwesung  serfällt.  Wollte  man  aber  die  Zerstückelung  und  Un- 
Vollständigkeit  der  Theile  mit  vorhergegangener  Kocherei  und  Kanibalcn -Mahl- 
zeiten*) in  Verbindung  bringen,  so  gäbe  es  in  Aegypten,  ausser  den  mit  Mumien, 
kein  Grab,  dass  von  einem  derartigen  Verdachte  verschont  bleiben  würde. 

Die  Gräberfelder  am  Rande  der  Wüste  bieten  die  zwei  erwähnten  Bestattungs- 
formen nicht  in  räumlich  gesonderter  Gruppirung,  in  zusammenhängendem  An- 
schluss  an  einander  dar;  an  einer  und  derselben  Oertlichkeit  wechseln  oft  beide  mit 
einander  ab.  Für  die  Annahme,  dass  meist  die  Verschiedenheit  eher  in  socialen, 
als  in  zeitlichen  Verhältnissen  zu  suchen  sei,  sprechen  ausserdem  gewichtige  Gründe. 
Denen,  die  als  Nomaden  lebten  und  keine  festen  Wohnsitze  hatten,  vielmehr  in 
Höhlen  oder  offenen  Lagern  hausten,  konnte  auch  nicht  in  Hütten,  die  sie  nicht 
belassen,  eine  vorläufige  Beisetzung  zu  Theil  werden.  Das  waren  die  Troglodyten 
oder  Ichthyophagen,  Vorfahren  der  heutigen  Ababde  und  Bischann,  die,  wie  gegen- 
wärtig, zum  grossen  Theil  im  Umkreise  der  Städte  und  Dörfer  ein  auskömmlicheres 
Dasein  aufgesucht  haben  werden. 

Die  Beigaben  in  den  Gräbern  der  secundären  Bestattungsweise  geben  von 
Besitz  und  von  grösserem  Wohlstand  Kunde.  Ausser  den  bei  der  ersten  Kategorie 
aufgezählten  Gegenständen  finden  sich  in  ihnen  zahlreiche  Luxus-  und  Toilette- 
gegenstände, Elfenbeinschnitzereien  und  dergl.,  namentlich  aber  die  schöngeformten 
Schalen,  Näpfe  und  kleinen  Vasen  aus  hartem  krystallinischem  Gestein  oder  aus 
mehr  oder  minder  harten  metamorphischen  Schiefem  und  Tuffen.  Während  Bronze- 
gegenstände in  den  troglodytischen  Gräbern  so  gut  wie  gar  nicht  vorkommen 
oder  nur  andeutungsweise  vorhanden  sind,  spielen  dieselben  in  den  Gräbern  mit 
zerstreuten  Skelettheilen  bereits  eine  gewisse  Rolle.  Von  Belang  sind  sie  aber 
erst  in  den  Königsgräbern  der  Epoche  (I.  Dynastie),  wo  eine  solche  Menge  der 
verschiedensten  Kupfer-  und  Bronzegeräthe  zu  Tage  gefördert  worden  ist,  dass 
es  in  hohem  Grade  fraglich  erscheint,  ob  die  Kupferminen  der  Sinaihalbinsel  im 
Stande  gewesen  sein  konnten,  Mengen,  wie  sie  schon  damals  der  Bedarf  Aegyptens 
erheischte,  allein  zu  beschaffen. 

Die  Steinge(asse  in  diesen  Gräbern  sind  ebenso  verschieden  an  Grösse  und 
Gestalt,  wie  hinsichtlich  der  Gesteinsarten,  die  zur  Verwendung  kamen.  Die  Mittel, 
die  zu  ihrer  Herstellung  gedient  haben,  werden  gewiss  noch  lange  Gegenstand 
der  Gontroverse  bleiben,  denn  diese  Gefasse  sind  hinsichtlich  ihrer  Formvollendung 
von  keiner  späteren  Epoche  übertroffen  worden.  An  den  henkellosen  offenen 
Schalen  und  Tellern  oder  den  tiefer  ausgebauchten  kesseiförmigen  Gelassen  über- 
rascht bei  der  äusserst  symmetrischen  Rundung  besonders  ihr  hoher  Grad  von  Dttnn- 
wandigkeit  Das  Material  besteht  hier  aus  harten  Schiefern  und  tuffigen  Gesteins- 
arten, die  sich  mit  dem  Messer  ritzen  lassen.  Aus  Alabaster  geformte  Gefasse 
sind  häufig  und  in  den  verschiedensten  Grössen  vorhanden.    Unter  diesen  herrscht 

1)  An  einigen  der  von  mir  bei  den  MoDbuttu  1870  aufgelesenen  (gekochten)  Schädel 
lassen  sich  deutlich  die  Schrammen  der  Messer  erkennen,  deren  sich  diejenigen  bedienten, 
die  davon  gespeist  haben,  an  einigen  sind  gar  die  Eindrücke  der  Zähne  erkennbar,  die  an 
den  Schädeln  genagt  haben.  So  lange  man  mir  Stücke  von  gleicher  Beweiskraft  nicht 
vonnweisen  vermag,  werde  ich  an  den  «Endocannibalismus**  der  alten  Nilbewohner  nicht 
glauben.    Das  Wahrscheinliche  beansprucht  mehr  Geltung,  als  das  Unwahrscheinliche. 


(280) 

die  cyiindriscbe  halslose  Form  mit  flacher  Omndfläche  und  einfacher  Ring- 
anschwellang  an  der  weiten  Oeffnong  vor,  dieselbe,  die  sich  auch  bei  zahlreichen 
Thongefässen,  namentlich  der  troglodytischen  Gräber,  wiederholt,  wie  denn  Ober- 
haupt in  allen  diesen  Gräbern  Steingefässe  und  thöneme  hinsichtlich  ihrer  Formen 
keine  Verschiedenheiten  aufweisen.  Deutlich  erkennbar  aber  ist,  an  der  Hand  der 
marmorirt  gesprenkelten  und  granitartigen  Ornamentik  vieler  Thongefässe,  dass  die 
letzteren  oft  in  Nachahmung  bereits  vorhandener,  vielleicht  älterer  und  als  beson- 
dere Rnnstleistungen  hochgeschätzter  Steinvasen  hergestellt  worden  sind. 

Das  härteste  Steinmaterial  findet  sich  zu  diesen  letzteren  verwendet,  die  eine, 
für  die  Epochen  bis  zur  dritten  Dynastie  (wie  es  scheint,  nicht  später)  äusserst 
charakteristische  Gestaltung  zeigen.  Flinders  Petrie  hat  dieselben  wegen  ihrer 
durchbohrten  Henkel  als  Aufhängevasen  (hanging  stone  vases)  bezeichnet,  im 
Gegensatze  zu  den  aufstellbaren  (standing  stone  vessels),  die  ohne  Henkel  sind; 
indess  ist  die  Mehrzahl  der  „Hängevasen^  gleichfalls  mit  abgeflachtem  Boden  ver- 
sehen. Die  Haupteigenthümlichkeit  ihrer  Gestalt  beruht  in  den  zwei  Henkeln,  die 
in  der  Nähe  des  meist  flach  vorspringenden  Randes,  d.  h.  im  oberen  Drittel  oder 
Viertel  der  Gesaipmthöhe,  angebracht  sind.  Dieselben  stellen  einen  an  die  Ober- 
fläche angeschmiegten,  wenig  vorspringenden,  aber  stets  horizontal  gestellten  Cylin- 
der  dar,  der  in  seiner  Längsaxe  durchbohrt  ist  Durch  die  Verbreiterung  des 
Henkels  wurde  offenbar  eine  grössere  Tragkraft  und  Widerstandskraft  der  Henkel- 
^masse  beim  Aufhängen  erstrebt.  Diese  harten  Vasen  sind  weit  massiver,  als  die 
anderen  Gefässe,  und  mit  seltenen  Ausnahmen  von  sehr  geringer  Grösse.  Wenn  sie 
erst  alle  petrographisch  untersucht  sein  werden,  wird  sich  eine  sehr  lange  Liste  der 
zu  ihrer  Herstellung  verwendeten  Gesteinsarten  ergeben.  Der  schwarze  Diorit  mit 
grossen  weissen  Einschlüssen  (Oligoklas),  den  man  an  so  vielen  Bildwerken  des 
alten  Aegyptens  zu  bewundem  Gelegenheit  hat,  spielt  bei  diesen  Vasen  eine  grosse 
Rolle.  Viele  bestehen  aus  porphyrartiger  Masse,  vom  ächten  rothen  Porphyr  des 
Mons  Porphyrites  bis  zum  buntgefärbten  Qnarzporphyr  und  Diabasporphyr  des 
Gebel  Dara;  andere  sind  aus  Serpentin  und  verschiedenen  Homblendebreccien 
geformt,  aus  schwarz weissgesprenkeltem  Homblendegranit,  aus  schneeweissem 
pseudokrystallinischem  Quarz,  ja  aus  reinem  Bergkrystall  und  aus  Obsidian.  Mit 
Ausnalime  des  Obsidians,  dessen  Herkunft  noch  ein  Räthsel  ist,  und  abgesehen  von 
einem  häufig  verwendeten  roth weiss  gefleckten  Conglomerat  von  Kieselkalstein,  der 
an  Untersberger  Marmor  erinnert  und  am  Abfall  der  Libyschen  Wüste  nördlich 
von  Abydos  ansteht,  namentlich  da,  wo  die  Strasse  von  Gii^geh  zur  Grossen  Oase 
hinaufführt,  entsprechen  alle  die  aufgezählten  Gesteine  den  in  der  krystallinischen 
Gebirgskette  der  Oestlichen  Wüste  verbreiteten  Arten;  sie  fehlen  auf  der  west- 
lichen Nilseite  und  namentlich,  soweit  das  Gebiet  der  Libyschen  Wüste  erforscht 
worden  ist,  in  dieser.  Es  ist  also  auch  in  diesem  Umstände  ein  gewichtiger 
Hinweis  auf  die  Beziehungen  zu  erblicken,  welche  die  alten  Nil-Anwohnor  mit  dem 
Osten  und  nicht  mit  dem  Westen  verbanden,  zugleich  ein  Beweis  gegen  die  An- 
nahme einer  von  Westen  her  in  das  Nilthal  stattgehabten  Einwanderung  sogenannter 
Libyscher  Stämme.  Diese  Beziehungen  werden  noch  fester  geknüpft  durch  die 
Talkschieferkessel  der  Ababde,  die  im  Grunde  genommen  doch  nur  als  entartete, 
rohe  Rückbildungsformen  der  zweihenkeligen  Vasen  der  alten  Gräber  aufzufassen 
sind.  Es  finden  sich  aber  auch  ausserdem  in  diesen  Gräbern  Gefässe  von  dem- 
selben Talkschiefer,  den  heute  noch  die  Ababde  verarbeiten. 

Ich  hätte  nun  noch  aus  der  reichen  und  eigenartigen  Ornamentik  der  meist  roth 
bemalten  Tbongefässe,  die  allein  den  Gräbern  der  hier  besprochenen  Epoche  eigen 
ist,  man nich faltige  Beziehungen  nachzuweisen,  welche  die  alten  Nil-Anwohner  mit 


(281) 

den  südlichen  und  östlichen  Gegenden,  den  Stammsitzen  der  afrikanischen  Hamiten, 
in  einen  onlengbaren  Zusammenhang  bringen.  Allein  dieses  Kapitel  erfordert  ein 
sehr  weites  Ausholen  auf  Gebiete  der  rerschiedensten  Forschungszweige.  Es  sei 
mir  gestattet,  hier  nur  die  Aufmerksamkeit  auf  einige  ganz  besonders  in  die  Augen 
springende  Verhältnisse  zu  lenken.  Niemand  wird  mehr,  beim  Anschauen  dieser  Art 
von  Bilderschrift,  wie  sie  sich  auf  den  erwähnten  Thongefässen,  von  denen  das  Rgl. 
Museum  der  Aegyptischen  Alterthümer  in  Beriin  bereits  eine  stattliche  Reihe  auf- 
zuweisen hat  und  die  in  den  citirten  Werken  von  de  Morgan  und  Flinders  Petrie 
in  grosser  Anzahl  zur  Darstellung  gebracht  worden  sind,  das  Axiom  unterschreiben 
wollen,  das  so  lange  Geltung  gehabt  hat,  dass  die  ägyptische  Kunst  ein  fertiges 
Ding  gewesen  sei  von  dem  Momente  an,  wo  sie  in  die  Erscheinung  trat. 

Die  Fremdartigkeit  der  Darstellungsweise  veranlasste  den  genannten  englischen 
Forscher,  den  Ursprung  dieser  Ornamentik  ausserhalb  Aegyptens  su  suchen  und 
uns  das.  Bestehen  eines  alten  Handels  mit  gebrechlicher  Töpferwaare  glaubhaft  zu 
machen,  der  im  Lande  der  Amoriter')  seinen  Ursprung  genommen  hätte.  Die 
ausschiesslich  afrikanischen  Gegenstände  dieser  Ornamentik,  namentlich  die  grosse 
Bolle,  die  in  ihr  der  Ruderbarke,  als  der  ersten  Schriftwerdung  einer  ägyptischen 
Idee  zufällt,  brachten  ihn  dabei  allerdings  mit  sich  selbst  in  Widerspruch.  Hier 
liegt  die  grosse  Bedeutung  der  keramischen  Bilderschrift  gerade  darin,  dass  sie, 
weil  den  ärmeren  Bewohnern  geläufig,  etwas  Ursprüngliches,  von  Alters  Her- 
gebrachtes zum  Ausdruck  bringt,  und  uns  dadurch  einen  weiten  Rückblick  in  die 
Zeiten  vor  Menes  eröffnet,  weil  ursprünglich  aus  einer  Zeit  stammend,  wo  die 
bloss  ideographische  Hieroglyphik  noch  in  den  Windeln  lag.  Das  ist  der  Stil,  der 
um  die  Zeit  der  ersten  Dynastie  bereits  als  ein  alter  gelten  mochte,  und  der 
künstlerische  Besitz  dieses  Volkes  zur  Zeit,  als  die  Sumero-Babylonier  ihre  Gultur 
auf  die  seinige  aufgepfropft  haben  mögen,  —  ein  Besitz,  der  jedenfalls  schon  vor  der 
dynastischen  Periode  von  Aegypten  vorhanden  gewesen  ist,  —  dokumentirt  sich 
da  in  der  ganzen  Eigenartigkeit  der  vom  späteren  Kanon  so  grundverschiedenen 
Formensprache. 

Ausser  den  aus  Gründen  der  technischen  Handhabung  selbstverständlichen 
Verzierungen  (z.  B.  Parallellinien)  spielen,  wie  bei  so  vielen  Erzeugnissen  einer 
primitiven  keramischen  Kunst  diejenigen  Formen  der  Ornamentik  eine  hervor- 
ragende Rolle,  die  auf  jene  Zeit  hinweisen,  da  der  Kunsttrieb  des  Menschen  noch 
vornehmlich  in  Korb-  und  Mattenflechten  Bethätigung  fand.  Betrachtet  man  z.  B. 
das  in  de  Morgan's  Origines  de  T^lgypte  auf  der  Tafel  IX,  Fig.  1  abgebildete 
Gefäss,  so  hat  man  das  vollkommenste  Abbild  eines  jener  grossen  Milchkörbe,  wie 
sie  die  heutigen  Somal  mit  so  grosser  Geschicklichkeit  aus  den  zähen  Wurzeln  des 
strauchförmigen  Asparagus  retroflexus  zu  flechten  verstehen. 

Das  behufs  schnellerer  gewerbsmässiger  Vervielfältigung  sich  bahnbrechende 
Oeneralisiren  der  Einzelheiten  tritt  bei  den  in  Spiralen  auslaufenden  Köpfen  der 
Strausse  und  Flamingos,  sowie  an  den  gleichfalls  spiralig  endenden  Bogenarmen  der 
Tänzerinnen  in  die  Erscheinung, —  Figuren,  welche  diesen  GeföSsen  ein  so  fremdartiges 
Aussehen  verleihen.  In  den  besonders  häufig  wiederkehrenden  Reihen  der  zusammen- 
hängenden stilisirten  Vogelgestalten  offenbart  sich  der  bei  aller  räumlichen,  zeit- 
lichen und  ethnischen  Gesondertheit  so  häufig  zur  Geltung  kommende  Parallelismus 
übereinstimmender  (ewig  menschlicher)  Gestaltungstriebe.  Auf  den  ersten  Blick 
springt  dabei  eine  überraschende  Analogie  mit  der  urgriechischen  Ornamentik  in 
die  Augen,   die  Conze  zuerst  in   seinen  Aufsätzen  zur  Geschichte  der  Anfänge 


1)  Tel-el-Hesbi  liegt  ungefähr  ÖOO  km  vom  nächsten  Nil  entfernt. 


J 


(282) 

griechischer  Kunst  (Wien,  1870  und  1873)  als  ^alteuropäisch^,  im  Gegensätze 
zu  der  späteren  orientalisirenden  Epoche,  bezeichnet  hat  und  in  welcher  er  das 
Ton  den  Griechen  aus  ihrer  nordischen  Heimath  mitgebrachte  Runstvermächtniss 
erblickte.  Diese  „  alteuropäischen  ^  oder  in  mythologischer  Ausdrucksweise  als 
Torkadmeisch  zu  bezeichnenden  Terracotten  bieten  ganz  ähnliche  Vogelreihen  dar 
(Kraniche,  Gänse  u.  a.),  wie  die  urägyptischen;  auch  zeichnen  sich  auf  ihnen  die 
abgebildeten  Gestalten  von  Vierfüsslem  (Pferde,  Steinböcke  u.  s.  w.)  durch  die  in 
gleicher  Weise  zum  Ausdruck  gebrachte  Bewegung  der  Extremitäten  aus,  die  einen 
durchgreifenden  Gegensatz  zu  dem  Paradeschritt  der  auf  den  ägyptischen  Bilder- 
inschriften verewigten  Figuren  bekundet  Indess,  abgesehen  von  der  (}rund- 
verschiedenheit  der  Gefässforraen  selbst,  bietet  diese  Ornamentik  hinsichtlich  der 
geometrischen  Motive  (keine  Mäander,  keine  durch  Bogenlinien  verbundenen  Kreise 
u.  dgl.)  unversöhnliche  Gegensätze,  und  namentlich  die  bei  der  ui^echischen 
fehlenden  Pflanzenformen  sind  es,  die  gerade  die  Mannichfaltigkeit  der  urägyptischen 
erhöhen. 

Die  der  Pflanzenwelt  entlehnten  Ornamentmotive  tragen  auf  diesen  ältesten 
Thongefässen  Aegyptens  eine  bereits  in  hohem  Grade  stiiisirte  Gestaltung  zur 
Schau.  Sie  bestehen  in  Bäumen,  Blattwedeln  der  Dattelpalme  und  in  einem 
blühenden  Gewächs,  dessen  bogig  zurückgeschlagene  Blätter  einer  verkürzten  Achse 
entspringen,  während  ein  gipfelständiger  einfacher,  an  anderen  Exemplaren  zwei- 
schenkeliger  Blttthenschafk,  der  im  Bogen  auf  die  eine  Seite  gekrümmt,  im  anderen 
Falle  nach  beiden  Seiten  auseinander  gespreizt  ist,  in  der  Veriängerung  der  Achse 
auftritt.  Der  mit  zahlreichen  Schoppen  oder  kleinen  Blättern  besetzte  Schaft  trägt 
an  seinem  Ende  einen  von  einem  halben  Ringe  umschlossenen  runden  Tüpfel*)* 

Ich  verrouthe,  dass  wir  es  hier  mit  dem  Prototyp  des  in  der  Hieroglyphenschrifl 
eine  so  grosse  Rolle  spielenden  Zeichens  des  Südens  zu  thun  haben  und  nehme 
keinen  Anstand,  als  das  vielgesuchte  pflanzliche  Urbild  der  Idee  die  im  südlichen 
Nubien  und  in  den  Bergen  von  Abessinien  weitverbreitete  Aloe  abyssinica  Lam.*) 
hinzustellen.  Fiele  mir  die  Aufgabe  zu,  das  Bild  dieser  Pflanze  in  ein  lineres 
Schema  aufzulösen,  ich  würde  zu  einer  Darstellung  gelangen,  die  sich  mit  Aem 
fraglichen  Motive  nahezu  deckte. 

Was  ist  nicht  alles  über  dieses  räthselhaAe  ^Zeichen  des  Südens^  geschrieben 
worden !  Aber  niemand  wird  bisher  von  den  gegebenen  Deutungen  befriedigt  worden 
sein.  Am  thörichtesten  erscheinen  die  Deutungen,  die  zur  Zeit  in  den  Hand- 
büchern Geltung  haben  und  auf  „Binse,  Lotus^  lauten.  Dieses  Zeichen  betraf  auch 
eine  der  ersten  Fragen,  die  mir  R.  Lepsius  mit  auf  den  Weg  gab,  als  ich  mich 
im  Jahre  1863  zum  ersten  Male  nach  Aegypten  einschiffte.  Damals  dachte  man 
(als  Botaniker)  zunächst  an  ein  Zwiebelgewächs,  an  etwas  Lilienartiges,  und  nach 
Maassgabe  der  Floren-Kenntniss  des  Sudan  kam  zunächst  ein  Crinum  oder  ein 
Haemanthuj  in  Betracht,   aber  die  weit  mehr  verbreitete,   auffällige  rothblühende 

1)  Botanisch  ausgedrückt  würde  die  Beschreibung  lauten:  subacaulis,  foliis  radicalibas 
approximatis  arcuatim  rerurvis,  Bcapo  terminali  siniplici  vol  bicmri  nutante  bractcifl  nnme- 
rosis  obsito,  floribos  summo  apice  congestis. 

2)  Ich  will  nicht  vorschweigen,  dass  eine  andere  Aloe  dem  Pflanzenumamcnt ,  wie  es 
in  den  bisherigen  Funden  vorliegt,  in  höherem  Grade  entspricht,  als  die  A.  abyssinica.  Das 
ist  die  durch  einen  ungetheilten  Blüthenscbaft  charakterisirte  A.  vulgaris  Lam.,  die  im 
Tief  lande  des  glücklichen  Arabiens  und  in  der  untersten  Region  der  Vorberge  weitverbreitet 
ist  Aber  Aloe  vulgaris  ist  bis  jetzt  auf  dem  afrikanischen  Continent  noch  nirgends  im 
wilden  Zustande  angetroffen  worden.  Auch  kann  der  Fonnenkreis  des  Schemas  sich  noch 
durch  jeden. neuen  Fund  modificiren. 


(285) 

Gegenden  Renntniss  nahmen,  namentlich  von  E.  Floye^  ^)  (Februar  bis  Mai  1891) 
keine  Kiesel -Artefakte  aufgelesen  worden.  Vielleicht  werden  künftige  Reisende, 
die  darauf  achten,  im  Etbai  Steingeräthe  und  Waffen  von  anderem  Steinmaterial,  etwa 
Beile,  Hämmer,  Keulen,  Schleudersteine  und  dergl.,  gelegentlich  noch  ausfindig 
machen. 

Die  eigentlichen  Fundstellen  von  Kiesel  und  Feuerstein  sind  an  die  tertiären 
und  an  die  der  oberen  Kreide  zugehörigen  Kalk-Qebii^  gebunden,  die  von  Edfu  an 
das  Nilthal  nördlich  vom  25 '^  n.  Br.  begrenzen,  und  in  diesen  Formationen  überall 
von  weiter  Verbreitung.  Besonders  ist  es  die  Libysche  Wüste,  deren  Ober- 
fläche grösstentheils  mit  Kieseln  aller  Art  bedeckt  ist.  Letztere  sind  zum  Theil 
Ueberbleibsel  verschwundener  Schichten  der  Miocänzeit,  in  die  sie  ursprünglich  ein- 
gebettet waren;  andere  gehören  auch  dort  den  Schichten  der  eocänen  Nummuliten- 
Formation,  zum  Theil  der  obersten  Kreide  an.  Künstlich  hergestellte  Kieselsplitter 
von  oft  erstaunlicher  Länge  finden  sich,  sobald  man  vom  Nil  landeinwärts  in  die 
westliche  Wüste  vordringt,  fast  überall  zerstreut  und  oft  in  solchen  Mengen  vor, 
dass  ihre  Häufigkeit  vor  etwa  dreissig  Jahren  und  noch  bis  vor  Kurzem  als  Haupt- 
beweis gegen  ihre  künstliche,  dem  Menschen  zugeschriebene  Het^tellung  voi^ebracht 
zu  werden  pflegte.  Wenn  man  vom  alten  Theben  die  Höhen  auf  der  Westseite  er- 
steigt, so  findet  man  bereits  dort  den  Boden  mit  solchen  Kieselscherben  bedeckt, 
und  an  den  vom  Nilthal  zur  Grossen  Oase  führenden  Wegen  sind  überall,  selbst 
mitten  in  der  Wüste  und  über  100  km  vom  Nil  entfernt,  immer  noch  Stellen  häufig, 
wo  sich  ohne  mühsames  Suchen  grosse  Mengen  dieser  Artefakte  auflesen  lassen. 
Noch  reicher  an  solchen  Fundstücken  sind  die  Oasen  selbst,  nebst  ihrer  nächsten 
Umgebung. 

Der  Silex  ist  hier  gewöhnlich  von  der  ledei^lben  Färbung  der  ungebrannten 
Terra  di  Siena.  Mit  und  zwischen  den  Splittern  finden  sich  als  vollendete  Stücke 
hauptsächlich  grosse  Fäustel*)  (coups  de  poing),  die  den  paläolithischen  von  Europa, 
denen  von  Chelles  z.  B.,  und  unzähligen  Vorkommnissen  des  europäischen  Nordens 
an  Gestalt  und  Grösse  aufs  Täuschendste  gleichen  und  keinen  Zweifel  daran  ge- 
statten, dass  diese  Wüsten  in  der  Urzeit  bewohnt  gewesen  sein  müssen. 

In  der  östlichen  Wüste  Aegyptens  dagegen,  wo  der  Nummuliten-Kalk  vorwaltet, 
bieten  die  alten  Kiesel- Werkstätten,  die  namentlich  in  der  Region  von  Uadi  Qineh, 
Uadi  Uarag  und  Uadi  Ssanür,  in  einem  Abstände  von  50—60  km  vom  Nil,  angetroffen 
werden,  Artefakte  von  ausgeprägt  neolithischem  Charakter  dar.  H.  W.  Seton- 
Karr')  will  neuerdings  in  dieser  Gegend  auch  einige  Stücke  von  unzweifelhaft 
paläolithischer  Gestaltung  aufgefunden  haben.  Immerhin  stellt  sich  die  Seltenheit 
der  letzteren  in  einen  entschiedenen  Gegensatz  zu  ihrer  Menge  in  der  libyschen 
Wüste.  Wenn  man  die  grossen  Schutt-Anhäufungen,  das  massige  Gerolle  und  die 
Nagelfluh-Bildungen  auf  dem  Grunde  der  tiefen  Thal-Einschnitte  der  östlichen  Wüste 
einer  genauen  Untersuchung  unterziehen  wollte,  wozu  an  vielen  Stellen  Gelegenheit 
geboten  ist,  da  die  periodischen  Regenfluthen  häufig  ihre  eigenen  Gebilde  zerstört 
und  die  alten  Ablagerungen  von  neuen  durchsägt  haben,  dann  würden  sich  höchst 
wahrscheinlich   auch   in   dieser  Region   zahlreichere  Belegstücke  aus  der   paläo- 


1)  E.  Floyer,  Etüde  sur  le  Nord-Etbai,  le  Caire  1893. 

2)  Eine  Anzahl  derselben,  an  verschiedenen  Localit&ten  der  westlichen  Wüste  auf- 
gelesen, habe  ich  nebst  anderen  Kiesel-Artefakten  dem  Kgl.  Museum  for  Völkerkunde  über- 
geben. 

8)  Anthropological  Institute,  Mai  1897;  vgl.  auch  Virchow,  Ueber  die  vorhistorische 
Zeit  Aegyptens:  YerbandL  1888,  S.  858. 


(284) 

Voraussetzungen  auch  auf  dem  Gebiete  der  Schädelkunde  vollauf  Bestätigung  finden 
werden.  — 

Um  meine  Darlegungen  zusammenzufassen,  möchte  ich  kurz  rekapituliren. 
Mein  Bestreben  war,  den  Zustand,  in  dem  sich  die  Bewohner  des  ägyptischen  Nil- 
thals in  vorgeschichtlicher  Zeit  befunden  haben,  als  das  Ei^ebniss  einer  Kreuzung 
von  Autochthonen  mit  hamitischen  Stämmen  zu  kennzeichnen,  die  vom  Bothen 
Meere  her,  aus  südlich  und  südöstlich  von  Ober-Aegypten  gelegenen  Gegenden  her- 
angezogen sind,  die  Besitzergreifung  des  Nilthaies  vollzogen  und  die  daselbst  vor- 
gefundene Bevölkerung  in  ihre  Kasse  haben  aufgehen  lassen.  Abermals,  in  einem 
langen  Zeitabstande  von  diesem  Vorgange  hätte  alsdann  das  alte  Nilvolk  eine 
weitere  Ummodelung  durch  das  erobernde  Eingreifen  einer  durch  höhere  Cultur- 
Errungenschaften  überlegenen  Rasse  erfahren,  die  von  den  Euphratländem  her 
ihren  Ausgangspunkt  genommen  haben  muss,  um  den  Nil- Anwohnern  den  Ge- 
treidebau auf  Feldern  vermittelst  der  Pflugschar,  metallurgische  Kenntnisse  und  wohl 
auch  ein  eigenes  Religionssystem,  vielleicht  gar  die  Kunst  der  Schrift  beibringen 
zu  können.  Als  das  Endergebniss  dieser  Mischungen  und  Beeinflussungen  wäre 
alsdann  die  ägjrptische  Civiiisation  der  Pharaonenzeit  zu  betrachten. 

Ein  bisher  ungelöstes  Problem  der  Geschichte  der  Cnlturpflanzen  scheint  allein 
unter  den  eben  gemachten  Voraussetzungen  Aufklärung  zu  finden.  Bekanntlich  sind 
bisher  noch  in  keinem  altägyptischen  Grabe  Sorghum-Kömer  gefunden  worden,  auch 
nicht  aus  den  Inschriften  bildliche  Beweise  für  das  Vorhandensein  dieser  Kömerfhicht 
(Andropogon  Sorghum)  zu  entnehmen  gewesen,  die  im  ganzen  tropischen  Africa  die 
bei  weitem  wichtigste  Grundlage  der  Massenemährung  ausmacht.  Erst  in  verhältniss- 
mässig  neuer  (griechisch-römischer)  Zeit,  seitdem  eine  mehr  unmittelbare  Fühlung  mit 
den  innerafrikanischen  Gebieten  ermöglicht  war,  kann  sich  der  Anbau  von  Sorghum,  der 
übrigens  auch  heute  noch  für  den  Haushalt  von  Aegypten  nur  secundäre  Bedeutung 
hat,  im  unteren  Nilthale  eingebürgert  haben.  Das  Eingreifen  der  Hamiten  in  den  Ur- 
zeiten, da  zwischen  den  Bewohnern  der  einzelnen  Abschnitte  des  weiten  Nilgebietes 
noch  keinerlei  Beziehungen  obwalteten,  muss  wie  ein  Keil  und  wie  ein  Riegel  gewirkt 
haben,  der  dieser  Abgeschlossenheit  Daner  verlieh.  Denn  die  hamitischen  Eroberer 
waren  ein  Hirtenvolk  und  die  Beschaffenheit  der  von  ihnen  im  Etbai  durchzogenen 
Thäler  und  Gebii^gswtlsten  machte  jegliche  Art  von  Ackerbau  zur  Unmöglichkeit,  auch 
war  es,  wie  ich  bereits  angedeutet  habe,  nicht  der  fruchtbare  Oulturboden  des  Nil- 
thals, der  sie  anlockte,  sondern  die  reichen  Weidegründe  sind  es  gewesen,  die 
ihren  Wanderungen  dieses  Ziel  als  besonders  erstrebenswerth  vorgesteckt  haben. 

Zum  Schluss  möchte  ich  nun  nicht  unterlassen,  auch  auf  einige  noch  offene 
Fragen  hinzuweisen,  die  sich  an  meine  Hypothese  vom  Ursprünge  des  Aegypter- 
Volkes  knüpfen  und  die  eine  schwache  Seite  derselben  darzubieten  scheinen. 
Diese  Fragen  betreffen  zunächst  einige  Widersprüche,  die  sich  in  den  Gräbern 
der  neolithischen  Epoche  der  ersten  Pharaonenzeit,  bezw.  denjenigen  offenbaren, 
die  derselben  vorausgegangen  sind.  In  den  frühesten  Königs-Gräbem,  ich  wieder- 
hole es,  finden  sich  Kiesel  -Artefakte  zu  Hunderten  angehäuft  und  in  jenen 
der  Privatpersonen  machen  sie  einen  der  hauptsächlichsten  Bestandtheile  der 
Todten- Beigaben  aus.  Nun  aber  fehlen  Kiesel,  nach  Allem,  was  von  diesem 
Landstriche  bekannt  geworden  ist,  in  den  Wüsten  des  Etbai  und  in  Nubien,  wo 
nur  krystallinische  Massengesteine  und  entweder  krystallinische  oder  klastische 
Sediment-Gesteine,  namentlich  Sandsteine,  zu  Tage  treten,  die  keine  Kieselknollen 
enthalten,  die  sich  zur  Herstellung  von  Messern,  Lanzenspitzen  und  dergl.  eignen. 
Auch  sind  von  Reisenden,  die  von  den  Plätzen  des  alten  Minenbetriebes  in  diesen 


(285) 

Gegenden  Kenntniss  nahmen,  namenüich  von  £.  Floye^^)  (Februar  bi8  Mai  189i) 
keine  Riese] -Artefakte  aufgelesen  worden.  Vielleicht  werden  künftige  Reisende, 
die  darauf  achten,  im  Etbai  Steingeräthe  und  Waffen  von  anderem  Steinmaterial,  etwa 
Beile,  Hämmer,  Keulen,  Schleudersteine  und  dergl.,  gelegentlich  noch  ausfindig 
machen. 

Die  eigentlichen  Fundstellen  Ton  Kiesel  und  Feuerstein  sind  an  die  tertiären 
und  an  die  der  oberen  Kreide  zugehörigen  Kalk-Qebirge  gebunden,  die  von  Edfu  an 
das  Nilthal  nördlich  vom  25 '^  n.  Br.  begrenzen,  und  in  diesen  Formationen  überall 
von  weiter  Verbreitung.  Besonders  ist  es  die  Libysche  Wüste,  deren  Ober- 
fläche grösstentheils  mit  Kieseln  aller  Art  bedeckt  ist.  Letztere  sind  zum  Theil 
Ueberbleibsel  verschwundener  Schichten  der  Miocänzeit,  in  die  sie  ursprünglich  ein- 
gebettet waren;  andere  gehören  auch  dort  den  Schichten  der  eocänen  Nummuliten- 
Formation,  zum  Theil  der  obersten  Kreide  an.  Künstlich  hergestellte  Kieselsplitter 
von  oft  erstaunlicher  Länge  finden  sich,  sobald  man  vom  Nil  landeinwärts  in  die 
westliche  Wüste  vordringt,  fast  überall  zerstreut  und  oft  in  solchen  Mengen  vor, 
dass  ihre  Häufigkeit  vor  etwa  dreissig  Jahren  und  noch  bis  vor  Kurzem  als  Haupt- 
beweis gegen  ihre  künstliche,  dem  Menschen  zugeschriebene  Herstellung  voi^ebracht 
zu  werden  pflegte.  Wenn  man  vom  alten  Theben  die  Höhen  auf  der  Westseite  er- 
steigt, so  findet  man  bereits  dort  den  Boden  mit  solchen  Kieselscherben  bedeckt, 
und  an  den  vom  Nilthal  zur  Grossen  Oase  führenden  Wegen  sind  überall,  selbst 
mitten  in  der  Wüste  und  über  100  km  vom  Nil  entfernt,  immer  noch  Stellen  häufig, 
wo  sich  ohne  mühsames  Suchen  grosse  Mengen  dieser  Artefakte  auflesen  lassen. 
Noch  reicher  an  solchen  Fundstücken  sind  die  Oasen  selbst,  nebst  ihrer  nächsten 
Umgebung. 

Der  Silex  ist  hier  gewöhnlich  von  der  ledei^elben  Färbung  der  ungebrannten 
Terra  di  Siena.  Mit  und  zwischen  den  Splittern  finden  sich  als  vollendete  Stücke 
hauptsächlich  grosse  Fäustel*)  (coups  de  poing),  die  den  paläolithischen  von  Europa, 
denen  von  Ghelles  z.  B.,  und  unzähligen  Vorkommnissen  des  europäischen  Nordens 
an  Gestalt  und  Grösse  aufs  Täuschendste  gleichen  und  keinen  Zweifel  daran  ge- 
statten, dass  diese  Wüsten  in  der  Urzeit  bewohnt  gewesen  sein  müssen. 

In  der  östlichen  Wüste  Aegyptens  dagegen,  wo  der  Nummuliten-Kalk  vorwaltet, 
bieten  die  alten  Kiesel- Werkstätten,  die  namentlich  in  der  Region  von  Uadi  Qineh, 
Uadi  Uarag  und  Uadi  SsanOr,  in  einem  Abstände  von  50—60  Arm  vom  Nil,  angetroffen 
werden,  Artefakte  von  ausgeprägt  neolithischem  Charakter  dar.  H.  W.  Seton- 
Karr')  will  neuerdings  in  dieser  Gegend  auch  einige  Stücke  von  unzweifelhaft 
paläolithischer  Gestaltung  aufgefunden  haben.  Immerhin  stellt  sich  die  Seltenheit 
der  letzteren  in  einen  entschiedenen  Gegensatz  zu  ihrer  Menge  in  der  libyschen 
Wüste.  Wenn  man  die  grossen  Schutt-Anhäufungen,  das  massige  Gerolle  und  die 
Nagelfluh-Bildungen  auf  dem  Grunde  der  tiefen  Thal-Einschnitte  der  östlichen  Wüste 
einer  genauen  Untersuchung  unterziehen  wollte,  wozu  an  vielen  Stellen  Gelegenheit 
geboten  ist,  da  die  periodischen  Regenfluthen  häufig  ihre  eigenen  Gebilde  zerstört 
und  die  alten  Ablagerungen  von  neuen  durchsägt  haben,  dann  würden  sich  höchst 
wahrscheinlich   auch   in   dieser  Region   zahlreichere  Belegstücke  aus  der   paläo- 


1)  E.  Floyer,  Etüde  sur  le  Nord-Etbai,  le  Caire  1898. 

2)  Eine  Anzahl  derselben,  an  verschiedenen  Localit&ten  der  westlichen  Wfiste  auf- 
gelesen, habe  ich  nebst  anderen  Kiesel- Artefakten  dem  Kgl.  Museum  für  Völkerkunde  über- 
geben. 

8)  Anthropological  Institute,  Mai  1897;  vgl.  auch  Virchow,  Ueber  die  vorhistorische 
Zeit  Aegyptens:  VerhandL  1888,  S.  858. 


(286) 

lithischen  Periode  ergeben.  Vermöge  ihrer  differenzirten  Bodenplaadk  hat  eben 
die  östliche  Wüste  weit  erheblichere  Umgestaltungen  der  Oberfläche  erlitten,  als 
die  flacher  gestaltete  and  der  tiefen  Thal-Einschnitte  gänzlich  entbehrende  west- 
liche oder  Libysche  Wüstenseite.  Hier  liegt  der  gesammte,  gleichsam  windgesiebte 
Inhalt  an  Widerstandsstücken,  den  die  obersten  Schichten  ursprünglich  enthielten. 
Dank  der  äolischen  Erosion,  offen  zu  Tage  und  mit  ihnen  die  Zeugen  der  ehe- 
maligen Thätigkeit  der  ältesten  Menschen-Oeschlechter.  Wenn  es  sich  um  Zeiten 
handelte,  die  nicht  nach  Tausenden,  sondern  eher  nach  Hunderttausenden  Ton 
Jahren  zählen,  dann  hätte  Flinders  Petrie  wohl  Recht  mit  seiner  Einwanderung 
von  Libyern;  denn  in  der  paläolithischen  Periode,  als  das  Abschmelzen  der  euro- 
päischen Oletscher  die  heutigen  Wüstenstriche  von  Nord-Africa  mit  reichlichen 
Niederschlägen  bedachte,  war  wahrscheinlich  die  ganze  Region,  die  gegenwärtig, 
dem  Weltmeere  gleich,  so  unüberwindliche  Schranken  im  Westen  von  Aegypten 
aufgerichtet  hat,  ?on  Menschen  bewohnt,  die  in  zahllosen  Rieselstücken  von  ihrem 
Dasein  Kunde  hinterlassen  haben.  — 

(29)   Hr.  O.  Olshausen  bespricht 

eine  ft*fkhrttmische  Fibel  mit  der  Aufschrift  AVCIS8A  aus  Rheinhessen. 

Hr.  Dr.  med.  Karl  Fliedner  in  Monsheim  bei  Worms  übergab  mir  auf  meine 
Bitte  die  hier  nach  einer  Zeichnung  des  Hrn.  Dr.  Karl  Brunn  er  abgebildete,  vor- 
trefflich erhaltene  bronzene  römische  Fibel  mit  Aufschrift,  um  eine  Lesung  der 
letzteren  zu  bewirken.  Der  Fundort  ist  nicht  genau  bekannt;  Hr.  Fliedner  kaufte 
das  Stück  von  einem  Händler  in  Alzey,  und  meint  darnach  annehmen  zu  dürfen, 
dass  es  aus  der  Provinz  Rhein  hessen  und  vermuthlich  auch  aus  der  Nähe  von 
Alzey  stamme. 


ÄXV^^^A^ 


Der  breite  Bügel  erweitert  sich  am  Kopfende  zu  einer  rechteckigen  Platte,  die 
durch  je  einen  Einschnitt  rechts  und  links  in  einen  breiteren  oberen  und  einen 
schmäleren  unteren  Theil  sich  gliedert.  Der  erstere  ist  nach  oben  hin  zu  einer 
Hülse  umgelegt,  in  der  ein  Bronzedrabt  steckt,  um  den  als  Axe  sich  die  Nadel 
dreht  Auf  dem  unteren  Plattentheil,  der  erhaben  umrahmt  ist,  steht  die  (erhabene) 
Aufschrift,  quer  zum  Bügel  und  so,  dass  sie  gelesen  werden  muss  bei  aufwärts 
gerichtetem  Fibelfuss.  Dieser  läuft  in  einen  kleinen  Zapfen  aus,  auf  welchen,  nach 
anderen  derartigen  Oeräthen  zu  scbliessen,  ein  Knopf  als  Schlussstück  geschoben 
war,  der  jetzt  verloren  ist. 

Von  der  geraden  Nadel  springt  dicht  unterhalb  des  Scharniers  ein  Dom  nach 
innen  vor,  welcher  sich  beim  Hinabdrücken  der  Nadel  gegen  die  Rückseite  des 
Fibelkopfes  stemmt,  eine  weitere  Bewegung  in  dieser  Richtung  hemmend  und  die 
in  sich  federnde  Nadel  im  Falz  des  Halses  festlegend.  Dieselbe  Einrichtung  an 
einer  der  unserigen  gleich  geformten  Fibel  aus  Mainz  ist  „Heidn.  Vorzeit*^  4,  46,  18 


(287) 

in  etwas  anderer  Weise,  als  hier  geschehen,  abgebildet.  Mit  Recht  hob  Linden- 
schmit  hervor,  dass  dieselbe  dem  Höhepunkte  der  römischen  Technik,  nicht  dem 
Verfall  entspreche,  da  sie  bei  grosser  Einfachheit  eine  längere  Haltbarkeit,  als  die 
mit  Federrolle  rerbondene  Nadel  verbürge  (Römische  Fand -Gegenstände  Yon 
Windischgarsten,  in  Bericht  31  des  Mus.  Franc.  Carol.  za  Linz  a.  D.,  1873, 
8.  16—17).  Es  wird  auch  der,  besonders  von  Tischler  betonte  Nachtheil,  den 
ein  Scharnier  der  Federrolle  gegenüber  in  anderer  Hinsicht  bietet,  durch  dieselbe 
sozusagen  ausgeglichen.  Eine  ähnliche  „Nadel-Hemmung  oder  -Sperrung'', 
wie  ich  die  Einrichtung  zu  nennen  vorschlage,  findet  sich  übrigens  noch  an  schalen- 
förmigen Fibeln  der  Wikinger. 

Fibeln  der  geschilderten  Gattung,  mit  oder  ohne  Aufschrift,  setzt  Tischler 
in  die  Zeit  des  Kaisers  Augustus.  Er  weist  ihre  sehr  grosse  Verbreitung,  nach 
Osten  bis  in  den  Raukasus,  nach  (in  A.  B.  Meyer,  Ourina,  Dresden  1885,  S.  29 — 30, 
Taf.  6,  Fig.  12)  und  fährt  dabei  auch  ein  Exemplar  mit  Aufschrift  von  Marzabotto 
an  (Gozzadini,  Un' antica  necropoli  a  Marzabotto  nel  Bolognese,  Bologna  1865, 
p.  31  und  Taf.  17,  17).  Gozzadini  war  geneigt,  lAVGSSAl  zu  lesen,  hielt  aber 
nicht  fär  ausgeschlossen,  dass  der  erste  und  letzte  Strich  Theile  einer  erhabenen 
Umrahmung  des  Plättchens  seien,  auf  dem  die  Aufschrift  steht  (wie  bei  der  Fibel 
des  Dr.  Fliedner).  Conestabile  konnte  (bei  Gozzadini)  die  Inschrift  eben- 
falls nicht  deuten,  er  hielt  sie  aber  für  etrurisch  und  gab  sie  als:  AVGSSA  ^ 
aurssa. 

Die  Fibel  ist  später  noch  wiederholt  abgebildet  worden;  so  von  Monte! ius 
in  Spännen  fran  bronsäldem  (Antiqvarisk  Tidskrift  for  Sverige  6,  187,  Fig.  190) 
und  in  seinem  grossen  Werke:  La  civilisation  primitive  en  Italic  1,  Stockholm  1895, 
Serie  A,  PI.  13,  184  (Text  p.  III);  ferner  von  Almgren,  Studien  über  nord- 
europäische Fibelformen,  Stockholm  1897,  S.  109,  Fig.  242.  Niemand  aber  scheint 
die  Aufschrift  richtig  gelesen  zu  haben;  die  Meinung,  dass  sie  etrurisch  sei, 
war  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Datirung  der  Fibel.  Tischler  jedoch  sogt  a.  a.  0. 
bestimmt:  ^Die  Inschrift  ist,  wie  die  Fibel,  römisch  und  [letztere]  steht,  wie  einige 
andere  Fibeln,  mit  den  älteren  Denkmälern  von  Marzabotto  in  keinem  Zusammen- 
hange.*^ Er  hält  die  ausserhalb  Italiens  gefundenen  Exemplare  dieser  Gattung  für 
italisch-römische  Exportstücke. 

Im  Corpus  Inscriptionum  Latinarum  fehlt  die  Inschrift  der  Fibel  von  Marza- 
botto noch,  da  Bd.  11,  in  den  sie  gehören  würde,  noch  nicht  bis  zu  den  Geräth- 
inschriften vorgeschritten  ist.  Aufklärung  über  die  Inschrift  aber  ist  uns  durch 
das  hessische  Stück  geworden.  Nach  einer  leichten  Reinigung,  die  ich  an  dem- 
selben vornahm,  las  Hr.  Prof  Emil  Hübner  ohne  Schwierigkeit:  AVCISSA  » 
aucissa.  Vor  dem  ersten  A  ist  ein  horizontal  liegendes  Ornament  oder  ein  Beginn- 
zeichen sichtbar,  hinter  dem  letzten  A  ein  vertical  verlaufendes  Gestrichele,  von 
dem  sich  nicht  sagen  iässt,  ob  es  Buchstaben,  Ornament  oder  Schlusszeichen  dar- 
stellen soll,  oder  vielleicht  nur  von  einem  Gussfehlor  herrührt 

Aucissa  ist  ein  keltischer  Mannesname,  zu  dessen  Vorkommen  auf  anderen 
Gegenständen  mir  Hr.  Hübner  auch  gleich  die  folgenden  Nachweise  lieferte. 
Nach  Alfred  Holder,  Alt-celtischer  Sprachschatz,  2.  Lieferung,  Leipzig  1892,  findet 
sich  der  Name  auf  einer  Fibel  aus  Neapel  (Corp.  Inscr.  Lat.  X,  8072,  22)  und  auf 
einer  anderen  im  Musee  de  St.  Germain  en  Laye,  endlich  [vielleicht]  mit  hinzu- 
gefügtem F(ecit)  [das  F  scheint  nicht  recht  gelungen  zu  sein]  auf  einer  dritten 
Fibel  in  Trier  (Westdeuteche  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst,  3,  Trier  1884 
S.  186).    Auch  an  einem  nicht  näher  bezeichneten  Geräth  des  naturhistor.  Mus.  in 


(288) 

Wien,  von  Siszeg  (dem  alten  Siscia  oder  Segestika),  am  Zusammenfluss  von  Kulpa 
und  Sau,  liest  man  den  Namen  (Corp.  I.  L.  III,  Supplement,  Nr.  12031,  18). 

Eine  Musterung  des  Bestandes  der  Fibeln  im  Rönigl.  Museum  f.  Völkerkunde, 
Berlin,  ergab  des  weiteren  folgende  gleichartige  und  mit  derselben  Inschrift  ver- 
sehene Fibeln: 

1.  unter  den  von  Dr.  Grempler  aus  dem  Raukasus  mitgebrachten  Stücken 
ein  fast  ganz  dem  Fliedner'schen  gleiches,  Illd,  64.  Man  liest  an  der- 
selben Stelle  AVC..S.;  das  A  hat  aber  hier  einen  Querbalken  und  der 
Bügel  der  Fibel  ist  ein  wenig  schmäler. 

2.  aus  Schliemann's  siebenter,  d.  h.  der  obersten  Stadt  zu  Hissarlik 
(jetzt  als  9.  Schicht  bezeichnet),  Nr.  8448  der  Schliemann-Sammlung. 
Von  der  Aufschrift  ist  noch  sicher  zu  lesen:  AVC,  und  weniger  deutlich 
SS.  Der  Theil  der  Ropfplatte,  auf  welchem  das  Wort  steht,  ist  erheblich 
breiter,  als  an  Dr.  Fliedner's  Exemplar. 

Es  kann  nun  wohl  kein  Zweifel  bestehen,  dass  auch  auf  der  Fibel  von  Marza- 
botto  zu  lesen  ist:  aucissa.  Die  senkrechten  Striche  vor  und  hinter  diesem  Worte 
sind  entweder  wirklich  nur  Theile  der  Umrahmung  der  Inschrift,  oder  es  handelt 
sich  um  Beginn-  und  Schlusszeichen.  Die  eigentliche  Schwierigkeit  der  Lesung 
aber  entstand  dadurch,  dass  die  Buchstaben  C  und  I  so  nahe  aneinandei^gerückt 
sind,  dass  sie  zu  Q  verschmolzen,  womit  man  nichts  Rechtes  anzufangen  wusste. 
Genau  dasselbe  ist  aber  auch  bei  der  Fli edn er ^ sehen  Fibel  der  Fall,  wo  noch 
dazu  das  I  auffallend  zart  ausgeführt  und  leicht  zu  übersehen  ist^).  — 

Die  häuAge  Wiederkehr  des  Namens  aucissa  lässt  wohl  darauf  schliessen,  dass 
man  es  hier  mit  dem  Namen  des  Fabrikanten,  nicht  der  Träger  der  Fibeln  zu 
thun  hat.  Die  Form  der  im  C.  I.  L.  veröffentlichten  Fibeln  kenne  ich  nicht;  die 
der  anderen  4  von  Rheinhessen,  Marzabotto,  Hissarlik  und  dem  Raukasus  ist  stets 
die  gleiche.  Aus  derselben  Gussform  aber  können  sie  nicht  hervorgegangen  sein, 
wie  die  kleinen,  z.  Th.  schon  erwähnten  Unterschiede  in  Inschrift,  Ornament, 
Bügelbreite  u.  s.  w.  beweisen.  Fibeln  desselben  Typus,  aber  ohne  Inschrift,  finden 
sich  im  R.  Mus.  f.  Völkerkunde  noch  mehrfach,  so  Nr.  8447  der  Schliemann- 
Sammlung  und  II  9544,  angeblich  von  Corfu.  Bei  der  von  Almgren  S.  2?li  zu 
Fig.  242  aufgeführten  Fibel  II  1610  von  Rahrstedt,  Rr.  Salzwedel,  ist  der  Bügel- 
rand beiderseits  mit  kleinen  Rnöpfchen  oder  Sprossen  besetzt 

Im  Hinblick  auf  die  aus  der  Stellung  der  Aufschrift  sich  ergebende  Lage  der 
Fibel  beim  Gebrauch  mögen  hier  noch  angefügt  werden  einige 

Bemerkungen  über  die  Art,  wie  die  Fibeln  zu  römischer  Zeit  getragen 

wurden. 

L.  Lindenschmit,  Vater,  giebt  an,  dass  in  germanischen  Gräbern  dos 
5.  bis  8.  Jahrb.  die  Fibeln  sich  an  den  I^eichen   in  derselben    Lage   finden,   in 

1)  Aus  dem  inzwischen  (am  12.  Juli)  bei  der  Bibliothek  der  antbrop.  Ges.  eingegangenen 
Korrespondenz-Blatt  der  Westdeutschen  Zeitschrift  f&r  Juni  und  Juli  lt<97,  Spalte  136  u.  137, 
ersehe  ich,  dass  Ur.  A.  Riese  die  InschriJft  von  Marzabotto  ebenfalls  als  aucissa  liest. 
Uebrigens  ist  uns  beiden,  wie  Hr.  Prof.  Riese  mir  nachweist,  schon  K.  Schumacher  lu- 
vorgekommen  im  Korresp.-Blatt  d.  Westd.  Zeitschr.  18d5,  Sp.  25ft  Hier  findet  sich  ferner 
citirt:  Olympia,  Bd.  4,  Berlin  1890,  8.  183,  Note  1.  Furtwftngler  liest  dort  die  Maria- 
botto-Aufschrift  „augissa**  und  ebenso  die  auf  einem  vorzuglich  erhaltenen  Exemplar  des 
Berliner  Kgl.  Antiquariums  (Friederichs,  Kleine  Kunst,  Nr.  263),  welches  das  I  völlig  ge- 
trennt von  dem  vorhergehenden  Buchstaben  zeigt.  Der  letztere  ist  meiner  Wahrnehmung  nach 
so:  C|  geformt.  —  Eine  andere  gleichartige  Fibel  des  Kgl.  Antiquariums  hat  nur  A  (=  A?) 
und  zwischen  den  Schenkeln  desselben  eine  tannenzweigartige  Verzierung.  — 


(289) 

welcher  nach  allgemeinem  Gebrauch  diese  Geräthe  abgebildet  zu  werden  pflegen, 
nehmlich  (wenn  man  von  der  Horizontalstell ong  absieht)  mit  dem  Kopf,  an  dessen 
Rttckseitc  die  Federrolle  oder  das  Scharnier  angebracht  ist,  oben,  und  mit  dem 
Fuss,  dessen  Nadelhalter  die  Nadelspitze  aufnimmt,  unten  (Handbuch  d.  deutsch. 
Alterthumsk.,  Theil  1,  Braunschweig  1880—89,  S.  427).  Für  die  römische 
Kaiserzeit  dagegen  machte  Lindenschmit  den  Gebrauch  der  Fibel  in  um- 
gekehrter Stellung,  mit  dem  Fuss  und  der  Nadelspitze  nach  oben,  wahr- 
scheinlich, wobei  er  sich  auf  die  in  Elfenbein  geschnitzten  Darstellungen  des 
Diptychon  consulare  zu  Halberstadt  aus  dem  Ende  des  4.  Jahrh.  und  auf  Stein- 
reliefs  im  Museum  zu  Graz  und  im  Bayrischen  Nationalmuseum  zu  München 
stützte  [Augustin,  Das  Dipt.  cons.  z.  H.,  in  Förstemann's  Neuen  Mittheilungen 
d.  thüring.- Sachs.  Alterth. -Vereins  7,2  (1844)  S.  60 ff.  mit  2  Tafeln.  Linden- 
schmit, Alterth.  zu  Sigmaringen,  Mainz  1860,  S.  53,  Fig.  35  u.  36;  Alterth.  uns. 
heidn.  Vorzeit  2  (1870),  Heft  12,  Text  zu  Taf.  3;  Handbuch,  S.  425—27].  Diese 
Auffassung  ist  jetzt  wohl  ziemlich  die  allgemeine;  namentlich  wies  Tischler  auf 
Gräberfunde  Norddcutschlands  hin,  welche  dieselbe  bestätigten,  und  suchte  diese 
Stellung  der  Fibel  als  die  einzig  naturgemässe  aus  der  leichteren  Handhabung  des 
Geräths  bei  aufwärtsgerichteter  Nadelspitze  zu  erklären  [Schriften  der  phys.-ökon. 
Ges.  Königsberg  19  (1878)' S.  224—27,  und  in  Meyer,  Gurina,  S.  15.  Vgl.  Anger 
in  VerhdI.  d.  Berliner  anthrop.  Ges.  1880,  380,  Nr.  3  und  5]. 

Hier  sei  auch  noch  auf  Steinskulpturen  Ungarns  hingewiesen,  welche  an  jeder 
Schulter  der  dargestellten  Personen  eine  jener  grossen  „^Itlgelübeln^,  den  mäch- 
tigen Fuss  aufwärts  gerichtet,  zeigen,  die  im  1.  und  2.  Jahrh.  zum  charakteristischen 
Inventar  Pannoniens  und  Noricums  gehörten  [Hampel  in  Ungarische  Revue, 
1881,  147—63,  mit  Abbildungen,  nach  Archaeologiai  Ertesitö  1880;  Tischler  in 
Gurina  S.  25—27,  Nr.  13].  -  Die  Fibelgattung  siehe  bei  Fl.  Rom  er,  Illustrirter 
Führer  im  ungar.  Nationalmuseum,  2.  Ausgabe,  Budapest  1873,  S.  32,  Fig.  173 
und  bei  H.  Hildebrand,  Bidrag  tili  spännets  historia,  Fig.  117,  in  Antiqvarisk 
Tidskrifl  för  Sverige  4  (1872—80)];  Almgren  Nr.  238. 

Wenngleich  nun  die  Stellung  der  Aufschrift  an  der  Alzeyer  Fibel  einen  neuen 
Beweis  für  den  erörterten  Gebrauch  liefert,  so  war  dieser  doch,  auch  in  der 
römischen  Raiserzeit,  kein  ausschliesslicher.  Auf  dem  Grabstein  des  SchifTers 
Blussus  (von  Weisen  au  bei  Mainz),  aus  dem  3.  bis  4.  Jahrh.,  ist  das  Gewand 
der  Frau  an  der  rechten  Schulter  durch  eine  Fibel  zusammengehalten,  deren  Fuss 
und  mithin  auch  Nadelspitze  unten  liegt  (Heidn.  Vorzeit  3,  9,  3,  und  die  Form 
der  Fibel  im  Text  als  Figur  d  deutlich  gemacht).  Die  Stellung  der  Fibel  ist  durch 
die  Abbildung  richtig  wiedergegeben,  wie  mir  Hr.  L.  Lindenschmit,  Sohn,  gütigst 
nochmals  bestätigte.  Aber  auch  ohne  solche  antike  Darstellungen  lässt  sich  in 
einzelnen  Fällen  die  Lage  der  Nadel,  als  mit  der  Spitze  nach  unten  gerichtet,  nach- 
weisen. Lindenschmit  hat  hervorgehoben,  dass  für  gewisse  Fibeln,  der  de- 
coratiyen  Gestaltung  ihres  Bügels  nach,  ein  Zweifel  über  die  Art  ihrer  Befestigung 
nicht  wohl  bestehen  könne;  so  müssten  Fibeln  in  Form  von  Thieren,  um  diese 
Darstellung  erkennbar  zu  zeigen,  horizontal  befestigt  werden  (Heidn.  Vorzeit  2,  12, 
Text  zu  Taf.  3,  und  2,  7,  4).  Ebenso  aber  haben  wir  Fibeln,  bei  denen  die  ver- 
ticale  Anbringung  als  das  Natürlichste  erscheint,  z.  B.  Heidn.  Vorzeit  4,  9,  Fig.  9 
und  11,  beide  in  Gestalt  eines  P,  letzteres  mit  L  kombinirt,  und  Fig.  8,  ein  Krag 
mit  Fuss  und  langem  Halse.  Was  hier  „oben^  war,  ist  aber  auch  klar;  es  fragt 
sich  also  nur  noch,  wo  die  Nadelspitze  auf  der  Rückseite  lag. 

Bei  dem  Rruge  Fig.  8,  in  Bonn,  ist  nun  zwar,  nach  gef.  Auskunft  des  Herrn 
Prof.  Klein,  die  Nadel  am  Fusse  des  Kruges  eingehängt,  ihre  Spitze  nach  oben 

VerbftndU  der  Borl.  Anthropol.  Oe««llMhAft  1897.  19 


(290) 

gerichtet;  da^^a  besitzt  das  Museum  in  Mainz,  wie  Herr  Oonservator  Linden- 
scbmit  mir  schreibt,  ein  (^nz  gleich  geformtes  Stück,  dessen  Nadelspitze  unten 
li^,  nnd  bei  jenen  beiden  P-Fibeln  ist  es  ebenso.  Die  Fibel  Fig.  9,  in  Mainz, 
hat,  wie  schon  die  Abbildung  erkeunen  lässt,  am  Kopf  des  P  eine  SpiralroHe  ge- 
habt; der  Nadelhalter  am  Fuss  ist,  nach  Angabe  des  Herrn  L.,  nicht  TollstSndig 
nnd  war  zweimal  gelocht  (wie  Übrigens  auch  der  Nadelhalter  am  Kmge  Fig.  8 
gelocht  ist).  Die  Fibel  Fig.  11,  in  Karlsruhe,  trug  laut  gef.  MJttheilung  des  Hm. 
Geh.  Batbs  E.  Wagner  am  Kopfende  ein  Scharnier;  die  Nadelspitze  lag  wiederum 
am  Fuss. 

Diese  Fälle  genügen,  um  zu  zeigen,  dass  der  Gebrauch  in  römischer  Kaiserzeit 
ein  schwankender  war.  Immerhin  mag  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  die  Nadel  mit 
ihrer  Spitze  nach  oben  gerichtet  gewesen  sein.  — 

(30)  Hr.  Semrau,  Bibliothekar  des  Goppemicas- Vereins  ftir  Wissenschaft 
und  Kunst,  übersendet  ans  Thorn,  15.  Jnni,  folgende  Beschreibung  und  Photo- 
graphie TOD  dem 

Bronze-Depot-Fnnde  von  Czernowitz. 

Der  Bronze-Depot-Fund  von  Czernowitz,  Kreis  Thorn,   linkes  Weichsel- Ufer, 

enthielt  2  Armbänder  (Pig.  1  und  2)  nnd  2  Handbergen  (Fig.  3  und  4).    Dieselben 

wurden  im  April  1897  auf  der  Feldmark  des  Hm.  BJItergutsbesitzera  Modrzejewski 

zu  Czernowitz  beim  Pflügen  gefanden.    Die  Fundstelle  liegt  in  der  Nähe  der  alten 

Fig.  1.  Fig.  3. 


Fig.  1—4  in  •/,  der  nstürl.  Grösse. 


(291) 

Strasse,  welche  sich  auf  der  Weichselhöhe  hinzieht.    Die  betreffenden  Gegenstände 
wurden  dem  Coppernicus- Verein  für  das  Städtische  Museum  übei^eben. 

Es  liegt  nahe,  den  Depot-Fund  von  Gzernowitz  mit  dem  Depot-Funde  von  dem 
jenseit  der  Grenze  in  Russisch-Polen  gelegenen  Ku^.nice  zu  vergleichen,  von  dem 
ein  Thcil  im  Provincial-Museum  zu  Danzig  deponirt,  ein  anderer  in  den  Besitz 
des  hiesigen  Städtischen  Museums  gelangt  ist.  Der  Fund  von  Gzernowitz  zeigt 
grösseren  Reichthum  in  der  Ornamentirung.  Das  mit  Fig.  1  bezeichnete  Armband 
hat  ein  Gewicht  von  387  q.  Die  beiden  Armbänder  unterscheiden  sich  von  einander 
durch  die  Anordnung  der  Ornamentirung.  Beim  ersten  Armband  (Fig.  1)  ist  die 
Aussenfläche  durch  4  Bündel  verticaler  Striche  in  5  Felder,  beim  zweiten  Armband 
{Fig.  2)  durch  5  Bündel  verticaler  Striche  in  6  Felder  getheilt.  —  Die  mit  Fig.  4 
bezeichnete  Handberge  hat  ein  Gewicht  von  131  g.  Die  Handberge  Fig.  3  ist 
nach  rechts,  die  Handberge  Fig.  4  nach  links  gewunden.  Besonders  schön  ist  die 
Ornamentirung  des  Bügels.  Auf  demselben  treten  von  der  Mittelrippe  nach  dem 
Rande  verlaufende  schräge  Striche  so  zusammen,  dass  sie  einen  Rhombus  ein- 
schliessen.  —  Verglichen  mit  dem  Funde  von  Rus^nice,  bezeichnet  der  Fund  von 
Gzernowitz  eine  weitere  Etappc  der  Strasse,  auf  welcher  die  Bronzen  in  unsere 
Provinz  importirt  wurden.  — 

(31)  Hr.  Dr.  A.  Haas  hat  aus  Stettin,  21.  November  1896,  folgende  Abhandlung 
übersendet: 

Das  Dorf  Lietzow  anf  Rügen 
und  seine  yorgeschichtliche  Feuerstein -Werkstätte. 

An  der  Südwestecke  der  Halbinsel  Jasmund,  da  wo  der  Grosse  und  der  Kleine 
JasmuDder  Bodden  an  einander  grenzen,  liegt  das  kleine  Fischerdorf  Lietzow.  Die 
Lage  des  Dörfchens  ist  höchst  anmuthig  und  malerisch:  auf  drei  Seiten  ist  es  von 
den  Fluthen  der  beiden  Bodden  umspült,  und  an  der  vierten  Seite  erhebt  sich  un- 
mittelbar hinter  den  Häusern  des  Dorfes  ein  bis  zu  20  m  ansteigender  Höhenzug, 
auf  dessen  Südrande  in  den  Jahren  1890—91  eine  burgartige  Villa  mit  Wartthurm 
errichtet  worden  ist. 

Von  der  Höhe  dieses  Bergrückens,  welcher  der  Sage  nach  von  einem  Riesen- 
fräulein aufgeschüttet  worden  ist*),  hat  man  eine  weite  und  umfassende  Fernsicht: 
nach  Süden  und  Südwesten  zu  hat  man  die  beiden  Bodden  und  die  jenseitigen, 
bewaldeten  Ufer  vor  sich;  nach  Westen  zu  reicht  der  Blick  bis  zu  den  Banzel- 
witzer  Bergen  und  dem  Liddower  Haken;  im  Osten  schimmern  aus  weiter  Feme 
die  blauen  Wogen  der  Prorer  Wiek  herüber;  nur  nach  Norden  zu  ist  der  Wald 
der  Semper  Heide  vorgelagert.  Einen  ganz  ausserordentlichen  und  stets  unver- 
gesslichen  Eindruck  aber  erhält  derjenige,  welcher  Gelegenheit  hat,  von  der  Höhe 
der  Lietzower  Berge  aus  bei  klarem  Wetter  den  Sonnenuntergang  zu  beobachten. 
Die  hinter  der  Insel  Hiddensoe  niedertauchende  Sonne  verbreitet  alsdann  eine 
solche  Fülle  von  Licht  und  Glanz  über  die  zu  den  Füssen  des  Beschauers  aus- 
gebreitete Wasserfläche,  dass  man,  auch  ohne  ein  besonderer  Naturschwärmer  zu 
sein,  von  der  Erhabenheit  und  Grossartigkeit  dieser  Scenerie  unwillkürlich  er- 
griffen wird. 

Das  Dorf  Lietzow  ist,  wie  der  Name  bezeugt,  bereits  in  slavischer  Zeit,  also 
vor  dem  13.  Jahrhundert,  amgelegt  worden.  Das  Wort  Lietzow,  slavisch  lisovo,  ist 
abzuleiten  von  dem  Stammworte  lis  d.  i.  Fuchs;  Lietzow  bedeutet  also  so  viel  wie 


1)  Vgl.  Haas:   Rügensche  Sagen  und  Härchen,  2.  Aufl.,  Nr.  68. 

19  • 


L 


(292) 

^Fuchsort^.  Demnach  scheint  es  zur  Zeit  der  Gründung  des  Ortes  zahlreiche 
Fachsbanten  in  den  benachbarten  Bergen  gegeben  zu  haben. 

Von  der  Geschichte  des  Dorfes  ist  ans  älterer  2^it  so  gut  wie  nichts  bekannt 
Als  wichtig  ist  hervorzaheben,  dass  es  aasser  dem  Dorfe  Lietzow  auch  einen 
Gutshof  gleichen  Namens  gegeben  hat,  welcher  zwischen  der  Fähre  und  dem 
Dorfe  Semper,  dem  letzteren  ziemlich  nahe,  gelegen  hat.  Dieses  Gehöft  Lietzow 
wird  bereits  in  der  Hoeskilder  Matrikel  vom  Jahre  1318  angeführt;  es  hiess  damals 
Litzowe  und  zahlte  acht  Scheffel  Bischofsroggen.  Ausserdem  war  im  14.  Jahr- 
hundert in  Lietzow  eine  Elemosine  fundirt,  welche  anfangs  20  und  seit  der  Mitte 
des  Jahrhunderts  28  Mnrk  jährlicher  Rente  eintrug.  Inhaber  dieser  geistlichen 
Stiftung  war  um  1350  Johannes  Litzow,  welcher  die  Einkünfte  von  20  auf  28  Mark 
de  suo,  d.  i.  aus  seinem  Besitzthum  erhöhte.  Sein  Nachfolger  war  Borchard  Swin. 
Die  Patrone  der  Stiftung  waren  um  das  Jahr  13^0  Yike  Rrakevitz,  Sum  der  Aeltere 
(der  auf  Jasmund  wohnte)  und  Hermann  von  Jasmund.  —  Hiernach  scheint  eSy 
als  ob  das  Gehöft  Lietzow  im  14.  Jahrhundert  von  einer  gleichnamigen  Familie 
bewohnt  war,  von  welcher  ein  Mitglied,  der  vorgenannte  Johannes,  den  geistlichen 
Stand  ergriffen  hatte.  Weitere  Nachrichten  tiber  diese  Familie  fehlen  gänzlich,  und 
es  ist  daher  nicht  unmöglich,  dass  sie  mit  diesem  Johannes  Litzow  ausgestorben  ist 

Im  folgenden  Jahrhundert  befand  sich  der  Gutshof  Lietzow  im  Besitze  der 
Familie  von  Jasmund  auf  Vorwerk,  und  nach  dieser  besassen  ihn  die  Herren  von 
der  Lanken  auf  Borchtitz,  bis  er  endlich  im  vorigen  Jahrhundert  einging.  Auf  der 
Mayerschen  Karte  vom  Jahre  17G3  ist  dus  Gehöft  noch  verzeichnet 

Inzwischen  bestand  das  am  Strande  gelegene  Dorf  Lietzow  in  alter  Weise 
weiter.  Dass  es  zu  dem  Gutshofe  in  Abhängigkeitsverhältniss  gestanden  hat,  ist 
wohl  als  selbstverständlich  anzunehmen;  doch  fehlt  es  an  bestimmteren  Nachrichten 
hierüber.  Im  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  war  das  Dorf  Lietzow  im  Besitze  der 
Herren  von  Jasmund  auf  Spyker,  und  als  die  Herrschaft  Spyker  um  die  Mitte  dea 
17.  Jahrhunderts  in  den  Besitz  des  Feldmarschalls  Grafen  Karl  Gustav  Wrangel 
tiberging,  hatte  auch  Lietzow  dasselbe  Schicksal  zu  erleiden.  Als  aber  die  Spykerschen 
Güter  im  Jahre  1816  von  dem  Fürsten  zu  Putbus  angekauft  wurden,  hatte  Lietzow 
auch  diesen  Wechsel  des  Grundherrn  mitzumachen. 

So  traten  zwar  in  den  äusseren  Besitzverhältnissen  manche  Veränderungen  ein ; 
die  inneren  Zustände  des  Dorfes  aber  blieben  Jahrhunderte  lang  dieselben,  nament- 
lich in  Bezug  auf  die  Austlbung  der  uralten  Fähi^erechtigkeit  Denn  Lietzow  ist 
seit  den  ältesten  Zeiten  ein  Fährdorf  gewesen. 

Schon  im  Wendisch -Rügianischen  Landgebrauch  (Tit.  XIV  ed.  Gadebnsch) 
wird  die  Lietzower  Fähre  als  die  „Jassmundesche  Vehre^  erwähnt  und  unter  die 
Zahl  der  ^gemeinen  Fähren^  im  Gegensatze  zu  den  kleinen  oder  Dorf-Fähren  ge- 
rechnet Trotzdem  hat  die  Lietzower  Fähre  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  nur  für 
den  localen  Verkehr  der  näheren  Umgebung  Bedeutung  gehabt  Von  den  drei 
grossen  Landstrassen,  welche  die  Insel  Rügen  seit  dem  1 2.  Jahrhundert  von  einend 
Ende  bis  zum  anderen  durchquerten,  wurde  diese  Fähre  nicht  berührt;  der  Ver- 
kehr von  der  Halbinsel  Jasmund  nach  dem  Haupttheile  Rügens  ging  früher  aus- 
schliesslich über  die  schmale  Haide. 

Die  Fähr -Einrichtung  in  Lietzow  war  daher  von  jeher  recht  einfach  und 
primitiv.  Vornan  im  Dorfe,  da  wo  die  jetzige  Chaussee  die  grosse  Biegung' 
macht,  lag  ziemlich  isolirt  das  Fährhaus,  in  welchem  auch  eine  Krugwirthscbait 
betrieben  wurde.  Dieses  Fährhaus  war  ein  altes,  behäbig  aussehendes,  roth  an- 
gestrichenes Gebäude  mit  hohem  Giebel  und  tief  herabreichendem  Strohdach;  die 


(293) 

Stoben  waren  sehr  niedrig  and  die  Fenster  klein  und  dürftig.    Der  letzte  Rmgwirtb 
hiess  Speer. 

Auf  der  Lietzow  gegenüber  liegenden,   rügenschen  Seite  war  weit  und  breit 
nicht  Haus  noch  Mensch  zu  sehen.    Eine  kümmerliche,  aas  Holz  and  Strauchwerk 
errichtete,   offene  Halle  bot  den  auf  das  Fährboot  Wartenden  nur  ungenügenden 
Schutz  gegen  Wind  und  Wetter.    Vor  ungefähr  hundert  Jahren  war  hier  allerdings 
auch  ein  Haus  erbaut  worden,    wo    die  Heisenden  zur  Nachtzeit  und   bei  übler 
Witterung  eintreten  konnten.    Dieses  Haus  stand  aber  nur  wenige  Jahre,  da  wurde 
es  vom  Blitze  angezündet  und  brannte  nieder,   worauf  es  nicht  wieder  aufgebaut 
wurde.    Nach  mündlicher  Mittheilung   soll   der  Bfitz   dieses  Haus  sogar  dreimal 
hintereinander  in  kurzer  Zeitfolge  getroffen  und  angezündet  haben.    Einige  wilde 
Obstbäume  bezeichneten  noch  eine  Zeit  lang  die  Stelle,   wo  das  Haus  gestanden 
hatte.    Besonders  schlimm  war  es  für  die  Reisenden,  wenn  sie  nach  eingetretener 
Dunkelheit  oder  zur  Nachtzeit  von  der  rügenschen  Seite  übergeholt  werden  wollten. 
Dann  galt  es,   aus  Laub  und  Reisig  ein  Feuerchen  anzumachen,   um  sich  dem 
gegenüber  wohnenden  Fährmann  bemerkbar  zu  machen.    War  dann  endlich  nach 
langem  Warten  das  Fährboot  angekommen,   so  begann  die  mühselige  Arbeit  des 
Verladens.    Wer  zu  Wagen  kam,   war  dieser  Mtihe  allerdings  überhoben,   denn 
Fuhrwerke   konnten   ohne  grosse   Schwierigkeit    die   Meerenge    auf   einer   Fuhrt 
passiren,   indem  sie  hinter  dem   die  Richtung  angebenden  Fährboote   herfuhren. 
Bei  hohem  Wasserstande  konnte  es  jedoch  vorkommen,   dass  man  nicht  nur  die 
Fttsse  in  die  Höhe  ziehen,   sondern  sich  auch  vollständig  auf  das  Obergestell  des 
Wagens  zurückziehen  musste.    Die  Fuhrt  bestand  aus  ^iner  schmalen  und  noch 
dazu  krummen  Bahn,  welche  zwar  überall  seichten  und  festen  Boden,   aber  auch 
zu  beiden  Seiten  beträchtliche  Tiefen  hatte.    Es  war  daher  nicht  ungefährlich,  die 
üeberfahrt  ohne  Fährmann  zu  unternehmen;  leider  geschah  es  doch  sehr  oft,  und 
die  Folge  davon  waren  zahlreiche  Unglücksfalle.    Ein  solcher  Unfall  ereignete  sich 
im  Anfange  der  sechziger  Jahre.    Ein  Sattler  Krämer  aus  Sagard,   welcher  die 
Fähre  mit  seiner  Frau  und  drei  Kindern   passirte,   hatte  das  Unglück,   bei   der 
Üeberfahrt  seine  Frau   und   zwei  Kinder  vor  seinen  Augen  ertrinken  ^u  sehen, 
während  er  sich  selbst  mit  einem  Rinde  retten  konnte.    Bald  darauf  passirte  es 
der  Frau  Baronin  v.  Barnekow  auf  Ralswiek,  welche  die  Fähre  zu  Wagen  durch- 
fahren wollte,   dass  die  etwas  erregte  See  die  Verbindung  zwischen  Vorder-  und 
Hinterwagen  heraushob,  worauf  die  Pferde  mit  dem  Vorderwagen  und  dem  Kutscher 
weiterfuhren,  während  sie  selbst  im  Hinterwagen  zurückblieb.    Von  diesem  Zeit- 
punkte ab  wurde  die  Fähre  für  Fuhrwerke  geschlossen,   und  so  blieb  es  mehrere 
Jahre  lang.    Da  wurde  in  den  Jahren  1868 — 1869  die  Chaussee  ßergen-Sngard  ge- 
baut und  gleichzeitig  der  grosse,    108  Fuss  breite  Damm')  bei  Lietzower  Fähre 
durchgeschüttet,    wozu    die    von   der  Riesin   aufgeschütteten   Sandberge   ein   er- 
wünschtes Material  lieferten. 

Der  Verkehr  zwischen  Jasmund  und  dem  Haupttheile  der  Insel  Rügen  fand 
nun   einen   äusserst   bequemen  Weg   und    wurde   durch   den   von   Jahr  zu  Jahr 

1)  Die  Krone  dos  Dammes  hat  eine  Breite  von  23  Foss;  die  Böschung  nach  dem 
kleinen  Jmsmunder  Bodden  zu  ist  82  Fuss,  die  Böschung  nach  dem  grossen  Jasmunder 
Bodden  £n  48  Fuss  breit  Was  die  Höhe  betrifft,  so  yrurde  der  Damm  auf  Anratheu  des 
Baumeisters  Meinhoff  um  zwei  Fuss  höher  aufgefnhrt,  als  der  höchste  bis  dahin  beob- 
achtete Wasserstand  gewesen  war.  In  Folge  dieser  Vorsicht  blieb  der  Damm  bei  der 
Sturmfluth  vom  18.  November  1872  unbeschädigt.  Das  Eisenbahn-Geleise  ist  auf  die  Innen- 
Böschnng  des  Dammes  gelegt  worden,  ohne  dass  eine  Verbreiterung  des  aufgeschütteten 
Terrains  nöthig  gewesen  wäre. 


L„ 


(294) 

wachsenden  Zuzug  von  Fremden  in  angeahnter  Weise  erhöht  Iiietzow  wurde  eine 
beliebte  Reisestation,  und  Binheimische  wie  Fremde  sprachen  gern  in  dem  freund- 
lichen Dorfe,  sei  es  bei  dem  alten  Krugwirthe  Speer,  sei  es  bei  dem  unmittelbar 
neben  dem  Fährhause  neuerbauten  Gasthause  von  Rogge  vor,  um  eine  Erfrischung 
einzunehmen. 

Alle  diese  Veränderungen  aber  wurden  bei  Weitem  übertroffen,  als  im  Sommer 
1891  die  neue  Bahnstrecke  Beigen-Sassnitz  eröffnet  wurde.  Seitdem  hat  das  ehe- 
malige Fischer-  und  Fährdorf  ein  völlig  verändertes  Aussehen  bekommen.  Das 
alte  Fährhaus  und  das  Rogge'sche  (Gasthaus  mussten  der  Bahn  zum  Opfer  fallen; 
dafür  aber  entstanden  im  Orte,  namentlich  nach  der  Chaussee  zu,  zahlreiche,  statt- 
liche Neubauten,  unter  ihnen  die  schon  erwähnte  Bopp*sche  Villa  auf  der  Höhe 
des  Beiges.  Sodann  aber  bildet  Lietzow  seit  der  Eröffnung  der  Eisenbahn  das  Ziel 
zahlreicher  Vergnügungsfahrten,  welche  die  Bewohner  von  Bergen,  Stralsund  und 
Wittow  und  die  Badegäste  von  Sassnitz  während  der  Sommermonate  dorthin  unter- 
nehmen. 

Soviel  von  der  geschichtlichen  Entwickelung  des  Dorfes.  Fttr  die  Alterthums- 
kunde  hat  Lietzow  jedoch  noch  eine  besondere  und  zwar  ganz  hervorragende  Be- 
deutung. Das  ganze  Terrain  nehmlich,  auf  welchem  die  Häuser  des  Dorfes  stehen, 
sowie  die  nächste  Umgebung  des  Dorfes  und  insbesondere  der  Strand  von  der 
Bade-Anstalt  im  Nordwesten  bis  zu  den  Häusern  auf  dem  spitzen  Ort  im  Süd- 
westen, hat  sich  als  eine  gewaltig  grosse,  vorgeschichtliche  Feuerstein -Werkstätte 
erwiesen. 

Lietzow  ist  in  dieser  Beziehung  schon  seit  längerer  Zeit  bekannt  gewesen. 
Die  erste  Entdeckung  machte  Hr.  v.  Hagen ow  im  Jahre  1827.  Im  dritten  Jahres- 
bericht der  Gesellschaft  für  Pomm.  Gesch.  und  Alterthumsk.  (Neue  Pomm.  Provinzial- 
Blätter,  III,  S.  32df.)  schreibt  er  hierüber  Folgendes:  „Der  mich  begleitende  Hr. 
Candidat  Röhne  war  eben  beschäftigt,  auf  einer  sandigen  Anhöhe  in  der  Gegend 
des  Dorfes  Semper^)  den  Messtisch  aufzustellen,  als  er  mehrere  Bruchstücke  von 
den  schon  öfters  erwähnten,  aus  Feuersteinen  prismatisch  geschlagenen  Messern 
auf  dem  Sande  liegend  erblickte.  Bald  hatte  er  eine  Hand  voll  davon  gesammelt 
und  rief  mich  dann  heran,  um  dem  merkwürdigen  Funde  weiter  nachzusuchen.  In 
zwei  Stunden  hatten  wir  über  200  Stück  dieser  Messer,  theils  unversehrt,  theils 
zerbrochen,  gefunden,  nebst  wenigstens  20  Stück  Streitäxten  und  vielen  grösseren 
und  kleineren  Bruchstücken  von  geraden  und  sichelförmig  gekrümmten  Opfer- 
messem.  Besonders  merkwürdig  erscheint  mir  der  Fund  deshalb,  dass  kein  einziges 
von  allen  diesen  Stücken  ganz  vollendet  war.  Die  Streitäxte  und  Opfermesser  sind 
alle  nur  ganz  roh  geformt,  so  dass  an  einigen  Stücken  nur  eben  erst  zu  ersehen 
ist,  wozu  man  sie  formen  wollte.  Alle  sind  mehr  oder  minder  fehlerhaft,  ent- 
weder beim  Formen  verunglückt  oder  wegen  spröder  und  löcheriger  Stellen  im 
Steine  nicht  gerathen.  Ausser  diesen  Stücken,  deren  Zweck  aus  der  Gestalt  er- 
kennbar, lagen  Feuerstein-Splitter  in  unendlicher  Menge  über  die  ganze  Anhöhe 
zerstreut;  bei  allen  war  es  unverkennbar  zu  sehen,  dass  sie  mit  Fleiss  von  einer 
grösseren  Masse  regelmässig  abgeschlagen  waren,  um  aus  diesen  oder  aus  der 
Masse  das  Eine  oder  Andere  zu  bilden.    Alle  diese  Splitter  sind  länglich  und  an 


1)  Wamm  t.  Hagenow  dieses  Dorf  und  nicht  das  näher  gelegene  Lietiow  neuit,  ist 
nicht  recht  klar;  vielleicht  wurde  er  dazu  bewogen,  weil  das  unmittelbar  nördlich  dann 
stossende  Wald -Terrain  „Semper  Heide*"  heisst.  Jedenfalls  ist  nicht  daran  su  sweifeln, 
da9s  die  von  ihm  anfgefandenc  WerkstStto  mit  der  am  uördiichen  Ausgange  von  Liettow 
gelegenen,  später  auch  von  anderen  Forscliom  untersuchten  Wcrkst&tte  identisch  ist. 


(295) 

dem  Ende,  woraaf  der  Schlag  geschah,  um  sie  abzusprengen,  fast  alle  ohne  Aus- 
nahme dreieckig.  Der  Schlag  selbst  ist  an  allen  Stücken  unyerkennbar  bemerkUch, 
indem  auf  der  Stelle  durch  das  aufschlagende  Werkzeug  ein  aus  feinen  excen- 
trischen  Strahlen  bestehender  Punkt  oder  so  zu  sagen*  eine  Blume  entstanden  ist, 
derjenigen  im  Kleinen  vergleichbar,  die  man  durch  den  Stoss  mit  einem  Stocke 
auf  eine  EUsfläche  in  derselben  henrorbringi  Es  fand  sich  ferner  eine  Anzahl  von 
den  grösseren  Steinstücken,  yon  welchen  man  die  verschiedenen  Gegenstände,  be- 
sonders die  prismatischen  Messer,  abgesprengt  hatte.  Die  Oestalt  dieser  Messer 
gab  mir  schon  längst  die  Ueberzeagung,  dass  die  Flächen  derselben  nicht  ge- 
schliffen, sondern  dass  sie  auf  ganz  gleiche  Weise  und  ebenso  —  durch  drei  bis 
vier  aufeinander  folgende  Schläge  auf  die  Steinmasse  —  gebildet  sind,  wie  man 
noch  jetzt  die  Gewehrsteine  schlägt.  Diese  gefandenen  Steinklumpen  liefern  nun 
aber  den  sichersten,  unumstösslichsten  Beweis  hierfür.  Es  scheint  mir  demnach 
aus  dem  ganzen  Funde  mit  der  grössten  Wahrscheinlichkeit  hervorzugehen,  dass 
hier  eine  Fabrikstelle  für  Waffen  und  Geräthe  aus  Feuerstein  war  und  dass  man 
diese  aus  freier  Hand  formte.  Die  aulgefundenen  Gegenstände  . . .  zähle  ich  deshalb 
zu  den  merkwürdigeren  und  seltneren  Gegenständen,  als  man,  soviel  mir  bekannt 
geworden,  nie  einen  ähnlichen  Fund  machte.^ 

Der  V.  Hagenow'sche  Bericht  erregte  seiner  Zeit  viel  Aufsehen,  und  in  der 
That  war  sein  Fund  auch  von  um  so  grösserer  Wichtigkeit,  als  hier  zum  ersten 
Male  eine  vorgeschichtliche  Werkstätte  von  Feuerstein-Geräthschaften  aufgedeckt 
wurde.  Inzwischen  sind  freilich  auch  andere  Werkstätten  auf  Bügen  bekannt  ge- 
worden, und  zwar  solche  von  grösserem  Umfange  auf  den  Banzelwitzer  Bergen 
und  bei  Gramtitz  auf  Wittow,  Werkstätten  von  kleinerem  Umfange  bei  Gross- 
Zicker  auf  Mönchgut,  auf  den  Uferbergen  von  Wampen  Stralsund  gegenüber,  auf 
dem  nördlichen  Theil  von  Hiddensoe,  auf  Wittow  zu  Dranske,  Schwarbe  und  Fut- 
garten,  auf  der  Schaabe  in  der  Nähe  von  Drewoldtke,  zu  Bisdamitz  westlich  von 
Lohme,  in  Grampas  im  Garten  des  dortigen  Victoria-Hotels,  zu  Tiefengrund  beim 
Hülsenkrug,  zu  Camitz  und  endlich  zu  Tribbevitz. 

Die  Lietzower  Werkstätte  ist  nach  Hm.  v.  Hagenow  noch  mehrfach  ab- 
gesucht und  ausgebeutet  worden,  so  z.  B.  in  den  vierziger  und  fünfziger  Jahren 
dieses  Jahrhunderts  von  Hm.  Staatsanwalt  Bosenberg.  Dieser  hat,  da  das 
Terrain  damals  noch  wenig  abgesucht  war,  in  Lietzow  zahlreiche  Alterthümer  ge- 
funden, und  im  Besonderen  hat  er  bereits  auf  die  grosse  Ausdehnung  der  Werk- 
stätte hingewiesen.  Später  ist  die  ansehnliche  Rosen berg^sche  Sammlung  rügenscher 
Stein-Alterthümer  in  den  Besitz  des  Germanischen  Museums  in  Nümberg  über- 
gegangen und  damit  für  uns  der  Möglichkeit  entrückt,  den  betreffenden  Theil  der 
Sammlung  hier  zu  berücksichtigen. 

Sodann  hat  Hr.  R.  Virchow  die  Lietzower  Werkstätte  im  Jahre  1867  be- 
sucht Wie  es  damals  an  der  Stelle  aussah,  beschreibt  er  (Verhandl.  1871,  S.  6£) 
mit  folgenden  Worten:  „Eine  ....  sehr  ausgedehnte  Feuerstein -Werkstätte,  auf 
welche  Hr.  Rreisgerichtsrath  Rosenberg  meine  Aufmerksamkeit  gelenkt  hatte, 
findet  sich  auf  einer  dünenartigen,  durch  den  Wind  zum  grossen  Theil  entblössten 
Höhe  in  der  Nähe  der  Lietzower  Fähre.  Ich  sammelte  eine  Reihe  von  Feuerstein- 
Spähnen,  an  deren  künstlicher  Herstellung  ich  nicht  zweifle.  Namentlich  sind 
daranter  sogenannte  Nuclei.  Man  nennt  so  diejenigen,  meist  etwas  dickeren  Stücke, 
von  denen  die  Spähne  oder  Messer  der  Länge  nach  abgesprengt  sind  und  welche 
daher  nach  einer  grösseren  Zahl  solcher  Absprengungen  polygone  Säulen  oder 
Kegel  darstellen.  Vergleicht  man  die  Seitenfläche  dieser  Nuclei  mit  den  frei 
herumliegenden  Spähnen  und  berücksichtigt  man  ferner,   dass  unmittelbar  in  der 


(296) 

nächsten  Nähe  des  Feuerstein-Feldes  Ton  mir  in  einer  schwarzbraanen  Erdschicht 
zahlreiche  ßrachstücke  von  groben  Thongefössen,  darunter  einzelne  sehr  gut  ver- 
zierte, gefunden  sind^),  so  kann  man  kaum  im  Zweifel  darüber  sein,  dass  hier  in 
der  That  eine  Werkstätte  bestanden  hat.  Neben  schmalen,  im  Querbruche  drei- 
eckigen und  fünfeckigen  Spähnen,  sogenannten  Messern,  liegen  dort  freilich  zahl- 
reiche andere  Sachen,  welche  sich  weniger  gut  bestimmen  lassen.  Ich  möchte 
namentlich  auf  gewisse  weissliche  Stücke  Ton  breiterer,  blattförmiger  Gestalt  auf- 
merksam machen,  welche  einen  eigenthümliph  ausgebrochenen,  gezähnelten  Rand 
besitzen,  so  dass  man  glauben  könnte,  sie  seien  als  Sägen  benutzt  worden.  Indess 
.  spricht  ihre  Kleinheit  und  die  Unregelmässigkeit  ihrer  Zähnelung  gegen  eine  solche 
Annahme."  —  Im  Jahre  1886  besuchte  Hr.  Virchow  die  Stelle  zum  zweiten  Male 
und  äusserte  sich  diesmal  (Yerhandl.  1886,  S.  618),  wie  folgt:  „Obwohl  1867  schon 
vierzig  Jahre  verflossen  waren,  seitdem  v.  Hagenow  den  Charakter  des  Platzes 
öffentlich  bekannt  gegeben,  und  obwohl  inzwischen  viele  Sammler  die  Stelle  be- 
sucht hatten,  so  war  doch  keine  Schwierigkeit,  in  aller  Schnelligkeit  treffliche  Be- 
weisstücke zu  gewinnen.  Nun  sind  wieder  fast  20  Jahre  vergangen ,  und  ich  war 
in  der  That  überrascht  zu  sehen,  dass  noch  immer  neues  Material  auf  dem  Platze 
ist.  Der  Wind  sorgt  dafür,  dass  bis  dahin  verdeckte  Stücke  zu  Tage  kommen. 
Er  bläst  allerlei  Yertiefiiogen  auf,  in  deren  Grunde  die  Sachen  sich  ansammeln. 
Ich  bemerke  dabei,  dass  die  neue  Chaussee  einen  tiefen  Einschnitt  in  den  Beig 
gemacht  hat,  und  dass  vorzugsweise  an  der  westlichen  Seite,  zwischen  Chaussee 
und  Jasmunder  Bodden,  die  besten  Fundstellen  liegen.  Von  da  habe  ich  eine  ge- 
wisse Anzahl  jener  grösseren,  meist  scheibenförmigen  Scherben  mitgebracht,  die 
noch  keine  weitere  Bearbeitung  zeigen,  aber  sicherlich  von  Menschen  geschlagen 
sind,  —  Abfall;  darunter  sind  einige  besser  definirte  Stücke."  Ueber  die  in 
Lietzow  gefundenen  Urnenscherben  heisst  es  kurz  vorher  (S.  617),  dass  sich 
darunter  Repräsentanten  aller  Zeitalter  finden:  neben  einem  neolithischen  und 
einem  aus  der  ersten  Eisenzeit  findet  sich  ein  slavischer  (mit  Wellen -Ornament, 
veigl.  S.  614)  und  ein  ganz  spät  mittelalterlicher  Scherben. 

Gleichzeitig  mit  der  zuletzt  angefahrten  Mittheilung  Virchow 's  äussert  sich 
Hr.  Dr.  Baier  (Di^  Insel  Bügen  nach  ihrer  archäol.  Bedeutung,  Stralsund  1886, 
S.  31):  ^Die  von  Hagenow  bezeichnete  Stelle,  auf  den  Uferhöhen  hart  über  dem 
Grossen  Jasmunder  Bodden  gelegen,  unmittelbar  links  von  der  Chaussee,  .  .  .  . 
zeichnet  sich  noch  jetzt  durch  die  Menge  von  Feuerstein-Splittern  aus;  wie  viele 
Augen  aber  sind  nicht  seit  jenen  Tagen  dort  auf  der  Suche  gewesen!  Da  ist  es 
denn  kein  Wunder,  wenn  es  heute  kaum  noch  gelingen  will,  ein  Stück  von  einem 
unvollendeten  oder  in  der  Arbeit  zerbrochenen,  prismatischen  Messer  oder  auch 
nur  ein  Stück  zu  finden,  welches  sich  durch  seine  Spaltfläche  als  Abfall  bei  Stein- 
arbeiten ausweist.^ 

Die  letztere  Aeusserung  Baier' s  kann  ich  bestätigen.  Auf  der  von  v.  Hagenow, 
Rosenberg,  Virchow  und  Baier  bezeichneten  Stelle  findet  man  heut  zu  Tage 
kaum  noch  ein  einzelnes  Splitterchen,  welches  des  Mitnehmens  werth  wäre.  Da- 
gegen ist  es  mir  im  Laufe  des  veigangenen  Sommers  gelungen,  eine  andere  Stelle 
in  Lietzow  zu  entdecken,  wo  die  bearbeiteten  Feuerstein- Werkzeuge  in  einer  über- 


1)  An  einer  anderen  Stelle  (VerhandL  1870,  S.  857)  sagt  Virchow,  dass  in  der  Nihe 
der  Werkstfitten  an  der  Lietzower  Fähre  and  auf  den  Banzelwitzer  Bergen  „Kohlenstellen 
mit  Umensoherben,  auch  Gräberreste*  vorkämen.  Die  Gräberreste  sind  aber,  soweit  mir 
bekannt  ist,  nur  auf  den  Banzelwitzer  Bergen  gefunden  worden.  VergL  VerhandL  1886, 
S.  617, 


(297) 

raschenden  und  kaum  gJanblichen  Fülle  heramlagen.  Ein  Zufall  Hess  mich  die 
Stelle  auffinden. 

Bei  einem  Spaziergange  am  Strande  des  Grossen  Boddens,  nordwestlich  von 
Lietzow,  fand  ich  ein  prismatisches  Feuerstein-Messer,  welches  offenbar  schon  seit 
langer  Zeit  an  dieser  Stelle  gelegen  haben  musste.  Denn  die  abgeschliffenen 
Kanten  Hessen  darauf  schliessen,  dass  das  Stück  dem  Einflass  der  Wellen  und  des 
Tom  Winde  über  den  Erdboden  fortgefegten  Sandes  lange  Zeit  ausgesetzt  gewesen 
war.  Ich  suchte  nun  weiter  und  fand  auch  im  Ganzen  etwa  75  Stücke,  welche 
alle  mehr  oder  weniger  deutliche  Spuren  der  Bearbeitung  zeigten.  Als  ich  diese 
Stücke  nachher  im  Dorfkruge  sortirte,  meinte  der  Wirth,  welcher  meiner  Arbeit 
zQsah,  wenn  ich  mich  für  derartige  Sachen  interessirte,  solle  ich  doch  einmal  nach 
dem  Steinhaufen  neben  dem  Bahngeleise  gehen;  dort  würden  auch  öft^r  solche 
Steine  gefanden.  Ich  folgte  diesem  Rathe,  suchte  den  Steinhaufen  auf  und  fand 
nun,  was  ich  unter  den  jetzigen  Verhältnissen  allerdings  nicht  für  möglich  gehalten 
hätte,  eine  solche  FtÜle  von  bearbeiteten  Feuerstein-Werkzeugen  aller  Art,  dass 
selbst  meine  kühnsten  Hoffnungen  und  Erwartungen  bei  Weitem  übertroffen  wurden. 
Ein  Stück  lag  neben  dem  anderen,  und  ich  brauchte  mich  nur  zu  bücken,  um  die 
schönsten  Sachen  dutzendweise  auflesen  zu  können.  In  einer  knappen  halben 
Stunde  hatte  ich  an  300  Stücke  gesammelt,  und  ich  wäre  in  Verlegenheit  gerathen, 
wie  ich  den  ganzen  Schatz  fortschaffen  sollte,  wenn  ich  nicht  zufällig  Hülfe  ge- 
funden hätte.  Natürlich  fuhr  ich  gleich  am  nächsten  Morgen  mit  dem  ersten  Zuge 
wieder  nach  Lietzow  und  habe  dapn  diesen  und  noch  vier  weitere  Tage  zur  Er- 
forschung der  Stelle  benutzt. 

üeber  den  Fundort  ist  Folgendes  zu  sagen:  Der  Steinhaufen  oder  richtiger 
Rieshaufen  lag  260  m  westlich  vom  Bahnhofe,  unmittelbar  neben  dem  Eisenbahn- 
Geleise,  nach  der  Seite  des  Kleinen  Boddens  zu.  Der  Haufen  war  durchschnittlich 
10—12  Fuss  breit,  3—4  Fnss  hoch  und  ungefähr  100  Schritt  lang.  Obenauf  lagen 
nur  Steine  und  zwar  vorwiegend  Feuersteine,  theils  heile  Knollen,  theils  ab- 
gesprengte Splitter  und  bearbeitete  Stücke;  weiter  nach  innen  zu  waren  die  Steine 
mit  grobem  Kies  untermischt.  Der  ganze  Haufen  war  erst  vor  kürzerer  Zeit  auf- 
gehäuft und  das  Material  aus  einer  nahe  gelegenen  Kiesgrube  entnommen  worden. 

Diese  Kiesgrube,  welche  mithin  als  die  eigentliche  Fundstelle  zu  betrachten 
ist,  liegt  gleichfalls  südlich  von  der  Eisenbahn  und  zwar  100  m  von  derselben  ent- 
fernt, auf  dem  sogenannten  ^spitzen  Ort^.  Sie  erstreckt  sich  bei  einer  Länge  von 
72  Schritt  in  der  Bichtnng  von  Norden  nach  Süden,  so  dass  sie  im  rechten  Winkel 
zam  Bahngeleise  liegt;  die  Breite  der  Grube  beträgt  40  Schritt.  Die  nach  der 
Landseite  zu  senkrecht  abgestochenen  Böschungen  zeigen,  dass  der  obenauf  liegende 
Mutterboden  etwa  V«  ^^ss  dick  ist,  worauf  grober,  mit  vielen  Steinen  untermischter 
Ries  folgt  Die  Grube  ist  durchschnittlich  nur  auf  5  Fuss  Tiefe  ausgeschachtet; 
wo  man  etwas  tiefer  eingedrungen  ist,  hat  sich  braunes,  brackiges  Wasser  zu 
kleinen  Lachen  angesammelt;  zwischen  diesen  Lachen  hat  man  in  kleinen,  regel- 
mässigen Abständen  einzelne  Podeste  stehen  lassen.  Das  Terrain  der  Kiesgrube 
war  früher  Gartenland,  welches  zur  Rogge'schen  Grastwirthschaft  gehörte.  Als 
diese  in  Folge  des  Bahnbaues  einging  (vergl.  oben  S.  294),  hat  man  zuerst  im 
Jahre  1891  angefangen,  Kies  von  hier  zu  entnehmen.  Im,  Laufe  dieses  Jahres  sind 
ungefähr  500  cbm  Kies  ausgeschachtet  worden. 

Das  Absuchen  der  Riesgrube  war  in  Folge  der  Wasserlachen  recht  un- 
erquicklich und  umständlich,  und  ich  habe  auch  nicht  allzu  viel  Zeit  darauf  ver- 
wendet. Bemerken  möchte  ich  jedoch,  dass  diejenigen  Feuersteine,  welche  auf 
dem  Grunde  der  Grube  und  in  dem  brackigen  Wasser  lagen,  durchweg  eine  roth- 


L 


(298) 

braune  oder  dankelbraane  Farbe  hatten,  während  die  übrigen  theils  schwarz,  iheils 
grau,  theils  lehmgelb  gefärbt  waren. 

Bei  näherer  Besichtigung  ergab  sich  femer,  d^s  die  Riesgrabe  in  derselben 
Linie  und  Richtung  verläuft,  wie  die  Rüste  nördlich  von  der  Durchschüttung. 
Mithin  haben  wir  in  den  Ries-Anhäufungen  dieser  Grube  höchst  wahrscheinlich 
die  Ablagerungen  eines  alten  Strandes  zu  erblicken.  Der  jetzige  Strand  ist  an 
dieser  Stelle  in  Folge  alluvialer  Neubildungen  um  etwa  200  Schritte  westwärts  vor- 
gerückt, und  diese  Neubildung  von  Land  setzt  sich  gerade  in  allemeuester  Zeit^ 
nachdem  der  Damm  durchgoschüttet  worden  ist,  in  der  angegebenen  Richtung 
weiter  fort. 

Die  von  mir  aufgefundene  Werkstätte  befindet  sich  also  an  einer  ganz  anderen 
Stelle,  als  die  früher  bekannt  gewesene.  Im  Grossen  und  Ganzen  steht  sie  jedoch 
mit  dieser  auch  wieder  in  Zusammenhang,  was  durch  meine  Funde  am  nördlichen 
Strande  noch  augenscheinlicher  wird.  Der  Bau  der  Chaussee  und  der  Eisenbahn 
und  der  am  Rleinen  Bodden  vorgerückte  Strand  haben  diese  Spuren  freilich  sehr 
verwischt.  Nach  der  Aussage  des  Raufmanns  Heidmann  in  Lietzow  ist  aber  das 
ganze  Terrain,  auf  welchem  das  Dorf  Lietzow  steht,  reich  an  Feuerstein-Funden, 
und  ich  selbst  habe  auf  der  Dorfstrasse,  die  kurz  vorher  durch  Ries-Aufschüttungen 
verbessert  worden  war,  noch  einige  recht  hübsche  Stücke  gefunden. 

Dass  sich  die  Werkstätte  so  dicht  am  Strande  und  auf  sandigem  Terrain  be- 
findet, ist  übrigens  nicht  ganz  gleichgültig.  Denn  nach  Baier  (S.  32)  haben  alle 
rügenschen  Werkstätten  das  Gemeinsame,  dass  sie  auf  Höhen  liegen,  in  unmittel- 
barer Nähe  der  See  und  auf  Sandboden.  Es  ist  möglich,  so  fahrt  Baier  fort, 
dass  Sandboden  wegen  seiner  grösseren  Trockenheit  mit  Vorliebe  zu  den  mit  Werk- 
stätten verbundenen  Ansiedelungen  gewählt  wurde.  Solche  Ansiedelungen  aber 
sind,  wie  bereits  oben  mitgetheilt  worden  ist,  auch  in  Lietzow  vorhanden  ge- 
wesen. 

Die  Zahl  der  von  mir  gesammelten  Stücke  beträgt  ungefähr  1600.  Damit  aber 
war  der  Reichthum  der  Werkstätte  noch  lange  nicht  erschöpft,  zumal  da  ich  nur 
an  der  Oberfläche  des  Steinhaufens  gesammelt  hatte.  Ich  machte  daher  der  Ge- 
sellschaft für  Pomm.  Gesch.  und  AUerthumsk.,  welcher  ich  auch  meine  ganze  Samm- 
lung überwiesen  habe,  Anzeige,  dass  es  mir  wünschenswerth  erscheine,  den  ganzen 
Steinhaufen  umarbeiten  und  auf  Stein -Alterthümer  hin  durchforschen  zu  lassen. 
Diesem  meinem  Wunsche  ist  die  Gesellschaft  nachgekommen.  Nachdem  die  ^1. 
Eisen bahn-Direction  in  dankenswerthester  Bereitwilligkeit  die  Erlaubniss  zur  Durch- 
forschung des  Steinhaufens  gegeben  hatte,  reiste  Hr.  Gonservator  Stuben  rauch 
nach  Lietzow,  durchforschte  die  noch  vorhandenen  250  cbm  von  dem  aufgeschütteten 
Steinhaufen  und  brachte  nach  achttägiger  Arbeit  abermals  etwa  3000  Stücke  von 
dort  mit  heim. 

So  hat  denn  die  neu  aufgefundene  Werkstätte  eine  Ausbeute  geliefert,  wie  sie 
in  Bezug  auf  die  Quantität  wohl  einzig  in  ihrer  Art  dasteht.  Aber  auch  die  Qualität 
der  gefundenen  Masse  ist  keineswegs  gering  anzuschlagen. 

Ueberblicken  wir  zunächst  das  gesammte  Material,  so  fällt  uns  sofort  der 
grosse  Formenreichthum  in  die  Augen.  Es  finden  sich  nicht  nur  alle  Werkzeuge 
und  Gcräthschaften,  welche  aus  der  Steinzeit  Rügens  bekannt  geworden  sind,  wie 
Messer,  Schaber,  Beile,  Bohrer,  Lanzen-  und  Pfeilspitzen«  Sägen  und  MeisseU 
sondern  jedes  einzelne  Werkzeug  ist  auch  wieder  durch  mannichfache,  zum  Tfaeil 
neue  Formen  vertreten. 

Eine  weitere  Untersuchung,  welche  allerdings  erst  späterer  Zeit  vorbehalten 
bleiben  muss,    wird  auch  die  Technik,    welche  bei  der  Bearbeitung  der  einzelnen 


(299) 

Geräthschaflen  angewendet  ist,  festzustellen  haben,  nnd  hierbei  werden  nach  meiner 
Meinung  gerade  diejenigen  Stücke  eine  Rolle  spielen,  welche  halb  fertig  oder  eben 
angefangen  oder  bei  der  Bearbeitung  veranglUckt  sind.  Lassen  wfr  nun  diese 
Stücke  and  ebenso  die  Splitter  und  Spähne,  welche  sich  als  Abfallstückc  aus- 
weisen, unberücksichtigt,  so  bleibt  immerhin  noch  ein  reichhaltiges  Material  zur 
Gharakterisirung  der  Stelle  übrig. 

Wenn  wir  auf  die  Art  der  Bearbeitung  Rücksicht  nehmen,  so  lassen  sich  zwei 
Arten  von  Geräthschaften  unterscheiden :  erstens  die  roh  beai*beitetcn,  zweitens  die- 
jenigen mit  muscheirörmigen  Schlagstellen.  Die  letzteren  sind  in  der  Minderzahl 
und  fast  nur  fragmentarisch  erhalten;  wir  finden  darunter  zerbrochene  Beile  und 
Keile,  Meissel,  Sägen  und  eine  feingemuschelte,  vollständig  erhaltene  Pfeilspitze. 
Einige  wenige  Stücke  dieser  Gruppe  zeigen  noch  ein  weiteres  Stadium  der  Bear- 
beitung, nehmlich  dass  sie  geschlifftm  sind;  von  dieser  Art  sind  jedoch  nur  fünf 
oder  sechs  Beil -Fragmente  gefunden  worden,  welche  wir  mithin  wohl  als  Aus- 
nahmestücke betrachten  dürfen.  Erwähnen  möchte  ich  ferner  noch,  dass  ich  auch 
eine  bei  steinzeitlichen  Fanden  nicht  eben  selten  vorkommende  Korallenperle  ge- 
funden habe,  welche  allerdings  stark  verwittert  ist. 

Unter  den  roh  bearbeiteten  Werkzeugen,  welche  den  grössten  Theil  des 
Fundes  ausmachen,  sind  am  zahlreichsten  die  Messer  vertreten;  ungefähr  ein  Viertel 
des  ganzen  Fundes  gehört  dieser  Gruppe  an.  Das  Messer  wird  dadurch  gewonnen, 
dass  von  einem  spaltfähigen  Feuerstein-Knollen  oder  Nucleus  einzelne  dünne,  läng- 
liche Streifen  oder  Spähne  abgesprengt  werden.  Die  beim  Absprengen  entstandene 
Spaltfläche  ist  glatt  und  eben,  zuweilen  leicht  gewölbt,  und  bedarf  keiner  weiteren 
Bearbeitung;  dagegen  wird  die  obere  Seite  des  Messers  in  höchst  mannichfaltiger 
Weise  gestaltet:  entweder  besteht  sie  aus  zwei  im  stumpfen  Winkel  sich  schneidenden 
Flächen,  so  dass  das  Messer  ein  dreiseitiges  Prisma  bildet,  oder  man  hat  die  in 
der  Mitte  aufliegende  Kante  durch  einen  weiteren  Hieb  abgesplissen,  so  dass  der 
Querschnitt  des  Messers  ein  Trapez  bildet,  oder  die  Absplisse  sind  auch  ganz  un- 
regelmässig erfolgt,  je  nachdem  es  die  Gestalt  des  abgesprengten  Streifens  mit 
sich  brachte.  Dies  Letztere  ist  namentlich  bei  grösseren  Stücken  der  Fall,  welche 
dann  zuweilen  den  gemuschelten  Werkzeugen  ähneln. 

Einige  Messer  sind  ganz  wie  unsere  modernen  Messer  gebildet,  so  dass  die 
eine  Längskante  deutlich  als  Schneide  und  die  gegenüberstehende  Kante  als 
Kücken  des  Messers  hervortritt.  Noch  andere  Messer  sind  mit  Spitzen  versehen 
und  mögen  als  Spitzen  von  Pfeilen  oder  Harpunen  verwendet  worden  sein;  wieder 
andere  haben  eine  umgebogene  Spitze  und  scheinen  als  Ahlen  oder  Pfriemen  ge- 
dient zu  haben. 

Manche  Messer  tragen  an  dem  einen  Ende  deutliche  Einkerbungen,  welche 
ofTenbar  zum  Zwecke  der  Befestigung  an  einem  Heft  oder  Stiel  gemacht  sind. 

Im  Uebrigcn  aber  muss  betont  werden,  dass  die  meisten  dieser  Instrumente 
keineswegs  als  Messer  in  modernem  Sinne,  sondern  vielfach  zu  anderen  Zwecken 
verwendet  worden  sind,  etwa  als  Pfriemen,  Bohrer,  Spitzen  von  Wurfgeschossen, 
Nadeln  zum  Netzstricken  und  ähnlich.  So  wissen  wir  aus  dänischen  und  ost- 
preussischen  Funden,  dass  solche  Messerchen  an  der  äusseren  Wandung  eines 
Pfeilschaftes  unterhalb  der  Pfeilspitze  befestigt  wurden,  um  die  Durchschlagskraft 
des  Geschosses  zu  vergrössem.  Zu  ähnlichen  Zwecken  mag  man  dieses  Geräth 
auch  auf  Rügen  gebraucht  haben. 

Wunderbar  ist  es>  dass  die  Zahl  der  gefundenen  Nuclei  im  Verhältniss  zu  der 
grossen  Zahl  der  Messer  nur  gering  ist.  Ich  habe  nur  drei  oder  vier  solcher 
Stücke  mitgebracht,  und  Hr.  Stubenrauch  hat  nur  einen  Nucleus  gefunden.    Ich 


L  _ 


(300) 

erinnere  mich  jedoch,  dass  ich  gerade  in  den  ersten  Tagen  meiner  Thätigkeit  in 
Lietzow  mehrere  derartige  Stücke  gefunden,  aber  wegen  ihrer  Grösse  und  Schwere 
wieder  weggeworfen  habe.  Erwägt  man  ferner,  dass  sich  gerade  diese  Stücke  dem 
Auge  weniger  leicht  bemerkbar  machen,  so  dürfte  der  Mangel  an  diesen  Stücken 
einigermaassen  erklärlich  erscheinen. 

Den  Messern  stehen  in  Bezug  auf  Zahl  und  Art  der  Bearbeitung  am  nächsten 
die  Schaber,  jene  eigenthümlichen  Geräthe,  welche  benutzt  sein  mögen,  entweder 
um  die  Haare  von  den  als  Kleider  gebrauchten  Thierhäuten  zu  entfernen,  das 
Fleisch  von  den  Knochen  zu  kratzen,  die  Fische  zu  entschuppen,  Feuer  anzu- 
zünden oder  zu  ähnlichen  Zwecken.  Unter  den  mann  ichfaltigen  Formen  der 
Schaber  sind  die  runden  und  ovalen,  zuweilen  herz-  oder  nierenförmig  gebildeten 
am  häufigsten.  Die  primitivste  Form  repräsentirt  der  reine  Rundschaber.  Dieser 
wird  Ton  einem  rundlichen  oder  kugelförmigen  Feuerstein-Knollen  scheibenförmig 
abgesplissen,  und  zwar  entweder  von  der  Aussenseite  des  Knollens  oder  aus  dem 
inneren  Kern.  Eine  weitere  Entwickelung  der  Form  ist  es,  wenn  die  Ränder 
solcher  roh  abgesprengten  Scheiben  mit  einigen  Schlägen  leicht  angeschlagen  oder 
gedengelt  werden.  Zuweilen  haben  die  so  bearbeiteten  Schaber  auch  auf  den 
beiden  Seitenflächen  muschelförmige  Auskerbungen,  die  offenbar  deshalb  vor- 
genommen worden  sind,  um  die  Dicke  des  Instrumentes  zu  verringern. 

Eine  zweite  Art  der  Schaber  sind  die  löffeiförmigen,  die  fast  ausnahmslos  von 
der  äusseren  Rinde  des  Knollens  abgesprengt  sind.  Bei  diesen  Schabern  ist  die  runde 
Scheibe  mit  einem  kurzen  Stiel  oder  Handgriffe  versehen.  Einige  dieser  Stücke 
sind  noch  in  der  Weise  vervollkommnet,  dass  von  der  Aussenseite  der  etwas  zu 
dick  gerathenen  Scheibe  durch  einen 'wohlgelungenen  Schlag  ein  Stück  abgesprengt 
worden  ist. 

Eine  dritte  Art  von  Schabern,  die  sonst  auf  Rügen  sehr  selten  vorzukommen 
scheint,  sind  die  drei-  öder  viereckigen  Schaber.  Bei  diesen  ist  die  eine  Kante, 
welche  offenbar  zum  Schaben  oder  Kratzen  gedient  hat,  stets  geradlinig;  die  beiden 
Seitenkanten  sind  jedoch  leicht  eingebogen,  um  dadurch  die  der  Schabekante  gegen- 
über stehende  Ecke,  bezw.  die  vierte  Seite  handlicher  zum  Anfassen  oder  bequemer 
zum  Befestigen  am  Stiel  zu  machen.  Eines  dieser  Geräthe  hat  fast  die  Form  einer 
kleinen  Hacke.  Die  meisten  von  mir  aufgefundenen  Exemplare  dieser  Art  sehen 
plump  und  ungeschickt  aus,  und  ich  würde  auf  diese  Art  von  Instrumenten  kein 
so  grosses  Gewicht  legen,  wenn  nicht  in  der  im  Rathhause  zu  Bergen  auf- 
bewahrten Sammlung  rügenscher  Alterthümer  ein  vorzüglich  erhaltenes,  muschel- 
förmig  ausgearbeitetes  Exemplar  dieses  Schabers  zu  finden  wäre. 

Die  aufgefundenen  Aexte  oder  Keile  gehören  mit  Ausnahme  von  einigen 
wenigen,  schon  vorher  erwähnten,  gemuschelten  Stücken  alle  der  roh  bearbeiteten 
Form  an.  Die  Stücke  haben  üusserlich  nur  nothdürflig  mit  einigen  groben  Schlägen 
die  entsprechende  Form  erhalten;  doch  ist  trotzdem  die  Schneide  oder  Spitze 
durchaus  zweckentsprechend  gearbeitet;  zum  Theil  tragen  sie  noch  Reste  von  der 
äusseren  Rinde  des  Knollens  an  sich.  Von  diesen  Instrumenten  gilt  es  ins- 
besondere, was  Baicr  (Die  Insel  Rügen  nach  ihrer  archäol.  Bedeutung,  S.  34f.) 
sagt:  „Im  ersten  Augenblicke  will  es  erscheinen,  als  seien  die  unvoUkommneren 
Formen  unfertig  geblieben,  ursprünglich  aber  bestimmt  gewesen,  zu  den  schönen 
und  edlen  Typen  ausgearbeitet  zu  werden.  Solche  Vermuthung  ist  indess  aus  zwei 
Gründen  zurückzuweisen.  Erstens  sind  diese  Gegenstände  trotz  ihrer  Plumpheit 
und  rohen  Arbeit  durchaus  geeignet,  sofort  in  Benutzung  genommen  zu  werden, 
und  der  zweite  Grund  ist  der,  dass  sich  aus  den  häufigsten  Typen  dieser  Reibe 
nie  und  nimmermehr  Formen  der  anderen  Klasse  bilden  lassen.^ 


(301) 

Als  charakteristisch  für  diese  Artvon  Aexten  ist  es  nach  ßaier's  Aufstellung, 
dass  der  Längs-Durchschnitt  ein  Rhomboid  bildet,  was  auch  durch  diesen  Fund  be- 
stätig:t  wird.  Die  Schneide  oder  Spitze  befindet  sich  immer  in  der  Bichtang  der 
Diagonale  des  Rhomboids,  während  sie  bei  den  gemuschelten  und  geschliffenen 
Stücken  parallel  mit  den  beiden  Seitenflächen  gebildet  ist. 

Die  meisten  der  roh  gearbeiteten  Aexte  zeigen,  soweit  sie  nicht  mit  einer 
Spitze  versehen  sind,  eine  yerhältnissmässig  schmale  Schneide;  bei  einigen  sind 
die  Schneiden  in  schiefer  oder  schräger  Richtung  angehauen,  was  zu  häufig  vor- 
kommt, als  dass  man  es  auf  blossen  Zufall  zurückführen  könnte.  Die  mit  einer 
Spitze  versehenen  Keile  haben  offenbar  nicht  als  Bohrer,  sondern  als  Instrumente 
zum  Hauen,  Stechen  oder  Schlagen,  also  als  Piken  oder  Hacken,  gedient 

Als  Bohrer  dagegen  möchte  ich  ausser  den  schon  vorher  bei  den  Messern  er- 
wähnten einige  andere  Instrumente  in  Anspruch  nehmen,  welche  gleichfalls  nur  in 
der  roh  bearbeiteten  Form  vorzukommen  scheinen.  Die  Stücke  haben  die  Form 
eines  rechten  Winkels,  dessen  einer  Schenkel  meist  etwas  länger  ist,  als  der  andere 
Schenkel.  Das  freie  Ende  des  längeren  Schenkels  ist  unten  zugespitzt,  um  als 
Bohrer  zu  dienen,  während  der  kürzere  Schenkel  offenbar  die  Handhabe  gebildet 
hat  Denken  wir  uns  den  kürzeren  Schenkel  über  den  Schnittpunkt  hinaus  ver- 
längert, so  erhalten  wir  ein  noch  jetzt  gebräuchliches  Geräth:  den  gewöhnlichen 
kleinen  Handbohrer  (plattdeutsch  Frittbohrer).  Diese  Instrumente  sind  von  Baier 
nicht  erwähnt;  indessen  zweifle  ich  nicht,  dass  sie  sich  auch  in  der  Stralsunder 
Sammlung  finden  werden.  Ich  habe  sie  in  der  Sammlung  des  Hrn.  Schilling  zu 
Arkona  in  mehreren  Exemplaren  gesehen  und  auch  auf  der  Werkstätte  bei  Dre- 
woldtke  wiedergefunden. 

Yerhältnissmässig  gross  ist  die  Zahl  der  Lanzenspitzen.  Von  der  Form,  welche 
die  sauber  gearbeiteten  und  feingemuschelten  Stücke  der  ncolithischen  Zeit  zeigen, 
sind  allerdings  nur  einige  wenige  Exemplare  vorhanden.  Desto  grösser  ist  die 
Zahl  der  Lanzenspitzen  von  roherer  Form.  Ihre  Gestalt  ist  blattförmig  mit  deutlich 
bemerkbarem,  zuweilen  hoch  aufstehendem  Mittelgrat  Bai  er  rechnet  diese  Instru- 
mente unter  die  Messer  und  bezeichnet  sie  als  blattförmige  Messer  mit  lanzen- 
artigen Spitzen.  Manche  dieser  Stücke  sind  so  plump  und  dick,  dass  man  auf 
den  ersten  Blick  über  ihren  Zweck  zweifelhaft  sein  kann;  aber  auch  unter  den- 
jenigen Stücken,  welche  in  der  Form  völlig  ausgebildet  sind,  befinden  sich  einige 
klobige,  auffallend  schwere  Stücke;  solche  von  leichter,  gefälliger  Form  sind  bei 
weitem  in  der  Minderzahl.  Bei  einigen,  und  zwar  gerade  plumpen  Stücken  findet 
sich  an  der  der  Spitze  entgegengesetzten  Seite  ein  sichelförmiger  Ausschnitt,  wo- 
durch sicher  eine  leichtere  Befestigung  des  Geräthes  an  einem  Schafl;  oder  Stiel 
ermöglicht  wurde. 

Als  eine  besondere  Abart  dieser  Lanzenspitzen  möchte  ich  6 — 8  Geräthe  be- 
zeichnen, welche  erstens  auffallend  hoch  gewölbt  sind  und  zweitens  an  dem 
unteren,  breiten  Ende  einen  kurzen,  schief  anstehenden  Ansatz  haben.  In  welcher 
Weise  das  Geräth  verwendet  wurde,  ist  mir  räthselhaft. 

Endlich  sind  noch  die  Sägen  oder  sichelförmigen  Messer,  früher  Opfermesser 
genannt,  zu  erwähnen.  Ausser  einigen  wenigen  Fragmenten  von  gemuschelten 
Sägen  habe  ich  etwa  ein  halbes  Dutzend  roh  zugehauener  Stücke  gefunden;  Zähne 
sind  an  diesen  noch  nirgends  eingekerbt,  und  deshalb  dürften  sie  wohl  als  un- 
fertige Arbeiten  zu  betrachten  sein. 

Aus  dieser  kurzen  Uebersicht  geht  eines  mit  Sicherheit  hervor,  dass  der 
Reichthum  der  typischen  Formen  ein  aussergewöhnlich  grosser  ist.  Aber  auch 
ein  zweites  dürfte  sich  sofort  mit  unabweisbarer  Noth wendigkeit  ergeben,  nehmlich 


(302) 

dass  unsere  Werkstätte  nicht  nur  kurze  Zeit,    sondern  Jahrhunderte  lang  benutzt 
worden  ist;  anders  ist  die  überraschende  Falle  des  Materials  kaum  zu  erklären. 

Eine  andere  und  viel  schwieriger  zu  beantwortende  Frage  ist  die  nach  dem 
Alter  der  Lietzower  und  überhaupt  der  rügenschen  Feuerstein -Werkstätten.  Auf 
den  ersten  Blick  allerdings  scheint  diese  Frage  leicht  zu  beantworten  zu  sein: 
man  möchte  nehmlich  wohl  geneigt  sein,  die  roh  bearbeiteten  Stücke  in  eine  ältere 
Zeit,  die  gemuschelten  und  geschliffenen  Stücke  aber  in  eine  jüngere  Zeitperiode 
zu  yerweisen.  Aus  solchem  Ansätze  würde  dann  zu  schliessen  sein,  dass  die 
Lietzower  Werkstätte  der  älteren  Steinzeit  angehört,  aber  noch  bis  in  den  Anfang 
der  jüngeren  Steinzeit  hinein  benutzt  worden  sei.  Die  Voraussetzung  zu  diesem 
Schluss  hat  jedoch  nur  in  ihrer  zweiten  Hälfte  bisher  allgemeine  Anerkennung  ge- 
funden, insofern  die  gemuschelten  und  geschliffenen  Geräthe  ziemlich  einstimmig 
der  neolithischen  Periode  zugewiesen  werden.  In  welchem  Zeitverhältniss  aber 
die  roh  bearbeiteten  Werkzeuge  hierzu  stehen,  ob  sie  als  gleichzeitig  oder  als 
älter  anzusehen  sind,  darüber  ist  man  noch  nicht  einig,  und  ich  pflichte  in 
dieser  Beziehung  ganz  der  Meinung  des  Hm.  Dr.  Baier  in  Stralsund,  des  ge- 
wiegtesten Kenners  rügenscher  Alterthümer,  bei,  welcher  offen  bekennt,  dass  wir 
mit  den  gegenwärtig  zur  Verfügung  stehenden  Mitteln  die  Frage  noch  nicht  beant- 
worten können.  Hoffentlich  aber  gelingt  es  der  Wissenschaft  über  kurz  oder  lang, 
auch  diese  Frage  zu  lösen,  und  es  würde  mir  eine  besondere  Freude  und  Qenug- 
thuung  sein,  wenn  hierzu  der  Lietzower  Fund,  sei  es  auch  nur  wenig,  beitragen 
könnte.  — 

(32)  Die  HHrn.  W.  Belck  und  C.  F.  Lehmann  legen  folgende  Abhandlung 
Tor  als  Fortsetzung  ihrer 

Chaldisehen  Forschiingen. 

7.   Zur  Frage  nach  dem  ursprunglichen  Standort  der  beiden  assyrischen  Inschriften  Sarduf's* 

Sohnes  des  Lutlpris^), 

Von  W.  Bclck. 

Diese  Frage  ist  von  der  grössten  Wichtigkeit  für  die  Urgeschichte  Armeniens: 
von  ihrer  definitiven  Beantwortung  hängt  die  Bestimmung  des  ursprünglichen  Wohn- 
sitzes Sardur's,  des  Königs  von  ^NaYri*'  (nicht  von  ßiaina-Chaldia!)  ab'). 

Eine  Behandlung  dieser  schwierigen  Frage  hat  Hr.  Prof.  F.  Jensen  unter- 
nommen'),  der   sich,   nachdem   er   den   uns  hier   allein   interessirenden  Schluss 

1)  Chaldische  Forschungen  Nr.  1—3,  s.  diese  Verhandl.  1896,  S.  678—616,  Nr.  4—6: 
1896,  S.  309—327. 

2)  Vergl.  VerhandL  1895,  S.  583,  und  Zeitscbr.  f.  Assjriologie ,  XI,  S.  201  fC  Auf  den 
an  erstcrer  Stelle  in  Aussicht  gestellten  Nachweis  ist  Jensen  (Zeitschr.  f.  Assyriol.,  "KL, 
S.  3fMjfif.)  gespannt,  ^fQrchtct**  aber  auf  Grund  von  „Vennuthungen"  und  „Befürchtungen*, 
von  denen  ausgehend  er  unsere,  ihm  noch  gar  nicht  bekannten  Argumente  einer  Kritik 
unterzieht,  „dass  es  dazu  nicht  kommen^  werde.  Anf  seine  Bemerkungen  a.  a.  0.  h^ben 
wir  fast  unmittelbar  nach  ihrer  VeröfiTentlichnng  der  Kedaction  der  Zeitschrift  für  Assjrio- 
logie eine  Erwiderung  übersandt,  deren  Erscheinen  wohl  nicht  mehr  lange  ausstehen  wird. 
Wie  dort  bemerken  wir  auch  hier,  dass  wir  uns  sielbstTerständlich  durch  eine  an  einen 
noch  nicht  erbrachten  Nachweis  geknüpfte  Kritik  in  keiner  Weise  an  der  Ausarbeitung  der 
auf  diesen  Nachweis  hinzielenden  Erörterungen  behindern  lassen  werden."    W.  B.  und  C.  L. 

3)  Zeitschr.  f.  Assyriologie,  VIII,  S.  376 flf. 


(303) 

der  Inschrift  [^Sardur,  Sohn  des  Lutipris,  spricht,  (nehmlich):  ich  habe  diese 
„Alabaster^ -Blöcke  ans  der  Stadt  Alniuna  weggenommen,  ich  habe  diese  Maner 
gebaut**]  annähernd  (s.  S.  304)  richtig  tibersetzt  hat,  folgend ermaassen  äussert*): 

„Beide  Inschriften  sind  jedenfalls  in  der  Nähe  von  Van  gefunden.  Nach 
Van  von  fernher  Steine  herbeizuschleppen,  hiesse  Wasser  in's  Meer 
schütteh').  Es  scheint  daher,  dass  die  Blöcke  nur  von  dem  Felsen  von  Van  her- 
stammen können.  Dann  kann  die  Stadt,  „aus  der^*  sie  herausgenommen  sind,  nur 
die  Gitadelle  von  Van  sein.  Alniunu  ist  daher  deren  Name  oder,  falls  der  Name 
Tuspa-Turuspa  diese  mit  einschloss,  oder  von  Tiglatpileser  III.  richtig 
für  die  Gitadelle  allein  gebraucht  worden  ist,  ein  Appellativ  mit  der  Bedeutung 
„Citadelle**.  Die  mit  den  Steinen  aufgeführte  Mauer  wird  oben  auf  dem  Felsen 
zu  dessen  grösserer  Sicherheit  aufgeführt  und  die  beiden  Inschriftsteine  werden 
ßestandtheile  dieser  Mauer  gewesen  sein.  Pülu  ward  dann  gebraucht  als  Be- 
zeichnung für  das  Material,  woraus  der  Felsen  von  Van  besteht,  also  für  eine  Art 
Ralk  (Dr.  Belck),  ob  missbräuchlich,  wollen  und  können  wir  hier  nicht  unter- 
suchen.'' 

Alle  diese  Aufstellungen  Jensen^s  sind  unhaltbar,  wie  ich  ihm  das  auch  ge- 
legentlich eines  Besuches  gesagt  habe;  sie  leiden  an  einer  geradezu  bemerkens- 
werthen  ünkenntniss  der  localen  Verhältnisse  Van's  im  Allgemeinen  und  der  vor- 
liegenden beiden  Inschriftsteine  im  Besonderen,  und  die  von  Jensen  gegebene 
Begründung  seiner  Behauptung,  Alniunu  sei  der  Name  der  Gitadelle  von  Van, 
widerstreitet  den  Sitten  und  Gebräuchen  wie  auch  dem  psychologischen  Gefühl 
wohl  auch  der  primitivsten  Völker  (vergl.  S.  305 ff.).  Aber  trotz  der  sonder- 
baren Art  der  Beweisführung,  die  mit  hypothetischen  Ausdrücken  wie  „jeden- 
falls", „es  scheint,  „dann  (das  bedeutet  hier:  wenn  diese  Ansicht  richtig  ist!) 
kann''  beginnt  und  mit  einer  positiven  Behauptung  (nicht  etwa  mit  dem  Hinweis 
auf  eine  Möglichkeit!)  schliesst,  —  einer  Eigenthtimlichkeit  Jensen 's,  der  man 
leider  öfter'),  so  namentlich  auch  bei  seinen  Bemühungen  um  die  Entzifferung 
der  „hethitischen"  Inschriften,  begegnet,  —  haben  sich  doch  andere  Forscher 
durch  die  Bestimmtheit  der  von  ihm  aufgestellten  Behauptungen')  dazu  verleiten 
lassen,  dieselben  als  erwiesen  zu  betrachten  und  darauf  weiterzubauen ^).  Die 
erste  Forderung,  die  man  an  jeden  Gelehrten,  der  sich  über  eine  Frage  ein  Ur- 
theil  bilden  und  mit  diesem  gehört  werden  will,  stellen  kann  und  stellen  muss, 
ist  jedenfalls  die,  dass,  ehe  er  über  eine  Sache  zu  schreiben  anfängt,  er  sich  nach 
Möglichkeit  tiber  die  einschlägigen  Verhältnisse  orientirt,  ein  Verlangen,  dessen 
Erfüllung  gerade  hier,    wo  die  Literatur  so  äusserst  spärlich  iliesst,   leicht  zu  er- 


1)  A.  a.  0.  S.  877. 

2)  Von  mir  gesperrt.    W.  B. 

3)  Diese  Eigenthümlichkeit  von  Jensen^s  Argumentationsweise  wird  man  auch  in 
meiner  seit  l&ngerer  Zeit  grossentheils  niedergeschriebenen  Abhandlung:  „Philologische 
und  historische  Methode  auf  altorieiitalischem  Gebiet"*  (einer  Erwiderung  auf  Jensen^s 
Artikel:  »Die  philologische  und  die  historische  Methode  in  der  Assyriologie"  [ZDM6.  50, 
S.  241  ff.])  hervorgehoben  und  beleuchtet  finden.  ZuJensen's  Artikel  vergleiche  man  einst- 
weilen meine  „Erklärung^,  a.  a.  0.  S.  671.    C.  L. 

^  4)  Vielleicht  auch  dadurch ,   dass  mein  Name  dazwischen  genannt  und  hierdurch  bei 
ihnen  möglicherweise  der  ganz  falsche  Eindruck  hervorgerufen  wurde,  als  ob  ein  mit  den 

«  ^__  ^__  

Ortsverhältnissen  vertrauter  Forscher  Jensen 's  obigen  Behauptungen  zustimme.    W.  B. 

5)  So  z.B.  Meissner  und  Rost,  ,,Die  Bau -Inschriften  Asarhaddons",  Beiträge  zur 
Assyriologie,  III,  2,  mit  Bezug  auf  die  Gleichung  pülu  (pili;  =  Kalkstein. 


(304) 

möglichen  ist  Jensen  aber  schreibt  Über  Dinge,  über  die  er  in  keiner  Weise 
orientirt  ist,  wie  ich  weiterhin  zeigen  werde. 

Jensen  behauptet*)  also,  die  Steine  stammten  vom  Van -Felsen,  der  (nach 
mir)  aus  einer  Art  Kalk  bestehe,  also,  folgert  er,    bezeichnet  pülu  den  Kalkstein. 

Nun  besteht  allerdings  der  Felsen  von  Van  aus  Marmorkalk,  also  einer  mehr 
oder  weniger  grobkrystallinischen  Kalksteinart,  welche  sich  poliren  lässt  und  dann 
dep  Glanz  und  die  Structur  des  Marmors  zeigt  Woher  weiss  aber  Jensen,  dass 
die  fraglichen  zwei  Schriflsteine  aus  Marmorkalk  bestehen?  Das  hat  er  sich  eben 
einfach  so  gedacht,  weil  es  ihm  zu  seinen  übrigen  Ansichten  passtel 

ObJensen's  Ansicht,  die  Steine  seien  in  der  Nähe  von  Yan  gefunden  worden, 
richtig  ist,  wollen  wir  vorläufig  unerörtert  lassen,  obgleich  gerade  dieser  Punkt 
aufs  Deutlichste  beweist,  wie  wenig  Jensen  mit  der  einschlägigen  Literatur  be- 
kannt ist  Absolut  falsch  ist  seine  von  mir  gesperrt  wiedergegebene  Begründung 
dieser  Ansicht:  „Nach  Van  von  fernher  Steine  herbeizuschleppen,  hiesse  Wasser 
in's  Meer  schütten,^  auf  die  ich  später  eingehen  werde. 

Gesetzt  also  den  Fall,  die  Steine  seien  in  der  Nähe  von  Van  gefunden 
worden,  worauf  stützt  dann  Jensen  seine  Ansicht,  sie  könnten  nur  von  dem 
Felsen  (der  Gitadelle)  von  Van  stammen?  Die  Forscher,  die  Van  besucht  haben, 
belehren  jeden,  der  ihre  Schilderungen  nachschlägt,  dass  es  dort  ausser  dem 
Van-Felsen  noch  den  Felsen  von  Kalatschik,  den  felsigen  Bergzug  des  Zem- 
zemdagh  mit  Toprakkal^h,  das  Gebirgsmassiv  des  Warrak  und  südlich 
und  südwestlich  von  ihm  langgestreckte  Bergztige  giebt,  und  dass  alle  diese 
Felsberge  nur  wenige  Kilometer  vom  Van-Felsen  entfernt  liegen.  Sie  lehren 
femer,  dass  der  gesammte  Van-Felsen  zwar  ziemlich  lang  (etwa  1,5  Arm  lang), 
dabei  aber  ausserordentlich  schmal  ist,  und  dass  verständige  Leute  sich  unter 
solchen  Umständen  hüten  werden,  die  geringe,  für  die  Erbauung  einer  Bui^ 
vorhandene  Fläche  noch  durch  Anlage  von  Steinbrüchen  an  diesem  Felsen  zu 
verkleinern.  Schon  allein  aus  diesen  Gründen  ist  die  Wahrscheinlichkeit,  dass 
die  beiden  Inschriftsteine  vom  Van-Felsen  stammen,  gleich  Null,  und  damit  wird 
die  Gleichung  „pQlu^  =  Marmor  (Kalkstein)  zu  Wasser.  Dass  Jensen  nicht 
weiss,  dass  man  „Alabaster^  niemals  als  „Kalkstein^  bezeichnen  wird,  dass  man 
vielmehr  unter  letzterer  Bezeichnung  stets  „kohlensauren  Kalk^  (also  Marmor, 
Kreide,  Kalkspath,  Arragonit  u.  s.  w.)  versteht,  soll  ihm  als  Philologen  nicht  als 
Vorwurf  angerechnet  werden.  Wohl  aber  soll  darauf  hingewiesen  werden,  duss 
in  jedem  Falle,  also  auch  wenn  die  Steine  vom  Van-Felsen  stammten,  die  Be- 
zeichnung „Alabaster^  eine  durchaus  falsche  sein  wtU-de,  und  dass  in  solchen  Fällen 
Jensen  gut  thun  würde,  sich  der  Mithülfe  eines  Geologen,  bezw.  eines  der 
chemischen  Mineralogie  Kundigen  zu  vergewissern,  wenn  er  mineralogische  Be- 
stimmungen machen  will. 

Ohne  auf  Jensen's  weitere  Hypothesen  einzugehen,  die  sich  nur  ans  seiner 
geringen  Vertrautheit  mit  dem  Gegenstande  erklären,  will  ich  mich  gleich  zu  der 
Hauptfrage  wenden:  Welches  .ist  der  ursprüngliche  Standort  der  beiden  lo- 
schrifisteine?  In  dieser  Beziehung  giebt  es  nur  zwei  Möglichkeiten:  Entweder  die 
Steine  sind  von  ihrem  ursprünglichen  Standorte  aus  hierher  verschleppt  worden, 
in  welchem  Falle  alle  Gonjecturen  und  Behauptungen  Jensen's  sich  natürlich 
von  selbst  erledigen,  oder  sie  befinden  sich  noch  an  ihrem  ursprünglichen  Stand- 


1)  Die  ursprünglich  hypothetische  Form,  in  der  Jensen  diese  Ansicht  ausspricht^ 
wird  eben  vollständig  beseitigt  durch  die  gleich  nachher  ausgesprochene,  auf  sie  ge- 
gründete positive  Behauptung. 


(305) 

orte.  Nur  letzterer  Fall,  der  flir  Jensen  günstigere,  soll  hier  in  Betracht  gezogen 
werden.  Wenn  Jensen  wüsste,  wo  sich  die  beiden  Schriflsteine  befinden,  —  und 
sich  darüber  zu  informiren,  hätte  ihm  nicht  schwer  fallen  können,  —  dann  würde 
er  wahrscheinlich,  oder  wenigstens  vielleicht,  alle  seine  in  der  Luft  schwebenden, 
bezw.  den  Thatsachen  direct  widersprechenden  Erwägungen  und  Behauptungen 
nicht  niedergeschrieben  haben.  Beide  Steine  stecken  nehmlich  neben  ein- 
ander in  einer  aus  cyclopischen  Steinen  bestehenden  Mauer,  augenscheinlich 
sehr  hohen  Alters,  welche  sich  nicht  auf  der  Höhe  des  Van-Felsens  befindet, 
wie  Jensen  annimmt,  sondern  in  der  Ebene  am  Fusse  desselben.  Und  zwar 
schliesst  sich  dieselbe  auf  der  Nordseite  des  Van-Felsens  an  seinen  westlichsten 
Punkt  an,  bei  dem  heute  sogenannten  Iskal^h-Kapussi  (i.  e.  dem  Hafen-Thore) 
der  Festung;  diese  Mauer  läuft  ungefähr  in  der  Richtung  Süd-Nord  und  diente  zur 
Vertheidigung  des  Hafens  der  Van- Festung,  der  seinerseits  wieder  angelegt  worden 
war,  um  bei  etwaigen  Belagerungen  der  Bmg  die  Verproriantirung  derselben  von 
den  anderen  Gestaden  des  Sees  aus  zu  sichern. 

Auf  diesem  cyclopischen  Unterbau,  bezw.  mit  Benutzung  desselben,  ist  späterhin 
in  frühchristlicher  Zeit  eine  kleine  Kirche,  Surp  Karapet  genannt,  errichtet 
worden,  die  aber  seit  sehr  langer  Zeit  schon  in  Ruinen  liegt.  Nach  dem  Local- 
befunde  erscheint  die  Annahme  durchaus  gerechtfertigt,  dass  sich  die  beiden 
enormen  Felsblöcke,  auf  denen  die  Inschrift  eingemeisselt  ist,  an  ihrem  ursprüng- 
lichen Standorte  befinden,  dass  demnach  diese  zu  den  Befestigungs- Anlagen 
der  Yan-Festung  gehörende,  der  Vertheidigung  des  Hafen -Einganges  dienende 
Mauer  bereits  von  Sardur,  dem  Sohne  des  Lutipris,  Königs  TonNairi,  angelegt 
worden  ist.  Mit  dieser  Feststellung  gelangen  wir  für  den  Beginn  der  Befestigungs- 
Arbeiten  an  und  auf  dem  Van- Felsen  in  ein  sehr  hohes  Zeitalter,  mindestens  an 
den  Anfang  des  9.  rorchristlichen  Jahrhunderts'). 

Es  erscheint  nicht  überflüssig,  zu  bemerken,  dass  es  sich  auf  dem  Van-Felsen, 
abgesehen  von  den  in  das  Innere  des  Felsens  getriebenen  Gemächern,  Sälen  u.  s.  w. 
—  dem  sogenannten  Felsschloss  — ,  selbstverständlich  nur  um  eine  Burg  zu  Be- 
festigungs-Anlagen, nicht  etwa  auch  um  die  Anlage  einer  Stadt  handeln  kann; 
letzteres  ist  schon  durch  die  Beschränktheit  des  Raumes  ausgeschlossen,  ganz 
abgesehen  davon,  dass  in  Folge  Mangels  irgend  welcher  Wasserquellen '^)  der 
Aufenthalt  einer  irgendwie  erheblichen  städtischen  Bevölkerung  dort,  wenn  nicht 
unmöglich,  so  doch  äusserst  unwahrscheinlich  erscheint.  Der  Van-Felsen  kann 
deshalb  nur  als  Aufenthaltsort  der  jeweiligen  Besatzung  gedient  haben;  etwaige 
städtische  Ansiedelungen  müssen  sich  in  der  anliegenden  Ebene  an  den 
Wasserläufen  befunden  haben. 

Erscheint  es  nun  denkbar,  dass  ein  Fürst,  der  ein  wichtiges  Befestigungswerk  er- 
richtet, in  seiner  darauf  bezüglichen  Inschrift  sagt:  ^Ich,  der  grosse,  mächtige  König, 
habe  diese  Steine  (i.  e.  diejenigen,  auf  welchen  sich  die  Inschriften  befinden)  von 
dem  annittelbar  anstossenden  Felsen  hergeholt  (also  der  Transport  der  Steine  wurde 
zserst  erwähnt!),  und  damit  diese  Mauer  gebaut?'^   Ich  meine,  ein  logisch  denkender 


1)  Vergl.  diese  Verhandl.  1894,  S.  486. 

2)  Zur  Frage,  woher  die  ('halder-Könige,  8o  oft  sie  sich  in  der  Borg  von  Van  auf- 
hielten, gutes  Trinkwasser  —  das  Wasser  des  Van-Sees  ist  bekanntlich  etwas  brakig  — 
bezogen,  möchte  ich  bemerken,  dass  es  auf  den  westlichen  Abhängen  des  Warrak-Gebirges 
eine  grössere  Anzahl  köstlicher  Quellen  eiskalten  Wassers  giebt,  aus  denen  auch  der  je- 
weilige Wali  von  Yan  sein  Trinkwasser  holen  Iftsst.    W.  B. 

Verbandl.  der  BerL  Antbropol.  GeteUscbaft  1897.  ^0 


(306) 

Mensch  wird  diese  Frage  schon  im  AlJgemeinen  unbedingt  yerneinen'),  noch  riel 
mehr  aber,  wenn  er  die  Sitten  nnd  Gebräuche  der  Alarodier  und  ihrer  Herrscher 
io  Betracht  zieht,  deren  Inschriften  leider  durchweg  nur  allzu  kurz  gefasst 
sind  und  sich  auf  die  knappsten,  dürftigsten  Mittheilungen  ttber  die  allerwichtigsten 
Punkte  beschränken.  Um  das  einzusehen,  braucht  man  nur  eine  Bau-Inschrift  oder 
einen  Kriegsbericht  der  vannischen  Herrscher  mit  solchen  der  assyrischen  oder 
babylonischen  Könige  zu  vergleichen.  Man  sehe  sich  z.  B.  eine  Canal-Inschrift  des 
Menuas  an,  in  der  weder  der  Zweck  des  Baues,  noch  die  Art  seiner  Ausführung, 
nicht  einmal  der  Name  der  Stadt,  für  welche  der  Ganal  bestimmt  war,  genannt, 
sondern  nur  mit  bündigster  Kürze  gesagt  wird:  „Ich,  Menuas,  habe  für  die 
mächtigen(?)  Chalder  diesen  Aquädnct  gebaut  und  ihn  nach  mir  Menuas-Ganal 
genannt.^ 

Und  so,  wie  diese,  beweisen  auch  alle  anderen  Inschriften,  dass  nur  that- 
sächlich  Wichtiges  und  Henrorragendes  von  den  Beherrschern  Van's  der  Er- 
wähnung in  denselben  für  werth  erachtet  wurde.  Eine  derartig  lächerliche 
Kleinigkeit  aber,  wie  der  Transport  von  Bausteinen  zu  einer  Mauer  von  dem 
unmittelbar  an  dieselbe  anstossenden  Felsen  lier,  also  auf  eine  Entfernung  von  wenigen 
Metern,  wird  wohl  überhaupt  niemand,  selbst  wenn  er  einer  ganz  primitiven 
Rasse  angehört,  für  eine  Heldenthat  und  demgemäss  für  der  Erwähnung  werth 
erachten. 

Und  genau  dasselbe  spricht  gegen  die  etwaige  weitere  Annahme,  die  Steine 
seien  an  einem  der  vorhin  genannten,  benachbarten  Felsrücken  gebrochen  worden; 
auch  das  wäre  ein  so  unwesentlicher  Punkt,  eine  so  geringe  Arbeit,  dass  die  Er- 
wähnung derselben  als  ausgeschlossen  erachtet  werden  muss,  um  so  mehr,  als  hier 
überall  (ebenso  wie  auf  dem  Van-Felsenl)  die  Existenz  der  Stadt  Alniun  er- 
mangelt. 

Interesse  für  die  Mit-  und  Nachwelt  kann  der  Satz:  ^Ich  habe  diese  Steine, 
mit  denen  diese  Mauer  gebaut  ist,  aus  der  Mitte  der  Stadt  Alniun  geholt'',  nur 
in  den  beiden  Fällen  beanspruchen,  dass  a)  am  Orte  des  Baues  weit  und  breit  gar 
kein  für  Bauten  geeignetes  Gestein  vorkommt,  oder  dass  b),  obgleich  ganz  im 
Gegentheil  der  betreffende  Punkt  passendes  Baumaterial  in  Hülle  und  Fülle  bietet, 
der  erbauende  König  aus  irgend  welchen  Gründen  die  erforderlichen  Bausteine 
trotzdem  von  irgend  einem  anderen  Orte  herholen  liess').    In  beiden  Fällen  ist 


1)  Was  Belck  hier  betont,  wird  man  auch  in  meiner  oben  8.303,  Anmerk.  3  ge- 
nannten Abhandlung  hervorgehoben  finden,  wobei  bemerkt  sei,  dass  unsere  beiderseitigen 
Aeusserungen  von  einander  vollständig  nnabhängig  sind.  Jensen  begnügt  sich  mit  einer 
Uebersetzung,  gegen  die  dem  Wortsinne  nach  nichts  einzuwenden  ist,  die  aber  gar  keinen 
Sinn  giebt,  sobald  man  die  thats&ch liehen  Verhältnisse,  auf  welche  sich  die  Inschrift  bezieht, 
wie  es  doch  nöthig  und  selbstverständlich  ist,  in  Betracht  zieht  Dieser  Fall  wird  daher 
von  mir  im  genannten  Zusammenhange  als  ein  weiterer,  besonders  handgreiflicher  Beleg 
für  den  Fehler  in  Jensen's  Methode  angeführt,  auf  welchen  ich  ZDMG.,  41,  8.302  hin- 
hingewiesen hatte,  den  nehmlich,  dass  sich  Jensen  mehr  und  mehr  geneigt  zeigt,  Fragen 
von  lediglich  oder  überwiegend  historischer  Natur  rein  philologisch  (im  engsten  Sinne)  zu 
behandeln,  bezw.  wo  in  einer  Untersnchnng  philologische  nnd  historisch -sachliche  Ge- 
sichtspunkte gleiche  Berücksichtigung  und  gegenseitige  Abwägnng  verlangen,  die  Ent- 
scheidung lediglich  nach  specifisch  philologischen  Gesichtspunkten  zu  treffen.    C.  L. 

2)  Noch  ein  dritter  Fall  könnte  im  Allgemeinen  wohl  in  Betracht  kommen,  wenn  er 
auch  nach  Lage  der  Sache  im  vorliegenden  Falle  weniger  Wahrscheinlichkeit  hat.  Es 
könnte,  falls  eine  Umsiedelung  von  Alniun  nach  dem  Yan-Felsen  stattgefunden  hätte, 
Werth  darauf  gelegt  worden  sein,   einen  Bestandthcil  der  alten  Stadt  mit  in  die  neue  zu 


(307; 

aber  weiter  eine  wesentliche  Bedingung  die,  dass  die  Stadt  Alniun  in  beträcht- 
iicher  Entfernung  Ton  Tu8pa(na)-Van  liegen  muss,  so  dass  der  Transport  dieser 
schweren  Steine  auf  eine  weite  Strecke  hin  schon  als  eine  erwähnenswerthe  That. 
erschienen  ist,  namentlich  wenn  derselbe  nelleicht  noch  mit  aussergewöhnlichen 
Schwierigkeiten,  wie  z.  B.  Transport  über  Gebirge,  Wasser  u.  s.  w.,  verknüpft  ge- 
wesen war. 

Da  der  Fall  a)  bekanntermaassen  ausscheidet,  so  liegt  also  die  Sache  so,  dass 
Sardur,  der  Sohn  des  Lutipris,  aus  irgend  welchen  Gründen  die  zu  dem  Bau 
einer  den  Hafen  der  Burg  von  Van  schützenden  Mauer  erforderlichen  mächtigen 
Quadern  von  einer  weit  entfernten  Stadt  Alniun  herholen  liess.  Es  liegt  hier  also 
ein  in  gewisser  Hinsicht  analoger  Bericht  Tor,  wie  der  in  Tiglatpileser*s  I. 
Annalen,  Col.  VÜI,  Z.  11—16,  wo  der  Assyrer  erzählt,  dass  er  KA.- Steine,  gAL.- 
TA. -Steine  und  sadänu-Steine  aus  den  Bergen  des  Landes  Nai'ri  geholt  und  sie 
in  dem  von  ihm  neu  erbauten  bit  hamri  Rammftn's  niedergelegt  habe. 

Um  Bausteine,  bezw.  nach  altem  Brauche  (yergl.  Nippurl)  Material,  u.  A.  zu 
eyent.  weiterer  Ausschmückung  und  Ausstattung  des  Rammän-Tempels  zu  be- 
schaffen, brauchte  Tiglatpileser  I.  gewiss  nicht  nach  den  so  weit  entfernten 
Nairi-Ländern  zu  gehen,  wobei  er  den  schwierigen  üebeigang  über  diä  rielen 
Gebirgsketten  des  Antitaurus  („16  gewaltige  Berge^  nennt  er,  Ool.  lY,  Z.  58 — 66, 
als  dabei  von  ihm  überschritten)  zu  bewerkstelligen  hatte;  er  will  aber  eben  sagen, 
dass  er  sich  weder  durch  die  gewaltige  Entfernung,  noch  durch  die  Schwierig- 
keiten des  Transports  über  die  Gebirge  davon  abhalten  liess,  die  von  ihm  ge- 
nannten werthvollen,  bezw.  darch  irgend  eine  Eigenschaft  (schöne  Farbe,  grosse 
Härte,  hervorragende  Politurföhigkeit  u.  s.  w.)  ausgezeichneten  Gesteinsarten  her- 
beizuschaffen. 

unsere  Untersuchung  hat  also  gerade  zu  dem  Resultat  geführt,  welches  Jensen 
durch  seine  Bemerkung:  „Nach  Van  von  fernher  Steine  herbeizuschleppen,  hiesse 
Wasser  in^s  Meer  schütten,^  von  vornherein  als  absurd,  und  deshalb  ausser  Be- 
tracht zu  lassen,  von  der  Hand  gewiesen  hatte.  Und  dass  der  hier  erwähnte  Trans- 
port von  Bausteinen  von  fernher  nach  Orten,  die  wahrlich  keinen  Mangel  an  gutem 
passendem  Baumaterial  hatten,  weder  der  einzige  Fall  gewesen,  noch  auch  auf  das 
Altertbum  beschränkt  geblieben  ist,  beweist  u.  A.  die  von  Thomas  Ardzruni  in 
seiner  „Geschichte  der  Ardzrunier^,  UI,  §  37')  berichtete  Thatsache,  dass  König 
Gagik  von  Armenien  die  Steine  zum  Bau  der  Kathedrale  auf  der  Felsen -Insel 
Agthamar  aus  dem  tief  im  Süden  in  der  Provinz  Aghdznik*  gelegenen  Dorfe 
Kotom  herbeischaffen  und  sowohl  über  die  hohen  Gebirge,  wie  auch  über  den  See 
transportiren  liess. 

Die  armenischen  Schriftsteller  liefern  uns  aber  noch  weitere  derartige  Fälle 
von  weiten  Transporten  von  Bausteinen,  darunter  auch  solchen  nach  Tus- 
pa(na)-Van. 

So  erzählt  Thomas  Ardzruni,  III,  §29*),  dass  König  Gagik  Ardzruni  am 
Fusse  des  nördlichen  Abhanges  des  Yan-Felsens  eine  Kirche,  St.  Zion  ge- 
nannt, erbaute  aus  in  der  Stadt  Manazav  (=  Melasgert)*)  behauenen  Steinen!    Er  hatte 


übertragen;  derartigen   cultisch-ritaeUen  Bräuchen  (Uebertragung   des  Heerdfeuers,   der 
Heimatherde)  begegnen  wir  ja  bei  Umsiedelung  und  Colonisation  auch  sonst.    C.  L. 

1)  Brosset,  Collection  d^historiens  Armeniens,  I,  p.  289.    (p.  334  der  armenischen  Aus- 
gabe, Constantinopel  1852.    C.  L.) 

2)  Ebenda  1.  c.  p.  204.    (S.  283  des  armenischen  Druckes.    G.  L.) 

8)  Ucber  diese  sichere  Identification  vergleiche  Brosset  1.  c,  p.  204  (nach  Indjidjean, 
Ann^nie  ancienne,  p.  183,  6). 

20* 


(308) 

dieselben  also  zunächst  etwa  80 — 100  km  tlber  Land  bis  zum  Ufer  des  Sees  zu 
transportiren  und  dann  mit  Schiffen  nach  Van  zu  schaffen.  Und  in  demselben 
CapiteP)  erzählt  er  weiter,  dass  Gnrgen  Ardzruni,  Gagik's  Bruder,  in  der 
weit  südöstlich  im  Gebirge  belegenen  Stadt  Adam akert  (Canton  Gross-Aghbag) 
ebenfalls  eine  schöne  Kirche  erbaute,  itir  die  er  die  Hausteine  theil weise  eben- 
falls aus  Manäzav-Melasgert  bezog,  wobei  er  fQr  den  Transport  derselben  Ton 
Van  bis  zur  Baustelle  erst  noch  einen  besonderen  Weg  durch  das  wilde 
G&birge  anlegen  musste.  % 

Aus  diesen  Thatsachen  ist  zu  entnehmen,  dass  die  im  Bereiche  der  Stadt 
Manazar-Melasgert  vorkommenden  Gesteinsarten  besonders  geschätzt  waren  fUr 
die  Herstellung  behauener  Steine,  welche  zum  Bau  monumentaler  Gebäude  u.  s.  w. 
dienen  sollten.  Die  Möglichkeit,  dass  Sardur  von  hier  seine  Steine  kommen 
Hess,  ist  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  und  bei  der  Länge  des  Transportweges 
würde  die  Erwähnung  dieser  Thatsache  in  seinen  beiden  Inschriften  gerecht- 
fertigt sein.  Eventuell  also  könnte  Alniun  der  ursprüngliche  Name  von  Manazav- 
Melasgert  sein;  Aufschluss  darüber  werden  uns  vielleicht  die  in  jener  (hegend 
vorhandenen  Reil-Inschnften  ergeben.  Eine  derselben  ist  kürzlich  von  ScheiP) 
veröffentlicht  worden;  sie  enthält  den  Namen  der  Stadt  nicht,  besagt  aber,  dass 
Menuas  die  dortige  Burg  neu  aufgebaut  habe,  wodurch  das  sehr  hohe  Alter 
dieser  Stadt  erwiesen  ist  und  meine  früher  geäusserte  Ansicht,  der  armenische 
Name  derselben,  Manasgert  oder  Manavazgert,  hänge  mit  dem  Namen  Menuas 
zusammen,  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnt.  — 

(33)  Hr.  H.  Meyer  schickt,  d.  d.  Haarstorf  bei  Ebsdorf,  Hannover,  unter  dem 
29.  April  einen  Bericht  über  die 

Aasgrabung  von  Hügelgräbern  in  der  Haarstorfer  Feldmark. 

Wird  in  den  „Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde**  erscheinen.  — 

(34)  Hr.  H.  Meyer  berichtet  unter  dem  1.  Juni  über 

Fnnde  auf  dem  langobardisch-sächsischen  Friedhofe  bei  NienbtitteU 

Kreis  Uelzen. 

Wird  gleichfalls  in  den  „Nachrichten"  gedruckt  werden.  — 

(35)  Hr.  F.  W.  K.  Müller  bespricht 

neaere  japanische  Sachen. 

(36)  Neu  eingegangene  Schriften: 

1.  Vorgeschichtliche  Steindenkmäler  in  Schleswig- Holstein.    Als  32.  Bericht  der 

Schleswig-Holstein-Lauenb.  Gesellschaft  für  die  Sammlung  und  Erhaltung 
vaterländischer  Alterthümer.    Kiel  1872.    Gesch.  d.  Hm.  M.  Bartels. 

2.  Wenge,  Walter,    Zeitschrift  für  Griminal- Anthropologie,   Gefängniss-Wisscn- 

schaft    und    Prostitutionswesen.    I.    1.     Berlin  1897.    Gesch.    d.    Heraus- 
gebers. 

3.  V.  Hellwald  und  F.  LMe,  Die  Erde  und  ihre  Völker.     Liefer.  15—19.    Berlin 

1H97. 

-    1)  Brossct  I.e.  p.  207.    ^S.  287f.  des  armenischen  Druckes.    C.  L.) 
2)  Recueil,  XVIII,  p.  75-77. 


(309) 

4.  Trayaux  de  la  ßociete  Imp.  des  Natoralistes  de  St.  Petersbonrg.  Vol.  27.  Livr,  1. 

Nr.  6 — 8.    Compies  rendus  des  S^ances.  Ann^e  1896.  8i  F^tersbourg  1897. 

5.  Dasselbe,  Fase.  2.    Section  de  Botaniqae.    Si  Peiersbooiig:  1897.    (Rassisch.) 

Nr.  3 — 5  durch  Hm.  R.  Virchow. 

6.  Häntzschel,  C.  R.,  Reise-Handbuch  für  Amatear-Photographen.    Halle  a.  S. 

1896.    Gesch.  d.  Verlagshandliuig. 

7.  Zbomik  za  narodni  ÜYot  i  Obi6aje  joSnih  Slayena.     Na  svijet  izdaje  «fug. 

Akadem.  zoanosti  i  umjetnosti.    Syezak  1.    U  Zagrebu  1896.    Gesch.  d. 
Akademie  ia  Agram. 

8.  del  Paso  y  Troncoso,  F.,  Die  Andhuacschen  Handschriften  und  II  manoscritto 

Messicano  Vaticano  3773,  edizione  del  Duca  de  Loubat.     Roma  1896. 
Gesch.  d.  Herzogs  v.  Loubat  in  Paris. 

9.  R.  Andree's   Hand-Atlas.     Bielefeld    und  Leipzig   1881.     Gesch.    d.   Frau 

Sanitätsrath  Schlemm. 

10.  Coppemicus -Verein.    Sitzungsbericht  vom  3.  Mai  1897.     Thom  1897.     (Ost- 

deutsche Zeitung  Nr.  108.)    Cresch.  d.  Vereins. 

11.  Giuffrida-Ruggeri,  V.,  Intomo  air  accayallamento  delle  arcate  dentarie  e 

alla  profatnia  inferiore.    Reggio-Emilia  1897.     (Rivista  Sperimentale   di 
Freniatria.)    Gesch.  d.  Verf. 

12.  Colini,  G.  A.,  Seghe  e  coltelli-seghe  italiahi  di  pietra.    Parma  1896.    (Bullet. 

d.  p^letnol.  italiana.)    Gesch.  d.  Verf. 

13.  Tonduz,  A.,  Flora  de  Costa  Rica.    San  Jose  de  Costa  Rica  1897.    Gesch.  d. 

Verf. 

14.  Underwood,  C.  F.,  Faunade  Costa  Rica.  San  Jose  de  Costa  Rica  1897.   (Nr.  13 

u.  14:  Primera  exposicion  Centroamericana  de  Guatemala.)   Gesch.  d.  Verf. 

15.  Orsi,   P.,   Esplorazioni  archeologiche  in  Noto  yecchio.    Roma  1897.    (Notiz. 

d.  Scavi.)    Gesch.  d.  Verf. 

16.  Fewkes,  J.  W.,  Preliminary  account  of  an  expedition  to  the  Cliff  yillages  of 

the  Red  Rock  country.    Washington  1896.    (Smithsonian  Report.) 

17.  Derselbe,  The  Tusayan  ritual.    Washington  1896.    (Smiths.  Report.) 

Nr.  16  u.  17  Gesch.  d.  Verf. 

18.  Ploss-Bartels,  Das  Weib.    5.  Aufl.     11.  u.  12.  Liefer.    Berlin  1897.    Gesch. 

d.  Verf. 

19.  Bolsius,  H.,  De  Aap-Mensch  op  het  congres  te  Leiden.    Utrecht  1896. 

20.  Derselbe,   Darwiniana.    Utrecht  1897.    (Nr.  9  u.  10   sind  Studien  op  Gods- 

dienstig,  Wetenschappel.  en  Letterk.  gebied.) 
Nr.  19  u.  20  Gesch.  d.  Verf. 

21.  Kröhnke,    0.,    Chemische   Untersuchungen    an    yorgeschichtlichen   Bronzen 

Schleswig-Holsteins.    Kiel  1897.    (Dissertation.)    Gesch.  d.  Verf. 

22.  Boas,    F.,   The  Decoratiye  Art  of  the  Indians   of  the  North  Pacific  Coast. 

New  York  1897.    (Bull.  Amer.  Mus.  of  Natur,  ffistory.)    Gesch.  d.  Verf. 

23.  Brinton,  D.  G.,  Maria  Candelaria.    Philadelphia  1897.    Gesch.  d.  Verf. 

24.  Lenz,  R.,  Estudios  Araucanos  VI,  VU.    Santiago  de  Chile  1896/97.    (Anales 

de  la  Uniyersidad  de  Chile.)    Gesch.  d.  Verf. 

25.  Ehrenreich,   P.,   Anthropologische  Studien  über  die  Urbewohner  Brasiliens, 

yomehmlich   der  Staaten   Matto  Grosso,   Goyaz   und  Amazonas   (Purus- 
Gebiet).    Braunschweig  1897.    Gesch.  d.  Verf. 

26.  de  Baye,  Baron,  Notes  sur  les  Votiaks  paiens  des  Gourernements  de  Kazan 

et  de  Viatka  (Russie).    Paris  1897.    (Reyue  des  Traditions  populaires.) 
Gesch.  d.  Verf. 


(310) 

27.  Catalogae   of  ihe  Bonnd  Books  in  the  Library  of  the  Hawaüan  Historical 

Society.    Honolulu  1897.    Gesch.  d.  Gesellschalt. 

28.  Obseryaciones  meteoroiögicas  de  San  Salvador  dnrante  el  mes  de  Enero  de  1897. 

San  Salvador,  o.  J.    Oesch.  d.  Obsenratorinms  zu  San  Salvador. 

29.  Zibrt,   Ö.,   Rychtdieskö   prdvo,   palice,    kluka.     t  Praze  1896.     (Ydstnik   c. 

spole^nosti  näuk.)    Gesch.  d.  Hm.  R.  Virchow. 

30.  Deininger,  J.  W.,  Das  Bauernhaus  in  Tirol  und  Vorarlberg.  IL   3.  Wien,  o.  J. 

31.  Lindenschmit,  L.,  Sohn,  Die  Alterthümer  unserer  heidnischen  Yorseii  IV.  11. 

Mainz  1897. 

32.  Roskoschny,  H.,  Russisch-deutsches  Wörterbuch.    Berlin,  o.  J. 

33.  348ter  Kieler  Alterthumsbericht.    Kiel  1874. 

Nr.  30 — 33  sind  angekauft 

34.  Glassberg,  A.,  Die  Beschneidung  in  ihrer  geschichtlichen,  ethnographischen, 

religiösen  und  medicinischen  Bedeutung.    Berlin  1896. 

35.  Blumenbach,   J.  F.,   Abbildungen   naturhistorisöher   Gegenstände.     1.  Heft 

Nr.  1 — 1 0.    Göttingen  1 796. 

36.  Camper,   A.  G.  Peter  Gamper's  Vorlesungen,  gehalten  in  der  Amsterdamer 

Zeichen-Akademie.     Aus   dem  Holländischen  übersetzt  von  G.  Schaz. 
Berlin  1793. 

Nr.  34—36  Gesch.  d.  Hm.  M.  Bartels. 

37.  Schulze,  Fedor.    Gost-Java  en  Madoera.    Handboek  voor  Reizigers.    Batavia 

1897.    Gesch.  d.  Verf. 

38.  Treichel,   A.,    17  Separat-Abdrücke  von  MittheOungen  aus  dem  Gebiete  der 

Botanik,  Zoologie,  Voigeschichte  und  Volkskunde  aus  verschiedenen  Zeit- 
schriften.   (}e8ch.  d.  Verf. 

39.  Tarner,   W.,   Early  man  in  Scotland.    London  1897.    (Royal  Institution  of 

Great  Britain.)    Gesch.  d.  Verf. 


Sitzung  vom  17.  Juli  1897. 

Vorsitzender:   Hr.  R.  Virchow. 

(1)  Als  Gast  anwesend  Hr.  Minovici  aus  Bukarest.  — 

(2)  Die  Reihen  unserer  alten  correspondirenden  Mitglieder  lichten  sich  mehr 
und  mehr.  Jetzt  ist  einer  aus  der  ältesten  Serie  von  1871  dahin  geschieden: 
Johannes  Japetus  Smith  Steenstrup,  emeritirter  Professor  der  Zoologie  in  Kopen- 
hagen. Zur  Zeit,  als  die  internationalen  Congresse  für  prähistorische  Archäologie 
und  Anthropologie  das  Interesse  aller  Gebildeten  für  die  Kunde  der  grossen  Enir 
deckungen  auf  diesem  weiten  Gebiete  erregten,  stand  er  schon  im  Zenith  seines 
Ruhmes.  Sein  Name  war  mit  der  Erforschung  der  dänischen  Kjökkenmöddinger 
verknüpft;  er  hatte  die  Waldmoore  von  Seeland  ausgegraben  und  deren  Bedeutung 
für  die  Entwickelung  der  ältesten  Flora  und  für  das  Erscheinen  des  Menschen 
dai^gelegt;  die  reichen  Sammlungen  diluvialer  Thierreste  im  Kopenhagener  Museum 
bildeten  die  Grundlage  für  eine  genauere  Bestinamung  der  vorhistorischen  Thier- 
reste; er  war  es,  der  die  strengere  Methode  der  Naturwissenschaft  in  die  Dis- 
cussion  der  Congresse  einführte.  Ueberall,  wo  es  galt,  die  Fragen  nach  dem 
ältesten  Vorkommen  von  Zeugnissen  menschlicher  Thätigkeit  zu  entscheiden,  war 
er  persönlich  betheiligi  So  namentlich  noch,  als  er  im  hohen  Alter  nach  Mähren 
eilte,  um  die  Mammuthjäger  auf  ihre  Authenticität  zu  prüfen.  Dabei  wurde  er  nicht 
müde,  jedem  ernsten  Forscher  auf  diesem  Gebiete  Rede  und  Antwort  zu  stehen, 
Belehrung  und  Material  zu  eigener  Untersuchung  zu  bieten.  Für  alle  Zeiten  wird 
er  als  ein  Vorbild  unabhängigen  und  bewussten  Strebens,  als  ein  Träger  sicherer 
und  umfassender  Naturkenntniss  in  der  Erinnerung  unserer  Genossen  erhalten 
bleiben.  — 

Von  unseren  ordentlichen  Mitgliedern  starben  Dr.  Boer  in  Berlin,  einer 
unserer  treuesten  und  bescheidensten  Helfer  (f  11.  Juli),  und  Dr.  Schweitzer  in 
Dresden.  — 

(3)  Am  6.  Juli  ist  zu  Heidelberg  der  Verlags -Buchhändler  Karl  Groos  sen. 
nach  längerem  Krankenlager  im  78.  Lebensjahre  sanft  verschieden.  Er  war  Schatz- 
meister der  Deutschen  Anthropologischen  Gesellschaft,  als  unser  nun  schon  lange 
im  Grabe  liegender  Freund  Alex.  v.  Frantzius  General-Secretär  war.  Wir  sahen 
ihn  noch  vor  Kurzem  auf  einem  unserer  Congresse.  — 

Am  15.  Juli  ist  Will.  Thierry  Preyer,  früher  Professor  in  Jena,  zuletzt  in 
Berlin,  im  Alter  von  56  Jahren  nach  langem,  schwerem  Leiden  in  Wiesbaden  ge- 
storben. Schon  seine  ersten  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  feineren  Anatomie  und 
der  Physiologie  hatten  den  geduldigen  und  geschickten  Beobachter  gezeigt;  für  das 
grössere  Publicum  gewann  er  eine  besondere  Bedeutung  durch  die  sorgfältigen  Auf- 
zeichnungen, die  er  bei  seinem  eigenen  Kinde  über  •  die  ersten  Regungen  der 
geistigen  Thätigkeit  niedei^schrieben  hat  — 


L 


(312) 

(4)  Als  neae  Mitglieder  werden  gemeldet: 

Hr.  Lehrer  Hermann  Grosse  in  Berlin. 

„    Dr.   med.    Georg   Bleyer  in   Tijacas,    Estado   de   Santa   Gatharina, 
Brasilien. 

(5)  Hr.  Delorme,  früherer  Minister  der  Bepublik  Haiti  in  Berlin  und  ordent- 
liches Mitglied  der  Gesellschaft,  z.  Z.  in  Brüssel,  ist  von  dem  Vorstande  und  Aas- 
schosse  zum  correspondirenden  Mitgliede  erwählt  worden.  — 

(6)  Yom  9.  bis  14.  August  wird  ein  Congres  d^hygiöne  et  de  climatologie 
m^dicale  de  la  Belgique  et  du  Congo  in  Brüssel  abgehalten  werden.  Die 
Einladung  und  das  Programm  werden  vorgelegt.  — 

(7)  Die  General-Versammlung  der  Deutschen  Anthropologischen 
Gesellschaft  wird  vom  2.  bis  5.  August  in  Lübeck,  am  6.  in  Schwerin,  am  7.  in 
Kiel  tagen.  — 

(8)  Das  Orient-Gomite  in  Berlin  hat  sich  nach  einer  Benachrichtigung 
vom  30.  Juni  reconstruiri  Der  neue  Ausschuss  besteht  aus  den  HHm.  Riebard 
V.  Raufmann,  James  Simon,  Rud.  Virchow,  Hugo  Winckler  und  Georg 
V.  Bleichröder  (Schatzmeister).  Es  wird  beabsichtigt,  die  früheren  Ausgrabungen 
in  Syrien  bei  gelegener  Zeit  wieder  aufzunehmen  und  eine  neue  Exploration  in 
Mesopotamien  auszuführen.  — 

(9)  Die  Gesellschaft  hat  am  27.  Juni  eine  anthropologische  Excursion 
nach  Brandenburg  a.  H.  und  Butzow  unternommen.  Die  Ausgrabungen  auf 
dem  von  früher  her  bekannten  Gräberberge  bei  Butzow  haben  zahlreiche  Beigaben 
geliefert.  Da  es  sich  um  Brandgräber  handelte,  so  waren  bestimmbare  Menschen- 
knochen nicht  zu  gewinnen,  dagegen  wurden  Todtenumen,  Geräthe  aus  Bronze  und 
Eisen  in  denselben  Formen^  wie  früher,  gefunden. 

Hr.  Gustav  Stimming  hat  zur  Ansicht  zwei  wohlgefüllte  Mappen  mit  vor- 
trefTlich  ausgeführten  Zeichnungen  eingesendet,  welche  Funde  aus  einer  grösseren 
Zahl  von  Gräbern  in  der  Umgebung  Brandenburg's  wiedergeben.  Dieselben  sollen 
als  Fortsetzung  des  früheren,  von  den  HHrn.  A.  Voss  und  G.  Stimming  heraus- 
gegebenen Atlasses  voröfTentlicht  werden.  — 

Hr.  M.  Bartels  zeigt  wohlgelungene  Photographien  von  der  Excursion.  Ebenso 
hat  Hr.  Erwin  Müller  eine  Reihe  vortrefflicher  Moment- Auf  nahmen  hergestellt  — 

Hr.  Stadtrath  Rränkel  in  Brandenburg  hat  3  photographische  Aufnahmen  des 
romanischen  Capitells  von  der  Hauptsäule  der  Krypta  des  dortigen  Doms  ge- 
schenkt. — 

(10)  Am  22.  Juni  hat  die  Gesellschaft  die  Transvaal-Ausstellung  am 
Savigny-Platz  unter  Leitung  des  Hm.  Ohnefalsch-Richter  besucht.  Mit  grossem 
Interesse  wurden  die  dort  aufgeführten  Gebäude  und  das  bunte  Gemisch  von  Leuten 
der  verschiedensten  Stämme  beschaut 

Hr.  M.  Bartels  hat  folgendes  Verzeichniss  der  letzteren  aufgenommen:  6  Cap- 
Mädchen  (Mischlinge),  1  Farmer  mit  Frau  und  2  Kindern,  1  Missionar,  l  Boer  mit 
Frau  und  6  Kindern,  1  Hottentottin  mit  Kind,  2  Zulu-Mädchen,  47  Basuto  (darunter 
25  christliche),  4  Bawenda,  6  Maquamba,  1  Swazi,  24  Hindu  aus  Natal. 

Mit  besonderem  Interesse  wurden  die  christianisirten  Eingebomen  und  die 
intelligente  Leitung  derselben  durch  ihren  deutschen  Schulmeister  beobachtet  — 


(313) 

(11)  Am  23.  Jani  führte  der  Director  des  Passage-Panoptkams,  Hr.  Neamann. 
die  sogenannten  Rinder  der  Wüste,  angeblich  Einwohner  der  Sahara,  vor.  Nach 
der  Aussage  des  Impresario  waren  es  Beduinen  der  Oase  Tugort,  Tnaregs  ans 
üargla,  FVaoen  ans  Biskra  and  marokkanische  Schlangenbeschwörer.  Die  Leute 
machten  ihre  Sachen  recht  geschickt  Die  Sicherheit,  mit  welcher  die  Frauen  den 
„Bauchtanz"  ausführten  und  bei  geringer  Anspannung  der  Muskeln  die  Bauch- 
Eingeweide  hin-  und  herwälzten,  erregte  grosses  Ei^taunen.  — 

Hr.  M.  Bartels  legt  Photographien  der  Leute  vor.  — 

(12)  Hr.  A.  ßässler  sendet  aus  Papeete,  11.  Mai,  folgenden  neuen  Bericht 
über  seine 

poljmesische  Reise. 

Bei  einem  zweiten  Besuche  der  Cook-Inseln  habe  ich  auf  Mangaia  — 
vergl.  meinen  Brief  vom  September  1896  —  in  einigen  neu  aufgefundenen  Höhlen 
folgende,  von  hier  abgehende,  vorzüglich  erhaltene  Schädel  erhalten:  In  der  Nähe 
von  Oneroa  in  einer  Höhle  Namens  Kauwawa:  Nr.  130/130  und  Nr.  131/131; 
in  der  Nähe  von  Tamarua  in  einer  Höhle  Namens  Uko:  Nr.  132/132,  133,  134; 
in  einer  Höhle  Namens  Ruanau:  Nr.  135/135,  136/136,  137/137,  138/138.  -r 
Nr.  137  und  138  waren  zusammen  bestattet. 

Von  den  Gesellschaft s-Inseln  kann  ich  heute  leider  keine  Schädel  bei- 
fügen. Drei  in  Tahiti  besuchte  Höhlen  wiesen  keine  Schädel  auf.  In  einer 
gelang  es  nur,  etwa  100  m  weit  vorzudringen,  doch  war  der  Grang  dann  durch 
herabgefallenes  Gestein  verschüttet  Nach  Aussage  alter  Leute  sollen  sich  weiter 
hinten  drei  Räume  befinden,  in  deren  einem  einst  Männer,  im  zweiten  Frauen  und 
im  dritten  Rinder  beigesetzt  worden  waren. 

Bei  einem  Versuch,  aufMoorea  zu  einer  Höhle  emporzuklimmen,  die  sich  in- 
mitten einer  hohen,  senkrecht  steilen  Felswand  befand,  bin  ich  leider,  gerade  als  ich 
die  Höhle  mit  den  darin  ruhenden  Schädeln  zu  Gesicht  bekam,  durch  Nachgeben 
des  vom  Regen  gelockerten  Gesteins  abgestürzt,  wodurch  die  weiteren  Nach- 
forschungen zu  einem  plötzlichen  unfreiwilligen  Stillstand  gelangten.  Ich  werde 
aber  versuchen,  auch  diese  Schädel  für  die  Wissenschaft  zu  retten,  sowie  ich  nur 
erst  wieder  gehen  kann.  — 

Der  Vorsitzende  wünscht  dem  fleissigen  und  sonst  so  glücklichen  Forscher 
schnelle  Genesung.  — 

(13)  Hr.  W.  Krause  berichtet  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden  aus 
Adelaide,  25.  Mai,  über  seine 

weitere  Reise  im  Osten. 

Am  heutigen  Tage  bin  ich  in  Adelaide  glücklich  angekommen.  In  Ceylon  sah 
ich,  ausser  den  Wundem  tropischer  Vegetation,  Tamilen  und  Singhalesen;  erstere 
fallen  durch  ihre  Nasenbreite  auf;  von  letzteren  bringe  ich  eine  Haarprobe  mit. 
Die  kleinen  Dörfer  der  Singhalesen  und  die  Still-Leben  darin  fand  ich  höchst 
interessant.  An  die  Rikshaws,  die  von  einem  Manne  gezogenen  zweiräderigen 
Rarren,  gewöhnt  man  sich  leicht;  merkwürdig  genug  nehmen  sich  dazwischen  die 
weissen  Velociped- Fahrerinnen  aus.  In  Colombo  lernte  ich  ein  Mitglied  des 
dortigen  Parlaments  kennen.  Ceylon  hat  ausgedehnte  Selbstverwaltung,  grosse  Zei- 
tungen und  ein  Wahlsystem,  das,  wie  es  scheint,  mehr  die  Nationalitäten,  als  die 
Religionen,   zur  proportionalen  Vertretung   zu   bringen   strebt.     Leider   sind   die 


(814) 

Weddah'8  darin  zur  Zeit  noch  unvertreten,  sonst  könnte  man  sie  bequemer  stadiren; 
ich  kanfke  ein  Paar  sehr  schöne  Photographien  von  Männern. 

In  Albany,  an  der  Südwestecke  von  Australien,  sah  ich  den  ersten  Schwanen, 
Portier  an  der  Eisenbahn -Station.  Einen  anderen  schwarzen  Eisenbahn- Arbeiter 
redete  ich  englisch  an,  aber  zu  meinem  Erstaunen  antwortete  er  in  fliessendem 
Französisch,  er  sei  kein  Anstralier,  sondern  Ton  der  Insel  Mauritius.  Mit  solchen 
Leuten  muss  man  Torsichtig  sein:  meist  sind  es  von  Neu-Caledonien  entlaufene 
Sträflinge,  bei  deren  Flucht  die  französischen  Behörden  ein  Auge  zudrücken;  sie 
sind  froh,  wenn  sie  diese  Leute  loswerden.  Interessant  waren  Quarzstttcke  mit  zahl- 
reichen Gk)ldadem,  von  der  Breite  eines  Zolles,  aus  den  Minen  Ton  KoolgMie,  die 
ein  Passagier  mit  sich  fahrte. 

Sehr  merkwürdig  ist  die  feierliche  lautlose  Stille,  die  sofort  eintritt,  wenn  man 
allein  in  den  australischen  Busch  mit  seiner  Vegetation  gelangt.  Sie  erinnerte  an 
die  Ruhe  im  Hochgebii^e  oder  im  Luft-Ballon.  Von  dem  Erdbeben  in  Adelaide, 
am  17.  Mai,  haben  wir  unterwegs  nichts  bemerkt 

In  Adelaide  sah  ich  das  Skelet  eines  Falles  Ton  Myositis  ossificans,  welchen 
mein  Freund,  Professor  der  Anatomie  Watson  daselbst,  früher  beschrieben  hat; 
er  betrifft  einen  englischen  Australier.  Die  Fascia  lumbodorsalis  unterhalb  des 
M.  trapezius  war  beiderseits  in  eine  grosse  Knochenplatte  umgewandelt,  ebenso 
waren  der  M.  serratus  posterior  inferior  rechterseits  und  der  rechte  M.  deltoides 
verknöchert. 

Sie  erhalten  diesen  Brief  über  Melbourne,  wohin  ich  mich  zxmächst  begeben 
habe.  — 

(14)  Hr.  R.  Yirchow  übergiebt  für  das  Photographie-Album  der  (Gesellschaft 
ein  Bild  des  verstorbenen  Mitgliedes  H.  Eyrich  (vergl.  S.  83).  — 

(15)  Hr.  M.  Bartels  theilt  mit,  dass  der  um  die  Forschung  auf  dem  Gebiete 
der  ungarischen  Urftscherei,  der  Urjagd  und  des  Urhirtenwesens  hochrerdiente 
„Ohef  der  ungarischen  omithologischen  Centrale,"  Herr  Otto  Her  man  in  Budapest, 
ihm  die  erfreuliche  Anzeige  gemacht  hat,  dass  die  königl.  ungarische  Regierung 
für  die  Fortsetzung  der  Forschungen  über  die  „Urbeschäftigungen^  jährlich  3000  fl. 
bewilligt  habe  und  dass  die  Arbeiten  am  1.  October  d.  J.  beginnen  sollen.  — 

(16)  Hr.  W.  Radioff  theilt  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden  aus 
Martyschkino  bei  Oranienbaum  vom  15./27.  Juni  mit,  dass  er  seine  endgiltige  Bear- 
beitung der  alttürkischen  Inschriften  beendigt  und  ein  Exemplar  derselben 
für  die  Bibliothek  der  Gesellschaft  hat  absenden  lassen.  — 

(17)  Der  Vorsitzende  berichtet,  unter  Verweisung  auf  die  Mittheilungen 
S.  122,  über  den  Fortgang  der  Unteriiandlungen  über  den 

Schlossberg  bei  Burg  an  der  Spree. 

Der  Herr  Unterrichts-Minister  übersendet  unter  dem  24.  Juni  folgende  Acten- 
stücke: 

1.  Abschrift  des  Protokolls  über  den  am  12.  Apnl  in  der  Sache  abgehaltenen 
Localtermin: 

Anwesend  Seitens  des  Königlichen  Ministeriums  der  geistlichen,  Unterrichts- 
und Medicinal-Angelegenheiten:  Geheimer  Gber-Regierungsrath  Persius,  Geheimer 
Regierungsrath  v.  Moltke,  Director  der  vorgeschichtlichen  Abtheilung  des  König- 


(315) 

liehen  Maseums  £u  Berlin  Dr.  Voss,  Provincial-Conservator  fClr  Brandenburg, 
Landes-Baurath,  Geheimer  Baorath  Bluth;  Seitens  des  Königlichen  Ministeriums 
der  öffentlichen  Arbeiten:  Geheimer  Gber-Regierungsrath  Francke^  Geheimer 
Bamrath  v.  Dömming;  Seitens  der  Königlichen  «Regierang  zu  Frankfurt  a.  0.: 
Geheimer  Regierungsrath  Baudouin,  Geheimer  Baurath  Kröhnke;  als  Vertreter 
des  Kreises  Cottbus:  Landrath  Freiherr  v.  Wackerbarth;  als  Vertreter  des  Kreises 
Lttbben:  Landrath  Graf  von  der  Schulenburg;  Seitens  der  Königlichen  Eisen- 
bahn-Direction  Halle  a.  S.:  Regierungs-  und  Baurath  Bischof,  Regienmga-Assessor 
Kasak;  endlich  der  Unternehmer  Becker. 

Zwecks  Erörterung  über  die  Zulässigkeit  der  von  dem  Unternehmer  einer 
Kleinbahn  Lttbben-Byleguhre-Burg-Werben-Cottbus  in  Aussicht  genommenen  Durch- 
schneidung  des  Schlossberges  bei  Burg  hatten  sich  die  Vorbezeichneten  heute 
nach  dem  Schlossbei^  begeben.  Seine  Tom  Unternehmer  beabsichtigte  Durch- 
schneidung war  abgesteckt.  Die  Gommissare  der  yorstehend  angegebenen  Oentral- 
stellen  waren  übereinstimmend  der  Ansicht,  dass  durch  eine,  gemäss  dieser  Ab- 
steckung ausgeführte  Linie,  welche  den  Be^g  auf  seiner  westlichen  Seite  ungefähr 
100  m  von  dem  westlichen  Fusse  durchschneiden  würde,  die  äussere  Gestaltung 
dieses  altehrwürdigen  Denkmals  der  Vorzeit  wesentlich  beeinträchtigt  werden 
würde  und  dass  es  sich  deshalb  wohl  rechtfertigen  lassen  dürfte,  die  landes- 
polizeiliche Genehmigung  für  die  abgesteckte  Linie  auf  Grund  der  Ziffer  2  des  §  4 
des  Kleinbahn-Gesetzes  Tom  28.  Juli  1892  zu  versagen. 

Weiter  wurde  allseitig  anerkannt,  dass  eine  in  östlicher  Richtung  um  den 
Schlossberg  an  dessen  Östlichem  Fusse  anzulegende  Linie  wegen  der  sich  aus  der 
Oertlichkeit  und  der  Kostspieligkeit  der  Ausführung  ergebenden  Schwierigkeiten 
nicht  wohl  in  Betracht  kommen  könne.  Es  wurde  deshalb  in  eine  Erörterung  über 
eine  Linie  eingetreten,  welche  unter  Vermeidung  jedes  Einschnittes  des  Schloss- 
berges in  westlicher  Richtung  herumzuführen  sei.  Der  Unternehmer  und  der 
Landrath  Graf  von  der  Schulenburg  erklärten  indessen  übereinstimmend,  dass 
durch  diese  Linienführung  die  Kosten  des  Bahnbaues,  da  dann  die  sehr  be- 
deutenden, zur  Aufschüttung  des  Bahnkörpers  über  die  niedrig  belegenen  Wiesen 
erforderlichen  Erdmassen  aus  weiter  Entfernung  herangeschafft  werden  müssten, 
um  20-  bis  30  000  Mk.  erhöht  werden  würden  und  dass  dann  der  ohnehin  wenig 
leistungsfähige  Kreis  Lübben,  auf  dessen  Kosten  die  Kleinbahn  hergestellt  werden 
solle,  übermässig  belastet  werden  würde. 

Diese  Begründung  erschien  nicht  ungerechtfertigt.  Es  ist  ausserdem  zu  berück- 
sichtigen, dass  der  gesammte  Schlossbeig  sich  im  Privat-Eigenthum  befindet,  dass 
der  Unternehmer  nach  seiner  glaubwtirdigen  Angabe  sich  ein  Vorkaufsrecht  daran 
gesichert  hat  und  dass  eine  gesetzliche  Bestimmung,  auf  Grund  deren  die  Ent- 
nahme von  Erde  aus  dem  Schlossberge  gehindert  werden  könne,  nicht  besteht 
Eine  Gewähr  dafür,  dass  der  Schlossberg,  wenn  die  Kleinbahn  um  ihn  herum- 
gefährt  wird,  dauernd  in  seinem  gegenwiuügen  Zustande  erhalten  bleibt,  ist  mithin 
nicht  gegeben. 

Aus  diesem  Grunde  wurde  erwogen,  ob  es  nicht  angängig  sei,  die  Kleinbahn 
an  einer  Stelle  durch  den  Schlossberg  zu  leiten,  welche  zwar  dem  Unternehmer 
die  Entnahme  von  Erdmassen  aus  ihm  gestattet,  gleichwohl  aber  seine  Gesammt- 
erscheinung  thunlichst  wenig  zu  beeinträchtigen  geeignet  ist  und  den  Bestand  des 
Berges  dauernd  sichert  Eine  Lösung  nach  diesen  Richtungen  gewährt  der  Um- 
stand, dass  die  Umwallungen  des  Berges  in  der  Richtung  von  Nord  nach  Süd  an- 
scheinend zwecks  Ausfüllung  des  Lmem  des  Burgwalles  so  stark  und  in  solcher 
Breite  abgetragen  sind,   dass  die  Conturen  des  Berges  daselbst  im  Norden   und 


(316) 

Süden  röllig  verwischt  und  an  Stelle  der  ümwallungen  leicht  ansteigende  Böschungen 
getreten  sind,  über  welche  ein  Fahrweg  führt  Anf  die  Erhaltung  dieses  Theiles 
des  Schlossberges  in  seinem  gegenwärtigen  Znstande  ist  daher  kein  Werth  zu 
4egen.  Dementsprechend  erscheint  es  unbedenklich,  die  Kleinbahn  an  dieser  Stelle 
—  also  in  einer  Entfernung  von  ungefähr  55 — 60  m  in  östlicher  Richtung  von  der 
vorgedachten  abgesteckten  Linie  —  durch  den  Schlossberg  hindurchzuleiten  und 
dem  Unternehmer  die  Entnahme  von  Erde  auf  der  zu  durchschneidenden  Strecke 
unter  der  Bedingung  zu  gestatten,  dass  er  Sicherheit  bezüglich  der  dauernden  Er- 
haltung der  übrigen  Theile  des  Schlossberges  in  seinem  gegenwärtigen  Zustande 
bestellt  Der  Unternehmer  hat  sich  bereit  erklärt,  auf  diese  Bedingung  ein- 
zugehen. Zur  Beglaubigung  (gez.)  Francke. 

2,  Abschrift  der  darauf  erlassenen  Verfügung  vom  1.  Mai: 
Bei  Anschluss  einer  Abschrift  der  Niederschrift  über  das  Ergebniss  der 
commissarischen  Berathung  vom  12.  v.  Mts.,  betreffend  die  Zulässigkeit  der  vom 
Unternehmer  der  projectirten  Kleinbahn  Lübben-Byleguhre-Burg-Werben -Cottbus 
beabsichtigten  Durchschneidung  des  Schlossberges  bei  Burg,  erklären  wir  uns  mit 
dem  Vorschlage,  nach  welchem  die  Linie  der  Kleinbahn  in  einer  Entfernung  von 
ungefähr  55 — 60  m  von  der  nach  den  Projectzeichnungen  in  Aussicht  genommenen, 
in  dem  Localtermin  durch  Absteckung  ersichtlich  gemachten  Linie  durch  den 
Schlossberg  hindurchzuleiten  ist,  imter  der  Voraussetzung  einverstanden,  dass  der 
Unternehmer  zwar  an  der  Entnahme  von  Erde  auf  der  hiernach  auszuführenden 
Strecke  nicht  zu  hindern  ist,  indessen  Sicherheit  bezüglich  der  dauernden  Er- 
haltung der  Gestaltung  der  übrigen  Theile  des  Schlossberges  im  gegenwärtigen 
Znstande  zu  leisten  hat.  Ob  die  Sicherheit  durch  Bestellung  einer  Gaution  oder 
durch  grandbuchliche  Eintragung  auf  den  sämmtlichen  zum  Schlossberge  gehörigen 
Grundstücken  zu  Gunsten  des  Fiscus  zu  bewirken  ist,  überlassen  wir  Ihrer  Ent- 
scheidung. 

Der  Minister  der  öffentlichen  Arbeiten:   Im  Auftrage  (gez.)  v.  Zedlitz. 
Der  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinal- Angelegenheiten : 

Im  Auftrage  (gez.)  Schöne. 
An  den  Königlichen  Begierungs-Präsidenten  Hm.  v.  Puttkamer, 

Hoch  wohlgeboren,  zu  Frankfurt  a.  0. 

(18)  Hr.  H.  Jentsch  übersendet  aus  Reichenhall,  15.  Juli,  folgende  zwei 
Berichte  über 

Funde  aus  römischen  Wohnstätten  unter  dem  Zwiesel  in  Ober-Bayern 
und  Neolithisches  von  An  bei  Hammerau,  Bezirk  Traunstein. 

L 

Zu  den  Funden  aus  römischen  Brandgräbern,  die  Hr.  v.  Ghlingensperg- 
Berg  auf  einem  der  östlichen  Vorberge  des  Zwiesels  bei  Beichenhall  geöffnet 
hat,  sind  von  Hm.  Kaufmann  Joseph  Maurer,  dem  glücklichen  Entdecker  jenes 
Grabfeldes,  von  dem  er  19  Grüfte  ausgehoben  hat'),  in  der  geringen  Entfernung 
von  40  m  die  Reste  der  Wohnungen  ermittelt  worden,  und  zwar  sind  bis  jetzt 
3  Hausstätten  festgestellt,  von  deren  einer  die  Fundamente  vortrefflich  erhalten 
sind.    Hr.  Maurer,  der  in  früher  Jugend  für  die  Aufsammlung  vorgeschichtlicher 


1)  Der  Inhalt  befindet  sich  im  Münchener  National-Musenni ,  wie  die  Grabfunde  des 
Hm.  V.  Chlingensperg,  von  ihm  veröffentlicht  Brannschweig  1896;  vgl.  Globus,  Bd.  70, 
S.  40.  —  Münchener  Allgem.  Zeit  1895,  Beil.  9. 


(317) 

Xiederachläge  interessirt  worden  ist,  hat  mit  grosser  Sorgfalt  and  mit,  durch  lange 
Uebung  geschultem  Blick  die  Ausgrabung  vorgenommen  und  die  einzelnen  Stücke 
genau  verzeichnet.  Die  reiche  Ausbeute,  die  er  in  und  bei  den  Hausstellen  ge- 
wonnen hat,  —  ein  bisher  vor  den  Blicken  Fremder  streng  gehüteter  Besitz,  —  ist 
mir  durch  seine  Güte  in  ihrem  ganzen  Umfange  bekannt  geworden;  auch  hat  er  mich 
an  Ort  und  Stelle  über  die  Lage  der  Wohnräume  und  der  gefundenen  Stücke  ein* 
gehend  unterrichtet,  wofür  ich  ihm  hier  verbindlichsten  Dank  sage. 

Die  Siedelung  liegt  am  Westrande  des  vormals  jedenfalls  wasserreicher  ge- 
wesenen Saalach-Thales,  von  Salzburg  etwa  20  km  weit  nach  Westen  vorgeschoben. 
Der  Gaisbeig  ist  von  jenem  Zwiesel-Ausläufer  deutlich  erkennbar.  Das  grösste  der 
Häuser  hat,  von  SSW.  nach  ONO.  gerichtet,  eine  Längsausdehnung  von  19,  eine 
Breite  von  15,85  wi.  Die  Grundmauern  sind  im  Boden  40 — 70  cm  hoch  erhalten; 
sie  sind  nach  genauer  Aufnahme  0  und  Durchsuchung  wieder  mit  Erde  bedeckt 
worden.  Die  Wohnräume  und  Schlafzinmier  im  NW.  und  SO.,  rechts  und  links 
vom  Atrium  gelegen,  ruhen  auf  zwei  mittleren  und  je  einer  seitlichen  Längsreihe  von 
5,  bezw.  6  Pfeilern  mit  quadratischem  Durchschnitt  (Grundlinie  40  cm\  und  sind  bis 
zur  Höhe  von  40  cm  erhalten.  Hier  befinden  sich  Hypokausten,  deren  Wände  zum 
Theil  aus  Tufibtein  bestehen,  welcher  in  der  nächsten  Umgebung  gebrochen  wurde. 
Von  den  aufsteigenden  Röhren  sind  viele  Bruchstücke  vorhanden,  deren  Aussen- 
kanten  abgerundet  sind,  deren  Oberfläche  mit  rostralartigen  Geräthen  gefurcht  ist, 
um  den  Bewurf  leichter  festzuhalten.  5  m  vom  Hauptgebäude  nach  N.  entfernt 
lag  das  3,60  m  lange,  3  m  breite  Bad,  dessen  Fussboden  ein  etwa  4  cm  dicker, 
rother  Estrich  bedeckte.  Auch  von  dem  ebenfalls  rothgefärbten  Wandbewurfe 
sämmtlicher  Räumlichkeiten,  wie  von  den  etwa  2  cm  dicken  Dachziegeln  sind  viele 
Brocken  und  Platten  erhalten.  —  In  3  m  Entfernung  lag  östlich  das  zweite  Ge- 
bäude, das  zum  grössten  Theile  zerstört  war,  doch  noch  in  Länge  von  8  und 
in  Breite  von  4  m  aufgedeckt  werden  konnte;  das  dritte  war,  15  m  weiter  südlich, 
nur  noch  in  Spuren  des  Mauerwerks  erkennbar.  —  Westlich  von  dem  ersten  Bau 
ist  die  jedenfalls  schon  in  alter  Zeit  benutzte  Quelle  wieder  erschlossen  worden, 
die,  zwischen  jenem  Gebäude  und  dem  Bade  fortgeleitet,  ihr  Wasser  an  einen 
nordwärts  rinnenden  Bach  abgiebt,  aus  dessen  Uferrändern  wir  mehrere  Thon- 
Scherben  herauslösen  konnten. 

Deren  Gesammtzahl  ist  sehr  beträchtlich.  Viele  haben  sich  wieder  zu  Ge- 
fassen  zusammenfügen  lassen.  Sie  sondern  sich  in  3  Arten.  Die  Gebrauchs- 
ge fasse  sind  schwarzgrau,  meist  aas  grober,  körniger  Masse  hergestellt,  nur  zum 
Theil  aus  geschlemmtem  Thon,  dann  fest  und  glatt.  Alle  sind,  wie  die  wage- 
rechten Innenforchen  zeigen,  auf  der  Töpferscheibe  geformt.  Bei  nicht  wenigen, 
auch  sehr  dicken,  ist  das  Material  mit  Graphit  durchknetet.  Die  Form  ist  schlicht: 
ein  30  cm  hoher  Topf  z.  B.  ist  über  der  mittleren  Höhe  massig  ausgewölbt  und 
schliesst,  unter  dem  Rande  eingezogen,  mit  verdicktem  Saume  ab;  bis  auf  den 
glatten  obersten  Streifen  ist  die  Oberfläche  durch  senkrechte  Furchen,  die  mit 
einem  mchrzinkigen  Geräthe  gezogen  sind,  rauh  gemacht,  wie  oft  auch  bei  nord- 
deutschem Geschirr  der  provincial-römischen  Zeit.  Ein  zweites,  schlankeres  Gefäss 
öffnet  sich  über  dem  Boden  (9  cm  Durchmesser)  konisch,  wölbt  sich  dann  in 
Höhe  von  8  cm  massig  aus,  ist  unter  dem  Rande  gleichfalls  eingezogen  und  schliesst 
nach  aussen  gebogen  mit  einer  16  cm  weiten  Oeffnung.  Gleich  der  Form  erinnert  auch 
die  Verzierung  dieses,  wie  zahlreicher  anderer  Gefässe,  an  die  Wendentöpfe  der 
nordischen  Rundwälle  (Fig.  1).    Sie  besteht  nehmlich  bei  jenem  Exemplar  in  einer 

1)  Ein  Modell  im  Verhältniss  1  :40  hat  Hr.  Maurer  hergestellt. 


(318) 

siebenzeiligen  'Wellenlinie  mit  fiacben  Cnrren  anterhalb  des  Randes.  Nicht  selten 
ist  dies  Ornament  in  Bo^n  aurgelöat,  deren  Enden  abwecbselnd  anter  und  Aber 
einander  greifen,  so  z.  B-  bei  einer  Schüssel  von  8  cm  Höhe,  deren  Rand  breit- 
gedrUckt  nnd  seicht  ausstieß  ist.  Bei  einem  ßmcbstUcke  sind  anter  dem  nach 
aoasen  geklappten  Saume,  der  seitlich  scharf  abgestrichen  ist,  zwei  Reihen  ein 
wenig  schräg  gestellter,  nach  nnten  ausgezogener  Einstiebe  als  Verzierung  ver- 
wendet, bei  anderen  kimtige  Zickzacklinien:  das  Wolfszahn  -  Ornament.  Einer 
8  cm  tiefen  Schale  sind  nar  7  wagerechte,  nicht  scbranbenfSrmige  Forchen  ein- 
gestrichen. Tapfen  ist  bisweilen  nur  unter  der  Halseinschnttrung  ein  Wnlst  an- 
gelegt. Bei  einem  weitbaachigen  Oefösse  war  die  Aaswölbong  senkrecht  gerippt 
(Fig.  2).    Blnmentopfßirmige  Bruchstücke  von  8 — 10  em  Höhe  zeigen  auf  der  Tnnen- 

Fig.  1.  Fig.  2. 


seile  des  Bodens  einen  1—1,5  cm  hohen  Drehzapfen.  Eine  dicke  weisse  SchUssel 
von  30  cm  oberem  Durchmesser,  mit  einer  Ausgusstülle  versehen,  ist  aof  der  Innen- 
seite durch  dicht  aneinander  eingedruckte  Steinbrocken  ranb  gemacht  und  gleicht 
daher  den  gegenwärtigen  Rcibeschalen.  Quer  über  den  Rand  läuft,  oben  und 
unten  von  schriigen,  heranstretenden  Strichen  begleitet,  die  Stempel-Inschrift 
PIR-MEPAVO. 

Derartiger  Stempel  bieten  uns  15  die  Gefässe  der  zweiten  Gruppe,  theils 
dickwandiger,  tbeila  sehr  dUnu  hergestellt  aus  terra  sigillata,  Töpfcben  und 
namentlich  Schalen;  die  Hitte  der  Innenseite  des  Bodens  zeigt,  allerdings 
verwischt,  wenn  diese  in  die  Böhe  gedrückt  ist,  folgende  Namen -Stempel: 
OPCflcina)  PRIMI,  OPPGER,  .  .  AHC  . .,  QVINTI  ■  M(anibus),  .  ONGI  ■  M, 
. .  IIR(oderN)IOI,  CIA  •  ARVIO,  .  .  PRV^,  . .  VILTM .....  AETI  (die  letzleren 
beiden  Schalen  haben  im  Abstand  von  etwa  i  cm  vom  Namen  ein  dichtes,  seichtes, 
strahligea  Ornament);  .  .  VIA(oderN)I  .  .  V.,  IPAAC1R0')E(?)CI  M  (nndentlich, 
weil  Über  die  buckelartige  Mittel  erb  ebnng  geführt),  ..HOlCO  oder  ..NIDICO 
(nicht  genau  in  der  Mitte);  schräg  über  den  4  crn  breiten  oberen  Streifen  der 
Aussenwand  einer  grossen,   tiefen  Schale  läuft  so,  dass  die  Köpfe  der  Buchstaben 

nach  unten  gerichtet   sind,   die   verwischte  Stempel -Inschrift ARVEX.    Ein- 

gekritzelt  ist  dem  oberen  Aussenrande  einer  Schale  . .  SISIA,  dem  einer  anderen 
..ATI..,  nuf  der  Aussenseito  eines  Bodens  ..H..  Die  Aussenwand  fast  aller 
dieser  Gefüssc  der  2.  Gruppe  trügt  Bilderstempel  von  grosaler  Mannich  faltigkeil: 
Bogen,  Guirlandcn,  Eierstäbe,  Blätter,  Thier-  und  Menschengestalten,  z.  B.  kämpfende 
Gruppen.  Auch  ein  hohler  Vogel,  5  cm  lang,  6  cm  hoch,  ist  aus  dieser  feinen 
rothen  Masse  hergestellt. 

Spärlicher  vertrelen  ist  die  dritte  Gcfussart,  durchwog  sehr  dünnwandig,  im  Bruche 
roth,  aussen  schwarz,  verziert  mit  aufgcpressten  ArubcsNcn  und  Blumengruppen. 


(319) 

Nidit  minder  zahlreich;  als  die  Thonscherben,  sind  die  ans  gelblichem  nnd 
gHInlichem  Glase,  deren  einer,  entweder  aus  dem  Boden  einer  Flasche  oder, 
senkrecht  gestellt,  ans  deren  kantig  abgesetzter  Seitenwand  heraustretend,  die  In- 
schrift .  .  BUCI  und  darunter  einige  schmale  Blätter  zeigt  Andere  gehören  zu 
zierlichen  Schälchen,  Henkelfläschchen  und  flachen  Tellern  mit  ausgelegtem  Rande. 

Ton  Wirthschaflsgeräthen  ist  ferner  eine  mörserartige  Steinmühle  in  Höhe  von 
35 — 40  cm  erhalten,  ein  kreisförmiger,  durchbohrter  Mtihlstein  ron  60  cm  Durch- 
messer, von  Metall,  und  zwar  aus  Eisen:  viele  Hesser,  zum  Theil  von  be- 
trächtlicher Grösse  und  Breite,  längere  und  kürzere  Schlüssel  mit  rechtwinkelig 
angelegtem  Barte,  einzelne  noch  im  Schlosse  mit  künstlichem  Eingeriohte, 
Retten,  Nägel,  Haken,  Hammerstücke,  ein  langer,  schmal  löffeiförmiger  Hohl- 
bohrer, einfache  chirurgische  Instrumente,  Pferdetrensen,  eine  einzelne  Speer- 
spitze von  19  cm  Länge;  aus  Bronze:  Resselblech,  Gefösshenkel,  eine  Glocke, 
PfHemen  und  Griffel,  die  aber  auch  aus  Knochen  hergestellt  gefunden  sind.  Von 
Schmucksachen  liegen  grüne  und  blaue  Glasperlen  vor,  aus  Bronze  Beschläge, 
Rosetten,  ein  Hufeisen  mit  anhängendem  durchbohrtem  Steinplättchen,  Zierscheiben, 
ein  Fingerring  mit  verbreitertem  Mitteltheile,  ein  flach  aufliegender  Ring  mit  ein- 
gelegtem Triquetrum,  zwischen  dessen  Schenkeln  je  ein  Knöpf  eben  mit  centraler 
Oeffnung  in  den  ausgesparten  Raum  hereinragt,  mehrere  kräftige  Fibeln  mit  fast 
geradlinigem  Bügel  (vergl.  Almgren,  Nordeurop.  Fibelformen,  Taf.  XI,  Fig.  237), 
zum  Theil  mit  durchbrochenem  Nadelhalter;  die  Sehne  liegt  frei  über  der  Spirale 
(Fig.  3).  Aber  auch  kleinere,  einfachere  und  Bruchstücke  sind  vorhanden.  Den 
Mechanismus  der  Armbrust-Fibel  zeigt  ein  Exemplar,  dessen  Bügel  eine  Taube 
darstellt  (Fig.  4);   dieser  ist  4  cm  lang  und  an  der  Unterseite  völlig  eben;   dem 

Fig.  3.  Fig.  4. 


Rücken  der  Yogelgestalt  sind  7  und  8  gescheitelte,  nach  dem  Thierkopfe  hin  aus- 
einandergerichtete Linien  eingefurcht.  Unter  dem  Brusttheil  ist  der  lappenförmigc 
Nadelhalter,  unter  dem  Ansätze  der  Schwanzfedern  die  schmale  Spirale  befestigt, 
der  die  Sehne  dicht  anliegt,  nach  der  Seite  des  Nadelbalters  hin. 

64  Münzen  aus  Silber  und  Bronze,  grossentheils  mit  verwischtem  Gepräge, 
doch  für  Nerva,  Trajan,  Antoninus  Fius,  Marc  Aurel,  Faustina  jr.,  Commodus,  Marcia, 
Septimius  Severus  (aus  den  benachbarten  Gräbern  auch  für  Geta)  nachweisbar, 
weisen  den  gesammten  Fund  dem  2.  und  3.  Jahrhundert  zu.  Die  Zerstörung  der 
Anlagen  ist  sicher  durch  Feindeshand  erfolgt,  wahrscheinlich  durch  eindringende 
Germanen;  denn  es  ist  begreiflich,  dass  der  Besitz  der  Salzquellen  zu  allen  Zeiten 
viel  begehrt  und  umstritten  war.  Die  Thierfibel  verräth  wohl  gallokeltischen 
Einfluss.  — 

n. 

Diese  Anziehungskraft  der  salzigen  Wasser  hat  wohl  auch  schon  mehr  als  ein 
Jahrtausend  früher  die  Besiedlung  einer  nur  10  hn  weiter  stromab  inselartig  im 
damaligen  Saalachbett  gelegenen  Anhöhe  zur  Folge  gehabt,  des  sogenannten  Au- 
högels,  südlich  vom  Weiler  Au,  bei  der  Eisenbahn-Station  Hammerau, 


(320) 

zwischen  Beichenhall  und  Traunsteis.  Er  wird  östlich  noch  jetzt  fast  un- 
mittelbar vom  Flusse  gestreift,  über  dessen  Bett  er  sich  ungefähr  10  m,  im  nörd- 
lichen Theile  noch  etwas  höher  erhebt,  und  ist  etwa  320  m  lang.  Bei  seiner  Ab- 
geschlossenheit und  Uebersichtlichkeit  ist  es  dem  Besitzer  Hm.  Bäckermeister 
P^ter  Lichtenecker  in  Au,  der  ^U  der  gesammten  Oberfläche  bis  auf  den  in  der 
Mitte  Vs)  nach  den  Rändern  hin  1  m  unter  der  Oberfläche  liegenden  Ralkfelsen  durch- 
graben hat,  geglückt,  sämmtliche  Funde,  unter  denen  die  Steingeräthe  überwiegen, 
zusammenzuhalten,  Ton  denen  sich  jetzt  das  zuerst  gefundene  Drittel  (420  Gegen- 
stände und  etwa  1000  Abfallsplitter)  im  Bezirks-Museum  zu  Traunstein  befinden; 
130p  bearbeitete  Geräthe,  eine  noch  grössere  Zahl  von  Feuerstein-Splissen,  etwa 
50  gm  Thonscherben  und  10  gm  Rnochenreste  bilden  die  Sammlung  des  Hrn. 
Lichtenecker.  Da  die  Stücke  mit  so  gewissenhafter  Sorgfalt  gesammelt 
and  aufbewahrt  worden  sind,  dass  auch  nicht  ein  Scherben  im  Boden  zurück- 
geblieben oder  verloren  gegangen  ist,  so  giebt  dieser  Bestand,  in  Verbindung  mit 
jener  ersteren  Fundgruppe,  ein  ganz  genaues  Bild  des  Besitzes  und  der  Arbeits- 
Erzeugnisse  der  Bewohner  dieses  Platzes  während  der  neolithischen  Periode  mit 
den  ersten  Spuren  der  anbrechenden  Metallzeit.  Zu  der  Hauptmasse  der  Stein- 
und  Knochenfunde  treten  nehmlich  für  die  Gruppe  des  ersten  Drittels  3  zu  Traun- 
stein befindliche,  fär  die  zweite  Gruppe  14  in  Au  aufbewahrte  Bronze-Gegenstände. 

In  dem  Kalkstein  des  Felsens  findet  sich  Feuerstein  eingesprengt;  ein  Theil 
des  verarbeiteten  Materials  war  daher  sehr  bequem  zu  finden.  Ausser  diesem  ist 
von  krystallinischen  Geschieben  Granit  und  Serpentin,  auch  Basalt  verarbeitet 
Die  Arten  der  gefandenen  Gegenstände  sind  folgende: 

I.  Aus  Stein:  1.  Flachbeilchen,  namentlich  aus  Feuerstein,  der  zum 
Theil  sehr  schön  gebändert  ist,  theils  kurz  (7  — 8  cm  lang)  und  fast  rechteckig 
(Fig.  9  und  10),  mit  gerundeten  Kanten,  theils  länger  und  vom  Schaftende  her 
verbreitert  (Fig.  8).  Ein  Stück  gleicht  einem  recht  massiven  Steinmeissel;  es 
ist  8  cm  lang  und  3  cm  breit  Die  Gesammtzahl  beläuft  sich  ausser  missrathenen 
und  beschädigten  Stücken  fast  auf  100.  —  2.  Kleiner  ist  die  Zahl  durchbohrter 
Hämmer:  Zwei  mit  gedrungenem  Schaft,  beide,  in  der  Mitte  verstärkt  und  fast 
geknickt  (Fig.  10),  ähneln  dem  von  Ranke  (Anleitung  zu  anthropologisch-vor- 
geschichtlichen Beobachtungen,  S.  16,  Fig.  6)  dargestellten  Exemplare  und  durch  die 
flache,  übergreifende  Kappe  bis  zu  einem  gewissen  Grade  den  Hämmern  der 
schlesischen  Steinzeit;  das  Bohrloch  von  2,2 — 2,5  cm  Weite  ist  über  der  Biegungs- 
stelle angebracht  Beide  waren  zerbrochen.  Der  eine,  von  14,4  cm  Länge,  besteht 
aus  Granit,  der  zweite,  feingeglättete  aus  Serpentin.  Ein  anderes,  sorgfältig  be- 
handeltes Bruchstück  zeigt  eine  herausgearbeitete  Längsleiste.  Mit  unfertiger  Durch- 
bohrung sind  4  Stücke  gefunden,  eines  von  ihnen  wohlerhalten,  die  anderen  (1  aus 
Sandstein,  2  aus  Serpentin)  zerbrochen.  In  einem  ist  der  Mittelzapfen  noch  im 
Bohrloche  vorhanden.  —  3.  Geglättete  Schwingkugeln,  auch  als  Netzsenker  auf- 
gefasst,  durchbohrt  oder  nur  mit  umlaufender  Einschnürung  (Fig.  7),  die  sich  nicht, 
wie  bei  dem  Exemplar  in  Sophus  Müller,  Nord.  Alterthumskunde,  S.  145,  Fig.  65 
scharfkantig  absetzt:  vergl.  Verhandl.  1894,  S.  329 f.,  1895,  S.  136.  Bei  einem 
13  cm  breiten  Stück  dieser  Art  ist  die  obere  Seite  flach  abgerundet,  der  durch  eine 
Einschnürung  abgetrennte  entgegengesetzte  Theil  dagegen  zeigt  eine  unebene  Bruch- 
fläche; das  Material  ist  gelbgrau  gesprenkelter  Granit.  —  4.  Klopf  steine,  grob 
cylindrisch,  Getreidequetschern  ähnlich,  wie  sie  aus  den  Gräberfeldern  von  Burg 
(im  Museum  zu  Gottbus),  Starzeddel  [in  der  städt.  Gymnas.-Alterthümer-Samml.  su 
Guben,  abgebildet  in  Verhandl.  1885,  S.  561,  Fig.  9  u.  10)  und  im  heiligen  Lande 
zu  Niemitzsch  vorgekommen  sind.    Ein  Theil  der  36  Geräthe  dieser  Art  war  viel- 


(321) 

leicht  auch  zu  Reibsteinen  bestimmt.  Ein  25  cni  langer,  10 — \2  cm  breiter  grau- 
schwarzer Stein  zeigt  muschelartige .  Schleifgruben.  Kopfgrosse  Steine  mit  einer 
ganz  glatt  geriebenen  ebenen  Fläche  wurden  wahrscheinlich  gleichfalls  zum  Ab- 
schleifen und  Poliren  benutzt.  Hier  sei  auch  eipes  durchbohrten,  flachen  und 
runden  Mühlsteins  gedacht.  —  5.  Von  nur  geschlagenem,  nicht  geglättetem  Feuer- 
stein-Geräth  sind  ausser  den  Pfeilspitzen,  theils  mit  mehr  oder  weniger  aus- 
gebildeten Widerhaken  (Fig.  3  u.  4),  theils  nur  mit  massiger  Einwölbung  des  Schaft- 


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endes  (Fig.  5  u.  6),  vier  halbmondförmige  Schaber,  15  an  lang,  und  namentlich 
die  unfertigen  Speerspitzen  zu  erwähnen,  weil  sie  von  der  Art  der  Herstellung 
ein  deutliches  Bild  geben  und  besonders  die  Symmetrie  in  der  Ausführung  dieser 
und  ähnlicher  Stücke  erklären.  Es  finden  sich  nehmlich  linealartige  Feuer- 
steinstreifen, allseitig  glatt  geschliffen,  jetzt  mit  einer  grauen  Oxydationsschicht 
überzogen,  z.  B.  von  14,7  cm  Länge  und  1,8  cm  Breite,  etwa  0,7  cm  dick  (Fi^l). 
Aus  einem  derselben  ist  bereits  in  Länge  von  6  cm  die  Speerspitze  herausgearbeitet, 
während  der  untere  Theil  von  4,3  cm  Länge  und  3,2  cm  Breite  rechteckig  geblieben 

Verti«Dül.  der  U«rl.  Anthropol.  Oesellscbaft  18V7.  21 


(322) 

ist  (Fig.  2):  das  Stück  ist  nicht  vollendet  worden,  weil  die  1  cm  lange  Spitze  ab- 
gebrochen ist.  Auch  ein  in  dieser  Weise  hergestelltes  Hesker  mit  einseitiger 
Schneide  ist  vorhanden.  An  prismatischen  Messerchen  sind  262,  an  breiteren 
Schabern  287,  an  Bmchsttlcken  ab^r,  die  als  Abfälle  der  Arbeit  anzusehen  sind, 
2100  gezählt  worden;  dazu  kommen  prismatische  Steinkeme  in  grosser  Zahl. 

U.  Als  Zengniss  der  Metall-Bearbeitung  liegt  ein  20  cm  hoher,  graphit- 
haltiger, dicker  Schmelztiegel  vor,  von  dem  getrennt  ein  2,5  cm  dickes,  8  cm  langesT 
Ausgussrohr  erhalten  ist  Ihm  wäre  ein  faustgrosses  Stück  Graphit  anzureihen.  Die 
Zahl  der  Metaligeräthe  beträgt,  wie  bereits  bemerkt,  14.  Als  Kupfer  oder  äusserst 
zinnarme  Bronze  wird  vom  Ober -Amtsrichter  a.  D.  Franz  Weber,  frtlher  in 
Reichenhall,  jetzt  in  München,  der  zuerst  auf  die  Fundstelle  und  ihre  Erträge  in 
den  Beiträgen  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns,  sowie  \n  der  Augs- 
burger Allgemeinen  Zeitung  (1894,  Nr.  297,  27.  October)  hingewiesen  hat,  ein  Flach- 
celt^)  von  9  cm  Länge  bezeichnet  (Fig.  12),  am  Schaftende  2,3,  zwischen  den  Spilsen 
der  nur  8  mm  weit  vorgewölbten  Schneide  3,7  cm  breit;  die  mittlere  Stärke  be- 
trägt 6  mm.  Nadelschäfie  ohne  abschliessenden  Knopf,  zu  denen  vielleicht  eine 
Gussform  in  einem  Sandsteinstücke  von  röthicher  Farbe  passt,  sind  7  vorhanden'). 
Von  einer  scheibenförmigen  Drahtspirale  sind  3*/,  Umläufe  erhalten.  Ein  halbmond- 
förmiges Messerchen  (Fig.  13  a)  ist  6,7  cm  lang  und  deutet  wohl  auf  sparsame  Ver- 
wendung des  kostbaren  Metalls  hin.  Hierzu  tritt  ein  unregelmässiges  Bronze- 
Plättchen  und  ein  wohlerhaltenes,  massig  geschweiftes  Sichelmesser  von  etwas 
mehr  als  15  cm  Länge,  dessen  Griff  in  einen  flach  aufliegenden  Ring  ausläuft. 
Das  umfänglichste  Stück  ist  ein  20  cm  langer  Schaftlappcn-Celt,  dessen  oberes 
Ende  in  der  Mitte  eine  kleine  halbmondförmige  Einbiegung  zeigt.  Die  Schneide 
tritt  nur  wenig  vor;  die  flügelartigen  Ansätze  sind  in  Form  eines  Kreisabschnittes 
massig  übergebogen  und  berühren  einander  nicht. 

m.  Aus  Knochen  sind  10  Pfriemen  und  ein  flacher  Spatel,  überdies  ein  zu 
einer  Stosswaffe  geeignetes  Gferäth  hergestellt;  ähnliche  Bearbeitung  zeigen  Hirsch- 
zacken und  ein  Rehgeweih.  3  Hirschgeweih-Stücke  sind  nach  Absprengung  einer 
Sprosse  glatt  durchbohrt  (Durchmesser  der  Oeffnung  2  cm).  Schnittspuren  zeigen 
auch  andere  Knochen  und  Geweihreste. 

lY.  Von  Thongeschirr  sind  zwei  Gefässe  leidlich  erhalten:  ein  bauchiger, 
10 — 12  cm  hoher,  trotz  seiner  Bisse  durch  die  erdige  Masse  in  demselben  zu- 
sammengehaltener Topf,  der  auf  der  änssersten  Auswölbung  Gruppen  von  je  7 
dünnen,  senkrechten,  2  cm  langen  Strichen  trägt,  und  ein  Kännchen')  von  etwa 
9  cm  Höhe,  dessen  oberer  Rand  dem  Henkel- Ansatz  gegenüber  ausgebrochen  ist 
(Fig.  14).  Der  Gefässkörper  ist  in  mittlerer  Höhe  fast  kantig  umgebogen.  Eine 
dicke,  flache  Thonschale  von  grauer  Färbung  deutet  durch  die  Abbruchstellen  von 
4  Füssen  auf  ein  tiegelartiges  Geräth  hin,  das  vielleicht  beim  Metallschmelzen  Ver- 
wendung  fand.     Ein  Topfboden  von  8  cm  Durchmesser  zeigt  eine   nicht  in  der 

1)  Die  Form  ist  schlanker,  als  das  von  Mach  (Die  Enpfeneit  in  Europa,  2.  Aufl., 
S.  12,  Fig.  5)  abgebildete  Beil  aus  dem  Mondsee,  von  gleichfalls  9  cm  L&nge,  auch  als  das 
Muster  des  ältesten  Flachbeils  bei  Sophus  Müller  a.a.O.  S.  297,  Fig.  166;  durch  die 
stärkere  Yerbreiterong  der  Schneide  unterscheidet  sich  das  Exemplar  aus  dem  Auhögel 
von  dem  sonst  am  meisten  ähnlichen  in  Hörnes*  Urgeschichte  der  Menschheit  1892, 
8.  876,  Fig.  2. 

2)  Zu  den  Fanden  der  ersten  Ausgrabongs-Periode  gehörte  ein  19,5  cm  langv  sd^ 
schalt  mit  feiner,  spiraliger  Einforchnng  am  oberen  TheiL 

8)  In  der  Form  dem  etwas  grösseren  vom  Mitterberge  (beiMuch,  Knpfeneit,  8.271, 
Fig.  101)  annähernd  ähnlich,  schlanker  als  das  ebenda  (Fig.  102)  abgebildet«  vom  Mondsee. 


(323) 

Mitte  eingebohrte  Oeffnung.  Ein  anderer  Boden  ruht  auf  einem  niedrigen,  ring- 
förmigen Standfoss.  Ueberans  zahlreich  sind  die  Scherben,  von  denen  4  bis  zu 
15  em  lang  sind.  Die  Bandstücke  zeigen  die  nämliche  Ver- 
zierung, wie  die  von  Ranke,  Anleitung  u.  s.  w.,  S.  49,  Fig.  9,  Pig.  14. 
11 — 13  abgebildeten  aus  bayrischen  Höhlen,  denen  die  vom  Mitter- 
berg und  von  der  Kelchalpe  (Mudh,  Kupferzeit,  S.  272,  Pig.  103 
u.  104)  gleichen.  Theils  sind  wagerechte  Kränze  von  senkrecht 
gestellten  Nagel-Eindrücken  oder  B^ingertupfen  eingeprägt,  durch 
welch  letztere  bisweilen  knöpfcbenartige  Erhöhungen  bewirkt 
sind;  theils  ist  ein  Wulst  von  oben  und  unten  her  zusammen- 
gestrichen oder  wohl  auch  angelegt  und  auf  die  bezeichnete  Weise 
verziert,  —  eine  Omamentart,  die  auch  in  den  Gräberfeldern  und 
in  den  vorslavischen  Schichten  der  Hundwälle  Nord-Deutschlands  nicht  selten  ist« 
Eine  gewisse  Mannichfaltigkeit  ist  dadurch  hervorgebracht,  dass  zwischen  zwei 
Wülsten  über  einander  rundliche  Löcher  kräftig,  doch  nicht  durchgehend,  ein- 
gestossen  sind.  Auch  grobe  Kehlstreifen  sind  einzelnen  Bruchstücken  eingestrichen. 
Bei  einem  Fragment  eines  terrinenförmigen  Gefässes,  das  nach  oben  hin  ein  wenig 
abgesetzt  war,  befindet  sich  die  Verzierung  über  dieser  Umbiegung:  es  ist  von 
schmalen,  seichten  Furchen  umzogen,  unter  denen  senkrechte  Striche  eingezeichnet 
sind.  Derartige  senkrechte  Linien  kommen  auch  für  sich  verwendet  vor.  Kräftige 
Oehsen,  zum  Theil  senkrecht,  in  der  Regel  wagerecht  durchbohrt,  sitzen  entweder 
dicht  unter  dem  Rande  oder  weiter  unten,  bisweilen  unterhalb  des  umlaufenden 
verzierten  Wulstes.  Schlichte  Knöpfchen  oder  halbkreisförmige  Leisten  ersetzen 
mitunter  die  Handhabe;  an  einem  Fragment  ist  der  Knopf  homartig  in  die  Höhe 
gezogen  und  dann  ein  wenig  schräg  von  unten  her  so  durchbohrt,  dass  die  obere 
Oeffnung  der  Gefässwand  zugekehrt  ist,  die  Tragschnur  sich  also  fest  an  den  Rand- 
streifen anlegte.  Einzelne  Stücke  sind  nachträglich  durch  Feuer  blasig  oder 
schwammig  geworden,  ja  eine  dicke  Thonschüssel  ist  durch  Feuer  stark  verzogen 
und  fast  zusammengeschmolzen.  Von  Spinnwirteln  befinden  sich  2  aus  der  früheren 
Sammelperiode  im  Bezirks-Museum  zu  Traunstein,  dagegen  1  in  der  Lichten- 
ecker'schen  Sammlung.  Er  ist  konisch,  am  unteren  Rande  ein  wenig  abgeschrägt, 
hier  3  cm,  oben  2  cm  breit  und  3  cm  hoch.  Ein  Webstein  von  nicht  quadratischer, 
sondern  annähernd  rechteckiger  Grundfläche  steigt  als  massig  verengte  Pyramide 
auf  und  schliesst  über  der  Durchbohrung  kuppeiförmig  ab.  Ihrer  Bestimmung 
nach  sind  noch  nicht  mit  Sicherheit  gedeutet  die  zahlreichen  feuerharten  Lehm- 
klumpen. 

V.  Auch  Schmuck  ist  unter  den  Funden  nicht  unvertreten.  Vier  durch- 
schnittlich 7  an  lange  Eckzähne  sind  am  Ende  durchbohrt.  Bei  dem  einen  (Fig.  136) 
ist  die  obere  Einbohrung  nicht  durchgeführt.  Auch  5  Thonblättchen  zeigen  eine 
kleine  Oeffnung  zum  Durchziehen  einer  Schnur. 

VL  Nicht  bearbeitete  Thierknochen  bedecken  in  der  Sammlung  un- 
gefähr 10  ^;  einige  von  ihnen  sind  im  Feuer  gewesen.  Darunter  befinden  sich 
z.B.  6  Oberschenkelköpfe  mit  natürlicher  Oeffnung  (vom  Dachs?);  andere  gehören 
dem  Rind  und  einem  Pferde  von  kleiner  (Gestalt  an.  Vom  Hirsch  sind  ausser  Ge- 
weihen paarige  Klauen  erhalten. 

Bei  der  peinlichen  Genauigkeit  der  Untersuchung  sind  auch  2  qm  Erde,  die 
mit  Kohle,  Asche  und  Knochen  durchsetzt  ist,  und  ein  Theil  einer  10  cm  tief 
durchglühten  Brandstelle  vom  Besitzer  des  Auhögels  ausgehoben  worden.  Selbst- 
verständlich haben  sich  am  Abhänge  und  selbst  am  Fusse  des  Berges,  an  dessen 
östlicher   Seite   durch   einen   Steinbruch   erhebliche   Absprengungen   erfolgt   sind, 

21* 


(324) 

während  nach  Westen  hin  die  Leite  allmählich  abfällt  und  eine  Wiese  bildet, 
einzelne  Gegenstände  gefunden.  Hier  lagen  5  mit  Steinen  umstellte  Gefässe,  4ie 
wegen  dieser  sorgfältigen  Umstellung  als  Grab- Beigaben  angesehen  werden:  3  Töpfe 
und  2  Schüsseln ,  nach  der  Verzierung  durch  Finger-Eindrücke  zu  schliessen  den 
Scherben  aus  der  Arbeitsstelle  gleichzeitig  (besprochen  vom  Ober-Amtsrichter 
Weber  a.  a.  O.). 

Unzweifelhaft  harren  in  dem  unaufgeschlossenen  Theile  der  Hügel-Oberfläche 
noch  zahlreiche  Funde  der  Aufdeckung.  — 

(19)    Hr.  Rud.  Virchow  spricht,  unter  Vorlegung  der  Gegenstände,  über 

Gräberschädel  von  Guatemala. 

Am  4.  d.  M.  erhielt  ich  von  unserem  auswärtigen  Mitgliede,  Hrn.  Erwin 
iP.  Dieseldorff  aus  Hamburg  die  Nachricht,  dass  er  dort  angekommen  sei  und 
mir  eine  Riste  mit  verschiedenen,  leider  recht  arg  zerstückelten  Schädeln  aus 
Tumuli  in  der  Nähe  von  Coban,  im  Gebiet  der  Quecchi-Indianer,  mitgebracht  habe. 
Gegenwärtig  sind  dieselben  in  meinen  Händen  und  ich  beeile  mich,  sie  vorzulegen, 
da  sie  die  willkommene  Bestätigung  einer  schon  früher  besprochenen  Auffassung 
bringen. 

Allerdings  sind  sie  so  stark  zertrümmert  und  die  Bruchstücke  so  defect, 
dass  sich  nicht  ein  einziger  Schädel  daraus  vollständig  reconstruiren  lässt  Aber 
einer  wenigstens  hat  doch  durch  Einfügung  grösserer  Gypstheile  zwischen  die 
Bruchstücke  sich  wieder  in  einen  Zusammenhang  bringen  lassen,  der  ein  Bild 
des  ursprünglichen  Zustandes  gewinnen  lässt.  Von  den  übrigen  ist  so  viel  von 
dem  Schädeldach  erhalten,  dass  sie  mit  dem  erstgenannten  verglichen  werden 
können.  Dabei  hat  sich  herausgestellt,  dass  alle  bis  auf  eine  Ausnahme  (Nr.  1) 
sämmtlich  stark  deformirt  sind. 

Was  ihre  Herkunft  anbetrifft,  so  lasse  ich  es  dahingestellt,  ob  die  Auffindung 
der  Tumuli  im  Gebiet  der  Quecchi-Indianer  einen  Hinweis  auf  die  ethnologische 
Stellung  des  alten  Stammes  enthält.  Jedenfalls  sind  sie  so  alt,  dass  sich  gegen 
die  Annahme,  die  Tumuli  seien  schon  vor  der  Conquista  angelegt  worden,  nichts 
einwenden  lässt.  Da  die  Schädel  durchweg  eine  gleichartige  Beschaffenheit  haben, 
so  muss  wohl  geschlossen  werden,  dass  sie  der  gleichen  Zeit  angehören.  Sie  sind 
alle  sehr  leicht  und  sehr  brüchig,  obwohl  die  Knochen  zum  Theil  eine  beträcht- 
liche Dicke  besitzen.  Die  äussere  Farbe  ist  gelblichgrau,  mit  bräunlichen  Flecken, 
aber  die  Bruchflächen  haben  ein  rein  weisses,  kreidiges  Aussehen.  Das  beweist 
einen  hohen  Grad  von  Auslaugung,  somit  eine  lange  Dauer  des  Aufenthaltes  in 
den  Gräbern.     Von  Beigaben  ist  nichts  mitgekommen. 

Es  ist  aber  höchst  wahrscheinlich,  dass  die  Schädel  aus  Gräbern  stammen, 
wie  diejenigen,  aus  denen  Hr.  Dieseldorff  uns  wiederholt  von  bemalten  Thon- 
gefässen  berichtet  hat.  Solche  Gefässe  hat  er  (Verhandl.  1893,  S.  547,  Taf.  XVI) 
aus  Tumuli  im  Thale  Chama  bei  Coban  geschildert,  bei  welcher  (Gelegenheit  er 
auch  die  heutigen  Quecchi-Indianer  erwähnt  (vgl.  S.  375).  Ich  habe  schon  damals 
hervorgehoben  (S.  551),  dass  die  Darstellung  eines  Mannes  mit  deformirtem  Schädel 
viel  mehr  an  Peru  erinnere.  Später  hat  Hr.  Dieseldorff  die  Fragmente  eines 
Schädels  von  Ulpan  bei  Coban  eingesandt;  ich  konnte  aus  denselben  nachweisen, 
dass  sie  zu  einem,  nach  Art  der  Natchez,  stark  deformirten  Kopfe  gehört  haben 
müssten.  Eine  vortreffliche  bildliche  Darstellung  solcher  Köpfe  erkannte  ich  an 
dem  mehrfigurigen  Bilde,  welches  Hr.  Dieseldorff  von  einem  anderen  Thongefasse 
aus  dem  TempelhUgel  im  Thale  Chama  geliefert  hat  (Verhandl.  1894,  Taf.  VUl). 


(325) 

Da  nun  verschiedene  Gelehrte  diese  Funde  der  alten  Maya-Cultur  zuschreiben,  so 
dürfte  die  Vermuthoni^  nicht  fern  liegen,  dass  auch  die  vorliegenden  Schädel  dahin 
gehören.    Vergl.  Verhandl.  1895,  S.  320  und  772. 

Es  ist  zugleich  zu  erinnern,  dass  ich  einen,  freilich  nur  an  der  Stirn  defor- 
mirten  Schädel  von  Merida  in  Yucat4in  in  meinen  Crania  americana,  S.  111,  Fig.  II, 
habe  abbilden  lassen  und  dass  ich  schon  bei  der  ersten  Vorlegung  desselben  in 
unserer  Gesellschaft  (Verhandl.  1887,  S.  454)  die  historischen  Analogien  dazu  zu- 
sammengestellt habe.  Es  entfaltet  sich  hier,  wie  die  Figuren  in  Siein  und  Malerei 
lehren,  ein  recht  ausgedehntes  Deformations-Gebiet. 

Betrachten  wir  jetzt  die  neuen  Einsendungen  etwas  im  Einzelnen.  Nach  den 
Angaben  des  Hm.  Einsenders  stammen  von  den  6  Einsendungen  4  (Nr.  1 — 4)  von 
Chajcar,  jurisdicion  Carchä,  Gebiet  der  Quecchi-Indianer,  2  (Nr.  5 — 7)  von  Papd, 
jurisdicion  San  Juan  Chamelco  (2  Stunden  südöstlich  von  Gobdn),  gleichfalls 
Quecchi-Gebiet.  Nr.  l  u.  2  lagen  in  einem  Steingrabe  für  sich  in  der  Mitte  des 
Tnmulus;  Nr.  3  u.  4,  nach  einer  Notiz  auf  der  Holzkiste,  im  „SUdausbau^. 

1.    Die  Schädel  von  Chajcar. 

Nr.  1.  Männlicher  Schädel,  gross  und  breit,  aber  sehr  verletzt  Die  Basis 
fehlt,  nur  Stücke  der  Orbitalränder,  das  linke  Felsenbein  und  ein  Stück  der  Apo- 
physis  basilaris  sind  davon  vorhanden.  Die  Calvaria  hat  sich  wieder  zusammen- 
fügen lassen;  sie  ist  174  mm  lang,  149  breit,  also  Index  85,6.  Starke  Orbital- 
wülste. Stirn  98  mm  breit,  abgeflacht  (zurückgedrückt),  unterhalb  der  Tubera  ge- 
bogen. Hinterhaupt  voll  gewölbt;  in  der  Lambdanuht  colossale  Worm'sche  Beine. 
Das  Ohrloch  gerundet.  An  der  Stelle  der  Synchondrosis  condyloidea  starke  und 
scharfe  Vorsprünge.  —  Nach  dem  Verhalten  der  Zähne  niuss  der  Todte  noch  in 
jüngeren  Jahren  gestanden  haben:  die  grossen  Zähne  haben  noch  fast  intacte 
Kronen.  Die  Kauorgane,  namentlich  in  ihren  medianen  Theilen,  mächtig  entwickelt 
und  stark  vortretend.  Am  Oberkiefer  Incisivi  und  Molares  sehr  gross.  Umfang 
des  Proc.  alveol.  147  mm.  Gaumen  tief,  Zahncurve  elliptisch.  Unterkiefer  bis  auf 
die  stark  verletzten  Aeste  gut  erhalten,  sehr  gross.  Zähne  gross;  Incisivi  stark. 
Molares  wenig  abgenutzt;  Praemolares  dick  und  kolbig.  Zahncurve  eckig,  Incisivi 
in  einer  Reihe  stehend,  stark  vortretend,  Umfang  (alveolar)  145  mm.  Mittelstück 
hoch,  Kinn  dreieckig,  vorgeschoben. 

Nr.  2  (Fig.  1  u.  2).  Der  männliche  Schädel  hat  sich,  trotz  des  Fehlens  des 
grössten  Theiles  vom  Gesicht,  recht  gut  zusammenbringen  lassen.  Er  ist  vorn  und 
hinten  stark  eingedrückt,  und  es  sind  in  Folge  davon  so  grosse  Compensationen 
in  der  Breite  und  in  der  Höhe  zu  Stande  gekommen,  dass  jene  künstliche 
Hypsibrachycephalie  entstanden  ist,  die  ich  von  den  Natchez-Schädeln  be- 
schrieben habe  (Crania  americana,  S.  1 1 ,  Fig.  IV),  nur  ist  sie  hier  ganz  besonders 
ausgeprägt  Da  die  grösste  horizontale  Länge  149,  die  Breite  155,  die  Höhe 
118  mm  beträgt,  so  berechnet  sich  ein  Breitenindex  von  104,0,  ein  Höhenindex  von 
79,1.  Das  Stirnbein  ist  breit  (93  mm),  ganz  schräg  gestellt,  in  der  Mitte  ein- 
gedrückt, gegen  die  Coronaria  gebogen  und  in  Form  eines  queren  Wulstes  vor- 
geschoben, die  Supraorbitalgegend  vorgewölbt.  Die  Parietalia  kurz  und  hoch  ge- 
wölbt, die  Tubera  weit  nach  vom  gestellt  und  breit  gewölbt.  Die  Gehörlöcher 
scheinbar  etwas  verdrückt.  Die  Hinterhauptsschuppe  hoch  und  steil,  fast  senk- 
recht abgeflacht.  —  Oberkiefer  sehr  defect;  Alveolarfortsatz  gross  und  stark  vor- 
tretend. Umfang  145  iii7/^    Zähne  wenig  abgenutzt,  eher  jugendlich.    Gaumen  gross. 


(326) 

besonders  breit  und  tief.  Unterkiefer  gut  erhalten,  Alreolarrand  stark  vortretend. 
Umfang  144  mm;  Seitentbeile  sehr  dick,  Aeste  gross;  Kinn  vortretend,  mit  starker 
Crista  med.  Kieferwinkel  in  Form  eines  Proc.  lemurianas  abgesetzt.  Zähne  gross. 
Molares  stärker  abgenutzt,  links  mehr  als  rechts. 

Fig.  1-  Pig.  2.  , 


GeoDiatrische  Zeichnung  des  Hm.  Hclbjg.    '/>  ^^^  natürl.  Grösse. 

Nr.  3.  Hier,  wie  bei  dem  folgenden,  die  Pärbnng  achmntzig  braungrau.  die 
Sntnren  wenig  sichtbar.  —  Der  Schädel  sehr  verdruckt:  von  der  Basis  und  dem 
Gesicht  sind  fast  nur  Brachstilcke  vorhanden,  crstere  fehlt  fast  ganz,  die  Apopbysis 
sehr  breit.  Das  Wangenbein  gross.  Der  Schädel  hat  extreme  Natchez-Form: 
die  Verhältnisse  sind  geradezu  umgekehrt,  als  normal,  indem  die  Breite  viel  grösser 
als  die  Länge  ist  und  die  Gesammtform,  von  oben  her  betrachtet,  in  der  That  dazu 
verleitet,  den  Kopf  qnerzustellcn:  Länge  148,  Breite  179,  Ohrböhe  101,  daher 
Breitenindex  120,7,  QhrhUhenindex  G8,l  mm.  Stirn  breit  (107  mm)  und  ganz  steil 
zurttckgcdrtingt,  colossale  Olabella,  massige  Supra-Orbitalwülste.  Hinterhaupt  fast 
ganz  in  eine  steile  Platte  umgewandelt.  Am  Oberkiefer  fehlen  die  linken  Schneide* 
Zähne,  die  rechten  sind  sehr  gross  und  nur  massig  abgeschliffen;  colossale  Canini; 
Kronen  verhältnissmässig  gut  erhalten.  Unterkiefer  gross;  Kinn  breit  und  am 
unteren  Rande  ausgeschweift;  MittelstUck  sehr  dick.  Distanz  der  Winkel  95  mm, 
Proc.  lemurianus. 

Nr.  4,  ohne  Basis  und  Gesicht,  übrigens  ganz  ähnlich  dem  vorigen.  Stirn 
mehr  gerade,  aber  sehr  breit  (102  mm).  Horizontale  Länge  (an  der  etwas  ge- 
wölbten Stirn  gemessen)  157,  Breite  162,  Ohrhöhe  lUmm,  also  Breitenindex  103,1 
Ohrböhenindex  72,5.  —  Unterkiefer  gut  erhalten:  Zähne  vorstehend,  colossal,  be- 
sonders die  Schneidezähne.  Molaren  wenig  abgenutzt  Kinn  weit  vorstehend, 
etwas  eckig;  Seitentheile  enger,  Winkeldistanz  91  mm;  Aeste  breit  und  schriig; 
Proc.  lemurianus. 


(327) 

2.   Die  Schädel  von  Papd. 

Nr.  I,  ähnlich  Nr.  1  u.  2.  Schräge,  abgeflachte  Stirn  mit  oberem  Bandwalst, 
ohne  Stimhöcker,  mit  tiefer  Gjabella,  so  dass  die  Snpra-Orbitalgegend  nur  eine 
Ebene  bildet.  Parietalia  auf  der  Fläche  zusammengebogen.  Hinterhaupt  steil  und 
gerade,  wobei  noch  ein  Theil  der  Parietalia  in  die  Fläche  einbezogen  ist  Der 
Schädel  hat  eine  Länge  von  166,  eine  Breite  von  173^  Ohrhöhe  von  114  mm,  also 
einen  Breitenindex  Ton  104,2,  einen  Ohrhöhenindex  von  68,6.  Minimale  Stirn- 
breite  1 14  mm.    Reine  Riefecknochen. 

Nr.  n,  aus  einem  Tumulus,  dicht  bei  dem  Hermita  Papa,  in  der  Nähe  von 
S.  Juan  Ghamelco.  Sehr  schräge  Stirn,  senkrechtes  Hinterhaupt.  Länge  158, 
Breite  153,  Ohrhöhe  103  mm,  also  Breitenindex  96,8,  Ohrhöhenindex  65,1.  Minimale 
Stimbreite  103  mm. 

Dazu  dürfte  ein  defecter,  scheinbar  weiblicher  Unterkiefer  gehören,  dessen  sehr 
grosse  Zähne  stark  abgenutzt  sind.    Die  Aeste  sehr  breit;  Proc.  lemurianus.  — 

Ausser  diesen  Rnochen  befanden  sich  in  der  Riste  Papd  II  noch  folgende 
Gebeine: 

1.  3  ausgesprengte  Stücke,  die  Stirnnasengegend  umfassend,  mit  grossen 
Stirnhöhlen.  Der  Nasenvorsprung  stark,  aber  nicht  platt,  im  Gegentheil 
der  Bücken  an  der  etwas  schmaleren  Warze!  scharf. 

2.  Ein  grosses  und  breites  Parietale. 

3.  2  halbe  Unterkiefer,  verschieden  nach  Farbe  und  Höhe:  die  eine  Hälfte 
jugendlich,  die  andere  älter. 

4.  Ein  grosser,  nur  an  den  Aesten  defecter  Unterkiefer,  scheinbar  weiblich. 
Die  Zähne  und  die  leeren  Alveolen  sehr  gross.    Proc.  lemurianus. 

5.  Ein  kindliches  Os  hnmeri  mit  abgebrochenen  Gondylen,  etwa  15,5  mm 
lang;  in  der  Mitte  der  Diaphyse  Umfang  145  mm.  Die  Epiphysenlinien 
sind  vollständig  geschlossen;  die  Diaphyse  sehr  gerade.  Fossa  pro  olecrano 
nicht  ausgebildet.    Alle  Theile  fest  und  glatt. 

6.  Das  Bruchstück  einer  etwas  älteren  Fibula.  — 

Ueberblickt  man  die  Beihe  dieser  Schädel,  so  ergiebt  sich  die  überraschende 
Häufigkeit  der  künstlichen  Deformation  in  ihrer  stärksten  Ausbildung.  Von  den 
6  Schädeln  ist  nur  der  eine  (Nr.  1)  von  Ghajcar  in  geringerem  Grade,  aber  doch 
nach  derselben  Norm  abgeplattet.  Eine  gleich  häufige  und  gleich  starke  Defor- 
mation ist  mir  auch  in  America,  dem  Welttheil  mit  der  grössten  Ausbildung  dieser 
Unsitte,  nicht  vorgekommen;  eine  Annäherung  daran  hat  uns  die  von  Hm.  Uhie 
in  Bolivien  aus  Gräbern  zusammengebrachte  Sammlung  gezeigt  (Verhandl.  1894, 
S.  404).  Ich  erinnere  wegen  der  Grösse  der  Deformation  an  die  Schädel  von  Me- 
danito  (ebendas.  Fig.  2).  Die  jetzigen  Funde  sind  für  das  Verständniss  der  central- 
amerikanischen  Runstwerke  von  grösster  Wichtigkeit,  denn  sie  beweisen,  dass  die 
scheinbaren  Carricaturen,  welche  an  denselben  dai^estellt  worden  sind,  Nach- 
bildungen wirklicher  Deformationen  waren.  Zugleich  erweitem  sie  nicht 
bloss  das  territoriale  Gebiet  dieser  Sitte,  sondern  sie  fügen  in  die  lose  Rette,  die 
sich  von  der  Mississippi-Mündung  bis  za  der  Cordillere  von  Bolivien  hinzog,  ge- 
wissermaassen  das  Schlussglied. 

Dabei  ist  es  bemerkenswerth ,  dass  die  Entwickelnng  des  Skelets  bei  diesen 
Bässen  durch  die  Schädel -Deformation  wenig  beeinilusst  ist.  Schon  die  Ge- 
sichtsknochen dieser  Leute,  namentlich  die  Riefer  mit  den  Zähnen,  gehören  zu  den 
massivsten,  die  in  dieser  Welt  vorkommen.   Die  Malereien  and  Sculpturen  Central- 


(328) 

Americas  lehren,  dass  auch  das  übrige  Skelet  in  kräftigster  Weise  entwickelt  war. 
Leider  hat  Hr.  Dieseldorff  seine  Aufmerksamkeit  den  Skolet-Rnochen  nicht  zu- 
gewendet. Wir  dürfen  wohl  hoffen,  dass  er  bei  künftiger  Gelegenheit  auch  nach 
dieser  Seite  hin  sein  Talent  als  Sammler  und  Beobachter  leuchten  lassen  wird. 
Insbesondere  wären  Extremitäten  -  Knochen  erwünscht  Schon  die  Frage  der 
Platyknemie  erheischt  eine  Ergänzung  des  Materials.  Der  kleine  Oberarm-Knochen, 
der  sich  in  der  jetzigen  Sammlung  findet  (Kiste  Papa  Nr.  11),  scheint  auf  ein 
zwerghaftes  Individuum  hinzudeuten.  Ich  yerweise  auf  die  Parallele  mit  den 
Jakoons  von  Malacca  (Verhandl.  1896,  S.  144). 

Unter  den  sonstigen  Eigenthümlichkeiten  ist  vorzugsweise  die  Häufigkeit,  um 
nicht  zu  sagen,  die  Beständigkeit  des  Vorkommens  eines  Processus  lemurianus 
am  Unterkiefer  hervorzuheben.  Mag  man  auch  darauf  verzichten,  darin  ein 
pithekoides  Merkmal  im  strengeren  Sinne  zu  sehen,  so  ist  diese  Bildung  doch  eine 
höchst  interessante  und,  wenigstens  in  ihren  stärkeren  Graden,  seltene  Variation. 
Sie  mag  zusammengestellt  werden  mit  der  Enge  der  Winkeldistanz  an  den  Unter- 
kiefern und  mit  der  geringen  Abnutzung  der  Zahnkronen,  besonders  an  den  Molares, 
welche  doppelt  überrascht  bei  einem  Volke,  das  vermuthlich  vorwiegend  von 
Körnerfrucht  lebte.  — 

(20)    Hr.  Rud.  V^irchow  legt  vor  eine  Reihe  von 

europäischen  TättowiraDgen. 

In  der  Sitzung  vom  15.  Mai  1897  (Verhandl.  S.  262)  stellte  ich,  im  Anschlüsse 
an  verschiedene  Mittheilungen  über  die  Anfertigung  von  Präparaten  tättowirter 
Hautstückc,  die  Vorlage  ähnlicher  Präparate  in  Aussicht,  welche  sich  in  der 
Sammlung  des  Pathologischen  Institutes  befinden.  Indem  ich  eine  kleine  Aus- 
wahl davon  vorlege,  bemerke  ich,  dass  unsere  Präparate  bis  zum  Jahre  1870  zurUck- 
datircn  und  die  Tättowirungen  auf  sehr  verschiedene  Weise  hergestellt  sind.  Da 
die  dabei  verwendeten  färbenden  Stoffe  aus  sehr  resistenten  Substanzen  bestehen, 
vorzugsweise  aus  Kohle  und  Zinnober,  so  sind  fast  alle  Methoden  zu  ihrer  Con- 
servirung  gleich  geeignet.  Die  bei  uns  angewendeten  hatten  die  Herstellung  sowohl 
von  Trockenpräparaten,  als  von  feuchten  Stücken  zum  Ziele,  und  sie  haben  sich 
sämmtlich  bewährt. 

Die  Trockenpräparate  sind  in  der  Weise  angefertigt  worden,  dass  die  Haut- 
stücke von  anhaftendem  Fett  und  anderen  subcutanen  Geweben  möglichst  gereinigt 
und  dann  in  Holzrahmen  zum  Trocknen  an  der  Luft  aufgestellt  wurden.  Darauf 
wurden  sie  auf  Glasplatten  aufgezogen,  durch  einen  Klebestoff  (Leim,  Gummi)  be- 
festigt und  mit  einer  dünnen  Lage  von  Firniss  bedeckt.  Eine  zweite  Glasplatte 
wurde  darüber  gelegt  und  durch  dichtes  Papier  ringsum  abgeschlossen.  So  sind 
sie  vor  dem  Eindringen  von  äusserer  Luft  und  Schmutztheilen  und  ebenso  vor 
Feuchtigkeiten  genügend  geschützt.  Lose  und  nackte  Stücke  sind  den  Angriffen 
von  Luft  und  Feuchtigkeit,  namentlich  aber  von  zerstörenden  Insekten  aus- 
gesetzt In  der  angegebenen  Weise  gedeckt,  bewahren  sie  alle  Besonderheiten 
der  Zeichnung  und  der  Farbe  in  vollkommener  Deutlichkeit.  Nur  in  einem  Falle, 
wo  zu  viel  Firniss  angewendet  worden  war,  hat  das  Muster  an  Deutlichkeit  er- 
heblich verloren. 

Für  die  Herstellung  feuchter  Präparate  hat  es  sich  bewährt,  die  ersten 
Operationen,  namentlich  die  Entfernung  der  subcutanen  Theile,  ebenso  vorsichtig 
vorzunehmen,  wie  in  dem  vorigen  Falle.  Dann  werden  die  Stücke  ebenfalls  auf 
Glasplatten  ausgespannt  und  sofort  in  die  Conscrvirungs-Flüssigkeit  gethan,  natürlich 


(329) 

-wieder  in  besonderen  Gläsern,  namentlich  in  platten,  eckigen  Behältern.  Als 
Flüssigkeit  ist  entweder  Alkohol,  oder,  namentlich  in  neuerer  Zeit,  Formalin  ver- 
wendet worden.  Ein  merkbarer  Unterschied  ist  dabei  nicht  hervorgetreten,  wohl 
aber  haben  die  feuchten  Präparate  ihre  Frische  und  Anschaulichkeit  viel  mehr  be- 
wahrt, als  dies  bei  Trockenpräparaten  der  Fall  ist. 

Was  die  für  die  erste  Herstellung  verwendeten  farbigen  Stoffe  betrifft,  so 
werden  dieselben  bekanntermaassen  in  feinpul verisirtem  Zustande  in  kleine  Löcher 
<ler  Haut,  welche  durch  scharfe  konische  Spitzen  hervorgebracht  werden,  ein- 
gedrückt Sie  heilen  ohne  Weiteres  an  dem  Orte  ihrer  Einbringung  ein.  Nur 
kommt  es  nicht  ganz  selten  vor,  dass  ein  Theil  von  ihnen  in  die  Lymphwege  ein- 
dringt und  dann  bis  in  die  nächsten  Lymphdrüsen  fortgeführt  wird.  Ich  habe  diesen 
Fall  schon  bei  der  Erörterung  der  pathologischen  Resorption  (Mein  Archiv  f.  path. 
Anat  1847,  Bd.  I,  S.  178)  besprochen  und  dabei  hervorgehoben,  dass  ein  grosser  Unter- 
schied zwischen  der  Resorption  durch  unverletzte  Gefässe  und  dem  Durchgange  Von 
uDgelöäten  Substanzen  durch  permeable,  nicht  poröse,  unverletzte  Membranen  be- 
steht. Ausführlicher  habe  ich  diese  Verhältnisse  in  meiner  Cellular-Pathologie  erörtert 
(4.  Aufl.,  S.  223),  indem  ich  zugleich  Abbildungen  aus  so  veränderten  Lymphdrüsen 
hinzufügte  (Fig.  76  u.  77).  Dabei  zeigte  sich,  dass  der  eingedrungene  Zinnober 
theils  innerhalb  der  Trabekeln  und  des  Reticulums  liegt,  theils  in  die  Follikel  selbst 
•eindringt.  Diese  Präparate  waren  dem  Arme  eines  Soldaten  entnommen,  dessen  Tod 
erst  50  Jahre  nach  der  Tättowirung  erfolgte;  sie  sind  zugleich  ein  gutes  Beispiel 
•davon,  dass  die  Sitte  des  Tättowirens  schon  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  unter 
unseren  Soldaten  gebräuchlich  war.  Das  vorgelegte  Präparat  Nr.  325  vom  Jahre  1870 
lässt  die  rothe  Einlagerung  in  den  Axillardrüsen  nach  Tättowirung  des  Vorderarms 
3chon  vom  blossen  Auge  erkennen. 

Die  kohligen  Einlagerungen  überwiegen  an  Zahl  der  Fälle  bei  Weitem  die 
rothen.  Ziemlich  häufig  ist  die  Mischung  beider  Farben,  jedoch  in  der  Art,  dass 
die  kohligen  Stellen  den  grösseren  Theil  der  Zeichnung  einnehmen,  die  rothen 
mehr  als  Zwischenlagerung  oder  Einsprengung  erscheinen.  In  den  nachstehenden 
Abbildungen  sind  die  rothen  Stellen  durch  losere,  weitläufigere  und  zartere  Strich- 
lagen, die  schwarzen  durch  dichte,  meist  kürzere,  stärkere  Striche*  angedeutet 
Dabei  ist  zu  bemerken,  dass  die  kohligen  Einlagerungen  natürlich  an  sich  schwarz 
aussehen,  jedoch  nur  auf  Durchschnitten;  sieht  man  dieselben  bei  tieferer  Lage 
durch  bedeckende,  nicht  gefärbte  oder  nicht  infiltrirte  Gewebslagen,  wie  es  an  der 
Haut  meist  der  Fall  ist,  so  erscheint  die  Farbe,  je  nach  der  Tiefe  ihrer  Lage,  ent- 
weder schwarzblau  oder  auch  wohl  graublau. 

Die  Mehrzahl  unserer  Präparate  stammt  von  Männern  der  arbeitenden  Klasse 
ohne  Angabe  der  Art  der  Beschäftigung.  Unter  den  genauer  bezeichneten  prä- 
valiren  Soldaten  und  Matrosen,  jedoch  scheinen  auch  einzelne  Gewerbe  die  Neigung 
zu  einer  solchen  „Verschönerung''  zu  begünstigen.  Dies  gilt  namentlich  von 
Schuhmachern.  Indess  mag  die  grössere  Häufigkeit  tättowirter  Stellen  bei  ihnen 
auch  zufällig  hervorgetreten  sein.  Bei  Soldaten  und  Matrosen  werden  oft  grössere 
Darstellungen  bevorzugt  und  in  diesem  Falle  trifft  man  zuweilen  Abbildungen, 
welche  die  ganze  Brust  bedecken,  während  sonst  hauptsächlich  die  Arme,  ins- 
besondere die  Vorderarme,  preisgegeben  werden.  Menschliche  und  thierische  Ge- 
stalten gehören  zu  den  Seltenheiten,  doch  kommen  sie  in  so  ausgeführter  und  feiner 
Weise  vor,  dass  sie  mit  den  bekannten  japanischen  Tätto wirungen  parallelisirt 
werden  können.  Dagegen  kommen  die  bloss  ornaraentirten,  aus  einfachen  Strichen 
zusammengesetzten,  rein  geometrischen  Formen,  wie  sie  bei  den  Polynesiern  so 
häufig  sind,  bei  uns  kaum  vor. 


(330) 

Da  es  sich  um  eine  Uode  bandelt,  welche  von  änsseren  ZufölligkeiteD  ab- 
hängig ist,  80  ist  es  selbBtreretändlich ,  dass  bei  Enropäern  sowohl  die  Häuflgj^eit 
der  Tättowimng,  als  die  Gegenstände  der  Darstellung  sehr  verschieden  und 
wechaelnd  sind.  Gelegentlich  entsteht  eine  Art  ron  epidemischer  Manie,  sich  so 
^verzieren"  zd  lassen.  Wir  haben  es  noch  in  letzter  Zeit  erlebt,  dass  im  Passage- 
Panopticom  Teine  Damen  sich  vor  den  Tischen  birmanischer  Tättowirer  drängten, 
nm  sich  Zeichen  in  die  Haut  einatossen  za  lassen.  I^end  eine  Gefahr  liegt  meines 
Wissens  darin  nicht.  — 

Von  den  Torgelegten  Präparaten  mögen  folgende  kurz  erwähnt  werden: 

Fig.  1,  o  u.  i,  Präparat  Nr.  83  von  1896. 

Fig.  Ib.    '/,        Von  einem  SOjährigen  Schuhmacher.   Ueber- 

Fig.  la.    V,  wiegend   schwaizbteu,  jedoch   an  den   lose 

ff,  scfaraffirten   Stellen   roth.     a   Schuhmacher- 

g;<^^!t^  Wiippen    mit    Stiefel    und    Hand  Werkzeug, 

darüber  ein  Insekt  (Biene?)  und  eine  Krone, 

darunter  ein  Band  mit  F.  W.,  um  die  Basi& 

blühende  Zweige. 

Fig.  2,  a—d,  Präparat  Nr.  31  von  1882, 

rein  schwarzblau.  a  ein  Schiff,  b  ein  Kaufmann, 

<*  ein  aulgeachirrter  Pferdekopf,  d  militärische 

Embleme,  namentlich  Säbel  und  Pferdezeng. 

Aebnlich  ist  Nr.  1 13  vom  Jahre  1886  (nicht 

wiedergegeben),  von  der  Brust  (zwischen  den 

Brustwarzen)  eines   24jährigen  Glasers   aus 

Hambui^,  rein  blauscbworz.    Der  Name  Charles  Marchee  steht  in  der  Mitte  des 

Bildes,  quer.    Darüber  ein  Dreimaster  mit  vollen  S<^ln,   darunter  ein  Adler  mit 

ausgebreiteten  Flügeln  und  das  Datum:   6.  Mai,  Stettin  1862. 


Pig.2a.    V. 


Fig.2i.    Vi 


Fig.  3,  ti—c,  schwarzblau  und  roih.  n  Adler  mit  Reichsapfel  und  Sccpter  auf 
einem  Anker,  UntcrRchrift  O.  £.  Sce-Jun^frau (';*)  (SchifTsbitd?)  auf  einer  Muschel. 
/'  Herz  über  einem  Kreuz  und  Anker,  umgeben  von  einem  Lorbeerzweige-  c  Adler- 
köpf  mit  Blitzen  Über  einem  Sternenbanner. 


(331) 


OB. 


Fig.  4,  Klapperschlange,  in  schwarzblau  und  roth  anggeltlhrt. 
Fig.  4.    V. 


Uan  sieht,  (lass,  so  roh  mehrere  dieser  Figuren  auch  aasgefUbrt  sind,  sie  doch 
die  Elemente  einer  weiter  atrebenden  Kuaatrichtang  enthalten,  welche  von  fremd- 
ländischen Vorbildern  ziemlich  Trei  ist.  Auf  eine  weitere  Betrachtang  der  modernen 
Tättowimng,  etwa  im  Sinne  des  Hrn.  Lombroso,  einsagehen,  mnas  ich  mir  ver- 
sagen, da  eine  mehr  im  Sinne  eines  psychologischen  Problems  za  rerrolgende  Be- 
trachtung eine  genauere  Kenntniaa  der  Vorgeschichte  dieser  Individaen  vorana- 
setzen  wttrde,  als  ich  sie  zu  beschafTon  im  Stande  bin.  — 

(21)  Hr.  Hinovici  aus  ßokarest  zeigt  eine  grossere  Anzahl  photof^phischer 
Anrnahmen,  betreffend  Verbrecher-Physiognomien  und  Tättowirungen.  — 

(22)  Hr.  Rud.  Virchow  berichtet  über  eine 

anthropologische  Excarsion  nach  Mähren. 

Das  Secretariat  der  Wiener  Anthropologischen  Gescilschan  hatte  kürzlich  eine 
Einladung  znr  Theilnahrae  an  einer  unter  Ptihrung  des  Hrn.  Prof  Alex.  Makowsky 
vorzunehmenden  Bkcursion  nach  ßrUnn  und  Umgebung  fUr  die  Tage  vom  27.  bis 
39.  Hai  ergehen  Inssen.  Da  der  Himmelfahrtstag  (27.  Mai)  als  ein  Ferientag  zu 
betrachten  war,  so  entschlosa  ich  mich  um  ao  lieber  za  der  Ketse,  als  die  Be- 
deutung der  mährischen  Funde  mit  jedem  Jahre  mehr  hervorgetreten  ist  und  als 
ich  schon  auf  einer  gemeinschaftlichen  bosnischen  Reise  mit  Hm.  Makowsky 
eine  solche  Fahrt  verabredet  hatte.  Ich  war  sehr  erfreut,  in  Brtlnn  ausser  den 
Localforachem  und  den  Mitgliedern  der  Wiener  Gesellschaft,  namentlich  den  HHrn. 
Heger,  Mach  und  Szombathy,  auch  mehrere  unserer  deutschen  Freunde 
(J.  Ranke,  E.  Schmidt,  Grempler,  Hcdinger)  zu  treffen.  Das  schönste 
Wetter  belohnte  unseren  Entschluss. 

Schon  am  Vormittage  des  27.  konnte  ich  die  „Technik"  besuchen;  so  nennt 
man  kurz  die  k.  k.  technische  Hochschule  in  Brunn.    Hier  ist  ein  grosser  Theil 


(332) 

der  prähistorischen  Sammlungen,  namentlich  der  von  Hm.  Makowsky  zusammen- 
gebrachten, aufgestellt.  Hr.  Maska  war  auch  schon  anwesend;  er  hatte  von  seinem 
neuen  Wohnorte  Teltsch  aus  einen  Haupttheil  seiner  Schätze  mitgebracht,  so  dass 
es  mir  möglich  war,  sofort  eine  gewisse  Grundlage  der  Anschauung  zu  gewinnen. 
Nachmittags  führte  Hr.  Makowsky  die  nun  vollzählige  Gesellschaft  über  die 
künstlich  neu  bewaldeten  Ruhberge  zu  den  grossen  Lössgruben,  in  welchen  die 
neuesten  Funde  gemacht  sind  und  in  denen  inuner  neues  Material  zu  Tage  tritt. 

Der  nächste  Vormittag  sah  die  Mitglieder  der  Excursion  in  den  Sälen  des 
B^ranzens-Museum  imd  der  Technik,  den  beiden  Orten,  wo  neben  den  urgeschicht- 
lichen Funden  auch  die  höchst  sehenswerthen  prähistorischen  Sammlungen  die  Auf- 
merksamkeit fesselten.  Hier  fand  die  Begrüssung  durch  den  Landes -Hauptmann 
von  Mähren  statt  Nachmittags  gab  eine  Fahrt  nach  Obrzan  und  die  Besteigung 
des  dortigen  grossen  Hradisko  Gelegenheit,  ein  Bild  der  gesammten  Landschaft 
und  der  wechsclvollen  Umgebung  der  Stadt  zu  gewinnen. 

Der  dritte  Tag  war  ganz  dem  Besuche  des  Höhlengebietes  gewidmet.  — 

Bevor  ich  jedoch  auf  Einzelheiten  eingehe,  wird  es  nöthig  sein,  einige  orien- 
tirende  Worte  über  die  territorialen  Verhältnisse  zu  sagen.  Ich  benutze  dabei, 
ausser  den  Vorarbeiten  von  Wankel  und  Maska,  den  vortrefflichen,  zum  großen 
Theil  von  Hrn.  Makowsky  selbst  bearbeiteten  ^Führer  in  die  Umgebung  von 
Brünn^  und  die  Schriften  des  unermüdlichen  Höhlenforschers  Martin  Kfii,  der 
schon  vor  13  Jahren  die  L  Abtheilung  eines  „Führers  in  das  mährische  Höhlen- 
gebieth.  Steinitz  1884^  veröffentlicht  hat  und  der  bis  in  die  neueste  2^it  nicht  auf- 
gehört hat,  die  schier  unermessliche  Fülle  von  Einzel-Abtheilungen  dieser  Höhlen 
auf  das  Genaueste  aufzunehmen  Seine  zwei  Haupt-Darstellungen  über  „die  Höhlen 
in  den  mährischen  Devonkalken  und  ihre  Vorzeit*"  sind  in  dem  Jahrbucbe  der 
k.  k.  geologischen  Reichs-Anstalt  1891,  Bd.  41,  Heft  3,  und  1892,  Bd.  42,  Heft  3 
erschienen. 

Brunn  liegt  am  Nordrande  einer  Seitenbucht  des  tertiären  Wiener  Beckens,  gegen 
Norden  von  Höhenzügen  umschlossen,  die  sich  von  Westen  nach  Osten  erstrecken. 
Sie  sind  die  Ausläufer  eines  Berg-  und  Hügellandes,  welches  von  der  Zwittawa  und 
Schwarzawa  tief  durchfurcht  wird.  Der  Abfluss  dieser  Gewässer  geht  nach  Süden  zu 
der  Thaya  und  durch  diese  zur  March,  welche,  nachdem  sie  alle  die  Bäche  und 
kleineren  Flüsse  aus  den  nördlichen  und  nordöstlichen  Theilen  Mährens  gesammelt 
hat,  nach  Süden  zu  die  Grenze  gegen  Ungarn  bildet  Für  mich  hatte  die  March 
seit  Jahren  ein  besonderes  Interesse,  weil  ihr  Oberlauf  sich  den  Oderquellen  nähert 
und  hier  von  der  Natur  der  Weg  vorgezeichnet  ist,  der  unsere  Gegenden  mit  dem 
mährischen,  ungarischen  und  österreichischen  Hinterlande  verbindet  Daher  war 
ich  sehr  geneigt,  die  vielleicht  allzu  zuversichtliche  Angabe  von  Wankel  (Die 
prähistorische  Jagd  in  Mähren.  Olmütz  1892.  S.  11)  zuzulassen,  dass  Pi-edmost 
„am  rechten  Ufer  des  hier  aus  dem  gleichnamigen  Thale  tretenden  Becwailusses 
liegt,  an  dem  sich  in  grauester  historischer  Zeit  die  längs  der  March  von  Car- 
nuntum  kommende,  zum  baltischen  Meere  führende  sogenannte  Bemsteinstrasse 
hinzog. '^  Für  die  urgeschichtliche  Zeit  erwähne  ich  die  wichtige  Angabe  des  Hm. 
Makowsky  (Mitth.  der  Anthrop.  Gesellsch.  in  Wien  1897,  XXVII.  S.  74),  dass 
„erratische  Geschiebe  hochnordischer  Gesteine,  mit  erratischem  Sand  und  Schotter 
der  einstigen  Grund-  und  Seitenmoränen  der  nordischen  Elisbedeckung,  bloss  im 
nordöstlichen  Mähren  durch  die  Oderspalte  eingedrungen  sind  und  sich  zerstreut 
in  dem  etwa  45  km  langen  und  bis  10  km  breiten  Oderthale  von  Mährisch-Ostrau 
bis  Bölten  bei  Weiskirchen  und  in  einzelnen  Buchten  dieses  Gebietes  (so  bei 
Neutitschein,    Fulnek,   Freiberg  u.  a.  O.)  finden^.    Er  setzt  hinzu,   dass  bisher  in 


(333) 

diesen  erratischen  Ablagerungen  keine  Skeletthcile  dilavialer  Säugethlere  auf- 
gefunden wurden.  Diese  Angaben  sind  von  fundamentaler  Wichtigkeit  für  meine 
heutige  Betrachtung,  denn  sie  erklären  es,  dass  weder  bei  Brunn,  noch  in  dem  zu 
betrachtenden  Höhlengebiete  mineralische  oder  zoologische  Zeugnisse  der  Eiszeit 
gefunden  werden.  Der  in  Mähren  weit  verbreitete  diluviale  Sand  und  Schotter  ist 
nach  Makowsky  dos  Product  fluviatiler  Strömungen;  er  liegt  theils  auf  festem 
Gestein  (Syenit,  Kalkstein  und  Sandstein),  theils  direct  auf  marinem  Tegel,  und 
schliesst  nicht  selten  diluviale  Thierreste  (Mammuth,  Rhinoceros,  Pferd  und  Ren- 
thier)  ein.  Er  ist  überlagert  vom  Löss  (Diluvialthon),  dem  jüngeren  Gliede  der 
Diluvial-Periode,  welches  Hr.  Makowsky  mit  den  neueren  Geologen  als  ein 
subaerisches  Product  betrachtet.  Immerhin  leitet  er  den  grössten  Theil  diesos 
Lössmnterials  von  dem  Schlamme  ab,  welchen  die  Gletscher  der  Glacialzeit  von 
Norden  h^r  bis  an  die  Randgebirge  Böhmens,  Schlesiens  und  Mährens  getragen 
haben.  Die  Winde  haben  den  davon  herrührenden  Staub  hauptsächlich  an  ge- 
schützten Stellen,  insbesondere  am  Süd-  und  Südost-Abhänge  der  Berglehnen,  ab- 
gesetzt So  erklärt  er  auch  die  mächtigen  Lösslager  in  der  nächsten  Nähe  von 
Brunn  am  Rothen  Berge  und  am  Urnberge,  von  denen  unser  erster  Spaziergang 
uns  eine  Anschauung  gewährte. 

Wir  sahen  hier  gewaltige  Abstiche,  von  denen  der  Thon  für  grosse  Ziegeleien 
gewonnen  wird,  bis  zu  einer  Höhe  von  mindestens  20  m.  In  der  gelblichen,  leicht 
zerreiblichen  Masse  von  kalkhaltigem,  sandigem  Thon  bemerkt  man  schon  von 
Weitem  schwarze  Linien  und  muldenförmige  Einlagerungen,  je  nach  der  Lagerung 
schräge  oder  horizontale,  jedoch  mehr  oder  weniger  geradlinige  Einsprengungen, 
mit  Spuren  von  Holzkohle  und  mit  Lehm  gemischte  Aschenlagen,  zuweilen  mit 
Thierknochen  durchsetzt.  In  unserer  Anwesenheit  wurden  Knochen  des  Rhinoceros, 
des  Murmelthieres  (Bobak)  und  des  Mammuth  zu  Tage  gefördert.  Hr.  Makowsky 
bezeichnet  als  das  häufigste  grössere  Säugethier  aus  der  Umgebung  von  Brunn  das 
fossile  Pferd;  nächstdem  kommen  das  Woll-Nashorn  und  das  Mammuth,  seltener 
Wisent  (Bos  priscus)  und  Renthier,  noch  seltener  Riesenhirsch  und  Edelhirsch, 
hier  und  da  Höhlenbär  und  Löss-Hyäne  (Hyaena  prisca),  Wolf,  Höhlen-Löwe  (Felis 
spelaea)  und  Dachs.  Die  erstgenannten  betrachtet  er  mit  Wankel  als  Jagdthiere. 
Unter  den  schwarzen  Einlagerungen  unterscheidet  er  die  verbal tnissmässig  kleinen 
Aschen-  und  Kohlenlagen,  die  er  ihrer  alkalischen  Reaction  wegen  als  Brand- 
stellen nimmt,  von  den  weit  verbreiteten  und  bis  zu  1,5  m  mächtigen  Schichten, 
deren  Erde  eine  saure  Reaction  giebt  und  die  er  deshalb  für  Producte  einer 
einstigen  Vegetation  hält.  Abweichend  davon  hat  Hr.  Maska  alle  diese  dunklen 
Erdschichten  auf  eine  Art  von  Präriebränden  bezogen;  es  scheint  mir  richtig,  was 
Hr.  Makowsky  gegen  diese  Verallgemeinerung  der  Deutung  einwendet.  Oft  genug 
sah  auch  ich  bei  anderen  Gelegenheiten  solche  Einlagerungen  an  Stellen,  wo  Gras 
und  Kräuter  durch  Sandwehen  überlagert  und  allmählich  vermodert  waren,  ohne 
dass  Spuren  von  Brand  aufgefunden  werden  konnten.  Auch  waren  die  bei  Brunn 
eingelagerten  kleinen  vegetabilischen  Reste  so  weich,  dass  sie  sich  leicht  zwischen 
den  Fingern  verschmieren  Hessen.  Freilich  muss  ich  anerkennen,  dass  auch  die  etwas 
grösseren  feuchten  „Kohlenstückchen"  der  „ Aschenplätze **  wenig  Resistenz  zeigten 
und  sich  unschwer  zerdrücken  liessen.  Immerhin  spricht  das  Vorkommen  von  „oft 
eingebetteten  und  durch  Hitze  mehr  oder  weniger  veränderten  Knochen"  an  diesen 
Stellen  sehr  bestimmt  für  die  Deutung  des  Hm.  Makowsky.  Noch  viel  mehr  ist 
dies  der  Fall  in  Bezug  auf  das  gelegentliche  Vorkommen  bearbeiteter  Steingeräthe. 

Der  wichtigste  Fund  ist  aber  der  schon  früher  (Verhandl.  1894,  S.  4'2.3)  aus- 
führlich von  mir  referirte  eines  menschlichen  Skelets,    umgeben  von  zahlreichen 


(334) 

Ariefakten,  welches  im  Jahre  1891  bei  Gelegenheit  eines  Ganalbaaes  ans  dem 
Untergründe  der  Stadt  selbst  ausgegraben  worden  ist.  Wir  sahen  die  noch  genau 
bekannte  Stelle  in  der  Franz -Josefstrasse  in  der  Unterstadt  und  die  Gegenstände 
selbst  im  Museum.  Von  dem  Schädel  kann  ich  anerkennen,  dass  er  manche  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  Neanderthaler  hat:  er  ist  sehr  lang,  hat  grosse,  stark  rortretende 
Naso-Orbitalwülste,  eine  fliehende  Stirn,  flache  Scheitelcunre  und  einen  grossen 
Absatz  am  Lambdawinkel;  die  Zähne  sind  tief  abgenutzt.  Der  schon  von  den 
früheren  Beobachtern  angemerkte  rothe  Ueberzug  am  Schädel  und  an  einigen 
Extremitäten-Knochen  erschien  mir  künstlich  hergestellt,  obgleich  an  einigen  jüngeren 
Stücken  von  Krommau  ähnliche  rothe  Beschläge  zu  sehen  waren.  Das  Skelet 
war  zum  Theil  bedeckt  von  Knochen  des  Mammuths,  des  Rhinoceros,  des  Pferdes 
und  des  Renthieres,  geschmückt  mit  Dentalien  und  begleitet  ron  einem  Idol  aus 
Mammuth-Stosszahn  (abgebildet  in  den  Verhandl.  1895,  S.  705).         * 

Ich  bemerke  dabei,  dass  Hr.  Maäka  zur  Ausstellung  in  Brunn  ein  Idol  mit- 
gebracht hatte,  das  ich  in  meiner  Notiz  als  eine  Niobe-Gestalt  bezeichnet  habe.  Es 
war  eine  rohe  menschliche  Figur  von  Pfedmost,  geschnitzt  aus  einem  Metatarsal- 
knochen  von  Elephas  primigenius.  Nach  einer  Mittheilung  des  Hm.  Maska  besitzt 
derselbe  übrigens  ron  Pi^edmost  noch  andere,  ziemlich  übereinstimmende  Exemplare, 
„deren  gleichartige  Bearbeitung  jeden  Zweifel  ausschliesst  und  eine  bestimmte  Ab- 
sicht verräth^.  An  4  dieser  Exemplare  sind  an  der  Rückseite  deutliche  Brand- 
spnren  wahrzunehmen. 

Die  neuesten  Untersuchungen  des  Hm.  Makowsky  betreffen  das  Vorkommen 
von  bearbeiteten  Rhinoceros-Knochen  in  dem  Löss  von  Brunn  und  in 
einigen  Nachbarorten,  von  denen  uns  in  der  „Technik^  eine  Anzahl  vortrefflicher 
Exemplare  vorgelegt  wurde.  Eine  speciellere  Aufzählung  nebst  Abbildungen  hat 
der  treffliche  Forscher  so  eben  in  den  Mittheilungen  der  Wiener  Anthrop.  Gesellsch., 
Bd.  XXVII,  veröffentlicht  Indem  ich  darauf  verweise,  erwähne  ich  nur,  dass  es 
sich  um  Knochen  des  Rhinoceros  tichorhinus  handelt  und  dass  die  besten  Stücke 
die  grossen  Extremitäten-Knochen  betreffen.  Dieselben  sind  meist  so  zerschlagen, 
dass  die  Gelenkenden  durch  einen  schiefen,  den  distalen  Theil  der  Diaphyse  durch- 
setzenden, scharfrandigen  Bruch  abgesprengt  sind.  Hr.  Makowsky  hebt  nun 
hervor,  dass  diese  Knochen  beim  Rhinoceros,  wie  bei  den  übrigen  Pachydermen, 
nicht  hohl  sind,  sondern  im  Innern  ein  spongiöses  Knochengewebe  enthalten,  dessen 
„Zellen  gegen  die  Mitte  des  Knochens  immer  grossmaschiger  werden".  Er  sagt 
deshalb,  diese  Knochen  seien  „keine  Mark-  oder  Röhrenknochen**,  aber  er  er- 
kennt doch  an,  dass  auch  ihre  „Zellen^  mit  Mark  erfüllt  seien;  es  wird  daher 
dem  Verständniss  grösserer  Kreise  mehr  entsprechen,  wenn  wir  sagen,  diese 
Knochen  hätten  keine  Markhöhle,  sondern  an  Stelle  der  sonst  gewöhnlichen  Höhle 
nur  eine  weitmaschige  Spongiosa  mit  verhältnissmässig  festen  und  starken  Knochen- 
bälkchen.  Mit  Recht  folgert  Hr.  Makowsky,  dass,  wenn  wir  im  Innern  eines 
solchen  Knochens  eine  (zusammenhängende)  Höhlung  finden,  sie  nur  auf  künst- 
lichem Wege  durch  den  Menschen  hergestellt  sein  könne.  Da  er  nun  an  der 
Innenwand  der  Knochen  in  den  meisten  Fällen  „Kratzspuren%  schraubenfbrmig 
über  einander  sah,  so  nimmt  er  an,  dass  die  Höhlungen  durch  Steinwerkzeuge 
erzeugt  seien. 

In  diesem  Punkte  möchte  ich  mir  eine  kleine  Abweichung  erlauben.  Es  fiel 
mir  nehmlich  auf,  dass  die  Höhlun'xen  fast  immer  eine  ganz  bestimmte  Form 
zeigten.  Jede  einzelne  Höhlung  bc^^nnt  mit  einer  gegen  die  Mitte  der  Diaphyse 
gerichteten  Oeffhung,  welche  so  weit  ist,  dass  man  bequem  einen  oder  ein  Piar 
Finger  in  dieselbe  einführen  kann,  und  sie  endet  mit  einer  gegen  das  Ctelenkende 


(335) 

^richteten,  aber  dasselbe  nicht  erreichenden  Zaspitznng.  Ihr  Qaerschnitt  ist  nicht 
rund  oder  anregelmässig,  wie  er  darch  Kratzen,  Bohren  oder  Drehen  hergestellt 
werden  könnte,  sondern  riereckig  mit  ziemlich  regelmässigen  Seiten.  Ich 
hatte  den  Eindruck,  dass  eine  solche  Höhlung  nur  durch  das  Eintreiben  eines  vier- 
eckigen zugespitzten  Körpers,  z.  B.  eines  Holzpflockes  von  dieser  Gestalt,  heryor- 
gebracht  sein  könne.  Die  Spongiosa  ist  nicht  so  widerstandsfähig,  dass  ein  Holz- 
keil  nicht  durch  Stein-  oder  Hammerschläge  ohne  Weiteres  in  sie  eingetrieben 
werden  könnte. 

Auf  der  Tafel^  welche  Hr.  Makowsky  seiner  Abhandlung  beigegeben  hat,  ist 
die  Oestalt  der  Höhlung  nicht  wiedergegeben.  Diese  Gestalt  ist  aber,  wie  mir 
scheint,  für  die  Deutung  entscheidend.  Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  <.'ne 
solche  Höhlung  zum  Zwecke  der  Entnahme  von  Mark  hergestellt  worden  ist  Aber 
wozu  kann  sie  dann  gedient  haben?  Ich  vermochte  bei  der  Betrachtung  der  Ob- 
Jecte  den  Gedanken  nicht  los  zu  werden,  dass  diese  gewaltigen  Knochenstttcke  für 
die  Errichtung  der  Wohnung  verwendet  worden  sind,  z.  B.  in  der  Art,  dass  Hölzer, 
welche  zum  Aufbau  der  Wand  oder  des  Daches  dienen  sollten,  in  die  senkrecht 
auf  oder  in  den  Boden  eingesetzten  Knochen  eingestossen  wxurden.  Die  Hölzer 
konnten  auf  diese  Weise  vor  der  Einwirkung  der  Bodenfeuchtigkeit  oder  sonstiger 
zerstörender  Agentien  geschützt  bleiben.  Hätte  es  sich  um  die  Herstellung  eines 
zu  häuslichen  Zwecken  bestimmten  Geräthes  gehandelt,  z.  B.  um  die  Gewinnung 
eines  Trinkgefässes,  so  würde  man  das  Innere  wohl  mehr  geglättet  haben,  als  es 
der  Fall  war. 

Jedenfalls  ist  es  zweifellos,  dass  die  beschriebenen  Höhlungen  menschliches 
Manufact  sind,  und  da  nach  den  Fundnachrichten  anzunehmen  ist,  dass  sie  schon 
in  dem  Augenblick,  wo  die  Knochen  aus  dem  Löss  hervorgeholt  wxurden,  vor- 
handen waren,  so  wird  man  sie  auch  zu  den  Beweisen  der  urgeschichtlichen 
Rhinoceros-Jagd  zählen  dürfen. 

Damit  gelangen  wir  an  jenen  Abschnitt  der  neueren  Untersuchungen,  welche  die 
lirgeschichtliche  Jagd  in  diesen  Gtegenden  im  Allgemeinen  betreffen.  Der  erste, 
der  diese  Untersuchungen  für  Mähren  mit  Erfolg  in  die  Hand  genommen  hat,  war 
Graf  Gundacker  Wurmbrand,  der  in  seiner  Abhandlung  über  die  Anwesenheit 
des  Menschen  zur  Zeit  der  Lössbildung  (Mitth.  der  Wiener  Anthropol.  Ges.  HI. 
1873,  und  Denkschr.  der  k.  Akademie  der  Wissensch.  Mathemat.-naturw.  Glasse. 
Wien  1879.  Bd.  39,  Abth.  2,  S.  165)  die  „Mammuthjäger-Station""  von  Joslowitz  im 
südlichen  Mähren  behandelte.  Durch  die  Entdeckung  der  Löss-Station  von  Pfedmost 
im  nördlichen  Mähren  1879,  welche  alsbald  von  unserem  Freunde  H.  Wankel 
erforscht  wurde,  den  seine  Landsleute  den  Vater  der  mährischen  Prähistorie  ge- 
nannt haben,  wendete  sich  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  dem  Mammuth  zu,  dessen 
Knochen  den  Hauptbestandtheil  der  dortigen  Funde  bildeten.  An  den  weiteren 
Untersuchungen  betheiligte  sich  ausser  den  HHm.  Maska  und  KHi  auch  unser 
correspondirendes  Mitglied  Japetus  Steenstrup,  der  trotz  hoher  Anerkennung  der 
Verdienste  der  Localforscher  doch  den  stärksten  Widerspruch  dagegen  erhob,  dass 
die  Mammuthe  von  Pfedmost  als  Jagdbeute  zusammengetragen  seien,  der  vielmehr 
die  Erklärung  aufstellte,  dass  die  Leute  von  Pfedmost,  wie  die  heutigen  Jakuten 
und  die  ihnen  benachbarten  sibirischen  Stämme,  die  im  Löss  vergrabenen  Mammuthe 
oder  deren  Skelette  ausgegraben  und  lange  nach  dem  Untergange  der  Thiere  ver- 
arbeitet hätten  (Mammuthjaeger- Stationen  ved  Pi^edmosi  K.  D.  Vidensk.  Selsk. 
Forh.  1888,  Kjebenhavn  1889,  p.  X).  Darüber  ist  denn  ein  lang  andauernder  Streit 
ausgebrochen,  der  auch  im  Auslande  vielfachen  Widerhall  gefunden  hat.  Für 
meyien  heutigen  Vortrag  kann  ich  über  diesen  Streit  hinweggehen.    Ich  will  nur 


(336) 

constatiren,  dass  meines  Wissens  alle  mährischen  Forscher  einmüthig  auf  die  Seite 
WankeTs  gelieten  sind,  und  dass  auch  ich  von  der  Ansicht  Steenstrup^s  zurück- 
getreten bin. 

Ich  hatte  die  Hoffnung  gehegt,  es  werde  mir  bei  der  gegenwärtigen  Reise 
auch  beschieden  sein,  Piredmost  zu  sehen;  ich  gab  diesen  Gedanken  jedoch  auf, 
nachdem  die  besten  Kenner  des  Ortes  mir  die  Versicherung  ertheilt  hatten,  es  sei 
kein  Stück  des  alten  Schauplatzes  mehr  erhalten.  Ueber  diesen  besitzen  wir  die 
treffliche  Beschreibung,  welche  Wankel  selbst  auf  der  General -Versammlung 
unserer  deutschen  Gesellschaft  in  Stettin  (XVll.  allg.  Vers.  1886,  Corresp. -Blatt 
S.  149)  uns  vorgetragen  und  in  seiner  Monographie  (Die  prähistorische  Jagd  in 
Mähren.  Olmütz  1892.  S.  11)  weiter  ausgeführt  hat,  sowie  die  neuesten  Mit- 
theilungen der  HBrn.  Karl  J.  Maska  (Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  für 
Kunst-  und  historische  Denkmale.  XX.  1894)  und  M.  Kfi/.  (Mittheil,  der  Section 
für  Naturkunde  des  österr.  Tour.-Clubs.    1897.    Nr.  5—7). 

Darnach  liegt  P^edmost,  eine  kleine  Ortschaft  von  nicht  ganz  600  Einwohnern, 
dicht  bei  Prerau  am  rechten  Ufer  der  Bec^wa  oberhalb  ihrer  Vereinigung  mit  der 
March.  Auf  seiner  Westseite  erhob  sich  ein  isolirter  Lösshügel,  Hradisko  oder 
Chlum  (Anhöhe)  genannt,  34  m  über  die  vorliegende  Ebene;  den  Grundstock  des- 
selben bildete  eine  Klippe  von  devonischem  Kalk,  welche  durch  einen  Sattel  von 
einer  zweiten  niedrigeren  Klippe  getrennt  war,  die  in  einem  hinter  dem  Hofe  des 
Grundbesitzers  Chromecek  befindlichen  Garten  lag.  Hier  wurde  bei  Ausgrabungen 
zu  Wirthschaftszwecken  eine  ^unglaubliche  Menge  Knochen  riesiger  Thiere^  auf- 
gedeckt. Nadi  den  mir  gewordenen  mündlichen  Mittheilungen  waren  dieselben 
wesentlich  im  Umfange  des  Kalkfelsens  angehäuft,  wo  jetzt  nichts  mehr  zu 
finden  ist. 

Vom  Menschen  selbst  war  ursprünglich  wenig  zu  Tage  gekommen.  Wankel 
selbst  berichtet  über  die  rechte  Unterkiefer-Hälfte  eines  Menschen'),  welche,  in 
Asche  eingebettet,  unter  einem  riesigen  Oberschenkel -Knochen  des  Mammuth 
verborgen  war;  in  dem  Gelenk  köpf  steckte  ein  abgesplittertes  Feuersteinstück 
(Abbild,  im  Stettiner  Bericht  S.  150;.  Hr.  Schaaffhausen,  der  diesen  Knochen 
beschrieb  (ebendas.  S.  148),  fand  darin  eine  ^pithekoide"  Lücke  (Diastema)  zwischen 
Eckzahn  und  Schneidezahn,  erkennbar  an  der  3  mm  breiten  Alveolarwand  (daa 
Mittelstück  mit  den  Schneidezähnen  selbst  fehlte).  Er  betonte  femer  die  Grösse 
und  die  starke  Bewurzelung  des  Weisheitszahnes,  wie  sie  bei  niederen  Rassen  vor- 
zukommen pflege,  und  erklärte  die  Angabe  WankeTs  (Die  prähistor.  Jagd,  S.  14, 
Taf.  I,  Fig.  1),  dass  die  Bildung  des  Unterkiefers  sich  nicht  wesentlich  von  der 
des  jetzigen  Menschen  unterscheide,  für  nicht  zutreffend.  —  Zwei  andere  Kiefer- 
stücke, die  er  selbst  ausgehoben  hat,  sind  später  von  Hrn.  Ki-ii  (Ueber  einen 
wichtigen  Lösshügel  in  Predmost.  Mitth.  des  österr.  Tour.-Clubs  S.  7  u.  11)  ab- 
gebildet: das  sehr  defecte  Fragment  eines  Unterkiefers  und  ein  stattlicher  Ober- 
kiefer, dessen  weite  2jahncurve  eine  sehr  breite  und  kurze  Gaumenplatte  um- 
zieht und  an  dem  sowohl  die  leeren  Alveolen,  als  die  noch  vorhandenen  Molaren 
gross  und  stark  abgenutzt  sind.  —  Von  dem  Besuche  in  Brunn  habe  ich  einen 
im  Besitze  des  Hm.  Maska  befindlichen  Kiefer  notirt,  der  colossale  Zähne  mit 
ganz  flachen  Wurzeln  besass. 

1)  Nuch  einer  Mittheilnng  des  Hm.  KiÜ  befindet  sich  dieser  Kiefer  in  der  Sammlong 
des  Olroützer  Musealvereins;  er  ist  überdies  abgebildet  in  der  Zeitschrift  dieses  Vereins  1884, 
Nr.  4  und  in  MaSka:    Der  diluviale  Mensch  in  Mähren.    1886.    S.  108. 


(337) 

Bei  unserer,  später  zu  erwähnenden  Zusammenkunft  in  Sloup  übergab  mir  Hr. 
Krii  zwei  Photogramme  eines  von  ihm  in  Pfedmost  ausgegrabenen  Schädels,  der 
auf  der  Stirn  einen  noch  incrustirten  Zahn  und  zwei  leere  Alveolen  vom  Eisfuchs 
trägt  Auch  Reste  der  ursprünglichen  Ablagerung  sind  an  der  Oberfläche  er- 
halten. Der  Schädel  zeigt  eine  ungewöhnlich  breite  Stirn  mit  tiefer  Glabella  und 
vortretendem  Stimnasenwulst;  sie  ist  zugleich  hoch  und  flach  gewölbt,  mit  kräftigen 
Tnbera  und  lang  aufsteigender  Curve.  Die  Augenhöhlen  sind  gross  und  etwas 
schief,  indem  der  äussere  Theil  der  Supraorbitalränder  leicht  gesenkt  und  die 
Infraorbitalränder  nach  aussen  vertieft  sind;  Höhe  etwa  31,  Breite  35  mm,  Index 
88,5  (hypsikonch).  Die  Nasenwurzel  ist  breit  und  tief  angesetzt;  die  knöcherne 
Nase  selbst  schmal  und  am  Rücken  etwas  eingebogen;  die  Nasenöffnung  nach 
unten  erweitert.  Nach  den  Maassen  an  der  Photographie  beträgt  die  Höhe  der 
Nase  42,  die  untere  Breite  an  der  Apertur  23  mm^  der  Index  also  54,7  (platyrrhin). 
Der  Oberkiefer  ist  stark,  die  Fossae  caninae  gross  und  tief,  der  Alveolaifortsatz 
von  massiger  Höhe  und  etwas  schräg  vortretend.  Die  leeren  Alveolen  weit;  die 
noch  vorhandenen  hinteren  Zähne  von  massiger  Grösse,  aber  stark  abgenutzt.  — 
Das  ist  nicht  viel.  Wahrscheinlich  Hesse  sich  ein  Mehreres  ermitteln,  wenn  die 
Erdkruste,  welche  den  grössten  Theil  des  Schädels,  namentlich  das  Dach,  über- 
deckt, ganz  abgelöst  würde.  Ein  Verlust  wäre  die  Entblössung  nicht;  wohl  aber 
wäre  es  möglich,  dass  wir  dadurch  zu  einer  wissenschaftlichen  Classificirung  des 
Schädels  gelangten. 

Zahlreicher  sind  die  Artefakte,  welche  in  Piredmost  gesammelt  wurden.  Wankel 
hat  sowohl  von  den  geschlagenen  Feuersteinen,  als  auch  von  anderen  Stein-  und 
Beingeräthen  Abbildungen  geliefert  (Stettiner  Bericht  S.  151.  A — F,  p,  S.  Prähistor. 
Jagd,  Taf.  II  und  III).  Ganz  besonders  interessant  ist  ein  Rippen-Fragment  vom 
Mammuth  (Prähistor.  Jagd  S.  15),  welches  reihenweise  gestellte,  schräge  Strich- 
Einritzungen  in  auch  sonst  bekannter  Anordnung  trägt,  wie  sie  Hr.  MaSka  auch 
an  den  Ekidstücken  von  Stosszähnen  sah.  Eine  grössere  Zahl  von  Knochen-  und 
Elfenbein-Geräthen  führt  gleichfalls  Hr.  Maska  auf.  Besonders  zu  erwähnen  ist 
das  häufige  Vorkommen  von  Röthel  (selten  Ocker  und  eine  schwarze  Farbe);  auch 
fanden  sich  Schieferplatten,  auf  denen  Röthel  zerrieben  wurde. 

Dabei  ist  daran  zu  erinnern,  dass  der  Gebrauch,  macerirte  menschliche  Knochen 
roth  zu  förben,  wie  es  schon  von  dem  Skelet  der  Franz-Josefstrasse  erwähnt  ist,  noch 
jetzt  in  Polynesien  vorkommt.  Eü:.  de  Baye  (L' Anthropologie.  1895.  T.  VI.  p.  4) 
hat  kürzlich  einen  neolithischen  Kurganenfand  aus  der  Gegend  von  Smela  erwähnt, 
wo  Graf  A.  Bobrinskoy  zwei  Skelette  biossiegte,  bei  denen  gewisse  Theile,  zumal 
des  Schädels,  roth  bemalt  (peintes)  waren.  —  Mit  Recht  wird  dabei  an  die  früheren 
Ausgrabungen  des  Hm.  Rivi^re  in  Mentone  und  an  die  des  Hm.  Pigorini  bei 
Agnani  erinnert  Mir  scheint  es  nicht  zweifelhaft,  dass  die  Bemalung  oder  das 
Anstreichen  der  Knochen  nach  der  Maceration  des  Fleisches  stattgefunden  hat. 
Wenn  Ei,  Kiii  die  Frage  aufwirfl,  ob  der  in  PlPedmost  gefundene  Röthel  zum 
Färben  oder  Tättowiren  verwendet  wurde  (Mitth.  des  österr.  Tour.-Clubs  S,  16),  so 
ist  ja  für  Lebende  Beides  möglich,  vielleicht  sogar  verwandt;  aber  was  die  Färbung 
der  Knochen  anbetrifft,  so  halte  ich  nur  die  Frage  für  zulässig,  ob  dieselben 
künstlich  angestrichen  oder  ob  färbende  Bodenbestandtheile  zußQiig  in  dieselben  ein- 
gedrungen sind.  Schon  vorher  habe  ich  bei  Gelegenheit  des  Skelets  aus  der  Franz- 
Josefstrasse  erwähnt,  dass  mir  in  Bezug  auf  gewisse  Fundstücke  von  Krommau 
solche  Zweifel  aufgestiegen  sind.  — 

Ich  verlasse  damit  die  Funde  von  P^edmost  und  wende  mich  zu  dem  schon 
erwähnten  Höhlengebiet,  das  ich  ans  eigener  Anschauung  kennen  gelernt  habe. 

Vcrbandl.  der  B*rl.  AntbropoL  Gesellachaft  1897.  22 


(338) 

Es  hat  zugleich  die  historische  Bedeutung,  dasB  Dr.  Wankel,  der  lange  Zeit  in 
der  Mitte  desselben,  in  Blansko,  wohnte,  in  diesen  Höhlen  seine  ersten  und  fUr 
ihn  selbst  bestimmenden  Untersuchnngen  angestellt  hat.  Wenn  man  von  Norden 
her  die  Reise  macht,  so  gelangt  man  von  Prag  ans  auf  der  äatlichen  Wiener  Route 
(Über  Kolin  und  Pardnbitz),  nachdem  man  die  flacheren  Striche  des  nordwest- 
lichen Mährens  pasairt  hat,  za  einer  stark  bergigen  Landachall,  der  „mährischen 
Schweiz",  welche  von  der  nach  Süden  strömenden  Zwittawa  durchbrochen  ist  und 
ein  höchst  malerisches,  von  prächti^m  Laubwald  begleitetes,  enges  Thal  um- 
schliesst.  Kurz  hintereinander  erreicht  man  die  kleinen  Ortschaften  Raitz,  Blansko 
und  Adamsthal.  Dann  verbreitert  sich  das  Tbal  und  öffnet  sich  schliesslich  in  den 
Kessel  von  Brtlnn.  Auf  dieser  letzten  Strecke,  schon  vor  Raitz  beginnend,  zieht 
sieb  auf  der  (linken)  östlichen  Seit«  der  Abbang  eines  Gebiigs-Plateans  fort,  welches 
in  seinem  westlichen  Theile  längs  der  Zwittawa  ans  devonischem  Kalk,   in  dem 


östlichen  aus  Grauwacken-Sand stein  zusammengesetzt  ist.  Ks  hat  eine  mittlere 
Seehöhe  von  400  nt  und  endet  in  der  Nähe  von  Brunn  iu  dem  423  m  hohen  Hadi- 
bei^,  während  der  Drahaner  Berg  im  Norden,  östlich  von  Sloup,  eine  Höhe  von 
606  m  erreicht  Dieses  Terrain  stellt  das  eigentliche  Höhlengebiet  dar.  Eine 
Reihe  wasserreicher  Bäche,  welche  von  Osten  her  fast  rechtwinklig  durch  das- 
selbe gegen  das  Thal  der  Zwittawa  herabströmen,  hat  tiefe  Schluchten  eingerissen, 
an  deren  Rändern  die  Bäche  stellenweise  in  die  Tiefe  verschwinden  und  nach 
ktlrzerem  oder  längerem  unterirdischem  I^aufe  wieder  zu  Tage  treten.  Die  meisten 
TOD  ihnen  haben  Höhlen  ausgewaschen,  die  sich  oft  weithin  unter  der  OberlUcbe 
erstrecken,  in  der  Regel  durch  Nebengänge  mit  einander  zusammenhängen  oder  in 
noch  unbekannter  Fortsetzung  sich  in  das  Innere  des  Gebirges  einsenken.  In 
diesen  Höhlen  (in  obiger  Skizze  bei  a)  war  es,  wo  Wankel  seine  merkwOntigen 
Entdeckungen    machte    und    manche   höchst   wagehalsige   Forschungsreise   unter- 


(339) 

Es  ist  das  Verdienst  des  Eürn.  Kltii^  durch  vieljährige  und  höchst  mühsame 
Untersuchungen  die  Verhältnisse  einer  grossen  2iahl  der  Höhlen,  insbesondere  ihre 
Niveau -Verhältnisse,  wissenschaftlich  festgestellt  zu  haben.  Es  hat  sich  dabei 
mancher  Irrthum  des  alten  Wanke  1,  aber  zugleich  eine  höchst  werth volle  Be- 
stätigung seiner  Hauptresultate  ergeben.  Auch  Hr.  Kiii  hat  Unmassen  von  Knochen 
alter  Höhlenthiere  und  zahlreiche  Spuren  der  Anwesenheit  des  Menschen  getroffen. 
Durch  die  sorgsame  Berücksichtigung  der  Höhenlage  der  einzelnen  Höhlen  und 
durch  eine  skrupulöse  Glassificirung  des  Inhaltes  derselben  ist  es  gelungen,  ein 
Bild  von  der  Aufeinanderfolge  der  lu^eschichtlichen  Voi^gänge  zu  gewinnen, 
welches  freilich  immer  noch  nicht  ein  abschliessendes  genannt  werden  darf,  aber 
doch  in  der  Hauptsache  als  feststehend  angesehen  werden  kann.  Ich  möchte  nur 
den  cardinalen  Satz  anführen  (Jahrb.  42,  3.  S.  611):  „In  Mähren  gab  es  eine 
praeglaciale  Fauna,  aber  keinen  praeglacialen  Menschen.^ 

Unser  Ausflug  in  das  Höhlengebiet  war  in  der  Art  disponirt,  dass  wir  am 
Morgen  des  29.  Mai  mit  der  Eisenbahn  von  Brunn  bis  nach  Raitz  fuhren.  Dort 
bestiegen  wir  Wagen,  um  die  Höhe  von  Sloup  (sprich  Slöp)  zu  erreichen.  Ent- 
zückende Fernblicke  über  die  nördliche  und  westliche  Landschaft  eröffneten  sich 
auf  diesem  Wege.  In  Sloup  trafen  wir  Hm.  Rjri2,  der  dort  eine  grosse  Aus- 
stellung von  Fundobjecten  veranstaltet  hatte.  Von  da  begaben  wir  uns  in  die 
Slouper  Höhlen,  den  Ausgangspunkt  von  Wankel's  Studien.  Seit  jener  Zeit 
st  manche  neue  Abtheilung  hinzugekommen.  Decke  und  Wände  haben  ihren 
Stalaktiten-Schmuck  fast  ganz  verloren,  die  Ablagerungen  von  thierischen  Ueber- 
resten  sind  verschwunden,  aber  die  Höhlen  selbst  zeigen  noch  immer  ihre  prächtigen 
Hüllen  und  das  Wasser  rauscht  noch  immer  in  der  Tiefe  und  nagt  an  dem  Gestein. 
Wegen  einer  weiteren  Beschreibung  verweise  ich  auf  die  schon  erwähnten  Schriften. 
In  Betreff  der  diluvialen  Thiere  mag  es  genügen,  die  vielen  Knochen  des 
Höhlenbären  zu  erwähnen,  die  hier  gesammelt  worden  sind;  sie  bilden  nach 
allen  Zeugnissen  das  Hauptinventar  der  Slouper  Höhlen.  Wankel  selbst  (Die 
prähistor.  Jagd,  S.  60)  gab  an:  „Vorwaltend  waren  die  Knochen  des  Höhlenbären, 
seltener  die  der  Höhlen hyäne,  vereinzelt  jene  des  Höhlenlöwen,  des  Höhlen wolfes 
und  des  Höhlen-Fjellfrasses.^  Hier  war  es  auch,  wo  der  Schädel  eines  Höhlen- 
bären mit  verletzter  Crista  parietalis  (ebendas.  S.  63  —  64)  gefunden  wurde,  den 
Wankel  ganz  besonders  hoch  schätzte,  „da  durch  ihn  nicht  nur  die  Gleichzeitig- 
keit des  diluvialen  Menschen  mit  dem  Höhlenbären,  sondern  auch  der  Kampf  mit 
demselben  nachgewiesen  wird^  *).  Die  Fundstelle  ist  in  ein  Paar  Situationsskizzen 
(Wankel  a.  a.  0.  S.  51,  Schacht  27,  und  S.  56  bei  -f)  genau  bezeichnet. 

Eine  einzige  Stelle  an  den  Slouper  Höhlen  verdient  noch  jetzt  in  hervor- 
ragendem Maasse  die  Aufmerksamkeit  der  Alterthums-Forscher.  Es  ist  die  so- 
genannte Külna,  eine  Bezeichnung,  welche  die  österreichischen  Gollegen  durch 
„Schupfen"  (Wankel  a.  a.  O,  S.  59;  KHz,  Jahrbuch  u.  s.  w.,  Bd.  41,  3.  S.  459, 
Taf.  IX),  auch  wohl  durch  „Kuhstall"  (Führer  in  die  Umgebung  von  Brunn  S.  20—21 
mit  Abbildung,  Karte  U,  Fig.  1)  übersetzen.  Wenn  man  von  Sloup  längs  der 
40  m  hohen  Felswand,  an  welcher  die  Eingänge  zu  den  Höhlen  liegen,  und  längs 
des  daraus  hervortretenden  Baches  nach  Süden  geht,  so  stösst  man  zuerst  auf 
einen  isolirt  vor  der  Vorhalle  19  m  hoch  aufragenden  mächtigen  Felsblock,  genannt 
der  Kammfelsen  oder  Hi-ebenic,  auf  dem  einstmals  eine  Statue  des  heiligen  Simon 
Stylites  gestanden  haben  soll  (Wankel,  Jagd,  S.  45  mit  Abbildung;  Klrii,  Führer, 


1)  YergL  über  verheilte  Knochenwnnden  an  orgeschichÜichen  Knochen  diese  Verhandl. 
1882,  8. 173,  179^416-19. 

22* 


(340) 

S.  22,  Abbild.  Nr.  7,  P).  Bald  darauf  gelangt  man  an  einen  Vorsprang  der  Fels- 
wand, der  durch  einen  natürlichen  weiten,  gebogenen  Gang  nach  Art  eines  Tunnels 
durchbrochen  ist.  Der  Gang  ist  85  m  lan^r,  über  20  m  breit  und  5 — 8  m  hoch; 
sein  oberer  Eingang  hat  eine  Breite  von  13  bei  einer  Höhe  von  über  3  m,  der 
untere  ist  gegen  30  m  breit  und  8  m  hoch  und  stellt  einen  grossartigen  Felsen- 
bogen dar.  Da  beide  Eingänge  sich  in  das  Bachthal  öffnen,  so  dient  der  Tunnel 
noch  jetzt  als  ein  Schlupfort  für  Menschen  und  Thiere.  So  muss  es  wohl  schon 
immer  gewesen  sein;  denn  gerade  in  diesem  Tunnel  hat  sich  ein  wahres  Museum 
von  Thierknochen  ergeben,  und  zwar  von  solchen,  welche  in  den  benachbarten 
Höhlen  gar  nicht  oder  nur  sparsam  ausgegraben  sind.  Dies  gilt  namentlich  rom 
Mamranth.  Hr.  K^ii  (Jahrbuch,  Bd.  41,  S.  526)  hat  in  Schächten,  welche  er  in 
dem  Tunnel  graben  liess,  44 mal  Stücke  vom  Mammuth  gesammelt,  darunter 
49  Molaren  und  9  Stosszähne.  Aber  sie  erschienen  nicht  in  der  oberflächlichen 
schwarzen  Lehmschicht,  sondern  erst  in  der  aus  gelblichem  Lehm,  Ralkblöcken 
und  Kalkschotter  bestehenden  Ablagerung,  welche  unter  der  schwarzen  Schicht 
ruht,  und  sie  reichen  16  m  tief  bis  zu  der  felsigen  Sohle.  Hier  tritt  der  Gegensatz 
zwischen  der  uralten  Mammuthschicht  und  der  späteren  Höhlenablagerung  mit 
ihren  Bären-  und  Hyänen-Rnochen  scharf  in  die  Erscheinung.  Freilich  beginnen 
auch  diese  schon  früh ;  denn  es  wurden  vom  Rhinoceros  tichorinus  75,  vom  Ursus 
spelaeus  98,  von  der  Hyaena  spelaea  11,  von  der  Felis  spelaea  7,  vom  Cervus  Tarandus 
201  Stück  gesammelt.  Da  aber  überhaupt  keine  Ueberreste  diluvialer  Thiere  in 
der  schwarzen  Lehmschicht  vorkamen,  so  schliesst  Hr.  K^ii  auf  eine  klimatische 
und  hydrographische  Veränderung  in  jener  Zeit.  Dann  folgen,  offenbar  nach  recht 
langer  Zeit,  in  der  schwarzen  (oberen)  Schicht  die  Knochen  von  Hausthieren  (Bos 
taurus,  Ovis  aries,  Capra  hircus,  Sus  domestica,  Canis  familiaris  u.  s.  w.).  Reste 
menschlicher  Hinterlassenschaft  kamen  eigentlich  nur  bis  in  3  m,  einmal  bei  4  m 
Tiefe  vor,  so  dass  für  den  Theil  der  knochenführenden  Ablagerung,  in  der  mensch- 
liche Artefakte  fehlen,  12  m  übrig  bleiben. 

Das  ist  ein  kurzer  Auszug  aus  dem  Bericht  des  Hm.  Rh' 2.  Ein  Beweis  Air 
die  Richtigkeit  seiner  Angaben  wurde  uns  an  Ort  und  Stelle  geliefert.  In  unserer 
Gegenwart  wurde  ein  tiefer  Schacht  bis  in  den  gelben  Lehm  gegraben.  Feh  kann 
der  Gesellschaft  einen  gut  erhaltenen  Renthierzahn  und  ein  prächtiges  Feuerstein- 
Messer  vorlegen,  welche  hier  gefunden  wurden  und  welche  mitzunehmen  mir  ge- 
stattet wurde.  Gleichzeitig  überreiche  ich  ein  Paar  von  mir  gefertigte  Photo- 
graphien des  unteren  Einganges,  der  ganz  gefüllt  ist  mit  den  wohl  erkennbaren 
Figuren  der  ^Excursionisten**.  — 

Noch  weiter  gegen  Süden,  jenseit  der  Rulna,  aber  in  demselben  Höhenzuge, 
folgt  noch  ein  ferneres  Höhlensystem,  welches  erst  im  Winter  1889/90  eröffnet 
wurde  und  auch  jetzt  noch  manche  Zierde  von  dem  ursprünglichen  Schmuck  an 
Stalaktiten  enthält.  Der  Eingang  liegt  bei  dem  Dorfe  Schoschuwka.  Wir  besitzen 
eine  genaue  Schilderung  der  diluvialen  Fauna  und  der  Spuren  des  Menschen  in 
dieser  Höhle  von  Hm.  Maska  (Jahrb.  der  k.  k.  geol.  Reichs-Anstalt  1891,  Bd.  41, 
Heft  2,  S.  415).  Was  die  erstere  anlangt,  so  ergab  sich  an  vielen  Stellen  eine 
starke  Vermischung  älterer  und  neuerer,  zum  Theil  selbst  recenter  Einlagerungen. 
Unter  den  älteren  kamen  Reste  vom  Höhlenbären  so  massenhaft  vor,  dass  sie  in 
entfernteren  Theilen  des  Hauptganges  und  in  einigen  Nebengängen  mindestens 
90  pCt.  des  ganzen  Rnochenmaterials  ausmachten.  Nächstdem  war  das  Pferd  am 
zahlreichsten  vertreten.  Dagegen  wurden  nur  ein  einzelner  Metatarsalknochen  vom 
Mammuth,  einige  Rnochen  von  Felis  spelaea,  Theile  eines  Schädels  von  Hjaena 
spelaea  und  im  vorderen  Theile  des  Hauptganges  wenige  Renthierreste  ausgegraben. 


(341) 

Für  die  Anwesenheit  des  Menschen  zeugte  das  Vorkommen  einer  bis  Iß  an 
machtigen  Aschen-  and  Holzkohlen-Schicht  im  Haaptgange,  etwa  38  m  vom  Ein- 
gange entfernt;  Feaersporen  sollen  sich  auf  einer  etwa  4  m  langen  und  bis  2  m 
breiten  Fläche  gefunden  haben,  zusammen  mit  Feuersteinen  und  Knochen -Werk- 
zeugen, üeber  die  anscheinend  vom  Menschen  absichtlich  zertrümmerten  Knochen 
vom  Renthier  und  Rind  spricht  sich  Hr.  Maska  sehr  vorsichtig  aus.  Nur  ein 
Flintspahn  und  ein  feingeschliffener  Knochenpfriemen  aus  dem  Metatarsus  eines 
^rehgrossen^  Wiederkäuers,  sowie  ein  grösseres  Fragment  einer  mit  einer  seichten 
Längsrinne  (Sägespur?)  versehenen  Renthierstange  erscheinen  ihm  als  unverdächtige 
Beweise  für  die  Zeitgenossenschafk  des  Menschen  und  des  Renthieres  in  dem  vorderen 
Theil  der  Höhle,  die  aber  doch  nur  als  Zeugen  für  die  Annahme  eines  vorübergehenden 
Aufenthaltes  des  ersteren  aufgefasst  werden  dürften.  Die  meisten  menschlichen 
Knochen,  welche  am  Ende  des  Hauptganges  gesammelt  wurden,  erscheinen  ihm 
nach  ihrem  Erhaltungszustande  und  ihrer  Farbe  als  recente,  wahrscheinlich  der 
jüngeren  prähistorischen  oder  sogar  der  historischen  Zeit  angehörige;  sie  stammen 
scheinbar  von  einem  einzigen  Individunm.  Die  Tibia  ist  in  hohem  Grade  pla- 
tyknemisch  (1:58,3).  Das  untere  Drittheil  des  Os  femoris  ist  scharfkantig  ab- 
getrennt — 

Von  Schoschuwka  aus  fuhren  wir  hinab  in  das  stark  bewaldete  „öde'^  Thal, 
in  welchem  der  Punkwa-Bach  nach  längerem  unterirdischem  Laufe  durch  ein  weites 
Felsenthor  hervorbricht  (Führer  in  die  Umgebung  S.  15.  Abbild.  In  vorstehender 
Skizze  bei  6).  Wir  stiegen  die  steile  Felswand  hinan  und  gelangten  auf  das  Plateau 
des  Kalkgebirges.  Hier  liegt  die  berühmte  Mazocha  (ebendas.  S.  17,  Abbild.),  eine 
gewaltige  Thalschlucht  von  etwa  160  m  Länge  und  70  m  Breite,  in  deren  Tiefe 
(137  m)  die  Punkwa  braust  Von  dieser  pittoresken  Stelle  aus  stiegen  wir  wieder 
in  das  „öde^  Thal  hinab  und  fuhren  das  malerische  Punkwa-Thal  abwärts  nach 
Blansko,  von  wo  ich  mit  der  Eisenbahn  nach  Prag  zurückkehrte.  Die  Zeit  ge- 
stattete es  nicht,  das  interessante  Josefsthal  zu  besuchen,  welches  bei  Adamsthal 
in  das  Zwittawathal  einmündet,  und  in  welchem  die  Höhlen  Wejpustek  (in  der 
Skizze  c),  Kostelik  und  Byi^iskala  (in  der  Skizze  ri)  liegen.  Wenn  ich  trotzdem 
noeh  einen  Augenblick  bei  der  letzteren  Höhle  verweile,  so  geschieht  es,  weil  sie 
seit  langer  Zeit  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  gezogen  und  zu  vielen  Deutungen 
Anlass  gegeben  hat. 

Vorweg  mag  bemerkt  werden,  dass  der  durch  Wankel  eingeführte  Name 
Byciskäla,  d.  h.  Stierhöhle,  von  Hm.  Makowsky  nicht  anerkannt  wird;  er  sagt 
Becziskdla  (von  beceti,  Geräusch  des  gurgelnden  Wassers).  Ein  von  ihm  gelieferter 
Grundriss  steht  in  dem  „Führer^  S.  8,  ein  anderer  von  Kh'z  in  dem  Jahrb.  der 
geol.  Reichs-Anstalt  1892,  Bd.  42,  Hefl  3,  Taf.  XH;  es  geht  daraus  hervor,  dass 
die  Höhle  eine  grosse  Länge  (hinter  der  21  7i>  langen  Vorhalle  noch  312  m)  besitzt, 
mancherlei  Krümmungen  macht,  aber  nur  ein  Paar  grössere  ^Seitenhallen^  aus- 
sendet In  der  nördlichen  wurden  rohe  Stein  Werkzeuge  und  gespaltene  Knochen 
diluvialer  Säugethiere  (Pferd,  Auerochs,  Renthier,  Lepus  variabilis,  Legopus  n.  s.  w.) 
auf  einem  mit  Kohlen  durchsetzten  Boden  gefunden;  in  der  südlichen  gleichfalls 
eine  Feuerstelle  mit  5  Metatarsalknochen  des  Höhlenbären,  gespaltene  Knochen- 
reste der  genannten  Thiere,  ^Pfeilspitzen^  von  Renthiergeweih,  scheinbare  Ge- 
räthe  aus  Feuerstein.  Da  letztere  jedoch  bei  Grabungen  „am  Tage**  im  Walde 
gleichfalls  zum  Vorschein  kamen,  so  dürften  sie  wohl  nur  eingeschwemmte  Bruch- 
stücke darstellen.  Nach  den  Angaben  des  Hm.  Kiii  (a.a.O.  S.  540)  stammen 
die  sämmtlichen  Knochen  an  der  Feuerstätte  von  Mahlzeiten  her;  diluviale 
Thiere  (Bär,   Löwe,   Hyäne  u.  s.  w.)  haben    nie   in    den  Höhlen   gelebt. 


(342) 

Reste  von  Hausthioren  (Bos  tauras,  Ovis  aries,  Gapra  hircus,  Sos  domestica,  GanU 
familiaris,  —  vom  letzteren  nur  2  Stück)  kamen  nirgend  in  Gemeinschaft  mit  den 
Resten  diluvialer  Thiere  vor.  Hr.  Krii  bringt  sie  in  Zusammenhang  mit  der  Be- 
Wohnung  der  Vorhallen  und  der  südlichen  Seitenhallen,  in  denen  nach  seiner 
Meinung  eine  Schaar  von  Flüchtlingen  Schutz  gesucht  habe,  aber  durch  Verfolger 
vernichtet  worden  sei  (S.  551).  Dieses  Ereigniss  habe  im  2.  oder  3.  Jahrhundert 
vor  Ghr.  Geburt  stattgefunden.  Als  Zeugen  desselben  fand  man  Thongefässe  rer- 
schiedener  Art,  Spinnwirtel,  Schmucksachen  aus  Bronze  und  Gold,  Werkzeuge  aus 
Stein,  Knochen,  Geweih,  Bronze  und  Eisen,  endlich  menschliche  Knochen.  Sie 
gehören  nach  Hm.  Ktii  der  Hallstattzeit  an.  Zu  demselben  Schlüsse  war  ich 
schon  vor  länger  als  20  Jahren  gekommen,  als  ich  auf  der  Wiener  Ausstellung  den 
Ton  einigen  jungen  Männern  kurz  vorher  in  der  Vorhalle  gefundenen  Bronze- 
stier  erblickte  (diese  Verhandl.  1873,  S.  169,  203);  indem  ich  ihn  mit  der  schon 
von  Karabacek  herangezogenen  Hallstätter  Bronzekuh  zusammenstellte,  gewann 
ich  auch  für  unsere  Bronzestiere  und  Bronzevögel  einen  chronologischen  Anhalts- 
punkt. Ich  füge  noch  hinzu,  dass  im  Museum  Hirse  und  Getreide  in  gebrannter 
Form  aus  der  Byciskäla  liegt,  —  ein  untrüglicher  Beweis  für  die  späte  Zeit  der 
Bewohnung. 

Das  ist  ein  kurzer  üeberblick  über  das,  was  ich  in  und  aus  dem  Höhlen- 
gebiet gesehen  habe.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  es  gegenüber  den  Lössfnnden 
von  Brunn,  Pfedmost  und  Joslowitz  sehr  in  den  Hintergrund  tritt,  wenngleich  es 
für  sich  von  grösstem  Interesse  ist.  — 

Ich  habe  jetzt  noch  einige  Nachträge  zu  bringen  in  Bezug  auf  die  jüngeren 
Funde,  welche  ausserhalb  des  Löss-  und  Höhlen-Gebietes  gemacht  worden  sind. 
Hier  habe  ich  zunächst  mit  ein  Paar  Worten  auf  den  schon  früher  (S.  332)  er- 
wähnten Hradisko  von  Obt'an  zurückzukommen.  Es  ist  dies  ein  in  dominirender 
Höhe  auf  einem  nördlichen  Bergvorsprung  vor  Brunn  am  rechten  üfer  der  Zwittawa 
gelegener  Ringwall.  Innerhalb  eines  weit  ausgreifenden  Erdwalles  liegt  ein  grosser, 
flacher,  jetzt  bebauter  Kessel,  auf  dem  sich  nicht  selten  prähistorische  Scherben 
finden  Ich  erwartete  hier  slavische  Formen  zu  finden,  war  aber  nicht  so  glücklich. 
In  der  „Technik^  sah  ich  einzelne  sehr  grosse  Thongefässe  von  da  und  bemalte 
GelUssscherben.  Durch  Schrägstriche  waren  dreieckige  Felder  abgetheilt,  welche 
abwechselnd  roth  in  dickem  Aufstrich  bemalt  waren  und  weisse  Incrustationen 
zeigten.  Im  Franzens-Museum  lagen  zwei  ungarische  Fibeln  aus  Eisen,  sowie 
eine  grosse  Plattenfibel,  wie  eine  ähnliche  sich  im  Musealverein  von  Alt-Brünn  be- 
findet In  der  ^Technik**  war  eine  Bogenfibel.  Auch  bemerkte  ich  vom  Po  lau  er 
Berg  bei  Nikolsburg  eine  ganz  kleine  Miniaturfibel  von  ungarischer  Form  aus 
starkem  gewundenem  Draht. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  erschienen  mir  die  Funde  von  Krommau,  über 
welche  zum  Theil  schon  Hr.  Makowsky  in  diesen  Verhandlungen  (1895,  S.  760) 
berichtet  hat;  sie  liefern  vielfache  Analogien  zu  prähistorischen  Stücken  unserer 
Gegend.  Vor  Allem  ist  der  merkwürdige  Muschelschmuck  zu  erwähnen,  dessen 
Uebereinstimmung  mit  unserem  Bemburger  Funde  ich  früher  erörtert  habe;  ausser 
Spondylus  kommen  daran  kleine  Neritinen  vor.  Ebendaselbst  fand  man  das  Gefäss 
mit  ganz  tiefer  und  breiter  Einritzung  m  Schlangen  form  (a.  a.  O.  S.  761,  Fig,  2), 
welches  Ornament  sich  noch  an  zwei  Schalen  zeigt.  Ein  starkes  Bronzeblech  trägt 
ein  Dreieck-Ornament.  Daneben  geschliffene  Feuerstein-Geräthe  und  polirte  Aexte, 
auch  die  thüringische  Schuhleistenform;  Schlittschuhe  aus  Knochen;  grosse  Henkel 
von  Thongefässen  und  Vollcelte;  ich  notirte  ferner  eine  Schlangennadel  mit  Knopf, 
eine  kleine  zerbrochene  ungarische  Fibel  (aus  dem  Museal-Verein),    platte  Pfeil- 


(343) 

spitzen.    An   den   Thongefässen   zahlreiche   HorizontaN   und  Wellenlinien.    Auch 
fanden  sich  hier  die  schon  (S.  334)  erwähnten  rothen  Beschläge. 

Den  Ton  Hm.  Fiala  in  einem  Grabe  bei  Brunn  gemachten  Fund  eines  grossen, 
schlanken,  sehr  gracilen  Bronzepferdes  mit  langem  Schwanz  und  sehr  charak- 
teristischem Kopf  kann  ich  nicht  übergehen.  Ebenso  erwähne  ich  dreieckige, 
ganz  kurze  Bronze-Dolche  mit  Stielen  (?)  von  Lundenburg,  Obfan  u.a.,  sowie 
eine  Gussform  von  Hrad. 

Endlich  nenne  ich  noch  einige  neolithische  Fundstellen.  Von  Ob^any  be- 
sitzt sowohl  die  ^Technik^,  als  das  Franzens-Museum  solche  Stücke;  in  letzterem 
liegen  Massen  von  geschlififenen  Steinbeilen  und  gebohrten  Aexten,  viele  bear- 
beitete Rippen  u.  s.  w.  Bei  Schlappanitz  wurden  Gefässe,  zum  Theil  ähnlich 
denen  von  Obfan,  mit  eingepressten  horizontalen  Zonen  und  rothen  Stempeln,  auch 
platte,  kleine,  graue  Gefässe  mit  Kugelboden  gesammelt. 

Auf  weitere  Besprechung  dieser  prähistorischen  Sachen  verzichte  ich  um  so 
mehr,  als  die  Kürze  der  Zeit  mir  nicht  gestattete,  meine  Notizen  zu  controliren.  * 
Sollte  ich  einige  Irrthümer  begangen  haben,  so  bitte  ich  um  gefällige  Gorrectur 
durch  die  mährischen  Freunde;  heute  schien  es  mir  jedoch  wichtig,  wenigstens 
einige  Hinweisungen  auf  die  ungewöhnliche  Bedeutung  auch  dieser  Sachen  für 
unsere  eigene  Prähistorie  zu  machen.  — 

(23)  Hr.  A.  Voss  bespricht,  unter  Vorlage  eines  dem  Königl.  Museum  für 
Völkerkunde  eingesendeten  Exemplares,  die 

bei  EUndorf,  Kreis  Oschersleben,  Provinz  Sachsen,  gefundenen  Gesichts- 

Thürurnen. 

Hr.  Gutsbesitzer  Vasel  in  Beyerstedt  bei  Jerxheim  hat  die  grosse  Güte  ge- 
habt, eines  jener  höchst  bemerkenswerthen  Thongefasse,  welche  von  ihm  bei  Eils- 
dorf gefunden  wurden  und  eine  Gombination  von  Gesichtsumen  und  Hausumen, 
die  sogenannten  Thürurnen,  darstellen,  dem  Königl.  Museum  nir  Völkeilvunde  als 
Geschenk  zu  übersenden,  wofür  ihm  an  dieser  Stelle  der  verbindlichste  Dank  aus- 
gesprochen werden  soll.  Ich  bin  jetzt  in  Folge  dessen  in  der  glücklichen  Lage,  Ihnen 
ein  Exemplar  dieses  Gefösstypus  im  Original  vorzuführen.  In  der  Sitzung  vom 
20.  Januar  1894  hatte  ich  bereits  Gelegenheit,  Photographien  derselben  vorzulegen, 
und  Hr.  Lehrer  Voges  in  Wolfenbüttel  hat  im  4.  Heft  der  Fundnachrichten  des- 
selben Jahres  ausführlicher  über  die  Fundstelle  berichtet.  Zur  Erläuterung  der  in 
diesem  Gelasstypus  combinirten  Gelassformen  habe  ich  mir  erlaubt,  die  bei  Klein- 
Katz  in  Pomerellen  gefundene  Gesichtsurne  mit  Andeutung  eines  viereckigen  Schurzes 
oder  einer  Tasche  (Kat.  Nr.  I.  1409,  abgebildet  bei  v.  Ledebur,  Das  König- 
liche Museum  vaterländischer  Alterthümer,  Berlin  1838,  Taf..II)  gleichfalls  hier 
aufzustellen  und  ebenso  eine  sogenannte  „Thürurne^  von  Unseburg,  Kreis  Wanz- 
leben, Provinz  Sachsen  (Kat.  Nr.  I,  g,  569),  ein  Geschenk  des  Hrn.  Ortsvorstehers 
Schulz  zu  Unseburg.  Dass  diese  Urne  von  Eilsdorf,  welche  bei  Hm.  Voges 
(a.  a.  0.)  unter  Fig.  3  Ä  und  3  B  abgebildet  ist,  ebenso  wie  die  mit  ihr  gefundenen 
anderen  beiden  Exemplare  eine  Gombination  der  beiden  hier  vorgestellten  Formen 
ist,  ist  leicht  ersichtlich.  Auch  hinsichtlich  der  Zeitstellung  würden  diese  3  Typen 
zusammengehören;  ob  diese  Form  aber  einer  directen  Ideen- Uebertragung  ihre 
Entstehung  verdankt,  ist  noch  erst  zu  erweisen,  da  zwischen  dem  Bereich  der 
Gesichtsumen  und  dem  der  Hausaraen  bis  jetzt  noch  die  Bindeglieder  in  Gestalt 
von  Zwischen  formen  fehlen.  — 


(344) 

(24)   Hr.  0.  Olsh aasen  spricht  über 

Um.  Kröhnke's  chemische  Untersnehnngen  an  vorgeschichtlichen  Bronzen 

Schleswig  -  Holsteins. 

In  der  Sitzung  vom  19.  Juni  wurde  eine  jüngst  erschienene  Kieler  Dissertation 
des  Hm.  Otto  Rröhnke  voigelegt,  betitelt:  Chemische  Untersuchungen  an  vor- 
geschichtlichen Bronzen  Schleswig-Holsteins.  In  derselben  sind  an  der  Hand  neuer 
Analysen  einer  grossen  Zahl  meist  durch  gute  Abbildungen  des  Hrn.  Dr.  Splieth 
wiedergegebener  Bronzen  verschiedene  archäologisch-chemische  Fragen  erörtert,  — 
dem  Plane  nach  eine  sehr  verdienstvolle  Arbeit,  welche  der  noch  besonders  zu 
schätzen  wissen  wird,  der  selbst  nicht  allein  die  Langwierigkeit,  sondern  auch  die 
Schwierigkeit  der  Bronze-Analyse  kennt. 

Eine  nähere  Besprechung  der  Schrift  liegt  nicht  in  meiner  Absicht;  die  nach- 
folgenden Mittheilungen  sind  nur  veranlasst  durch  ein  „das  Schwert  von  Norby*^ 
überschriebenes  Capitel  (S.  38 — 42),  welches  frühere  Arbeiten  von  mir  berührt 

1.    Der  Kupfer-Verlust  bei  Verwitterung  von  Bronzen. 

An  der  Klinge  eines  prachtvollen,  der  Steinkiste  des  Grabhügels  ^Moritzenberg" 
bei  Norby  in  Schleswig  entstammenden  Schwertes*)  beobachtete  Präul.  Mestorf, 
Director  der  Kieler  Alterthümer-Sammlung,  eine  völlige  Verschiedenheit  im  Aeussem, 
namentlich  der  Farbe,  ihrer  einzelnen  Abschnitte.  Während  die  Klinge  im  All- 
gemeinen eine  dicke  grüne  Patina  mit  braunen  Flecken  zeigte,  erinnerte  ihre  Spitze 
nicht  im  Geringsten  mehr  an  Bronze,  sie  liess  das  Vorhandensein  von  Kupfer  nicht 
mehr  wahrnehmen.  Fräul.  Mestorf  schloss  hieraus,  dass  die  Spitze  ihr  Kupfer 
mit  der  Zeit  (mehr  oder  minder)  verloren  habe,  und  dies  gab  Hm.  Kröhnke 
Anlass,  quantitative  Analysen  der  Proben  von  4  verschiedenen  Klingen-Abschnitten 
auszuführen,  welche  ein  Abnehmen  des  Kupfergehaltes  vom  Griffende  nach  der 
Spitze  hin  ergaben,  wie  folgt:    1.  63,79  pCt  Kupfer;   2.  57,95  pCt;  3.  45,91  pCL; 

4.  8,56  pCi*). 

Eine  Probe  von  dem  starken  Klingentheil  nahe  dem  Griff  stellte,  zerrieben,  ein 
dunkelbraunes  Pulver  dar  und  enthielt  neben  Zinnsäure  (einem  Hydrat  des  SnO,) 
noch  metallisches  Zinn,  während  die  dünnere  Spitze  ein  grauweisses  Pulver  lieferte, 
dessen  Zinnsäure  kein  metallisches  Zinn  mehr  beigemischt  war. 

Das  erstere  Pulver  gab,  mit  Salpetersäure  behandelt,  einen  auf  dem  Filter  ge- 
trockneten und  mit  diesem  gewogenen  (nicht  geglühten)  Rückstand  von  32,12  pCt ; 
das  zweite  Pulver  hinterliess,  ebenso  behandelt,  78,85  pCt  Diese  Rückstände  sind 
im  Wesentlichen  Zinnsäure;  der  erstere  enthielt  indess  noch  Spuren  von  Blei,  Kupfer, 
Thonerde. 

Die  Probe  mit  dem  metallischen  Zinn  war  also  weit  zinnsäureärmer,  als  die 
andere;  und  dabei  ist  in  Wahrheit  ihr  Gehalt  an  Zinnsäure  mit  32,12  pGt  noch 
etwas  zu  hoch  gerechnet,  weil  ein  Theil  der  letzteren  nicht  schon  bei  der  Probe- 

1)  Mittheilungen  des  Anthropologischen  Vereins  in  Schleswig-Holstein,  Heft  3  (1890), 

5.  19  und  26,  Fig.  2. 

2)  Diese  Zahlenreihe  würde,  den  analytischen  Belegen  anf  S.  72  nach,  unt«r  Nr.  3 
einen  groben  Fehler  enthalten;  denn  die  Rechnung  ergiebt  91,78  pCt.  Kupfer,  nicht  46,91. 
Wahrscheinlicher  ist  es  allerdings,  dass  die  gewogene  Kupfermenge  mit  0,0887  g  um  das 
Doppelte  SU  hoch,  oder  die  in  Arbeit  genommene  Probe  mit  0,09120  5/  um  die  H&lfte  xu 
niedrig  notirt  ist. 


(345) 

nähme  darin  enthalten,  war,  sondern  von  dem  metallischen  Zinn  herrührt,  das  erst 
durch  die  Salpetersäure  oxydirt  worden  war. 

Aus  all  diesem  folgte  natürlich,  dass  die  Bronze  bei  der  Verwitterung  ihr 
Rupfer  um  so  mehr  verlor,  je  dünner  sie  war,  während  gleichzeitig  der  aus  Zinn- 
säure  bestehende  Rückstand  relativ  zunahm.  Es  zeigte  sich  weiter,  dass  die 
Oxydation  des  Zinns  im  dickeren  Rlingentheil  nur  eine  theilweise,  im  dünneren 
aber  eine  vollständige  war.  Dieses  Ergebniss  einer  mühevollen  Arbeit  ist 
jedoch  durchaus  nicht  neu  und  dasselbe  gilt  von  der  für  das  Verschwinden 
des  Kupfers  gegebenen  Rröhnke' sehen  Erklärung.  In  den  stark  oxydirten  Bronzen 
ist  nehmlich  das  Rupfer  als  basisches  Garbonat,  bisweilen  auch  theilweise  als 
Oxydul  vorhanden.  Ersteres  ist  in  kohlensäurehaltigem  Wasser,  wie  es  durch 
Regen  in  die  Erde  gelangt,  löslich,  wenn  auch  nicht  leicht,  so  doch  bei  andauernder 
Einwirkung  vollständig.  Hr.  Rröhnke  will  aber  den  Tagewässern  bei  der  Fort- 
führung des  Rupfers  keine  erhebliche  Rolle  zugestehen,  weil  die  Erscheinung 
meist  nur  bei  Gräberfunden,  nicht  bei  anderen  Erdfunden  auftritt;  er  möchte  viel 
eher  annehmen,  „dass  das  bei  der  Verwesung  der  Leiche  entstehende  Ammoniak 
das  Rupfer  allmählich  aufgelöst  und  das  Zinn  zu  Zinnsäure  umgewandelt  hat^. 
Das  Wesentliche  dieser  Anschauungen  findet  sich  nun  bereits  in  einer  Mittheilnng 
Schuler's  über  Analyse  einer  alten  Bronze  und  deren  Patina  in  Dingler^s  Poly- 
technischem Journal,  Bd.  232  (1879),  8.  333—36. 

Schuler  untersuchte  die  lichtgrüne,  zerrieben  weisslichgrüne,  Patina  einer 
Bronze,  die  89,78  pCt  Rupfer  und  6,83  Zinn  enthielt  (neben  3,03  Blei,  Robalt, 
Nickel,  Eisen;  in  Summa  99,64).  Die  Patina  verlor  im  Vacuum  über  Schwefel- 
säure 9,44  pCi  Wasser.  Die  so  getrocknete  Masse  war,  wenn  man  alle  ihre  un- 
wesentlichen Bestandtheile  an  beigemengter  Erde,  organischer  Substanz,  Eisenoxyd 
und  Thonerde  im  Gesammtbetrage  von  9,32  pCt.  abzieht  und  die  Summe  der 
anderen  ^  100  setzt,  gebildet  aus  34,55  pCt.  basischem  Rupfer -Carbonat  [CuCO,, 
CuO,H„  d.  i.  Malachit],  4,51  basischem  Blei-Carbonat  [(PbCOJ,,  PbO^Hj,  d.  i,  Blei- 
weiss]  und  60,92  Zinnsäure 0  [SnO,HJ  =  99,98  pCt,  d.h.  sie  enthielt  19,8  pCt 
Rupfer  und  42,7  pCt  Zinn.  Der  Rupfergehalt  der  Patina  war  also  sehr  viel 
kleiner,  als  der  der  Legirung,  der  Zinngehalt  dagegen  ganz  bedeutend  erhöht. 
Schul  er  bemerkt  dazu:  „Wasser  mit  einem  Gehalt  an  freier  Rohlensäure,  welches 
die  Fähigkeit  besitzt,  basisches  Rupfer-Carbonat  zu  lösen,  während  Zinnoxyd- 
Hydrat  in  demselben  unlöslich  ist,  dürfte  eine  der  Ursachen  dieser  Aenderung  der 
Mengenverhältnisse  zu  einander  sein.  Eine  andere  Ursache  mag  in  der  Ein- 
wirkung von  im  Wasser  gelöstem  Ammoniak  und  kohlensaurem  Ammonium,  beide 
hervorgegangen  durch  Verwesung  stickstoffhaltiger  organischer  Substanzen,  zu 
suchen  sein.  Für  die  Berechtigung  dieser  Annahme  spricht  das  Vorhandensein 
von  geringen  Mengen  Ammoniak  in  der  Patina.  Es  lassen  sich  auch  andere  Ur- 
sachen vermuthen,  deren  Erfolg  der  war,  dass  ein  grosser  Theil  des  Rupfers  .... 
gelöst  und  weggeführt  wurde,  während  Zinnoxyd -Hydrat  zurück  blieb  und  sich 
hierdurch  anreicherte.^ 

Von  dieser  Arbeit  Schuler^s,  sowie  von  einigen  einschlägigen  späteren  Mit- 
theilungen anderer  Autoren  erhielt  auch  ich  erst  jetzt  Renntniss  durch  Hm.  Dr. 
F.  Rathgen,  Chemiker  beim  Rgl.  Museum  am  Lustgarten  hierselbst.  Aber  schon 
Vorjahren  habe  ich  nicht  allein  zahlreichen  Personen,  darunter  auch  Frl.  Mestorf, 
Bronzen  meiner  Amrumer  Sammlung  gezeigt,  deren  einige  nur  an  den  dünneren 
Stellen  (ein  Schwert  ebenfalls  an  der  Spitze  und  an  den  Schneiden),  andere  aber, 

1)  Ueber  Zinn  säure  siehe  unten  S.  348. 


(346) 

z.  B.  eine  Dolchklinge,  ganz  und  gar  geweisst  waren,  sondern  ich  habe  auch 
in  meinen  ersten  Veröfifentlichangen  aaf  prähistorischem  Gebiet  wiederholt  diese 
Erscheinung  erörtert  und  bald  in  der  einzig  möglichen  Weise,  durch  Rupferverlust 
nach  erfolgter  Oxydation,  erklärt.  Anfangs  hielt  ich  zwar  die  Spitze  eines  zweiten 
Dolches,  einen  Spatel  (richtiger  Messer)  und  eine  gerade  Nadel  für  Umwandlnngs- 
producte  von  Zinn,  erwog  aber  doch  schon  gleichzeitig  bezüglich  der  Spirale 
einer  Fibel  die  Möglichkeit  der  Entstehung  aus  Bronze  und  bemerkte:  „In  der 
That  verlieren  sehr  dünne  Bronzestückchen  beim  Liegen  in  der  Erde  einen  Theil 
ihres  Kupfergehaltes  und  sehen,  weil  durch  und  durch  oxydirt,  schmutzigweiss 
aus"  (diese  Verhandl.  1883,  86 — 90).  —  1884  erkannte  ich  dann  auch  die  meisten 
der  anderen  genannten  Gegenstände  als  Bronze-Objecte  und  untersuchte  weiter  2 
ebensolche  weisse  Stücke  des  Kieler  Museums,  einen  Tutulus  ?on  Sylt  und  ein 
Messer  von  Emmerleff  (Verh.  1884,  S.  525,  531—32).  Ueber  den  Tutulus  sagte  ich: 
„Da  er  von  erheblicher  Dicke  ist,  ich  aber  nur  der  äussersten  Oberfläche  die  Probe 
entnehmen  konnte,  so  mag  im  Innern  ein  Bronzekern  vorhanden  sein,  obgleich  das 
Aeussere  nicht  die  leiseste  Andeutung  davon  zeigt  (und  das  Fröbchen  kein  Kupfer, 
sondern  nur  eisenhaltige  Zinnsäure  ergab)."  Das  Messer  war  bis  dahin  in  Kiel 
nicht  richtig  erkannt,  wurde  erst  von  mir  als  solches  angesprochen  und  eben  des- 
halb als  vermuthlich  aus  Bronze  entstanden  bezeichnet. 

Hier  und  in  anderen  Sätzen  ist  also  das  Weisswerden  durch  Kupferverlust 
und  der  Einfluss  der  Dicke  des  Gegenstandes  bereits  klar  ausgesprochen.  Diese 
Sache  hat  mir  damals  viele  Mühe  gemacht,  da  ich,  selbst  in  archäologischen 
Dingen  noch  Neuling,  auch  keine  Vorarbeiten  kannte,  und  in  den  Museen  die 
geweissten  Bronzen  ganz  falsch  aufgefasst  wurden.  Bald  hielt  man  sie  für 
schwach  gebrannten  Thon,  bald  für  Knochenmasse,  endlich  für  Kitt  oder  dergl.; 
namentlich  auch  Prof.  Handelmann,  damals  Director  des  Kieler  Museums,  hat 
wiederholt  derartiges  geäussert.  Auch  ich  dachte  Anfangs  an  Knochen.  In  der 
That  lassen  mehrere  meiner  Amrumer  Objecte,  die  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung 
völlig  gleichmässig  weiss  sind  und  deren  Oberfläche  dabei  keineswegs  verwittert 
erscheint,  vielmehr  glatt  und  mit  den  Ornamenten  wohl  erhalten  ist,  einen  solchen 
Irrthum  sehr  leicht  zu,  wenn  man  nicht  schon  Erfahrungen  gesammelt  hat.  Wie  im 
Mineralreiche  die  Substanz  eines  Krystalls  durch  Einwirkung  gelöster,  von  Aussen 
herantretender  anderer  Stoffe  theils  wesentlich  verändert,  theils  sogar  gänzlich  ver- 
drängt und  durch  einen  neuen  Stoff  ersetzt  werden  kann,  der  die  alte,  ihm  selbst 
nicht  eigene  Form  des  Krystalls  unverändert  übernimmt,  so  entstehen  auch  hier 
wahre  Pseudomorphosen  von  fast  reiner  Zinnsäure  nach  Formen,  die  der 
Mensch  ursprünglich  einem  anderen  Material  gegeben  hatte.  Welche  Schwierig- 
keiten unter  diesen  Umständen  die  Untersuchung  bot  und  auf  welchem  Wege  ich 
schliesslich  zum  2iiel  gelangte,  das  ist  Verhandl.  1883,  S.  88  zu  lesen.  Es  be- 
fremdet aber,  dass  man  in  Kiel  diese  Arbeiten,  die  doch  zum  Theil  mit  dortigem 
Material  ausgeführt  wurden,  gänzlich  vergessen  zu  haben  scheint. 

Den  Antheil  des  Ammoniaks  bei  der  Auslaugung  des  Kupfers  anlangend,  so 
ergiebt  ein  Vergleich  der  Ansichten  Sc  hui  er' s  und  Kröhnko's,  dass  erstcrer 
denselben  weit  vorsichtiger  veranschlagt,  meines  Erachtens  mit  Recht.  Gewiss 
wird  das  Ammoniak  mitgewirkt  haben,  aber  die  Vorbedingung  dafür  ist  doch 
immer  das  Eindringen  von  Tagewassern,  nicht  allein  zur  Bildung  einer  wässrigen 
Lösung  des  Ammoniaks,  sondern  wesentlich  auch  zur  Oxydation  des  Kupfers  und 
UeberfUhrung  desselben  in  basisches  Kupfer- Carbonat  durch  seinen  Gehalt  an 
Sauerstoff  und  Kohlensäure.  Denn  metallisches '  Kupfer  löst  sich  nicht  in 
reinem  wässrigem  Ammoniak,  wohl  aber  Kupferoxydul  und  jenes  Carbonat    Diese 


(347) 


Tagewasser  genügen  nun  aber  auch  schon  für  sich  allein,  die  Oxydation  und  Fort- 
führung des  Rupfers  zu  bewirken;  das  Ammoniak  fordert  sie,  ist  aber  nicht  un- 
bedingt nöthig.  Aehnlich  dürfte  es  sich  wohl  mit  der  Oxydation  des  Zinns  ver- 
halten. Es  scheinen  mir  auch  die  Bedingungen  für  die  Zerstörung  der  Bronzen 
durch  Tagewässer  in  manchen  Gräbern  günstiger  zu  sein,  als  im  gewöhnlichen 
Erdboden.  Die  Gräber  der  älteren  Bronzezeit  auf  Amrum  bestehen  aus  Erdhügeln, 
die  im  Innern  längliche  Haufen  von  Feldsteinen  bergen,  zwischen  denen  die 
Leichen  mit  den  Beigaben  oft  auf  Holzunterlage  (oder  in  Särgen?)  ruhten.  Diese 
Steinmassen  enthalten  natürlich  Höhlungen,  namentlich  in  Folge  der  Auflösung  der 
Weichtheile  der  Leichen.  Ich  fand  nun  oft,  dass,  wenn  auch  die  Erdschichten 
nicht  besonders  feucht  schienen,  die  Steine  ganz  nass  waren.  Das  eingesickerte 
Wasser  kann  in  die  Substanz  der  Steine  nicht  eindringen,  haftet  aber  auf  der  Ober- 
fläche derselben.  Sauerstoff  und  Kohlensäure  führt  es  mit  hinab;  weitere  Luft- 
mengen mögen  bei  trockener  Witterung  durch  die  Erdmasse  dringen,  und  so  haben 
wir  lufterfüllte  Hohlräume  mit  nassen  Wänden,  —  ein,  wie  mir  scheint,  für  die 
Oxydation  der  Bronzen  sehr  günstiges  Verhältniss.  Auf  Amrum  waren  auch  die 
Knochen  der  Leichen  meist  bis  auf  geringe  Spuren  verschwunden,  indem  zunächst 
die  organische  Substanz  derselben  verweste  und  oxydirt  wurde,  dann  die  so  ihres 
Bindemittels  beraubte  Mineral-Grundlage  in  kohlensäurehaltigem  Wasser  sich  löste. 
Dieses  Wasser  spielt  also  hier  eine  grosse  Rolle,  der  gegenüber  die  des  Ammoniaks 
nicht  zu  sehr  betont  werden  darf. 

Uebrigens  hatte  ich  selbst  schon  die  Mitwirkung  des  Ammoniaks  bei  den 
chemischen  Vorgängen  in  Gräbern,  u.  a.  auch  in  eben  demselben  Grabe  von 
Norby,  dem  das  Schwert  entstammt,  in  Betracht  gezogen  (diese  Verhandl.  1884, 
521),  freilich  nicht  mit  Bezug  auf  Bronze,  sondern  auf  Niederschläge  phosphor- 
säurehaltiger Thonerde;  siehe  unten  S.  353. 

Kröhnke  hat  die  Ergebnisse  der  Einzelbestimmungen  für  das  Schwert  von 
Norby  nicht  in  einer  Uebersicht  zusammengestellt,  wie  es  für  alle  anderen  von  ihm 
untersuchten  Bronzen  geschehen  ist.  Nach  Berichtigung  verschiedener  Fehler  in 
den  Angaben  auf  S.  40  und  69 — 72  ergiebt  sich  aber  für  die  Proben  von  beiden 
Enden  des  Schwertes  die  folgende  uebersicht  I.  Das  hier  Fehlende  müsste  Sauer- 
stoff^) sein.  Rechnet  man  nun  alle  Metalle  in  ihre  Oxyde  um,  so  erhält  man  die 
Reihen  IL 


I. 


n. 


Griffende 

Spitze 

Griffende 

Spitze 

Kupfer .    .    . 

63,79 

8,51 

CuO      .     . 

.     79,99 

10,67 

Zinn     .     .     . 

19,12 

58,39 

SnO,     .     . 

.     24,36 

74,36 

Eisen    .     .     . 

0,84 

1,07 

FejOj    .     . 

1,20 

1,53 

Wasser 

1,51 

6,66 

H,0.    .    . 

.       1,51 

6,66 

GlUhirerlust   . 

^^^ 

9,51 

Glühverlust 

107,06 

9,51 

85,26 

84,14 

102,73 

Da  die  Probe  vom  Griffende  noch  metallisches  Zinn  enthielt,  so  kann  der 
üeberschuss  von  7,06  pCt.  z.  Th.  daher  rühren.  Ob  auch  freies  Kupfer  vorhanden 
war,  welches  den  Rest  des  Ueberschusses  erklären  könnte,  sei  dahingestellt.  Bei 
der  Spitze  ist  dies  gewiss  ausgeschlossen;  die  langsame  Gasentwickelung  beim 
Lösen  in  Salpetersäure  (S.  71)  könnte  ?on  Kohlensäure  herrühren,  die  fertig  in  der 
Masse  vorhanden  war,  oder  durch  Oxydation  organischer  Substanz  entstand. 


1)  Auf  Chlor  wird  von  Kröhnke  überall  nicht  Röckäicht  genommen. 


(348) 

Es  liegt  nun  nahe,  diesen  Befund  mit  dem  an  anderen  von  Rröhnke  unter- 
suchten stark  oxydirten  Bronzen  zu  vergleichen.  Als  solche  fuhrt  er  u.  a.  auf 
Nr.  15  und  17;  doch  ist  hier,  namentlich  bei  Nr.  17,  die  Veränderung  noch  nicht 
80  sehr  gross  ^).  Dagegen  sind  Nr.  30  und  36  heranzuziehen.  Für  beide  giebt 
Kröhnke  aber  sonderbarerweise  in  der  Zusammenstellung  der  Einzelbestimmungen 
das  2iinn  als  Oxyd  an,  Kupfer  und  Eisen  dagegen  als  Metall.  Das  wäre  aber  doch 
nur  dann  zulässig,  wenn  man  annehmen  dürfte,  es  werde  in  den  Bronzen  zunächst 
das  Zinn  vollständig  oxydirt,  dann  erst  die  anderen  Metalle,  so  dass  man  von  dem 
der  Analyse  nach  in  der  Masse  anzunehmenden  Sauerstoff  auch  zuerst  das  Zinn 
zu  befriedigen,  den  dann  noch  verbleibenden  Sauerstoff  aber  entweder  auf  die 
anderen  Metalle  zu  vertheilen,  oder  als  Verlust  in  Rechnung  zu  stellen  hätte. 
Meines  Erachtens  haben  aber  Eisen  und  Rupfer  den  ersten  Anspruch  auf  den 
Sauerstoff.  Es  bemerkt  auch  Donath  in  einer  Mittheilung  über  „Nachahmung  der 
Patina^,  dass  Säuren  und  Ammoniak  oder  kohlensaures  Ammon  vorzugsweise  auf 
das  Rupfer,  weniger  auf  das  Zinn  einwirken  [Dingler's  Polyi  Journal,  Bd.  253 
(1884),  S.  376]. 

Nach  Beseitigung  einiger  kleiner  Rechenfehler  eigiebt  sich  nun  für  die  Bronzen 
Nr.  30  und  36,  einmal  auf  Metall,  das  andere  Mal  auf  die  Oxyde  berechnet,  wenn 
man  für  Nr.  30  die  zweite  der  3  untersuchten  Proben  zu  Grunde  legt: 


Nr.  80 

Nr.  36 

Nr.  80 

Nr.  36 

Rupfer .    .    . 

41,05 

76,33 

CuO      .     .    .     51,48 

95,71 

Zinn     .    .    . 

30,86 

9,94 

SnO,     .    .    .    39,30 

12,66 

Eisen    .    .    . 

3,44 

2,22 

FeA   .     .     .      4,91 

3,17 

Wasser     .    . 
Rohlensäure  . 

3,94  1 

1 

6,96 

H,0.     .     .     .      3,941 
CO,.    .    .    . 

6,96 

Flüchtiges     1 
Erdiges         J 

6,67 

— 

Flüchtiges     \      ^  ß- 
Erdiges     .           ^'^^ 

— 

85,96 

95,45 

106,30 

118,50 

Hiemach  wäre  die  Bronze  Nr.  36  erheblich  weniger  verwittert,  als  Nr.  30. 

Auffallend  klein  erscheint  indess  ihr  aus  dem  Fehlbetrag  100 — 95,45  =  4,55  pCt. 
sich  ergebender  Sauerstoffgehalt,  da  es  doch  heisst:  ^grünliche,  starke  Patina, 
blasig  und  kömig"  (S.  19)  und  ^^Bronze  stark  oxydirt,  graue  Masse^  (S.  65). 
Es  wäre  erwünscht  gewesen,  bei  allen  verwitterten  Bronzen,  so  wie  es  für  Nr.  15 
geschehen,  genauere  Angaben  über  das  Aussehen  der  in  Arbeit  genommenen  Proben 
zu  finden,  ob  sie  überhaupt  noch  einen  metallischen  Eindruck  machten  oder  völlig 
in  basische  Carbonate  oder  in  Oxydul  u.  s.  w.  übei^gegangen  zu  sein  schienen.  Bei 
Nr.  36  dürfte  wohl  noch  Metall  erkennbar  gewesen  sein,  beim  Schwert  von  Norby  aber 
wohl  nicht  ohne  Weiteres.  Denn  das  Zinn  am  dickeren  Ende  wird  wohl  nur  nach 
dem  Pulverisiren  sich  durch  Schlemmen  gezeigt  haben.  Selbst  bei  metallischem 
Aussehen  kann  übrigens  schon  bedeutend  Sauerstoff  aufgenommen  sein;  das  Metall 
ist  dann  leicht  pulv^srisirbar.  — 

2.    Die  Zinnsäure  der  verwitterten  Bronzen. 

Während  das  in  der  Natur  vorkommende,  die  Hauptquelle  für  Zinn  bildende 
Mineral,   der   Zinnstein,    wasserfreies   SnO,   ist,    scheint   das   Product   langsamer 


1)  Die  Zahlen  für  beide  Analysen  enthalten  wieder  einige  Ungenauigkeiten.  Besonder» 
sind  bei  Nr.  15  entweder  die  als  gewogen  angegebenen  Mengen  SnO«  (0,0511)  nnd  Ca,S  (0,807) 
falsch,  oder  die  Umrechnungen  in  Zinn  und  Kupfer  irrig.    Die  Fehler  überschreiten  1  pCt. 


(349) 

Oxydation  des  Zinns  in  den  Gräbern  meistens,  wenn  nicht  stets,  wasserhaltig 
zu  sein. 

Es  giebt  nun  2  Arten  der  Zinnsäure,  welche  sich  wesentlich  durch  ihre  un- 
gleiche Löslichkeit  in  anderen  Säuren  unterscheiden:  die  eine  bezeichnet  man  als 
a-Zinnsäure,  die  andere  als  b-  oder  Meta-Zinnsäure;  letztere  entsteht  u.  a.  durch 
Oxydation  des  Zinns  mittelst  Salpetersäure.  Jede  Art  kann  unter  gewissen  Um- 
ständen in  die  andere  übergeführt  werden;  es  kann  ferner  jede  derselben  ver- 
schiedene Wassermengen  enthalten. 

Beide  Säuren  kommen  in  der  Zusammensetzung  Sn04H4,  mit  19,46  pCt.  Wasser, 
vor,  so  die  Meta-Zinnsäure  aus  Zinn  und  Salpetersäure,  wenn  sie  an  der  Luft  ge- 
trocknet wird.  Im  Vacuum  über  Schwefelsäure  verlieren  beide  Säuren  1  Molecül 
HgO  und  gehen  in  das  sehr  beständige  SnOsH^  über  (mit  10,75  pCt.  Wasser). 

Von  der  Meta-Zinnsäure  kennt  man  ausserdem  noch  andere  Hydrate,  die  aus 
den  in  der  Kälte  dargestellten  durch  längeres  Rochen  mit  Wasser  entstehen  (Krause's 
Chemiker-Zeitung,  Cöthen  1897,  854).  Alle  Hydrate  beider  Säuren  verlieren  beim 
Olühen  das  Wasser  vollständig. 

Die  Frage  nun,  welche  Art  der  Zinnsäure  und  welches  Hydrat  derselben  in 
den  Gräbern  bei  der  Oxydation  der  Bronzen  und  des  metallischen  Zinns  entsteht, 
scheint  mir  noch  nicht  genügend  aufgeklärt 

Den  ersteren  Punkt  könnte  das  Verhalten  gegen  andere  Säuren  entscheiden. 
Denn  wie  die  a-Säure  in  Salpetersäure  löslich,  die  b-Säure  unlöslich  ist,  so  löst 
sich  erstere  auch  leicht  selbst  direct  in  concentrirter  Salzsäure,  die  b-Säure  aber 
erst  auf  Zusatz  von  Wasser.  Die  Lösungen  beider  Säuren  verhalten  sich  auch 
verschiedenartig  gegen  Schwefelsäure.  —  Nun  fand  ich  völlig  geweisste  Theile 
einer  Dolchspitze  und  eines  Messers  in  kochender  Salzsäure  gänzlich,  dagegen  die 
einer  Fibelspirale,  sowie  das  Oxydations-Product  eines  von  mir  als  Zinn  an- 
gesehenen Klümpchens  nur  theilweise  löslich  (diese  Verhandl.  1883,  88—89;  1884, 
528).  Leider  aber  habe  ich  damals  die  Stärke  der  von  mir  verwendeten  Salzsäure 
nicht  genauer  beachtet.  —  Kröhnke  berührt  die  Frage  nicht,  ebenso  wenig 
Schul  er,  doch  fand  letzterer  die  Patina  beim  Digeriren  mit  Salzsäure  zum 
grössten  Theil  löslich,  und  die  so  behandelte  Masse,  behufs  Abscheidung  etwaiger 
Kieselsäure  zur  Trockne  gedampft,  gab  beim  Digeriren  mit  verdünnter  Salzsäure 
scheinbar  wiederum  alles  Zinnoxyd  ab,  da  die  quantitative  Bestimmung  des  Zinns 
sich  nur  auf  die  Lösung  erstreckte.  Indess  wird  nicht  gesagt,  dass  der  verbliebene 
Rückstand  von  6,16  pCt  (^Kieselsäure  und  Unlösliches")  auch  auf  einen  etwaigen 
Gehalt  an  Zinnoxyd  vergeblich  geprüft  sei. 

Meta-Zinnsäure  nahmen  Arche  und  Hassack  in  der  Patina  dreier  indischer 
Bronzen  an  (Dingler,  Bd.  253,  514ff.)*  Sie  verfuhren  ähnlich  wie  Schuler,  er- 
hitzten sogar  zur  Abscheidung  der  Kieselsäure  auf  110^,  befeuchteten  dann  mit 
concentrirter  Salzsäure  und  nahmen  mit  Wasser  auf.  Wieder  wurde  der  (geglühte) 
Rückstand  als  „Kieselsäure  und  Unlösliches^  in  Rechnung  gestellt,  wie  es  scheint, 
ohne  auf  Sn  untersucht  zu  sein.  Und  doch  wäre  das  hier  sehr  am  Platze  ge- 
wesen, denn  es  enthielt  die  Patina  der  3  Bronzen,  auf  nur  0,45  pOi,  0,05  pOt.  und 
10,52  pCt.  SnO„  nicht  weniger  als  45,29  pCt.,  77,51  pCi,  15,24  pCt  jenes  Rück- 
standes.   Sollte  derselbe  nicht  zinnhaltig  gewesen  sein? 

Die  Frage  nach  der  Art  der  2iinnsänre  ist  also  wohl  noch  offen,  und  nicht  viel 
besser  steht  es  mit  unserer  Kenntniss  des  Wassergehalts. 

100  in^  lufttrockener,  völlig  geweisster  Bronze,  die  nur  noch  eine  Spur  von  Kupfer 
enthielt,  Hessen,  als  ich  sie  erhitzte,  Wasser  entweidhen  und  verloren,  schliesslich 
geglüht,    23  mg  (Verhandl.  1883,   88).     Ein  kleiner  Theil  dieses  Verlustes  kann 


(350) 

allerdings  aus  inflltririer  organischer  Substanz  vom  Holz  des  Grabes  herrühren 
auch  enthielt  die  Masse  etwas  Eisenoxyd  und  Thonerde,  theils  als  Phosphat,  theiis 
wohl  aus  Hydrat,  so  dass  eine  genaue  Berechnung  des  dem  SnO,  zukommenden 
Wassers  nicht  möglich  ist  Immerhin  erscheint  es  fraglich,  ob  die  Annahme  des 
Hydrates  SnOaHg  (mit  nur  10,75  pCt.  Wasser)  in  der  Masse  zulässig  wäre,  und 
man  nicht  vielmehr  Sn04H4  (mit  19,46  Wasser)  vor  sich  hat. 

Die  geweisste  Spitze  des  Norbyer  Schwertes  ergab  6,66  pCt  bis  145°  aus- 
getriebenes Wasser,  dann  weiter  einen  Glühverlust  von  9,51  pCt.,  im  Ganzen 
16,17  pGt  Flüchtiges;  die  Substanz  enthielt  aber  noch  8,51  pGt.  Rupfer,  wohl  in 
der  Form  von  basischem  Carbonat  [Rröhnke's  ungenaue  Zahlen  berichtigt]. 
Hiermit  ist  also  auch  nicht  viel  anzufangen. 

Rröhnke  selbst  scheint  der  Zinnsäure  der  oxydirten  Bronzen  die  Formel 
SnO,H,  zu  geben;  denn  er  sagt  S.  41:  „Gewissermaassen  an  Stelle  des  aus- 
scheidenden Rupfers  traten  Wasserstoff  (1  Mol.)  und  Sauerstoff  (3  0)";  auch  be- 
rechnet er  S.  40  aus  gewogenen  74,36  SnO^  85,79  Zinnsäure.  Die  Formel  SnO,H, 
würde  allerdings  nur  83,34  Säure  ergeben,  SnO^H^  aber  schon  92,33.  Also  liegt 
hier  wohl  wieder  ein  Rechenfehler  vor.  — 

Auch  Arche  und  Hassack  bemerken  S.  518,  dass  von  ihnen  das  SnO^  der 
Patina  „in  der  Form  seines  beständigsten  Hydrates,  nehmlich  als  Meta-Zinnsäure 
HgSnO,,  angenommen  wurde^. 

In  beiden  Fällen  werden  aber  Gründe,  von  der  Beständigkeit  abgesehen,  nicht 
vorgebracht.  Abweichender  Meinung  ist  Sc  hui  er,  der  a.  a.  0.  sagt:  «Das  Zinn 
ist  in  der  ursprünglichen  Patina  als  Zinnoxyd-Hydrat  (SnO^HJ  vorhanden;  nach  dem 
Trocknen  im  Vacuum  über  Schwefelsäure  ist  es  in  das  erste  Anhydrid  (SnO,H,) 
übergegangen.  Dies  Verhalten  zeigen  beide  Zustände  des  Zinnoxyd-Hydrats. ^  — 
Vermuthlich  gelangte  Schuler  zu  der  Formel  SnO^H^  in  ganz  ähnlicher  Weise, 
wie  ich  im  oben  mitgetheilten  Falle.  100  Theile  der  ursprünglichen  Patina  gaben  im 
Vacuum  9,44  Theile  ab;  es  blieben  also  90,56  Theile  von  getrockneter  Patina.  Von 
diesen  enthielten  100  Theile  9,32  Unwesentliches  (Fe,0„  Al^O,,  organische  Substanz 
und  unlösliches),  also  jene  90,56  Theile  8,44  Unwesentliches,  das  abzuziehen 
ist  Mithin  bleiben  82,12  Theile  reiner  trockener  Patina,  die,  in  100  Theilen 
60,92  SnO.H,  enthaltend,  50,03  SnO,Hg  entsprechen.  Diese  erfordern,  um  SnO^H^ 
zu  bilden,  5,36  Wasser,  welcher  Bedarf  aber  durch  das  im  Vacuum  entwichene 
Wasser  mehr  als  vollständig  gedeckt  ist  Es  bleibt  sogar  noch  ein  Ueberschuss 
von  9,44 — 5,36  =  4,08  ungebundenen  Wassers.  Es  kann  also  ursprünglich  in  der 
That  Sn04H4  vorhanden  gewesen  sein. 

Endlich  seien  hier  noch  einige  Oxydations-Producte  herangezogen,  die  mit 
mehr  oder  minder  Sicherheit  als  aus  metallischem  Zinn  hervorgegangen  bezeichnet 
werden  können.  —  Für  eine  graubräunliche  Masse,  die  noch  einige  Zinn-Flitterchen 
enthielt,  fanden  Wibel  und  ich  einen  Gesammt-Trocken-  und  Glühverlnst  von  nur 
4 — 5  pCt  [siehe  über  diese  Masse  unten  S.  352],  und  ein  Spiralring,  nach  Wibel's 
Meinung  ursprünglich  ebenfalls  Zinn,  nicht  Bronze,  war  fast  wasserfrei  [99,65  SnO, 
neben  0,35  Fe^O,  und  Feuchtigkeit;  Jahrbuch  der  wissenschaftlichen  Anstalten  zu 
Hamburg  für  1883,  88—89;  die  Bestimmung  wurde  allerdings  mit  nur  28,5  y»^ 
ausgeführt]. 

Nach  all  diesem  wäre  es  gut,  dem  Wassergehalt  der  langsam  in  den  Gräbern 
entstandenen  Zinnsäure  gelegentlich  grössere  Aufmerksamkeit  zu  schenken.  Auch 
kann  es  zweifelhaft  erscheinen,  ob  die  von  Rröhnke  mehrfach  benutzte  Methode, 
die  Zinnsäure  auf  einem  getrockneten  Filter  zur  Wägung  zu  bringen,  hinreichend 
zuverlässig  ist    Die  Angaben  Kröhnke's  auf  S.  40  dürften  diese  Bedenken  recht- 


(351) 

fertigen.  Er  führte  nehmlich  für  die  Schwertspitze  und  für  die  Probe  vom  Griff- 
ende je  2  Zinn-Bestimmungen  nach  etwas  verschiedenen  Methoden  aus.  Nach 
beiden  wurde  das  Zinn  auf  die  gleiche  gewöhnliche  Weise  als  Oxydhydrat  ab- 
geschieden (S.  44,  Nr.  1),  dann  aber  im  einen  Falle  dieser  ^Kückstand^  auf  dem 
Filter  mit  dem  Hydratwasser  gewogen  (S.  69,  Nr.  2;  71,  Nr.  2),  im  anderen,  wie 
es  sonst  allgemein  geschieht,  durch  Glühen  vom  Wasser  befreit  und  als  SnOj  ge- 
wogen (8.  44,  Nr.  2).  Die  aus  beiden  Bestimmungen  für  jede  einzelne  Probe  be- 
rechneten Zinnmengen  stimmen  aber  nicht  gut  mit  einander  überein.  Die  gewogenen 
78,85  pCi  Zinnsäure  der  Schwertspitze  entsprechen  bei  der  Formel  SnO^Hj  70,35 
Zinnoxyd  (SnO,)  oder  55,24  Zinn.  Aus  den  gewogenen  74,36  von  geglühtem  SnOg 
dagegen  berechnen  sich  83,34  Zinnsäure  oder  58,39  Zinn.  —  Ebenso  hat  man  für  die 
Probe  vom  Griffende  des  Schwertes:  gewogen  32,12  Zinnsäure  =  28,66  SnOg  = 
22,50  Sn,  und  wiederum  27,30  Zinnsäure  berechnet  aus  den  gewogenen  24,36  SnOg  = 
19,12  Sn  [hier  hat  Rröhnke  wieder  irrthüralich  21,27  pCt  Zinn]^.  Bei  jeder 
dieser  Proben  ergeben  also  die  beiden  Zinn-Bestimmungen  eine  nicht  unerhebliche 
Differenz;  nehmlich  im  ersteren  Falle  58,39 — 55,24  =  3,15  pCt.,  im  zweiten  Falle 
22,50 — 19,12  =  3,38  pCt  Man  würde  versucht  sein,  für  die  Schwertspitze  dies  so 
zu  erklären,  dass  der  gewogenen  Zinnsäure  Zinnoxyd  beigemischt  war,  also  Wasser 
fehlte,  mithin  das  Gewicht  dieser  gewogenen  Zinnsäure  zurückblieb  gegen  das  der 
aus  dem  gewogenen  Zinnoxyd  berechneten.  Aber  bei  der  Probe  von  dem  Griff- 
ende liegt  der  Fall  gerade  umgekehrt;  hier  ist  das  Gewicht  der  direct  gewogenen 
Zinnsäure  grösser,  als  das  der  berechneten ;  man  müsste  ein  Gemenge  von  SnO,Hg 
und  Sn04H^  annehmen.  Den  Einfluss  der  Spuren  von  Blei,  Thonerde,  Kupfer,  die  für 
die  zweite  Probe  angegeben  werden,  kann  man  schwer  abschätzen.  Ich  finde  daher 
keine  wahrscheinlichere  Deutung  jener  Abweichungen,  als  die  Unsicherheit  der 
angewendeten  Methode').  Wenigstens  will  ich  dies  zu  Gunsten  des  Verfassers 
annehmen,  obgleich  derselbe  es  sonst  oft  genug  an  der  erforderlichen  Sorgfalt  hat 
fehlen  lassen.  Wir  hatten  schon  wiederholt  Anlass,  auf  Ungenauigkeiten  in 
Rröhnke^s  Zahlenmaterial  hinzuweisen,  und  leider  ist  das  Uebel  noch  weit  grösser, 
als  aus  den  angeführten  Fällen  ersichtlich.  Die  Prüfung  der  Angaben  über  die 
wenigen  Bronzen,  welche  für  uns  hier  Interesse  hatten,  ergab  eine  so  erstaunliche 
Menge  von  Fehlern,  dass  man  eigentlich  keiner  Zahl  ohne  Weiteres  vertrauen  kann. 
In  den  meisten  Fällen  handelt  es  sich  allerdings  nur  um  Druckfehler,  deren  man 
ja  immer  einige  mit  in  den  Rauf  nehmen  muss  und  die  hier  vermuthlich  noch  dadurch 
einigermaassen  entschuldigt  werden  können,  dass  die  Arbeit  vor  dem  Zusammentritt 
der  Generalversammlung  der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Lübeck  zur  Vertheilung 
gelangen  sollte  und  ihr  Druck  deshalb  wohl  etwas  überhastet  wurde.  Aber  auch  das 
muss  doch  seine  Grenze  haben,  und  ausserdem  beruht  ein  recht  beträchtlicher  Theil 
der  Fehler  auf  falscher  Berechnung  der  Wägungs-Ergebnisse,  zum  Theil  vielleicht 
auch  auf  irriger  Uebertragung  aus  dem  Analysen-Journal  ins  Manuscript.  Statt 
vieler  Beispiele  genüge  das  folgende:    S.  63  wird  zu  Bronze  Nr.  30  der  Gewichts- 

1)  Bei  den  Berechnungen  habe  ich  Sn  =  117  und  Cn  =  68  angenommen,  wie  es  auch 
Kröhnke  ausweislich  verschiedener  von  mir  diesbezüglich  geprüfter  Gleichungen  gethan 
hat  Ob  man  beide  Aequivalent-Gewichte,  wie  es  jetzt  wohl  meist  geschieht,  etwas  grosser 
annimmt  (Sn  =  118;  Cu  =  6d,4)  macht  übrigens  fast  gar  nichts  aus. 

2)  Diese  Auffassung  wird  bestätigt  durch  zwei  während  des  Druckes  dieses  Aufsatzes 
erfolgte  Mittheilungen  R.  EngePs  in  der  Acad^mie  des  Sciences  zu  Paris  vom  2.  und 
8.  November  1897  über  den  schwankenden  Wassergehalt  der  Zinnsäuren;  vergl.  Chemiker- 
Zeitung  vom  17.  November  1897,  S.  962,  und  vom  24.  November,  S.  985. 


(352) 

Verlust   beim  Erhitzen    von   145°  auf  200°  so  angegeben:   0,0016  r;  =  6,15  pCi; 
S.  16  steht  dann  wieder  6,04  pGt.;  richtig  muss  es  aber  heissen  0,0076  =  6,67  pCt 

Während  nun  Hr.  Rröhnke  nach  dem  oben  Mitgetheilten  bei  der  in  den 
Gräbern  entstandenen  Zinnsäure  wohl  etwas  zu  sehr  auf  die  Oleichmässigkeit  des 
Wassergehaltes  baut,  berücksichtigt  er  umgekehrt  das  Wasser  der  aus  Zinn  und 
Salpetersäure  bei  der  Analyse  gebildeten  Meta-Zinnsäure  gar  nicht  Er  scheint  zu 
meinen,  dass  dabei  wasserfreies  SnO,  entsteht.  Denn  er  spricht  S.  44  Ton  dem 
abgeschiedenen  „Zinnoxyd^  und  bezeichnet  S.  47  das  bei  Auflösung  der  antimon- 
haltigen  Bronzen  in  Salpetersäure  ungelöst  Bleibende  als  SnO^  und  H,Sb04  (Antimon- 
säure). Dieser  Irrthum  hat  aber  bedenkliche  Folgen.  Bei  denjenigen  Bronzen 
nehmlich,  für  welche  die  qualitative  Analyse  nur  wenig  Antimon  anzeigte,  oder 
deren  Gesammtrückstand  beim  Lösen  in  Salpetersäure  gering  war,  bestimmte  er 
quantitativ  nur  das  Zinn  direct  (durch  Wägen  als  geglühtes  SnO,);  das  Antimon 
ermittelte  er  indirect,  wie  folgt:  von  dem  Gewicht  des  bei  105°  getrockneten  Ge- 
sammtrückstandes  zog  er  das  des  gefundenen  (wasserfreien)  SnO,  ab,  nahm  die 
Differenz  als  EgSbO^  an  und  berechnete  daraus  das  Antimon.  Da  aber  in  Wahr- 
heit das  Zinn  im  Gesamrotrückstande  nicht  als  SnO,,  sondern  als  dessen  Hydrat 
enthalten  ist,  so  muss  auf  diese  Weise  das  Gewicht  des  H,Sb04  um  das  Hydrat- 
wasser des  SnOg  zu  hoch  gefunden  werden.  Die  ganze  Methode  dieser  Differenz- 
Bestimmung  ist  also  theoretisch  unhaltbar,  und  der  Fehler  wird  um  so  grösser 
werden,  je  geringer  die  Menge  des  Antimons  im  Verhältniss  zu  der  des  Zinns  der 
Bronzen  ist. 

Wenn  bei  Kröhnke's  Analysen,  soweit  ich  sie  daraufhin  prüfte,  bisweilen 
weniger  H^SbO^  berechnet  wurde,  als  dem  Hydratwasser  des  gefundenen  Zinnoxyds 
entspricht,  während  ihr  Gewicht  =  der  Summe  des  Hydratwassers  und  der  wirklich 
vorhandenen  Antimonsäure  sich  hätte  ergeben  müssen,  so  kann  dies  wohl  nur  auf 
Ungcnauigkeiten  in  der  Analyse  zurückgeführt  werden.  Ich  berechne  für  die 
Bronzen  Nr.  27  und  28  das  Hydratwasser  des  SnO^  bei  Annahme  von  nur  1  Mol. 
Wasser,  zu  1,04  und  1,29  pCt.,  während  nach  Rröhnke  die  Antimonsäure  nur 
0,90  und  0,91  pCt  betrug.  Die  Angabe  0,90  für  Bronze  Nr.  27  ist  dazu  wieder 
ganz  unsicher;  wenn  das  Gewicht  des  Gesammtrückstandes  mit  0,0346  g  richtig 
angegeben  ist,  hätte  man  gar  nur  0,39  pGt  H^SbO^.  Denn  der  Rückstand  betrüge 
dann  nur  9,02  pCt.,  nicht  9,53,  und  die  Antimonsäure  verminderte  sich  um  die 
Differenz  0,51,  d.  h.  von  0,90  auf  0,39  pCt.  — 

Alle  diese  Mängel  machen  die  Rröhnke'sche  Arbeit,  so  wie  sie  vorliegt,  fast 
unbrauchbar,  da  sie  doch  wesentlich  auf  Zahlen  fusst.  Es  würde  sich  empfehlen, 
sofort  eine  zweite  Auflage  herauszugeben,  diese  dann  aber  sorgfaltig  zu  redigiren 
und  in  der  Drucklegung  zu  überwachen. 

3.   Das  Vorkommen  von  metallischem  Zinn  in  den  Gräbern. 

In  dem  Norbyer  Grabe  lag  dicht  neben  der  Schwertklinge,  nach  der  Spitze 
hin,  zusammen  mit  weisslichen  Bruchstücken  einer  bronzenen  Pincette  und  anderem 
Rleingeräth,  ein  grobkörniges,  graues  bis  bräunliches  Pulver*).  Dieses 
hatte  ich  seinerzeit  untersucht  und  als  Product  der  Oxydation  von  Zinn,  nicht 
von  Bronze,  erkannt.  Dr.  F.  Wibel,  dem  ich  dann  eine  Probe  davon  sandte,  be- 
stätigte nach  sorgfältiger  Prüfung  meine  Auffassung  (diese  Verband].  1884,  527 — 30). 
Wir  stützten  uns  dabei  vornehmlich  auf  folgende  Thatsachen:   Die  Brocken  waren 


1)  Mittheil.  d.  Anthropologischen  Vereins  in  Schleswig-Holstein,  Heft  3    S.  22  und  25, 
Fig.  7. 


(353) 

hart  und  spröde;  sie  enthielten  nur  4,54  pCt.  Rapferoxyd,  aber  trotzdem,  neben 
der  Zinnsäare,  noch  metallisches  Zinn. 

Hr.  Rröhnke  bemerkt  non,  nachdem  er  seine  Beobachtangen  an  dem  Schwerte 
dargelegt  hat,  S.  41  in  Bezog  auf  jene  graubraunen  Brocken:  ,)Nach  dem  Gesagten 
ist  es  klar,  dass  wir  nicht  ein  ursprüngliches  Zinnobject  ror  uns  haben,  sondern 
dass  die  Masse  ebenfalls  ein  Umwandlungs-Product  von  Bronze  ist^  Aber  er  hat 
dabei  erstens  die  physikalische  Beschaffenheit  der  Brocken  ausser  Acht  gelassen 
und  zweitens  nicht  bemerkt,  dass  gerade  in  seinen  eigenen  Analysen  die  Wider- 
legung diesef  AnfTassung  liegt. 

Von  der  durch  Rupfer-Aosscheidnng  und  Wasserstoff-  und  Sauerstoff-Aufnahme 
stark  veränderten  Bronze  sagt  er,  sie  sei  noch  compact  geblieben  und  habe  völlig 
ihre  Form  bewahrt,  aber  sei  „allerdings  bröckelig  und  locker  genügt.  Dies 
trifft  ja  auch  auf  die  unzweifelhaft  aus  Bronze  entstandenen  Umwandlungs-Producte 
durchweg  zu.  Dagegen  habe  ich  a.  a.  0.  gerade  die  Härte  jener  grauen  Brocken 
hervorgehoben  und  Wibel  bestimmte  ihren  Härtegrad  zu  3  bis  reichlich  5.  Auch 
für  eine  aschgraue,  noch  metallisches  Zinn  enthaltende  Masse  aus  dem  Swarten 
Berg  bei  Oönnebeck  in  Holstein  betonte  ich  die  Härte  (ebenda  S.  530),  und  Wibel 
fiel  die  ausserordentliche  Festigkeit  eines  osydirten  Spiralringes  auf,  den  er  als 
aus  Zinn  entstanden  annimmt. 

Der  Umstand  nun,  dass  die  fragliehe  Masse  noch  4,54  pOi  Rupferoxyd  = 
3,6'2  Rupfer  enthielt,  scheint  für  Rröhnke  bestimmend  gewesen  zu  sein;  den  Oe- 
halt  an  metallischem  Zinn  beachtet  er  dem  gegenüber  nicht,  vermuthlich  weil  er 
selbst  noch  Zinn  in  dem  oxydirten  Norbyer  Schwerte  fand.  Allein  diese  noch 
metallisches  Zinn  aufweisende  Probe  des  Schwertes  war  dem  dicken  Griffende  ent- 
nommen und  enthielt  nicht  weniger,  als  63,79  pCt.  Rupfer.  In  der  Schwertspitze 
dagegen  war  kein  metallisches  Zinn  nachweisbar,  obgleich  sie  immerhin  noch 
8,51  pCt  Rupfer  gegen  nur  3,62  pGt  der  grauen  Brocken  ergab.  Und  doch  fand 
sich  in  letzteren  noch  metallisches  Zinn I  Rröhnke's  eigene  Zahlen  sprechen  also 
eher  gegen,  als  für  ihn.  Ich  halte  jedenfalls  für  diese  grauen  Brocken  am  Zinn  fest; 
der  Rupfergehalt  derselben  kann  aus  den  Bronzen  stammen,  bei  denen  sie  lagen, 
wenn  nicht  das  Zinn  selbst  schon  unrein  war.  Uebrigens  ist  ja  auch  archäologisch 
das  Vorkommen  von  Zinn  in  schleswig-holsteinischen  Gräbern  gar  nicht  auffallend. 
Man  kennt  ja  schon  lange  die  Holzgefasse  der  jütischen  Eichbaum -Säige  mit 
Ornamenten  aus  eingeschlagenen,  noch  jetzt  metallischen  Zinnstiften;  desgleichen 
eine  Art  von  Rnopf  und  einige  Rlümpchen  ohne  bestimmte  Form,  ebenfalls  poch 
heute  unverändert  Ich  selbst  besitze  eines  jener  StiHchen  und  aus  dem  Dragshöi 
in  Schleswig  einen  Splitter  eines  solchen  Rlümpchens  (Verhandl.  1883,  92).  — 

4.   Phosphorsäurehaltige  Thonerde  als  Material  von  Pseudomorphosen 

nach  Gegenständen  des  Grab-Inhaltes. 

Bei  meinen  8.  347  kurz  erwähnten  Beobachtungen  über  die  Holle  des  Ammoniaks 
in  dem  Grabe  von  Norby  handelte  es  sich  um  Ablagerung  von  phosphorsäure- 
haltiger Thonerde  in  die  Ledersubstanz  des  Ueberzuges  der  hölzernen  Schwert- 
scheide und  auf  das  Holz  selbst  an  denjenigen  Stellen,  wo  das  Leder  bereits  zer- 
stört war.  Nachdem  ich  nehmlich  an  ungebrannten  Rnochen  aus  Amrumer 
Gräbern  einen  mehr  oder  minder  vollständigen  Ersatz  ihres  Kalkes  durch  Thon- 
erde, d.  i.  eine  Pseudomorphose,  beobachtet  hatte  (diese  Verhandl.  1884,  516ff.), 
stellte  ich  weiter  fest  an  Gegenständen  aus  Gräbern  verschiedener  schleswig-hol- 
steinischer Landschaften,  so  auch  aus  dem  in  Rede  stehenden  von  Norby,  dass 
phosphorsänrehaltige  Thonerde  bisweilen  die  Stellen  einnahm,   wo,    dem  archäo- 

VcrhABüi.  d«r  Bcrl.  Antbropol.  GcMllsebA/t  1691.  28 


(354) 

logischen  Befände  nach,  früher  Leder  oder  vielleicht  auch  Fell,  also  allgemeiner 
thierische  Haut,  gesessen  hatte  (Verhandl.  1884,  518;  1886,  241).  Ich  glaubte 
damals,  die  durch  Phosphorsäure-Aufnahme  veränderten  AsChen-Bestandtheile  weiss- 
garen,  d.  h.  mittelst  Aluminium-Salze  gegerbten,  Leders  vor  mir  zu  haben,  und 
wies  zur  Erklärung  der  stattgefundraen  chemischen  Vorgänge  auf  das  beim  Ver- 
wesen des  Leders  entwickelte  Ammoniak  hin. 

Inzwischen  hat  F.  Wibel  Thonerde-Hydrophosphat  als  pseudomorphe  Nach- 
bildung eines  Geflechts  oder  Gewebes  in  einem  Grabe  von  Perlberg  bei  Friedricbs- 
ruhe  im  Sachsenwalde  erkannt  (Chemisch -antiquarische  Mittheilun^n  1,  Harn- 
bui|p  1887;  in  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Naturwissenschaften,  Bd.  10): 
„An  der  gräulich-weissen  erdigen  Masse  wurde  stellenweise  sehr  deutlich  ein  Ge- 
flecht und  Gewebe  aus  massig  dickem  Bindfaden  erkennbar.  Von  der  Faser- 
substanz selbst  war  freilich  nichts  mehr  zu  isoliren,  da  dieselbe  völlig  verkohlt 
und  schwarz,  andererseits  aber  so  von  jener  weisslichen  Masse  durch-  und  über- 
zogen erschien,  dass  man  hier  eine  vollständige  Mineralisirung  unter  localer  Er- 
haltung der  feinsten  Structurformen  vor  sich  hatte. ^  Wibel  folgerte  aus  dieser  ,,gc- 
treuen  Pseudomorphosirung  des  Fadens  sowohl  die  secundäre  Entstehung  des 
Phosphates,  als  auch  den  innigen  zeitlichen  Zusammenhang  mit  der  Verrottnng 
der  Faser^.  Ich  schliesse  mich  dieser  Auffassung  an  und  möchte  jetzt  auch  für 
die  Haut  den  gleichen  Vorgang  gelten,  die  Weissgerberei  des  Leders  dagegen  fallen 
lassen.  Dadurch  würde  sich  die  von  mir  seinerzeit  hervorgehobene  erhebliche 
Dicke  der  Thonerde-Phosphatmassen  besser  erklären,  als  durch  die  vermuthungs- 
weise  angenommene  mehrfache  Uebereinanderlagerung  von  Leder-  oder  Fellschichtcn. 
Es  lassen  sich  dann  auch  alle  jene  Beobachtungen  unter  einen  gemeinsamen  Ge- 
sichtspunkt bringen,  nehmlich  unter  den  der  Einwirkung  löslicherAluminium- 
salze  auf  Knochen,  thierische  Haut  und  Gewebs-  oder  Geflechtsfaser. 

Ich  hatte  nehmlich  angenommen,  dass  auf  die  Knochen  eine  Lösung  von 
schwefelsaurer  Thonerde  oder  deren  Verbindung  mit  schwefelsaurem  Alkali, 
d.  L  von  Alaun,  getroffen  sei,  die  aus  dem  an  der  schleswig-holsteinischen  Küste 
vielfach  vorkommenden  und  in  bronzezeitlichen  Gräbern  auch  als  Beigabe  nieder- 
gelegten Schwefelkies  bei  seiner  Verwitterung  durch  Einwirkung  auf  Thon  oder 
Feldspath  entstanden  sein  möchten.  Es  würde  sich  dann  aus  diesem  löslichen 
Aluminium-Sulfat  und  aus  dem  schwerlöslichen  Calcium-Phosphat  der  Knochen  un- 
lösliches Aluminium-Phosphat  und  lösliches  Caicium-Sulfat  (Gyps)  gebildet  haben. 
—  Setzt  man  in  gleicher  Weise  lösliches  Aluminiumsalz  als  auch  mit  der  Haut  in 
Berührung  kommend  voraus,  so  würde  das  bei  deren  Verwesung  entstehende 
Ammoniak  aus  diesem  die  Thonerde  gerade  auf  der  Stelle  der  Haut  abgeschieden 
haben,  und  dasselbe  würde  fär  jenes  Gewebe  oder  Geflecht  gelten,  wenn  man  an- 
nimmt, der  „massig  dicke  Bindfaden^  sei  ein  starker  W oll  faden  gewesen,  was  ja 
nach  unserer  Kenntpiss  anderer  Funde  sogar  höchst  wahrscheinlich  ist  Die  so 
niedergeschlagene  Thonerde  würde  in  diesem  Falle  ihren  (schwankenden)  Phos- 
phorsäure-Gehalt wtihrscheinlich  den  Gebeinen  der  Leiche  verdanken,  deren  phos- 
phorsauren Kalk  die  mit  Kohlensäure  beladenen  Tagewässer  allmählich  auflösten, 
wobei  derselbe  an  die  Thonerde  vermuthlich  einen  Theil  seiner  Phosphorsäure  ab- 
geben musste  wegen  der  grösseren  Schwerlöslichkeit  des  Aluminium -Phosphats; 
kohlensaurer  Kalk  wird  dabei  gleichzeitig  entstanden  sein. 

Die  Ausscheidung  der  Thonerde  an  der  Stelle  der  Haut  und  des  Gewebes  be- 
ruhte also  in  erster  Linie  jedenfalls  auf  den  besonderen  Ammoniakquellen 
an  eben  diesen  Punkten.  Ob  auch  das  Ammoniak,  welches  die  Leiche  selbst 
spendete,  mitgewirkt  hat,  hier  sowohl,  wie  bei  der  Veränderung  der  Knochen,  sei 


(355) 

dahiogestellt.  Ein  Zwang,  dies  anzunehmen,  liegt  nicht  vor  und  jedenfalls  würde 
man  dann  eine  riel  grössere  Ausdehnung  solcher  Thonerde-Ablagerungen  in  den 
Gräbern  erwarten  dürfen.  Freilich  können  sich  dieselben  leicht  der  Beobachtung 
entziehen,  soweit  sie  nicht  an  den  Beigaben  selbst  haften,  sondern  nur  der  Erde 
beigemischt  sind,  und  eine  Wahrnehmung,  die  ich  machte,  Hesse  sich  wohl  mit 
einer  solchen  allgemeineren  Wirksamkeit  des  Ammoniaks  in  den  Gräbern  zusammen- 
reimen. Ein  vollständig  geweisstes  Bronzemesser  enthielt  neben  SUnnsäure  und 
einer  Spur  Kupfer  auch  etwas  Eisenoxyd  und  Thonerde  (diese  Verhandl.  1883, 
88).  Die  Ausscheidung  der  letzteren  in  die  Masse  der  oxydirten  Bronze  hinein 
könnte  durch  Ammoniak  bewirkt  sein ;  von  einer  besonderen  Ammoniak  spendenden 
Umhüllung  des  Messers,  etwa  einem  Lederfutteral,  ist  aber  nichts  wahrgenommen 
worden.  Indess  waren  die  Fundumstände  so  feinen  Beobachtungen  auch  wenig 
gUnstig,  und  in  anderen  Amrumer  Gräbern  kamen  solche  Futterale  thatsächlich  vor. 
Dieser  Fall  ist  also  nur  mit  Vorsicht  zu  verwerthen,  aber  jedenfalls  ist  auch  hier 
auf  lösliches  Thonerdesalz  zu  schliessen. 

Ueberall  also  wäre  lösliches  Aluminiumsalz  vorauszusetzen.  Wibel  freilich 
nahm  fttr  die  von  ihm  beobachtete  Pseudomorphosirung  der  Faser  gerade  um- 
gekehrt eine  Veränderung  eines  unlöslichen  Aluminiumsalzes  durch  infiltrirtes 
Kalkphosphat  der  Knpchen  an.  Er  dachte  sich  das  Geflecht,  analog  dem  Ver- 
fahren vieler  Naturvölker,  mit  Thon,  d.  i.  unlöslichem  wasserhaltigem  Aluminium- 
Silicat,  ausgestrichen,  um  es  dicht  zu  machen,  und  diesen  Thon  dann  mit  dem 
Kalkphosphat  umgesetzt  in  unlösliches  Aluminium -Phosphat  und  lösliches  Kalk- 
Silicai  Da  aber  die  Annahme  eines  so  gedichteten  Geflechtes  für  unsere  vor- 
geschichtlichen Zeiten  doch  ganz  hypothetisch  ist,  während  Reste  von  Wollgeweben 
sich  ungemein  häufig  in  bronzezeitlichen  Körpergräbern  finden,  und  da  ferner  filr 
den  Lederttberzug  der  Schwertscheide  und  für  die  Knochen  entschieden  der  Zutritt 
gelösten  Aluminium-Salzes  angenommen  werden  muss,  so  glaube  ich,  dass  auch 
bei  jenem  Geflecht,  oder  richtiger  wohl  Gewebe,  meine  Deutung  der  chemischen 
Vorgänge  die  wahrscheinlichere  ist.  — 

(25)  Hr.  Georg  Schweinfurth  legt  eine  grössere  Anzahl  der  von  ihm  in  der 
Sitzung  vom  13.  Juni  (S.  272)  besprochenen 

Steingefässe  der  Ababde  und  andere  Steingeräthe  ans  Aegypten 

vor.  — 

Hr.  A.  Voss  bemerkt,  dass  der  Reisende  diese  Gefässe  dem  Museum  für 
Völkerkunde  geschenkt  hat,  und  spricht  den  Dank  der  Museums-Verwaltung  dafür 
aus.  — 

Hr.  Rud.  Virchow  hebt  den  ungewöhnlich  grossen  Werth  der  Mittheilungen 
und  Erörterungen  des  Hrn.  Schweinfurth  hervor.  In  Bezug  auf  die  halbmond- 
förmigen Schaber,  welche  der  Redner  besonders  betont  hat,  erwähnt  er,  dass  ganz 
ähnliche  Formen  auch  von  der  Insel  Rügen  bekannt  sind;  im  Museum  befindet 
sich  eine  Sammlung  davon.  Sie  sind  hier  in  der  Regel  als  Schaber  zum  Glätten 
Ton  Holzstäben  betrachtet  worden.  — 

Hr.  M.  Bartels  übergiebt  als  Geschenk  des  Hrn.  Schweinfurth  eine  Samm- 
lung photographischer  Aufnahmen  von  ägyptischen  Schülern.  — 

23» 


(356) 

(26)   Neu  eingegangene  Schriften: 

1.  Engelhardt,  C,  Thorsbjerg  Mosefand.    Kjebenhavn  1863. 

2.  Derselbe,  Vimose  Fandet.    Kjebenhavn  1869. 

3.  Brazelias,  N.  G.,  Srenska  Fornlemningar.     1  und  2.    Land  1853/1860. 

4.  Renner,   F.,   Beiträge  za  einer  Chronik  der  archäologischen  Funde  in  der 

österreichischen  Monarchie  (1856—1858).    Wien  1860.    (Arch.  f.  Runde 
österr.  Oeschichtsquellen  XXIY.) 

5.  Worsaae,  J.  J.  A.,  The  industrial  arts  of  Denmark.    London  1882. 

6.  Derselbe,  Slesvigs  eller  Senderjyllands  Oldtidsminder.    Rjehenham  1865. 

7.  Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande.    Heft  44 — 46. 

Bonn  1868—69. 

8.  Rygh,  R.,  Aarsberetning  for  oldsagsamlingen  i  1876.    o.  0.  u.  J. 

9.  Jahres-Bericht  des  historischen  Vereins  fttr  den  Regierungsbezirk  von  Schwaben 

und  Neuburg  1842—46.    Augsburg  1844—47. 

10.  Lindenschmit,    F.,    Ueber  eine  besondere  Oattung  von  Gewandnadeln  aus 

deutschen  Gräbern  des  V.  und  VL  Jahrhunderts.    Mainz  1851. 

11.  Boye,  V.,  Fund  afEgekister  fi-a  Bronzealderen  i  Dan  mark.    Rjebenhavn  1896. 

12.  Stolpe,  Hj.,  Björkö-f)mdet.    4  Abhandlungen.    Stockholm  1873—81. 

13.  Derselbe  och  H.  Hildebrand,  Vendelfyndet.    Stockholm  1884. 

14.  Madsen,  A.  P.,  Gravheie  og  Gravfund  fra  Steenalderen  i  Danmark.    Rjoben- 

havn  1896. 

Nr.  1 — 14  sind  angekaufl 

15.  Bastian,  A.,  Lose  Blätter  aus  Indien.   L    Batavia  1897.    Gesch.  d.  Verf. 

16.  Grabinski,   L.,    Die  Sagen,   der  Aberglaube   und   abergläubische  Sitten   in 

Schlesien.    Schweidnitz,  o.  J.     Gesch.  d.  Hm.  M.  Bartels. 

17.  Formosa-Zeitung,  chinesisch  und  japanisch,  vom  19.  und  20.  Januar  1897.  Gesch. 

d.  Hrn.  F.  W.  R.  Müller. 

18.  Hnltzscb,   B.,   Reports  on  Sanskrit  manuscripts  in  Southern  India.    Nr.  IL 

Madras  1896.    Gesch.  v.  Supt.  of  the  Govt.  Press,  Madras. 

19.  Protokolle  der  General-Versammlung  des  Gesammtvereins  der  deutschen  Ge- 

schieh ts-   und   Alterthums -Vereine   zu   Sigmaringen    1891.     Berlin   1892. 
Gesch.  des  Hrn.  Schwartz. 

20.  Brose,   M.,   Die  Deutsche  Colonial- Literatur  von  1884—1895.    Berlin  1897. 

Gesch.  d.  Colonial-Gesellschaft. 

21.  Führer    durch    das    kunstgeschichtliche    Museum    (v.   Wagner  -  Stiftung)    der 

Universität.    Würzburg  1897.    Gesch.  d.  Hrn.  Prof.  Dr.  Sittl  in  Würzburg. 

22.  Geboortedagen    van  de  Familie  Martens  op  heden  in  leven.    Batavia  1897. 

Gesch.  d.  Hm.  Capt  Schulze  in  Batavia. 


Sitzung  vom  16.  October  1897. 

Vorsitzender:    Hr.  R.  Virchow. 

(1)  Anwesende  Gäste:  Die  Herren  Dr.  L.  Glück  aus  Sarajevo,  R.  Freydorff 
und  Herrn.  Seide  aus  Berlin.  — 

(2)  Am  9.  September  ist  Franz  Pulszky  (v.  Luböcz  und  Gselfalva),  der 
General-Inspector  der  ungarischen  Museen  und  Bibliotheken,  83  Jahre  alt,  in  seiner 
Dienstwohnung  im  Ungarischen  National-Museum  zu  Budapest  gestorben.  Er  war 
seit  1876  unser  correspondirendes  Mitglied  und  zu  allen  Zeiten  unser  treuer  Freund. 
Seine  wunderbaren  Schicksale  während  der  Revolution  und  nach  der  Reconstruirung 
des  Königreiches  sind  in  Aller  Erinnerung.  Wir  kennen  ihn  näher  seit  den  inter- 
nationalen Gongressen  für  prähistorische  Archäologie  und  Anthropologie,  ins- 
besondere seit  seiner  Präsidentschafl  auf  dem  Budapester  Gongress  (1876),  wo  er 
uns  zum  ersten  Male  die  Schätze  des  neu  errichteten  National-Museum s  vorführte. 
Seine  Arbeiten  über  die  ungarische  Rupferzeit  und  seine  glücklichen  Forschungen 
über  die  mittlere  Eisenzeit  werden  seinen  Namen  unter  denen  der  bahnbrechenden 
Archäologen  stets  erhalten.  — ^ 

Wilhelm  Wattenbach,  unser  langjähriges  ordentliches  Mitglied,  ist  uns  ganz 
plötzlich  am  20.  September  entrissen  worden.  Es  gab  eine  Zeit,  wo  er  regelmässig 
und  mit  grösster  Theilnahme  ^n  unseren  General-Versammlungen  sich  betheiligte. 
Später,  wo  seine  körperlichen  Zustände  ihm  grössere  Vorsicht  geboten,  sahen  wir 
ihn  vielfach  in  unseren  Sitzungen.  Seine  grossen  historischen  und  philologischen 
Kenntnisse  liessen  ihn  in  schwierigen  wissenschaftlichen  Fragen  als  unseren  er- 
probten Rathgeber  erscheinen.  Nach  dem  Tode  v.  Holtzendorff's  trat  er  in  die 
Leitung  der  von  diesem  wackeren  Manne  und  Hrn.  Rud.  Virchow  gegründeten 
„Sammlung  gemeinverständlicher  wissenschaftlicher  Vorträge''  ein;  bis  zu  seinem, 
auf  der  Rückreise  aus  der  Schweiz  nach  Berlin  in  Frankfurt  a.  M.  erfolgten  Tode 
hat  er  diese  Stellung  mit  Hingabe  und  treuester  Sorgfalt  ausgefüllt.  Sein  Leib  ist 
in  Heidelberg  zur  Erde  bestattet  worden.  — 

(3)  Am  11.  September  ist  Hermann  Wcicker,  Professor  der  Anatomie  in 
Halle,  nach  kurzem  Krankenlager  im  76.  Lebensjahre  zu  Winterstein  in  Thüringen 
sanft  entschlafen.  Er  war  einer  der  klassischen  Repräsentanten  der  anatomischen 
Anthropologie,  und  sein  grundlegendes  Werk  „über  Wachsthum  und  Bau  des 
menschlichen  Schädels'^  fiel  gerade  in  die  Zeit,  wo  durch  die  französische  und  die 
deutsche  Schule  die  messende  Methode  an  die  Stelle  der  bloss  beschreibenden  ein- 
gesetzt worden  war.  Grosse  Reisen,  auf  denen  er  vorzugsweise  die  deutschen  und 
die  niederländischen  Museen  durchforschte,  brachten  in  seine  Hände  ein  ungeheures 
Material,  welches  durch  seine  Genauigkeit  die  ersten  umfassenden  statistischen 
Uebersichten  zur  Schädel  künde  der  alten  Welt  ermöglichte.  Zahlreiche  andere 
Detailarbeiten  brachten  das  Verständniss  der  verwickelten  Verhältnisse  des  Schädel- 
baues der  verschiedenen  Rassen.    Er  folgte  mit  selbständigem  Geiste  den  Spuren 


(358) 

seines  Lehrmeisters  Bischof,  dem  er  schon  in  Oiessen  zur  Seite  gestanden  hatte. 
Aber  er  bewahrte  sich  auch  den  pinn  für  andere  Seiten  der  Yolkskande;  dafttr 
giebt  sein  Buch  ^Die  deutschen  Mundarten  im  Liede^  Zeugniss,  wie  er  schon  von 
früh  an  auch  die  rerschiedensten  Seiten  der  physiologischen  Forschung  mit  £ifer 
und  Erfolg  praktisch  geübt  hatte.  — 

Am  12.  September  ist  Rudolf  Berlin,  Professor  und  Rector  der  Unirersität 
Rostock,  zu  Linthal  in  der  Schweiz,  wo  er  sich  zur  Rur  aufhielt,  64  Jahre  alt,  ge- 
storben. Er  gehörte  zu  der  strebsamen  Schaar  junger  Meklenburger,  welche  in 
den  50er  Jahren  die  Universität  Würzburg  aufsuchten.  Aus  dieser  Zeit  datiren 
seine  nahen  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  Gustav  Nachtigal,  der  in  den 
Pausen  zwischen  seinen  vielen  Reisen  das  damalige  Heim  seines  alten  Gommilitonen 
in  Stuttgart  aufzusuchen  pflegte;  die  vortrefflichen  „Erinnerungen  an  Nachtigal^, 
die  wir  der  Gattin  Berlin' s  verdanken,  entstammen  diesen  Besuchen.  Berlin 
wurde  1833  zu  Friedland  in  Meklenbuig  geboren;  seine  praktischen  Studien  hatten 
ihn  fast  durch  alle  Hochschulen  und  Augen-Heilstätten  Deutschlands  geführt,  in 
den  letzten  Jahren  sahen  wir  ihn  wiederholt  auf  den  General- Versammlungen  der 
Deutschen  Anthropologischen  Gesellschaft  — 

(4)  Vorstand  und  Ausschuss  der  Gesellschaft  haben  Hrn.  Alexander  Makowsky, 
Professor  in  Brunn,  zum  correspondirenden  Mitgliede  erwählt  — 

(5)  Als  neue  ordentliche  Mitglieder  werden  angemeldet: 
Hr.  Jacob  Nordheim  in  Hamburg. 

„  M.  Nordheim  in  Hamburg. 

„  Prof.  Dr.  Till  mann  8  in  Leipzig. 

„  k.  k.  Notar  Jaroslav  Palliardi  in  Traih,  Mähren. 

„  Rittergutsbesitzer  v.  Platen-Venz  in  Stralsund. 

„  George  Grant  Mac  Ourdy  in  New  Haven,  America. 

für  1898: 
Hr.  Dr.  S.  Weissenberg  in  Elisabethgrad,  Süd-Russland. 

(6)  Das  correspondirende  Mitglied  Hr.  R.  A.  Philip pi  theilt  in  einem  Briefe 
an  den  Vorsitzenden  d.  d.  Santiago,  17.  Mai,  mit,  dass  er  am  15.  nach  43 jähriger 
Dienstzeit  pensionirt  und  dass  sein  Sohn  Friedrich  an  seiner  Stelle  ernannt  worden 
ist  Er  schreibt:  ^Meine  allgemeine  Gesundheit  ist  noch  sehr  gut  und  ich  würde 
gern  fortfahren  zu  arbeiten,  wenn  mich  nicht  der  graue  Staar  heimsuchte.*'  ~ 

Der  Vorsitzende  drückt  die  herzliche  Theilnahme  der  Gesellschaft  aus,  und 
hofft,  dass  das  treffliche  Vorbild,  welches  der  greise  Gelehrte  der  chilenischen 
Jugend  hinterlässt,  dazu  beitragen  werde,  den  Geist  ernster  deutscher  Forschung 
in  dem  fernen  Lande  aufrecht  zu  erhalten.  — 

(7)  Das  correspondirende  Mitglied  Hr.  J.  D.  E.  Schmeltz  ist  zum  Diredor 
des  Rijks  Ethnographisch  Museum  in  Leiden  ernannt  worden«  — 

(8)  Das  ordentliche  Mitglied  Hr.  Karl  von  den  Steinen  ist  nach  den  letzten 
Nachrichten  auf  den  Marquesas  angelangt  — 

(9)  Der  Vorsitzende  hat  aus  Cividale  im  Friaul  folgenden  Aufiruf  erhalten 

zu  einer 

Erinneningsfeier  ffir  Paulus  Diaconas 

Pauli  Diaconi,  Langobardoram  historiographi,  vitam  et  opera  commemorare 
anno  P.  F.  1899,  mense  Septembri,  consilium  municipale  Fori  Inlii  decrerit 


(359) 

üti  vero  hnmanlssimam  decretnm  asseqoi  possit  id  quod  spectat,  infrascripti 
huic  moneri  addicti  [paraodam  censerunt  clarorom  conyentnm  viroram,  qaomm 
prsesentia  et  decora  prsebeat  solemni  et  occasionem  in  medium  eonferat  studia  re- 
centiora  eiasdem  argumenti  sive  edita  sive  inedita  ac  typis  mandanda  cum  inter- 
venientibus  communicandi. 

Tu,  Oiarissime  Domine,  inceptis  nostris  faveas,  quaeso;  et  rescribere  velis  te 
acceptorem  observantissimi  inviti,  sive  personali  inierTento,  sive  scripto  ad  Paulnni 
nostram  et  eins  saecalam  pertinente,  sive  utroqoe  optatissimo  officio. 

Ex  Ci?itate  Fori  lulii  Venetiarum,  Kai.  dec.  M.  DCCC.  LXXXXVI. 

Morgante  Rogerius,  pnnceps  Consilii  Man. 
Baidissera  Valentinns,    sac.  Olemonae  —   Bertolini  Franciscus,   prof.  Bononise 

—  GipoUa  Carolas,  prof.  Aagastse  Taur.  —  Crivellacci  Amedeos,   prof.  Pisis 

—  Degani  Emestas,  can.  Portagraario  —  Del  Pappo  Johannes,  prof.  ütini  — 
Ferrari  L.  Albertas,  prof.  Patavii  —  Fracassetti  Liber,  prof.  ütini  —  Gabrici 
lacobas,  orator  proT.  Forij.  —  Girardini  losephus,  advocatas  Utini  —  Oortani 
lohannes,  polyhistor  Artae  in  Gamis  —  Grion  lastas,  conservator  monamentoram 
Fori  lalij  —  loppi  Vincentias,  bibliothecse  ütin.  praßfectas  —  Lampertico  Fidelis, 
Senator  Regni  —  Marchesi  Vincentios,  prof.  Utini  —  Marinelli  lohannes,  prof. 
Florentise  —  Masatti  lohannes,  prof.  Utini  —  Measso  Antonius,  Acc.  Utin.  prse- 
fectus  —  Morpurgo  iElius,  orator  Regni  —  Musoni  Franciscus,  prof.  Utini  — 
Podrecca  Carolas,   advocatas  Forij.  —   Scbupfer  Franciscus,   prof.  Romse  — 

Wolf  Alexander,  prof.  Utini. 
A  Turre  Rogerius,  prof.  Forij.,  Leicht  P.  Sylverius,  doctor  juris,  Lipsise, 

a  secretis. 

Der  Vorsitzende  erinnert  an  die  grossen  Verdienste,  welche  der  berühmte 
Historiograph  der  Langobarden  sich  für  die  Sammlung  der  zum  Theil  sagenhaften, 
in  der  Hauptsache  aber  geschichtlichen  Nachrichten  über  sein  Volk  erworben  hat. 
Bei  der  Bedeutung,  welche  diese  Nachrichten  für  Deutschland  haben,  und  bei  dem 
stets  wachsenden  Interesse,  welches  durch  die  neuesten  italienischen  Funde  erregt 
worden  ist,  darf  wohl  auf  eine  rege  Betheiligung  unserer  Landsleute  an  der  Feier 
gerechnet  werden.  — 

(10)  Der  Vorsitzende  der  anthropologischen  Gesellschaft  in  Danzig,  Hr.  Dr. 
Oehlschläger,  hat  unter  dem  20.  Juli  mitgetheiit,  dass  am  1.  August  eine  Gedenk- 
feier der  durch  Hrn.  Li s sauer  begründeten  Danziger  Gesellschaft  beabsichtigt  sei. 
Leider  fiel  dieser  Tag  mit  dem  Eröffnungstage  der  Deutschen  General-Versammlung 
so  nahe  zusammen,  dass  unsere  Mitglieder  sich  daran  nicht  betheiiigen  konnten. 
Möge  daher  ein  recht  warmer  Gruss  wenigstens  nachträglich  bezeugen,  wie  sehr 
wir  an  dem  Gedeihen  dieser  so  bedeutenden  Gesellschaft  theilnehmen.  — 

(11)  DerVorstand  des  Vogtländischen  alterthumsforschenden  Vereins 
hat  unter  dem  10.  August  eine  Einladung  zu  der  Jahresversammlung  dieses  Vereins, 
die  am  25.  August  zu  Hohenleubau  stattfinden  sollte,  übersendet.  Der  späte  Termin 
hatte  längst  alle  reiselustigen  Mitglieder  unserer  Gesellschaft,  viele  in  weite  Feme, 
verschwinden  sehen;  wir  können  daher  nur  aussprechen,  wie  sehr  wir  uns  über  die 
ausdauernde  Thätigkeit  dieses  alten  Vereins  freuen.  — 

(12)  Gegenwärtig  findet  in  dem  Messpalast  in  der  Alexandrinenstrasse  eine 
grosse  Nahrungsmittel-Ausstellung  statt  Das  Trachten-Museum  hat  in 
derselben  ein  besonderes  Zimmer  mit  heimischen  rolksthümlichen  Gegenständen 
ausgestattet.  — 


(360) 

(13)  Die  Sternwarte  auf  dem  Treptower  Ausstellungsplatze  hat  ihr 
Riesen -Femrohr  in  Action  gesetzt  und  offerirt  Zatrittskarten  zu  ermässigtem 
Preise.  — 


(14)  Hr.  Hjalmar  Stoepe  berichtet  aas  Tyrstorp  nndAby,  I.September,  dass 
der  Bericht  über  den  Amerikanisten-Gongress  ron  1894  bald  erscheinen  wird. 
Hr.  Ingenieur  Ake  Sjögren  hat  unter  seiner  Mitwirkung  die  Redaction  über- 
nommen. 

Zugleich  bemerkt  er  über  Ausgrabungen  in  Costa  Rica,  welche  der  eben 
genannte  Herr  seit  mehr  als  einem  Jahre  durch  Hm.  Hartmann,  einen  früheren 
Theilnehmer  an  der  L um holtz- Spedition  in  N.-Mexico,  ausführen  lässt: 

^Wir  besitzen  schon  eine  Sammlung  ron  mehr  als  1500  Nummern,  aus  un- 
gefähr 500  Steinkisten  stammend,  und  daneben  mehrere  steineme  Statuen,  ein  Paar 
von  mehr  als  Mannesgrösse.  Mehr  ist  unterwegs.  Hartmann  geht  später  nach 
Guatemala  und  Nicaragua  über  und  wird  wahrscheinlich  seine  Untersuchungen 
noch  2  Jahre  fortsetzen.  Die  Sammlungen  enthalten  mehrere  Schädel,  die  Retzius 
bearbeiten  wird,  sobald  die  letzte  Sendung  von  Costa  Rica  eingetroffen  ist. 
Hoffentlich  wird  unsere  Costa-Rica-Sammlung  eine  von  den  wichtigsten  in  Europa 
sein.  Können  wir,  wie  ich  hoffe,  in  diesem  Winter  den  Neubau  für  das  Ethno- 
logische Museum  anfangen,  so  hoffe  ich,  das  (ranze  zum  Sommer  1900  im  neuen 
Gebäude  aufgestellt  zu  sehen.  Wir  haben  grosse  Sammlungen,  die  seit  Jahren 
magazinirt  liegen,  und  dasUebrige  kommt  in  den  schlechten  Localitäten  nicht  zur 
Geltung.  Alles  wissenschaftlich  aufgestellt,  wird  es  unserem  Museam  wahr- 
scheinlich eine  gute  Stellung  unter  den  anderen  Museen  zusichem.^  — 

(15)  Hr.  de  Marchesetti  berichtigt  in  einem  Briefe  an  Hm.  R.  Virchow, 
d.  d.  Triest,  14.  October,  einige  Stellen  in  dem  Berichte  des  letzteren  über 

die  beiden  Nekropolen  bei  S.  Canzian. 

^Ich  erlaube  mir,  Sie  auf  eine  kleine  Verwechselung  in  Betreff  der  zwei  Nekro- 
polen Ton  S.  Canzian  aufmerksam  zu  machen.  Das  in  meinem  ersten  Berichte 
über  die  Höhlen  von  S.  Canzian  (Ricerche  preistoriche  etc.  1889)  erwähnte  (zer- 
störte) Grabfeld  aus  der  Hallstätter  Zeit  hat  nichts  mit  dem  im  Frühjahr  1896  im 
N.-O.  von  S.  Canzian  entdeckten  und  dem  Beginne  der  Villanova- Periode  an- 
gehörenden gemein.  Das  erste  (I),  welches  Sie  auf  der  Rückkehr  nach  Divara 
auf  dem  sogenannten  Nekropolis-Wege  passirt  haben,  liegt  im  Westen  des  Dorfes 
Gradisce  (auch  ein  Castelliere  mit  schönem  Ringwnlle),    das  andere  (H)  dagegen 


h.  Divara. 
E,  Eisenbahn 
L.  Lence. 
SW,  Nekropolis-Weg. 
2,S,  zerstörte  Nekropole  (I). 
Gr,  Gradisce. 
Gf.  Gräberfeld  (U). 
B,  Bresez. 
Üo.  Doline. 
SlC.  Sanct  Caozian. 
R.t\  Rcka-Fluss. 


(361) 

in  einem  anmuihigen  8eitenthale  im  Osten  an  einer  Lehne,  die  sich  gegen  das 
Dorf  Bresez  hinzieht.  In  diesem  Orabfelde  (das  in  den  Verfaandl.  1896  karz  an- 
gezeigt wurde)  sind  die  Gräber  wohlerhalten  und  mit  Steinplatten  bedeckt  and  ent- 
halten ziemlich  reiche  Beigaben.^  — 

Hr.  R.  Virchow  dankt  für  diese  Berichtigungen,  die  er  schon  vorhergesehen 
hatte  (8.  230,  Anm.  1).  — 

(16)  Hr.  Oustav  Stimming  meldet  ans  Brandenbarg  a.  H.  unter  dem  10., 
dass  vor  einigen  Jahren  auf  der  nordöstlichen  Seite  des  Wesenberges  ein 
Schwert  aasgepflügt  worden  ist.  Jetzt  sei  abermals  unweit  der  ersten  Stelle  ein 
Schwert  von  96,5  cm  Lunge  (Klinge  73,5,  Griff  17,  Knopf  5)  zum  Vorschein  ge- 
kommen. — 

(17)  Hr.  Buch  holz  berichtet  über  den  Fund  eines 

Leinsamen-Vorraths  in  den  Ueberresten  einer  prähistorischen  Wohnstätte 

bei  Frehne,  Kreis  Ostpriegnitz. 

So  oft  bisher  bei  den  Verhandlungen  dieser  Gesellschaft  das  Vorkommen 
von  Wirthschaftsvorräthen  in  prähistorischen  Wohnstütten  constatirt  worden  ist, 
handelte  es  sich  an  Körnerfrüchten  um  Weizen,  Roggen,  Gerste,  Hirse,  Erbsen, 
Wicken,  sogar  Leindotter  (Camelinu  sativa),  meines  Wissens  aber  niemals  um 
Leinsamen.  Ein  in  diesem  Sommer  bei  Frehne  gemachter  Fund,  in  dem  ver- 
kohlte Leinsamen-Massen  vorkamen,  wäre  demnach  der  erste  dieser  Art,  und  das 
Märkische  Provincial-Musenm  ist  in  der  Lage,  einige  Proben  daraus  vorzulegen. 

Die  Fundstelle  liei^t  über  einer  Kiesgrube,  2  Arm  nordöstlich  von  Frehne.  Un- 
mittelbar unter  der  Oberfläche  war  das  kohlige  Erdreich  durchsetzt  von  Thon- 
gefUss-Scherben,  geschlagenen  Steinen,  Lehmpatzen  und  verkohlten  organischen 
Massen;  auch  ein  muldenförmig  ausgehöhlter  Mahlstein  lag  dabei.  Es  war  un- 
verkennbar, dass  an  der  Stelle  altgermanische  Wohnstätten  durch  Feuer  zerstört 
und  dann  nicht  wieder  benutzt  worden  sind.  Unter  den  verkohlten  Massen  be- 
fanden sich  auch  solche,  auf  die  lediglich  Hitze  (also  ohne  Luftzutritt)  gewirkt 
hatte.  Beim  Zerbrechen  solcher  Stücke  liess  sich  die  Zusammensetzung  aus 
lauter  Samen  deutlich  erkennen,  und  zwar  konnte  man  diese  Samen  bei  ober- 
flächlicher Betrachtung  für  Hirse  halten.  Da  eine  zuverlässige  Feststellung  doch 
erforderlich  war,  so  gab  ich  eine  Probe  in  das  Laboratorium  der  Landwirthschaft- 
lichen  Hochschule  zur  Untersuchung.  Von  dem  Assistenten  des  Hrn.  Geh.  Eaths 
Professor  Wittraack,  Hrn.  Lauck,  ging  dann  die  Mittheilung  ein,  dass  die  ver- 
kohlten Samen  als  die  des  Leins,  Linum  usitatissimum,  festgestellt  worden  sind. 

Nach  der  Beschaffenheit  der  Thongefass  -  Scherben ,  von  denen  ich  einige 
Proben  vorlege,  handelt  es  sich  um  eine  Wohnstätte  der  letzten  germanischen 
Periode,  etwa  des  dritten  bis  fünften  Jahrhunderts  nach  Christus.  Die  viel  älteren 
Funde  der  Schweizer  Pfahlbauten  haben  nach  den  bisherigen  Feststellungen  nur 
Flachsfaser,  bezw.  Gewebe  daraus  ergeben,  so  dass  es  fraglich  blieb,  ob  eine 
Flachscultur  an  Ort  und  Stelle  bestand,  oder  ob  die  Gewebe  vom  Süden  her  be- 
zogen waren.  Das  durch  den  Fund  von  Frehne  festgestellte  Vorkommen  eines 
Leinsamen-Vorraths  weist  mit  Sicherheit  auf  das  Bestehen  einer  Flachs- 
cultur in  unseren  Gegenden  während  der  bezüglichen  Zeitperiode  hin.  Möglich, 
dass  auch  manche,  bisher  für  Hirse  gehaltene  verkohlte  Reste  von  anderen  Fund- 
stellen nach  eingehenderer  Untersuchung  als  Leinsamen  erkannt  werden.  — 


(362) 

(18)  Hr.  Behla  berichtet  aus  Lnckao«  Nieder-Laositz,  unter  dem  15^  dass  ait!h 
in  der  Sammlung  des  Hm.  Apothekers  Petermann  in  Burg  (Spreewald),  welche 
etwa  400  Thongefässe  zählt,  ein  merkwürdiges  Thonstück  befindet: 

ein  thönemer  Schwan. 

In  einer  Urne  des  nahegelegenen  Lütgenberges  lag  eine  thöneme  Schale  von 
derselben  Grösse,  wie  die  Lausitzer  Thränennäpfchen,  an  der  Unterseite  mit  con- 
carem  Eindruck.  In  dem  Innern  dieser  erhaltenen  Schale  sind  2,  etwa  2  cm  hohe 
Erhebungen  von  Thon,  welche  je  ein  kleines  Loch  tragen.  Zwischen  beiden  Er- 
hebungen ist  ein  kleiner  Zwischenraum.  In  dieser  Schale  lag  ein  Thongebilde, 
welches  unzweifelhaft  einen  Vogel,  und  zwar,  nach  dem  langen  Halse  zu  urtheilen, 
einen  Schwan  darstellt.  Der  Körper  besteht  aus  einer  nach  hinten  zugespitzten 
Platte,  welche  nach  Tom  in  einen  etwa  6  cm  langen,  mit  Kopf  versehenen,  nach 
oben  gebogenen  Hals  verläuft.  Der  Hals  zeigt  in  gewissen  Zwischenräumen  drei 
kleine  seitliche  Durchbohrungen.  Unten  an  der  Platte  befindet  sich  eine  kleine 
Hervorragung,  so  dass  der  ganze  Schwan  auf  die  vorheigenannte  Erhebung  zu 
setzen  ist.  Offenbar  haben  2  Schwäne  zu  der  Schale  gehört,  es  ist  jedoch  nur 
einer  erhalten.  Wenn  vielleicht  schon  das  auf  Thongefässen  in  erhabener  Form 
gebildete  4  speichige  Rad,  wie  das  z.  B.  auf  einer  Urne  von  Grarrenchen  (Kreis 
Luckau)  und  auf  einem  im  Schliebener  Rundwall  gefundenen  Thonscherben  dar- 
gestellt ist,  eine  Hindeutung  auf  die  4  speichigen  Räder  der  Bronze  wagen  ist,  so 
dürfte  der  thöneme  Schwan,  welcher  auf  dem  Ltttgenbei|p  bei  Burg  zu  Tage  kam, 
wegen  der  Nähe  der  Funde  darauf  hinweisen,  dass  der  Töpfer  die  Schwäne  hat 
nachbilden  wollen,  welche  auf  den  2  Oiebelarmen  und  der  Tülle  auf  dickem  Stiel 
an  den  beiden  Burger  Bronzewagen  angebracht  sind.  Nach  Mittheilung  des  Hm. 
Dr.  Götze  soll  sich  im  Königlichen  Museum  eine  Schale  ron  Thon  befinden,  mit 
derartigen  Vögeln,  wie  sie  bekanntlich  auf  den  Bronzewagen  von  Frankfurt  a.  O. 
und  Oberkehle  angebracht  sind.  — 

(19)  Hr.  P.  Reinecke  schickt  6  photographische  Aufnahmen  von  Thon- 
gefässen aus  bayrischen  Grabhügeln  der  Bronzezeit.  Die  Originale  be- 
finden sich  in  der  Staats-Sammlnng  in  München.  — 

(20)  Hr.  P.  Reinecke  übersendet  aus  München,  30.  September,  folgenden 
Bericht  über: 

Slavische  Gräberfunde  im  kroatischen  und  slovenischen  Gebiete. 

Zu  Beginn  des  Jahres  1896  machte  die  Nachricht  von  der  Auffindung  eines 
grösseren  Skeletgräberfeldes  bei  Essek  in  Slavonien  die  Runde  durch  die  Tagesblätter. 
Als  ich  im  vergangenen  Spätsommer  einige  Zeit  in  den  südslarischen  Gebieten  ver- 
weilte, unterliess  ich  es  nicht,  die  Funde  dieser  Localität  an  Ort  und  Stelle 
in  Augenschein  zu  nehmen.  Als  ich  hinterher  mich  in  Agram  aufhielt,  hörte  ich, 
dass  der  in  Agram  aufbewahrte  Theil  der  Ausbeute  aus  dieser  Nekropole  im 
„Viestnik  Hrvatskoga  Arheoloskoga  Dru^tva'^  publicirt  werden  sollte;  da  jedoch 
bisher  die  in  Aussicht  gestellte  Veröffentlichung  nicht  erschienen  ist  und  überdies 
etwa  die  Hälfte  der  Funde  sich  in  Essek  im  Privatbesitz  befindet,  dürften  einige 
kurze  Angaben  über  dieses  Gräberfeld  nicht  überflüssig  sein. 

Bei  Bielo  Brdo  unterhalb  Essek  stiess  man  in  massiger  Tiefe  (etwa  70  cm) 
auf  Skelette;  bei  weiteren  Nachgrabungen  stellte  sich  heraus,  dass  man  es  hier 
mit  einem  grossen  altslavischen  Leichenfelde  mit  viel  mehr  als  100  Bestattungen 


j h^ 


(363) 

za  thun  habe.  Die  Skelette  fanden  sich  zumeist  in  gestreckter  Rückenlage;  sie 
waren  verhäitnissmässig  reich  mit  Beigaben  ausgestattet,  wenigstens  im  Vergleich 
mit  unseren  deutschen  Slavengräbern. 

Regelmässige  Beigaben  waren  kleine  Töpfe  der  spätslavischen  Gattung,  mit 
Wellenlinien  und  horizontalen  Furchen,  gelegentlich  auch  mit  Bodenstempeln;  sie 
standen  gewöhnlich  zu  Füssen,  nur  ausnahmsweise  zu  Raupten  der  Bestatteten. 
Waffen  (Schwerter,  Aexte,  Lanzenspitzen,  Pfeilspitzen  u.  s.  w.)  fehlten  ganz, 
wenigstens  kamen  mir  solche  nicht  zu  Gesicht;  auch  kleine  Eisenmesser  waren 
nicht  sehr  häufig.  Dagegen  überwogen  sehr  die  Schmuclisachen,  und  unter  diesen 
wieder  die  Glasperlen,  die  Schläfen-  und  Ohrringe,  sowie  die  Fingerringe. 

Massenhaft  traten  kleine  gelbbraune  und  braune  Glasperlen  auf,  daneben  hell- 
grüne, ferner  die  charakteristischen  drei-  und  viermal  gerippten  röhrenförmigen 
blauen  und  braunen,  die  im  letzten  Viertel  des  ersten  nachchristlichen  Jahrtausends 
in  Europa,  ebenso  wie  gewisse  Millefioriperlen,  eine  weite  Verbreitung  hatten; 
seltener  waren  schon  kleine  blaue  melonenförmige,  einmal  entdeckte  man  auch 
eine  tiefblaue  polyedrische. 

Die  Zahl  der  ächten  Schläfenringe  (mit  o»- förmiger,  breiter  Schleife)  ist 
eine  sehr  grosse;  ihr  Durchmesser  schwankt  zwischen  1  und  nahezu  5  cm. 
Daneben  fanden  sich  kleine  Drahtringe  mit  einfach  umgebogenem  oder  mit 
konisch  oder  cyl indrisch  aufgerolltem  Ende,  sowie  einfache  offene  Drahtringe, 
welche  wohl  fast  sämmtlich  als  Ohrgehänge  aufzufassen  sein  dürften.  Sie  sind 
durchweg  aus  Bronze,  ebenso  wie  die  Mehrzahl  der  Fingerringe.  Die  Formen 
der  letzteren  sind  sehr  mannichfach;  als  wesentlichste  Typen  wären  zu  nennen:  ein- 
fache offene  dicke,  gegossene,  entweder  glatt  oder  mit  Canneluren,  ebensolche  aus 
Draht,  sowie  aus  Bronzeblech,  welches  ganz  eben  oder  etwas  an  den  Rändern  nach 
innen  eingebogen  ist,  geschlossene  dicke  glatte  (ähnlich  unseren  Trauringen)  oder 
auf  der  Aussenseite  mit  Vertiefungen  verzierte,  dann  aber  auch  geschlossene  Ringe 
mit  eingesetzten  Glasflüssen  (in  Zellen),  grobem  Kügelchenbesatz  und  Filigran- 
schmuck, oder  solche  mit  verbreiterter  gravirter  Platte.  Diese  letzteren  Formen 
sind  in  der  Regel  aus  Silber. 

Von  anderen  Schmucksachen  wollen  wir  noch  einfache  dicke  runde  und  vier- 

» 

kantige  Armringe,  ans  3  und  4  Drähten  zopfartig  geflochtene  Arm-  und  Halsringe 
(Durchmesser  etwa  8  und  15 — 16  cm)  hervorheben,  femer  kleine  kreuzförmig 
geschlitzte  Bommeln  oder  Schellen,  die  in  den  russischen  Ostsee-Provinzen  so  häufig 
sind,  aber  auch  in  slavischen  Gebieten,  z.  B.  in  Böhmen,  nicht  fehlen,  eine  Schnallen- 
Abel,  eine  kleine  Schnalle,  scheibenförmige  Anhänger  und  kleine  Beschlagstücke, 
Alles  aus  Bronze.  Bei  einigen  Skeletten  fanden  sich  Münzen  aus  spätrömischer 
Zeit,  sämmtlich  durchbohrt  und  mit  Glasperlen  zusammen  als  Halsschmuck  ge- 
tragen. Ein  Unicum  ist  ein  Halsschmuck,  der  aus  Glasperlen,  einer  römischen 
Mtlnze  und  dem  Fragment  (obere  Hälfte)  einer  römischen  Armbrustfibel  (Bronze) 
besteht;  das  Fibelfragment  ist  am  Bügel  durchbohrt  und  war  mit  den  Glasperlen, 
die  zum  Theil  mit  ihm  noch  durch  Rost  verbunden  sind,  auf  eine  Schnur  gezogen 
gewesen.  Zu  den  jüngsten  Funden  von  Bielo  Brdo  dürften  einige  ungarische 
Silbermünzen  des  elften  Jahrhunderts  gehören. 

Sehr  interessant  ist  das  Vorkommen  bedeutend  älterer  Gräber  auf  diesem  Leichen- 
felde. In  Agram  werden  die  Beigaben  aus  zwei  bronzezeitlichen  Skeletgräbern, 
welche  sich  mitten  unter  den  slavischen  Bestattungen  fanden,  aufbewahrt.  Das 
eine  von  diesen  ist  noch  in  einen  älteren  Abschnitt  des  Bronzealters  (Bronzenadel 
mit  grossem  scheibenförmigem  Kopf  und  tordirter  Nadel,  dicker  Armring,  ^^^on 
die  Enden  zu  [in  seiner  Höhe]  verjüngt,  mit  Endstollen  und  mit  gravirten  Mustern 


(364) 

n.  8.  w.)  zu  setzen.  Dieser  Fund  erweitert  das  Gebiet  des  Formenkreises  der  älteren 
bronzezeitlichen  Grabhügel  Süddeutschlands,  des  südwestlichen  Böhmens,  Ober- 
und  Nieder-Oesterreichs  ungemein  und  lässt  uns  yermuthen,  dass  wir  im  Bereich 
der  ungarischen  Bronze-Gultur  noch  ein  reiches  Material  dieser  Phase,  welche  in 
Ungarn  bisher  nur  in  wenigen  Schatzfunden  vertreten  war,  zu  erwarten  haben. 
Das  zweite  prähistorische  Grnb  dürfte  bedeutend  jünger  sein;  es  enthielt  ein 
schönes  kreideeingclegtes  Gefäss  der  Gattung,  welche  Rom  er  seinerzeit  f,pan- 
nonisch^  nannte,  zwei  goldene  Ohrgehänge  oder  Lockenhalter,  davon  das  eine 
Exemplar  mit  Schleifenwindung,  wie  solche  in  Ungarn  ziemlich  häufig  sind  und 
von  welchen  in  den  kaukasischen  Nckropolen,  vornehmlich  aus  Bronze,  zahlreiche 
Verwandte  erscheinen,  und  dergl.  mehr. 

Da  ich  auf  meiner  Reise  u.  A.  auch  an  der  Hand  einer  Reihe  von  Funden 
die  Ausfuhrungen  L.  Niederle's  über  die  slavischen  Schläfenringe  (Mittheil.  der 
Anthrop.  Ges.  in  Wien  1894,  S.  194 — 205),  die  in  vielen  Punkten  irrig  sein  dürften, 
auf  ihre  Richtigkeit  prüfen  wollte,  unterliess  ich  es  nicht,  bei  Hm.  G.  F.  Nuber 
in  Essek,  welcher  der  Ausgrabung  dieses  Leichenfeldes  persönlich  beigewohnt  hat 
und  in  dessen  Besitz  sich  die  Hälfte  der  Fundgegenstände  befindet,  Erkundigungen 
über  diesen  Gegenstand  einzuziehen.  Meine  Vermuthung,  dass  Niederle  eine  An- 
zahl von  Typen,  die  sicherlich  einfach  Ohrringe  darstellen,  grundlos,  nur  wegen 
scheinbarer  Aehnlichkeit  in  der  Form,  zu  den  „Schläfenringen^  zählt,  welche  doch 
nur  in  den  seltensten  Fällen  als  Schmuck  des  Ohres  dienten,  bestätigte  sich.  Bei 
diesem  Grabfelde  muss  man,  wie  aus  den  Fundumständen  hervorgeht,  z.  B.  die 
einfachen  Drahtringe,  die  Niederle  „Typus  a^  nennt,  ebenso  die  Ringe  mit 
konisch  oder  cylindrisch  aufgerolltem  Ende,  —  Formen,  welche  in  den  Rcszthelyer 
Gräbern  eine  gewisse  Rolle  spielen  und  deren  Vorkommen  daselbst  zu  aller- 
hand falschen  Schlüssen  benutzt  wurde,  als  Ohrringe  bezeichnen;  das  Prädicat 
^Schläfenringe*^  können  hingegen  nur  die  Exemplare  mit  der  Schleifenwindung 
beanspruchen. 

In  der  Gegend  von  Essek,  und  zwar  bei  Svinjarevce,  südlich  von  Vukovär, 
wurde  noch  ein  zweites  slavisches  Leichenfeld  entdeckt,  dessen  Gräber  jedoch 
viel  ärmlicher  ausgestattet  waren,  als  die  von  Bielo  Brdo.  Viele  Gräber  enthielten 
überhaupt  keine  Heigaben;  es  fanden  sich  nur  kleine  Schläfenringe,  sowie  einige 
einfache  und  ein  gedrehter  offener  Fingerring  und  Münzen  der  zweiten  Hälfte  des 
elften  und  vom  Beginne  des  zwölften  Jahrhunderts.  Das  einzige  einigermassen 
werthvoUe  Stück  von  diesem  Begräbniss platze  ist  ein  silberner  Fingerring  mit 
Filigran  und  Kügelchenbesatz. 

Etwas  weiter  oberhalb  im  Draugebiete,  schon  aus  Rroatien«  sind  seit  längerer 
Zeit  slavische  Grabfunde  bekannt,  die  im  Agramer  Museum  aufbewahrt  werden. 
Die  reichhaltigste  Ausbeute  stammt  von  Pieski  unweit  Rlostar  (Com.  Belovär);  es 
sind  dies  massenhaft  kleine  Schläfenringe  aus  Bronze  und  Silber,  einige  etwas 
grössere  Exemplare  (bis  4  cm  Durchmesser),  mondsiche]ft)rmige  Ohrringe  aus 
Bronze,  sowie  aus  Silber  mit  grober  Granulirung,  andere  silberne  Ohrgehänge  mit 
Kügelchenbesatz,  zumeist  flache,  offene  und  geschlossene  Fingerringe,  aus  drei 
Drähten  geflochtene  Halsringe,  zahllose  kleine,  mehrfach  gerippte  Glasperlen  (gelb, 
blau,  grün),  schellenförmige  Anhänger,  sowie  in  zahlreichen  Exemplaren  Ziergehänge, 
welche  aus  einer  runden  Scheibe  und  einem  daran  befestigten  herzförmigen  An- 
hängsel bestehen,  wie  solche  in  magyarischen  Heidengräbern  gewöhnliche  Er- 
scheinungen sind,  tl.  dgl.  m.  Aehnlich,  nur  nicht  so  reichhaltig,  sind  die  Funde 
von  Bukovac  (an  der  Drau).  Hier  spielen  auch  wieder  die  silbernen  und  bronzenen 
Schläfenringe,   die  mehrfach  gerippten  Glasperlen,    die  schellenförmigen  Anhänger 


(365) 

die  Hauptrolle;  ein  seltenes  Stück  ist  ein  silbernes  Ziergehänge  aas  Retten  mit 
Anhängern  an  den  Enden. 

Aus  Sissek  an  der  Save  rühren  gleichfalls  slavische  Alterthümer  her;  diese 
haben  jedoch  schon  mehr  einen  anderen  Charakter  und  schliessen  sich  ebenso 
wie  einige  slavische  Objecte  von  Novi  Banovci  in  Syrmien  (Viestnik,  N.  Ser.  I, 
1895,  p.  178),  welche  gleichfalls  im  Museum  zu  Agram  liegen,  eher  an  die  im  süd» 
kroatischen  (Gebiete,  in  Dalmatien  und  Bosnien  gehobenen  altslavischen  Rleinfunde  an. 

Auffallend  unterscheidet  sich  von  diesen  Gegenständen  aus  Kroatien  und 
Slavonien  der  Inhalt  von  slavischen  Gräbern  aus  dem  benachbarten  Krain.  Das 
Museum  zu  Laibach  besitzt  seit  wenigen  Jahren  von  Veldes  (im  oberen  Savethal) 
eine  kleine  CoUection  interessanter  Objecte,  welche  die  ersten  der  slavischen  Zeit 
aus  diesem  Rronlande  sind.  Zu  den  gewöhnlichsten  Beigaben  dieses  Skeletgräber- 
feldes  gehören  Glasperlen,  kleine  durchsichtige  grüne,  ferner  langgestreckte  blaue 
und  braune  mit  mehrfacher  Rippung  und  blaue  glatte,  sodann  auch  bunte  Email- 
perlen, welche  grosse  Verwandtschaft  mit  gewissen  Milleüoriperlen  aus  Funden  des 
achten  bis  elften  Jahrhunderts  im  mittleren  und  nördlichen  Europa  zeigen.  Stücke  von 
zerbrochenen  Gläsern,  offenbar  der  römischen  Zeit,  ohne  scharfe  Bruchränder  und 
nachträglich  durchbohrt,  dienten  neben  den  Perlen  als  Halsschmuck.  Fingerringe, 
einfache  platte  aus  Bronze  und  silberne  mit  breiter  Platte,  mit  gravirten  und  ein* 
geschlagenen  Verzierungen,  waren  nicht  sehr  häußg,  ebenso  die  Ohrgehänge. 
Letztere  bestehen  in  der  Regel  aus  einem  einfachen,  mit  umgebogenem  Ende  ver- 
sehenen Drahtring,  welcher  eine  eingehängte  Drahtschleife  mit  aufgezogener  Glas- 
perle oder  hohler  Blcchperle  trägt.  Einen  Ring  mit  breiter  Endschleife  dürfte 
man  vielleicht  als  Schläfenring  bezeichnen  können.  Einzig  in  seiner  Art  ist  ein 
grosser  Ohrring,  der  in  seiner  unteren  Hälfte  mit  drei  Glasperlen  besetzt,  von 
Draht  umsponnen  und  mit  feinem  Dnihtwerk  gefüllt  ist;  der  Reif  trägt  hier  auch 
eine  Anzahl  von  Ochsen,  an  welchen  ziemlich  lange  Retten  aus  feinem  Draht  hangen. 
Dies  Exemplar  erinnert  sehr  an  gewisse  Prachtohrgehänge  aus  Russland.  Zu  sehr 
seltenen  Erscheinungen  gehören  femer  eine  bronzeplattirte  eiserne  Scheibenfibel 
mit  sehr  roher  figürlicher  Darstellung^  sowie  ein  viereckiger  Eisenbeschlag,  mit 
Bronzeblech  bekleidet  und  mit  Glaseinlage.  Von  Waffen  oder  Werkzeugen  kamen 
nur  kleine  Eisenmesser  vor. 

Unlängst  wurden  auch  in  Istrien  ungefähr  gleichaltrige  oder  etwas  ältere 
Skeletgräber  entdeckt.  Bei  Pinguente  stiess  man  auf  ein  grösseres  Leichenfeld, 
dessen  Ausbeute  in  das  archäologische  Museum  der  Stadt  Triest  kam.  Für  die 
Datirung  dieser  Nekropole  sind  von  Wichtigkeit  die  schon  mehrfach  erwähnten 
gelben  und  blauen  gerippten  Glasperlen,  sowie  die  cylindrischen  Millefioriperlen. 
Aus  der  Fülle  von  Beigaben  wollen  wir  nur  folgende  Typen  hervorheben:  kleine 
und  grössere  Eisenmesser,  Pfeilspitzen  mit  langen  Widerhaken,  gebogene  Eisen- 
bänder zum  Feuerschlagen,  Bronze-  und  Eisenschnallen,  eine  lange  eiserne  Riemen-* 
zunge,  Thonwirtel,  offene  Armringe  mit  massig  verdickten  Enden,  Ohrgehänge  aus 
dünnem  Draht  mit  drei  Schleifen  am  unteren  Punkte  des  Ringes,  und  gegossene, 
etwas  dickere  mit  massiver  durchbrochener  Platte  an  derselben  Stelle,  wie  man 
solche  gelegentlich  aus  einzelneu  Gräbern  in  oberitalischen  Museen  sieht*),  silberne 
Ohrringe  mit  Filigran  und  Rügeichenbesatz,  Haarnadeln,  schellenförmige  Anbänger. 
Ausserdem  besitzt  das  nämliche  Museum  noch  Funde  derselben  Art  aus  Einzel- 
gräbem  aus  der  Umgebung  von  Triest.  Wir  müssen  es  dahingestellt  sein  lassen, 
ob  diese  Gräber  aus  dem  Litorale  slavischen  Ursprunges  sind  oder  etwa  der  ro- 

1)  wie  liitth.  der  Präh.  Comm.,  Wien,  I,  S.  114. 


(366) 

manischen  Bevölkerung  dieses  Gebietes  zuzuschreiben  wären.  Zeitlich  sind  sie. 
wie  auch  schon  aus  einzelnen  Münzen,  die  dem  achten  Jahrhundert  angehören, 
um  oder  nach  800  n.  Chr.  anzusetzen.  Im  achten  Jahrhundert  fand  hierselbst  eine 
slavische  Einwanderung  statt;  doch  beschränkte  sich  diese  auf  die  gebirgigen,  z.  Th. 
unbewohnten  Theile.  Bei  dem  Mangel  an  typischen  Schläfenringen  und  dem  Um- 
stände, dass  einige  Ohrringformen  in  Ober-Italien  (soviel  ich  weiss,  bisher  jedoch 
ohne  wesentlichen  Anhalt  fUr  ihre  Datirung)  wiederkehren  und  die  Gräber  sonst 
noch  gewisse  Anklänge  an  Alterthümer  der  spätmerovingischen  Periode  enthalten, 
dürfte  es  richtiger  sein,  diese  istrischen  Funde  auf  die  vorslavischen  romanischen 
Einwohner  Istriens  zurückzuführen. 

Es  ist  seltsam,  dass  sich  bei  allen  diesen,  ungefähr  derselben  Epoche  ange- 
hörenden Funden  (von  einigen  importirten  Sachen,  z.  B.  den  gerippten  Glasperlen 
und  den  Millefioriperlen,  welche,  wenn  wir  hier  die  nordische  Terminologie  an- 
wenden wollen,  dem  Wikingeralter  zuzuweisen  sind,  abgesehen)  so  scharfe  locale 
Unterschiede  ausprägen.  Die  slavischen  Alterthümer  in  Bosnien  und  Dalmatien, 
nördlich  bis  zur  Save  hin,  deren  prächtigste  Beispiele  das  Museum  in  Rnin  (vgl. 
Verhandl.  1896,  S.  469 — 470)  besitet,  heben  sich  deutlich  von  denen  aus  dem  Drau- 
gebiet  ab,  und  die  Zahl  von  übereinstimmenden  Typen,  die  allgemein  slavischen 
Formen  abgerechnet,  ist  eine  nur  kleine.  Das  Vorhandensein  einer  Anzahl  von 
Waffen  und  Prunkstücken,  die  sicherlich  nicht  im  Lande  gearbeitet,  sondern  wohl 
aus  dem  fränkischen  Reiche  importirt  worden  sind,  was  bei  den  Beziehungen 
Dalmatiens  zum  Reiche  Karls  des  Grossen  nicht  unwahrscheinlich  ist,  gerade  in 
den  Rniner  Gräbern  ist  bei  diesen  Unterschieden  nicht  ausschlaggebend,  vielmehr 
liegen  die  Differenzen  in  den  slavischen  Formen  selbst  In  slo venischen  Gegenden, 
und  zwar  in  Krain,  haben  wir  wieder  andere  Erscheinungen,  während  im  Küsten- 
lande die  Gräber  etwa  derselben  Zeit  aufifallend  anders  geartete  Beigaben  zeigen. 
Nördlich  von  den  Karawankeu,  in  Kämthen,  Steiermark  und  Nieder -Oesterreich 
(sowie  Einzel funde  im  Grenzgebiet  gegen  Friaul  und  Salzburg),  herrschen  in  den 
Slavengräbern  Gegenstände  des  „Kettlach typus^  vor,  dessen  merkwürdigste  Gharakte- 
ristica  emailverzierte  halbmondförmige  Ohrgehänge  und  Schmuckscheiben  sind, 
welcher  jedoch  auch  die  importirten  gerippten  Glas-,  sowie  die  Millefioriperlen 
kennt. 

In  diesem  nordslo venischen  Gebiete  linden  wir  gleichzeitig  mit  den  Slaven- 
gräbem  auch  noch  die  Ausläufer  einer  Coltur,  welche  zum  Schluss  der  Völker- 
wanderungszeit in  West-Ungarn  und  dem  östlichen  Theile  der  Ostalpen  von  hoher 
Bedeutung  war  und  welche  weder  auf  Slaven  noch  auf  germanische  Stämme 
zurückgehen  kann.  Es  ist  dies  der  Formenkreis,  welcher  bei  uns  gewöhnlich  als 
„Keszthely-Gultur^  bezeichnet  wird,  obwohl  die  Gräberfelder  von  Keszthely,  von  ihrer 
wenig  systematischen  Untersuchung  ganz  abgesehen,  durchaus  nicht  zu  den  am  meisten 
bezeichnenden  Vertretern  dieses  Kreises  zählen  (in  Keszthely  finden  sich  neben 
Gräbern  dieser  Cultur  auch  spätrömische,  dann  auch  weit  jüngere  slavische  und 
heidnisch -magyarische).  Der  Beginn  dieser  Cultur,  welche  wir  auf  nichtarische, 
ural-altaische  Völker  zurückführen  müssen  und  der  u.  A.  auch  der  Goldfund  von 
Nagy-Szont-Miklos  im  Banat  angehört,  fällt  nicht  vor  die  zweite  Hälfte  des  sechsten 
Jahrhunderts;  seine  letzten  Spuren  im  Ostalpen-Gebiet,  vornehmlich  in  Steiermari^, 
(neben  sehr  reifen  Schmuckgegenständen  mit  dem  bezeichnenden  Spiralrankenwerk 
auch  Eisenschwerter  der  Gattung  der  Wikingerschwerter)  reichen  bis  in  eine  Zeit, 
welche  mit  dem  grundverschiedenen  slavischen  Kettlachtypus  coincidirl  Ja,  diese 
beiden  Typen  kommen  an  einigen  Localitäten,  z.  B.  in  Hohenberg  und  Krungl  in  Ober» 
Steiermark,  sogar  neben  einander  vor,  doch  in  verschiedenen  Gräbern,  wie  aus  den 


(367) 

neuesten  Fanden  an  diesen  Orten  ^),  welche  angenblicklich  wohl  die  werthvollsten 
des  Rettlachkreises  sein  dürften,  hervorgeht  Hoffentlich  bringt  uns  der  zweite 
Theil  des  Werkes  Ton  Hampel  über  die  Denkmäler  des  frühen  Mittelalters  in 
Ungarn  genaueren  Aufschluss  über  diese  Verhältnisse. 

Mit  den  deutschen  und  böhmischen  Slavengräbem  zeigen  die  der  südslavischen 
Länder  in  Bezug  auf  die  Mehrzahl  der  rein  slavischen  Formen  noch  weniger 
üebereinstimmung,  zumal  da  der  Charakter  der  westslayischen  Gräber  selbst  ein 
schwankender  ist  Es  trennen  sich  hier  wieder  die  aus  Süddeutschland  (Ober- 
und  Mittelfranken,  Oberpfalz)  von  den  cechischen,  sowie  den  wendisch-polnischen. 
Einige  süddeutsche  Nekropolcn,  die  auch  viel  Importwaare  aus  westlichen  Gegenden 
(u.  A.  Schwerter  des  Wikingertypus)  enthalten,  verrathen  Beziehungen  zur  Rettlach- 
Gultur,  was  von  den  böhmischen  nicht  mehr  gilt;  doch  in  einem  Punkte  schliessen 
sich  diese  beiden  Gruppen  den  südslavischen  an,  nehmlich  darin,  dass  in  ihrem  Gebiet 
der  Formenkreis  der  Hacksilberfunde,  wenigstens  bis  zur  Stunde,  fehlt  So  oft 
sich  auch  in  allen  diesen  Ländern,  östlich  und  westlich  vom  Böhmerwald,  in 
Niederösterreich,  im  Ostalpengebiet,  in  Rroatien,  Slavonien,  Dalmatien.  Bosnien, 
weiter  auch  in  Ungarn,  sowohl  in  slavischen  Gräberfeldern  wie  in  Einzelfunden, 
Silber  findet,  ist  es  nie  in  ausgesprochener  Weise  vom  Typus  des  Hacksilbers, 
welches  im  Allgemeinen,  von  Russland  abgesehen,  sich  auf  das  Ostseebecken  und 
die  Gegenden,  wo  sonst  noch  Wikinger  ansässig  waren,  beschränkt  — 

(21)  Hr.  Gessner  übersendet  als  Geschenk  ein  humoristisches  Bild,  den 
Bicyclanthropos  curvatus  darstellend.  — 

(22)  Hr.  M.  Bartels  legt  G  photographische  Aufnahmen  von  3  Schädel- 
Masken  aus  Ncu-ßritaifnien  vor,  welche  Hr.  Prof.  Dr.  B.  Scheppig  in  Riel 
für  ihn  aufgenommen  hat.  Die  Originale  befinden  sich  in  dem  diesem  Herrn  unter- 
stellten ethnographischen  Museum  in  Riel.  — 

(23)  Hr.  S.  Weisse nberg  zu  Elisabethgrad  schreibt,  unter  Uebersendung  von 
entsprechenden  Stücken,  über 

südmssische  Amulette. 

In  der  letzten  Zeit  ist  in  der  ethnologischen  Forschung  eine  Bewegung  zu  be- 
merken, die  dahin  gerichtet  ist,  volksthümliches  Material  auf  europäischem  Boden 
selbst  zu  sammeln.  Diese  Bewegung  ist  mit  Freuden  zu  begrüssen  und  soll  nach 
Kräften  unterstützt  werden.  Ich  will  damit  selbstverständlich  nicht  sagen,  dass  die 
aussereuropäischen  Forschungen  werthlos  sind;  sie  sollten  im  Gegentheil  noch  mehr 
gefördert  werden,  als  es  bis  jetzt  geschehen  ist  Man  soll  aber  auch  dasjenige, 
was  noch  in  Europa  übrig  geblieben  ist,  nicht  versäumen.  Das  Sammeln  ist  ja 
hier  so  leicht,  man  braucht  nur  offene  Augen  und  etwas  Geld  in  der  Tasche  zu 
haben.  Es  ist  dabei  zu  bedenken,  dass  der  Mensch  psychologisch  eine  vielleicht 
noch  engere  und  geschlossenere  Einheit  bildet,  als  physisch,  so  dass  manches  in 
Europa  mühelos  erworbene  Stück  ganz  an  Neu-Guiuea  erinnern  kann.  Die  Gultur 
durchdringt  nur  die  höheren  Stände;  im  Grossen  und  Granzen  ist  aber  der  Mensch 
hochconservativ,  und  mitten  in  der  höchsten  Gultur  lässt  sich  oft  manches  auf- 


1)  Ueber  diese  liegt  vorläufig  nur  ein  Aufsatz  in  angarischer  Sprache  aus  der  Feder 
des  vor  Kurzem  verstorbenen  Gustos  am  Johanneum  zu  Graz,  Dr.  Otto  Fischbach,  vor 
(Arch.  Ert.  1897,  p.  138—147).  - 


(368) 

finden,  was  in  Central- Africa  allgemeiner  Brauch  ist  Im  Kampfe  um  das  Dasein  ist 
mancher  Europäer  ebenso  hülflos,  wie  der  Wilde;  die  Hindemisse,  die  sich  auf 
jedem  Schritt  und  Tritt  in  den  Weg  stellen,  werden  von  beiden  als  böse  Geister 
aufgefasst,  gegen  welche  mit  denselben  Waffen  gekämpft  wird. 

Zu  diesen  Waffen  gehören  in  erster  Reihe  die  Amulette.  Es  sind  oft  ganz 
unscheinbare  Dinge,  denen  aber  grosse  Kraft,  hauptsächlich  gegen  den  bösen 
Blick  und  verschiedene  Krankheiten,  zugeschrieben  wird.  Der  grösste  Theil  der 
Amulette  lässt  sich  meiner  Meinung  nach  in  folgende  drei  Kategorien  unter- 
bringen : 

1.  Amulette,  die  eine  abwehrende  oder  direct  schützende  Kraft  haben  sollen: 

a)  Gegenstände,  die  auf  den  Beschauer  erschreckend  oder  beschämend 
wirken  sollen,  wie  z.  B.  Figuren  oder  einzelne  Körpertheile  wilder 
Thiere,  die  männliche  und  weibliche  Scham  u.  dergl.; 

b)  scharf  riechende  oder  ätzende  Stoffe,  stechende  Gegenstände  u«  dergl.; 

c)  Heiligenbilder  und  Gebetformeln. 

2.  Amulette,  die  ihre  Eigenschaften  (Festigkeit,  Härte,  Farbe  u.  dei^.)  ihrem 
Träger  mittheilen  sollen. 

3.  Amulette,  die  das  Krankhafte  ihres  Trägers  in  sich  einsaugen,  aufnehmen 
sollen  *). 

Je  tiefer  der  Culturstand  eines  Volkes,  desto  mehr  ist  der  Glaube  an  die 
Amulette  verbreitet  und  desto  grösser  ist  ihre  Mannich  faltigkeit  In  dieser  Be- 
ziehung ist  Russland,  im  Vergleich  mit  dem  übrigen  Europa,  als  ein  culturell 
ziemlich  niedrig  stehendes  I^and,  noch  eine  Fundgrube  für  den  Ethnologen.  Es 
hat  mir  keine  grosse  Mühe  gemacht,  die  hier  ausgestellte  kleine  Collection  von 
Amuletten  zu  sammeln,  und  zwar  im  culturell  verhältnissmässig  hoch  stehenden 
südl.  Russland.  Das  niedere  Volk  schätzt  hier  die  Amulette  sehr  hoch;  besonders 
werden  kranke  und  auch  gesunde  Kinder  mit  solchen  behängt  Die  Juden,  die 
ungefähr  den  dritten  Theil  der  städtischen  Bevölkerung  bilden  und  die  culturell 
höher  stehen,  als  die  übrige  Bevölkerung,  theilen  den  Glauben  an  Amulette,  wo- 
durch der  bekannte  Ausspruch  von  Karl  Emil  Franzos  —  jedes  Land  hat  solche 
Juden,  die  es  verdient  —  bestätigt  wird.  Es  ist  schwer  zu  sagen,  was  jüdisch 
und  was  christlich  ist;  man  trifft  dieselben  Amulette  bei  Juden  und  Christen  an. 
Es  ist  bemerkenswerth,  dass  die  Juden  oft  christliche  und  umgekehrt  die  Christen 
oft  jüdische  Gebetformeln  tragen.  Zwei  Amulette  werden  nur  von  Juden  getragen: 
das  sind  silberne  Münzen  und  das  Gebet  „Schemah^  (Höre,  Israel,  Dein  Gott  ist 
einzig  u.  s.  w.).  Beide  werden  von  den  Häuptern  der  mystischen  Secte  „Chassidim*^ 
an  ihre  Gläubigen  vertheilt  Eigenthümlich  für  die  Juden  ist  auch,  dass  sie  vor 
dem  „bösen  Blick^  einen  so  grossen  Respect  haben,  dass  von  ihm  gar  nicht  ge- 
sprochen werden  darf;  anstatt  dessen  sagt  man  „ein  gutes  Auge*^. 

Nach  dieser  Einleitung  gehe  ich  zur  Beschreibung  der  einzelnen  Amulette  über: 

1.  Ein  Ring,  eine  Imitation  eines  Wolfszahnes  (oft  beim  Mangel  eines 
wirklichen  Zahnes  getragen),  die  Darstellung  der  weiblichen  Scham,  die 
Feige,  alle  drei  aus  Knochen.  (Letztere  spielt  überhaupt  eine  grosse  Rolle 
im  russischen  Leben;  im  Streite  z.  B.  zeigen  die  Gegner  oft  einander 
Feigen  mit  den  Worten:    „Na,  da  hast  Du!**) 

1)  So  trägt  man  hier  z.  B.  beim  Icterus  Goldsachen,  wohl  in  der  Meinung,   dass  das 
Qelbe  des  Goldes  das  krankhafte  Gelb  dem  Körper  entliehen  kann. 


(369) 

2.  Gegen  den  bösen  Blick  tragen  Knaben  Knochen  vom  Flügel  eines  schwarzen 
.  Hahns  und  Mädchen  solche  einer  schwarzen  Henne. 

3.  Augen  einer  gewöhnlichen  Maus. 

4.  .„  „      Fledermaus. 

5.  Karopfer  und  Nelkeij  —  gegen  Diphtherie. 

6.  Quecksilber,  gestohlenes  Kornbrod,  Salz  und  Asche  —  alles  zusammen  in 
einem  Gänse-Federkiel,     l — 6  von  Juden. 

7.,  8.,  9.  und  10,  gegen  Malaria;  von  Russen. 

11.  Eine  silberne  Münze  (10  Kopeken). 

12.  Das  Gebet  „Schema'"  auf  einer  Pergamentrolle  in  Einern  Etui  aus  Kupfer 
(s.  S.  368). 

13.  Ein  Stückchen  Papier  mit  der  Inschrift:  ,, Jesus  wurde  geboren,  Jesus 
wurde  getauft,  Jesus  ist  auferstanden."  Dieses  Amulet  wird  von  einem 
hiesigen  Uhrmacher  gegen  Malaria  verordnet  und  von  Christen  und  Juden 
getragen. 

14.  Der  Text  einer  „Mesuse"  —  darunter  versteht  man  das  Gebet  „Schema'"  — 
in  einem  Etui,  das  an  die  Thürpfosten  in  jüdischen  Häusern  angeschlagen 
wird.    Von  einem  Russen  gegen  Fieber  gebraucht. 

15.  Zwei  Amulette  in  Herzform,  enthalten  geweihte  Weizenkömer  und  Weih- 
rauch. Werden  in  Kiew  von  den  Mädchen  gegen  verschiedene  üebel  ver- 
kauft. 

16.  Ein  Ring  zur  Erinnerung  an  ein  berühmtes  Muttergottesbild. 

17.  Ein  Stückchen  Stahl  von  einem  jüdischen  Kinde. 

18.  Eine  Carneol-Perle  —  soll  aus  Palästina  stammen,  wird  von  den  Jüdinnen 
hoch  geschätzt  und  zur  Vorbeugung  des  Abortus  getragen. 

19.  Zwei  Ringe  aus  Eisen  gegen  Zahnschmerzen,  müssen  aus  einem  gefundenen 
Hufeisen  gefertigt  sein.     Von  einer  Russin  und  einer  Jüdin. 

20.  Krystallglas  ge^ti  Schwindel.    (Idem.) 

21.  Ein  Ring  und  eine  Pfeife  aus  Knochen.  Die  Pfeife  ist  gut  gegen  Ohren- 
sausen. 

22.  Eine  Muschel  —  gegen  Ohrensausen. 

23.  Zwei  Säckchen  mit  Erde  vom  Grabe  eines  nahen  Verwandten,  werden 
von  Schwerkranken  in  den  Achselhöhlen  getragen.     21—23  von  Juden.  — 

Hr.  M.  Bartels  erläutert  die  Sammlung  von  23  Amuletten  aus  Süd-Russ- 
land. — 

Hr.  S.  Weissenberg  schreibt  noch:  „Um  einen  Begriff  von  dem  Werthe 
der  Amulette  zu  geben,  theile  ich  mit,  dass  die  Stücke  11.,  12.  und  18.  nicht  unter 
3  Rubel  das  Stück  zu  haben  sind;  die  übrigen  sind  bedeutend  billiger.  Selbst- 
verständlich muüs  man  noch  dazu  ein  grosses  Rednertalent  anwenden,  um  die 
Leute  zu  überzeugen,  dass  die  Abgabe  der  Amulette  ihnen  keinen  Schaden  bringen 
wird,  was  aber  nicht  immer  gelang."  — 

(24)  Hr.  A.  Voss  übergiebt  folgenden  Bericht  des  Hrn.  Dr.  Plath  (Rinteln, 
5.  October)  über  eine  auf  Anordnung  des  Hrn.  Unterrichts-Ministers  ausgeführte 

Ansgrabang  der  Hünen-  oder  Frankenbarg  an  der  Langen  Wand 

bei  Rinteln  a.  W. 

Zu  meiner  Freude  kann  ich  mittheilen,  dass  die  Ausgrabung  der  Hünen-  oder 
Franken  bürg  an  der  ^Langen  Wand**  bei  Rinteln  —  deren  Leitung  ich  allein  über- 

Verhandl.  der  Berl.  Anthropoi.  (JeselUcbaft  1897.  24 


(370) 

nehmen  rausste,  da  Hr.  Sanitätsrath  Weiss  in  Bückeburg  durch  Krankheit  an  der 
Theihiahme  verhindert  und  der  Provincial-Conservator  noch  nicht  eingetroffen  ist,  — 
den  glücklichsten  Erfolg  gehabt  hat. 

Zunächst  hat  die  Untersuchung  der  Bau-Anlage  im  Ganzen  zu  einer  neuen  An- 
schauung von  der  Anordnung  der  Mauern  geführt,  inc^em  an  Stelle  des  früher  ver- 
mutheten  rohen  und  unregelmässigen  Grundrisses  sich  eine  völlig  regelmässige, 
von  trefflicher  Kaum -Disposition,  ja  künstlerischer  Ansetzung  der  Verhältnisse 
zeugende  Schöpfung  enthüllte.  Dabei  sind  die  Mauern  weit  besser  und  vollständiger 
erhalten,  als  erwartet  wurde,  und  nachdem  nun  fast  alle  Theile  der  Anlage  plan- 
mässig  und  sorgfältig  freigelegt  sind,  —  bei  der  völligen  Ueberhäufung  des  ganzen 
Gebietes  mit  zusammengebackenen  Steintrümmem  und  der  dichten  Yerfilzung  des 
Waldbodens  durch  die  Wurzeln  der  eng  aneinanderstehenden  Bäume  keine  geringe 
Arbeit  —  wandeln  wir,  wo  vorher  nur  formlose  Erdhügel  im  Buchenwalde  sich 
dem  Auge  darboten,  nun  wieder,  wie  die  alten  Burgherren  vor  langen  Jahr- 
hunderten, über  die  unversehrte  Schwelle  der  alten  Burgpforte  in  den  Burghof, 
treten  in  die  Gapelle  mit  dem  heut  noch  stehenden  Altar,  steigen  hinab  in  den 
Keller,  hinauf  in  das  Wachtzimmer  des  Burgthurmes  und  überblicken  durch  sein 
Fenster  die  ganze  Anlage,  die  besonders  bei  Sonnenschein  völlig  den  Eindruck 
eines  wohnlichen  Herrensitzes  wiedergewonnen  hat. 

So  ist  den  vielen  Hunderten  von  Besuchern,  die  diese  gleichsam  aus  dem 
Waldmoos  plötzlich  aufgetauchte  alte  Burg  schaarenweise  angezogen  hat,  nun  zum 
ersten  Male  und  auf  den  ersten  Blick  die  bis  ins  Einzelne  deutliche  vollständige 
Anschauung  einer  so  alten  Gründung  gegeben,  die  auch  auf  die  vielbesprochene 
Wittekindsburg  bei  RuUe,  die  Heisterburg  auf  dem  Deister,  die  Iburg  bei  Driburg 
und  verwandte  Anlagen  ein  neues  Licht  werfen  wird. 

Bemerkenswerth  ist  dabei,  dass  sich  gar  keine  Spur  römischer  Funde  hier  ge- 
zeigt hat,  und  damit  ist  wohl  auch  die  Anschauung  von  dem  römischen  Ursprung 
jener  Anlagen  erschüttert,  die  vielleicht  nicht  ohne  Gefahr  für  unsere  deutsche 
Alterthumskunde  war. 

So  wird  denn  die  planmässige  vollständige  Freilegung  und  Aufränmung  dieser 
altdeutschen  Anlage,  wie  sie  die  Theilnahme  der  Umwohner  in  immer  steigendem 
Maasse  erweckt  hat,  hoffentlich  auch  für  die  Fachgenossen  der  deutschen  Archäologie 
im  weiteren  Umfange  von  dauerndem  Werthe  sein,  besonders  wenn  durch  eine 
sorgfaltige  Conservirung  der  Reste  nun  ihre  Betrachtung  und  Beachtung  auch  der 
späteren  Zeit  ermöglicht  wird. 

Vornehmlich  interessant  ist  die  Ausgrabung  aber  geworden  durch  die  über- 
raschende Fülle  von  einzelnen  Fund -Gegenständen,  wie  sie  eben  nur  bei  solch 
einer  planmässigen  Aufräumung  der  ganzen  Anlage  in  dieser  Reichhaltigkeit  zu 
erzielen  ist. 

An  die  Betrachtung  der  feststehenden  Mauern  schliessen  sich  zunächst  die 
lose  gefundenen  Architecturreste  an.  Abgesehen  von  dem  Mörtel  (roth  und  weiss), 
der  sich  besser,  als  in  den  Mauerfugen,  in  einzelnen  Bruchstücken  im  Schutt  er- 
halten hat,  haben  sich  bearbeitete  Bauglieder  aus  Stein,  wenigstens  in  Trünuner- 
stücken,  gefunden.    War  früher  schon  Capitell  und  Basis  einer  Säule  entdeckt,  so  f 

sind  nun  Säulenschäfte,  Gesimsstücke  verschiedener  Art,  Fensterschwellen  aus- 
gegraben, die,  aus  einem  festeren,  aus  weiterer  Umgegend  hergeführten  Gestein 
sorgfältig  gearbeitet,  von  der  Wohlhabenheit  und  dem  Kunstsinn  des  Bauherrn  und 
der  Gliederung  seines  Baues  im  Einzelnen  Kunde  geben.  Von  der  inneren  and 
äusseren  Verkleidung  der  Mauern  durch  Putzbewurf  sind  wohlkenntUche  Stücke 
mit  gut  geglätteten  Flächen  gefunden;    aber  auch  der  Lehmbewurf  einzelner  in 


(371)      ■ 

Fachwerk  gebauter  Theile  der  Anlage,  der,  im  Feuer  zu  Backstein  gebrannt,  noch 
die  deutlichen  Abdrücke  des  einst  darin  befindlichen  Latten-  und  Stabwerkes  er- 
kennen lässt,  ist  noch  gut  erhalten. 

Daneben  eine  Menge  von  Gegenständen,  die  von  der  sonstigen  baulichen  Ein- 
richtung der  Burg  eine  Vorstellung  bieten.  So  die  fast  unversehrten,  nur  in  Kohle 
verwandelten  Dielen  vom  Fussboden  oder  der  Decken -Vertäfelung;  aus  Eisen 
Nägel,  Krampen,  Thürangeln,  Thürbeschläge,  Schlösser  (mit  Schlüsseln),  Thür- 
ketten,  Nieten,  Thürringe,  Traillon,  Angeln  und  Beschläge  von  Fensterläden,  und 
u.  a.  eine  Feuerstelle  mit  vollständig  erhaltenen  Backplatten  aus  Stein. 

Von  der  beweglichen  Hauseinrichtung  zeugen  die  Beschläge  von  Truhen  und 
ein  gedrechseltes  und  gefärbtes  Knocheustück,  das  vielleicht  als  Fuss  eines  Sessels 
oder  Bettes  gedient  hat 

Dann  kommen  sonstige  Oeräthe  in  Betracht:  von  den  männlichen  Bewohnern 
verschiedenartige  Lanzenspitzen,  Bolzenspitzen,  theil weise  wundervoll  erhalten, 
Schwertklingen,  Hufeisen  in  verschiedener  Grösse  und  Form,  sehr  schöne  Sporen, 
zum  Theil  verziert  und  vollständig  mit  den  Nietplättchen  zur  Festhaltung  des 
Riemens  erhalten;  Steigbügel,  Schildbuckel,  Messerklingen  verschiedener  Art,  ein 
Messergriff  aus  Hirschhorn,  bearbeitete,  theil  weise  verzierte  Hirschgeweih-  und 
Knochenstücke,  sowie  der  abgesägte  Abfall  von  solchen;  sodann  andere  Arbeits- 
Werkzeuge,  wie  Beile,  eine  Spitzhacke,  ein  eiserner  Keil,  Hammer,  Bohrer,  Nägel 
in  verschiedener  Form  und  Grösse;  —  von  den  weiblichen  Burgbewohnem  Nadeln, 
Spinnwirtel,  Schmuckstücke  aus  Bein  und  Bronze  mit  zierlicher  Bearbeitung;  ein 
schöner  Eimerhenkel.  Daneben  findet  sich  Thongeräth  in  grosser  Menge,  aus 
schwärzlichem,  gelblichem,  röthlichem  Thon,  nahe  verwandt  in  den  Formen,  ver- 
schieden an  Güte  des  Thons  und  Grösse  der  Gefässe,  die  zum  Theil  Henkel, 
Tüllen,  Henkellöcher  zeigen. 

Glas  ist  in  unversehrtem  Zustande  bisher  nicht  gefunden,  aber  in  erstaunlich 
grosser  Menge  als  geschmolzene  Schlacke,  in  die  bei  dem  grossen  Brande,  der  die 
ganze  Anlage  zerstört  hat,  mannichfache  andere  Reste,  wie  Thonscherben,  Knochen, 
Nägel,  eingeschmolzen  sind.  Selbst  Gewebereste  haben  sich  erhalten:  so  wenigstens 
die  angekohlten  Fäden  eines  Gewebes,  anscheinend  aus  Seide,  sodann  Stoffstücke 
eines  rotbgefarbten  Leinenzeuges. 

Auch  Nahrungsstoffe  fanden  sich  in  verkohltem  Zustande  vor,  so  Rübsamen, 
Ktlmrael,  Gerste;  Schalen  von  Haselnuss  und  einer  anderen  Nussart;  ja,  wenn  die 
Erklärung  richtig  ist,  selbst  verkohltes  Brod. 

Sonst  ist  das  Pflanzenreich  jener  Zeit  vertreten  in  verkohlten  Stücken  von 
Eichen-  und  Buchenholz,  sowie  von  dünneren  Aesten  und  Zweigen  verschiedener 
Gattung. 

Die  Fauna,  zugleich  die  Fleischnahrung  der  Zeit,  erkennen  wir  aus  zahl- 
reichen Knochen  imd  Zähnen  (besonders  zahlreich  vom  Wildschwein,  darunter  ganz 
ungewöhnlich  grosse  Hauer),  Geweihe,  Hornzapfen  von  Rind  und  Schaf;  Huf- 
knochen von  Ein-  und  Zweihufern,  —  wozu  dann  auch  die  Hufeisen  noch  einen 
Beitrag  zur  näheren  Kenntniss  geben. 

So  entrollt  sich  denn  aus  diesen  zahlreichen  Funden  ein  nahezu  vollständiges 
Oulturbild  jener  fernen  Zeit,  das  von  den  verschiedensten  Lebensgewohnheiten 
Kunde  giebt  und  um  so  interessanter  ist,  als  die  Burg,  wie  es  scheint,  seit  jenem 
letzten  Tage  der  Eroberung  und  Einäscherung  unberührt  geblieben  ist,  und,  ab- 
gesehen von  der  durch  den  2ierfall  der  Mauern  bedingten  Lageveränderung  der 
Gegenstände,  diese  noch  in  ihrer  ursprünglichen  Anordnung  wiedergefunden  wurden. 

2A* 


•      (372) 

Zur  Unterbringung  dieser  zahlreichen  Fundstücke  habe  ich  in  dem  von  mir 
bewohnten  Gasthofe  einen  eigenen  grossen  Saal  eingerichtet,  in  dem  auf  langen 
Tafeln  alle  Gegenstände  übersichtlich  aufgebaut  sind,  —  gleichsam  ein  HOnenbufg- 
Museum  bildend,  das  zahlreiche  Besucher  anlockt. 

Besonders  regen  Antheil  hat  auch  der  benachbarte  Bückeburger  Hof  an  den 
Ausgrabungen  genommen.  So  haben  Ihre  Durchlaucht  die  Fürstin-Mutter,  sodann 
Ihre  Hoheit  die  regierende  Fürstin  Marie  von  Schaumburg-Lippe  nebst  den  Prinzen 
die  Ausgrabung  und  die  Sammlung  der  Fundstücke  mit  lebhaftem  Interesse  be- 
sucht; ebenso  auch  der  Minister  und  der  übrige  Hofstaat  des  Fürstenthums. 

Mit  der  Katalogisirung  der  zahlreichen  Fundstücke  bin  ich  beschäftigt;  was 
aber  bei  der  Menge  und  Wichtigkeit  derselben  nun  vor  allem  nothwendig  sein 
wird,  ist  die  sachkundige  Conservirung  dieser  Alterthümer,  die  später  dem  Museum 
für  Völkerkunde  überwiesen  werden  sollen,  besonders  der  zahlreichen  Gegenstände 
aus  Eisen,  die,  schon  in  der  Erde  angerostet,  bei  der  feuchten  Herbst wHtemng' 
leicht  weiterer  Zerstörung  durch  Rost  entgegengehen.  — 

(25)  Hr.  Rudolf  Baier  übersendet  aus  Stralsund,  29.  August,  einen  Bericht 
über  einen 

Küstenfand  anf  Rügen. 

Derselbe  betrifft  eine  neu  aufgefundene  Stelle  bei  dem  Dorfe  Lietzow  (vei^l. 
S.  291).  Er  wird  in  den  ^Nachrichten  über  deutsche  Alterthurasfunde^  demnächst 
veröffentlicht  werden.  — 

(26)  Fräulein  Paula  Rarsten  in  Berlin  übersendet  folgendes  Schriftstück: 

Einigen  über  die  Araber  von  Nord-Africa. 

Ganz  im  Süden  von  Algerien,  am  Nordrande  der  Wüste  Sahara,  300  hn  südlich 
von  Biskara,  liegt  eine  der  Ziban  d.  i.  Oasen  (Einzahl  Zab)  der  Sahara:   Tugnrt 

Es  ist  mir  höchst  interessant,  Leute  dieser  Oase  und  einiger  anderen  ganz  in 
der  Nähe  beobachten  zu  können.  Wie  die  verschiedenen  Stämme  —  die  Oasen 
liegen  alle  ziemlich  weit  auseinander  —  sich  schon  äusserlich  durch  Farbe,  Gestalt 
und  Lebensweise  durchaus  von  einander  unterscheiden,  so  sind  sie  auch  von  ganz 
verschiedenem  Charakter. 

Die  Beduinen  sind  hohe,  schlanke  Gestalten;  sie  halten  sich  sehr  gerade, 
schreiten  gravitätisch  einher  und  haben  etwas  Stolzes  in  Haltung  und  Gang.  Das 
Gesicht  ist  meist  fein  geschnitten  und  gewinnt  beim  Sprechen  an  Ausdruck;  in  der 
Ruhe  hat  das  Auge  bei  den  meisten  etwas  Blickloses,  was  das  Gesicht  ziemlich 
melancholisch  erscheinen  lässt.  Die  Hautfarbe  weist  eine  ganze  Schattirung  auf 
von  ganz  weisser  bis  richtig  bronzefarbener  Haut. 

Die  Neger  sind  auch  meist  gross,  dabei  aber  weniger  schlank,  sondern  breiter 
in  Brust  und  Schultern  gebaut,  wodurch  sie  sehr  stark  und  kräftig  erscheinen.  Der 
Gesichtsschnitt  ist  ziemlich  verschieden,  man  sieht  mehr  oder  minder  volle  Ge- 
sichtor, bartlos,  oder  von  einem  kurzen  Vollbarte  umrahmt 

Bö-Sadia,  ebenfalls  einer  dieser  Neger,  ist  hier  das  Oberhaupt  der  Derwische. 
Als  ich  ihn  bat,  mir  einiges  zu  erzählen,  wollte  er  Anfangs  nichts  davon  wissen. 
Zuerst  wollte  er  mir  auch  den  Grund  seiner  Weigerung  nicht  mittheilen,  als  ich 
aber  in  ihn  drang,  mir  denselben  zu  sagen,  meinte  er,  er  habe  drei  Frauen  zo 
Hause  und  sei  deshalb  sehr  ernst  gestimmt;    nachdem   ich   ihm   versichert  hatte, 


.   (373) 

dass  auch  ich  sehr  eruät  sei  und  auch  nur  von  ganz  ernsthaften  Dingen  sprechen 
wolle,  erfuhr  ich  denn  nach  und  nach,  dass  er  hoffte,  von  seiner  Berliner  Reise 
so  viel  Ersparnisse  in  sein  Heimathland  zu  bringen,  dass  er  sich  bei  seiner  Rück- 
kehr eine  vierte  Frau  nehmen  könne.  Er  gehört  nehralich  zu  der  Gesellschaft, 
die  während  des  Sommers  im  Passage- Panoptic um  zii  Berlin  mehrere  Vorstellungen 
täglich  giebt,  um  dem  Publicum  das  Leben  und  Treiben  jener  Völker  vor  Augen 
zu  führen. 

In  seiner  Heimath  ist  Bü-Sadia  ein  angesehener  Mann.  Er  ist  Besitzer  einer 
kleinen  Palmen-Plantage,  die  ungefähr  200  Palmen  umfasst. 

Seine  Lieblingsfrau  heisst  Yamin&,  die  zweite  Rhadizha,  den  Namen  der  dritten 
nannte  er  mir  gar  nicht. 

Die  Frauen  dieses  Stammes  beschäftigen  sich  damit,  kleine  Palmen-Körbe  zu 
flechten,  die  Käppchen  ihrer  Männer  anzufertigen,  ihre  Küche  und  den  Küsküs^) 
zu  besorgen.     letzterer  scheint  eine  grosse  Rolle  bei  ihnen  zu  spielen. 

Die  Männer  flechten  die  hübschen  Matten,  die  in  den  letzten  Jahren  viel  in 
Handel  bei  uns  kommen  und  sich  einer  grossen  Beliebtheit  erfreuen.  Eine  all- 
gemeine Beschäftigung  der  Männer  ist  auch  die  Holz-Schnitzerei.  Sie  nehmen  ein 
Holzscheit  ungefähr  von  der  Länge  eines  Meters  und  schneiden  allerhand  F^iguren 
da  hinein. 

Fragt  man  einen  dieser  Leute  nach  ihrem  Alter,  so  wissen  sie  es  nicht,  und 
ihre  Antwort  lautet:    „Gott  allein  weiss  das  Alter." 

Jeden  Freitag,  am  muhammedanischen  Sabbath,  versammeln  sie  sich  in  der 
einen  oder  anderen  Familie  zu  einem  kleinen  Feste.  Dabei  führen  sie  ihre  religiösen 
Gebräuche  vor,  die  sie  vor  den  „Ungläubigen*^  eigentlich  geheim  halten  sollen. 

Bü-Sadia  ist  das  locale  Oberhaupt  des  religiösen  Ordens  der  'Alsäwa').  Die 
^Alsawa  essen  Glas,  Feuer,  Nägel  und  andere  Dinge;  sie  durchbohren  mit  einem 
Dolche  die  Zunge,  die  Wange,  den  Hals,  den  Arm  oder  andere  Körpertheile,  dann 
hauchen  sie  über  die  Hand,  nehmen  ein  wenij^  Speichel  aus  dem  Munde  und  fahren 
damit  über  die  Wunden  hin,  die  sie  sich  beigebracht  haben,  denn  sie  behaupten, 
dass  der  Speichel  göttlich  sei.  Merkwürdigerweise  sollen  die  Wunden  nach  diesem 
Vorgehen  gleich  heilen. 

Eigenthümlich  ist  der  Tanz  der  Derwische;  nach  einer  eintönigen,  geräusch- 
vollen Musik  tanzen  sie  in  ebenso  einförmiger  und  dabei,  fast  möchte  ich  sagen, 
gewaltthätiger  Weise.  Schrittweise  bewegen  sie  sich  bald  nach  rechts,  bald  nach 
links,  bald  vorwärts,  bald  rückwärts;  dabei  stossen  sie  die  Arme  immerwährend 
heftig  von  sich  und  ziehen  sie  wieder  an,  ebenso  bleibt  der  ganze  Oberkörper  in 
unausgesetzter,  windender  Bewegung;  der  Betreffende  soll  hierdurch  in  eine  hohe 
Ekstase  gerathen,  jedenfalls  sieht  man  ihn  allem  Anscheine  nach  fast  besinnungslos 
hin  und  hertaumeln.  Dann  entzündet  ein  Oberhaupt  —  bei  der  Gesellschaft  im 
Passage-Panopticum  zu  Berlin  Muhammed  Ben  Salem  —  zwei  Bündel  Haifa-Stroh, 
ungefähr  wie  bei  uns  der  Flaschenschutz  geformt,  das  ist  mit  Berjouin  parfümirt. 
Der  Derwisch  steht  dem  Oberhaupte  zur  Linken;  letzteres  nimmt  das  eine  Feuer- 
bündel in  die  rechte  Hand,  reicht  es  hinter  seinem  Rücken  dem  neben  ihm 
stehenden,  unaufhörlich  weiter  Tanzenden  in  die  rechte  Hand,  dieser  führt  es 
ebenfalls  hinter  seinem  Rücken   fort,    ergreift  es  mit  der  linken  Hand,    und  nun 

1)  Kiiskus  ist  das  Nationalgericht:  in  einem  Obertopfe  (über  kochenden  Flcischstücken 
in  einem  Untertopfe^  gedämpfte  Graupen  aus  Weizenmehl,  mit  allerlei  Zuthaten,  wie  Kicher- 
erbsen u.  8.  w.  Der  Corrector. 

2)  'Aisawa,  eine  nordwestafrikanische  Art  von  Derwischen.  Uer  Corrector. 


(374)  • 

erfassen  beide  ihr  Bündel  mit  beiden  Händen,  reissen*  es  auseinander,  dass 
eine  breite,  hochaufschlagende,  nach  allen  Richtungen  hin  züngelnde  Flanuno 
entsteht. 

Eine  Musikbande  hockt  im  Hintergrunde,  die  eine  mehr  lärmende  als  melo- 
dische Musik  ausübt;  die  Musik-Instrumente  bestehen  ausser  mehreren  grösseren 
und  kleineren  Tambourins,  aus  einem  Dudelsack,  mehreren  Rrakäb,  das  sind  grosse 
metallene  Castagnetten,  ungefähr  so  lang  wie  ein  Arm  und  dementsprechend  breit; 
und  aus  einer  Gnbri,  —  das  Trommel,  Saiten -Instrument  und  Schelle  vereint. 
Der  Körper  dieses  Instrumentes  gleicht  einer  hohen,  engen  Trommel,  die  mit  der 
rechten  Hand  bearbeitet  wird;  durch  die  hierdurch  entstehende  Vibration  des 
Trommelfelles  entsteht  eine  klingende  Begleitung  durch  ein  nach  oben  geschweides^ 
handbreites  Metallband,  das  am  Rande  ruht,  dessen  Schmalseiten  mit  kleinen 
Schellen  besetzt  sind;  dem  gegenüber  befindet  sich  ein  auffallend  langer  Hals  mit 
Saiten  versehen,  auf  denen  die  linke  Hand  spielt  Diese  Musik  begleitet  den 
Tanz  der  Derwische  von  Anfang  bis  zu  Ende,  bald  mehr,  bald  weniger  wild,  von 
häufigen,  lauten  Zwischenrufen  der  Musicirenden  bogleitet.  Geradezu  rasend  wird 
sie,  wenn  die  beiden  ihr  Feuerbündel  ausgebreitet  haben,  und  mit  der  Musik  werden 
auch  die  Bewegungen  der  beiden  Derwische  immer  wilder  und  heftiger.  Sie 
bringen  unausgesetzt  den  ganzen  Oberkörper,  Kopf  und  Arme  in  so  directe  Be- 
rührung mit  der  Flamme,  ja,  sie  umhüllen  ihn  ganz  damit,  dass  man  meint,  sie 
müssten  vollständig  gebraten  und  geröstet  werden;  wenn  sie  aber  schliesslich  das 
Feuerbündel  wegwerfen,  so  zeigt  ihr  Körper  auch  nicht  die  mindeste  Verletzung; 
es  ist  jedenfalls  für  den  europäischen  Zuschauer  etwas  ganz  Unbegreifliches  und 
Unft\38liches. 

Dieses  und  vieles  Aehnliches  wird  bei  den  wöchentlichen  religiösen  Festen 
ausgeführt;  dazu  bereiten  die  Frauen  Gerichte  aus  Küsküs,  der  ihre  Lieblings- 
speise ist. 

Die  ^Aisäwa  bilden  einen  eigenen  religiösen  Orden  oder  Bund.  Auch  ihre 
Frauen  führen  ganz  staunenerregende  „Spiele^  auf. 

Während  derselben  wird  in  kleinen,  tragbaren  Oefen  ein  immerwährendes 
Feuer  unterhalten,  auf  das  sie  ^Berjouin^  zum  Räuchern  streuen;  der  Dampf,  der 
hiervon  aufsteigt,  erhöht  die  Erregung  in  ihnen,  in  die  sie  sich  versetzen. 

^Die  Kinder  der  Wüste^  im  Passage -Panopticnm  zu  Berlin  zählen  auch  vier 
Männer  und  ein  Mädchen  der  Derwische  unter  sich,  und  diese  feiern  allwöchentlich 
ihren  Sabbath,  wie  es  ihre  Religion  ihnen  vorschreibt  Aber  nicht  jede  Persönlich- 
keit eignet  sich  zu  diesen  ganz  besonderen  Ausübungen. 

Staunenswerth  ist  es,  mit  welcher  Schlauheit  der  Muselmann  die  meist  sehr 
strengen  Vorschriften  des  Korans  zu  umgehen  weiss.  Lictzterem  zufolge  soll  der 
Muhammedaner  überhaupt  keine  geistigen  Getränke  zu  sich  nehmen.  Bietet  ihnen 
nun  jemand  einen  Cognac  an,  so  sagen  sie:  ^Ich  bin  ein  Mann  Gottes;  der  Cognac 
ist  mir  verboten;  ein  Ehrenmann  bietet  ihn  mir  an;  er  verwandelt  sich  auf  meinen 
Lippen  in  Limonade.^ 

In  Vevey,  in  der  Schweiz,  traf  ich  mehrere  Jahre  hindurch  in  einer  be- 
freundeten  Familie  mit  einem  ägyptischen  Fürsten  zum  Sommer-Aufenthalte  zu- 
sammen. Der  Herr  des  Hauses  verfügte  über  einen  vorzüglichen  Weinkeller.  Der 
Ae^ypter  Hess  sich  ruhig  sein  Glas  füllen;  bevor  er  aber  den  ersten  Schluck  nahm, 
sprach  er  halblaut:  „Im  Koran  steht:  ein  Tropfen  Wein  bringt  Dir  Verderben,* 
dabei  tauchte  er  den  kleinen  Finger  behutsam  in  sein  Glas,  zog  ihn  schnell  zurück 
und  schleuderte  den  daran  haftenden  Tropfen  weit  von  sich,  dann  aber  trank  er, 
soviel  ihm  nur  immer  behagte. 


(375) 

Die  grösste  Beleidigung  für  einen  strenggläubigen  Muselmann  ist,  wenn  man 
ihm  einen  Hut  auf  den  Kopf  setzt,  weil  nur  der  „Ungläubige^  denselben  trägt. 

Widerfährt  dem  Araber  irgend  ein  Missgeschick,  bricht  er  sich  ein  Bein,  oder 
trifft  ihn  irgend  welches  Leid,  so  sagt  er:  „Mktub  Rabbi !^  d.  h.:  „Es  stand  so 
bei  Gott  geschrieben." 

Dies  sagt  der  Araber,  dessen  Frömmigkeit  sich  bis  zum  Fanatismus  steigert, 
bei  jeder  Gelegenheit;  „mktub",  sagt  er,  wenn  ihm  jemand  stirbt.  Fragt  er  ein 
junges  Mädchen:  „Willst  Du  meinen  Sohn  heirathen?"  so  antwortet  es  ihm:  „Idä 
mktub  fi  zhini!^  „Wenn  es  so  auf  meiner  Stirn  geschrieben  steht!"  Dieselbe 
Antwort  erfolgt,  wenn  man  etwa  jemand  fragt:    „Willst  Du  diese  Reise  machen?*' 

„Muhammed!  Muhammed!"  ertönt  es  überall;  der  Name  ist  sehr  ?erbreitet. 
Die  zweite  Silbe  wird  stark  betont. 

Roth,  recht  leuchtend,  ist  die  Lieblingsfarbe  des  Negers,  und  die  frischen 
Farben  stehen  ihm  gut. 

Er  hat  eine  Vorliebe  für  schwere,  massive  Metallgefässe  und  Schmucksachen. 

Sehr  empfindlich  ist  er  gegen  Kälte. 

Er  ist  ein  grosser  Freund  der  Musik. 

Der  weisse  Araber  blickt  mit  Geringschätzung  auf  den  Neger  und  bezeichnet 
ihn  als  „Sklaven".  Ersterer  aber  hat  einen  minder  zuverlässigen  und  geraden 
Charakter  als  der  Schwarze,  und  die  Zeltbewohner  sind  noch  minder  vertrauen- 
erweckend, als  die  anderen. 

Man  sieht  oft  bei  den  Arabern  —  Männern  sowohl  wie  Frauen  —  tiefe  Brand- 
wunden auf  den  Armen,  eine  über  der  anderen,  bei  dem  einen  weniger,  bei  dem 
anderen  mehr.  Dies  sind  Erinnerungszeichen,  die  an  Rache  gemahnen  sollen. 
Glauben  sie  sich  w)n  jemand  verrathen  oder  hintergangen,  so  machen  sie  ein 
Eisen  glühend,  und  drücken  es  auf  den  Arm,  um  so  immer  daran  erinnert  zu 
werden,  dass  sie  sich  zu  rächen  haben. 

Der  Neger  ist  sehr  treu;  dient  er  einem  Herrn,  den  er  liebt,  oder  ist  er  sonst 
jemand  zugethan,  so  lässt  er  sich  lieber  für  ihn  tödten,  als  dass  er  ihn  in  Noth 
und  Gefahr  verlässt.  Hat  er  einem  etwas  zugesagt,  so  kann  man  fest  auf  ihn 
rechnen,  denn  er  ist  eigensinnig  in  seiner  Beharrlichkeit,  und  hat  er  sich  einmal 
etwas  durchzusetzen  vorgenommen,  so  schrickt  er  vor  nichts  zurück. 

BQ-Sadia*s  Grossvater  entstammte  dem  Sudan;  dies  macht  sich  n(fch  be- 
merkbar: er  bat  ein  längeres,  schmaleres  Gesicht  als  seine  Gefährten,  und  während 
diese  schwarz  sind,  hat  er  eine  mehr  dunkelbraune  Hautfarbe,  und  obwohl  auch 
gross  und  kräftig  gebaut,  ist  er  doch  schlanker  als  jene;  auch  ist  der  Schnitt  der 
Augen  und  der  ganze  Gesichts-Ausdruck  ein  anderer. 

Dankt  der  Araber  für  etwas,  so  legt  er  die  rechte  Hand  aufs  Herz,  kreuzt 
dann  die  Arme  über  der  Brust  und  neigt  das  Haupt. 

Die  brennende  Cigarre  oder  Cigarette  geht  oft  von  Mund  zu  Mund  und  zwar 
gleichviel  zwischen  Männern  und  Frauen.  Der  eine  nimmt  sie  dem  anderen  aus 
dem  Munde  und  steckt  sie  mit  dem  grössten  Behagen  in  den  eigenen,  wogegen 
der  andere  auch  nie  etwas  einzuwenden  hat. 

Der  Muhammedaner  lässt  sich  den  ganzen  Kopf  rasiren,  oben  auf  dem  Schädel 
bleibt  aber*  ein  Büschelchen  stehen,  daran  zieht  Muhammed  den  Verstorbenen 
hinauf  in  den  Himmel. 

Bei  den  Kindern  sieht  man  die  merkwürdigsten  Haartrachten.  Ein  kleines, 
vielleicht  zweijähriges  Mädchen,  hat  den  ganzen  Kopf  geschoren,  nur  über  der 
Stirn  stehen  je  rechts  und  links  eine  lange  Haarsträhne,  und  ebenso  seitwärts  von 
jeder  Schläfe. 


(376) 

Ein  anderes,  noch  jüngeres  Kindchen,  hat  ebenfalls  das  Köpfchen  ganz  ge- 
schoren, nur  rund  herum  steht  ein  ganz  schmaler  Haarkranz  und  in  der  Mitte  ein 
Schöpfchen.    Die  Kleinen  sehen  höchst  drollig  aus. 

Wie  wenig  die  weissen  und  schwarzen  Araber  mit  einander  übereinstimmen, 
kann  man  schon  bei  der  Truppe  im  Berliner  Passage-Panopticum  beobachten.  Die 
Neger  halten  sich  immer  zusammen,  sie  erzählen,  lachen,  scherzen,  auch  mit  den 
Frauen  und  Mädchen;  werden  sie  geärgert,  schreien  sie  auch  und  werden  wtithend, 
während  die  Beduinen  meist  unbeweglich,  wie  eine  Statue,  dasitzen,  den  Blick 
in's  Leere  gerichtet  und  keine  Miene  verziehend. 

Kommt  der  Neger  und  entbietet  seinen  Oruss,  so  lacht  er  über  das  ganze  Gesicht, 
oder  dasselbe  nimmt  wenigstens  einen  freandlichen  Ausdruck  an;  der  Beduine 
bleibt  feierlich  ernst.  Der  Neger  sieht  seinem  Gegentiber  voll  in's  Auge,  der 
Beduine  senkt  den  Blick.  — 

(27)    Fräulein  Paula  Karsten  in  Berlin  überschickt  folgendes  Manuscript: 

Der  Vorabend  des  muselmanischen  Sabbaths  bei  den  'ATsawa 

(einer  Art  von  Derwischen). 

Freitag  ist  der  Sabbath  des  Muhammedaners.  Am  Donnerstag- Abend  kommen 
diese  Derwische  zusammen,  um  ihre  religiösen  Gebräuche  zu  erfüllen.  So  viel  ich 
auch  schon  darüber  gelesen  habe,  nie  konnte  ich  mir  eine  klare  Vorstellung  davon 
machen.  Zudem  können  die  Reise-Beschreibungen  nicht  sehr  viel  Genaues  darüber 
enthalten,  weil  der  Koran  eigentlich  verbietet,  diese  religiösen  Feierlichkeiten 
öfiTentlich  vor  den  „Ungläubigen^  auszuführen.  Was  ich  bisher  darüber  las  und 
hörte,  erschien  mir  stets  so  unglaublich,  dass  ich  immer  wünschte,  einmal  mit 
eigenen  Augen  den  Derwisch -Tanz,  und  was  damit  zusammenhängt,  sehen  zu 
können.  An  einem  Donnerstag  ward  dieser  Wunsch  erfüllt,  und  ich  muss  ge- 
stehen, dass  meine  Erwartung  bei  Weitem  übertrofTen  ward;  denn  es  ist  ganz  un- 
möglich, sich  Derartiges  vorzustellen,  ohne  dass  das  Auge  das  thatsächliche  Bild 
davon  in  sich  aufnimmt,  und  selbst  dann  glaubt  man  später  sich  eher  an  einen 
phantastischen  Traum,  als  an  etwas  wirklich  Erlebtes  zu  erinnern.  Der  Güte  und 
Liebenswürdigkeit  des  Hm.  Neumunn,  Directors  des  Passage-Panopticums  in 
Berlin,*  und  des  Hrn.  Nalaff,  Führers  der  „Kinder  der  Wüste",  verdanke  ich  es, 
dass  ich  dies  hochinteressante  und  wunderbare  Schauspiel  ganz  in  der  Nähe  beob- 
achten durfte. 

Mehrere  Familien  —  Männer,  Frauen  und  Kinder  —  ungefähr  30  an  der  Zahl, 
Bewohner  weit  von  einander  gelegener  Oasen  der  nordwestlichen  Sahara,  geben  seit 
einigen  Wochen  täglich  mehrere  Vorstellungen  im  Passage-Panopticum,  um  das 
Leben  und  Treiben  dieser  verschiedenen  Volksstämme  in  ihrer  Heimath  zu  ver- 
anschaulichen. Unter  ihnen  befinden  sich  auch  4  Männer  und  1  Mädchen,  die 
den  Derwischen  angehören.  Die  Männer  sind  gross  und  schlank,  dabei  stark  und 
kräftig  gebaut,  von  vorzüglicher  Haltung;  sie  haben  einen  freundlichen,  offenen 
Charakter  und  sind  geweckten  Geistes.  Alle  vier  sind  ächte  Neger,  während  das 
Mädchen,  von  kleiner,  gedrungener  Gestalt,  Mulattin  ist  und  mir  geistig  ganz  un- 
bedeutend zu  sein  scheint. 

Als  die  Feier  ihren  Anfang  nahm,  sassen  zwei  Derwische  auf  der  Erde  nach 
türkischer  Weise;  der  zur  Rechten  war  ein  Häuptling.  Gekleidet  waren  beide  wie 
gewöhnlich.  ßö-Sadia,  der  letztere,  trug  über  der  weissbaumwolleaen,  tür- 
kischen Hose,  die  unterhalb  des  Knies  fest  anschliesst,  und  der  kleinen,  blauen 
Tuchjacke,    reich  mit  Goldborte  benäht,    das  lanffe,    ärmellose  Uebeigewand  von 


(377) 

grünem  Wollstoff,  ebenfalls  mit  Goldborte  benäht  Den  buntfarbigen  Turban, 
fest  um  den  Kopf  geschlungen,  schmücken  an  der  linken  Seite  ein  Paar  silber- 
leuchtende Quasten,  aus  denen  es  wie  kleine  Diamanten  funkelt  und  blitzt.  Der 
immer  vergnügte,  junge  Bubakr,  ihm  zur  Seite,  hatte  zu  der  weissen  Hose  eine 
leuchtend  rothe  Jacke,  reich  mit  Gold  benäht,  an,  und  auf  dem  Kopfe  das  be- 
kannte rothe  Fez  mit  schwarzer  Quaste.  Er  handhabte  mit  voller  Kraftanstrengung 
ein  Paar  metallener  Castagnetten  (krakäb),  wohl  von  der  Länge  eines  halben  Armes 
und  dem  entsprechend  breit;  ßü-Sadia  bearbeitete  mit  derselben  Ausdauer  sein 
Gnbri. 

Vor  diesen  beiden  erschien  plötzlich  das  Mädchen.  Sie  hatte  eine  hellrosa 
Hose  an,  darüber  einen  buntfarbig  gestreiften  Seidenshawl  rockartig  über  die 
Hüften  gebunden,  und  dazu  trug  sie  ein  kleines  Jäckchen.  Sie  stürzte  vor  den 
beiden  nieder,  wand  sich  in  unbeschreiblichen  Verrenkungen  des  Körpers  und  aller 
Glieder  bald  vor-  bald  rückwärts,  mit  dem  Kopfe  immer  fest  gegen  den  Fussboden 
schurrend,  zuweilen  schleuderte  sie  ihn  auf  die  rechte  Seite.  Die  Augen  hielt  sie 
geöffnet.  Es  machte  kaum  den  Eindruck,  als  habe  man  eine  bcwusstlose  Person 
vor  sich,  nur  alles  Menschliche  schien  aus  ihr  entwichen  zu  sein;  sie  erschien  wie 
ein  Wesen  aus  uns  unbekannten  Regionen.  Von  Zeit  zu  Zeit  stiess  sie  ganz 
eigenthümliche  Töne  aus.  Ein  zweiter  Häuptling,  der  in  der  Mitte  des  Raumes 
stand  und  sie  unausgesetzt  beobachtete,  berührte  sie  manchmal  leise  mit  seiner 
Hand  in  der  Kreuz-  und  Magengegend.  Die  schon  wilde  Musik  ward  immer 
rasender  und  damit  erhöhte  sich  gleichzeitig  die  Ekstase;  da  nahmen  Muhammed 
Ren -Salem,  dieser  Häuptling  und  der  Derwisch  Murgian  ein  grosses,  weisses 
Laken,  das  jeder  an  zwei  Zipfeln  mit  den  beiden  Händen  hielt.  Dieses  breiteten  sie 
über  das  Mädchen,  indem  ihr  einer  zu  Huupten,  der  andere  zu  Füssen  stand,  und 
während  sie  das  Laken  heftig  auf  und  ab  bewegten,  sah  man,  wie  das  Mädchen 
immer  weiter  arbeitete,  jetzt  aber  an  derselben  Stelle  blieb.  Plötzlich  hoben  beide 
das  Laken  zur  Seite:  da  sprang  das  Mädchen  wild  auf,  Muhammed  Ben -Salem 
packte  sie  fest  in  seine  Arme,  sprang  mehrmals  hoch  in  die  Luft  mit  ihr,  und 
nachdem  er  sie  darauf  fest  hinstellte,  mischte  sie  sich  ganz  ruhig  unter  die  übrige 
Gesellschaft,  die  während  der  ganzen  Zeit  zwanglos  herumstand  und  sass,  ohne 
das  mindeste  Zeichen  von  Aufregung  zu  zeigen. 

Jetzt  ward  vor  den  beiden  Musicirenden  eine  Palmbast-Matte  ausgebreitet,  und 
eine  Pfanne  hingestellt  mit  glühenden  Kohlen,  auf  die  Räucherwerk  (berjouin)  ge- 
schüttet ward.  Nun  trat  Murgian  in  schrittweisem  Tanze  auf  die  beiden  zu,  die 
Arme  und  den  Oberkörper  heftig  bewegend.  Letzterer,  sowie  der  Kopf  waren  un- 
bedeckt; nur  unterhalb  der  Arme  war  eine  Binde  so  fest  um  den  Körper  ge- 
schlungen, dass  sie  eine  tiefe  Furche  bildete.  Immer  wilder  ward  die  Musik,  und 
in  demselben  Grade  Murgian's  Tanz  und  die  einzelnen  Bewegungen.  Von  Zeit 
zu  Zeit  verstummte  die  Musik,  dann  wurden  verschiedene  Fragen  an  ihn  gerichtet, 
die  er  beantwortete,  denn  er  war  nun  das  ^Orakel**  geworden.  Der  ganze  Körper 
erschien  trocken,  der  Kopf  dagegen  war  in  Schweiss  gebadet. 

Ein  Maroccaner  hatte  sich  vor  einigen  Tagen  Zunge  und  Lippen  verbrannt, 
und  bat  nun  um  Heilung.  Murgian  sprang  auf  ihn  zu,  presste  ihn  fest  an  sich, 
drehte  die  Arme  des  Betreffenden  auf  seinem  Rücken  zusammen,  berührte  seinen 
Mund  und  sprang  dann  wieder  davon.  Nachdem  noch  verschiedene  Fragen  an  ihn 
gerichtet  worden  waren,  die  er  alle  beantwortete,  reichte  ihm  Muhammed  Ben- 
Salem  einen  mindestens  zweißngerdicken,  armlangen  Stab.  Mit  Leichtigkeit  durch- 
brach er  denselben  und  schlug  nun  mit  aller  Gewalt  mit  beiden  Enden  auf  seinen 
Körper  drein,  dass  man  die  dröhnenden  Hiebe  in  schneller  Folge  hörte.    Muhammed 


(378) 

beobachtete  ihn  unausgesetzt  und  berührte  ihn  dann  und  wann  leise,  bald  am 
rechten,  bald  am  linken  unteren  Bein.  Dann  folgte  wieder  der  Tanz,  der  immer 
in  gerader  Richtung  auf  die  beiden  Musicirenden  geschah  und  wieder  zurück;  als 
Murgian  wieder  einmal  vor  den  beiden  stand,  schlang  ein  Mädchen  ihm  einen 
weissen  Shawl  um  den  Hals;  er  blieb  nun  auf  der  Matte  stehen,  immer  heftigere 
Bewegungen  ausführend;  dann  nahm  Bü-8adia  einen  Dolch,  der  wohl  eine  finger- 
lange Klinge  hatte,  diese  zog  er  mehrmals  durch  seinen  Mund  und  reichte  dann 
Murgian  die  Waffe,  und  dieser  schwang  sie  windesschnell  hinauf  und  hinab, 
während  die  Musik  nun  geradezu  rasend  ward;  dann  trat  Muhammed  schnell  Ton 
hinten  an  Murgian  heran  und  zerrte  und  zog  an  dem  Shawl,  den  letzterer  um 
den  LIals  hatte,  dass  ich  fast  meinte,  er  müsste  ihn  erwürgen;  Murgian  beugte 
sich  mehrmals  und  plötzlich  stiess  er  sich  die  Klinge  rechts  seitwärts  vom  Magen 
in  den  Körper  und  dann  warf  er  sich  platt  auf  die  Erde,  Arme  und  Beine  weit 
von  sich  streckend.  Nun  kamen  alle  herbei,  kauerten  um  ihn  herum  und  jeder 
fragte  ihn  etwas,  und  er  beantwortete  alles,  und  zwar  mit  ruhiger,  geroüthlich- 
behaglicher  Stimme,  wie  ein  Mensch,  der  sich  im  höchsten  Orade  des  Wohlseins 
befindet;  es  lag  auch  nicht  eine  Ahnung  von  Schmerz,  Angst  oder  Aufregung  darin. 

Nachdem  Rede  und  Antwort  verstummt  waren,  trat  Muhammed  wieder  an 
Murgian  heran  und  drückte  ihn  im  Kreuz  leicht  ein  paarmal  mit  seiner  Hand; 
dann  nahm  er  die  Kohlenpfanne,  streute  neues  Räucherwerk  darauf,  hielt  sie 
Murgian  erst  unter  das  Gesicht  und  dann,  nachdem  er  noch  etwas  anderes  hinzu- 
gethan  hatte,  hielt  er  sie  längere  Zeit  unter  die  Stelle,  an  der  der  Dolch  sasa, 
darauf  erhob  Murgian  sich,  zog  die  Waffe  heraus,  drückte  mit  beiden  Händen 
die  Stelle,  aus  der  er  sie  entfernte,  ganz  fest  zusammen,  und  that  mehrmals  darauf 
von  dem,  was  Muhammed  ihm  aus  der  Gluth  reichte;  letzterer  zog  ihm  nun  den 
buntfarbig  gestreiften  Seidenshawl,  den  er  rockartig  um  die  Hüften  trug,  ganz  fest 
um  den  Leib  zusammen,  dass  man  fast  glauben  konnte,  er  binde  ihm  den  Ober- 
körper ab;  da  sprang  Murgian  plötzlich  mit  dem  Ausdruck  der  Freude  umher, 
rieb  sich  mit  beiden  Handflächen  tüchtig  den  Leib,  und  so  wunderbar  es  sich  auch 
anhören  mag,  man  sah  weder  eine  Wunde,  noch  eine  Narbe,  noch  irgendein 
Merkmal  der  Hiebe.  Weder  die  Stöcke,  noch  der  Dolch  hatten  eine  Spur  an 
Murgian^s  Körper  zurückgelassen,  und  Murgian  bewegte  sich  ruhig,  als  sei  nichts 
vorgefallen.  Bü-8adia  nahm  abermals  den  Dolch  und  zog  die  Klinge  einigemale 
durch  den  Mund. 

Als  ich  dies  alles  einem  Arzte  erzählte,  schütteltete  er  ungläubig  den  Kopf. 
Wie  gesagt,  mir  selbst  erscheint  das  Ganze  in  der  Erinnerung  wie  ein  phantastischer 
Traum.  Da  ich  aber  direct  vor  den  Handelnden  stand,  so  ist  jede  Täuschung  aus- 
geschlossen. Zudem  handelt  es  sich  hier  ja  nicht  um  ein  Schaustück,  sondern  am 
einen  religiösen  Brauch. 

An  einem  anderen  Festabende  sah  ich  Folgendes: 

Die  Frau  eines  Schlangen-Beschwörers  behauptete,  von  ihrem  Manne  um  eines 
von  ihr  bestimmt  bezeichneten  Mädchens  willen  hintergangen  zu  werden.  Letzteres 
betheuerte  auf  jede  Weise  seine  Unschuld,  ohne  jedoch  die  Beschuldigerin  zu 
überzeugen.  Es  kam  zu  höchst  aufgeregten  Scenen,  in  denen  die  ganze  Gesell- 
schaft die  Parthei  des  Mädchens  nahm,  ohne  jedoch  die  Fehde  zu  einem  end- 
gültigen Schlüsse  bringen  zu  können.  Da  kam  das  Wochenfest  heran  und  als  der 
'Alsawi  Murgian  sich  in  dem  heiii<?en  Zustande  befand,  ward  das  Orakel  in 
ihm  nach  der  Schuld  oder  Unschuld  Manubia's  befragt  Schrittweise  rückwärts 
tanzend,  blieb  er  in  der  Mitte  des  Raumes  stehen,  die  Arme  kreuzweise  über  der 
Brust  verschränkt     Die  Musik  spielte  leise  und  sanft.     Nach  einiger  Zeit  theiltc 


(379) 

Mnrgian  durch  eine  Fingersprache  der  rechten  Hand  etwas  mit.  Bald  darnach 
wurden  vor  Bü  -  Sadia,  das  municirendc  Oberhaupt,  zwei  Kerzen  gelegt,  und 
ein  Tässchen,  das  Manubia  schnell  gekauft  hatte,  mit  Milch  gefüllt,  vor  ihn 
hingesetzt.  Nun  setzte  Murgian,  allerhand  Zeichen  machend,  seinen  Tanz  fort; 
dann  breitete  er  beide  Arme  wagerecht  von  sich,  die  Handflächen  nach  oben 
wendend.  Muhammed  Ben -Salem  legte  auf  die  Unterseite  des  Untertässchens 
eine  der  glühenden  Kohlen  und  setzte  dann  die  Tasse  auf  Murgian^s  rechte 
Hand,  der  unausgesetzt  weiter  tanzte,  bis  Manubia's  Unschuld  durch  das  heilige 
Wunder  bewiesen,  die  Milch  in  Blut  verwandelt  war.  Murgian  ging  im  Kreise 
herum  und  liess  jeden  der  Anwesenden  einen  Schluck  davon  trinken. 

Die  Tasse,  in  der  sich  dies  Wunder  vollzog,  wird  Manubia  mitnehmen  in 
ihr  Heimathland  und  sie  in  eine  Moschee  bringen,  wo  dieselbe  mit  Oel  gefüllt, 
als  heilige  Lampe  dienen  wird. 

Hier  darf  ich  vielleicht  hinzufügen,  dass  der  Aufenthalt  in  der  Moschee  über- 
haupt heiligt.  Hat  ein  Verbrecher,  oder  wer  sonst  seinen  Verfolgern  entrinnen 
möchte,  das  Glück,  bis  in^s  Innere  einer  Moschee  zu  gelangen,  so  ist  seine  Person 
geheiligt,  so  lange  er  darin  verweilt,  und  niemand  darf  es  wagen,  ihm  etwas  zu 
Leide  zu  thun.  Oft  bleiben  Verbrecher  Monate  lang  in  diesem,  heiligen  Schutze, 
und  eine  ebenso  heilige  Pflicht  ist  es  für  Andere,  sie  mit  Speise  und  Trank  zu 
versehen. 

Nachdem  alle  getrunken,  hielt  Murgian  längere  Zeit  die  Klinge  eines  Dolches 
in^s  Feuer,  um  sie  dann  direct  quer  in  den  Mund  zu  nehmen  und  längere  Zeit 
darin  zu  behalten.  Dann  stiess  er  sich  die  Klinge  wieder  in  den  Leib^  nahm  eine 
der  Kerzen  und  hämmerte  damit  auf  den  Schaft  der  Wafl'e,  so  dass  laute  Töne 
erschallten  und  es  dem  Oh>  erschien,  als  solle  die  Dolchspitze  in  einen  Knochen 
dringen. 

Nachdem  Murgian  noch  viele  Fragen  beantwortet,  den  Dolch  aus  seinem 
Körper  hervorgezogen  und  die  Wunde  sich  wieder  geschlossen  hatte,  tanzte  er  erst 
weiter;  dann  kniete  er  nieder,  und  Muhammed  Ben -Salem,  ein  grosser,  mächtiger 
Mensch,  kniete  auf  seinem  Rücken,  drehte  ihm  erst  einen,  dann  den  anderen  Arm 
in  der  Achsel  ganz  über  den  Rücken  hinweg,  stand  auf,  ergriff  Murgian^s  Haupt 
zwischen  beiden  Händen,  und  drehte  sein  Gesicht  einmal  ganz  über  die  rechte, 
einmal  ganz  über  die  linke  Schulter  hinweg. 

Von  Anfang  bis  zu  Ende  hatte  Murgian  die  Augen  weit  geöffnet,  und  nachdem 
Muhammed  zum  Schluss  mehrere  hohe  Luftsprünge  mit  ihm  gemacht  hatte,  merkte 
man  ihm  von  einem  besonderen  Zustande  nichts  mehr  an.  Als  ich  gleich  darauf 
mit  ihm  sprach,  war  er  so  gleichmässig  ruhig,  wie  immer.  — 

(28)  Hr.  Director  Dr.  W ei  neck  schickt  aus  Lübben,  19.  September,  einen 
Bericht  über 

ein  Urnenfeld  bei  Schlepzig. 

Derselbe  erscheint  in  dem  Heft  VI  der  „Nachrichten  über  deutsche  Alterthums- 
funde**.  — 

(29)  Hr.  A.  Ne bring  schreibt  unter  dem  13.  October  Folgendes 

über  Herberstain^s  Angaben  betreffs  der  Samogiten. 

Bei  der  Vorlage  meiner  Darlegungen  „über  das  Vorkommen  von  Zwergen 
neben   grossen   Leuten   in   demselben  Volke",   welche   an   eine   Stelle   in 


(380) 

Herbe rstain 's  Werken  anknüpften  (siehe  diese  Verhandlungen  1897,  S.  91  ff.); 
hat  R.  Virchow  folgende  Bemerkung  (S.  94)  gemacht: 

„Die  Geschichte  von  Herberstain  ist  in  dem  Streite  über  die  Race  prussienne 
zwischen  Quatrefages  und  mir  Gegenstand  einer  ausführlichen  Erörterung  ge- 
wesen. Meine  Bemerkungen  finden  sich  in  meiner  Abhandlung  ^über  die  Methode 
der  wissenschaftlichen  Anthropologie'',  Zeitschrift  für  Ethnologie,  1872,  Bd*.  IV, 
8.  311.  Ich  glaubte  damit  diese  Frage  abgethan  zu  haben,  sehe  jetzt 
aber,  dass  ich  mich  getäuscht  habe.  Immerhin  darf  ich  auf  meine  früheren  Aus- 
führungen verweisen.** 

Die  Worte  Virchow's:  „Ich  glaubte  damit  diese  Frage  abgethan  zu  haben", 
müssen  bei  dem  Leser  die  Vorstellung  erwecken,  als  ob  ich  eine  von  Virchow 
längst  abgethane  Sache  ganz  überflüssiger  Weise  noch  einmal  hervorgesucbt  und 
somit  meine  Mühe  verschwendet  hätte.  Hierdurch  sehe  ich  mich  veranlasst,  auf 
die  betreffende  Herberstain 'sehen  Angaben  nochmals  zurückzukommen  und  die 
Virchow 'sehe  Kritik  derselben  einer  Erörterung  zu  unterziehen. 

Virchow  sagt  a.a.O.  S.  311:  „Sigismund  Freiherr  zu  Herberstein*)  war 
zweimal  als  Gesandter  des  „römischen^  Kaisers  in  Moskau.  Er  machte  seine 
Reisen  über  Krakau  u.  s.  w.  Später  schrieb  er  darüber  ein  ganz  interessantes 
Buch:  Rerum  moscoviticarum  Commentarii,  welches  1556  in  Basel  gedruckt  wurde'). 
Darin  steht  vieles,  was  er  gesehen  und  erlebt,  und  fast  noch  mehr,  was  er  sich 
hatte  erzählen  lassen.  Die  in  Frage  stehende  Stelle  bezieht  sich  übrigens 
keineswegs  auf  das  eigentliche  Preussen,  wie  Hr.  de  Quatrefages  meint,  auch 
nicht  auf  das  uneigentliche  Preussen,  sondern  auf  Samogitien.  Es  heisst  uehmlich 
p.  113:  „In  Samogithia  hoc  inprimis  admirandum  occurrit,  quod  cum  ejus  regionis 
homines  procera  utplurimum  statura  sint,  filios  tameii  alios  corporis  magnitudine 
excellentes,  alios  perpusillos  ac  plane  nanos,  veluti  vicissitudine  quadam,  procreare 
solent''  Der  Freiherr  zu  Herberstein  war  ebensowenig  persönlich  in  Samogitien, 
wie  in  Preussen:  wer  ihm  die  Geschichte  aufgebunden  hat,  ist  nicht  zu  ersehen." 

Ehe  ich  die  weiteren  Bemerkungen  Virchow 's  citire,  möchte  ich  hier  einige 
Notizen  zu  den  eben  citirten  hinzufügen.  Zunächst  bemerke  ich,  dass  Herber- 
stain ein  äusserst  gewissenhafter  und  nach  Wahrheit  strebender  Mann  war,  wie 
jeder  bezeugen  wird,  der  seine  Publicationen  eingehend  studirt').  Durch  die  her- 
vorragende Stellung,  die  er  als  Gesandter  zunächst  des  Kaisers  Maximilian  I.,  dann 
des  römischen  Königs  Ferdinand  I.  bei  seinen  Reisen  nach  Polen  und  Russland 
einnahm,  war  er  in  der  Lage,  Vieles  zu  sehen  und  zu  erfahren,  was  andere  Leute 
nicht  sehen  und  erfahren  konnten.  Er  war  15  Mal  als  Gesandter  in  Polen,  2  Mal 
in  Russland.  4  Mal  hat  er  sich  längere  Zeit  in  Wilna,  also  nahe  der  Grenze 
Samogitiens,  aufgehalten.  Seine  erste  Reise  nach  Polen  und  Russland  fand  im 
Auftrage  Maximilians  I.  statt;  sie  dauerte  von  Ende  des  Jahres  1516  bis  Anfang 
des  Jahres  1518.  Die  Reise  ging  zunächst  nach  Wilna,  wo  sich  damals  Sigis- 
mund  I.  von  Polen  aufhielt;  Herberstain  blieb  dort  vom  4. — 14.  März  1517  und 
wurde    von    den  Lithauem    sehr   geehrt.     Von  hier  reiste  er  weiter  nach  Moskau, 

1)  Ich  schreibe  den  Namen  mit  ai,  weil  Herberstain  selbst  in  dem  von  mir  stadirten 
Dedications-Exemplare  der  1.  Ausgabe  seiner  „Rerum  Moscov.  Commentarii"  seinen  Namen 
mit  ai  geschrieben  hat    N. 

2)  Genau  genommen,  wurde  dieses  Werk  zuerst  1549,  und  zwar  in  Wien,  gedruckt, 
sodann  1551  in  ßasel.     1556  erschien  der  dritte  Druck  desselben.    N. 

8)  Dass  ich  Herberstain's  Werke  ziemlich  eingehend  studirt  habe,  ergiebt  sich 
wohl  zur  Genüge  aus  meinem  kürzlich  publicirtcn  Buche:  ,Uebor  Herberstain  und 
Hirsfogel*',  Berlin  1897,  Verlag  von  Ferd.  Dumm  1er.    N. 


(381) 

und  zwar  nahe  an  der  Südostgrenze  Samogitiens  hin  ^).  nehmlicb  über  Nementschin^ 
Swintrawa,  Disla,  Driswet,  Braslaw  (am  See  Nawer),  Dedina  nach  Drissa  an  der 
Düna.  Nach  Stieler's  Handatlas  gehören  Driswet  und  Braslaw  noch  zum  Gou- 
vernement Kowno;  letzteres  wird  in  den  meisten  geographischen  Handbüchern  als 
dem  alten  Samogitien  entsprechend  bezeichnet. 

Herberstain's  Pferde  und  die  Mehrzahl  seiner  Leute  kehrten  später  von 
Nowgorod,  durch  Livland  und  Samogitien,  nach  Wilna  zurück,  während  er  selbst 
mit  wenigen  Hegleitern  über  Smolensk  nach  Wilna  zurückreiste.  Er  blieb  hier 
vom  19.  bis  30.  December  1517,  hatte  also  Zeit  genug,  um  sich  über  das  benach- 
barte Samogitien  eingehend  zu  informiren. 

Bei  seiner  zweiten  Reise  nach  Moskau,  welche  Herberstain  1526  im  Auf- 
trage Ferdinand's,  damals  nur  Erzherzogs  von  Oesterreich  und  kaiserl.  Statthalters 
(noch  nicht  „römischen  Kaisers^),  unternahm,  kam  er  auf  der  Rückreise  wieder 
nach  Wilna  und  verweilte  hier  vom  14.  bis  27.  December  1526.  Ausserdem  ist 
Herberstain  1540  nochmals  in  Wilna  gewesen,  um  mit  Sigismund  I.  von  Polen, 
der  zeitweise  in  Wilna  zu  residiren  pflegte,  zu  unterhandeln. 

Wenn  man  nun  auch  sagen  kann,  dass  Herberstain  persönlich  nicht  in 
Samogitien  gewesen  sei  (obgleich  ein  Ausflug  per  Schlitten  von  Wilna  dorthin  1517 
und  1526  nicht  ausgeschlossen  erscheint),  so  sind  doch  die  meisten  seiner  Leute 
im  December  1517  quer  durch  das  östliche  Samogitien  gereist,  und  er  selbst  hat 
im  März  1517  diejenigen  Landstriche  durchquert,  welche  mit  dem  östlichen  Samo- 
gitien unmittelbar  zusammmenhingen  und  eine  gleiche  Beschafl'enheit  des  Landes 
und  wohl  auch  der  Bewohner  aufzuweisen  hatten. 

Ob  nun  seine  Erzählung  von  dem  häufigen  Vorkommen  zwerghafter  Kinder, 
bezw.  Individuen  (neben  grossen,  starken)  bei  den  Saroogiten  auf  Autopsie  oder 
auf  den  Erzählungen  Anderer  beruht,  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Immerhin  glaube 
ich  oben  nachgewiesen  zuhaben,  dass  Herberstain  thatsächlich  in  der  Lage  war. 
Genaueres  über  die  Samogiten  durch  seine  Leute,  sowie  durch  hervorragende 
Männer  Lithauen^s,  mit  denen  er  in  Wilna  verkehrte,  zu  erfahren,  und  man  wird 
ihm  kaum  Etwas  ^aufgebunden^  haben.  Man  war  vielmehr  dort  durchaus  bestrebt, 
ihn  zu  ehren  und  ihm  über  die  Eigentbümlichkeiten  der  Einwohner  der  benach- 
barten Gegenden  möglichst  genaue  Auskunft  zu  geben. 

Uebrigens  wird  die  betrefl'ende  Angabe  Herberstain's  durch  eine  Stelle  in 
Joh.  Crassinii  ^Polonia^*))  Lib.  I,  unterstützt,  welche  ich  kürzlich  aufgefunden 
habe.  Hier  heisst  es:  ^Gens  in  Universum  procerae  staturae  et  bellicosa, 
plerosque  (sehr  viele)  tarnen  pygmaeos,  quos  vulgo  nanos  vocant, 
videre  licet".  Joh.  Crassinius  (Krasinski)  war  der  Nefl*e  des  Pranciscus 
Crassinius,  Bischofs  von  Krakau,  ^Ducis  provinciae  Severiensis^,  und  von  diesem 
erzogen.  Seine  Schrift  ist  dem  Könige  von  Polen  gewidmet  und  aus  dem  Jahre  1574 
datirt.  Sollte  Joh.  Crassinius,  ^Eques  Polonus",  es  gewagt  haben,  dem  Könige 
von  Polen  etwas  über  die  Unterthanen  desselben  ^aufzubinden?"  Ich  glaube  an- 
nehmen zu  dürfen,  dass  den  betreffenden  Angaben  Herberstain's  und  Kra- 
sinski's  doch  etwas  Thatsächliches  zu  Grunde  liegt. 


1)  Siehe  die  Karte  Polens  von  Gerh.  Mercator  aus  dem  Jahre  1595.  —  Nach  einigen 
Angaben  in  polnischen  Schriftstellern  scheint  man  um  1517  die  Grenze  Samogitiens  noch 
weiter   südöstlich  gezogen  oder  überhaupt  keine  scharfe  Grenze  dort  anerkannt  zu  haben. 

2)  Diese  seltene  Schrift  findet  sich  wieder  abpedruckt  in  Mizler  de  Kolof's  Histo- 

riamm  Poloniae magna  collectio,  Bd.  I,  Warschau  1761,   S.  387  —  429.    Die  oben 

dtirte  Stelle  siebe  auf  S.  427. 


(382) 

Ich  lasse  nun  Virchow's  weitere  Erörterungen  aus  dem  Jahre  1872  folgen. 
Es  heisst  a.  a.  0.,  S.  312:  „Aber  versteht  Hr.  de  Quatrefages  diese  Original- 
stelle?  Die  Bewohner  von  Samogitien  wären  danach  gemeinhin  (utplurimum)  von 

langer  Statur Wie  es  nun  kam,  dass  die  Frauen  dieser  langen  Männer 

abwechselnd  grosse  und  zwerghafte  Kinder  gebaren,  würde  schwer  zu  erklären 
sein,  wenn  es  wahr  wäre.  Aber  glaubt  denn  Hr.  de  Quatrefages  diese  Schnurre 
wirklich?  In  diesem  Falle  empfehle  ich  ihm  die  gleich  darauf  folgende  Geschichte, 
dass  die  Leute  in  Samogitien  als  Hausgötter  Schlangen  verehrten,  welche  vier  kurze 
Füsse,  wie  die  Eidechsen,  auch  einen  schwarzen,  feisten  Leib  haben  und  über 
drei  Zwerghand  hoch  werden.  Vielleicht  kann  er  uns  den  Namen  dieses 
Riesenmolches  nennen?** 

* 

Virchow  glaubt  offenbar,  dass  er  durch  Hinweisung  auf  diese  Angaben 
Herberstain's  über  den  Schlangen-Cultus  der  Samogiten  den  vorhergehenden  An- 
gaben die  letzte  Stütze  genommen  hat.  Aber  der  Schlangen-Cultus  der  Samo- 
giten ist  vollständig  fest  bezeugt,  ebenso  derjenige  der  Lithauer  und  Ost- 
preussen.  Und  zwar  handelt  es  sich  um  die  Ringelnatter  (Tropidonotus  natrix), 
welche  bei  jenen  Volksstämmen  als  Hausgott  (Brehm  nennt  sie  ^Hausunk'*,  „Haus- 
schlange*') verehrt  wurde.  Als  ich  meine  Mittheilung  vom  16.  Februar  d.  J.  an  die 
Gesellschaft  für  Anthropologie  einsandte,  war  ich  noch  im  Unklaren,  welches 
Reptil  bei  dem  Schlangen-Cultus  der  Samogiten  gemeint  sei ;  seitdem  bin  ich  durch 
einige  Studien  hierüber  zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dass  es  sich  um  die 
Ringelnatter  handelt  Natürlich  besitzt  die  letztere  nicht  „vier  Füsse**;  in  diesem 
Funkte  hat  Herberstain  seine  Berichterstatter  oder  seinen  Dolmetscher  falsch  ver- 
standen. Im  Uebrigen  passt  das,  was  er  über  die  betreffenden  Schlangen  sa^t,  ganz 
gut  auf  mittelgrosse,  dunkelfarbige,  wohlgenährte  Exemplare  der  Ringelnatter.  Wenn 
Virchow  übersetzt:  „über  drei  Zwerghand  hoch**,  so  ist  dieses  unrichtig.  Die 
betreffenden  Worte  lauten:  „trium  palmarnm  longitndinem  non  excedentes*", 
und  in  der  deutschen  Moscovia  vom  Jahre  1557  sagt  Herberstain:  „bey  dreyen 
Spannen  lang**.  Nach  meiner  Hand  gemessen,  würden  das  etwa  60  cm  sein,  was 
sehr  gut  auf  eine  massig  grosse  Ringelnatter  passt.  Herberstain  gebraucht  in 
der  lateinischen  Ausgabe  auch  ganz  richtig  den  Ausdruck:  „serpens**,  also  Schlange; 
von  einem  „Riesenmolch**  kann  gar  keine  Rede  sein! 

Abgesehen  von  dem  Missverständniss  betreffs  des  Vorhandenseins  von  4  Füssen, 
machen  die  betreffenden  Angaben  Herberstain's  durchaus  den  Eindruck  der 
Glaubwürdigkeit,  und  ich  kann  Virchow's  Kritik  derselben  in  der  Hauptsache 
nicht  als  zutreffend  ansehen. 

Da  nicht  Jeder  in  der  Lage  ist,  die  seltene  deutsche  ^Moscovia**  Herber- 
stain's nachzulesen,  so  ergänze  ich  hier  meine  Mittheilungen  vom  16.  Februar  d.J. 
noch  durch  die  zugehörigen  Angaben  aus  derselben,  indem  ich  dabei  das  Herber- 
stain'sehe  Deutsch  etwas  modemisire.  Es  heisst  dort  von  der  Abgötterei  der 
Samogiten:  „Aber  andere  haben  ihre  Götter  in  ihren  Häusern;  das  sind  Würmer*) 
wie  die  Eidechsen,  aber  grösser,  mit  4  Füssen,  schwarz  und  feist,  ungefähr  drei 
Spannen  lang.  Etliche  nennen  sie  Giowites,  andere  Jastzuka,  noch  andere  Szmya. 
Zu  gewissen  Zeiten  geben  sie  ihren  Göttern  die  Speise;  sie  setzen  dann  etwas 
Milch  in  die  Mitte  ihrer  Wohnung  und  knien  auf  den  Bänken.  Nun  kommt  der 
Wurm  hervor  und  zischt  die  Leute  an,  wie  eine  zornige  Gans;  dann  beten  die 
Leute  ihn  mit  Ehrfurcht  an.    Geschieht  je  Einem  etwas  Widerwärtiges,   so  giebt 


1)  „Wurm''  ist  ein  Wort,   das  früher  vielfach  fnr  Schlangen  und  sooBÜgA  ReptOien 
angewendet  wurde. 


(383) 

er  sich  selbst  die  Schuld,  als  habe  er  seinen  Gott  nicht  gut  gefüttert.  Als  ich 
von  meiner  ersten  Gesandtschaftsreise  (nach  Russland)  von  Moskau  wieder  nach 
Wilna  in  Lithauen  zurückgekehrt  war,  zog  ich  nach  Troki,  4  Meilen,  um  Auer- 
ochsen zu  sehen;  dort  erzählte  mir  mein  Wirth,  er  sei  wenige  Wochen,  ehe  ich 
dahin  kam,  zu  einem  Bauern  in  einen  Wald  gegangen,  um  einige  Bienenstöcke  zu 
kaufen,  habe  sie  aber  dem  Bauer  aufzubewahren  gegeben.  Dieser  Bauer  hatte 
einen  solchen  Gott  im  Hause;  der  Gast  beredete  ihn  aber,  dass  er  sich  zu  Gott 
bekehrte  und  die  Creatur  todt  schlug.  Nicht  lange  darauf  kam  mein  Wirth  wieder 
dortbin,  um  seine  Bienenstöcke  zu  sehen;  da  hatte  der  Bauer  ein  krummes,  gegen 
das  Ohr  gezogenes  Maul  nnd  sprach  zu  meinem  Wirthe:  ^Das  hast  Du  mir  gethan! 
und  wenn  Du  mir  nicht  bald  hilfst,  so  muss  ich  mich  mit  dem  (früheren)  Gott 
wieder  versöhnen  und  ihn  in  mein  Haus  bringen."  Der  gewissenhafte  Hcrber- 
stain  setzt  noch  hinzu:  „Dieses  ist  allerdings  nicht  in  Samogitien,  sondern  in 
Lithauen  geschehen;  ich  habe  es  aber  zu  einem  Beispiel  oder  Exempel  hierher 
gestellt^  Er  will  damit  sagen,  die  Geschichte  habe  ebenso  gut  in  Samogitien, 
wie  in  Iiithauen  passiren  können;  denn  in  beiden  Ländern  wurde  damals  noch  ein 
gewisser  Schlangen-Cultus  getrieben. 

Ueber  den  Schlangen-Cultus  der  Samogiten  berichtet  auch  Andreas  Cellarius 
in  seiner  Descriptio  Regni  Poloniae^)  Folgendes:  ^Samaitae  vel  Samogitae  A.  1386 
post  G.  N.  fidem  Christianam  amplexi  sunt,  hactenus  (1659)  tarnen  idololatria  penitus 
non  vacui,  utpote  qui  adhuc  domesticos  illos  serpentes,  ^Givoi  itos"  ipsis  nuncu- 
patos,  in  honore  habent.*^  Der  oben  schon  citirte  Crassinius  (Krasinski)  sagt 
a.  a.  0.:  ^Colebant  autem  pro  Diis,  quemadmodum  et  Lituani,  serpentes;  eos  domi 
veluti  penates  nutriebant  et  in  foeno  jacentibus  sacra  faciebant.^  Dasselbe  be- 
richtet Erasmus  Stella  von  den  alten  Preussen*). 

Ich  verweise  femer  auf  Bujack's  Fauna  Prussica,  Königsberg  1837,  wo  es 
8.  277  heisst:  „Die  Schlangen  oder  Unken,  welcher  Name  seiner  ersten  Bedeutung 
nach  mit  jenem  gleichbedeutend  ist,  lässt  die  Volkssage  auch  jetzt  noch  in  Häuser 
kommen,  zu  einsamen  Rindern  und  mit  ihnen  aus  der  Schüssel  Milch  trinken  .... 
Die  Kinder  in  der  Wiege  werden  von  ihnen  bewacht  und  den  grösseren  Schätze 
gezeigt.  Auch  die  Lithauer  haben  Schlangen  verehrt'),  sie  in  ihren  Häusern  ge- 
halten und  ihnen  geopfert.^  Femer  (S.  281)  sagt  Bujack:  „Auch  hält  der  Land- 
mann es  für  ein  besonderes  Glück,  wenn  Ringelnattern  in  seine  Wohnung  kommen, 
und  die  Frauen  pflegen  daher  die  Glückbringer  durch  vorgesetzte  Speise  in's  Haus 
zü  locken.** 

Dass  in  allen  den  oben  angeführten  Fällen  von  Schlangen- Verehrung  in  Samo- 
gitien, Lithauen  und  Ostpreussen  es  sich  stets  um  die  Ringelnatter  handelt,  ist 
leicht  nachzuweisen.  Es  giebt  dort  überhaupt  nur  zwei  Schlangen -Arten,  die 
Ringelnatter  und  die  Kreuzotter.  Letztere  ist  niemals  dort  verehrt  worden;  folglich 
kann  nur  die  Ringelnatter  gemeint  sein,  und  es  wird  dieses  auch  direct  bezeugt. 
Brehm  (Illustr.  Thierleben,  2.  Ausg.,  Bd.  7,  S.  364)  nennt  sie  „Unk  oder  Hausunk, 
die  Wasser-  oder  Hausschlange,  den  Wurm  u.  s.  w.,  die  Schlange  der  Schlangen 
für  unser  Volk,    den  Gegenstand  seiner  alten  Sagen   und  neuen  Wundermären^. 


1)  Siehe  die  oben  citirte  Eist  Polon.  Collectio  magna,  Bd.  I,  S.  606. 

2)  Ebendort,  S.  27. 

8)  Mathias  Strijkowski,  Canonicus  in  Samogitien,  erzählt  in  seiner  Sarmatia  Euro- 
paea,  dass  noch  sa  seiner  Zeit  (d«  h.  1680)  in  Lavariski,  4  Meilen  von  Wilna,  sahireiche 
Schlangen  verehrt  and  gepflegt  würden  (siehe  a.  a.,  0.  S.  80).  Dasselbe  sagt  er  von  Samo- 
gitien im  Allgemeinen,  zum  Theil  mit  Herberstain^s  Worten. 


(384) 

Ferner  hcisst  es  bei  Brehm  S.  366:  ^In  den  russischen  Bauern -Häusern  kriecht 
die  Ringelnatter,  laut  Fischer,  sehr  häufig  umher,  weil  sie  von  den  Landleuien 
gern  gesehen  oder  doch  wenigstens  geduldet  und  durch  den  Aberglauben,  dass  der 
Tod  eines  solchen  Thieres  sich  räche,  beschützt  wird  ....  Dass  die  Ringelnatter 
mit  so  gesinnten  Bewohnern  eines  Hauses  in  ein  freundschaftliches  Yerhältniss 
tritt,  erscheint  glaublich.^ 

Nach  den  mündlichen  Mittheilungen  meines  Assistenten,  des  Hrn.  P.  Schiemenz, 
hat  man  noch  vor  wenigen  Jahrzehnten  bei  den  Wenden  in  der  Lausitz  die  Ringel- 
natter als  glückbringend  angeschen.  Femer  kann  ich  aus  meiner  Jugendzeit  be- 
richten, dass  in  der  Umgegend  von  Helmstedt  eine  auffallend  grosse  Ringelnatter, 
die  sogen.  „Schlangen-Königin",  welche  in  der  Nähe  der  „Walbecker  Warte"  hauste 
und  angeblich  eine  goldene  Krone  auf  dem  Hinterkopfe  trug,  mit  abergläubischer 
Scheu  betrachtet  wurde,  und  dass  man  nicht  wagte,  sie  zu  fangen.  Eines  Nach- 
mittags habe  ich  selbst  sie  im  Walde  bei  der  Walbecker  Warte  gesehen  und 
konnte  erkennen,  dass  die  sogen.  Krone  in  den  beiden  hochgelben  Nackenflecken 
bestand;  aber  ich  stand  als  12 jähriger  Tertianer  noch  durchaus  unter  dem  Ein- 
flüsse der  abergläubischen  Erzählungen,  welche  ich  von  der  „Schlangen-Königin"^ 
oft  gehört  hatte,  und  wagte  nicht  den  Versuch,  die  auffallend  grosse  Ringelnatter 
zu  fangen;  ich  blieb  vielmehr  in  angemessener  Entfernung  stehen,  obgleich  ich 
mich  vor  kleineren  Ringelnattern  durchaus  nicht  fürchtete,  sondern  schon  manche 
derselben  gefangen  hatte. 

Es  würde  nicht  schwierig  sein,  noch  weitere  Belege  für  die  abergläubische 
Verehrung,  welche  die  Ringelnatter  einst  genossen  hat,  beizubringen,  ich  denke 
aber,  das  Obige  wird  genügen,  um  nachzuweisen,  dass  die  betreCTenden  Mittheilungen 
Herbe rstain's,  abgesehen  von  den  missverständlich  angegebenen  4  Füssen,  als 
auf  Thatsachen  beruhend  anzusehen  und  nicht  geeignet  sind,  seinen  Angaben  über 
das  Vorkommen  zahlreicher  Zwerge  bei  d^n  Samogiten  den  Credit  zu  nehmen. 

Virchow  hat  in  seiner  Erörterung  (a.  a.  0.,  S.  312)  schliesslich  noch  folgende 
Bemerkungen  hinzugefügt:  „Jedenfalls  hat  Herberstein  nicht  gesagt,  dass  die 
Bevölkerung  in  Samogitien  halb  aus  Riesen  und  halb  aus  Zwei^gen  bestehe,  sondern 
nur,  dass  abwechselnd  grosse  und  zwerghafte  Kinder  geboren  werden.  Wo  die 
letzteren  und  ob  sie  zwerghaft  blieben  oder  ob  sie  später  gleichfalls  eine  lange 
Statur  erreichten,  ist  nirgend  gesagt^  Ich  bedaure,  auch  hierin  mit  Virchow 
nicht  übereinstimmen  zu  können.  Herberstain  hat  zwar  nicht  gesagt,  dass  die 
Bevölkerung  in  Samogitien  halb  aus  Riesen,  halb  aus  Zwergen  bestehe;  aber  er 
hat  nach  meiner  Ansicht  auch  nicht  gesagt,  dass  abwechselnd  grosse  und  zwerg- 
hafte Kinder  geboren  werden.  Was  er  meint,  ergiebt  sich  sowohl  aus  den  be- 
züglichen Worten  seiner  deutschen  „Moscovia^,  als  auch  aus  der  oben  citirten 
Stelle  der  Krasinski' sehen  Schrift. 

In  der  deutschen  „Moscovia"  von  1557,  die  er  selbst  in  Wien  publidrt  hat, 
sagt  Herberstain  an  der  betreffenden  Stelle  wörtlich:  „Das  Volkh  darin  seind 
gmainclich  grosse  und  lange  personen,  daneben  haben  die  Vätter  neben  den  grossen 
auch  khlaine  Zwergen,  die  sy  Carln  in  gemain  nennen."^  Nach  meiner  Ansicht, 
welche  durch  die  oben  (S.  381)  citirte  Stelle  des  Joh.  Krasiuski  (Grassinius)  ge- 
stützt wird,  will  Herberstain  sagen,  dass  unter  den  erwachsenen  Samogiten 
damals  auffallend  viele  Zwerge  vorkamen,  und  zwar  als  Geschwister 
der  normal  gewachsenen  Leute,  nicht  als  besondere  Rasse.  Auch  steht 
der  lateinische  Text  der  „Commentarii"  mit  dieser  Auffassung  keineswegs  in 
directem  Widerspruch.  „Procreare"  heisst  nicht  gebären,  sondern  erzeugen;  auch 
spricht  Herberstain  nicht  geradezu  von  „abwechselnd^  sondern  er  sagt:    „velati 


(885) 

vicissitadine  qundam.^  Nach  meiner  Auffassung  soll  flerbcrstain's  Bemerkung 
sich  auf  die  erwachsene  Bevölkerung  Samogitiens  beziehen,  nicht  nur  auf  die 
Rinder,  und  ich  glaube,  dass  ich  wohl  berechtigt  war,  die  betreffende  Stellei  aus 
Herberstain^s  Werken  zur  Bcurtheilung  der  Pygmäen  vom  „Schweizersbild*  her- 
anzuziehen. Jedenfalls  kann  ich  nicht  zugeben,  dass  Herberstain^s  Mittheilung 
über  die  samogitischen  Zwerge  durch  Virchow's  Kritik  von  1872  „abgethan"  ist.  — 

Hr.  R.  Virchow:  Meine  Bemerkung  war  weniger  gegen  Hm.  N eh  ring  ge- 
richtet, als  gegen  die  immer  mehr  gebräuchlich  werdende  Sitte,  von  früheren  Er- 
örterungen über  bestimmte  Gegenstände  keine  Notiz  zu  nehmen,  selbst  nicht  in 
derselben  Zeitschrift,  in  welcher  die  früheren  Erörterungen  veröffentlicht  sind.  Es 
lag  mir  ganz  fern  anzunehmen,  dass  Hr.  Nehring  meine  früheren  Erörterungen 
gekannt  habe;  da  er  ihrer  nirgends  gedacht  hatte,  so  hielt  ich  mich  für  berechtigt, 
an  ihre  Existenz  zu  erinnern,  und  zwar  um  so  mehr,  als  sie  den  einigermaassen 
denkwürdigen  Streit  über  die  Race  prussienne  betrafen.  Es  handelt  sich  hier  um 
ein  mehr  als  persönliches  Interesse. 

Um  jedoch,  auch  für  die  Zukunft,  volle  Klarheit  in  diese  Angelegenheit  zu 
bringen,  will  ich  einige  weitere  Angaben  machen.  Der  Streit  über  die  Race 
prussienne  begann  im  Februar  1871  mit  einem  Artikel  des  Mr.  de  Quatrefages 
in  der  Revue  des  deux  mondes,  der  etwas  verstärkt  noch  in  demselben  Jahre  als 
eine  besondere  Schrift  erschien:  La  race  prussienne  par  A.  de  Quatrefages, 
membre  de  Tlnstitut,  professeur  au  Museum.  Darin  versuchte  der  berühmte  Ver- 
fasser den  Nachweis,  dass  die  Preussen  keine  Deutschen  seien;  sein  Schlusssatz 
lautete  (p.  101):  dans  les  provinces  vraiment  prussiennes,  c'est-a-dire  dans  les  deux 
Prusses,  la  Pomeranie,  le  Brandebourg,  la  population,  par  ses  origines  ethno- 
logiques,  est  essentiellement  finno-slaye.  Ohne  Zagen  zog  er  aus  diesem  Schluss- 
satze auch  die  praktische  Gonsequenz,  den  Versuch  zu  machen,  die  „eigentlichen 
Deutschen^,  d.  h.  die  Süddeutschen,  von  Preussen  loszulösen. 

Noch  deutlicher,  als  in  dem  Büchlein,  trat  diese  Tendenz  hervor  in  einigen 
gegen  mich  gerichteten  Artikeln  der  Revue  scientifique  1872.  Die  Slaven  wurden 
dabei  immer  mehr  in  den  Hintergrund  gestellt;  war  es  doch  Hrn.  de  Quatre- 
fages hauptsächlich  darum  zu  thun,  die  Preussen  als  Finnen  darzustellen.  Dazu 
bedurfte  es  einiger  Kunst,  aber  der  grosse  Dialektiker  wusste  verschiedene  Merk- 
male aufzufinden,  welche  die  Identität  der  beiden  Rassen  beweisen  sollten.  Einige 
darunter,  wie  die  Farbe  der  Haare  und  der  Haut,  erschienen  mir  wichtig  genug, 
um  besondere  Reisen  nach  Finland  und  Livland  zu  machen,  und  es  gelang  mir, 
in  zweifelloser  Weise  das  Irrthümliche  dieser  Behauptung  darzulegen.  Ein  anderes 
Merkmal,  die  Körperhöhe,  erforderte  eine  mehr  philologische  Kritik,  da  Mr. 
de  Quatrefages  sich  auf  einen  Zeugen  berufen  hatte,  dessen  Aussage  vorliege: 
es  war  der  alte  Freiherr  v.  Herberstain.  Von  diesem  sagte  er  (Revue  des  deux 
mondes,  T.  91,  p.  655):  „Un  ancien  voyageur  allemand,  racontant  ce  qu^il  a 
vu,  dit  que  la  population  de  la  Prussc  proprement  dite  est  composee  de 
geants  et  de  nains.  Der  Umstand,  dass  für  dieses  höchst  überraschende  Gitat 
nicht  eine  Schrift  von  Herberstain,  sondern  in  einer  Anmerkung  zu  der  Race 
prussienne  (p.  46)  nur  Prichard,  Researches  into  the  physical  history  of  man- 
kind,  T.  III  (ohne  Seitenzahl),  als  Gewährsmann  aufgeführt  war,  bildete  den  Angel- 
punkt meiner  Widerlegung.  Da  ich  aus  anderen  Gründen  sehr  misstrauisch  in  Bezug 
auf  die  Zuverlässigkeit  der  literarischen  Angaben  des  Hm.  de  Quatrefages  ge- 
worden war,  so  machte  ich  mich  an  eine  genauere  Prüfung  derselben.  Ich  will  hier 
zunächst  anführen,   dass  Prichard    (3»»»  edit,   London  1841,    Vol.  Hl,    p.  279) 

Verbandl.  der  B«rl.  Aothropol.  OMclUehaft  1^97.  25 


(38f5) 

Herberstain  gleichfalls  nur  aas  zweiter  Hand  kannte;  er  beruft  sich  auf  Er  man, 
der  die  ^hunno-flnnische^  Rasse  als  klein,  die  Littauer  als  gross  von  Statur  be- 
zeichnet hatte.  Hier  heisst  es  (p.  280,  Notef):  Erman  observes  that  the  old 
trayeller  Gount  Herberstein  remarked  that  the  population  of  Old  Prussia 
consisted  of  giants  and  dwarfs.  He  supposes  that  those  two  races  arc  indicated 
by  this  remark.  Hr.  de  Quatrefages  hat  aber,  wie  deutlich  ersichtlich  ist 
weder  Herberstain,  noch  Erman  nachgelesen;  trotzdem  sagt  er:  Herberstein 
caracterise  la  population  de  laPrusse  en  disant  qu'elle  est  composce  de  geants 
et  de  nains.  Da  nun  von  „mehreren  Personen**  bemerkt  war,  dass  die  Pommern 
in  der  preussischen  Armee  vor  Paris,  obgleich  vielleicht  ein  wenig  grösser  als  die 
Letten  und  die  Esten,  denselben  doch  sehr  nahe  ständen,  so  folgert  er,  dass  sie 
zur  finnischen  Rasse  gehörten. 

Diese  Art  der  Beweisführung,  für  welche  noch  manches  andere  Beispiel  bei- 
zubringen war,  veranlasste  mich,  einen  eingehenden  Artikel  „über  die  Methode  der 
wissenschaftlichen  Anthropologie^  zu  veröfTentlichen  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  1872.  IV. 
S.  300).  Darin  stehen  auch  die  Sätze,  über  welche  Hr.  Ne bring  gegenwärtig  eine 
gereizte  Kritik  vorgelegt  hat.  Nachdem  er  vor  Kurzem  in  einer  gelehrten  Ab- 
handlung „über  Herberstain  und  Hirsfogel^  (Berlin  1897)  die  Verdienste  des 
alten  Reisenden  und  seines  ülustrators  in  helles  Licht  gestellt  und  seine  aus- 
giebige Kenntniss  der  in  zwei  Sprachen  und  mehreren  Ausgaben  erschienenen 
Schriften  des  ersteren  dargelegt  hat,  dürfen  seine  Ausführungen  eine  besondere 
Aufmerksamkeit  erregen.  Ich  selbst  habe  schon  1872  mehrere  der  Schriften  von 
Herberstain  und  ihrer  Uebersetzungen  ins  Deutsche  studirt  und  die  aus  den- 
selben entnommenen  Originalstellen  in  den  oben  erwähnten  Artikeln  mitgetheilt: 
aber  ich  erkenne  gern  an,  dass  Hr.  Ne  bring  viel  mehr  Arbeit  und  Geschick  auf 
die  Benutzung  jener  Schriften  verwendet  hat,  als  meine  Zeit  gestattete  und  als 
mein  Zweck  erforderte.  Daher  habe  ich  mit  um  so  grösserem  Interesse  seine 
Ausstellungen  gegen  meine  Angaben  gelesen.  Wenn  dieselben  mich  nicht  überall 
überzeugt  haben,  so  hoffe  ich  doch,  auch  vor  den  Augen  eines  strengen  Kritikers 
Gnade  zu  finden. 

Die  Punkte,  auf  welche  es  mir  ankam  und  welche  jetzt  streitig  erscheinen, 
sind  folgende: 

1.  Beruhen  die  Angaben  Herberstain's  auf  Autopsie?  Mr.  de  Quatre- 
fages hat  dies  ohne  Anführung  irgend  eines  Grundes  oder  Gewährsmannes  be- 
hauptet; ich  hatte  dagegen  über  die  Rerum  moscoviticarum  Oomroentarii,  Basil. 
1556  gesagt:  ^Darin  steht  vieles,  was  er  (H.)  gesehen  und  erlebt  und  fast  noch 
mehr,  was  er  sich  hatte  erzählen  lassen^  (a.  a.  0.  S.  311).  Zu  letzterem  gehörte 
meiner  Meinung  nach  auch  die  Hauptstelle,  auf  welche  Alles  ankommt  und  welche 
ich  daher  wörtlich  wiederhole:  In  Samogithia  hoc  inprimis  admirandnm  occurrit 
quod  cum  eins  regionis  homines  proeera  utplurimum  staturu  sint,  filios  tarnen 
alios  corporis  magnitudine  excellentes,  alios  perpusillos  ac  plane  nanos,  ueluti 
uicissitudine  quadam,  procreare  soleni  Ich  bemerkte  dazu:  „Die  in  Frage 
stehende  Stelle  bezieht  sich  keineswegs  auf  das  eigentliche  Preusaen,  wie  Hr. 
de  Quatrefages  meint,  auch  nicht  auf  das  uneigentliche  Preussen,  sondern  auf 
Samogitien.^  Aus  den  früher  mitgetheilten  Citaten  ist  ersichtlich,  dass  Mr. 
de  Quatrefages  zu  seiner  unrichtigen  geographischen  und  ethnologischen  Auf- 
fassung durch  Prichard  und  dieser  wieder  durch  Erman  rerführt  war.  Ich  muss 
aber  dabei  bleiben,  dass  Samogitien  innerhalb  des  grossen  Gebietes  von  Littauen 
liegt  und  dass  von  diesem  nur  ein  kleiner  Theil  zu  Preussen  gekommen  ist;  ich 
darf  wohl  hinzufügen,   dass  dieser  kleine  Theil  nicht  Samogitien  war.    ich    be- 


(387) 

hnuptete  ferner,  dass  ^der  Freiherr  zu  Herberstain  ebenso  wenig  persönlich  in 
Saraogitien  war,  wie  in  Prenssen.^  Letzteres  ist  unbestritten.  Aber  Hr.  Ne bring 
bemüht  sich,  diese  Negation  abzuschwächen.  Dem  gegenüber  constatire  ich,  dass 
Herberstain  selbst  nicht  behauptet  hat,  das  Geraisch  von  Riesen  und  Zwergen 
gesehen  zu  haben,  und  dass  Hr.  Nehring  selbst  nicht  weiter  geht,  als,  wie  ich 
es  ohne  jede  verletzende  Absicht  ausdrücken  möchte,  bis  zu  der  Wahrscheinlich-, 
keit,  dass  die  Renntniss  des  Freiherrn  auf  Hörensagen  beruht,  vielleicht  müsste 
ich  sagen,  bis  zu  der  Möglichkeit,  dass  Cr  Eingebome  gesehen  habe.  Er  habe 
sich  in  Wilna  aufgehalten  und  seine  weitere  Reise  sei  nahe  an  der  Südost-Grenze 
Samogitiens  hingegangen.  Aber  Hr.  Nehring  weiss,  dass  Wilna  nicht  in  Samo- 
giticn  la^  und  dass  jeder  Schritt  weiter  nach  Osten  ihn  nur  mehr  von  da  ent- 
fernte. Darum  kommt  er  auch  zu  der  Anführung,  dass  das  Gefolge  des  Freiherm 
bei  der  Rückkehr  Landstriche  durchquerte,  „welche  mit  dem  östlichen  Samogitien 
unmittelbar  zusammenhängen^  und  schliesslich  zu  dem  Satze,  dass  ^Herberstain*^ 
thatsächlich  in  der  Lage  war.  Genaueres  über  die  Samogiten  durch  seine  Leute, 
sowie  durch  hervorragende  Männer  Littauens  zu  erfahren^.  Unglücklicherweise 
hat  Herberstain  mit  keiner  Silbe  diese  Quelle  berührt  oder  auch  nur  angedeutet. 
Nach  gewöhnlichen  Regeln  der  Interpretation  darf  man  also  annehmen,  dass  er 
nicht  in  Samogitien  war,  und  dass  seine  Erzählung  nicht  auf  Autopsie  beruhte. 

2.  Spricht  Herberstain  von  einer  Alternation  grosser  und  kleiner 
Kinder,  oder,  wie  Mr.  de  Quatrefages  stets  gesagt  hat,  von  Riesen  und 
Zwergen?  Hr.  Nehring  will  diese  Fragestellung  nicht  anerkennen.  H.  habe 
nach  seiner  Ansicht  nicht  gesagt,  dass  abwechselnd  grosse  und  zwerghafle 
Kinder  geboren  würden.  Ich  kann  die  Stelle  (alios  ülios  corporis  magnitudine 
excellentes,  alios  perpusillos  ac  plane  nanos,  ueluti  uicissitudine  quadam, 
procreare  solent)  nicht  anders  verstehen,  als  ich  und  andere  es  gethan  haben.  Ich 
berufe  mich  auf  die  Uebersetzung  von  Pantaleon  (Basel  1567,  S.  CXXVI),  wo 
es  heisst:  ^Das  sy  mehrtheil  zweyerley  kinder  auch  fast  eins  um  das  andere 
gebären,  nemlich  etliche  gross  und  stark,  die  andern  gar  klein  wie  die  gezwergen.^ 
Hr.  Nehring  macht  dagegen  geltend,  dass  procreare  nicht  „gebären*^,  sondern  „er- 
zeugen^ bedeute  und  dass  die  Bemerkung  sich  nicht  auf  Rinder,  sondern  auf  die 
erwachsene  Bevölkerung  beziehe.  Weiter  kann  man  in  der  Interpretationskunst 
wohl  nicht  gehen.  Filios  procreare,  also  nach  Hrn.  Nehring  „Kinder  erzeugen", 
wird  doch  schwerlich  jemand  auf  etwas  anderes  beziehen,  als  auf  Geburten. 
Zwerge  entstehen  nicht  erst  im  Alter  der  Erwachsenen;  wenn  sich  unter  den  Er- 
wachsenen „viele^  Zwerge  finden,  so  müssen  sie  entweder  als  solche  geboren  oder 
überhaupt  nicht  zum  „Erwachsen^  gelangt  sein.  Dass  etwas  derartiges  alter- 
nirend  vorkomme,  und  zwar  in  einer  ganzen  Bevölkerung,  ist  so  unglaublich, 
dass  Hr.  Nehring  versucht,  diese  Worte  zu  beseitigen.  Aber  was  soll  das  „ueluti 
uicissitudine  quadam*^  bedeuten?  Hr.  Nehring  bemerkt  dazu,  H.  spreche  nicht 
geradezu  von  abwechselnd.  Ich  beziehe  mich  auf  den  alten  ücbersetzer:  „zweyerley 
kinder  fast  eins  um  das  andere  gebären.^  Ob  der  früher  von  mir  gebrauchte  Aus- 
druck für  die  Leichtgläubigkeit  Herberstain's  in  diesem  Funkte  zu  hart  war, 
lasse  ich  mit  Rücksicht  auf  das  Folgende  dahingestellt 

'6.  Hat  Herberstain  in  Samogitien  vierfüssige  Schlangen  gesehen? 
Es  genügt,  diese  Frage  aufzuwerfen,  um  sie  zu  verneinen.  Der  blosse  Gedanke 
ist  80  absurd,  dass  ich  mich  nicht  enthalten  konnte,  diejenigen  Enthusiasten,  die 
an  die  sonstigen  Münchhausiaden  des  alten  Jägers  glaubten,  auf  diesen  Punkt  be- 
sonders aufmerksam  zu  machon.  Selbst  Hr.  Nehring  kommt  zu  dem  Schlüsse 
(8.  32),  dass  Herberstain  das  Thier  „nur  nach  Hörensagen  beschreibt^.   In  seiner 

2b* 


(388) 

heutigen  Mittheilun^  umgeht  er,  indem  er  eine  lange  Auseinandersetzang  über  den 
Schlangen-Cultus  in  Samogitien  liefert,  die  Besprechung  der  nnturwissenschafl- 
lichen  Angaben  Herberstain's.  Aber  schon  dadurch,  dass  er  den  Nachweis 
bringt,  die  fraglichen  Schlangen  seien  Ringelnattern,  entzieht  er  dem  Freiherm 
jeden  Glauben  an  die  Vierfüssigkeit  dieser  Thiere.  Was  den  Schlangen  Coltus 
anbetrifTt,  so  ist  darüber  in  jeder  populären  Darstellung  der  littauischen  Volks- 
kunde so  viel  erzählt  worden,  dass  der  Gegenstand  als  erledigt  gelten  kann.  Für 
die  naturwissenschaftliche  Glaubwürdigkeit  H.'s  hat  derselbe  nicht  den  mindesten 
Werth;  hier  kam  es  nur  auf  die  Vierfüssigkeit  an.  —  In  einem  anderen 
Punkte  hat  Hr.  Nehring  eine  Correctnr  gebracht,  die  ich  nicht  beanstanden  will. 
Ich  hatte  nehmlich  aus  der  Uebersetzung  von  Pantaleon  den  Passus  entnommen, 
dass  diese  vierfüssigen  Schlangen  „über  drei  Zwerchhand  hoch  werden*'.  Hr. 
Nehring  ist  geneigt,  mir  die  Verantwortlichkeit  für  diese  Uebersetzung  zuzu- 
schreiben; ich  muss  sie  ablehnen.  Ich  füge  mich  jedoch  seiner  Correctur,  dass 
das  angeführte  Masss  sich  nicht  auf  die  Höhe,  sondern  auf  die  Länge  der  Schlangen 
bezogen  habe.  Aber  die  Angabe  von  der  Vierfüssigkeit  dieser  Schlangen,  —  sie 
sollten  „vier  kurze  Füsse,  wie  die  Eidechsen**,  haben,  —  wird  dadurch  nicht  be- 
rührt, und  die  Mahnung  zar  Vorsicht,  welche  ich  seiner  Zeit  an  Mr.  deQuatrc- 
fages  richtete,  behält  auch  gegenwärtig  ihre  volle  Geltung.  Alle  Berufungen  auf 
die  Möglichkeit,  dass  Herberstain,  wenn  nicht  selbsi  beobachtete,  so  doch 
gut  beglaubigte  Thatsachen  berichtet  habe,  sind  mit  der  Aufstellung  der  Ringel- 
natter in  Wegfall  gekommen.  Die  naturwissenschaftliche  Methode  in  der  Anthro- 
pologie, deren  Werth  ich  dem  französischen  Pamphletisten  dargelegt  hatte,  bleibt 
nach  wie  vor  ein  Erforderniss  der  ehrlichen  Forschung. 

Das  erkennt  ja  auch  Hr.  Nehring  thatsächlioh  an.  Trotz  seiner  Vorliebe  für 
Herberstain  hat  er  doch  die  in  dem  vorliegenden  Streitfalle  erörterten  Mängel 
seines  Berichtes  zugestanden;  ja  die  altemirende  „Zeugung**  von  grossen  und  zwerg- 
haften Rindern  erscheint  ihm  so  unzulässig,  dass  er  seinen  Zweifel  ausdrückt,  ob 
Herberstain  davon  überhaupt  gesprochen  hätte.  Die  vierfüssigen  Schlangen 
schiebt'  er  auf  blosses  „Hörensagen**;  unbarmherzig  schneidet  er  die  4  kurzen 
Füsse  von  dem  jetzt  als  Ringelnatter  charakterisirten,  früher  mit  einer  Eidechse 
verglichenen  „Wurm**  ab.  Es  war  nur  ein  „Missverständniss**  des  Reisenden.  Und 
so  gesteht  Hr.  Nehring  auch  zu,  dass  Herberstain  „persönlich**  nicht  in  Samo* 
giticn  war.  Wenn  er  trotzdem  versucht,  auch  dies  abzumildern  und  den  Besuch 
littauischer  Gebiete  als  genügendes  Aequivalent  vorzuführen,  so  habe  ich  zu 
bemerken,  dass  Herberstain  selbst  Samogitien  und  Littauen  von  einander  unter- 
scheidet. 

Somit  muss  ich  die  Kritik  des  Hrn.  Nehring  in  Bezug  auf  meine  Darstellung 
als  unzutreffend  abweisen.  Er  hat  meist  übersehen,  dass  meine  Kritik  gegen  Mr. 
de  Quatrefages  gerichtet  war,  dem  ich  den  Vorwurf  machte,  dass  er  sich  nicht 
einmal  die  Mühe  gegeben  habe,  die  von  ihm  als  Beweise  aufgeführten  Angaben 
Herberstain's  zu  lesen.  Mr.  de  Quatrefages  benutzte  die  Geschichte  von  den 
Riesen  und  Zwergen  in  Samogitien  als  einen  Beweis,  dass  die  dortige  Bevölkerung 
gemischter  Abstammung  sei  und  dass  von  den  Zwergen,  die  er  für  Finnen  erklärte, 
die  kleinen  Soldaten  abzuleiten  seien,  die  „manche  Personen**  unter  den  Pommern 
vor  Paris  gesehen  hatten.  Ich  habe  diese  Argumentation  zurückgewiesen,  speciell 
unter  Hinweis  auf  die  analogen  Verschiedenheiten  unter  den  Esten  und  auf  die 
Abhängigkeit  ihrer  Körpergrösse  von  der  Nahrung  (Zeitschr.  f.  Ethn.  FV.  8.  315). 
Ich  darf  wohl  annehmen,  dass  in  diesem  Punkte  keine  Meinungsverschiedenheit 
zwischen  Hm.  Nehring  und  mir  besteht,    aber  dann  weiss  ich  auch  nicht,   wa« 


(389) 

für  einen  Vorwurf  er  mir  zu  machen  hätte.  Dieser  Vorwurf  sollte  sich  vielmehr 
gegen  Erman,  Prichard  und  de  Quatrefages  richten,  welche  die  kleinen  Leute 
als  Finnen,  die  grossen  als  Letten  ansahen. 

Recht  bedauerlich  ist  das  Missverständniss  des  Hm.  Nehring,  dass  er  meinen 
Vorwurf  gegen  Herberstain  in  Bezug  auf  die  vierfüssigen  Schlangen  auf  die 
Angabe  desselben  in  Betreff  des  Schlangen -Cultus  bezieht  Ich  habe  über  den 
letzteren  Punkt  nicht  ein  einziges  abweisendes  Wort  gesagt.  Daher  war  auch  'die 
lange  Auseinandersetung  darüber,  welche  Hr.  Ne bring  in  seine  jetzige  Zuschrift 
eingeflochten  hat,  für  mich  überflüssig;  ich  habe  mich  oft  genug  mit  den  Letten 
beschäftigt  und  bin  seit  langer  Zeit  mit  ihrer  Literatur  über  die  Hausschlangen 
bekannt.  Die  Darstellungen  der  verschiedenen  Schriftsteller  darüber  sind  so  über- 
einstimmend, dass  mir  ein  Zweifel  über  den  Schlangcn-Cultns  ganz  fern  lag.  Mein 
Vorwurf  betraf  vielmehr  die  leichtgläubige  Manier,  mit  der  Herberstain  die  Er- 
zählung („das  Hörensagen'^)  aufgenommen  hat,  diese  Thicre  seien  wie  Eidechsen 
gebaut  und  hätten  4  kurze  Beine.  Hr.  N  eh  ring  nennt  das  jetzt  in  wohlwollender 
Weise  ein  „Missverständniss^;  vielleicht  würde  es  richtiger  sein  zu  sagen:  „einen 
Mangel  an  naturhistorischer  Kenntniss  und  ein  Ucbermaass  von  Leichtgläubigkeit.^ 
Das  war  auch  der  Grund,  weshalb  ich  diese  Angabe  mit  der  anderen  über  das 
alternirende  „Erzeugen'^  von  grossen  und  kleinen  Rindern  zusammenstellte.  Für 
einen  Zoologen,  wie  Quatrefages,  war  dies  doch  wohl  ein  recht  lehrreiches 
Beispiel. 

Trotz  alledem  bin  ich  fern  davon,  ein  allgemein  ungünstiges  Urtheil  über  die 
Berichte  des  Freiherrn  v.  Herberstain  zu  fällen.  Es  giebt  nicht  wenige  Gelehrte, 
welche  die  Berichte  von  PI  intus  über  die  afrikanischen  Völker  als  so  unzuverlässig 
betrachten,  dass  sie  jede  Berufung  auf  diesen  Schriftsteller,  der  ja  auch  recht 
häufig  nach  Hörensagen  und  unbeglaubigten  Erzählungen  urtheilte,  als  unwissen- 
schaftlich zurückweisen.  Ich  habe  diese  Auffassung  nie  getheilt,  aber  ich  habe  aus  der 
Kenntniss  dieser  Berichte  die  Verpflichtung  abgeleitet,  eine  strenge  Kritik  in  Bezug 
auf  die  Einzelheiten  derselben  eintreten  zu  lassen.  Genau  dasselbe  Verhältniss 
trifft  auf  Herberstain  zu,  und  wenn  Hr.  Nehring  durch  sein  letztes  Buch  eine, 
wie  mir  scheint,  erfolgreiche  Ehrenrettung  des  alten  Reisenden  und  Jägers  bewirkt 
hat,  so  wird  damit  doch  die  Nothwendigkeit  nicht  dargethan  sein,  dass  wir  auch 
die  falschen  oder  missverstandenen  Angaben  desselben  beschönigen  oder  gar  für 
wahr  halten  müssen,  —  Angaben,  welche  so  grosses  Unheil  in  der  Literatur  und  in 
der  Meinung  der  Menschen  angerichtet  haben.  — 

(30)  Hr.  Rud.  Virchow  übcrgiebt,  im  Anschlüsse  an  die  weiterhin  folgenden 
Mittheilungen  des  Hrn.  Georg  Schweinfurth,  folgende  Beitrüge  zur 

Vorgeschichte  Aegyptens. 

1.    Bericht  des  Hm.  E.  Salkowski  vom  30,  Juli  über  die  Untersuchung  des 
Inhaltes  eines  Schädels  von  Gebel  Silsllih  (vergl.  S.  32  und  137). 

Der  mir  zur  Untersuchung  übergebene  Inhalt  eines  kleinen  Holzküstchens  mit 
Aufschrift:  „Nr.  5,  Gebel  Silsileh  —  necropole  prehistorique.  Contenu  d'un  crune 
bien  conserve  et  fragments  de  bois  (Nr.  6)  trouves  pres  du  cräne,"  erwies  sich  als 
ein  Gemisch  von  sandigem  Pulver,  Holzstückchen  und  Bröckeln  harzartig  er- 
scheinender Substanz.  Die  harzartigen  Stücke  wurden  herausgesucht,  in  der  Rcib- 
schale  zerrieben  —  was  leicht  gelang  — ,  und  das  Pulver,  welches  auf  dem  Platin- 
blech unter  Verbreitung  eines  harzigen  und  fettigen  Geruches  mit  russender  Flaramo 
und  unter  Hinterlassung  von  etwas  Asche  verbrannte,  näher  untersucht.  .  :  - 


(390) 

Entsprechend  dem  auch  in  den  früheren  Fällen  für  die  Untersuchung  der 
Massen  aus  den  Mumienköpfen  gewählten  Verfahren  wurde  auch  dieses  Mal  zur 
Orientirung  zunächst  der  Gehalt  des  Pulvers  an  Wasser,  Asche,  Stickstoff  und 
Phosphor  untersucht.  Nach  den  von  Dr.  O.  Schrader  ausgeftlhrten  BestimmangeQ 
ergaben  sich  für  100  Theile: 

Wasser 3,88  pCt. 

Asche 9»ll    7» 

Stickstoffgehalt  ....  4,96    „ 

Phosphor 0,098  „ 

Diese  Bestimmungen  zeigen,  dass  die  vorliegende  Masse  von  den  bisher  unter- 
suchten wesentlich  verschieden  ist.  Dieses  geht  namentlich  aus  dem  ausser- 
ordentlich geringen  Phosphorgehalt  hervor,  mit  dem  sich  die  Annahme,  dass  e» 
sich  um  veränderte  Gehimsubstanz  handele,  schwer  vereinigen  lässt. 

Der  Stickstoff  ist  in  der  Masse  nicht  in  Form  von  Ammoniaksalzen  enthalten^ 
denn  beim  Erwärmen  mit  Natronlauge  entwickelt  das  Pulver  nur  äusserst  wenig 
Ammoniak,  bezw.  nur  Spuren  davon.  Der  sich  entwickelnde  Geruch  gleicht  dem, 
welcher  beim  Kochen  von  altem  Fett  mit  Natronlauge  auftritt. 

Zar  weiteren  Untersuchung  wurde  eine  Quantität  des  Pulvers  mit  Alkohol  ex- 
rahirt  und  filtrirt,  der  Alkohol- Auszug  verdunstet.  Es  hinterblieb  eine  braune,  spröde, 
harzartige  Masse.  Die  Quantität  dieses  Harzes  betrug  (bei  100^  getrocknet)  1,27G  g^ 
das  Gewicht  des  nicht  gelösten  Rückstandes  betrug  0,900  /;,  zusammen  also  2,17G  g. 
Somit  sind  von  diesem  Pulver  ungefähr  58  pCt.  in  Alkohol  löslich,  42  pCi  darin 
unlöslich.  Die  Bestimmungen  sind  der  Natur  der  Sache  nach  nur  als  annähernde 
zu  betrachten. 

Zur  weiteren  Untersuchung  des  in  Alkohol  löslichen  Harzes  verfuhr  ich  nun 
ebenso,  wie  bei  der  letzten  Untersuchung  (S.  1 39).  Es  ergab  sich  so  folgende  Zu- 
sammensetzung in  Procenten: 

Direct  in  Aether  lösliche  Substanz  (Neutralfett) 7,4  pCi 

Nach  dem  Ansäuern  in  Aether  lösliche  Substanz  (Fettsäure)    .    32,7    ^ 

Harzige,  in  Aether  unlösliche  Substanz 59,9    „ 

Das  ^Harz"*)  verbrannte  auf  dem  Platinblech  unter  Verbreitung  eines  an 
Pflanzenharz  erinnernden,  gleichzeitig  aber  fettigen  Geruches,  ohne  mehr  als  Spuren 
von  Asche  zu  hinterlassen. 

Eine  bestimmte  Entscheidung  darüber,  ob  das  vorliegende  „Harz^  ein  Pflanzen- 
harz ist  oder  allmählich  im  Laufe  der  Jahrtausende  durch  Umwandlungen  aus  ani- 
malischen Substanzen,  namentlich  Fetten,  entstanden  ist,  wird  sich  durch  chemische 
Untersuchung  schwerlich  föllen  lassen,  da  der  Begriff  „Harz"  ja  mehr  ein  phy- 
sikalischer und  botanischer,  als  ein  chemischer  ist. 

Da  es  Pflanzenharze  giebt,  welche  äusserst  sauerstoffarm  sind,  so  wurde  noch 
versucht,  eine  Entscheidung  durch  die  Elementar-Analyse  herbeizuführen.  Ergab 
sich  hierbei,  dass  das  „Harz^  wesentlich  weniger  Sauerstoff  enthielt,  als  das  mensch- 
liche Fett,  bezw.  als  die  aus  demselben  hervorgegangenen  Fettsäuren,  so  konnte 
man  wohl  schliessen,  dass  das  ^Harz"  mit  diesen  nichts  zu  thun  habe.  Der  um- 
gekehrte Schluss  war  allerdings  keineswegs  zulässig,  da  es  auch  relativ  sauerstoff- 
reiche Harze  ^iebt,  wie  den  Weihrauch  (Olibanum),  Bernstein,  Asphalt,  mit  einem 
Sauerstoffgehalt  von  etwa  12  pCt.,  ungefähr  übereinstimmend  mit  dem  Sauerstoff- 
gehalt des  Fettes. 

,   ,1)  In  Folgendem  ist  hierunter  stets  «las  s:  er  einigte,   in  Aether  uuldsliche  H 
f  *  rs\an(lcm 


• 


(391) 

Bei  der  qnalitatiTen  Prüfung  ergab  sich  nun  zunächst  das  überraschende  Er- 
gebniss,  dass  das  „Harz^  in  nicht  unbeträchtlichem  Grade  stickstofThaltig  ist 
Als  Elementar-Zusammensetzung^)  des  üarzes  ergab  sich: 

Kohlenstoff 60,53  pCt. 

Wasserstoff 6,77    „ 

Stickstoff 5,57    „ 

Sauerstoff 26,13    „ 

Das  „Harz^  enthält  also  weit  mehr  Sauerstoff,  als  die  sauerstoffhaltigen  Pflanzen- 
harze, und  auch  weit  mehr,  als  das  Fett,  welches  durchschnittlich  aus  76,5  pCt 
Kohlenstoff,  12  pCt.  Wasserstoff  und  ll,5pCt.  Sauerstoff  besteht. 

Es  lässt  sich  nicht  verkennen,  dass  das  Resultat  der  Analyse  für  die  Ent- 
stehung der  ^harzigen  Substanz^  aus  Fetten  und  stickstoffhaltigen  animalischen 
Substanzen  durch  allmähliche  Oxydation  spricht,  ohne  indessen  diese  Frage  ganz 
zu  entscheiden.  — 

2.   Abhandlung  des  Hrn.  G.  Schweinfurth  über  die 

Omamentik  der  ältesten  Cultur-Epoohe  Aegyptens. 

Diese  Abhandlung  ist  enthalten  in  der  Oesterreichischon  Monatsschrift  für  den 
Orient,  herausgegeben  vom  k.  k.  Oestorr.  Handels -Museum  in  Wien  1897,  Nr.  0 
und  10,  Beil.  und  uns  in  freundlichster  Weise  nebst  den  zugehörigen  Clichös  durch 
die  Direction  des  genannten  Museums  zur  l^nutzung  überlassen.  Da  Hr.  Schwein- 
furth in  unserer  Gesellschaft  die  Ornamentik  der  bemalten  Thongefässe  dieser 
Epoche  besprochen  hat  (S.  280,  besonders  S.  282),  so  werden  in  Nachstehendem 
nur  diejenigen  Abschnitte  der  neuen  Abhandlung  wiedergegeben,  welche  eine  Aus- 
führung der  Einzelheiten,  namentlich  in  Betreff  der  pflanzlichen  Ornamente  und 
der  sich  daraus  ergebenden  Schlüsse  für  die  Vorgeschichte  Aegyptens  bringen. 

Die  uns  näher  berührenden  Abschnitte  lauten  folgendermaassen : 
Die  einzelnen  Elemente  dieser  in  braunrothcr  Bemalung  auf  hellem  Grunde  aus- 
geführten Ornamentik  habe  ich  auf  der  beigegebenen  Tafel  (S.  394)  nach  den  Funden 
von  el-Amrah,  Abydos,  Bailas,  Tuch,  Negada  und  Gebelen  zusammengestellt.  Die 
zu  Beginn  dieses  Jahres  erschienenen  Werke  von  Flinders  Petrie  und  von 
de  Morgan  bieten  dieselben  in  grösserer  Auswahl,  aber  zerstreut  auf  verschiedenen 
Tafeln.  Beim  Anschauen  dieser  fremdartigen  Bilderschrift  wird  wohl  keiner  mehr 
das  Axiom  unterschreiben  wollen,  dass  die  ägyptische  Cultur  ein  fertiges  Ding  ge- 
wesen sei  von  dem  Moment  an,  wo  sie  in  die  Erscheinung  trat.  Flinders  Petrie 
ist  in  seinem  Werke,  verleitet  durch  die  Fremdartigkeit  der  Darstell ungs weise 
vielleicht  auch  beeinflusst  durch  dus  Phänomen  des  bei  aller  räumlichen,  zeit- 
lichen und  ethnischen  Gesondertheit  so  häufig  zur  Geltung  kommenden  Paralle- 
lismus übereinstimmender,  ewig  menschlicher  Gestaltungstiiebe,  bestrebt  gewesen, 
den  Ursprung  dieser  Omamentik,  ja  die  Herkunft  der  Thongefässe  selbst  weit 
ausserhalb  Aegyptens  zu  suchen;  aUein  die  ausschliesslich  afrikanischen  Motive 
und  namentlich  die  grosse  B^lle,  die  in  ihr  der  Todtenbarke  als  der  ersten  Schrift- 
werdung  einer  ägyptischen  Idee  zufällt,  brachten  ihn  dabei  mit  sich  selbst  in 
Widerspruch.  Die  besondere  Bedeutung  dieser  Bilderschrift  liegt  meines  Er- 
achtens  gerade  darin,  dass  sie,  weil  den  ärmeren  Bewohnern  geläufig,  etwas  Ur- 
sprüngliches,  von  Alters  Hergebruchtes  zum  Ausdruck  bringt  'md  deshalb  einen 


1)  Analyse  von  Dr.  G.  Schrader. 


(392) 

weiten  Rückblick  in  die  Zeiten  vor  Menes  aaftbut,  weil  urspiünglich  au?  einer  Zeit 
stammend,  v/o  die  bloss  ideographische  Hieroglyphik  noch  in  den  Windeln  lag. 

Hinsichtlich  des.  Verhaltens  dieser  vielleicht  als  nahezu  prähistorisch  zu  be- 
zeichnenden Stilart  Aegyptens  zu  dem  späteren  Pharaonenstil  bietet  der  geometrische 
Stil  der  urgriechischen  Zeit  eine  gewisse  Analogie,  welcher  letztere,  obwohl  in 
der  mykenischen  oder  ägäischen  Epoche  sich  ganz  andere  Tendenzen  Bahn  brachen^ 
nicht  nur  während  dieser  Epoche,  wie  Conze  (Wolters,  Böhlau)  es  nennt, 
als  eine  Art  von  Bauemkunst  sich  forterhulten  hat,  ja  dieselbe  aberdanernd 
durch  alle  Epochen  des  griechischen  Kunstlcbens  eine  oft  tonangebende  Ver- 
wendung fand.  Die  sachliche  Analogie,  die,  allerdings  nur  auf  den  ersten  Blick, 
diese  prähistorische  Runstweise  Aegyptens  mit  jenem  alteuropäiscben  Stil  in  Zu- 
sammenhang bringt,  den  Conze  zuerst  in  den  Sitzungs- Berichten  der  Wiener 
Akademie  1870  und  1872  auseinandersetzte,  hat  wegen  des  beiderseits  hervor- 
tretenden Bestrebens,  Naturformen  in  ein  lineares  Schema  aufzulösen,  etwas  Ver- 
lockendes. In  Wirklichkeit  ist  die  Verschiedenheit  eine  fundamentale.  Vor  Allem 
sind  es  die  dem  ^altnordeuropäischen"  Stil  (Conze)  fehlenden  Pflanzen -Motive, 
die  hier  eine  in  hohem  Grade  stilisirte  Gestaltung  annehmen,  und  sie  sind  es,  die 
eine  besondere  Bedeutung  gewinnen,  wenn  man  sie  als  den  Beginn  einer  ideo- 
graphischen Bilderschrift  auffasst.  Gerade  dieser  Gesichtspunkt  war  es,  der  mich 
zu  den  vorstehenden  Aufzeichnungen  veranlasst  hat,  um  einmal  die  Gelegenheit 
wahrzunehmen,  als  Botaniker  einer  wichtigen  Frage  näherzutreten,  die  in  Folge 
von  Nichtbeachtung  des  botanischen  und  geographischen  Causal-Zusammenhanges 
bisher  in  hohem  Grade  verwirrt  worden  ist. 

Die  vier  mit  concentrischen  Halbkreisen  versehenen  Figuren  im  obersten  Theil 
der  beigegebenen  Tafel  1  bieten  das  Schema  einer  Pflanze  dar,  die  in  einem  Ge- 
fässe  wurzelt,  demnach  also  nicht  zu  der  spontanen  Flora  des  damaligen  Aegyptens 
gehört  haben  kann.  Aus  einer  verkürzten  Axe  entsprossen  beiderseits  je  G — 10 
im  Halbbogen  zurückgeschlagene  Blätter,  während  ein  gipfelständiger  Schaft,  der 
in  einem  Falle  in  zwei  Schenkel  ausläuft,  mit  vielen  kleinen  Blätteben  (den  stehen- 
bleibenden Tragblättern  der  Blüthentraube)  besetzt  ist  und  mit  einer  Blüthe  oder 
einem  Knäuel  von  Blüthen  endigt.  Unter  allen  Gewächsen,  die  aus  den  Floren 
der  Nachbarländer  in  Betracht  kommen  können,  entspricht  dieses  Schema  nur  der 
Aloe,  von  der  eine  rothblühende  Art  (A.  abyssinica  Lam.)  nicht  nur  im  Hochlande, 
sondern  auch  in  den  Vorbergen  von  Abyssinien  und  im  südlichen  Nubien  zwischen 
800 — 1000  m  Meereshöhe  von  ausserordentlicher  Verbreitung  ist.  Eine  andere 
Aloe  mit  orangerothen  oder  gelben  Blüthen,  die  dem  Schema  noch  besser  ent- 
spricht, ist  die  als  wildwachsende  Pflanze  auf  die  Vorheize  des  glücklichen  Arabiens 
beschränkte,  aber  heute  noch  im  ganzen  Orient  und  namentlich  in  Aegypten  cultt- 
virte  Aloe  vera  L.  (A.  vulgaris  Lam.),  die  namentlich  auf  Gräbern  und  auch  über 
Hausthüren  aufgehängt  als  Symbol  der  ausdauernden  Lebenskraft  und  als  Schutz 
gegen  den  bösen  Blick  fast  aller  Orten  anzutreffen  ist.  In  jedem  Falle  würde  die  Aloe 
sich  zu  jenen  Pflanzen  gesellen,  die,  wie  die  ^eiligen  Bäume  der  Hathor  oder  Isis, 
Sykomore  und  Mimusops  (Persea  der  Alten),  welche,  gleichfalls  im  Nilthale  nicht 
wild  vorkommend,  hier  als  überlebende  Zeugen  von  Wanderungen  gelten  können, 
die  in  frühester  Vorgeschichte  die  Vorfahren  des  alten  Culturvolkes  aus  dem 
fernen  Südosten  an  die  Gestade  des  Nils  geführt  haben. 

Ich  vermuthe  in  diesem  hier  bereits  zu  einem  conventioneilen  Ornament  um- 
gestalteten Pflanzengcbilde  das  Prototyp  einer  Reihe  von  Zeichen,  die  in  der 
Hieroglyphik  theils  als  Silbenzeichen,  theils  zur  Symbolisirung  der  beiden  Landes- 


(393) 

theile  eine  grosse  Rolle  spielen  und  deren  Deutung  so  viele  Aegyptologen  auf  Irr- 
wege geführt  hat. 

Die  Aegypter  waren  von  altersher  gewohnt,  den  zwischen  Ober-  und  Unter- 
Aegypten  obwaltenden  Gegensatz  durch  Symbole  zum  Ausdruck  zu  bringen,  und  mit 
Recht  nahm  man  von  jeher  an,  dass  diese  Symbole  durch  Pflanzen  zum  Ausdruck 
kommen  sollten,  die  für  je  eines  der  beiden  Länder  charakteristisch  waren.  Kein 
geringerer  alsChampollion,  der  Vater  der  Hieroglyphen-Deutung,  hat  bereits  vor 
(>0  Jahren  beiden  Zeichen  die  damals  möglichst  richtige  Deutung  gegeben,  indem  er 

in  seiner  ägyptischen  Grammatik  das  Südzeichen  W^  als  ein  Lilien -Gewächs,  der 
Iris  vergleichbar,  kennzeichnete  und  dasjenige  des  Nordens  w  als  Papyrus  deutete. 

Hinsichtlich  des  letzteren  kann  kein  Zweifel  obwalten,  weil  auf  dem  zweisprachigen 
Stein  von  Rosette  von  einem  <rxYinTpov  nctTjvpoeHotq  die  Rede  ist  Die  Nachfolger 
Champol lion's  haben  das  Symbol  des  Südens  oft  als  „Binse^  bezeichnet,  sich 
zuvor  aber  wohl  nie  eine  wirkliche  ßinsenblüthe  angesehen,  zu  deren  richtiger 
Würdigung  man  schwerlich  mit  unbewaffnetem  Auge  gelangt,  ünger,  der  an- 
gesehenste von  den  wenigen  Pflanzenkundigen,  die  dieser  Frage  näher  getreten 
sind,  stellte  die  weisse  Lotusblume  als  das  Prototyp  des  Zeichens  des  Südens  auf, 
indem  er  sich  wohl  zunächst  von  der  in  unserer  Kunstwelt  eingebürgerten  vulgären 
Vorstellung  leiten  Hess,  als  hätte  das  ägyptische  Säulen-Capitell  seine  Motive  dieser 
Blüthe  entlehnt;  auch  fasste  er  die  ganz  verschiedenen  Darstellungs formen  und 
Begriffe,  die  im  Bilderschmuck,  in  der  Architectur,  in  den  symbolisirenden  Ideo- 
grammen und  in  den  Lautwerthen  zum  Ausdruck  kommen,  als  correlative  Werthe 
auf.  In  Wirklichkeit  kann  die  weisse  Teichrose,  ebenso  wie  die  blaue  (Nymphaea 
Lotus  und  Nymphaea  caerulea),  nur  für  Unter- Aegypten  als  Charakterpflanze  (!)  gelten, 
nicht  für  Ober- Aegypten,  geradeso  wie  der  Papyrus.  Eine  Vermengung  beider 
Charaktergewächse  in,  der  späteren  Ideenwelt  tiberkommenen  Kunstbegriffen  ist 
daher  keineswegs  ausgeschlossen.  Von  Hause  aus  bat  die  Lotusblume  nichts  mit 
diesen  geographischen  Ideogrammen  zu  thun. 

Die  Frage  hinsichtlich  des,  vielen  ägyptischen  Säulen -Capitellen  zu  Grunde 
liegenden  Pflanzenmotivs  lasse  ich  hier  unberührt,  weil  der  Gegenstand  allzu  aus- 
führliche Erörterungen  verlangen  würde.  Dr.  Ludwig  Borchardt  wird  dieselbe 
in  seinem  demnächst  erscheinenden  Werke  über  ^die  ägyptische  Pflanzensäule^ 
mit  der  nur  ihm  zu  Gebote  stehenden  Sachkenntniss  und  Erfahrung  behandeln. 
Ich  wjll  aber  meinerseits  darauf  hinweisen,  dass  neuerdings  E.  Lefebure  eine 
versöhnende  Deutung  gefunden  zu  haben  glaubte  zwischen  der  vulgären  Auffassung 
der  Kunstverständigen,  die  von  der  Lotusblume  ausgeht,  und  derjenigen  der 
Aegyptologen,  die  an  dem  Papyrusbüschel  festhalten.  Zur  Deutlichmachung  seiner 
Idee  bedient  er  sich  des  Vergleiches  mit  einem  „bouqet  montö".  Nach  ihm  sollte 
der  Bündelsäule  im  Schaft  der  Papyrus,  im  Capitell  die  Lotusblume  zu  Grunde 
liegen.  Lefebure  hat  ausser  Acht  gelassen,  dass  in  der  scbematisirten  Contour- 
zeichnung  Lotus  und  Papyrus  gar  nicht  so  verschieden  sind,  wenn  man  nur  eine 
junge,  noch  im  quastförmigen  Zustande  befindliche  Papyrusdolde  in  Vergleich  zieht, 
was  er  nicht  gethan  hat,  obgleich  schon  Champollion  ausdrücklich  von  der 
^houppe^  des  Papyrus  gesprochep  hat  Die  breiten  Hüllblätter  der  Papyrusdolde 
nehmen  sich  alsdann  gerade  so  aus,  wie  die  Kelchblätter  des  Lotus,  und  leicht 
war  es  im  weiteren  Verlaufe  der  verschiedenen  Kunstphasen,  an  Stelle  der  Dolden- 
strahlen zwischen  diese  Hüllblätter  die  Blumenblätter  des  Lotus  einzuschalten. 
Borchardt  bringt  diese  Art  von  Blüthen-Capitell  überhaupt  nicht  mit  dem  Symbol 


(394) 

des  Nordens  in  Verbindung,   sondern  will  sie  als  BlUthe  der  Wappenpflanzc  Ton 
Ober-Ae^|iten  aurj^fasst  wissen. 


Taf.  1.    Üliliairto  Ornamentik  am  Affiyptcns  nculithUcher  Zeit 
ton  ThaugcflUscn  d?r  Zeit  bis  mr  IV.  Djnastie. 

Zur  Erläntemng  der  aur  meine  Vcrmuthung  eines  Zusammenhaiif;««  des  TOThiii 
beschriebenen  ältesten  PQanzcn-Ornamentes  mit  gewissen  Silbenzeichen  und  Ideo- 


(395) 


«WM 


gramraen  der  entwickelten  Hieroglyphik  Bezug  habenden  Darstellungs formen  der 
letzteren  habe  ich  10  derselben  in  Taf.  2  beigefttgt.  Ich  verdanke  diese  Aus- 
wahl beglaubigter  Proben  einer  gütigen  Miltheilung  von  Dr.  Ludwig  Borchardt, 
der  sie  für  mich  in  authentischer  Wiedergabe  von  Originalen  zusammengestellt 
und  mit  Notizen  versehen  hat,  denen  ich  das  Nachfolgende  entnehme:  Das  hiero- 
glyphische sw  (Fig.  a)  hat  mit  dem  ähnlich  gestalteten  rs  (Fig.  b,  c  und  d)  nur  in- 
sofern etwas  gemein,  als  es  vielleicht  die  rs-Pflanzc  ohne  Blüthen  darstellt.   Die  in 

Fig.  a  gegebene  Form  ist  eine  der  ältesten  und 
im  Grabe  des  Setu  bei  Saqqarah  [III.  Dynastie] 
zu  sehen.  In  Fig.  h^  c  und  d  erscheint  die 
Hieroglyphe  rs  in  ihren  verschiedenen  Entwicke- 
lungsstadicn.  Sie  hat  nach  ihrem  Lautwerthe 
die  Bedeutung  Süden.  Fig.  h  stellt  das  Silben- 
zeichen in  Verbindung  mit  dem  Zahlenzeichen 
für  zehn  vor,  wie  es  sich  im  Grabe  des  flesij- 
Re  bei  Saqqarah  (IV.  Dynastie)  vorfindet.  Fig.  c 
dasselbe  aus  dem  Grabe  des  Ptahhotep  bei 
Saqqarah  (V.  Dynastie).  Fig.  d  dasselbe  mit 
Farben-Angaben  aus  dem  Grabe  Nr.  2  bei  Beni 
Hassan  (mittleres  Reich).  An  diesem  Beispiele 
gewahrt  man  die  als  Blüthen  aufzufassenden 
Anhängsel  bereits  in  veränderter  Gestalt,  aber 
immer  noch  dreitheilig.  Hier  nähern  sie  sich 
mehr  denen  der  eigentlichen  Wappenpflanze  von 
Ober-Aegypten,  dem  omamentalen  Symbol,  das 
auf  den  unteren  sechs  Figuren  zur  Anschauung 
kommt. 

Fig.  e  stellt  eine  BlUthe  dieser  Wappen- 
pflanze dar,  wie  sie  am  Throne  der  Statue  von 
Usertesen  I.  (XII.  Dynastie),  die  das  Museum 
zu  Berlin  beherbergt,  sichtbar  ist.  Wenn  dies 
die  Blüthe  in  ihrer  elementarsten  Gestalt  vor- 
stellen soll,  so  kann  ich  nicht  umhin,  sie  für 
ein  getreues  Abbild  derjenigen  von  Aloe  abyssi- 
nica  Lam.  zu  erklären.  Ich  würde  die  Einzel- 
blüthe  dieser  Art  kaum  andera  zur  Darstellung 
zu  bringen  wissen.  Reine  zweite  Gifttung,  ausser 
Aloe,  hat  in  den  betreffenden  Gebieten  eine  ähn- 
liche Blüthe.  —  Genau  dieselbe  Form  soll  nach 
Borchardt  die  älteste  ihm  bekannte  Wieder- 
gabe der  Blüthe  zeigen;  er  fand  sie  auf  einer 
Darstell lung  aus  der  Zeit  des  Pepy  (VI.  Dynastie), 
die  sich  innerhalb  der  Steinbrüche  von  Assuan 
befindet.  Fig.  /  stellt  die  an  einem  Faience- Kästchen  angebrachte  Blüthe  dar, 
von  einem  thebanischen  Massengrabe  des  neuen  Reiches  (etwa  1300  vor  Chr.)  her- 
stammend. Fig.  g,  A,  I  und  k  geben  die  Blüthe  der  Wappenpflanze  in  abenteuer- 
licher Ausgestaltung,  nach  Modellformen  für  Faience,  die  sich  zu  Tell-el-Amarna 
aus  der  Zeit  des  Amenophis  IV.  (XVIII.  Dynastie)  erhalten  haben. 

L.  Borchardt  behauptet,    es  sei  bisher  nicht  festgestellt  worden,    dass  die 
Wappenpflanze  von  Ober-Aegypten,  die  sogenannte  „Lilie^,  von  dem  Silbenzeichen  rs 


Taf.  2.    Wappenpflanze 
von  Ober-Aegypten. 


(396) 

abgeleitet  sei,  und  roöcbte  eine  solche  Annahme  bis  aaf  Weiteres  verneinen.  Auch 
will  er  sieb  meiner  Ansicht  nicht  anschliessen,  dass  in  dem  vorhin  beschriebenen 
ältesten  Pflanzen -Ornament  der  troglodytischen  Gräber  das  Prototyp  des  Laut- 
werthes  rs  zu  vermuthen  sei,  obgleich  er  gegen  eine  Indentificirnng  des  ersteren 
mit  Aloe  nichts  einzuwenden  hat.  Nichtsdestoweniger  möchte  ich  an  dem  Zu- 
sammenhange der  drei  Gegenstände  mit  dem  Begriffe  der  Aloe  festhalten  und  be- 
gründe meine  Ansicht  mit  folgenden  Thatsachcn:  Die  rothe  Farbe,  die  so  oft  (und 
keine  andere)  zur  Markirung  der  Bliithe  der  Wappenpflanze  gewählt  wurde,  spricht 
zu  Gunsten  de-  Aloe.  Ferner  ist  an  allen  vorhin  besprochenen  Zeichen,  den  symbo- 
lischen sowohl  als  den  Silbenzeichen,  die  Dreitheilung  der  Blüthe  in  die  Augen 
springend.  Drei  oder  sechs  Blätter  sind  zur  Andeutung  der  Blüthe  verwandt,  ent- 
sprechend der  sechstheiligen  Blumenkrone  eines  Liliengewächses,  die  natürlich, 
von  der  Seite  gesehen,  immer  nur  drei  derselben  sichtbar  werden  lässt  Der 
vollendeten  Uebercinstiramung  der  in  Fig.  f  dargestellten  Form  mit  dem  Blüthen- 
schema  der  Aloe  habe  ich  bereits  gedacht  Aber  auch  das  Silbenzeichen  rs  mit 
seinen  vier  rückwärts  gekrümmten  Blättern  an  der  Basis  einer  verkürzten  Axe 
und  mit  dem  gipfelständigen  Mittelschaft  der  Blüthe  entspricht  der  Aloe- Pflanze 
und  kann  sehr  wohl  als  ein  reducirtes  Schema  der  auf  der  linken  Seite  abgebildeten 
Ornamente  betrachtet  werden.  Dass  an  dem  rs- Zeichen  ausser  am  Mittelschafl 
auch  an  den  Spitzen  der  vier  Blätter  rothe  Anhängsel,  also  Blüthen,  zur  Dar- 
stellung kommen,  kann  kein  Hinderniss  für  die  Identificirung  desselben  mit  der  Aloe 
abgeben,  weil  diese  Blüthen  gewiss  willkürliche  Zuthaten  einer  missverstandenen 
Tradition  waren;  denn  nach  ihrer  Form,  Stellung  und  dem  Verhältniss  zur  Axe 
und  zum  Blüthenschaft  können  die  beiderseitigen  Bogenlinien  an  der  Basis  nur 
Blätter  sein  und  nicht  etwa  Verzweigungen  des  Blüthenstandes  einer  blattlosen 
Pflanze.     Blätter  aber  tragen  bekanntlich  keine  Blüthen. 

Soviel  zum  Kapitel  vom  Zeichen  des  Südens.  £s  erübrigt,  um  hier  gleich  die 
pflanzlichen  Ornament-Motive  der  beigegebenen  Tafel  1  abzuthnn,  noch  die  im  Um- 
kreise der  vorhin  erläuterten  4  Pflanzenschemen  angebrachten  6  Gegenstände  zu  er- 
klären. Es  sind  Bäume,  die  hier  bereits  in  einer  Weise  wiedei^gegeben  sind,  welche 
der  spätere  Stil  der  Wandbilder  an  Tempeln  wiederholt,  nehmlich  die  Gestalt  der 
Laubkrone  durch  eine  Umrisslinie  zu  kennzeichnen,  mit  eingefügten  parallel  ge- 
stellten Aesten.  — 

Das  so  auffällige  Hervortreten  des  Pflanzen-Ornaments  auf  den  irdenen  Ge- 
fassen  dieser  ältesten  bisher  aus  Aegypten  bekannt  gewordenen  Gultnrepoche  ist 
eine  im  Bereiche  primitiver  Runstübung  gar  zu  ungewöhnliche  Erscheinung,  als 
dass  man  nicht  Grund  hätte,  in  solcher  Vorliebe  für  schematisches  Pflanzcnzeicbnen 
eine  bereits  damals  vorhandene  symbolisirende  Tendenz  zu  vermuthen.  In  der 
That  sind  auch  in  den  Zeichnungen  der  Naturvölker  die  Pflanzenmotive  sehr  selten 
anzutreffen,  ja  in  den  meisten  Fällen  fehlen  sie  denselben  vollständig.  Anderer- 
seits macht  das  Pflanzen -Ornament  einen  wesentlichen  Bestandtheil  jener  so- 
genannten orientalisirenden  Verziernngskünste  aus,  die  von  Vorder-Asien  her  oder 
durch  die  auch  für  diesen  Zweck  herhalten  müssenden  Phönicier,  auf  die  frühe 
griechische  Kunst  ihren  bezeichnenden  Einfluss  ausgeübt  haben.  Unter  diesem 
Gesichtspunkte  werden  wir  die  völkenerbindenden  (internationalen)  Beziehungen 
festzuhalten  haben,  die  hier  im  ältesten  und  innersten  Aegypten  ihren  Anschlags 
fanden. 

Auf  der  beigegebenen  Tafel  1  habe  ich  von  einer  Wiedergabe  derjenigen  Ver- 
zierungskünste Abstand  genommen,  die  sich  beim  Töpfer  aus  Gründen  der  tech- 
nischen Handhabung  von  selbst  verstehen  und  die  man  als  die  keramogenen  Oma- 


(397) 

mente  bezeichnen  könnte.  Dazu  rechne  ich  vor  Allem  die  horizontalen  Farallel- 
linien  und  die  Wellenlinien,  gewissermaassen  auch  die  gewellten  erhabenen  Wulst- 
linien oder  Falten  (wavy  handles  von  Flinders  Petrie),  die  an  vielen  der  Gefässe  an 
Stelle  der  Henkel  beiderseits  oder  im  Zusammenhange  herumlaufend  zu  sehen  sind 
und  die  für  diese  älteste  ägyptische  Epoche  ein  charakteristisches  Merkmal  ab- 
geben. Sie  ergeben  sich  aus  dem  manuellen  Betrieb,  auch  wenn  man,  was  hin- 
sichtlich der  troglodytischen  Gräberfunde  noch  nicht  genügend  feststeht,  dabei  von 
der  stattgehabten  Verwendung  der  Drehscheibe  absehen  will.  Bei  dieser  Besprechung 
werde  ich  mich  auf  die  gemalten  Ornamente  beschränken.  Die  erhabenen 
Zierformen  gehören  in  ein  anderes  Capitel,  und  dort  müsste  sonst  auch  noch  des 
für  die  betreffende  Epoche  besonders  charakteristischen  Strickmusters  Erwähnung 
geschehen,  das  sowohl  auf  Thongefässen  angebracht,  als  auch  auf  Steinkrügen  mit 
grosser  Sorgfalt  ausgemeisselt  erscheint  zur  Veranschaulichung  von  Netz-  und 
Strickgehängen,  vermittelst  welcher  in  Africa  und  in  Süd-Ambien  henkellose  Ge- 
lasse bewegt  und  aufbewahrt  zu  werden  pflegen.  Das  Strickmuster  erscheint 
übrigens  auch  sehr  oft  in  gemalter  Form  wie  die  anderen  Zierformen,  rolh braun 
auf  dem  helleren  Grunde  der  Thongefässe,  namentlich  der  Cylindertöpfe. 

Eine  andere  Kategorie  des  Ornaments,  die,  obgleich  sie  in  der  vorliegenden 
Periode  eine  grosse  Rolle  spielt,  unter  den  auf  der  Tafel  1  dargestellten  Motiven 
nicht  berücksichtigt  worden  ist,  betriflt  die  Nachahmung  von  Naturmustern,  wie  sie 
in  dem  buntgeaderten  Gestein,  in  der  Zeichnung  der  Vogeleier  und  Früchte,  im 
bunten  Federkleide  der  Vögel,  im  gefleckten  Fell  so  vieler  Säugethiere,  im  Schuppen- 
panzer der  Fische  und  Reptilien  und  an  unzähligen  anderen  Naturkörpern  sich  dem 
Nachahmungstriebe  des  Menschen  aufdrängen  und  für  welche  die  Tättowirungs- 
künste  der  Naturvölker  ein  sprechendes  Zeugniss  ablegen.  Dieses  TrotxtXitt- Muster 
kommt  vor  Allem  in  der  Nachahmung  der  harten  Gesteinsarten  zur  Geltung,  in 
deren  Bearbeitung  die  ältesten  Aegypter  bereits  Meister  waren,  so  namentlich  in 
derjenigen  von  Granit,  Porphyr  und  Breccia,  vermittelst  rother  Flecke  und  Mar- 
morirung  auf  gelblichem  Grunde. 

Diese  Imitationen  scheinen,  wenigstens  was  Aegypten  anlangt,  für  die  kunst- 
geschichtliche Primogenitur  der  Steingefässe  zu  sprechen,  deren  Gebrauch  unter 
den  hamitischen  Wüsten-Völkern  von  Ober-Aegypten  (Ababde  und  Bischarin)  sich 
bis  auf  den  heutigen  Tag  in  den  allgemein  gebräuchlichen  Rochtöpfen  aus  Talk- 
schiefer erhalten  hat.  Mit  engen  Spiralen  dicht  bedeckte  GefUsse  bringen  den 
Nummulitenkalk  zur  Anschauung,  und  an  einem  eiförmigen  Töpfchen  von  Thon- 
erde  (Flinders  Petrie,  XXXV,  Fig.  66)  kommen  ganz  deutlich  die  schwarzen 
Schriftmuster  des  Eies  der  Seeschwalbe  (Stema)  zum  Ausdruck  durch  in  Fett- 
Schrift  angebrachte  gleichsam  arabische  oder  vielmehr  sassanidische  SchriftzUge. 

Ich  habe  noch  eine  andere  Verzierungsweise  der  aus  den  troglodytischen 
Gräbern  stammenden  Thongefässe  zu  erwähnen,  die  gleichfalls  auf  meiner  Tafel 
keinen  Platz  fand,  die  aber  in  mehreren,  in  den  Werken  vonp  Flinders  Petrie 
und  de  Morgan  gegebenen  Abbildungen  deutlich  zur  Darstellung  gelangt.  Es  ist 
das  Flechtmuster,  das  plegmatische,  das  hier,  unterstützt  von  der  den  Töpfen  er- 
theilten  Form,  das  Bestreben  verräth,  in  täuschender  Nachbildung  thöneme  Körbe 
zu  gestalten.  Man  betrachte  nur  das  auf  Tafel  IX,  Fig.  1,  des  de  Morgan^ sehen 
Werkes  (Origines  de  TEgypte)  abgebildete  Geiass.  Es  bietet  das  vollkommenste 
Abbild  eines  jener  grossen  Milchkörbe,  wie  sie  die  heutigen  Somal  mit  so  grossem 
Geschick  aus  den  ^zähen  Wurzeln  des  strauchartigen  Asparagus  retroflexus  F.  zu 
flechten  wissen. 


(393) 

Die  Korbflechterei  erweist  sich  hier  ganz  klar  und  deutlich  als  die  frühere 
der  Künste  und  als  Mutter  der  Thonbildnerei.  Eine  solche  Zierform  auf  Thon- 
gefässen  ist  ja  nicht  auf  Africa  beschränkt,  sie  gehört  der  ganzen  Erde  an,  und 
unsere  Sammlungen  aus  der  nordischen  Steinzeit  enthalten  prächtige  Beispiele 
solcher,  mit  allen  Einzelheiten  ausgeführten  Nachahmungen  Ton  Körben  aus  ge- 
branntem Thon. 

Das  auf  körperlichem  Gleichgewicht  beruhende  Gefühl  für  Symmetrie  steckt 
tief  im  Menschen  wegen  des  bilateralen  Baues  seines  Körpers;  der  aus  diesem 
Gefühl  erwachsene  Instinct  bethätigt  sich  in  den  tektonischen  Trieben,  die  nicht 
den  alleinigen  Vorzug  des  Menschen  ausmachen.  In  dem  Häufen  und  Schichten, 
im  Zusammenfügen  Ton  Baukörpem,  in  Nesteln,  Flechten  und  Mauern  treten  diese 
Triebe  in  Wirksamkeit,  aber  gewiss  wird  auch  der  Naturmensch  bereits  auf 
frühester  Stufe  darin  durch  die  zahllosen  Vorbilder  bestärkt  worden  sein,  die  ihm 
die  Thierwelt  darbot,  zumal  in  Africa,  wo  ihm  die  grossen  Burgen  der  weissen 
Ameise,  hoch  in  den  Zweigen  die  Blätterbauten  der  Baum-Termite,  die  abenteuer- 
lichen Gestalten  der  Vogelnester  bis  hinab  zu  den  winzigen  Steinhütten  der  Mauer- 
Wespe,  wo  ihm  schliesslich  die  Wühlarbeit  und  die  Höhlenbauten  einer  Schaar 
nächtlicher  Vierfüssler  auf  Schritt  und  Tritt  begegnen.  Ans  den  Leistungen  der 
Thierwelt  bereichert  sich  seine  Erfahrung,  der  Mensch  lernt  von  allen,  und  so, 
wie  er  aus  den  vieltönigen  Lauten  der  Thiere  die  Elemente  seiner  Sprache  zu- 
sammenstellte, ebenso  fand  sein  Nachahmungstrieb  in  der  Formenfülle  der  Lebe- 
welt zahllose  Vorbilder  zur  Bethätigung  von  Kunst  Der  Korb  ist  gleichsam  das 
vervollkommnete  Modell  der  Hütte,  die  er  sich  zu  eigenem  Schutze  erbaute,  daher 
prägte  sich  ihm  auch  dieses  Muster  am  tiefsten  ein,  und  so  entstand  das  textiU 
geometrische  Ornament. 

Unter  den  Motiven,  in  denen  die  geometrische  Stilart  gipfelt,  steht  das  Dreieck 
obenan.  Auf  meiner  Tafel  1  ist  dasselbe  in  jener  doppelten  Horizontal-Schichtung 
abwechselnder  Reihen  zu  sehen,  wie  sie  der  Verzierungsweise  der  Thongefässe  der 
troglodytischen  Gräber  besonders  eigen  ist.  Auch  einfache  Horizontalreihen  von 
Dreiecken,  sowohl  in  farbiger  Ausfüllung  als  auch  in  schraffirter,  gestrichelter, 
punktirter  und  dergl.  Linien-Ausfüllung  sind  nicht  minder  häufig.  Das  Dreiecks- 
Motiv  gehört  ja  der  ganzen  Welt  an,  namentlich  aber  bildet  es  das  Lieblings- 
Muster  aller  Negervölker,  sowohl  afrikanischer,  wie  auch  australisch-polynesischer. 
Am  häufigsten  ist  seine  Verwendung  auf  Thonkrügen  und  auf  hölzernen  Trink- 
gelassen, dann  aber  vornehmlich  auf  solchen,  die  dem  Flaschen-Kürbis  entlehnt 
wurden.  Einfache  und  parallele  Zickzack-Linien  gehören  derselben  Kategorie  an 
and  mögen  gleichen  Ursprungs  sein.  Als  eine  aufgelöste  Form  dieser  Linien  mag 
das  auf  der  Tafel  über  der  Barke  auf  beiden  Seiten  in  schrägen  Reihen  zu  sehende 
ZZZZ-,  NNNN-  oder  SSSS-Motiv  zu  betrachten  sein.  Dasselbe  findet  häufige  Ver- 
wendung auf  altgriechischen  Gefässen  (das  N-Zeichen  hier  auch  im  Negativ  seiner 
Gestaltung),  tritt  aber  dort  in  horizontal  gestellten  zusammenhängenden  Reihen 
zwischen  Parallel -Linien  auf,  während  es  hier  als  willkürliches  AasfUllang»- 
Ornament  in  kurzen  und  weniggliedrigen  Reihen  zwischen  den  Einzelbildern  er- 
scheint und  den  Schein(!)  erweckt,  als  hätte  die  kindische  NachäfTung  einer  sein- 
sollendcn  Schrift  zu  seiner  Entstehung  Veranlassung  gegeben. 

Eine  nicht  minder  häufige  Zierform  des  troglodytischen  Töpferstils  nmcht  die 
enge  Spirale  aus,  deren  Deutung  im  Zusammenhange  mit  Nummuliten  bereits  ge- 
dacht wurde,  einer  Deutung,  welcher  die  auch  in  diesem  Falle  unsymmetrische 
lose  Anordnung  des  Motivs  zur  Seite  steht  In  Reihen  gestellte  Spiralen  spielet 
dagegen   eine   grosse  Rolle   unter   den   Ornamenten   der  trojanischen  Thonvasen 


(399) 

(VI,  Ansiedelung),  während  die  altgriechischen  Gefiisse  der  vororientalisirenden 
Epoche  nur  concentrische  Kreise  oder  solche  za  kennen  scheinen,  die  durch  Bogen- 
linien  unter  einander  in  Verbindung  stehen. 

Am  unteren  Ende  der  Tafel  1  gewahrt  man  yiereckige  Figuren,  die  sich  sehr 
häufig  als  loses  Ornament  zwischen  den  übrigen  Motiven  zerstreut  auf  den  Töpfen 
vorfinden.  Flinders  Petrie  hat  dieselben  als  Segel  gedeutet,  allein  nirgends  finden 
sie  sich  im  Zusammenhang  mit  den  so  häufigen  Barken  angebracht.  Man  hat  sie 
auch  als  aufgespannte  Thierhäute  auffassen  wollen,  eine  Deutung,  die  nur  insofern 
zulässig  erscheint,  als  die  Häute  Schilde  vorstellen,  die  nach  Analogie  derjenigen 
der  Dinka,  Bari,  RafTern  und  anderer  Stämme,  vermittelst  eines  eingefügten  Längs- 
stabes, dessen  Spitze  in  Aegypten  ein  Wappensymbol  trägt,  ihren  Halt  gewinnen.  — 

Ich  komme  nun  zu  den  Thierg estalten,  die  dieser  Ornamentik  ein  so  fremd- 
artiges Aussehen  verleihen.  Unter  ihnen  treten  zunächst  die  besonders  häufigen 
Reihen  zusammenhängender  und  stilisirter  Vogelschemen  hervor.  Es  ist  der 
Strauss,  der  hier  wie  ein  Wappenthier  als  Symbol  der  Wüste  in  ebenso  auffalliger 
Häufigkeit  sich  wiederholt,  wie  in  den  „graffiti^  der  oberägyptischen  Wüsten,  den 
in  Sandstein  und  auch  in  Granitfelsen  eingeritzten  Thierbildem,  die  zum  Theile 
den  ältesten  Epochen  angehören.  Als  eine  Folgewirkung  der  gewerbsmässigen, 
auf  ein  zeitersparendes,  abgekürztes  Verfahren  bedachten  Manufactur  begegnet  uns 
das  Princip  des  Generalisirens  der  Einzelheiten  bei  den  in  Spiralen  auslaufenden 
Köpfen  der  Strausse  gerade  ebenso,  wie  bei  den  gleichfalls  spiralig  endenden  Bogen- 
linien  der  Tänzerinnen,  die  das  Mittelstück  der  Tafel  einnehmen.  Diese  Vogel- 
roihen  bieten  eine  frappante  Analogie  mit  der  bereits  erwähnten  altnordeuropäischen 
Ornamentik  der  griechischen  Urzeit  dar,  von  der  uns  zuerst  Gonze  in  den  ^Sitzungs- 
berichten der  k.  k.  Akademie  1870  und  1873"  zahlreiche  Proben  durch  Wort  und 
Bild  zur  Anschauung  gebracht  hat.  Da  sehen  wir  dieselben  schcmatisirten  Vogel- 
reihen (Kraniche  und  Gänse)  neben  Pferden,  Steinböcken  und  anderen  europäischen 
Vierfttsslem;  auch  fehlt  es  nicht  an  vereinzelten  TS-Zeichen  bei  den  Kranichen  (auf 
einer  zweihenkeligen  Schale  zu  Leiden,  H,  1554).  Uorizontalreihen  von  Kranichen 
finden  sich  auch  auf  altgriechischen  Schalen  aus  dem  Peloponnes  (Seh lie mann, 
Samml.  8872  in  Berlin).  Allein  abgesehen  von  der  Grundverschiedenheit  der  Ge- 
fusse  selbst,  bieten  die  rein  geometrischen  Motive  dieses  Stils  unversöhnliche 
Gegensätze  zu  demjenigen  der  troglodytischen  Zierweise.  Der  letzteren  fehlen 
namentlich  die  Sterne,  die  Mäander,  die  durch  Bogenlinien  verbundenen  Kreise, 
die  concentrischen  Kreise  u.  A.  Auch  sind  die  Thiergestalten  nur  ausnahmsweise 
in  ein  lineares  Schema  aufgelöst,  sie  erscheinen  gewöhnlich  in  voller  Ausfüllung 
des  Körper-Umrisses;  das  umgekehrte  Verhältniss  greift  aber  in  der  alteuropäischen 
Ornamentik  Platz. 

Von  Säugethieren  sieht  man,  abgesehen  vom  Elephanten  der  Stadtzeichen,  nur 
grössere  Antilopen  der  südlichen  Gegenden  zur  Darstellung  gebracht,  und  zwar 
sowohl  in  Horizontalreihen  um  die  Gefasse  herumlaufend,  als  auqh  gesondert  als 
zerstreute  Einzelfiguren.  Man  erkennt  unter  ihnen  die  Säbel-  und  Beisa -Antilope 
(Oryx  leucoryx  und  Oryx  Beisa),  femer  Addax-Antilopen,  beziehungsweise  Wasser- 
böcke, vielleicht  auch  Kudus.  Der  letzteren  Kategorie  mit  langem,  s-förmig  ge- 
schwungenem Gehörn  gehören  die  yier  auf  unserer  Tafel  wiedei^gegebenen  Einzel- 
bilder an.  Nach  vom  gekrümmte  Gliedmaassen,  wodurch  offenbar  die  laufende 
Bewegung  zum  Ausdrack  gebracht  werden  sollte,  überraschen  den  Beschauer, 
während  bei  den  in  Reihen  angeordneten  Antilopen- Bildem  gerade  Extremitäten 
Torwalten;  in  jedem  Falle  entbehren  die  Figuren  jenes  charakteristisch  gespreizten 


(400) 

Paradcscbriltes,    der  den  Figuren  des  späteren  ägyptischen  Stils  einen  so  eigen- 
artigen Ausdruck  verleiht. 

Die  beiden  Reptilien  (Krokodil  und  [?] Chamäleon,  beziehungsweise  Schleuder- 
schwanz), welche  die  Tafel  enthält,    bieten,    wie  die  Tänzericnen,   die  innerhalb 
des   ägyptischen   Canons   unerhörte  Horizontal -Projection  des  Thierkörpers,   hier 
vom  Rücken  aus  gesehen,  mit  ausgebreiteten  Extremitäten.    Die  ägyptische 

t  Bilderschrift  hat  vielleicht  nur  ein  Beispiel  dieser  Art  von  en  face-Dar- 
stellung,  nehmlicb  die  Hieroglyphe  des  Gesichts  und  die  der  Gesichts- 
theile,  wie  Auge,  Ohr  und  Mund. 

Dieser  reiche  Bildschmuck  auf  mindcrwerthigen  Gefässen  spricht  deutlich 
genug  für  die  bereits'  damals,  in  einer  für  uns  gleichsam  vorgeschichtlichen  Zeit, 
die  festen  Bahnen  eines  bestimmten  Stils  andrehende  Richtung,  der  eine  lange 
Kunstgewöhnung  im  Naturzeichnen  vorhergegangen  sein  muss. 

Sechstausend  Jahre  bevor  sie  zu  den  Griechen  gelangte,  soll  die  Zeichenknnst 
(pictura),  so  behaupteten  die  Aegypter,  bei  ihnen  bereits  erfunden  gewesen  sein, 
meldet  Plinius  (XXXV,  5);  aber  er  beeilt  sich  hinzuzufügen:  „Offenbar  eine  leere 
Aufschneiderei I^  Dass  es  damit  doch  eine  andere  Bewandtniss  habe,  lehren  die 
ägyptischen  Funde  der  letzten  Jahre;  denn  es  ergiebt  sich  für  diese  Darstellungs- 
weise auf  Thongefässen,  wenn  man  sie  als  bis  in  die  Zeiten  vor  Menes  hinauf- 
reichend betrachtet,  immerhin  doch  ein  Abstand  von  3000  Jahren,  der  sie  von  der 
Epoche  von  Mykene  scheidet.  Die  merkwürdigste  Leistung  dieser  Zeichenkunst 
sind  jedenfalls  die  drei  Frauenßgaren,  die  aus  der  Mitte  unserer  Tafel  1  vor  allen 
anderen  die  Blicke  des  Beschauers  auf  sich  lenken.  Tänzerinnen  sind  da  en  face 
in  höchst  wirkungsvoller  Weise  zum  Ausdruck  gebracht,  und  zwar  in  der  für  ihre 
heutigen  Tages  noch  Geltung  habende  Kunstweise  durchaus  bezeichnenden  Stellung. 
Mit  geschlossenen  oder  genäherten  Füssen  stehen  sie  stramm  und  unbeweglich  auf 
einem  Punkt,  nur  mit  der  oberen  Körperhälfte  ihre  Bewegungen  ausführend.  Das 
Mittel  der  Bogenlinie  zur  Yeranschaulichung  ihrer  Bewegung  bewährt  sich  auch 
hier  in  der  Stilisirung  der  Arme.  Die  übertriebene  steatopyge  Hüftenbildung  er- 
innert an  die  Tempel bilder  von  Der-el-bahari  bei  Theben,  welche  die  Puntfahrtcn 
verherrlichen  sollen  und  wo  das  afrikanische  Fettweib  (die  sogenannte  Hotten- 
totten-Venus) eine  hervorragende  Rolle  spielt.  Den  übrigen,  gleichfalls  in  Voll- 
zeichnung ausgeführten  menschlichen  Figuren  ist  auf  den  troglodytischen  Töpfen 
nur  eine  Nebenrolle  zugewiesen.  Es  sind  Kinder  und  Männer,  in  schreitender  Be- 
wegung gezeichnet,  mit  Stäben  und  mit  Bogen  in  der  einen  Hand. 

Als  Hauptstück  der  Bild  Verzierung  und,  wie  auf  unserer  Tafel  I,  den  grösstcn 
Thcil  der  Fläche  beanspruchend,  tritt  auf  den  meisten  grösseren  Thonvasen  die 
stilisirte  Barke  auf.  Als  deutliche  Schriftwerdung  einer  ägyptischen  Idee  verrätli 
diese  auf  den  troglodytischen  Gefässen  wirksamste  und  eigenthümlichste  aller  Zier- 
formen ein  Zurückweichen  des  ägyptischen  Cultus  in  die  für  uns  vorgeschicht- 
lichen Zeiten  vor  Menes  und  eröffnet  uns  den  Einblick  in  chronologische  Tiefen 
von  ungeahnter  Ausdehnung.  Die  Barke  selbst  tritt  überall  in  derselben  Dar- 
stellungsweise entgegen. 

Ausnahmslos  zeigt  das  Barkenbild  dem  Beschauer  die  Backbordseite.  Da  die 
Aegypter  gewohnt  waren,  sich  nach  Süden  zu  orientiren  und  links  (backbord)  für  sie 
Osten,  rechts  aber  Westen  war,  so  scheint  aus  der  Stellung  der  Barken  hervor- 
zugehen, dass  man  sie  sich  in  stromaufwärts  gerichteter  Fahrt  dachte.  Die  sehr 
zahlreichen  Ruder  sind  in  zwei  Gruppen  getrennt,  in  eine  vordere  und  eine  hintere. 
Drei  grössere  Ruder  werden  am  hintersten  Theil  als  Steuer  sichtbar.  Das  Verdeck 
trägt  in  der  Mitte  stets  zwei  Cabinen,  die  durch  eine  Brücke  verbunden  sind.   Die 


/ 


,         (401) 

hintere  hat  an  ihrem  Hinterende  stets  einen  Flaggenstock  befestigt,  dessen  Fahne 
durch  zwei  Striche  markirt  wird,  während  die  Spitze  von  einem  das  Stadtwappen 
charakterisirenden  Symbol  gekrönt  ist. 

DerEIephant,  und  zwar  der  geschirrte,  also  gezähmte  (!)  Elepbant,  dessen  Bild 
auf  dem  Flaggenstock  der  abgebildeten  Barke  zu  sehen  ist,  war,  wie  längst  be- 
kannt, das  uralte  Symbol  der  Insel  Elephantine.  Am  Bug  der  Barken  lässt  sich 
das  hängende  Ankertau  erkennen,  und  stets  ist  der  Schiffsschnabel  mit  einem 
doppelten  Palmwedel  geschmückt,  der  sich  im  Bogen  nach  rückwärts  biegt.  Eine 
Anzahl  verschiedenen  Barkenbildem  entlehnter  Flaggenstangen  mit  Stadt-  oder 
Gauwappen  sind  an  beiden  Seiten  der  Tafel  zur  Anschauung  gebracht,  unter  deren 
Emblemen  sich  einige  bekannte  Hieroglyphen-Zeichen  verrathen.  — 

Hr.  Rud.  Virchow:  Die  Darstellung  des  Hrn.  Schweinfurth  scheint  mir 
durch  ihre  Klarheit  und  durch  die  Sicherheit  ihrer  naturwissenschaftlichen  Unter- 
lagen Ton  überzeugender  Gewalt  zu  sein.  Hoffentlich  wird  sie  in  ähnlicher  Weise 
auch  auf  die  Aegyptologen  Tom  Fach  wirken.  Für  mich  war  es  nicht  schwer, 
unserem  scharfsinnigen  Freunde  auf  seiner  weiten  Wanderung  durch  botanische 
und  philosophische  Gebiete  zu  folgen,  da  ich  schon  von  meiner  ägyptischen  Heise 
die  Ueberzeugnng  mitgebracht  hatte,  dass  die  Cultur  in  dem  alten  Lande  der 
Pharaonen  nicht  erst  mit  Menes  begonnen  haben  könne.  In  einer  Vorahnung,  die 
mich  jetzt  selbst  überrascht,  sagte  ich  in  der  Sitzung  vom  21.  Juli  1888  (Verhandl. 
S.  391):  „Die  Möglichkeit  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  unter  den  gewaltigen 
Schuttbergen,  welche  die  Hauptstädte  des  alten  Reiches,  Memphis  und  Thinis 
(Abydos),  noch  jetzt  bedecken,  prähistorische  Plätze  und  Gräber  verborgen  liegen.'' 
Nun  ist  es  gerade  Abydo9  gewesen,  welches  die  grössten  Aufschlüsse  über  die 
vormenesische  Zeit  geliefert  hat,  und  ich  freue  mich  herzlich  darüber.  Weiterhin 
hatte  ich  die  prähistorischen  Reminiscenzen  besprochen,  welche  sich  in  der  Tracht 
und  den  Geräthen  der  alten  Aegypter  erkennen  lassen,  und  welche  darauf  hin- 
deuten, dass  ^es  eine  Zeit  gegeben  haben  muss,  wo  Nomaden  das  Land  durch- 
streiften und  ein  sesshaftes  Leben  im  Sinne  der  historischen  Zeit  noch  nicht  aus- 
gebildet war^.  „Zur  Aufklärung  der  damaligen  Verhältnisse^,  fügte  ich  hinzu, 
„würde  es  erforderlich  sein,  die  Geschichte  der  Thiere  und  der  Pflanzen  mit  be- 
sonderer Rücksicht  auf  die  Frage  ihrer  Indigenität  und  ihres  Importes  einer  ge- 
naueren Erörterung  zu  unterziehen^  (ebendas.  S.  302).  Ich  schloss  damit,  dass 
nach  meiner  Auffassung  die  altägyptische  Rasse  selbst  eingewandert  sei,  und  zwar 
in  vorhistorischer  Zeit  (S.  393).  Nachdem  jetzt  Hr.  Schweinfurth  die  Aufmerk- 
samkeit nicht  bloss  auf  die  asiatischen  (südarabischen)  Einflüsse,  wie  ich  annehme, 
in  unerschütterlicher  Weise  gelenkt,  sondern  auch  ursprünglich  afrikanische  (nu- 
bische)  Einflüsse  nachgewiesen  hat,  wird  die  neue  Epoche  der  vorgeschichtlichen 
Forschung,  die  so  glänzend  eingeleitet  ist,  sicherlich  mit  jedem  Jahre  neue  Er- 
trüge zu  verzeichnen  haben,  und  wir  müssen  nur  bedauern,  dass  gerade  einer  der 
thätigsten  Arbeiter  auf  diesem  Gebiete,  unser  correspondirendes  Mitglied  Hr. 
de  Morgan,  von  diesem  Felde  seiner  Forschungen  abberufen  worden  ist.  Hrn. 
Schweinfurth  werden  wir  auf  seiner  neuen  Reise  mit  den  hoffnungsvollsten  Er- 
wartungen begleiten.  — 

3.   Bericht  des  Hrn.  Rud.  Virchow  über 

die  Kopfhaare  aus  den  prählsior Ischen  Gräbern  Ober-Aegyptens. 

Eine  der  Hauptfragen,  welche  durch  die  Funde  des  Hrn.  Flinders  Petrie  und 
der  französischen  Untersucher  hervorgetreten  war,   betraf  die  Zugehörigkeit  der- 

Ttrliudl.  der  B«rl.  AntbropoL  OetelUebaa  1897.  26 


(402) 

t 

jenigen  Bevölkerung,  welche  die  nunwehr  aufgedeckten  prähistorischen  Gräber  er- 
richtet hatte,  zu  den  sonst  bekannten  Stämmen  des  Landes.  Hr.  Petrle  hatte 
dieselbe  dem  libyschen  Stamme  zugerechnet  und  sie  damit  im  Gegensatze  zu  der 
haraitischen  Bevölkerung  als  eine  ,,rremde^  Rasse  bezeichnet.  Eines  der  auf- 
fälligsten Merkmale  dafür  schien  in  der  Farbe  des  Haupthaares  zu  liegen.  Da  nun 
unter  den  neuerlich  gesammelten  Haar- Proben  blond  aussehende  zahlreich  ver- 
treten waren  und  die  alten  Aegypter  in  ihren  Wandgemälden  solche  Haare  den 
Libyern  beigelegt  hatten,  so  war  es  ein  Gegenstand  ersten  Interesses  festzustellen, 
ob  e^  sich  hier  in  der  That  um  blondes  Haar  handle  oder  ob  ursprünglich  dunkles 
Haar  auf  irgend  eine  Weise  gelichtet  worden  sei  ^). 

Hr.  Schwein furth  selbst  war  geneigt,  das  Letztere  anzunehmen.  In  einem 
Briefe  vom  2.  Juli  bemerkt  er:  ^Nach  Analogie  der  Somal,  bei  denen  das  Haar- 
farben sehr  im  Schwünge  ist,  wird  man  zunächst  an  3  Procedurcn  beim  Färben  zu 
denken  haben: 

1.  ungelöschten  Kalk, 

2.  Urin, 

3.  Henna." 

Er  hat  nun  eine  Reihe  von  Proben  des  von  den  HHrn.  Lampre  und  Legrain 
gosammelten  Haares  aus  prähistorischen  (neolithischen)  Gräbern  an  mich  gelangen 
lassen,  die  Mehrzahl  vom  Gebel  Silsileh  (Silsilis),  wo  das  Haar  auf  kleinen  flachen 
Schalen  oder  Tellern  neben  den  Leichen,  wie  man  annahm,  als  Opfergabe  auf- 
gestellt war.  Einzelne  Büschel  sind  direct  vom  Kopfe  der  Leichen  oder  aus  dem 
Erdboden  entnommen. 

Färbung  durch  Ilenna  muss  nach  dem  Ergebniss  der  von  Hrn.  Salkowski 
angestellten  chemischen  Untersuchung  direct  ausgeschlossen  werden.  Ebenso  ist 
nach  der  mikroskopischen  Untersuchung:  jede  andere  Färbung  durch  einen  wirk- 
lichen Farbstoff  abzuweisen.  Nirgends  zeigen  diese  Haare  einen  farbigen  üeberzug 
oder  einen  äusseren  Niederschlag;  vielmehr  sind  sie  durch  und  durch  gleichmässig 
gefärbt.  Auch  die  gelben  Haare  lassen  keine  Spur  von  körnigem  Pigment  er- 
kennen, wie  es  sonst  so  häufig  in  der  Rinde  und  in  dem  Mark  gefunden  wird. 
Das  scheinbar  dunkle  Aussehen  der  Markstreifen  im  durchfallenden  Licht  verliert 
sich  bald  nach  der  Einwirkung  kaustischer  Flüssigkeiten;  es  ist  nur  durch  Lufi- 
einlaji:erung  hervorgebracht. 

Was  die  Frage  nach  der  Entfärbung  durch  ungelöschten  Kalk  oder  Urin  be- 
trifft, so  ist  dieselbe  direct  kaum  zu  lösen,  da  nach  so  vielen  Jahrtausenden  die 
ursprüngliche  Einwirkung  so  leicht  löslicher  Substanzen  schwerlich  mehr  ermittelt 
werden  kann.  Es  giebt  aber  ein  anderes  Motiv,  welches  Bedeutung  haben  dürfte. 
Fast  alle  mir  übergebenen  Proben,  abgesehen  von  den  ganz  farblosen  (weissen), 
sind  nur  partiell  entfärbt.  Gewöhnlich  besteht  ein  grosser,  zuweilen  der  grössere 
Theil  der  Haare  aus  schön  gewundenen,  „frisirten**  Büscheln,  oder,  wie  man  geradezu 
sagen  kann,  aus  Locken,  viele  von  beträchtlicher  Länge  und  von  ausgemacht 
schwarzer,  häufig  freilich  sehr  matt  aussehender,  zuweilen  jedoch  so  glänzender 
Farbe,  dass  man  dieselben  als  „frisch**  bezeichnen  kann.  Unter  diesen  Locken 
finden  sich  einzelne,  die  in  allen  Nuancen  von  Hellbraun  bis  zu  wirklichem  Blond 
glänzen.  Nicht  selten  ist  das  Ende  (die  Spitze)  einer  solchen  Locke  allein  gelb, 
der  übrige  Theil  noch  schwarz.  Ich  halte  das  für  einen  offenbaren  Beweis,  dass 
die  Entfärbung  nicht  im  Leben  der  Individuen  stattgefunden  hat,  da  alle  uns  be- 
kannten ^Frisuren"    dieser  Art  gleichmässig  tiber  das    gesammte  Haar  sich  aus- 

1)  Vorgl.  nioint'  R.ni^'rkungen  übor  <las  Haar  <Ut  Alino  ;Vcrhandl.  18%,  S.  ltH'»\ 


(403) 

dehnen.  Offenbar  ist  diese  partielle  Entfärbung  erst  nach  der  Bestattung  der 
Leichen  eingetreten,  und  zwar  da,  wo  die  Bodenfeuchtigkeiten  zu  dem  Haar  Zu- 
tritt fanden. 

Durch  welche  Eigenschaft  die  Bodenfeuchtigkeit  derartige  Wirkungen  hervor- 
bringt, ist  nicht  genau  bekannt.  Wir  kennen  jedoch  eine  Substanz,  deren  Wirkung 
äussei-st  prompt  ist,  nehmlich  das  Wasserstoff-Superoxyd.  Hr.  Salkowski 
hat  eine  besondere  Reihe  von  Versuchen,  sowohl  mit  frischem  Haar,  als  mit  dem 
aus  den  ägyptischen  Gräbern,  angestellt,  welche  ganz  positive  Resultate  ergaben. 
Es  mag  nun  dahingestellt  bleiben,  ob  Wasserstoff-Superoxyd  sich  spontan  im  Boden 
entwickelt  oder  ob  andere  Substanzen,  z.  B.  Kalk,  die  Haare  angreifen,  in  jedem 
Falle  genügt  die  Erklärung,  dass  es  sich  hier  um  eine  posthume  Veränderung 
handelt.  Dabei  ist  besonders  bemerkenswerth,  dass  unter  dieser  Veränderung  das 
körnige  Pigment  sich  gänzlich  auflöst  und  die  restirende  Farbe  als  eine  gleich- 
massige,  diffuse  sich  darstellt. 

Je  nach  der  Stärke  der  Veränderung  lässt  sich  noch  eine  andere  Besonderheit 
wahrnehmen.  Wenn  man  unter 'dem  Mikroskop  zu  den,  gewöhnlich  schon  durch 
ihre  grosse  Brüchigkeit  ausgezeichneten  Haaren  eine  alkalisehe  Lauge  treten  lässt, 
so  gewahrt  man  ein  schnelles  Aufquellen  derselben,  wobei  auch  die  noch  sicht- 
baren Markstreifen  alsbald  verschwinden;  fügt  man  dann  Wasser  hinzu,  so  sieht 
man  ein  stärkeres  Aufquellen  und  zuweilen  eine  vollständige  Auflösung  der  Haar- 
substanz, und  zwar,  wohl  bemerkt,  schon  in  der  Kälte.  Der  Gegensatz  gegen  die 
noch  nicht  so  stark  angegriffenen  Haare,  welche  der  Kalilauge  Widersland  leisten, 
ist  höchst  auffällig.  Der  Einfluss  zersetzender  Substanzen  macht  sich  auch  da- 
durch bemerklich,  dass  an  der  Oberfläche  der  brüchigen  Haare  eine  Art  von  (post- 
humer)  Abblätterung  stattfindet,  indem  die  äussersten  Rindenlagen  sich  lockc^rn,  die 
einzelnen  Hornplättchen  lose  werden  und  endlich  sich  abtrennen,  wodurch  der 
Haarschaft  zusehends  dünner  wird. 

Obwohl  allerlei  fremdartige  Bestandtheile,  z.  B.  Federn,  gelegentlich  zwischen 
4 Ion  Haaren  vorkommen,  so  besteht  doch  der  Hauptantheil  aus  menschlichem,  meist 
langem  und  gelocktem  Haar.  Darunter  ist  nur  die  grosse  Anzahl  sehr  dünner  Haare 
auffällig,  wie  sie  sonst  mehr  im  Unterhaar  sich  finden;  sie  sind  vorzugsweise  die 
Träger  der  gelben  Farbe,  während  die  stärkeren  Exemplare  in  der  Regel  tief  braun 
aussehen.  Da,  wo  Markstreifen  erhalten  sind,  haben  sie  geringe  Stärke  und  sind 
häufig  unterbrochen.  Aus  manchen  Gräbern  sind  Klumpen  aüs  gelocktem  Haar, 
<las  fast  den  Eindruck  macht,  als  sei  es  absichtlich  aufgewickelt  oder  zusammen- 
gepresst,  in  grösserer  Anzahl  vorhanden.  Darunter  befinden  sich,  wie  erwähnt, 
nicht  selten  ganz  farblose,  weiss  oder  grau  aussehende  Ballen.  Sie  hatten  schon 
<lie  Untersucher  der  Gräber  zu  der  Frage  geführt,  ob  hier  nicht  Haare  von  Thieren, 
namentlich  von  Ziegen  oder  Gazellen,  beigemengt  seien,  —  eine  Vermuthung, 
welche  dadurch  gestützt  wurde,  dass  zwischen  ihnen  hautartige  Fetzen,  die  noch 
mit  Haaren  besetzt  waren,  in  grösserer  Zahl  vorkamen.  Nicht  ohne  Grund  ver- 
muthete  man  darin  die  Reste  von  Thierfellen. 

In  der  That  hat  sich  in  verschiedenen  Proben  Ziegenhaar  nachweisen  lassen. 
Die  betreffenden  Klumpen  waren  gewöhnlich  farblos  oder  weiss,  zuweilen  braun, 
roth  oder  gelblich,  die  Haare  sehr  grob  und  mehr  gestreckt.  In  den  einzelnen 
Haaren  zeigte  das  Mikroskop  die  breiten,  mit  deutlichen  Markzellen  ausgefüllten 
Markröhren,  wie  sie  das  Haar  unserer  Ziegen  enthält.  Dies  war  namentlich  der  Fall 
in  Gräbern  vom  Gebel  Silsileh,  wo  neben  der  „contracten*",  „in  Embryonalstellung 
liegenden"  Leiche  Opferteller  mit  Haar  aufgestellt  waren  (Nr.  25).  Das  Haar  der  Leiche 
bildete  sehr  dunkle,  wollige  Locken;  die  einzelnen  Fäden  hatten  dicke,  dunkle,  mit 

26* 


(404) 

hellbraunen  Markzcllen  gefüllte  Markröhren.  In  einem  anderen  Grabe  (Nr.  3),  das  bei 
Negada  im  Norden  vom  Gebel  Silsileh  aufgedeckt  und  der  älteren  neolithischen 
Zeit  zugerechnet  war,  fanden  sich  einzelne  Getreidekörner,  die  man  als  Weizen 
deutete;  mir  schienen  sie  mehr  der  Gerste  zu  entsprechen.  Das  vermuthcte  Ziegen- 
haar wurde  an  dieser  Stelle  nicht  gefunden,  wohl  aber  gelbe  und  braune,  meist  sehr 
zarte  Haare,  viele  ohne,  einige  mit  Markstreifen.  Ebenso  wenig  traf  ich  Ziegenhaar 
unter  den  sehr  reichlichen  Haarkiumpen  aus  dem  Grabe  Silsileh  Nr.  10,  die  theils  im 
Erdboden,  theils  in  kleinen  flachen  Gefässen  gelegen  hatten.  Wegen  der  sehr  ver- 
schiedenen Farbe  (grau,  rötblich,  gelbgrau,  kastanienbraun,  aber  nicht  eigentlich 
blond)  der  ziemlich  langen  Haare  war  die  Versuchung,  hier  Thierhaar  zu  sehen, 
besonders  gross;  ich  vermochte  jedoch  kein  deutliches  Thierhaar  zu  unterscheiden. 

Eine  wirkliche  „Färbung''  sah  man  an  einem  menschlichen  Schläfenbein  vom 
Gebel  Silsileh  (Nr.  13),  welches  offenbar  angebrannt  war.  Es  zeigte  einen  feinen 
Ueberzug  von  Eisenrost  und  dickere  Rohlenbeschläge,  am  Warzenfortsatz  an- 
geschmolzenes Harz.  —  Einige  Haare  (Nr.  4),  die  auf  dem  Scheitel  eines  Bega- 
Schädels,  gefunden  1897  bei  Assuan,  angeklebt  gewesen  waren,  zeichneten  sich 
durch  ihre  Feinheit  und  ihre,  unter  dem  Mikroskop,  intensiv  gelbe  Farbe  aus;  die 
Markstrahlen  waren  vielfach  unterbrochen.  Natron-Lauge  löste  diese  Haare  nicht. 
Hier  zeigte  sich  also  ein  erkennbarer  Unterschied  der  Haare  aus  neueren  Gräbern 
gegenüber  den  prähistorischen. 

Alles  zusammengenommen,  darf  man  also  wohl  schliessen,  dass  Spuren  einer 
wirklich  blonden  Bevölkerung  hier  nicht  zu  Tage  gekommen,  dass  viel- 
mehr die  gelben,  gelbgrauen  und  grauen  Haare  in  der  Erde  nachträglich  entfärbt 
worden  sind.  Gleichzeitig  haben  sie  jene  auffallende  BrUchigkcit  und  jene  Lös- 
lichkeit in  kalten  Laugen  erlangt,  wodurch  sie  sich  von  frischem  Haar  so  wetentlich 
unterscheiden.  Noch  mehr  Werth  lege  ich  darauf,  dass  sie  unter  dem  Mikroskop 
eine  gänzlich  homogene,  verwaschene  Färbung  zeigen,  die  nach  meiner  Auffassung 
nur  durch  die  Auflösung  früherer  Pigmentkömcr  bedingt  sein  kann.  Auch  ist  diese 
diffuse  Färbung  sehr  häufig  so  intensiv  goldgelb,  wie  sie  natürlicherweise  an 
blondem  Haar  nicht  vorkommt.  Dabei  besitzt  keine  einzige  der  eingelieferten 
Proben  eine  gleichmässige  Farbe;  es  sind,  wie  gesagt,  in  der  Kegel  nur  einzelne 
Locken  oder  Theile  von  Haarlocken,  welche  das  helle  Colorit  angenommen  haben, 
und  diese  zeigen  alle  Uebergänge  vom  Dunkelbrau  zu  einem  gelben  oder  gelb- 
liehen,  zuweilen  auch  röthlichen  Aussehen. 

Als  natürliche  Farbe  der  prähistorischen  Bevölkerung  mnss  daher 
die  schwarze  (makroskopisch)  oder  braune  (mikroskopisch)  angesehen 
werden.  Diese  dunkle  Farbe  hat  aber  nicht  das  gesättigte  Colorit  des  Neger- 
haares. Ebenso  wenig  habe  ich  an  irgend  einer  Stelle  das  von  mir  „spiral- 
gerollt^  genannte  „Wollhaar''  der  afrikanischen  Schwarzen  wahrgenommen: 
statt  wirklicher  „SpiralröUchen^  fand  ich  überall  nur  weitgewundene  Locken,  wie 
sie  sich  aus  „welligem^  Haar  hervorbilden,  vorwaltend  sogtir  jene  regelmässigen, 
wie  künstlich  in  grössere  Kreise  gelegten  Büschel,  für  welche  in  der  Literatur  der 
Ausdruck  „frisirt^  gebräuchlich  ist.  Es  ist  dies  dasselbe  Haar,  das  wir  auf 
Mumienporträts  abgebildet,  gelegentlich  auch  auf  getrockneten  Mumienköpfen  auf- 
sitzend, treffen.  Wenn  daher  eine  Vei^leichung  mit  anderen  Rassen  beliebt  wird, 
so  werden  wir  daran  festhalten  müssen,  dass  das  prähistorische  Haar  am 
vollkommensten  mit  dem  Haar  der  historischen  Hamiten  fiberein- 
stimmt Daraus  folgt  dann  auch  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  die  Leute  der 
prähistorischen  Gräber  als  älteste  Hamiten  aufzufassen  sind. 


(405) 

Es  mag  noch  hinzugefügt  werden,  dass  ich  gruppenweise  oder  auch  nur  ver- 
einzelt Locken,  welche  auf  eine  Mischung  verschiedener  Stämroc  hinweisen  könnten, 
in  den  mir  zugegangenen  Sendungen  nicht  wahrgenommen  habe.  Da  ich  Schädel 
aus  den  ältesten  Gräbern  nicht  erhalten  habe,  so  muss  ich  auf  eine  weitere  Ver- 
gleich nng  verzichten;  indess  darf  ich  nicht  verschweigen,  dass,  so  wünschenswerth 
eine  solche  Vei^gleichung  wäre,  ich  von  derselben  keine  Aendernng  meines  Ge- 
sammtortheils  er\varte.  Trotzdem  erkläre  ich,  dass  ich  bei  der  grossen  Wichtigkeit 
des  aufgeworfenen  Problems  eine  weitere  Verfolgung  der  einzelnen  Seiten  dieser 
Forschung  für  geboten  erachte,  und  dass  ich  mich  gern  bereit  erkläre,  die  Unter- 
suchung fortzusetzen. 

Ausserdem  ist  es  vielleicht  wichtig,  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  die 
bisherigen  Materialien  sich  ausschliesslich  auf  Ober-Aegypten  be- 
ziehen, dass  also  die  gefundenen  Resultate  für  Unter -Aegypten  und  die  daselbst 
eingedrungenen  fremden  Rassen  keine  entscheidende  Bedeutung  haben.  — 

(31)  Hr.  Stud.  med.  et  phil.  Alexander  Waruschkin  übei-sendet  aus  München, 
')  October,  folgende 

Beschreibuug  von  5  Ngumba- Schädeln  ans  der  Sammlung  Zenker 

(lue,  6689d,  e,  f,  g,  h). 

Die  Schädel  sind  angeblich  die  von  Voreltern  des  Häuptlings  der  Ngumba  im 
südlichen  Kamerun.  Sie  befanden  sich  in  einem  cylindrischen  Rindenge fass  und 
sind  sämmtlich  mit  Rothholz  gefärbt  und  in  der  Bregmagegend  mit  Pech  bedeckt. 
Schädel  f  und  h  haben  1  cm  vor  dem  Bregma  je  ein  kleines  Loch;  Schädel  g  hat 
zwei  Löcher,  das  eine  am  Bregma,  das  andere  1,5  cm  vor  demselben.  Schädel  e 
und  f  tnigen  an  den  Processus  zygomatici  einen  Kupferring  mit  Durchmesser  von 
etwa  1  cm.  Bei  Schädel  f  und  g  ist  am  Jochbogen  ein  kleiner  Büschel  aus  Gocos- 
nuss-Fasem  befestigt.  In  Schädel  h  ist  ein  Stein  von  8  cm  Länge  und  4,5  cm  Breite 
eingelegt.  — 

1.    Schädel  (d)  eines  ungefähr  45 — 50jährigen  Mannes. 

Der  Schädel  ist  im  Allgemeinen  sehr  gut  erhalten,  nur  an  einzelnen  Knochen 
sind  kleine  Defecte  zu  verzeichnen,  nehmlich:  am  Os  maxillae  an  der  Seite  in 
der  Gegend  des  IH.  Molars  ist  die  Highmore-Höhle  von  aussen  her  geöffnet.  Von 
den  Zähnen  sind  intra  vitam  verloren:  aus  dem  Oberkiefer  der  HL  Molar  rechts, 
aus  dem  Unterkiefer  der  I.  Molar  rechts  und  sämmtliche  Incisivi.  Post  mortem 
blieb  nur  der  III.  Molar  rechts  unten  erhalten. 

Norma  facialis.  Das  Gesicht  ist  im  Verhältniss  zum  sichtbaren  Tbeil  des 
Himschädels  gross,  jedoch  sind  oberhalb  der  beiden  Wangenbeine  zu  beiden  Seiten 
schmale  Stücke  des  Hinterhauptes  sichtbar.  Die  Stirn  ist  ziemlich  niedrig.  Der 
Gesichtsschädel  ist  hoch,  breit  und  viereckig,  der  Unterkiefer  kräftig  entwickelt. 
Die  Nasenbeine  sind  schmal,  rechteckig.  Der  Nasenrücken  ist  schwach  concav. 
Die  Apertura  pyriformis  ist  länglich  birnförmig.  Die  Orbita  ist  sehr  hoch  und  ab- 
gerundet viereckig,  mit  der  Queraxe  etwas  nach  aussen  abfallend.  Der  obere  und  der 
untere  Rand  springen  etwas  vor.  Die  Entfernung  von  einem  Dakryon  zum  anderen 
ist  sehr  gross. 

Norma  lateralis.  Das  Gesicht  ist  im  Vergleich  mit  dem  Hirnschädel  nicht 
gross  und  wenig  prognath.  In  der  Gegend  des  Nasion  ist  fast  keine  Einsenkung 
vorhanden.  Die  Glabella  springen  sehr  wenig  vor,  die  Stirn  trilt  etwas  zurück.  Der 
Hirnschädel  ist  lang  und  hinton  abgerundet    Die  Linene  semicirculares  temporales 


(406) 

sind  doppelt,  kräftig,  und  reichen  sehr  weit  hinauf  (geringster  Abstand  85  mm). 
Das  Pteiion  ist  normal,  Processus  raastoides  sind  müssig  gross. 

Xorraa  verticalis.  Der  Schädel  ist  phaenozyg,  annähernd  eiförmig,  vom 
etwas  abgestumpft.  Die  Sutura  sagittalis  ist  vollständig,  die  S.  coronaria  nur  in 
der  Schläfengegend  verstrichen.  Die  Foramina  parietalia  sind  verschwindend  klein, 
die  Scheitelbeinhöcker  treten  stark  hervor. 

Norma  occipitalis.  Die  Hinterhaupts-Ansicht  ist  fasi  kreisrund.  Die  Linea 
nuchae  superior  ist  sehr  stark  ausgeprägt,  die  Grista  occipitalis  externa  und  die 
Protuberantia  occipitalis  externa  dagegen  sehr  wenig.  Die  Sutura  lambdoides  ist 
in  der  Lambdagegend  völlig  verknöchert,    in  der  Asteriongegend  sehr  reichzähniy. 

Norma  basilaris.  Die  Hinterhauptsschuppe  ist  in  der  Gegend  des  Foramen 
raagnum  etwas  abgeflacht.  Das  Foramen  magnum  breitoval  und  nach  hinten  um 
11,6°  geneigt,  die  Condylen  gross  und  gewölbt.  — 

2.    Schädel  (e)  eines  40 — 50jährigen  Mannes. 

Erhaltungszustand:  sehr  gm,  nur  die  Highmore-Höhle  an  der  rechten  Seite 
durch  einen  Defect  des  Os  maxillae  von  unten  geöfifnet.  Im  Oberkiefer  sämmt- 
liche  Zähne  intra  vitam  verloren,  ebenso  im  Unterkiefer,  mit  Ausnahme  der  beiden 
Canini  und  des  II.  Praeraolaris  links. 

Norma  facialis.  Das  Gesicht  ist  im  Verhältniss  zum  sichtbaren  Theil  des 
Hirnschüdels  klein,  massig  hoch,  breit  und  annähernd  fünfeckig.  Die  Stirn  ist 
niedrig,  die  Nasenbeine  sind  zu  einer  schmalen  und  kurzen  Leiste  verkümmert 
die  Processus  nasales  ossis  maxillae  dagegen  mächtig  entwickelt.  Die  Apertura 
pyriformis  ist  dreieckig,  hoch  und  schmal;  Andeutung  von  Fossae  nasales.  Die 
Orbita  ist  sehr  hoch,  abgerundet  viereckig,  mit  vorspringenden  Rändern  und  Hillt 
nach  aussen  ab. 

Norma  lateralis.  Der  Gesichtsschädel  ist  verhältnissmässig  klein  und  etwas 
prognath,  die  Gegend  des  Xasion  ganz  wenig  eingezogen.  Die  Glabella  springt 
stark  vor,  die  Stirn  ist  etwas  zurückgeneigt.  Der  Hirnschädel  ist  sehr  lang  und 
in  der  Hinterhauptsgegond  abj^erundet.  Die  Lineac  semicirculares  sind  nicht  sehr 
stark  entwickelt  und  reichen  ziemlich  hoch  (der  kleinste  Abstand  120  wm).  Pro- 
cessus mastoides  sind  mittelgross,  Pterion  normal. 

Norma  verticalis.  Der  Schädel  ist  schwach  phaenozyg  und  annähernd  ei- 
förmig, vorn  etwas  abgestumpft.  Der  Verknöchern ngs-Process  der  sehr  wenig  Ace- 
zackten  Nähte  hat  bereits  begonnen,  dieselben  sind  jedoch  gut  sichtbar.  Von 
einem  der  Foramina  parietalia  ist  eine  Spur  vorhanden. 

Norma  occipitalis.  Die  Hinterhaupts-Ansicht  ist  kreisrund,  die  Lineae  nuchae 
superior  und  inferior  mächtig  entwickelt,  ebenso  die  Grista  occipitalis  externa. 
Oberhalb  der  Linea  nuchae  superior  befindet  sich  eine  tiefe  Grube.  Die  Sutura 
lambdoides,  wie  alle  Nähte  dieses  Schädels,  zahnarm. 

Norma  basilaris.  Das  Os  occipitale  ist  unten  abgeflacht  und  in  der  Gegend 
des  Foramen  magnum  etwas  eingesenkt.  Letzteres  ist  sehr  gross,  breitoval  und 
nach  hinten  um  etwa  10"*  geneigt.     Die  Condylen  sind  gross  und  gewöibt.  — 

3.    Schädel  (f)  eines  40— öOjährigcn  Mannes;?^. 

Erhaltungszustand:  ziemlich  gut.  Defecte  sind  folgende  zu  verzeichnen: 
am  Os  occipitale  fehlt  das  Corpus  basilare  mit  den  Processus  condyloides;  das  Os 
maxillae  ist  am  unteren  Theil  in  der  (legend  des  Jl.  und  IIL  Molars  links  al*- 
gebrochen.  Es  is*.  sehr  zweifelhaft,  ob  die  Mandibula  zu  diesem  Schädel  gehört. 
Die  Zähne  des   Unterkiefers  sind   sümmtlich   intra  vitam   verloren,    die  des  OUr- 


(407) 

kiefers  ebenfalls  bis  auf  Caninas  und  beide  Praemolares  links,  Caninus  und 
II.  Praeraolar  rechts. 

Norma  facialis.  Das  Gesicht  ist  niedrig,  fünfeckig,  breit  und  im  Ver- 
hältniss  zum  sichtbaren  Theil  des  Hirnschädels  klein.  Die  Stirn  ist  niedrig,  die 
Nasenbeine  sind  lang  und  schmal.  Die  Apertura  pyriformis  ist  abgerundet  drei- 
eckig; die  Orbita  ist  sehr  hoch  und  viereckig  abgerundet,  ihre  Queraxe  fallt  nach 
aussen  ab. 

Norma  lateralis.  Der  Schädel  ist  sehr  prognath  (13°);  die  Gegend  des 
Nasion  nicht  eingezogen,  die  Glabella  kaum  bemerkbar.  Die  Stirn  ist  etwas  nach 
hinten  geneigt,  der  Hirnschädel  ziemlich  lang  und  in  der  Hinterhauptsgegend 
abgerundet.  Die  Lineae  semicirculares  sind  gut  zu  sehen  und  in  der  Bregma- 
gegend  etwa  108  nim  von  einander  entfernt.  Die  Processus  mastoides  mittelgross, 
das  Pterion  normal. 

Norma  verticalis.  Der  Schädel  ist  phaonozyg  und  eiförmig.  Alle  Nähte  sind 
offen  und  sehr  zahnarm.     Auf  der  rechten  Seite  eine  Spur  des  Foraraen  parietale. 

Norma  occipitalis.  Die  Hinlerhaupts-Ansicht  ist  abgerundet.  Die  Lineae 
nuchae  superior  und  inferior  und  die  Crista  occipitalis  externa  sind  gut  entwickelt, 
die  Protuberantia  occipitalis  externa  ist  klein.  Die  Sutura  lambdoides  ist  offen 
und  zahnarm. 

Norma  basalis.  Das  Os  occipitale  ist  in  der  Gegend  der  Crista  occipitalis 
externa  stark  abgeflacht.  Corpus  basilare  und  Processus  condyloides  fehlen  (siehe 
oben  S.  40(5  unter  Erhaltungszustand).  — 

4.    Schädel  (g)  eines  ungefähr  4üjährigen  Mannes. 

Erhaltungszustand:  Der  Schädel  ist  weniger  gut  erhalten.  Das  Os  occipitale 
hat  grosse  Defecte,  es  fehlen  das  Corpus  basilare,  die  Processus  condyloides  und  der 
unterste  Theil  fast  bis  zur  Linea  nuchae  inferior.  Am  Oberkiefer  ist  der  erste 
Incisivus  links  intra  vitara  verloren,  alle  übrigen  Zähne  post  mortem;  am  Unter- 
kiefer rechts  der  Caninus,  die  beiden  Praemolares  und  der  zweite  Molar,  links 
beide  Praemolares  und  Caninus  post  mortem,  die  übrigen  intra  vitam. 

Norma  facialis.  Das  Gesicht  ist  im  Verhältniss  zum  sichtbaren  Theil  des 
Hirnschädels  massig  gross  und  fast  oval.  Die  Stirn  ist  niedrig,  die  Nasenbeine 
sind  lang,  schmal  und  nahezu  recl:teckig.  Die  Apertura  pyriformis  ist  dreieckig, 
aber  sehr  stark  abgerundet.  Die  Orbita  ist  sehr  hoch,  abgerundet  viereckig  und 
fällt  nach  aussen  ab.     Beide  Poramina  supraorbital ia  sind  vorhanden. 

Norma  lateralis.  Der  Schädel  ist  prognath  (9°),  die  Ossa  nasalia  sind  etwas 
concav,  jedoch  ist  das  Nasion  nicht  eingezogen.  Die  Glabella  ist  gut  bemerkbar, 
die  Stirn  etwas  zurückgeneigt.  Der  Schädel  ist  lang  und  in  der  Hinterhaupts- 
gegend abgerundet.  Die  Lineae  semicirculares  sind  sehr  deutlich  und  in  der 
Bregraagegend  WH  vtm  von  einander  entfernt.  Die  Processus  mastoides  sind  railtel- 
irross.  Das  Pterion  ist  normal,  jedoch  liegt  in  der  Pteriongegend  ein  Schaltknochen 
von  2,3  cm  Länge  und  1,G  cm  Breite. 

Norma  verticalis.  Der  Schädel  ist  phaenozyg  und  eiförmig.  Die  Sutura 
coronaria  ist  ganz  offen,  die  S.  sagittalis  dagegen  völlig  verstrichen.  Hin  Foramen 
parietale  ist  deutlich  sichtbar. 

Norma  occipitalis.  Die  Hinterhaupts-Ansicht  ist  gerundet,  die  Lineae  nuchae 
superior  et  inferior  sehr  gut  entwickelt.  An  Stelle  der  Protuberantia  occipitalis 
externa  ist  eine  Abflachung  vorhanden.  Die  Sutura  lambdoides  ist  in  ihrem  unteren 
Verlaufe  relativ  zahnreich. 

Norma  basalis:    siehe  oben:    «Erhaltungszustand*'.  — 


(408; 

5.    Schädel  (h)  einer  35 — 40jährigen  Frau. 

Erhaltungszustand:  verhältnissmässig  schlecht.  .Grosse  Defecte  am  Os 
occipitale:  die  ganze  Gegend  des  Foramen  roagnum  mit  Corpus  hasilarc  und  Pro^ 
ces3us  condyloides  fehlt.  Ebenso  Laminae  papyraceae,  Os  palatinum  und  innere 
Nasenknochen.  Die  Highroore-Höhle  ist  links  unten  durch  einen  Defect  des  Os 
maxillae  geöffnet,  der  Processus  zygomaticus  ossis  zygomatici  abgebrochen.  Von 
d«n  Zähnen  sind  post  mortem  verloren:  aus  dem  Oberkiefer  die  lucisivi,  Ganini 
und  die  Praemolares  rechts;  aus  dem  Unterkiefer,  dessen  Zugehörigkeit  zum  Schädel 
zweifelhaft  erscheint,  die  Ganini  und  Praemolares.  Die  übngcn  Zähne  sind  intra 
vitam  verloren. 

Norma  facialis.  Das  Gesicht  ist  niedrig,  breit  und  viereckig  und  im  Ver- 
häitniss  zum  sichtbaren  Theil  des  Hirnschädels  ziemlich  gross.  Die  Stirn  ist 
niedrig  und  zur  Uckgeneigt.  Die  Nasenbeine  sind  kurz,  breit  und  concav.  Die 
Apertura  pyriformis  ist  gross  und  breit.  Die  Orbitae  sind  sehr  hoch,  viereckig  ab- 
gerundet und  (iillen  etwas  nach  aussen  ab. 

Norma  lateralis.  Der  Schädel  ist  sehr  prognath  (14^).  Nasiongegend  nicht 
eingezogen.  Glabella  flach.  Der  Schädel  ist  lang,  die  Hinterhauptsgegend  vor- 
gewölbt. Die  Lineae  semicirculares  sind  schwach  sichtbar,  in  der  Brcgmagegend 
1 10  mm  von  einander  entfernt.  Die  Processus  mastoides  sind  klein.  Der  rechte 
Keilbeinflügel  ist  sehr  klein,  links  ist  ein  breiter  Processus  frontalis  vor- 
handen. 

Norma  vcrticalis.  Der  Schädel  ist  wenig  phaonozyg,  die  Hirnkapsel  ei- 
förmig. Alle  Nähte  sind  offen  und  im  Allgemeinen  ziemlich  zackig.  Foramina 
purietalia  fehlen. 

Norma  occipitalis.  Lineae  nuchae  superior  et  inferior  und  Grista  occipitalis 
externa  sind  schwach  entwickelt.  Die  Linea  nuchae  suprema  ist  in  Spuren  vor- 
handen.   Die  Sutura  lambdoides  ist  ganz  offen  und  relativ  sehr  zackig. 

Norma  basilaris:    siehe  oben:    „Erhaltungszustand^.  — 


Nummer  . 
Geschlecht 
Alter.   .   . 


L 

Frankfurter  Länge tum 

Grösste  Länge n 

„       vom  Nasion  .    .    .     „ 

Breite » 

Ohrhöhe ^ 

Hiotcrhaoptslänge 

Gesichtswinkel ^ 

Höhe «'«' 

Kleinste  Stimbreite ^ 

Jochbreitc 

Wangenbreite , 

Gcsiehtehöhe - 


d  e  f  g 

40—50       40-50       40—50   ,       40 


3Ö-40 


~" 

Messzahlen. 

184 

183 

171 

179 

1G4 

183 

183 

171 

178 

1G4 

184 

1^3 

173 

178 

IGO 

ir,6   ' 

1 

138 

134 

132 

12« 

117 

1-27 

119 

120 

113 

91 

91 

98? 

90? 

w;? 

7 

9 

13 

«   . 

14 

\:\s 

144 

180? 

125? 

116? 

D3 

95 

91 

97 

90 

130 

127 

120 

123 

127 

KX) 

92 

8r, 

93 

s*; 

1C8? 

KX)? 

100? 

103? 

100? 

(409) 


Nummer 

Geschlecht      

Alter 

Oborgcsicht mm 

Nasenhöhe „ 

Nasenbreite „ 

Interorbitale    Breite    von    einem 

DakryoD  zum  anderen  ,   .   .  .  „ 

Basion  bis  Nasenwurzel „ 

^        „    Alveolar-Rand  ....  „ 

n    Kinnrand „ 

„        „    Bre^a „ 

„        y,    Lambdawinkel .   .   .   .  ^ 

Foramen  magnum,  L&nge  ....  ^ 

w              »1  üreite  ....  ^ 

Distant  auriculo-orbit. ^ 

Orbita,   Breite   (die   grösste  vom 

Dakryon  aus) ^ 

Orbita,  Höhe „ 

n     ,  Tiefe « 

Sagittal-Umfang „ 

„       des  Stirnbeins    .  „ 

,         „    Scheitelbeins  ^ 

„             r,       der  H.-Schuppe .  „ 

Horizontal-Umfang  (maxim.).   .   .  „ 

Qnemmfang  (Ohrgrube) „ 

Breite  zwischen  den  Ohrpnnktcn.  ,» 

„  „  ^     Unterkiefer - 

winkeln „ 

Unterkiefer,   Asthöhe „ 

,     Astbreite,     grösste, 

senkrecht  zur  Höhe ^ 

Mediane  Unterkieferhöhe  ....  „ 

AWeolar-Breite  des  Oberkiefers  .  .. 

Gaumen,  Breite ,, 

n        ,  Lang« n 

Asterion-Breite „ 

Cubischer  Inhalt ccm 

(jewicht  mit  Unterkiefer    ....</ 

„        ohne  Unterkiefer.   .   .   .  ^ 

Sehne,  Stirnbein mm 

^    ,  Scheitelbein ^ 

-     ,  Schuppe „ 


d 

e 

f 

g 

h 

s 

i 

«? 

s 

2 

40—50 

40-50 

40-50 

40 

85-40 

69 

65 

62 

65 

64 

51 

45 

42 

45 

45 

28 

25 

24 

24 

27 

26 

26 

22 

26 

29 

107 

100 



— 

105 

101 

— 



— 

117? 

113? 

^^v 

— 

136 

140 



— 

124 

128 



— 

84 

89 

^^ 



— 

30 

82 

— 



— 

70 

67 

64 

65 

63 

40 

40 

41 

37 

37 

49 

32 

86 

36 

33 

60 

53 

48 

49 

47 

370 

385 

860 

380? 

853? 

120 

125 

119 

135 

113 

135 

140 

130 

140 

122 

100 

102 

96 

90? 

98? 

520 

520 

490 

505 

475 

308 

830 

808 

308 

308 

115 

HO 

105 

105 

105 

98 

90 

87 

87 

90 

57 

55 

52 

52 

51 

45 

89 

89 

40 

39 

30 

30 

20 

25 

23 

66 

49 

51 

61 

57 

86 

85 

32 

31 

36 

47 

47 

45 

46 

42 

HO 

120 

102 

% 

100 

1300  1 

1487 

1228 

1835 

1171 

702 

675 

627 

622 

420 

642 

635 

586 

586 

377 

106 

1 

110 

115 

115 

100 

120 

121 

112 

120 

108 

100 

102 

95 

90? 

98? 

(410) 


Nummer. 
Geschlficht 
Alter  .   . 


Längenbrcitenindex 

Längenhöhenindex 

Breitenhöhenindex 

Länge :  Ohrhöhe 

Stirnbreite :  Jochbreite 

Gesichtsindex,  Höhe :  Jochbreite    . 
Obergesichtsindex,  Höhe :  Jochbreito 
Obergesichtshöhe  :  Kieferbreite    .    . 

Kasenindex 

Orbitalindex 

Gaumonindcx 


d 

e 

f 

er 

h 

5 

$ 

S? 

5 

$ 

40—50    . 

40-50 

40-50 

40 

85-40 

I.   Indices. 

73,9 

75,4 

78,4 

73,7 

76,8 

75,0 

78,3 

76,0 

69,8 

70,1 

91,3 

95,8 

108,1 

105,2 

109,6 

63,6 

69,4 

69,6 

67,0 

68,9 

71,5 

74,8 

75,8 

78,9 

78,9 

83,1 

78,7 

83,3 

83,7 

78.7 

53,1 

59,7 

51,7 

52,8 

5U,4 

69,0 

70,7 

72,1 

68,8 

74,4 

54,9 

55,5 

57,1 

53,3 

60,0 

100,0 

80,0 

87,8 

97,3 

S9,l 

77,6 

75,5 

71,1 

67,4 

8.\T 

(32)    Hr.  F.  Hose  mann,  Assistenzarzt  I.  Kl.  in  der  Kaiserlichen  Schutztruppe 
für  Ost-Africa,  übersendet  dem  Vorsitzenden  aus  Ujiji,  2.').  Mai,  folgende 

r 

anthropologische  Aufhahmen^)  von  Eingebornen  aus  Ujiji. 


1.  Nanie,  Stamm,  Gebartsort,  Wohnort,  Be- 
.  schäftigung,  Sprache. 

2.  Geschlecht. 

3.  Alter. 

4.  Emährangszustand. 

5.  Schädelform. 

6.  Kieferstcllung. 

7.  Muskelstärke  (Hub  und  Druck). 

8.  Gewicht. 

9.  Puls  pro  Miuute. 

10.  Athemzüge  pro  Minute. 

11.  Tem|)eratur  in  der  Achselhöhle. 


12.   Schärfe  der  Sinne 


a)  Auge. 

b)  Ohr. 

c)  Haut, 


13.    Farbe 


a)  d^r  Haut. 

b)  „     Lippen. 

c)  „     Nagel. 

I  a'    do>    K(»i»f- 

14.  Farbe  und  Beschaffenheit  \        haarrs. 

I  b'    des  Barti's, 

15.  B»*haarung  des  übrigen  Körpers. 

16.  Farbe    •  *^    ^^'  Regenbogenhaut 

l  b)     „    Bindehaut 


l)  Die  Messungen  sind  mit  einem  Beckenmesscr nach  Prof.  Zweifel  (Leipzig   g'inarht. 


.1. 

2. 

3. 

1. 

Almas,  Mbwari, 

Sambano,  Fjiji, 

Soldat,  Kibwariu.Kisuaheli 

Ujiji,  d.  11.  Oct  1896 

Hamiss,  Mbvari, 

Makerre,  üjiji, 

Soldat,  Kibwariu.Kisuaheli 

Ujiji,  <l.  U.  Oct  1896 

Vir<>vnko.  Mjiji. 

Ijiji,  l  nii. 

Fischer,  Kijiji 

Ujiji,  d.  1-J.  Oct.  1MK3 

2. 

männlich 

männlich 

männlich 

3. 

etwa  IS  Jahr 

etwa  18  Jahr 

etwa  35-4t>  Jahr 

4. 

gut 

iTUt 

gut,  etwas  Fittan^atz 

9. 

.76 

HO 

,^!; 

10. 

16 

18 

14 

11. 

9^    37,3^ 

4  p    37.6= 

3t'   87,5° 

(411) 


17. 
18. 
19. 
20. 
21. 
22. 
23. 
24. 
25. 
26. 
27. 
28. 
29. 
30. 
31. 

32. 

33. 

34. 

35. 

36. 
37. 


3S. 

39. 
40. 

41. 
42. 
43. 
44. 
45. 
46. 

47. 


n 
n 


Form  und  Stellung  der  Augen.  48. 

des  Gesichts.  49. 

der  Nase. 

des  Mundes  und  der  Lippen.  50. 

der  Olirnmschel.  51. 

des  Halses  und  Nackens.  52. 

der  Brust,  bezw.  Brüste.  58. 

des  Bauches. 

„    GesSsses.  54. 

der  Geschlechtstheile. 

und  Grosse  der  Hände.  55. 

.,...,„     Beine  (Waden). 

„         n           n          n     Füsso.  56. 

Aufrechte  Höhe,  Scheitel  bis  Sohle.  67. 

Oberer  Rand  des  Adamsapfels  bis  Manu-  58. 

brium  sterni. 

Oberer   Brustbeinrand    bis    oberer   Rand  59. 

der  Schambeinfuge.  60. 

Senkrechte    Höhe    des    Nabels    über   der  61. 
Fnsssohle. 

Senkrechte  Höhe  der  Schambeinfuge  über  62. 
der  Fusssohle. 

Länge  des  rechten  Beins,  Trochant.  maj.  63. 
bis  Fusssohle. 


Troch.  major  bis  Condyl.  ext  femoris. 
Aeusserer  Vorsprung   der   rechten   Tibia 
bis  untiTer  Rand  des  Mall.  ext. 

j  a)    oben. 
Umfang  dos  Oberschenkels  |  b)   mitten. 

l  c)    unten. 
Grösster  Umfang  der  Wade. 
Bauchumfang  in  Nabelhöhe. 
Brustumfang. 
Horizontaler  Kopfumfang. 
Querer  Kopfbogen. 
Nasenwurzel  bis  Spitze. 
Schulterbreite  über  den  Rücken. 
Schulterhöhe  bis  Spitze  des  Mittelfingers 
rechU«. 
Schulterhöhc  bis  Condyl.  ext.  oss.  hum. 


64. 

65. 

66. 
67. 

68. 

i 

I 
69. 

70. 

7L 
72. 
73. 


Olecranou  bis  Condyl.  ext.  ulnae. 
Untere  Falte  am  Handgelenk  bis  Spitze 
des  rechten  Mittelfingers. 
Klafberweite. 

Abstand  der  Brustwarzen. 
Beckenbreite. 

Dicht  oberhalb  der  Nasenwurzel  bis  Pro- 
tuberantia  occipit.  ext. 
Grösste   Breite    des   Schädels    über    den 
Ohren. 

Vom   unteren   vorderen  Rand   des  einen 
Wangenbeins  zum  anderen. 
Von  einem  Unterkieferwinkel  zum  anderen. 
Jochbreite. 

Nasenwurzel  bis  Ansatz  der  Nasenscheide- 
wand an  der  Oberlippe. 
Nasenwurzel  bis  Kinnrand. 
Scheitel  bis  Kinn. 

Senkrechte  Höhe  vom    rechten   äusseren 
Gehörgang  bis  Scheitel. 
Entfernung    der   äusseren   Ohröffnungen, 
oberer  Rand. 

Von    einem    inneren    Augenwinkel    zum 
anderen. 

Von    einem    äusseren    Augenwinkel    zum 
anderen. 

Von  einem  äusseren  Ansatz  des  Nasen- 
llüg**ls  zum  anderen. 
Breite  des  Mundes. 
Ohrhöhe. 

Entfernung   der   Mitte    der   Nasenwurzel 
von  der  rechten  äusseren  Ohröffnung. 
Entfernung  des  Ansatzes  der  Nasenscheide- 
wand von  derselben  Oeffnung. 
Entfernung  des  vorderen  Randes  der  Ober- 
lippe von  der  rechten  Ohröffnung. 
Entfernung  des  unteren  Kinnrandes. 

,      ,,  I  I.  grosse  Zehe. 

Länge  des  t  usses  { .,  •*.    r/  u 

^  III.  zweite  Zehe. 

Künstliche  Verunstaltungen. 


4. 

Mavoko,  Mrundi, 

Mgere,  Mgcre, 

Fischer,  Kirundi 

Rumonge,  d.  22.0ct.9(» 

männlich 

<'twa  35  Jahr 

gut 

74 


5. 


6. 


7. 


Kimagende,  Mnindi,    Mansalagullu,  Mbwari,  Karembelezi,  Mrundi, 
Bugenda,  Rumonge,      Napundu,  Rumonge,       Bunoso,  Rumonge, 

Fischer,  Kibwari  Ackerbauer,  Kirundi 
wie  Nr.  4 


Ackerbauer,  Kirundi 

wie  Nr.  4 


männlich 

etwa  22  Jahr 

gut 

86 


männlich 

etwa  24  Jahr 

gut 

82 


wie  Nr.  4 

männlich 

etwa  26—28  Jahr 

gut 

90 


8«   36,8^ 


H,30'' 


?>:,()' 


9='    37,1 


T    lO 


9,30"    37,1 


(412) 


2. 


3. 


normal 


Dormal 


14. 


15. 


fa) 

b) 


16. 


fa) 

b) 


89. 
40. 
41. 
42. 
43. 
44. 
46. 
46. 
47. 
48. 
49. 
50. 
51. 
52. 
58. 
54. 
55. 


dunkelbraun 
desgl. 


dunkelbraun 
desgl. 
rosa  rosa 

! 

kurxes,  schwarzes  Wollhaar  kurzes,  schwarzes  Wollhaar  kurzes,  schwarzes  Wollhaar 
desgl. 


dunkelbraun 

dcsgL 

rosa 


desgl. 


Achsel-  und  Schamhaare 
wie  Nr.  14;  am  Unterleib 
und  Beinen  ganz  gering 

braun  gesprenkelt 

weiss  mit  braunen  Flecken 
in  der  Lidspalte 

beschnitten  (Ausnahme) 

163 

9 

52 

98 

84 

85 
88,5 
39 
54,5 
43,5 
32,5 
32,5 
73 
80-84 
56 
85,5 
5 
37 
74 
29 
27 
18,5 
169,5 
16  (rechte  höher  als  linke) 
24 
19 
15,5 
9 


Achsel-  und  Schamhaare 
wie  Nr.  14 

dunkelbraun 


Backen-  und  Schnurrbart 
desgl. 

Achsel«  Scham,  Brust  und 

Oberschenkel  stark,  sonst 

massig 

dunkelbraun,  fast  schwarz 

weiss  mit  gelbbraunen       weiss,  in  der  Lidspalte 
Flecken  rechts  und  links  etwas  br&unlicn 

in  der  JJdspalte 


unbeschnitten 
161 
7,5 
52 
99 
88 
84 
38 
41 
49,5 
44,5 
32 
30 
70 
77-81 
54,5 

5 
40 
75 
29 
28,5 
17,5 
173,5 


unbeschnitten 
164 
8 

54 
103 

89 

91 

40 

41 

50,5 

46 

34 

33 

78 
90-94 

57 

35 
5,5 

42 

78,5 

SO 

26,5 

19 
181 


19  (rechte  höher  als  linke)  22  (linko  höher  als  rechte) 
23  22,5 

18  20,25 

14  14 

8  8;i>5 


i^ 


(413) 


4. 


ö. 


normal 

dunkelbraun 

desgl. 

gelbrosa 

wie  Nr.  1 

wie  Nr.  3 

wie  Nr.  8 

wie  Nr.  8 
gclbweiss 

wie  Nr.  8 
168 

8 

58 
98,5 
86 
82,5 
88 
40 
63,5 
52 
37,5 
33 
77 
94,5 
54,5 
86,5 

ö 
42 
74,5 
28 
27,5 
18 
176 
21  (rechtehöh.  als  linke) 
24,75 
17,75 
15,25 

8,5 


normal 

dunkelbraun 

etwas  heller  als  a 

rosa 

wie  Nr.  4 

wie  Nr.  4 

Achsel  und  Scham, 
sonst  ganz  gering 

dunkelbraun 
wie  Nr.  4 

wie  Nr.  3 
17J 
8,75 

53 
105 

88 

84 

34,5 

44 

50,5 

49,5 

37 

82,5 

76 

86,5 

57 

35 
4 

42,5 

78 

30 

27,5 

18,5 
183,5 
20,25  (linke  h.  als  rechte)  21,5  (linke  h.  als  rechte) 

24,5  24 

20  11) 

14,5  13,5 

9  9,5 


normal 

dunkelbraun 

desgl. 

gelbrosa 

wie  Nr.  5 

beginnender  Schnurr- 
und Kinnbart 

Achsel,  Scham,  Brust, 

Oberschenkel;  sonst 

massig 

wie  Nr.  5 

wie  Nr.  5 


wie  Nr.  3 
170 
8,5 

50,5 
105 

88,5 

88 

38 

44,5 

48 

46,5 

34 

33 

75 

86 

54,5 

35 
4,25 

40 

76,5 

28,5 

27,5 

17,5 
180 


normal 

dunkelbraun 

desgl. 

rosa 

wie  Nr.  5 

wie  Nr.  6 

Achsel  und  Scham; 
sonst  gering 

wie  Nr.  5 
wie  Nr.  5 

wie  Nr.  3 
155 

8 
45 
94 
82 
78,5 
81 
41,5 
42,5 
40 
83 
31,5 
69,5 
75,5 
54,5 
34 

3,5 
35,5 
70,5 
26 
25,5 
17 

165,5 
18,75  (linke  h.  als  r.) 
28,25 
18,25 
14,5 

8,75 


(414) 


56. 
57. 
58. 
59. 
60. 
61. 
62. 
63. 
64. 
65. 
66. 
67. 
68. 
69. 
70. 
71. 

72^^ 

in. 

73. 


1. 

10 
13,5 

6 

11,5 
23,5 
13 
13 

3,5 
10,25 

4,5 

5 

5,5 
11 
12,5 
13 
13 
25 


Obere  mittlere  Schneide- 
zähne ausgefeilt.  Brust  u. 
Bauch  rechts  und  links  mit 
je  einer  Reihe  etwa  Vi  t*"* 
langer,  schräg  gestellter 
Schnittchen  tättowirt 


2. 


8. 


—  -  —   —  

10 

10,5 

12 

12,25 

5,25 

6,5 

11,5 

12 

23 

24,5 

12,75 

14 

12,5 

14,25 

3,5 

4 

9,76 

11 

4 

3,75 

4,75 

5,75 

6 

6 

11,5 

12,75 

12,25 

13 

13 

14 

13 

14 

25 

25,5 

,  ,- 

26 

Zähne  wie  Nr.  1 


Zähne  wie  Nr.  1 


Am  linken  unteren  Rippen-  Brust  und  Bauch  gänzlich 
bogen  in  Mamillarlinie  ein  mit  horizontalen  Linien  n. 
Stern  aus  feinen  schrägen       Mustern  aus  kleinen 
Schnittchon  von  15  ein  Schnittchen  bedeckt 

Durchmesser 


t 


I 


1. 


2. 
3. 
4. 
9. 
11. 

12.    b) 


8. 

Kalombo,  Mwagwa, 

Bubagwa,  Ijiji, 

Arbeiterin,  Kiwagwa  und 

Kisuaheli 
Ujiji,  d  21.  Novbr.  1896 

weiblich 

16— 18  Jahr 

mittel 

84 

41-    37,15' 


normal 


9. 


Ngao,  Muha, 

Kilungwe,  desgl., 

Kiha 

Ujiji,  d.  5.  Januar  1897 

männlich 

20  -24  Jahr 

schlank 

SS 
9,30-    36,9° 

normal 


.  10. 

Kawuba,  Muha, 

Kiiungwe,  desgl., 

Kiha 

wie  Nr.  9 

männlich 
22—26  Jahr 

schlank 

80 

10,30  n   36,9 

normal 


(415) 


( 

4. 

5. 

1         6. 

7. 

9,25 

11 

10,25 

10,75 

12,5 

13 

12,75 

13,25 

4,75 

4,5 

4,5 

4,75 

10,5 

11 

10,75 

10,25 

•^3,75 

24,75 

23,5 

22,75 

14,5 

15 

15 

14,25 

13,5 

13,75 

;               13,75 

13,75 

3 

4,25 

1                 4 

4,25 

9,75 

10,5 

10 

10 

3,75 

3,75 

'                 4,75 

3,5 

5,75 

5,75 

5,5 

1 

5,5 

6 

5,25 

6 

!               6 

11 

12 

!               12,75 

11,75 

11,75 

12,75 

12,75 

1              11,75 

13,25 

14 

14 

13 

13 

14,5 

13,75 

12,75 

25,75 

2«,25 

25 

23,75 

25,5 

24,75 

24,5 

23,25 

Zähne  wio  Nr.  1 

Zähne  wie  Nr.  1 

Zähne  wie 

1 
1 

Nr.  1 

Nur  um  den  Nabel 
eine  12cwi  im  Durch- 
messer haltende 
Tättowiruug 

11. 

12. 

13. 

14. 

Muniofue,  Muha, 

Kilungwe,  desgl, 

Kiha 

Muilembe,  Muha, 

ügaga,  desgl , 

Kiha 

Bolingingwa,  Muha, 

Njangwe,  desgl., 

Kiha 

Kigona,  Muha. 

Njangwe,  desgl., 

Kiha 

wie  Nr.  10 

wie  Nr.  10 

Ujiji,  d.  6.  Januar  1897 

wie  Nr.  13 

männlich 

männlich 

männlich 

männlich 

oO— 35  Jahr 

30-35  Jahr 

30—35  Jahr 

40-45  Jahr 

kräftig 

schlank 

kräftig 

kräftig 

84 

92 

60 

56 

11^   37,1 

11,30«   3G,7° 

9,30»   36,8^ 

10  a     .%,9o 

normal 


normal 


normal 


normal 


(416) 


8. 

_,                                                                                                                      i 

»3-  b) 

dnnkelbraun,  Rampf 
hellbraun 

dunkelbraun 

c) 

rosa                   1 

)a) 
14. 

schwarz,  wollig           ' 

1 

r 

b) 

desgl.                   B 

9. 

10. 

dunkelbraun            1 

braun 

desgl. 

hellbraun 

rosa 

rosa 

wie  Nr.  8 

wie  Nr.  8 

Etwas  Kiun-  und  Schnurr- 
bart, schwarz,  wollig 


Schnurrbart- A  nf&nge 


15. 

16. 1 

23. 
24. 

26. 


a) 


Achsel  und  Scham  rasirt:  Achsel,  Scham  und  Unter-)  Achsel  und  Scham,  sonst 


sonst  gering 

dunkelbraun 

weiss,  in  der  Lidspalte 
gelblich 

etwas  hängend 

grosser  Nabelbruch,  etwa 
3  cm  Durchmesser 

Labia  minora,  etwa  2  bis 

3  an  aus  der  Rima  her?or- 

stehend 


30. 

153 

31. 

5,5 

32. 

51,5 

33. 

96 

34. 

83,5 

35. 

85 

36. 

37,5 

37. 

42 

fa) 

50 

38.  H) 

43,5 

U) 

32,5 

39. 

30,5 

40. 

79 

41. 

82,5 

42. 

56 

43. 

36 

44. 

4,25 

45. 

39 

46. 

73 

47. 

30 

48. 

26.5 

49. 

16,5 

5f>. 

166 

51. 

23  (rechU'  höher 

52. 

25,25 

53. 

18,25 

Schenkel  stark ;  sonst  gering 
dunkelbraun 

wie  Nr.  8 

desgl. 
desgl. 

anbeschnitten 

172 
8,5 
52 
109 
92 
92 
42,5 
44,5 
45,5 
43,5 
32,5 
32,0 
70,5 
83,5 
56,5 
38 
4,5 
38 
80,5 
82 
27,5 
19 
182 


gering 

dunkelbraun 

wie  Nr.  8 

desgl. 
desgL 

wie  Nr.  9 

171,5 

7,5 
51 

103,5 
89 
85 
36,5 
42 
48 
42 
33,5 
30,5 
76 
84 
57 
37 

5 

40^ 
78 
82 
28 
19 
178,5 


23  (rechU*  höher  als  linko     20,75  (rechte  höh.  als  linke)  20,75  (linke  höh.  als  rechte) 

26  '  27,25 

20,25  20 


(417) 


11. 

1 

12. 

18. 

14. 

dankelbrann 

brann 

chokoladebraun 

wie  Nr.  13 

1 

desgl. 

desgl 

desgl. 

desgl. 

rosa 

rosa 

rosa 

gelbrosa 

wie  Nr  8 

1 

wie  Nr.  8 

wie  Nr.  8 

schwarz,  wollig, 
etwas  weissroelirt 

Kinn-,  Backen-  und 

Schnarrbart  schwarz, 

wollig 

wie  Nr.  11 

Kinn-  und  Schnurrbart, 
schwarz,  wollig 

Backen-,  Kinn-, 
Schnurrbart,  schwarz, 
wollig,  etw.  weissmelirt 

Achsel«  Scham,  Brost 
n.  Bauch.   Sonst  gering 

wie  Nr.  11 

Achsel  und  Scham. 
Sonst  gering 

Achsel,  Brust,  Scham 

dnnkelbrann 

dunkelbraun 

dunkelbraun 

dunkelbraun 

wie  Nr.  8 

wie  Nr.  8 

wie  Nr.  8 

wie  Nr,  8 

desgl 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl 

wie  Nr.  9 

wie  Nr.  9 

wie  Nr.  9 

wie  Nr.  9 

167 

169,5 

171 

173,6 

7,5 

8,0 

7 

7,5 

56 

56 

56 

51 

99 

105 

106 

104,6 

84 

90 

90 

91 

87 

90 

98,6 

89,5 

37,25 

88,6 

89,5 

40 

41 

46 

44,5 

44,5 

48 

46,5 

46,5- 

44 

44,5 

46 

43,5 

42,5 

81 

86 

84,5 

82,5 

80,5 

82 

81 

82 

71,5 

76 

78,5 

74,5 

84,5 

86 

91,5 

86 

57 

66,5 

66,26 

66,5 

86,5 

85,6 

1                84,5 

86,6 

4>6 

5,25 

5 

5,26 

88 

89 

!                41 

38,5 

77 

77,5 

82,75 

79,5 

80 

29,5 

82,5 

81,5 

27,5 

28,5 

29 

27,5 

18 

18 

18,6 

20 

175,5 

181 

1               188,5 

182 

19,25  (1.  höh.  als  rechte) 

21 

1 

'  20,5  '^beiderseits  gl.  h ) 

19,6  (rechte  höh.  a.  linke) 

25 

27,25 

i                 26,75 

25 

20 

19,5 

19,25 

20 

Verbandl.  der  B«rl.  AnthropoL  OtieUfchafl  1S97. 


27 


(418) 


& 

9. 

10. 

11. 

12. 

18. 

14. 

^ 

^    ^      .- 

=-  ■    -■ 

-^  ^■ 

■    — ■  - 

"T 

=^"    ■ 

~ 

54. 

14 

14,6 

14,75 

14.5 

11,76 

14,76 

:  14,6 

66. 

9.26 

9 

9 

8,75 

1         9,™ 

7,6 

7,25 

66. 

10 

10.6 

11 

11,6 

11,50 

11 

10,5 

67. 

18,76 

12,76 

IS 

18,76 

18,7& 

11,5 

11,5 

58. 

5 

5 

6 

4,5 

6,26 

5,5 

6,05 

59. 

10 

11 

12 

12,5 

18,76 

12 

18,25 

60. 

28.6 

26.76 

36.6 

26,26 

25,6 

26 

27 

61. 

16 

15.6 

15,76 

IC 

16 

14,5 

14,75 

62. 

18 

i3;s 

18 

13 

14 

1V6 

12,75 

68. 

8,5 

4 

8.5 

4 

V6 

8,75 

4 

64. 

10,6 

9,76 

10,6 

10,25 

10,5 

10,25 

9,5 

65. 

8^ 

8,6 

4 

4,25 

8,76 

4,36 

4 

66. 

6 

5 

6,75 

5.76 

6,6 

5,76 

4,6 

67. 

6 

6,25 

6,6 

6,25 

6,26 

0,26 

6 

68. 

11.5 

11,75 

12 

12,25 

12,26 

11,25 

12,75 

6». 

12 

11.76 

12,25 

12,5 

12,6 

12 

18,25 

70. 

18 

18,26 

18 

1S,5 

13,5 

l»,26 

16 

71. 

18 

14 

14,5 

» 

14,26 

18,6 

15 

72  (   '■ 

24 

26,25 

26.5 

26.25 

2(1,76 

26,6 

28,25 

'^•lll. 

22,75 

25,25 

24,76 

24,5 

20,76 

26 

27,25 

73. 

ZeichnuDs: 
8a  nnd  S 

~ 

~ 

~ 

Zclehnniig  12 

~ 

~ 

St.  a.     Kalombd   (alias  Ticliiksutu'',    aus   rbudjitc      ubrun   und 
Frisur   den  .Suaheli   nacligotnacht.     Zwischen  drn  Brnst«!!  eine 

f  rosse  Narbe,  die  eine  f&»t  1  cu  hohe  Uautfalle  bildet,  ola  Sohmnck. 
inku  Mainuii  gcösicr  als   rechte.     Grosser   Nabelbruch.     I>abi> 
uiJQor.i  etvii  '> — 3  cm  aa.-^  der  RjniR  pud.  vorragend.    Die  oborcu 
Schneidfzähno  gi-fcilL 


Nr.  12.  Bancbtftttowirnng,  etwa  t  cm  bocli. 


(420) 


15. 

16. 

17. 

1. 

Ngina,  Mnha, 

Ugaga,  desgl., 

Kiha 

,  NiasoUo  (d.  h.  6  Finger), 

Muha,  (?),  Mteptia, 
1                  Kiha 

Rnwaga,  Mtussi,  Kagogo, 
Lnssambiko's  Dorf, 
Kimndi  und  Kitnssi 

üjiji,  den  6.  Janaar  1897 

wie  Nr.  15 

Ukissuma,  d.  26.  Febr.  97 

2, 

männlich 

weiblich 

männlich 

8. 

18-20  Jahr 

20-24  Jahr 

35-40  Jahr 

4. 

schlank 

schlank 

schlank 

9. 

58 

100  (Angst?) 

— 

11. 

10,80«  36,5° 

8,15  p   87,9°      . 

— 

12.  l  b) 

normal 

t 
wie  Nr.  15 

wie  Nr.  15 

• 

chokoladebrann 

1 
desgl.                 ' 

dunkelbraun 

18.  {  b) 

desgl. 

desgL 

desgl. 

|c) 

rosa 

desgl. 

wie  Nr.  15 

< 

schwarz,  wolb'g 

desgl. 

schwarz,  ganz  kurz 

— 

Kinn-  und  Schnurrbart 
spärlich,  schwarz,  wollig 

15. 

Scham;  sonst  ganz  gering 

Achsel  nnd  Scham ;  sonst 
ganz  gering 

Achsel,  Scham,  Unter- 
schenkel; sonst  gering 

Ib) 

donkelbrann 

weiss,  in  der  Lidspalte 
gelblich 

dunkelbraun 

wie  Nr.  16 

1 

braun 
wie  Nr.  15 

23. 

— 

hängend 

— 

26. 

nnbeschnitten 

• 

1 

unbeschnitten 

30. 

170 

146,5 

174,6 

31. 

6,5             ' 

1 

6,75  ^               i 

10 

.^2. 

53 

45 

47 

38. 

107 

1 

87,5 

1 

106 

r4. 

92 

1 

77 

92 

35. 

87                    l 

76,5 

92,5 

36. 

37,5 

85 

41 

37. 

44,5 

86,5                   ' 

48 

|a) 

48                      I 

44 

48 

38.  |b) 

48 

88,5 

44 

Ic) 

81,5 

88 

81 

39. 

31,5 

29,5 

29 

40. 

69 

69 

68,6 

41. 

82 

72,5 

81,6 

42. 

56,5 

58 

67 

43. 

36 

34,5 

86,6 

44. 

4,75 

4,5 

4;^ 

45. 

86 

31 

86 

46. 

78 

1 

68,5 

1 

77,5 

(421) 


18. 

19. 

20. 

21. 

Makohe,  Mtonfi;we, 
Kaluffambabi,  SklaWn 
aus  Mtepua,  Kitongwe 

und  Kiha 
üjiji,  d.  6.  Januar  1895 

Waniamba,  Mtongwe, 

Kulubalisi,  Sklavin 

aus  Mt^piia,  Kitongwe 

und  Kiha 

wie  Nr.  18 

Njarilfmüe,  Mtongwe, 

(?X  Sklavin  aus  Mtöpua, 

Kitongwe  und  Kina 

wie  Nr.  18 

Nkindi,  Mrundi, 

Kuinkanda, 

Lussambiko's  Dorf, 

Kirundi 
Ukissuma,  26. 2.  97 

weiblich 

weiblich 

weiblich 

männlich 

20—22  Jahr 

22—24  Jahr 

18—20  Jahr 

etwa  50  Jahr 

gut 

gut 

gut 

kräftig 

90 

84 

80 

— 

4P  87,15 <> 

• 

4,80p   37,4° 

5  p   37,1° 

wie  Nr.  15 

wie  Nr.  15 

wie  Nr.  15 

wie  Nr.  15 

hellbraun 

dunkelbraun 

hellbraun 

dunkelbraun 

desgl. 

desgL 

desgl. 

desgl. 

weissrosa 

rosa 

rosa 

rosa 

schwarz,  wollig 

wie  Nr.  18 

wie  Nr.  18 

graumelirt,  ganz  kurz 

• 

Kinn-  u.  Schnurrbart 
spärl.,  schwarz,  wollig 

Scham.  Achsel  wenig; 
sonst  ganz  gering 

wie  Nr.  18 

wie  Nr.  18 

Achsel,  Scham, 
sonst  gering 

dunkelbraun 

desgl. 

desgl. 

wie  Nr.  18 

wie  Nr.  15 

wie  Nr.  15 

wie  Nr.  15 

wie  Nr.  15 

hängend 

wie  Nr.  18 

wie  Nr.  18 

— 

— 

— 

unbeschnitten 

153 

160 

163,5 

169,5 

5 

1                 6,25 

6,26 

8,76 

50 

52 

61 

63,5 

88,75 

96,6 

94 

100,5 

82,5 

88 

77,5 

87 

81 

84 

79,5 

92 

38 

38,6 

39 

44 

37 

40 

37,5 

43,5 

46 

50,76 

46 

43,5 

43 

45,76 

41,6 

41 

34,75 

34,6 

82,76 

30 

30,75 

32 

28,76 

30 

83,75 

81,25 

83,6 

53,6 

80,5 

85,5 

80,5 

82,5 

56,75 

63,76 

64,6 

65 

37 

35 

86 

36,5 

3,75 

4,26 

4,26 

4,6 

36,26 

34 

37,26 

86,5 

70 

75 

72 

76 

(422) 


15. 

16. 

17. 

47. 

81,5 

28,5 

\ 

84 

48. 

28 

23,5 

1 

26 

49. 

18 

16,5 

( 

18,5 

50. 

181,5 

170 

175 

51. 

18,5  (rechte  höher  als  linke) 

17  (beiderseits  gleich  h.) 

19 

52. 

23,76 

1 

23,5 

25,5 

53. 

19,75 

18,75 

19,75 

54. 

14,75 

1 

13,76 

15 

55. 

7,5 

1 
1 

8,6 

7,5        . 

56. 

9,5 

1 

9,5 

10,25 

57. 

11,5 

11,5 

• 

11,75 

58. 

4,75 

1 
1 

4 

4,75 

59. 

10,75 

i 

10,5 

11,75 

60. 

24,5 

21,75 

22,5 

61. 

14,25 

1 

1 

1^75 

14,5 

62. 

12,75 

1 
1 

13,5 

12,75 

63. 

3,75 

1 

4 

3,5 

64. 

9,5 

( 

9,5 

9,5 

65. 

3,75 

1 

3,25 

3 

66. 

5,25 

5 

4,25 

67. 

5,26 

5,75 

5 

68. 

11,5 

11,5 

i                  11,75 

69. 

11,25 

( 

12 

11,6 

70. 

12,5 

13 

12,25 

71. 

13,25 

1 

13 

12,76 

'Mü. 

26,75 
25,75 

23 
22,5 

24,5 
24 

78. 

Obere  mittlere 
Schneidezahne  gefeilt 

Obere  mittlere   Schneide- 
zahne   aasgefeilt     Tätto- 
wimng  nur  anf  dem  Rücken 

(Zeichnung  Nr.  16). 
Ihr  Name  bedeutet:  die  6- 

t 

Seite  der  rechten  und  linken ; 

Hand  am  Grund  des  kleinen* 

ty!^tiiii\mil?niiU      Fingers  Je  eine  kirschkem-, 

« /^    _^  t.    1-  IL   j      grosse  Warze;  am  rechten' 

2  Qaer&iger  oberhalb  des  ^^  ^^en  am  Grund  der 
Nabels  2,  etwa  1,5  cm  hohe  j^iejnen  Zehe  eine  etwa  1cm 
Querlinien  über  den  Leib  j^^^  ^  ^ehe  mit  Nagel, 

am  linken  Fuss  nur  eine 
kirschkemgrosse  Warze 


1. 


22. 

Niambele,  Mrundi, 

Mkampa, 
Lussambiko's  Dorf, 

Kirundi 

Ukissuma,  d.  26.  Febr.  97 


28. 

Kana,  Mfussi, 

Ujogoma, 

Lussambiko's  Dorf, 

Kirundi  und  Kitussi 

wie  Nr.  22 


24. 

Manaali,  kitussi, 

Laknlla  kwa  Mwezi, 

Lussambiko's  Dorf.  Haupt- 

frau  d.  Sultans  l.nssambiko, 

Kirundi  und  Kitas<i 

wie  Nr.  l»2 


(423) 


18. 

19. 

20. 

21. 

27,6 

80,5 

29,6 

83 

23 

26 

24,75 

26,5 

17,5 

19 

16,6 

18 

166 

178 

1              165 

176,5 

22  (beiders.  gleich  h.)  19,75(linkeh.al8  rechte)  ;20,75  (rechte  h.  als  linke) 

19,5 

24 

24,26 

28,75 

24,5 

19,75 

18,75 

18,25 

18,75 

14,75 

14 

14,5 

14,75 

8,6 

7,75 

8,5 

7,75 

9,25 

9,75 

9,76 

10,5 

11,6 

11 

10,76 

18 

4,5 

4,6 

4,26 

6,25 

11,76 

11 

11,75 

11,5 

22,75 

23,25 

22,75 

23 

14,5 

18,5 

14 

14 

13,25 

11,26 

12,26 

13,75 

8,5 

8,5 

8,76 

3,6 

10,25 

9,75 

9,76 

9,75 

3,75 

4,25 

8,75               ! 

2,75 

4,76 

4,75 

4,5 

6 

5,6 

6,5 

5 

6,25 

11,75 

11,26 

11                   1 

11,25 

11,5 

11,5 

11,75 

12 

12,5 

13 

11,75 

13,25 

12,76 

12,25 

12,6 

13,5 

23,6 

25,5 

22,26 

27 

22,5 

24,25 

21 

25,5 

Obere  mittl.  Schneidc- 

Zähne  wie  Nr.  15. 

Zähne  normal. 

Zähne  als  Schninck aus-   Tätto wirung  s.  Zeich-    Tattowirun^  s.  /eich- 
gc«chlagen.    Tättowi-   nung  Nr.  lU;  auf  dem  nung  Nr.  20 

rnng  Rücken,   ganz   ver- 

(ZeichuungNr.lSa  u.  b)\  schwömmen,  ebenfalls  , 

I  sehr   reiche   Tättowi- 

I  mngen  sichtbar,  doch 

'  Muster  nicht  mehr  zu 

I  erkennen 


25. 


Niamutangi,  Mrundi, 

Mkampa, 

Lussarabiko's  Dorf, 

Kirundi 


26. 

Mubango,  Mtussi, 

Ujogoma, 
Lussambiko^s  Dorf, 
Kinmdi  und  Kitnssi 


27. 


KissambolSha^  Mtussi, 

üjensi, 

LuBsambiko's  Dorf, 

Kirundi  und  Kitussi 


wie  Nr.  22 


wie  Nr.  22 


wie  Nr.  22 


(424) 


22. 

28. 

24. 
weiblich 

25. 

26. 

27. 

2. 

weiblich 

weiblich 

weiblich 

männlich 

weiblich 

8. 

16—18  Jahr 

18-20  Jahr 

24—26  Jahr 

22—24  Jahr  etwa  85  Jahr  etwa  25  Jahr 

4. 

fftM 

kräftig 

sehr  schlank  , 

sehr  schlank 

kräftig 

kräftig 

kräftig 

12. 

a) 

c) 

normal 

normal 

normal 

1 
normal 

normal 

normal 

a) 

hellchoko- 
ladofarben 

chokolade- 
färben 

wie  Nr.  28 

wie  Nr.  28 

dunkelchoko- 
ladefarben 

chokolade- 
farben 

13. 

b) 

desgl. 
bis  röthlich 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

c) 

rosa 

gelbrosa 

rosa 

gelbrosa 

rosa 

rosa 

14. 

a) 

schwarz, 
wollig,  kurz 

wie  Nr.  22 

wie  Nr.  22 

seh  warz,karz,<  schwan^knrz, 
wollig,  rin^-       woUig 
um  zu  kreis- 
förmiger 
Platte  ab- 
rasirt       > 

wie  Nr.  26 

,b) 

^— " 

Kinn-  und 
Schnurrbart 

schwarz, 

wollig, 
gering;  sonst 

spärlich 

15. 

Achsel  und 

Scham 

schwarz, 

wollig, 

geriDg.  Sonst 

wenig 

Achsel  und 

Scham 

schwarz, 

wollig.  Sonst 

gering 

wie  Nr.  22 

wie  Nr.  28 

1 

1 
1 

wie  Nr.  28 

Achsel  und 

Scham  rasirt. 

Sonst  wenig 

16. 

Ib) 

dunkelbraon 

wie  Nr.  22 

wie  Nr.  22 

braun 

wie  Nr.  28 

i  wie  Nr.  2Ö 

weiss,  in  der 

Lidspalte 

gelblich 

wie  Nr.  22 

wie  Nr.  22 

wie  Nr.  22 

desgl 

desgl. 

28. 

stehend, 
kräftig 

etw.  hängend  klein,  stehend 

hängend 

— 

stehend, 
kräftig 

26. 

kl.  Scham- 
lippen 1  cm 
hervorragend 

Lab.  min. 
etwa  2  cm 
vorragend 



Lab.  min. 

etwa  1 — 2  cm 

vorragend 

unbeschnitten 

1 

80. 

162 

162 

169 

165,5 

184 

165,5 

81. 

7 

7,5 

9,5 

6,75 

7,5 

7,5 

82. 

44 

48,5 

46,5 

48 

53 

44 

1 

88. 

97,5 

104 

105 

94 

114,6 

98,5 

84. 

88 

87,25 

98,5 

82 

97,75 

84 

86. 

81,5 

80,5 

89,5 

75 

91,6 

86,5 

oG. 

83,5 

86 

44,75 

80,5 

45,5 

42 

87. 

38,5 

40 

44,5 

41 

47 

87 

a) 

49,5 

47,75 

45 

45 

54,5 

66 

88.  < 

b) 

48 

;        44,5 

48 

40,25 

1 

50,6 

50 

1 

c) 

85,75 

82,5 

81,25 

1 

82^ 

86 

89,25 

89. 

80 

80 

28,25 

80 

84,6 

84 

(425) 


22. 

SB.         1 

1 

24. 

25. 

26.         i 

1 

27. 

40. 

75,76 

69,5 

74,6 

69,25 

75,6 

77,5 

41. 

82,5                 75,5 

82,6 

81,5 

89,76 

91 

42. 

57 

64,25 

52 

62,6 

56,76 

64 

43. 

3G 

34 

36 

33,5 

87 

34 

44. 

3,75            .     4            i 

4,76                 3,5 

4,6 

4 

45. 

38                   34 

1 

36                   36,76 

42 

34,6 

4G. 

74,6                 74,26 

81,76 

73 

81,5 

74 

47. 

31,5 

32 

34,6 

32,5 

32,5 

31 

48. 

25,26 

25 

28,26 

26 

28,5 

27,25 

40. 

18,5 

17 

18 

16,5 

20 

18,75 

50. 

171,5 

165,6 

185,5 

167 

191,6 

170,5 

51. 

20,75 

16,75 

21,26               19,5 

19 

24,75 

52. 

25 

23,6 

26                   26,5 

26,6 

26 

53. 

19,76 

18,5 

19                   17,5 

19,6 

19 

54. 

14,6 

12,75 

13,75               14 

14,76 

18,5 

55. 

8,5                 7,25 

6,75                 8 

8 

7,5 

oG. 

8,76                 9 

9,25       1          9,25 

10,76 

10 

57. 

12                    10,5 

11,5 

12,5 

11,5 

12 

58. 

3,76       '          4 

4,6 

?,5 

6,6 

4,5 

59. 

10                    10 

10,6 

10 

12,5 

11,5 

(\0. 

23,26               21,76 

23,75 

21,75 

20 

28 

Gl. 

14,25               12,75 

14.26 

12,75 

14,5 

14 

G2. 

12,5                 11,75 

12,6         ;        12,5 

13 

12,75 

G3. 

3,75 

3 

8,6 

3,5 

3,5 

3,5 

G4. 

10 

9,26 

9,75       !        10,5 

10 

9,75 

05. 

4                     3 

8,26                 3,5 

1 

;    3 

3,5 

G6. 

4.5                  4 

4            '          4,5 

:          5,26 

4,75 

G7. 

5,6                   6 

5,25                 5,76 

\          6,25 

6,75 

68. 

11,25 

10,26 

11                    10,25^ 

12,25 

11,25 

1 

G9. 

11,25 

10,6 

11,76 

10,76 

12,25 

11,75 

70. 

12,5 

11,5 

12,25 

12,76 

18,5 

1        12,5 

71. 

12,6 

12 

18 

12,75 

14 

13 

72. 

f  ^• 

24,26 

23,6 

24,76 

22,75 

27,5 

25 

II. 

23,6 

22,6 

24 

20,75 

26,5 

24,5 

73. 

— 

— 

1 

« 

^)  Auf  beiden  Oberarmen  von  d( 

;r  Schulter  an  abwärt«  je  2 

Reihen  von  ^ 

J,  etwa  0,5  an 

grossen  runden  Schnittnarben. 

■ 

Endlich  7  Längenmaasse  von 

i  Watwa,  angeblichen 

Zwergen, 

in  ürundi: 

5.  April  1897    1 

erwachsener  Mann   .   .    . 

157  cm 

11.     „      1897    1 

r                       rt          •     '     * 

147   „ 

11.     „     1897    1 

••                       «          •     •     • 

149   . 

11.     ,      1897     1 

V                      ,,          .     .     . 

153  „ 

11.     „      1897     1 

junger  Manu 

149   . 

11.     ,      1807    1 

erwachsener  Mann  .   .   . 

156   . 

11. 

.      1897     1 

m 

V«                  ft         «         • 

Vb^    . 

(426) 

Hr.  Rud.  Virchow:  Die  vorstehenden  üebersichUm  sind  einfach  nach  den 
Aufzeichnungen  des  Hrn.  Hösemann  wiedergegeben,  obwohl  sich  gegen  viele 
derselben  grosse  Bedenken  ergeben.  Dies  gilt  namentlich  Ton  den  Messungen. 
Der  gebrauchte  Beckenmesser  mag  ein  sehr  gutes  Instrument  sein,  aber  zum 
Schädelmessen  dürfte  er  wenig  geeignet  sein.  Sonst  konnten  sich  wohl  kaum  so 
grosse  Schwankungen  ergeben.  Ich  habe  die  Probe  gemacht,  die  ersten  7  Individuen 
auf  ihren  Kopfindex  zu  berechnen.    Es  ergiebt  sich  dann  Folgendes: 

Kopf  Länge  Breite  Index 

^V.  1 19  15,5  81,6 

-    2 18  14  77,8 

8 20,25  14  69,1 

4 17,75  15,25  80,5 

5 14,5  14,5  72,5 

.    6 13,5  18,5  71,0 

^    7 14,5  14,5  79,3 

'  Es  wtlrde  unverständlich  sein,  wenn  jemand  daraus  einen  mittleren  Index  be- 
rechnen wollte.  Die  Differenz  zwischen  dem  grössten  und  dem  kleinsten  Index 
(81,6  —  69,1)  beträgt  12,5.  Von  den  7  Schädeln  wären  danach  2  brachycephal, 
2  mesocephal,  2  dolichocephal,  1  hyperdolichocephal  gewesen.  Das  ist  nicht 
glaublich.  Man  wird  also  vorläufig  einen  grossen  Theil  der  Maasse  unberück- 
sichtigt lassen  müssen,  bis  durch  eine  vergleichende  Messung  an  einem  Normal- 
Instrument  die  wahre  Grösse  der  Entfernungen  festgestellt  ist.  Da  aber  Hr.  Höse- 
mann nicht  einmal  für  die  Höhen-,  bczw.  Längenroessungen  des  Körpers  ein  Band- 
maass  oder  ein  K<?krutenmaass  verwendet  zu  haben  scheint,  so  wird  man  auch 
diese  Messungen  wenigstens  bis  auf  Weiteres  zu  beanstanden  haben. 

Es  muss  bei  dieser  Gelegenheit  dringend  darauf  aufmerksam  gemacht  werden, 
dass  sowohl  die  Militär-  und  Marine-,  wie  die  Colonial-Verwalturig  dafür  Sorge  tragen 
sollten,  dass  ihre  Reisenden  und  Aerzte  mit  guten  anthropologischen  Instrumenten  aus- 
gerüstet und  vor  der  Abreise  in  der  Benutzung  derselben  praktisch  geübt  werden. 
Selbst  ein  so  grosser  Eifer,  wie  ihn  Hr.  Hösemann  gezeigt  bat,  ist  nicht  im 
Stande,  die  Lücken  in  der  Ausrüstung  und  Einübung  auszugleichen. 

Das  Beste  in  den  vorstehenden  Aufzeichnungen  sind  die  Beschreibungen 
einzelner  Körpertheile,  wie  der  Zähne,  und  die  Tättowirungs-Zeichnungen,  welche 
gelegentlich  einer  genaueren  Vergleichung  mit  den  bei  anderen  Stämmen  Ost-  und 
Central-Africas  gebräuchlichen  Verunstaltungen  unterzogen  werden  müssen.  — 

Hr.  Hösemann  hat  glücklicherweise  durch  Vermittelung  des  Hrn.  Dr.  Stuhl- 
mann 

„einen  ächten  Mtnssi- Schädel'^ 

eingesendet    lieber  denselben  ist  Folgendes  zu  bemerken: 

Wir  kennen  Ujiji  (Udschidschi)  als  die  bedeutendste  Hafenstadt  am  Tanganyika 
seit  den  Reisen  von  Stanley  und  Wissmann,  aber  meines  Wissens  ist  niemals 
ein  Schädel  von  da  zu  uns  gekommen.  Was  die  Watussi  betrifft,  so  finde  ich  sie 
gelegentlich  bei  Hrn.  Stuhlmann  (Mit  Emin  Pascha  u.  s.  w.  Deutsch-Ost-Afrika. 
1.  768)  mit  den  Wnhüma  zusammengestellt,  die  er  als  weit  nach  Südwest  vor- 
gedrungene hamitische  Einwanderer  betrachtet  (vergl.  S.  842).  Jedenfalls  ist  der 
übersendete  Schädel  für  uns  von  grossem  Werthc,  da  wir  auch  Wahüma-Schädel 
nicht  besitzen.  Die  Herren  Reisenden  werden  es  also  nicht  unbillig  finden,  wenn 
ich  den  Wunsch  ausspreche,  dass  sie  mehr  gut  bestimmte  Schädel  aus  diesen 
Gegenden  sammeln  und  dabei  auch  ausgiebige  Haarproben  nicht  vergessen  möchten. 


(427) 

Der  bis  auf  ein  PanrZühne  vortrefflich  erhaltene  männliche  Schädel  zeigt  er- 
hebliche Unterschiede  von  den  uns  sonst  beschäftigenden  Schädeln  der  ostarrikn- 
nischen  Neger.  Er  bogilzt  die  ^nx  ungewöhnliche  Cupacität  von  1536  ccm  und 
einen  HorizontalumTung  ron  b2b  tnm.  Dem  entsprechend  sind  alle  Theile  nicht 
nur  gross,  sondern  auch  sehr  krüftig  entwickelt.  Obwohl  die  Zähne,  namentlich 
die  Molaren,  nor  miissig  abgenutzt  sind,  so  finden  sich  doch  zahlreiche  Synostosen 
der  Nähte.  Die  Pfeilnaht  ist,  namentlich  in  ihren  hinteren  Abschnitten,  fast  ganz 
vorstrichen  und  die  Emissnrien  fehlen:  auch  die  lateralen  Abschnitte  der  Coronnrin 
sind  stellenweise  im  Verstreichen  und  die  Nasenbeine  fast  ganz  verwachsen.  Es 
dürfte  also  ein  älterer  Mann  gewesen  sein. 

Der  lange  und  schmale  Schädel  hat  eine  hohe  Scheilelcurrc  (Pig.  2);  der 
Typus  ist  hypsidolichocepha!  (Breitenindex  74,2,  Ilöhenindex  77,4,  Ohrhöhen- 
index G4,'^).  Die  Stirn  ist  sehr  breit  (100  mm  in  min.)  und  gewölbt,  ganz  ohne 
Supraorbitalwüläte;  das  Hinterhaupt  stark  ausgelegt,  ohne  Prot,  occip.  In  der 
rechten  Schläfengegend  findet  sich  ein  langes,  trennendes  Epiptericum  (Fig.  '2), 
doch  ist  eine  Aenderung  in  der  Gestalt  der  Schlufengrubc  nicht  vorhanden.  Am 
Hinterhaupt  keine  andere  Bildnngsnnomalie,  als  eine  etwas  nach  rechts  verschobene 
und  auf  dieser  Seile  stärker  gezackte  Lambdanaht.  Basis  voll  entwickelt;  Forameii 
rangnum  gross,  bes.  lang:  L.  40,  Br.  29  mm;  Index  72,5.  Lange  Griffel forlsätzo. 
Sehr  breite  Apoph.  basil.    Schmale  Proc.  pler. 

Fig.  1.  Fig,  2. 


Das  Gesicht  (Fig.  I)  erscheint  hoch  und  wenig  breit;  es  crkläit  sich  dieser 
Eindruck  einerseits  darch  die  Höhe  der  Scheitelcurvc,  andererseits  durch  die  starke 
Ausbildung  der  Kieferknochen.  In  der  That  ist  der  Jochbogcn-Queidurchmessor 
gross  (KiS'Bw)'  "'"s  Wangenbein  gross  und  auch  die  Gesichtshöhe  (Nasenwurzel 
l.is  Rinn)  gut  entwickelt  (123  mm).  Der  Gesichtsindex  berechnet  sich  auf  «I,«, 
ist  also  mesoprosop.  Dem  entspricht  ein  hypsikoncher  Orbital-Index  (88,0) 
und  die  hohe,  nach  oben  mehr  gerundeic  Form  der  Augenhöhlen.  Die  mächtige 
Nase  tritt  weit  vor  und  hat  eine  ausgemacht  aquiline  Form:    Index  01,7,    also 


(428) 

platyrrhin.  Der  Kücken  ist  stark  eingesattelt,  aber  in  den  oberen  und  mittleren 
Theilen  schmal,  in  der  Mitte  synostotisch,  die  Spitze  eingebogen,  die  ganze 
knöcherne  Nase  gegen  die  weite  Apertur  verbreitert.  Oberkiefer  gross,  der  Alveolar- 
fortsatz  stark  prognath,  aber  die  grossen  Schneidezähne,  die  nicht  gefeilt  sind, 
stehen  orthognath.  Dagegen  haben  die  unteren  Schneidezähne  eine  fast  schaufei- 
förmige  Stellung.  Der  Unterkiefer  sehr  kräftig,  in  der  Mitte  hoch  und  tief  ein- 
gebogen, die  Aeste  breit,  die  Winkel  gerundet  und  nach  aussen  vorgebogen.  Die 
Gaumenplatte  gross,  namentlich  lang,  leptostaphylin  (Index  G9,0).  — 

Diese  Eigenschaften,  welche  dem  Anschein  nach  mehr  als  blosse  Varianten 
des  Stammestypus  sich  danstellen,  machen  es  allerdings  wahrscheinlich,  dass  der 
Stammestypus  von  dem  in  diesen  Gegenden  so  verbreiteten  Bantu-Typus  ver- 
schieden ist.  Die  mir  freilich  fast  nur  von  lebenden  Individuen  bekannte  Form 
des  Kopfes  der  südlichen  Hamiten  lässt  sich  mit  der  Beschaffenheit  dieses  Schädels 
dagegen  unschwer  zusammenstellen.  Nicht  nur  die  Grösse  desselben  und  seine 
ausgemacht  hypsidolichocephale  Beschaffenheit,  sondern  auch  die  Bildung  des 
Gesichts,  insbesondere  die  extrem  voi^eschobene,  in  ihren  oberen  Abschnitten 
schmale  und  am  Ende  aquiline  Nase,  und  der  trotz  fast  orthognather  Stellung  der 
oberen  Schneidezähne  stark  vortretende  Alveolarfortsatz  (Fig.  2}  würden  sich  mit 
einem  Bantu-Ropfe  nicht  wohl  vereinigen  lassen.  Auch  der  Mangel  einer  Feilung 
an  den  Zähnen  ist  bemerkenswerth. 

Von  den  mir  sonst  zugegangenen  Schädeln  von  Nachbarstämmen  weiss  ich  nur 
%venige  hier  zu  erwähnen.  Ich  habe  über  sie  in  der  Sitzung  vom  19.  Januar  1895 
berichtet.  Da  zeigte  ich  den  einzigen  Schädel  eines  Mhehe,  der  mir  je  vorgekommen 
ist.  Er  hatte  mancherlei  Zeichen  einer  sehr  mangelhaften  Entwicklung  an  sich, 
weshalb  die  Vorsicht  gebietet,  von  ihm  nicht  zu  viel  zu  sagen.  Seine  Capacität 
betrug  -nur  1055  ccm^  er  war  also  ausgemacht  nannocephal.  Aber  er  besass  gleich- 
falls eine  hypsidolichocephale  Form  und  ein  mesoprosopes  Gesicht,  auch  war  die 
platyn*hine  Nase  partiell  synostotisch;  Oberkiefer  und  obere  Schneidezähne  waren 
stark  prognath,  aber  das  Gebiss  im  Ganzen  opisthognath.  Ich  habe  damals  eine 
Vergleich ung  mit  den  von  Hrn.  Grafen  v.  Schweinitz  gemessenen  lebenden 
Wangoni  angestellt,  die  als  ein  von  Süden  her  eingewanderter  Zulu-Stamm  gelten, 
und  ich  habe  gefunden,  dass  die  Wahehe,  welche  ihnen  stammlich  an  die  Seite  gestellt 
werden,  nach  uuserem  Skeiet  manche  Aohnlichkeit  mit  ihnen  darbieten.  Aber  ich  muss, 
nach  directer  Confrontation  des  neuen  Mtussi-Schädels  mit  dem  früheren  Mhehe,  aus- 
sagen, dass  dabei  die  grösstc  Verschiedenheit  hervorgetreten  ist,  insbesondere  in 
der  Vorderansicht.  Bei  dem  Mhehe  beherrscht  der  ungemein  breite,  voll  gerundete 
Alveolarfortsatz  mit  seiner  langen  Zahnreihe  das  ganze  Bild,  dem  gegenüber  der 
Anblick  des  Mtussi  der  eines  fein  und  schlank  entwickelten  Kopfes  ist.  Wir 
müssen  also  noch  warten,  ehe  wir  uns  entscheiden.  So  lange  wir  nur  einzelne 
Schädel  besitzen,  wird  das  definitive  Urtheil  vorzubehalten  sein.  Ueberdies  ist  die 
Frage  nach  einer  Vermischung  der  Typen  eine  nahe  liegende. 

Jenseit  der  Wahehe  gegen  Nordost  wohnen  die  Wassandaui,  von  denen  damals 
gerade  Hr.  Oskar  Neu  mann  zwei  vorzügliche  Schädel  heimgebracht  hatte.  Sie 
werden  als  ein  von  den  Bantu  verschiedener  Stamm  gedeutet  Hr.  Oskar  Bau- 
mann, der  eine  Schilderung  von  ihnen  entworfen  hatte,  erklärte  sie  für  einen 
durch  Mischungen  mit  Nachbarstämmen  veränderten  Urstamm.  Ausdrücklich  betont 
er,  dass  manche  Individuen  den  hamitischen  Typus  tragen.  Auch  die  Capacität 
dieser  Schädel  ist  verhältnissmässig  klein:  1250  und  1265  com.  Ihre  Schädelform 
erwies  sich  als  orthodolichocephal,  das  Gesicht  als  leptoprosop,  also  erheblich  ver- 
schieden von  dem  Mtussi-Schädel.    Auch  bei  ihnen  gab  es  partielle  Synostosen  der 


(429) 


Nasenbeine,  aber  die  Gesammtforin  der  Nase  war  mesorrhin;  dabei  starker 
Prognathismus.  Die  vermuthungswoise  aufgetauchte  Vorstellung,  dass  dicWassan- 
daui  TerwandtschaftUche  Beziehungen  zu  den  Hottentotten  haben  könnten,  musste 
ich  bestimmt  ablehnen  (ebendas.  S.  72). 

Ich  wollte  an  diese  Beobachtungen  nur  erinnern,  weil  ich  anderweitiges 
Material  zu  Vei^leichungen  nicht  auftreiben  konnte.  Beiläufig  besprach  ich  damals 
gewisse  Analogien  zwischen  den  Wahche  und  den  Buschmännern,  aber  ich  warnte 
auch  vor  der  TerfUhrerischen  Neigung,  sich  durch  die  Uebereinstimraung  der  Index- 
zahlen zu  übertriebenen  Schlussfolgerungen  verleiten  zu  lassen.  Diese  Warnung 
habe  ich  mir  selbst  bei  der  Vergleichung  des  Mtussi -Schädels  vorgehalten;  ich 
kann  schliesslich  nur  die  wiederholte  Bitte  aussprechen,  dass  die  Reisenden  in 
Ost-,  wie  in  West-Africa,  mehr  dazu  beitragen  möchten,  den  Anthropologen  die 
Lösung  ihrer  Aufgabe  zu  ermöglichen.  — 

Nachstehend  die  Maasse  des  Mtussi-Schädels: 


Capacität 

Grösste  horizontale  Länge  .   . 

y,       Breite 

Gerade  Höbe 

Ohrhöhe 

Horizontalomfang 

1185  Stirn 
126  Mittelk. 
USHinterk. 

Stimbreite 

Gesichtsböbe 

Mittelgcsicht,  Höhe 

IL 

Breitenindex 

Höhenindex 

Ohrböhenindcx 

Gesichtsindex 


I.   Gemessen: 

1536  ccm  Mittclgesicbt,  Höhe  b.  Zahnrand 

186  mm  Abstand  der  Jochbogen  .   .   . 

188^  „  r          «    Molarvorsprfinge 

144    -  •          „    Kieferwinkel   .   . 
120    . 
525    „ 

374    „ 

100    „ 

123    r 
78    , 


Orbita,  Höhe  . 

„     ,  Breite. 
Nase,  Höhe.   . 

^    ,  Breite   . 
Gaumen,  Länge 
„      ,  Breite 


89  mm 
138    ^ 
96    „ 
98    „ 

(94)  genaa  au 
d.  Uinbiegnoi: 

37  mm 

42    ^ 

68 

80 
55 
88 


r> 


Berechnete  Indices: 

74,2  OrbiUlindex 88,0 

77.4  Nasenindex 51,7 

64.5  Gaumenindex 69,0 

81,8 


(33)  Hr.  W.  V.  Schulenburg  übersendet  aus  Charlottenbui^,  5i6.  September^ 
folgende  Mittheilungen  über 

märkische  Alterthttmer  und  Gebräuche. 

1.    Die  Schwedenschanzen  bei  Görbitzsch. 

Westlich  6  km  von  der  Stadt  Sternberg  in  der  Neumark  liegt  das  Dorf 
Görbitzsch  (Kreis  West-Stemberg,  Provinz  Brandenburg),  ein  sehr  schön  gelegenes 
Rittergui  Von  Görbitzsch  aus  in  südlicher  Richtung  erstreckt  sich  der  grosse  See, 
durch  einen  Sumpf,  den  ein  breiter  Waeserlauf  durchzieht,  verbunden  mit  dem 
kleinen  See.  Einige  100  Schritte  westlich  vom  kleinen  See  liegen  auf  dem  Aus- 
läufer eines  flachen  Bergrückens  die  im  Volke  so  genannten  Schwedenschanzen. 
Ich  habe  dieselben  zweimal  zu  Wagen  aufgesucht,  meine  Zeit  war  aber  beschränkt 
Da  sich  einige  Lücken  ergaben,  trotzdem  ich  viele  Längenmaasse  abgeschritten  habe, 
und  ich  die  Schwedenschanzen  noch  einmal  aufsuchen  will,  so  werde  ich  später 
eine  genauere  Zeichnung  geben  und  deute  jetzt  den  Rundwall  in  der  Zeichnung 
(Fig.  1)  nur  an. 


(430) 

Was  den  erwähnten  ßergrUcken  anbetrifft,    so  fallt  er  in  einer  steilen  Wand 
als  schrolTer  Abbang  bei  cd  in  die  Tiefe,   vielleicht  60  Fass,    und  dieser  schroffe 

Fig.  1. 


•^ 


Abhang  setzt  sich,  wenn  auch  weniger  steil,  westlich  bis  q  fort.  In  der  Tiefe  de» 
Abgrundes  quillt  Wasser,  das  nordöstlich  abfliesst.  Jenseit  des  nicht  allzu  breiten 
Abgrundes  erhebt  sich  wiederum  ein  steiler  Berghang.  Auf  der  gegen ttberliegenden 
Seite,  bei  n  k,  fällt  der  Berg  ebenfalls  schroff  ab,  doch  nur  in  geringerer  Tiefe, 
vielleicht  35  Fuss.  Am  Kusse  des  Abhanges  n  k  liegt  eine  schmale  Schlucht  und  jen- 
seit derselben  erhebt  sich  wieder  ein  Bergabhang.  Diese  Schlucht  setzt  sich  nach 
SW.  als  flachere,  ansteigende  Mulde  fort,  lieber  k  hinaus,  in  der  Richtung  nach  L 
senkt  sie  sich  und  verläuA  in  eine  rings  von  Bergen  eingeschlossene  Tfaalsenkung, 
die  den  Eindruck  grosser  Abgeschiedenheit  macht.  Auch  hier  unten  sind  Quellen, 
weshalb  hier  Elsen  wachsen,  während  sonst  die  Berge  ringsum  mit  Buchen-Hoch- 
wald bestanden  sind.  Auf  der  Seite  nach  NO.  fällt  der  Berg,  von  k  e  nach  h  /,  nur 
sanft  ab,  dann  aber  von  h  i  in  einem  steileren  Abhang  nach  dem  erwähnten  Thal* 
grund.  Auf  der  Seite  nach  SW.  und  W.  verläuft  der  Bergrücken  in  seiner  ganzen 
Breite  flach  und  eben.  Fasst  man  den  Berg  hier  als  Vertheidigungsstellnng  in 
alter  Zeit  auf,  so  ist  das  Stück  cd  völlig  sturmfrei,  bei  nk  der  Zugang  äusserst 
schwierig,  auf  der  Seite  bei  /<  i  durch  den  grösseren  Abhang  erschwert,  und  auf 
der  Seite  c  n  völlig  frei.    Dies  war  die  schwache  Seite. 

Hier  auf  der  Höhe  ist  nun  der  Rund  wall  cdh  angelegt  worden.  Er  bat,  wenn 
ich  ihn  richtig  aufgefasst  habe,  die  Form  eines  Hufeisens  und  besteht  aus  einem  gut 
erhaltenen  Wall  und  Graben.  Sollte  er  als  Befestigung  dienen,  dann  war  die  Wall- 
kröne  jedenfalls  durch  eine  Vcrpfählung  verstärkt;  denn  ein  blosser  Wall  mit 
Graben  von  massiger  Tiefe  konnte  im  Alterthum  keine  genügende  Sicherheit  ge- 
währen. Das  Stück  cd,  über  der  steilen  Wand,  ist  ganz  frei;  hier  fehlt  der  Wall 
vollständig.  Denn  dass  er  in  die  Tiefe  gestürzt  sein  sollte,  erschien  mir  ganz  aus- 
geschlossen. Im  Rundwall  selbst  fällt  der  Innenraum  cdb  von  NW.  nach  SO.  und 
von  SW.  nach  NO.  Jetzt  führt  bei  dacmq  ein  künstlich  hergerichteter  Fussweg 
entlang. 


(431) 

Auf  der  ebenen  Bergfläche  nach  SW.  sind  noch  zwei  Gräben  vorgelegt,  m  p  n 
und  gs2^  vielleicht  gehörten  auch  in  ihrer  ganzen  Länge  Wälle  dazu(?).  Am  Fuss- 
steig  bei  m  und  q  sieht  man  noch  Erhöhungen.  Der  etwaige  Wall  mp,  wenn  ein 
solcher  bestanden  hat,  wäre  dann  noch  weiterhin  sichtbar  in  einer  11  Schritt  breiten, 
wenig  hohen  Erdrampe,  die  wie  ein  aufgeschütteter  Weg  oder  Erddamm  aussieht 
und  sich  in  der  Richtung  von  t/i  nach  p  hin  erstreckt.  Vor  ihr  liegt  der  Graben. 
Dieser  zieht  sich  deutlich  in  einem  Bogen  m  p  n  hin  und  legt  sich  bei  n  an  den 
Graben  des  Hauptwalles.  Der  Graben  9  r  erstreckt  sich,  bis  s  kaum  gebogen, 
nach  :  hin.    Von  s  an  wird  er  weniger  bemerkbar. 

Ein  dritter  Aussengraben  ist  noch  erhalten,  wenigstens  sichtbar  in  dem  gerade- 
geführten Stück  h  i.  Bei  /  biegt  er  um  und  ist  erkennbar  bis  n,  Vermuthlich  führte 
er  weiter  bis  A-,  heran  an  den  Graben  des  Rundwalles.  Von  einem  Wall  ist  hier 
nichts  bemerkbar.  Auch  auf  der  Strecke  e/i  ist  nichts  von  einem  Graben  zu  sehen, 
der  Bergabhang  (e  h)  verläuft  hier  noch  steiler  als  bei  // 1.  Ob  das  Fehlen  des 
Grabens  damit  in  Zusammenhang  steht,  muss  dahingestellt  bleiben. 

Auf  der  Strecke  z  bis  n  ist  nichts  von  Wall  oder  Graben  zu  bemerken. 

Bei  o  ist  ein  flacher  Wegeinschnitt  im  Wall.  Der  Weg  führt  weiter  bei  p 
durch  den  zweiten  Graben  und  bei  ^  durch  den  dritten,  dann  biegt  er  links  um 
und  führt  durch  die  Verlängerung  der  Schlucht  g  den  jenseitigen  Berg  hinauf.  Ob 
dies  ein  alter  Zugang  oder  ein  neuerer  üolzweg  ist,  dürften  spätere  Erkundigungen 
ergehen. 

Im  Innenraum  des  Rundwalles,  etwa  20  Schritte  vom  Rande  a  d  entfernt,  ist 
ein  Rundtheil  von  9  Schritt  Durchmesser,  das,  etwas  höher  als  der  übrige  Boden, 
sich  deutlich  abhebt.  In  der  Mitte  zeigt  es  eine  flache  Vertiefung,  während  rings 
um  dasselbe  eine  Rinne  oder  ein  kleiner  Graben  ging,  wie  noch  sichtbar  ist. 

Was  die  Grössenverhältnissc  des  ganzen  Erdwerkes  anbetriftt,  so  beschränke 
ich  mich  darauf,  vorläufig  einige  annähernde  Maasse  zu  geben.  '  Es  ist  a  b  etwa  = 
50  Schritt,  crf  =  36*  ("^  =  Schritt),  wg  =  4b^  der  Umfang  des  Rundwalles  in  der 
Grabensohle  elf  gemessen  =  180"^,  die  Höhe  des  Walles  von  der  Grabensohle  aus 
vielleicht  =  10 — 12  Fuss,  dieselbe  über  dem  Innenraum  des  Werkes  etwa  3 — 5  Fuss, 
c  m  =  45— ^)0^  q  m  =  20%  m  n  =  135"',  ^  «  =  G3%  9  r  =  105"',  h  i  =  50%  /  u  =  20^. 

In  der  Zeichnung  deuten  e //,  w n  und  q z  die  Grabensohlen,  cdb  den  inneren 
Rand  des  Rundwalles  an. 

Die  Generalstabs-Karte  dieser  Gegend  (297  Zielenzig),  aufgenommen  i.  J.  1822, 
im  Maassstabe  1 :  100000,  verzeichnet  die  Schwedenschanzen  nicht  mehr,  eine 
neuere  in  grösserem  Maussstabe  fehlt  noch. 

Bei  den  Nachgrabungen  im  Rundwall,  die  mein  Begleiter  Hr.  Paul  Willich 
bei  meinem  zweiten  Besuche  desselben  vornahm,  da,  wo  die  Rreuzchen  gezeichnet 
sind,  fand  sich  in  dunkler,  schwärzlicher,  z.  Th.  fetter  Erde  eine  Anzahl  kleinerer 
Scherben,  von  denen  fast  alle  zweifellos  den  Burgwalltypus  zeigen.  Sie  sind  hart 
gebrannt,  dem  Anschein  nach  auf  der  Drehscheibe  geformt,  meist  rötblich,  einzelne 
gelblich.  Nach  mehreren  Mundstücken  zu  urtheilen  waren  sie,  oder  einzelne  von 
ihnen,  rundbauchig,  mit  ganz  kurzem,  eingeschnürtem  Halse,  wie  bisher  auf- 
gefundene Gefässe  dieser  Art.  Die  Verzierung  besteht  aus  et^a  4  mm  breiten, 
ganz  flachen,  gleichlaufenden  Einfurchungen,  soweit  zählbar  8 — 9,  die,  eine  unter 
der  anderen,  um  den  Bauch  herumlaufen.  Nur  ein  Stück  zeigte  eine  einzelne, 
2  mm  breite,  schmale,  aber  tiefere  Einfurchung.  Ebenso  verhielten  sich  Scherben, 
die  sich  hier  in  Maulwurfs -Hügeln  vorfanden.  Einige  wenige  unter  den  vor- 
gefundenen Scherben  hatten  fast  das  Aussehen  von  vorslavischen,  doch  waren  die 
Bruchstücke  zu  klein,  um  ein  sicheres  Urtheil  zuzulassen. 


(432) 

Beim  Graben  im  Kundtheil  stellte  sich  heraus,  dass  dieses,  scheinbar  in  der 
ganzen  Oberfläche,  mit  schwarzer,  kohliger  Erde  bedeckt  ist,  die  von  wiederholtem 
Feuer  henührt.  In  derselben  finden  sich  viele  noch  wohl  erhaltene  grössere  SttJcke 
von  Holzkohle.  Unter  der  Kohlenschicht  liegt  heller,  gelber  Sand.  In  der  Mitte 
des  Rundtheils,  soweit  das  Nachgraben  ergab,  war  die  Rohlenschicht  12 — 15  ein 
tief.  Am  Rande  ging  sie  an  mehreren  Stellen  tiefer,  bis  etwa  30  cm.  Auch 
fand  sich  an  einer  Stelle  eine  hellgraue  Masse,  wie  Asche  aussehend,  zwischen  der 
kohligen  Erde.  Nur  ein  Scherben,  3  cm  lang,  5  mm  stark,  ganz  kohlig,  fand  sich 
vor.  Abgewaschen  sieht  er  gra\ischwarz,  graphitartig  aus,  innen  geschwärzt,  fein 
im  Bruch,  und  zeigt  auf  der  Innenwand  die  feinen  Züge,  wie  die  erwähnten  Burg- 
wallscherben. 

Die  Holzkohle  vom  Rundtheil  hatte  Hr.  Lauck,  Assistent  der  vegetabilischen 
Abtheilung  der  Landwirthschaftlichen  Hochschule  zu  Berlin,  die  Güte  mikroskopisch 
zu  untersuchen,  wofür  ich  hier  besten  Dank  sage.  Dabei  ergab  sich:  „dass  die 
verkohlten  Holzstücke,  den  charakteristischen  Holzform-Elementen  nach,  nicht  Laub-, 
sondern  Nadelholz  darstellen,  und  zwar,  der  Gestalt  der  Markstrahlen  nach,  die 
oft  schwer  zu  erkennen  ist,  höchst  wahrscheinlich  Föhren-Arten  (Pinus  im  engeren 
Sinne)  angehören."  Daraus  könnte  vielleicht  folgen,  dass  damals,  wenigstens  theil- 
weise,  Nadelholz  stand,  wo  jetzt  Buchenwald  ist.  Ich  fand  seiner  Zeit  in  oder  bei 
vorslavischen  Gräbern  zu  Müschen  im  Spreewalde  sehr  gut  erhaltene  grössere 
Stücke  Holzkohle,  —  wenn  ich  mich  recht  entsinne,  scheinbar  von  Eschenholz.  — 
die  innen  noch  ganz  braun  und  unverbrannt  waren.  Die  Probestücke,  die  sich  in 
meiner  Sammlung  befanden,  sind  der  vorgeschichtlichen  Abtheilung  des  Museums 
für  Völkerkunde  übergeben  worden. 

Aus  den  Scherben  ergiebt  sich,  dass  der  Burgwall  im  früheren  Mittelalter 
slavisch  war;  ob  vielleicht  der  Untergrund  vorher  germanisch  war,  wäre  erst  noch 
durch  weitere  Nachgrabungen  zu  erweisen. 

2.   Der  Farbenstein  bei  Görbitzsch. 

Da  ich  öfter  unter  den  Landleuten  vom  „Farbenstein"  hörte,  suchte  ich  ihn  im 
Juli  1897  auf,  ohne  damals  zu  wissen,  dass  ganz  in  der  Nähe  die  Schwedenschanzen 
waren.  Er  liegt  in  dem  erwähnten  Thalgrunde,  der  bei  dem  Stein  etwa  70  Schritt  Quer- 
durchmesser  hat,  nehmlich  in  der  Richtung  zu  dem  Berge  hin,  der  den  Rundwall 
trägt.  Dieser  Grund  ist  fast  rings  von  Bergen  umschlossen  und  mit  alten  Buchen 
bestanden,  so  dass  er  ein  gewisses  abgeschlossenes,  geheimnissvolles  Aussehen 
erhält.  Seinen  Namen  hat  der  Farbenstein  davon,  dass  er  an  der  Oberfläche  röthliche 
und  gelbe  Flecke  zeigt.  Seine  Höhe  beträgt  etwa  73  cm^  die  Breite  60 — 65  cm. 
Am  unteren  Ende  hat  er  eine  ganz  flache,  wohl  natürliche  Aushöhlung.  Ein 
kleineres  Stück,  vom  grossen  Stein  irgendwie  abgeschlagen,  lag  oben  auf  dem- 
selben; als  ich  später  die  Schwedenschanzen  aufsachte,  war  es  inzwischen  ver- 
schwunden. Vom  Stein  bis  zam  kleinen  See,  Richtung  von  W,  nach  0.,  sind  etwa 
170  Schritt. 

Im  Volke  geht  die  Sage:  „Der  Stein  lässt  sich  nicht  wegbringen,  er  kehrt 
immer  wieder  zmrUck.^  Er  liegt  jetzt  am  Fusse  eines  Berges.  Vor  gewisser  Zeit 
aber  lag  er  auf  der  Höhe  dieses  Berges  im  Erdboden  und  sah  nur  etwas  ans  der 
Erde  heraus.  Im  letzten  oder  in  den  letzten  Jahren  grub  ihn  der  Besitzer  Götze 
aus  Görbitzsch  aus,  wie  ich  öfter  hörte  und  er  mir  selbst  mittheilte,  und  versuchte 
ihn  mit  seinem  Sohn  auf  einem  Schlitten  wegzuführen.  Da  er  aber  zweimal  vom 
Schlitten  wieder  „herunterging",  gaben  sie  dann  weitere  Versuche  auf,  wohl  aus  einer 
gewissen  Scheu.     Einem  anderen  Manne,    Stein  icke  aus  Görbitzsch,   rutschte  er 


(433) 

zweimal  rom  Wagen,  so  dass  auch  er  den  Versuch  aufgab.  Fast  möchte  man 
hier  sagen:  nomina  sunt  odiosa  (Götzenstein!?).  ^Seitdem  liegt  der  Stein  unten/ 
Falls  die  Sage  von  der  Rückkehr  des  Steines  an  seine  Stelle  alt  ist  (und  nicht  erst 
hei^leitet  von  den  thatsächlichen  Versuchen,  ihn  fortzuschaffen,  um  ihn  zu  ver- 
bauen, was  wahrscheinlich,  aber  noch  festzustellen  ist),  so  wäre  sie  zusammenzustellen 
mit  den  mannichfachen  älteren  Berichten,  dass  alte  Heiligthümer,  auch  solche  von 
Stein,  z.  B.  zu  Mariaort  bei  Regensburg,  die  zur  Verehrung  irgendwie  weggebracht 
waren,  immer  wieder  an  ihre  ursprüngliche  Stelle  zurückkehrten'}. 

Vom  Stein  bis  auf  den  Berg,  wo  er  früher  gelegen,  ist,  von  S.  nach  N., 
50  Schritt  (über  den  Berghang  abgeschritten).  Jenseit  des  Berges  dehnt  sich  der 
Sumpf  aus,  auch  ^Busch^  genannt,  weil  er  mit  Laubholz  bestanden  ist,  der  den 
grossen  und  kleinen  See  verbindet.  Zu  einer  Zeit  wird  vormals  hier  also  See  ge- 
wesen sein.  Der  Sumpf  greift  an  dieser  Stelle  zungenförmig  in  den  Berg  ein. 
Vom  Stein  bis  hierher  zum  Sumpf,  über  den  Berg  weg,  in  der  Richtung  von  S. 
nach  N.  sind  etwa  120  Schritt.  In  diesem  Winkel,  wo  der  offene,  schwarze, 
schillernde  Morast  sich  zeigt,  soll  „eine  alte  Kirche  in  dem  Sump  versunken^  sein, 
ebenso  sollen  ^früher  die  Häuser  von  Görbitzsch  bis  hierher  gegangen^  sein.  Dass 
das  Dorf  Görbitzsch  sich  jemals  bis  hier  ausgedehnt  habe,  ist  undenkbar;  wohl 
aber  mag  die  Erinnerung  an  alte  vorgeschichtliche  Ansiedelungen  sich  hier  er- 
balten haben  ^  die  in  Hinsicht  auf  den  Burgwall  u.  a.  erklärlich  wäre.  Die  Sage 
von  einer  versunkenen  Kirche,  so  allgemein  sie  ist,  könnte  doch  einen  thatsäch- 
lichen Untergrund  hier  haben,  sei  es,  dass  man  Opfer  oder  Heiligthümer  in  den 
See  versenkte,  oder  dass  bei  Einführung  des  Christenthums  ein  Sinnbild  des  alten 
Dienstes  in  den  See  oder  Sampf  gestürzt  wurde. 

„Von  den  Schwedenschanzen ^,  heisst  es,  „ist  immer  der  Nach^äger  gekommen 
und  nach  dem  grossen  See  gezogen.  Er  hatte  immer  denselben  Strich  und  zog 
von  Mittag  nach  Mitternacht^.  Er  soll  auch  immer  bei  dem  Stein  vorbeigezogen 
sein,  wenn  er  von  den  Schwedenschanzen  kam.  Wenn  ich  richtig  verzeichnet  habe, 
so  liegt  der  Farbenstein  von  den  Schwedenschanzen  aus  in  der  Richtung  von  S. 
nach  N.  Sein  Kommen  war  so  ^regelmässig  (d.  h.  so  oft),  dass  die  „„mehrsten^^ 
Leute,  wenn  sie  da  bei  den  Schwedenschanzen  vorbei  mussten,  frühzeitig,  vor 
Nacht  nach  Hause  gingen,  weil  sie  sich  gefürchtet  haben*^.  „Auch  ging  keiner^, 
so  heisst  es  weiter,  „allein  an  die  Schwedenschanzen,  um  Streu  zu  harken,  weil 
grosse  Vögel  da  waren,  die  pu-hu  schrieen".  Ich  erwähne,  dass  der  Uhu  (Strix 
bubo  L.)  hier  nicht  mehr  vorkommt,  weil  am  Karschensee,  weiterhin  gelegen,  seine 
Stimme  bereits  sagenhaft  geworden  ist.  Es  wird  ferner  erzählt,  dass,  wenn  der 
Nachtjäger  über  den  grossen  See  zog,  seine  Hunde  durch  das  Wasser  schwammen 
und  da8s  früher  ein  Fischer  Mamerski  in  Sommernächten,  wenn  er  dort  fischte, 
zur  Zeit  der  Erscheinung  an's  Land  fuhr,  und  da  wartete  und  den  Nachtjäger  vor- 
beiliess,  damit  sein  Kahn  nicht  umgekehrt  würde.  Dies  ist  eine  zweite  natürliche 
Seite  von  diesem  Nachtjäger.  Denn  Wirbelwinde  drehen  die  Kähne  um  und  zer- 
schlagen sie  und  wühlen  im  Wasser,  dass  es  sich  anhört,  als  seien  Pferde  in  der 
Schwemme,  wie  ich  als  Ohrenzeuge  weiss.  Allgemeiner  unter  den  Landleuten  hier, 
aber  auch  weiter  in  der  Umgegend  heisst  es,  dass  der  Nachtjäger  zu  Pferde  war 
und  zwei  Hunde  hatte. 

Da  in  Holstein,  Meklenburg  und  Pommern  noch  heute  unter  dem  Landvolke 
der  wilde  Jäger  Wode  heisst,  also  noch  heute  nicht  bloss  die  Erscheinung  des 
Gottes  Wodan,  sondern  sein  Name  in  der  Erinnerung  fortlebt,  nach  so  vielen  Jahr- 

1)  Vergl.  Panzer,  Bayerische  Sagen,  1855,  II,  u.  a.  m. 

Verbandl.  der  Berl.  Antbropol.  GeselUrhaft  \S^7.  28 


(434) 

handerten,  da  ferner  der  Gott  Odin  zwei  Wölfe  hatte*),  Wodan  wesentlich  gleich 
Odin  ist,  und  der  Nachtjäger  in  der  Neomark,  in  der  Niederlaositz  und  im  westlichen 
Schlesien  dasselbe  ist,  wie  der  wilde  Jäger,  da  endlich  ein  slavischer  Gott  mit  zwei 
Hnnden  in  Deutschland  nicht  bekannt  ist,  so  darf  man  in  dem  Nachtjäger,  der  ron 
den  Schwedenschanzen  bei  Görbitzsch  kommt,  den  germanischen  Wodan  sehen. 

Alle  diese  Beziehungen,  namentlich  in  Hinsicht  auf  den  Rundwall,  scheinen 
auf  alte  HeiligthUmer  hinzuweisen,  die  ja  auch  irgendwo  gewesen  sein  müssen. 
Dass  solche  „mythologischen^  Erinnerungen  in  verschiedenen  Theilen  Deutsch- 
lands aus  der  heidnischen  Zeit  bis  in  die  Jetztzeit  sich  erhalten  haben,  hat  erst 
neuerdings  wieder  Hr.  Götze  an  einem  ausgezeichneten  Beispiele  dargethan'). 

3.   Der  Borchwald  bei  Rlauswalde. 

Von  der  Stadt  Reppen  (Kreis  West-Stemberg)  5  km  entfernt  in  nordöstlicher 
Richtung  liegt  der  „BurgwalP,  im  Volke  genannt  „Borchwald^  rings  umgeben 
von  einer  ausgedehnten  Wiesenau,  die  auf  allen  Seiten  von  Bergen  umschlossen 
wird.  Durch  die  Au  fliesst  in  vielfachem  Zickzack,  südlich  am  Burgwall  vorbei 
in  etwa  100  Schritt  Entfernung  der  Eilangfluss.  Der  sogenannte  Burgwall,  denn  so 
wurde  mir  die  ganze  Erhebung  bezeichnet,  besteht  aus  drei  zusammenhängenden 
Beigen,  die  durch  muldenartige  Einschnitte  von  einander  getrennt  sind.  Von  den 
zwei  grösseren  Bergen  liegt  der  eine  nach  Westen,  der  andere  nach  Osten  zu;  der 
mittlere,  kleinste  schiebt  sich  nach  Norden  vor.  Die  Gesammtlänge  von  0.  nach 
W.  beträgt  1250  Schritt.  Der  westliche  Berg  liegt  nach  der  Generalstabs-Karte 
(1985  Reppen,  1 :  25000,  Aufnahme  von  1894)  67,8  m  über  dem  Meer.  Vom  mittleren 
Berge  führt  ein  dammartiger  Weg,  100  Schritt  lang,  durch  die  Wiesen,  nördlich 
in  den  Wald.  Die  Aussicht  von  der  flöhe  des  westlichen  Berges  über  das  Wiescn- 
thal  und  die  Eilang  ist  sehr  schön.  Die  Kuppen  des  westlichen  und  mittleren 
Berges  werden  beackert,  sonst  ist  Alles  mit  Wald  bestanden,  vorherrschend  mit 
Kiefern,  aber  auch  mit  Haseln,  Espen,  Hainbuchen,  Eichen,  Birken  und  Erlen. 
Am  Fusse  des  östlichen  Berges  blühen  viele  Waldblumen,  darunter  auch  die  durch 
mittelalterliche  Sage  berühmte  Springwurz  (Impatiens  noli  tangere  L.)  In  der  Bütte 
der  Berge  steht  eine  Scheune,  auch  ist  in  der  Nähe  ein  gemauerter  Brunnenkessel 
voll  Wasser  von  einem  jetzt  aufgegebenen  Brunnen.  Der  östliche  Berg  läuft  in 
seiner  zweiten  Hälfte  in  einen  steilen  Kamm  aus,  der  fast  gleichmässig  zu  beiden 
Seiten  beträchtlich  hoch  und  steil  abfallt.  Eine  Strecke  lang  verläuft  er  fast  gerade. 
Zu  meinem  Staunen  fand  ich  auf  der  Höhe  des  Berges  einen  glatten,  gemauerten 
Tanzboden,  und  in  der  Nähe  einen  Bock  zum  Auflegen  von  BierfUsschen,  auch 
einen  Schiessstand.  Es  feiern  hier  Bewohner  von  Reppen,  wie  man  mir  sa^te. 
Sommerfeste,  also  wie  im  Alterthum  Tanz  und  Biergelage  im  Freien.  Auf  dem 
mittleren  Berge  im  Roggen-Stoppelfeld  (Juli  1897)  fanden  sich  beim  Suchen  und 
Nachgraben,  oben  auf  der  Ackerkrume  und  bis  in  1  Fuss  Tiefe,  vorgeschichtliche 
Scherben  vorslavischer  Zeit  in  kleben  Bruchstücken,  auch  Kohlenstückchen.  Ob 
letztere  vorgeschichtlich  sind,  bleibt  xmgewiss.  Unter  den  Scherben  waren  auch 
solche  von  feinen,  schön  rothbraunen,  innen  und  aussen  sehr  glatten,  auf  der  Aussen- 
Seite,  aber  auch  innen  etwas,  glänzenden  kleineren  GePässen.  Wälle  habe  ich 
nicht  bemerkt,  doch  war  meine  Zeit  beschi-änkt.     Ich  werde  die  Stelle  noch  einmal 

1)  Grimm,  Mythologie,  Berlin  1875,  I.  122:    .Noch  ein  Schwank  bei  H.  Sachs    I. 
5,  499)  weiss,  daas  sich  Gt»tt  der  Herr  die  wiilfe  zu  Jagdhunden  erwählt  hatte.** 

2)  Zeitschrift  für  Ethnologie.     Verhandi.  isi«;,   S.  IIG  — 118:    Die  HimraeUhurif  bei 
Mellingen  (Sachsen-Weimar). 


A  ^ 


(435; 

aufsuchen.    Der  Burgwall  liegt  zwischen   den  Ortschaften  Reppen,   Tomow   und 
KInuswalde. 

Im  Volke  heisst  es,  dass  früher  eine  Ritterburg  hier  gestanden  habe. 

4.   Das  alte  Haus  bei  Sternberg. 

Das  sogenannte  ^alte  Haus^  liegt  2  km  nördlich  von  Stemberg  (Kreis  Ost- 
Stemberg)  an  der  Eilang.  Es  schiebt  sich  hier  eine  bergige,  mit  Laubholz  be- 
standene Landzunge  von  N.  nach  S.  vor.  Sie  ist  auf  drei  Seiten  von  Wiesen 
umgeben,  die  vormals  vielleicht  Sumpf  oder  See  waren.  Auf  der  West-  und 
Südseite  wird  sie  in  30—100  Schritt  Entfernung  von  der  Eilang  umflossen.  Das 
alte  Haus  besteht,  soweit  ich  gesehen,  aus  einer  Anzahl  von  Erhöhungen  und 
Vertiefungen,  die  künstlich  auf  und  aus  dem  Berge  hergestellt  worden  sind, 
dargestellt  auf  der  Generalstabs  -  Karte  (1986  Stemberg,  aufgenommen  1894). 
Die  Ausdehnung  von  N.  nach  S.  beträgt  nach  der  Karte  300  Schritt,  in  die 
Breite  fast  200  Schritt.  Auf  einer  Fläche  oben,  wo  ein  Ackerstück  gepflügt  war, 
sah  ich  Stücke  von  Ziegelsteinen,  auch  Feldsteine.  Vermuthlich  waren  hier  Ge- 
bäude in  früherer,  wohl  mittelalterlicher  Zeit,  doch  habe  ich  die  Anlagen  nicht 
weiter  durchsucht  Nicht  unwahrscheinlich  wäre  es,  dass  sie  einen  vorgeschicht- 
lichen Untergrund  hätten,  wie  so  vielfach.  Die  Lage  muss  als  vortheilhaft  be- 
zeichnet werden.  Jetzt  ist  „das  alte  Haus^  nur  noch  Flurname  und  die  Stätte  dient 
zu  Vergnügungs- Ausflügen  für  die  Stemberger. 

5.    Der  Beelitzer  Heiden-Kirchhof. 

Von  der  Stadt  Stemberg  5  km  westlich  liegt  das  Dorf  Pinnow.  Von  da 
führt  nordwärts  ein  Fahrweg  nach  dem  Dorfe  Biberteich.  Ihn  kreuzt  500  Schritt 
südlich  vor  dem  Eilang-Fluss  ein  Waldweg,  der  links,  westlich,  nach  dem  Dorfe 
Beelitz  [Kreis  West-Steraberg]  *)  führt  Das  Gelände  ist  hier  mit  grauem  Finken- 
moos und  dürftigem,  durch  Streuharken  verkommenem  Kiefernwald  bedeckt.  Jen- 
seit  der  Kreuzung,  rechts  vom  Waldweg,  waren  viele  vorgeschichtliche  Gräber, 
soweit  ich  nach  den  Graben  und  Steinen  übersah,  in  einer  Längenausdehnung  von 
180  Schritt  Ebenso  waren  und  sind  noch  Gräber  auf  der  linken  Seite  vom  Wald- 
wege. Die  Gräber  rechts  und  eine  Anzahl  links  sind  bereits  eröfl'net,  wie  mir  ge- 
sagt wurde,  in  der  Mehrzahl  von  den  Besitzem,  Bauern  in  Beelitz,  um  Steine  heraus- 
zuholen. Dabei  wurden  alle  Gefässe  zerschlagen.  Eine  Anzahl  hat  Hr.  Predigt- 
amtscandidat  Willich  aufgegraben.  Sämmtliche  Gräber  scheinen  ursprünglich 
Hügel  gehabt  zu  haben.  Sie  müssen  reich  an  Steinen  gewesen  sein.  Ich  sah 
unter  den  zurückgelassenen  einzelne  sehr  grosse  Steine  von  mehr  als  2  Fuss  Länge 
bis  IV 2  Fuss  Breite.  Auch  fielen  mir  hin  und  wieder  ganz  platte,  flache  Steine 
auf.  Es  lagen  vorslavische  Scherben  und  Knochen  von  Leichenbrand  umher.  Die 
Stelle  soll  früher  keinen  Namen  gehabt  haben;  Heiden-Kirchhof  heisse  sie  erst, 
seitdem  die  Gräber  dort  aufgefunden  sind. 

Der  Nachtjäger  soll  um  Mittemacht  am  Heiden -Kirchhof  vorbeiziehen  und 
zwar  von  Mittag  nach  Mitternacht,  nach  der  Eilang  zu.  Als  Leute  (deren  Namen 
genannt  werden)  vorbeifuhren,  „haben  sie  ein  Paar  schwarze  Hunde  gesehen,  die 
Augen  funkelten.  Die  Pferde  sind  stehen  geblieben  und  nicht  von  der  Stelle  ge- 
rückt." „Ebenso  hat  er  durchgejagt  durch  die  sehr  grosse  Liebensche  Heide  (weiter 
nördlich),    wo  viel  Laubholz  war,    nicht  weit  vom  Theerofen    daselbst     Er   hat 

1)  A.  Richter,  Ortschafls-VerzeichDiss  der  Provinr  Brandenburg  (1879)  rechnet  Beelitz 
irrthumlich  zum  Kreise  Ost-Steniberg. 

28* 


(436) 

immer  eine  Richtung  gehabt  von  Mittag  nach  Mitternacht  und  war  immer  zu  be- 
stimmter Zeit  zu  hören,  zwischen  1 1  und  1 2.  Er  hatte  zwei  Hunde,  einer  hat  grob 
gebellt,  einer  fein.  Aber  sie  sagten,  man  dürfe  den  Hunden  nicht  nachbellen,  sonst 
kam  er  geritten  und  schmiss  ein  StUck  Pferdefleisch  zum  Fenster  *rein.^ 

6.   Feuerstein-Werkstätten  und  Gräber  am  Rüchenteich. 

Von  Stemberg  4,5  km  nordöstlich  liegt  in  Wiesen,  durchströmt  von  der  Ei  lang, 
ein  See,  genannt  der  Küchenteich  (Kreis  West-Stembei^},  angeblich,  weil  für  das 
Gut  Pinnow  die  Fische  dort  gefangen  wurden,  wie  noch  jetzt  Oestlich  und  westlich 
von  den  Wiesen  am  Küchenteich  steigen  Berge  an.  Die  Berghöhe  östlich  (Kreis  Ost- 
Sternberg)  gehört  zum  Rittergute  Kemnath  und  erreicht  in  ihrer  Kuppe  beim  ,.StalP 
129,9  m  Höhe,  während  der  Küchenteich  72,4  m  über  dem  Meer  liegt.  Diese  öst- 
liche Berghöhe  dehnt  sich  an  den  Wiesen  nordwärts,  vom  Küchenteich  ebenfalls 
nördlich,  aus.  Hier  durch  die  Wiese,  200  Schritt  vom  Küchenteiche  ab,  führt  ein 
Fahrweg  von  Westen  nach  Osten.  Genau  in  der  Richtung  des  Wiesenweges,  der 
am  Fusse  des  Berges  nach  Süden  abbiegt,  sieht  man  in  mittlerer  Höhe  am  Berge 
eine  kahle,  weisse  Sandfläche  von  etwa  155  Schritt  Länge  und  85  Schritt  Breite, 
die  sich  nur  sehr  massig  senkt.  Sonst  ist  der  Berghang  hier  mit  Heidekraut  und 
Buchsbart  bewachsen,  hin  und  wieder  mit  Birken,  Kiefern  und  Haseln.  Früher 
waren  die  Berghöhen  hier  mit  Wald  bestanden,  sie  sind  aber  von  verschiedenen 
Käufern  oder  Besitzern  des  Gutes  Kemnath  abgeholzt  worden.  Der  leichte  Sand 
der  kahlen  Fläche  wird  viel  vom  Winde  verweht,  auch  bei  starkem  Regen  vom 
Wasser  abwärts  geschwemmt;  deshalb  wäre  es  möglich,  dass  hier  und  da  unter 
dem  Sande  noch  eine  ältere  Bodennarbe  liegt. 

Ich  sah  auf  100  Schritt  Länge  im  Sande  viele  Stücke  von  Feuerstein-Knollen 
liegen  und  zahllose  von  Menschen  hergestellte  Feuerstein-Spähne,  geschickt  ge- 
schlagen und  wie  Glas  klingend,  Bruchstücke  von  Messern,  einzelne  Schabern  ähn- 
liche Stücke,  mehrere  eigenthümliche  rundliche,  scheibenartige  Stücke,  dreieckige 
Stücke  wie  zu  Pfeilspitzen.  Ein  solches  Stück  wenigstens,  mit  scharfer  Spitze, 
zeigt  deutlich  eine  derartige  Absicht,  denn  an  der  einen  Schneide  bemerkt  man  kurze 
Schlagmarken,  eine  neben  der  anderen.  Ein  flaches  Stück  (S.  440,  Fig.  38)  war  so 
scharfkantig,  dass  ich  Dreiecke  aus  Papier  auf  harter  Unterlage  damit  ausschneiden 
konnte.  Auch  pfriemenartige  Stücke  finden  sich.  Eines  hatte  eine  sehr  scharfe 
schmale  Spitze,  die  bei  meinem  etwas  lebhaften  Versuche,  starkes  Leder  damit 
zu  durchbohren,  abbrach.  Manche  Scherben  sind  so  durchsichtig,  dass  man  Ge- 
drucktes und  Geschriebenes  darunter  lesen  kann.  Einzelne  Bruchstücke  von  Spähnen 
aus  röthlichem  Feuerstein  sind  so  schön  wie  Achat  Es  war  hier  also  eine,  oder 
mehrere  Feuerstein-Werkstätten.  Mutterknollen  aus  Feuerstein  finden  sich  zahl- 
reich am  Berge  und  in  der  ganzen  Umgegend. 

An  zwei  Stellen  der  kahlen  Fläche  traf  ich  vorgeschichtliche  vorslavische 
Scherben  in  kleinen  Bruchstücken,  ebenso  Stückchen  von  Arm-  und  Beinknochen, 
die  steinhart  und  schwer  geworden  sind,  von  Leichenbrand  herrührend.  Es  waren 
also  Gräber  hier,  doch  stiess  der  3V,  Fuss  lange  Sucher  nirgends  in  der  Erde  aut 
Gefässe.  Ebenso  blieben  Nachgrabungen  ohne  Ergebniss.  Auch  fand  sich  der  in 
hochrothem  Rost  lebhaft  glänzende  Kopf  eines  eisernen  Nagels  (8.  440,  Fig.  26,  27), 
und  ein  kleines  Stückchen  einer  schwammartig  löcherigen,  rostfarbenen  Masse,  wie 
Eisenschlacke  aussehend,  aber  nicht  schwer  und  rothfarbend  wie  Röthel. 

An  einer  Stelle,  aber  hier  in  weiterer  Ausdehnung,  lagen,  von  Strähnen  her- 
rührend, viele  kurze  und  längere,  zackige,  graue  Bruchstücke  von  geschmolzenem 
Sand,  glasartig  klin>rend  und  innen  zu  Glas  verschmolzen.    Jedenfalls  hat  hier  wohl 


(437) 

der  Blitz  eingeschlagen.  Mit  Ausnahme  der  Endstücke  zeigen  diese  Bildungen  im 
Querschnitt  eine  flache  oder  auch  runde,  röhrenartige  Aushöhlung,  letztere  bis 
5  mm  im  Durchmesser,  durch  die  der  Blitz  hindurchgegangen  ist  Es  würde  be- 
stätigen, was  ich  früher  beim  Landvolke  hörte,  dass  der  Blitz  durch  Fenster- 
scheiben Löcher  wie  Erbsen  schlug. 

Ein  Stück  meergrünes  Glas  gehört  wohl  unserer  Zeit  an. 

Alle  diese  Gegenstände  lagen  durcheinander,  besonders  zahlreich  nach  starken 
Regen.  Praglich  bleibt,  ob  die  Feuerstein- Werkzeuge  zeitlich  zu  den  Gräbern  ge- 
hören. Was  die  zertrümmerten  Gefässe  anbetrifft,  so  wäre  es  denkbar,  dass  sie 
beim  Ausroden  yon  Riefern-Stubben  zerschlagen  wurden  im  letzten  oder  in  früheren 
Jahrhunderten.  Denn  in  der  Umgegend  brannten  Theerofen  noch  in  diesem  Jahr- 
hundert. Zwei  Höfe  heissen  nach^solchen:  „Kemnath -Theerofen",  JOOO  Schritt, 
und  ^Theerofen",  südwärts  an  der  Eilang,  1700  Schritt  von  hier  entfernt 

Noch  eine  Erscheinung  verdient  Erwähnung.  An  einer  Stelle  sieht  man  im  weissen 
Sande  eine  dunkle  Schicht  aus  schwarzem  Boden,  wie  mir  schien  von  Holzkohle 
herrührend,  ausgedehnt  in  einem  Doppelbogen,  wie  Fig.  %  ade  zeigt.    Der  Bogen 
ad  ist  etwa  =  32  Schritt,  ab  =  21  Schritt,  r d  =  32 Schritt; 
a  liegt  am  höchsten,  ad  und  ac  haben  Fall,  wie  der  Berg  '*^-  ^' 

hier.    Die  Linie  a  d  ist  ungefähr  von  0.  nach  W.  gerichtet.  ^ 

Vorslavische  Scherben  lagen  etwa  in  der  Mitte  und  aussen  '.^ 

an  den  beiden  Bogen,  doch  nur  wenige  hier  und  da,  und  V 

Feuerstein -Spähne.    Bei  ef  ist   die   dunkle  Schicht   etwa  / 

handbreit  tief,  beim  Nachgraben  fanden  sich  Kohlenstückchen      ^/ 
darin.    Nach  g  und  h  zu  wird  sie  flacher.    Auch  wechselt 

sie  in  der  Breite:  bei  a  ist  sie  etwa  1,80m  breit,   bei  hd    ^ i^. W 

dagegen  breiter  vom  Regen  ausgewaschen;  wie  überhaupt  die  >^ 

Bogen  nach  unten  hin,  nach  c  undd,  verwaschener  erscheinen. 

Bei^r  fehlt  die  schwarze  Schicht  Es  fragt  sich,  ob  der  dunkle  Boden  hier  von 
Feuern  herrührt?  und  dann,  ob  von  Feuern  der  vorgeschichtlichen  oder  späterer 
Zeit?  Ob  die  eigenthümliche  Gestalt  durch  die  Lage  der  Feuerstellen  oder  durch 
Abschwemmung  am  Berge  hervorgerufen  wurde?  Gegen  die  Vorzeit  könnte  sprechen, 
dass  die  ziemlich  regelmässige  Form  durch  die  Wurzeln  starker  Bäume  und  durch 
späteres  Ausroden  von  Stubben  hätte  gestört  werden  müssen,  für  die  Vorzeit  die 
Form,  und  der  vorgeschichtliche  Boden  hier. 

7.    Gräber  am  Ost-Ausgange  von  Görbitzsch. 

Der  Hofbesitzer  Alisch,  früher  in  Görbitzsch  (Kreis  West -Sternberg),  jetzt 
zu  Adolphsruhe,  theilte  mir  (1897)  mit:  „150  Schritt  vom  Dorfe,  links  (westlich) 
vom  Wege  nach  Pinnow,  ist  ein  freier  Fleck,  jetzt  beackert  und  dem  Kossäthen 
Maass  gehörig,  früher  einem  gewissen  Semann.  Da  war  früher  ein  Kirchhof.  Es 
waren  mehrere  Hibbel  (Hügel),  rund,  etwa  12  bis  14,  und  Steine  darin,  grosse  und 
kleine.  Die  Steine  lagen  in  der  Erde  und  darüber  (oberhalb  des  Erdbodens),  aber 
immer  war  Erde  zwischen  allen  Steinen.  Alte  Töpfe  mit  Henkeln  und  Scherben, 
und  Asche  wurden  gefunden.  An  einer  Stelle  waren  4  flache  Steine,  kaum  3  Zoll 
(8  cm)  stark  und  etwa  3  Fuss  lang  und  ebenso  hoch,  im  Viereck  wie  ein  Kasten 
zusammengestellt.  Darin  stand  ein  Topf  und  rings  zwischen  Topf  und  Steinplatten 
war  Erde.  Das  war  vor  mehr  als  50  Jahren.  Wer  Steine  brauchte,  hat  sie  von 
dort  geholt  Ich  selbst  habe  auch  viele  Steine  zum  Kellerbau  und  zum  Backofen 
herausgenommen.    Der  Keller  hatte  12  qm,*^ 

Unter  Asche  verstehen  die  Landleute  in  solchem  Fall,  so  oft  ich  es  bemerkte, 


(438) 

den  durch  die  Knocheniheiiehen  grau  gewordenen  Inhalt  der  Urnen.  Die  Höhe 
der  Steinplatten  von  3  Fuss,  vielleicht  auch  die  Länge,  dürfte  wohl  überschätzt 
sein.  Ich  hatte  nicht  mehr  Gelegenheit,  diese  Stelle  zu  untersuchen,  obwohl  ich 
öfter  vorbeigekommen. 

8.    Gräber  beim  Neuen-Vorwerk  bei  Görbitzsch. 

Nach  der  Aussage  des  Hofbesitzers  Götze  in  Görbitzsch  waren  früher  „hinter 
Görbitzsch,  in  der  Gegend  beim  neuen  Vorwerk,  800 — 900  Schritt  von  da  nach 
Morgen,  in  der  Nähe  eines  Grabens,  zwei  Stellen,  getrennt  durch  den  Graben,  in 
einiger  Entfernung  von  einander,^  wo  vorgeschichtliche  Gefasse  gefunden  wurden. 
Den  ersten  Topf,  den  Götze  vor  Jahren  dort  vorfand,  zeigte  er  dem  des  Weges 
kommenden,  jetzt  verstorbenen  Hrn.  Major  v.  Kisselmann,  dem  Besitzer  von 
Görbitzsch,  der  das  Gefass  als  Todtenurne  erklärte,  die  herstamme  vom  „Volks- 
stamm der  Semnonen^.  Um  zu  sehen,  was  darin  sei,  wurde  das  Geßiss  aus- 
einandergeschlagen.    „Auf  dem  Boden  lag  eine  Hirnschale,    vollständig  erhalten.*^ 

9.   Vorgeschichtliche  Funde  bei  Kemnath-Theerofen. 

Das  Gehöft  Remnath-Theerofen  (Kreis  Ost-Sternberg)  liegt  etwa  1000  Schntt 
nordwestlich  von  den  Feuerstein -Werkstätten  am  Rüchenteich.  In  W.  und  SW. 
vom  Wohnhause  dehnt  sich  Ackerland  aus  bis  zu  einer  baumreichen  Schlucht, 
durch  die  ein  „Flüsschen^  fliesst,  der  Abfluss  einer  Quelle  in  einer  Wiese  östlich 
vom  Gehöft.  Auf  dem  Acker,  damals  Brachland  (Juni  1897),  fand  ich  einen  kleinen 
Scherben  von  einem  vorslavischen  Gefass. 

Zwischen  Kemnath-Theerofen  und  der  Pinnower  Mühle  erhebt  sich  ein  Berg- 
rücken. Ein  Fusssteig  führt  über  denselben  nach  der  Mühle.  An  dem  nördlichen 
Abhang,  Kemnath-Theerofen  zu  gelegen,  westlich  vom  Fusssteig,  dehnt  sich  Acker- 
land aus.  Hier  traf  ich,  damals  (Juni  1897)  Brachland,  200  Schritt  südlich  vom 
Wohnhaus  von  Kemnath-Theerofen,  einen  vorslavischen  Scherben  von  einem 
feineren  Gefass.    Auf  demselben  Acker  fand  ich  einen  Feuerstein-Spahn. 

10.    Fundstelle  auf  der  Landzunge  an  der  Eilang. 

Nahe  dem  Küchenteich  liegt  die  Pinnower  Mühle.  Weiter  abwärts  au  der 
Eilang,  600  Schritt  in  der  Luftlinie,  die  Steinick'sche  Wassermühle.  Unterhalb 
dieser  nach  NW.  durchfliesst  die  Eilang  ein  ausgedehntes  Wiesenthal.  In  der 
Luftlinie  1000  Schritt  nordwestlich  schiebt  sich  bis  hart  an  die  Eilang  eine  Land- 
zunge (Rreis  West-Stemberg)  vor,  etwa  120  Schritt  lang,  von  sehr  gleichmässiger 
Form,  und  wegen  ihrer  Lage  im  Alterthum  gewiss  zu  einer  Ansiedelung  sehr 
geeignet  An  zwei  Stellen,  auf  der  Generalstabs-Rarte  (1986  Stemberg)  verzeichnet, 
hat  man  in  neuerer  Zeit  abgegraben.  Am  nordwestlichen  Abstich  fand  ich  einen 
Feuerstein-Spahn,  sonst  auf  dem  ganzen  Hügel  trotz  vielen  Absuchens  nichts. 

Auf  der  Landzunge  wächst  in  Menge  eine  Art  Hauslaub  (Sempervivum  tec- 
torum?)  und  wie  ich  später  fand,  auch  noch  an  einer  Stelle  etwas  weiter  südlich 
von  hier  an  dem  Berghang  nach  der  Eilang  zu.  Bewohner  der  Umgegend  wussten 
nichts  von  seinem  Vorkommen  hier  und  kannten  es  nur  von  den  Gräbern  der 
Kirchhöfe  und  von  den  Strohdächern  her. 

11.    Fundstelle  südlich  von  der  Eilang. 

Etwa  300  Schritt  oberhalb  der  Landzunge  mtlndet  ein  kleiner  Bach  in  die 
Eilang.  Etwa  700  Schritt  südwärts  von  dieser  Stelle,  östlich  vom  Bach,  an  einem 
sehr   flachen  Bergabhange  (Kreis  West-Stemberg),   800  Schritt  entfernt  vom  öst- 


(439) 

liehen  Rand  der  Höllenkeiten,    fand  ich  einen  Feuerstein-Spahn,   5  cm  lang  und 
1,6  cm  breit  (S.  440,  Fig.  23). 

12.   Gesichtsnrnen  bei  Sternberg. 

Da  ich  erfahren  hatte,  dass  auf  der  Feldmark  des  Gutes  Grundhof  bei  der 
Stadt  Sternberg  (Kreis  Ost-Stemberg)  Altsachen  gefunden  wurden,  so  begab  ich 
mich  nach  dem  Grundhof,  um  die  Fundstelle  zu  besichtigen,  traf  aber  Hrn.  Knaak 
dortselbst  nicht  zu  Hause.  Auf  Anfragen  von  Berlin  aus  hatte  Hr.  Rnaak  die 
Güte,  mir  wiederholentlich  Mittheilungen  darüber  zu  machen,  die  ich  zusammen- 
gestellt hier  wiedeigebe: 

,,Ich  habe  sämmtliche  mir  bekannten  Stellen  durchsucht,  wo  Gräber  durch  den 
Pflug  aufgedeckt  wurden.  Nur  an  einer  Stelle,  in  der  Nähe  des  Hofes,  auf  einem 
kleinen  Hügel,  fand  ich  4  Gesichtsurnen.  Sie  hatten  Deckel  und  Verzierungen. 
Die  Nase  war  erhaben,  dreieckig,  Augen  und  Mund  nur  durch  Striche  angedeutet. 
Innen  waren  kleine  Gefasse  mit  Asche,  Kohle  und  kleinen  Stücken,  wie  ich  denke, 
von  oxydirter  Bronze  angefüllt.  Leider  zerfiel  Alles  an  der  Luft.  Meine  Knechte 
hatten  schon  daran  herumgearbeitet,  ehe  ich  dazu  kam.  An  einer  anderen  Stelle, 
rechts  von  der  Chaussee  nach  Zielenzig,  auch  auf  einem  kleinen  Lehmhügel, 
fanden  sich  zwei  Kisten-Gräber  mit  3  Skeletten,  2  grossen  und  einem  kleinen. 
Das  eine  grosse  Skelet  hatte  einen  stark  gebogenen  Schenkelknochen.  Ich  habe 
mich  sehr  für  die  Funde  interessirt,  jedoch  fehlt  mir  die  Zeit,  mich  damit  zu  be- 
schäftigen. Auf  der  Mittelmühle  ist  das  sogen,  ^alte  Haus",  das  meines  Erachtens 
noch  in  seinem  Innern  viel  Interessantes  bieten  dürfte.  Wenn  Sie  dort  nachgraben 
wollen,  würde  ich  gern  die  Vermittelung  mit  dem  Besitzer  übernehmen.** 

Fig.  1  — 10  (S.  440)  von  der  Schwedenschanze  bei  Görbitzsch.  Fig.  1 
Scherben  mit  einem  Loch  (4mm)  von  der  Seitenwand  eines  Gefässes,  äff  seitliche  Rich- 
tung; Fig.  2,  3  von  Hals  und  Ausladung  zweier  Gefasse;  Fig.  4  mit  breiten,  flachen 
Streifen  um  die  Ausladung;  Fig.  5  mit  acht  ganz  flach  eingedrückten  Furchen;  Fig.  6 
mit  tieferer  Furche  in  der  Ausladung,  bei  a  der  Halsansatz.  Fig.  7  ein  Stück  von 
rothgebranntem  Lehm,  bei  a  ein  Stück  scheinbar  blaugrauen  Thones,  bei  />/>  der 
glatte  Abdruck  eines  Holzstabes  (1,5  cm  breit),  der  etwas  gekrümrat  gelegen  hat, 
vielleicht  Wandbewurf  von  einem  Gebäude:  dies  würde  dann  beweisen,  dass  ein  Haus 
im  Rundwall  stand  und  vermuthlich  in  Feuer  aufging.  Fig.  8  kleiner  Scherben, 
fast  wie  Steingut  aussehend,  im  Bruch  weisslichgrau,  sehr  hart,  5  mm  stark.  Fig.  9 
feiner  braunfarbiger  Scherben,  3  mm  stark,  ohne  Burgwallmerkmale.  Fig.  10  Stück 
von  einer  Halsmündung,  8  mm  stark. 

Fig.  IIa  bis  14  vom  Burgwall  bei  Klauswalde.  Fig.  11  a  Scherben,  5  mm 
stark,  von  der  Wandung  eines  nur  mittelgrossen  Gefässes,  zeigt  die  Rundungen 
von  4  etwas  schräg  gestellten  Löchern.  Ein  Siebgefäss,  vielleicht  um  von  Quark 
das  Wasser  ablaufen  zu  lassen,  wie  noch  heute  in  der  Mark  (z.  B.  Zossen  und 
Umgegend)  irdene,  braunglasirte  Gefasse  mit  Löchern  dazu  dienen  und  in  Ober- 
Bayern  das  hölzerne  Kaskor  oder  Kaskoa  mit  je  6  Löchern  in  Wand  und  Boden*). 
Ebenso  vielleicht  Fig.  1.  Fig.  IIA  Scherben  von  grossem  Gefäss,  8—9  mm  stark, 
Furchen  von  oben  nach  unten.  Fig.  12  Kante,  12  mm  stark,  von  einer  Urne  etwa 
wie  Fig.  13  zeigt;  diese  Form  scheint  häufiger  hier  vertreten.  Fig.  14  von  einem 
grösseren  Gefäss  mit  rauh  gemachter  Oberfläche. 

1)  Yergl.  meine  Angaben  in  den  Mittheilungen  der  Wiener  Anthrop.  Gesellschaft  1896, 
S.  68,  Fig.  18,  S.  84,  und  über  den  Gebrauch  desselben  S.  65. 


(44(0 

Fig.  15—22  ond  24  vom  Beelitzer  Heiden-Kirchbor.  Fig.  15,  17—20 
Scherben  mit  Furchen;  Fig.  16  mit  schräg  and  ziemlich  tier eingestoBBenen  Lächern 
am  Halse;  Fig.  21,  Ton  einem  grösseren  GeföSB,  zeigt  sehr  deatlich  einen  röthlicbeu 
Ueberzag  aa,  der  sich  abblättert,  daranter  eine  grane  Schicht  (pnnktirt!)  nnd 
darunter  die  gelbliche  Qefasswand.  Fig.  22  Loch  (5  mm)  in  einem  BodenstUck. 
Fig.  24  bearbeiteter  weisser  nndnrchsicfatiger  FenerBtein. 


Fig.  '2'J  von  der  Landzunge  an  der  Eilang,  weiss,  an  durchsichtig. 

Fig.  25  südlich  von  der  Eilang,  weiss,  undurchsichtig. 

Fig.  26—45  vom  Bei^  am  KUchenteich.  h\.  26,  27  Kopf  von  einem  eisernen 
Nagel.  Pig-2S— 43  Feuerstein-Geräth.  Fig.  28  unfertige  Pfeilspitze,  schw&rzlii^ 
durchsichtig.  Fig.  29,  30,  31,  41  vielleicht  ebenso,  weisslicb.  uDdnrcbslchtig.  Fig.  36 
flaches,  briiunliches  Stttck  mit  sehr  scharfkantiger  Schneide.  Aehnliche  fanden  si^ 
mehrfach.    Fig.  39  fast  runde  Scheibe  von  hellem  durchsichtigem  Fenerstein,   am 


(441) 

Rande  stumpf.     Die  punktirten  Stellen  zeigen  milchig  gewordene   ältere  Schlag- 
flachen,  die  übrigen  frischen  Brach. 

Fig.  46  ans  der  Gegend  von  Kemnath-Theerofen,  grau,  undurchsichtig,  an  den 
beiden  Seitenkanten  mit  Schlagmarken. 

13.[Der  Stein  bei  Tornow. 

Der  Hofbesitzer  Götze,  jetzt  in  Görbitzsch,  theilte  als  Augenzeuge  mir  mit: 
^Vor  60  Jahren  lag  bei  dem  Dorfe  Tornow  (Kreis  West-Steraberg)  ein  grosser 
Stein.    Er  war  länglich  rand,  etwa  5  Fnss  lang  und  4 — 5  Fuss  pj^  ^^ 


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o  o 


breit  und  sah  1  guten  Fuss  über  die  Erde.  Oben  auf  dem  Stein 
war  eine  breite  Platte.  Es  waren  4  Hufe  darauf,  als  wenn  ein 
Pferd  geht  und  in  den  weichen  Stein  tritt.**  —  Als  ich  die  vier 
Abdrücke  aufzeichnete,  wie  sie  rechts  in  Fig.  4  wiedergegeben  sind, 
äusserte  er:    ^Gerade  so  haben  sie  ausgesehen.^  ^ 

14.   Der  Stein  bei  Klauswalde. 

Der  Hofbesitzer  Alisch  und  Sohn  zu  Adolphsrahe  theilten  als  Augenzeugen 
mir  mit:  ^Auf  dem  Privatwege  von  Biberteich  nach  Klauswalde  (Kreis  West- 
Sternberg),  eine  gute  y«  Meile  vor  Klauswalde,  dicht  am  Wege  liegt  ein  alter  Stein, 
etwa  6  Fnss  lang  und  6—7  Fnss  über  der  Erde.  Oben  waren  2  Pferdehufe  darauf. 
Das  Stück  haben  sie  aber  abgesprengt  und  weggenommen.  Der  Stein  liegt  heute 
noch  da"  (Juli  1897). 

Ich  bin  zwar  selbst  den  gewöhnlichen  Weg  von  Biberteich  nach  Klauswalde 
gefahren,  wusste  aber  damals  noch  nichts  yon  der  Lage  des  Steins;  es  werden  sich 
aber  später  die  gemachten  Angaben  vergleichen  lassen. 

Frauen  in  Biberteich,  die  ich  früher  wegen  des  Steines  befragte,  meinten: 
„Es  sei  eine  „Eselstappe''  und  ein  Kinderfuss  auf  dem  Stein.  Es  sei  der  Fuss 
vom  Jesuskinde.**    Sie  fügten  aber  hinzu,  sie  wüssien  es  nicht  genau. 

15.   Der  Stein  bei  Breesen. 

Wie  mir  Frau  Rittergutsbesitzer  Kortim,  gebürtig  aus  Breesen  (Kreis  Ost- 
Sternberg),  mittheilte,  lag  früher  beim  Dorfe  Breesen,  200— 300  Schritt  entfernt, 
am  Wege  nach  Ostrow,  ein  Stein,  auf  dem  2  „Hufe"  (d.  h.  die  Eindrücke)  waren. 
Derselbe  ist  vor  mehreren  Jahren  zersprengt  worden. 

16.   Der  Stein  bei  Biberteich. 

Hr.  Willich  zu  Kemnath-Theerofen  theilte  als  Augenzeuge  mir  mit:  „Beim 
Dorfe  Biberteich  (Kreis  West-Steraberg)  lag  früher,  nach  Norden  zu,  unten  am 
Fuss  der  sogenannten  Schlegel  berge,  ein  Stein,  der  etwa  3  Fuss  lang,  2  Fuss  breit 
und  1  Fuss  über  der  Erde  war.  Auf  dem  Stein  sah  man  zwei  natürliche  Hufe, 
wie  man  ^ie  im  Wagengeleise  sieht.  Man  konnte  auch  den  Strahl  (der  Hufe)  sehen. 
Die  Hufe  waren  wie  in  den  weichen  Stein  eingedrückt  Ausserdem  war  noch  eine 
Vertiefung  wie  ein  Wagengeleise  oder  eine  Schlittenspur  eingeschnitten.  Es  sah 
aus,  als  sei  jemand  mit  dem  Wagen  über  den  Stein  gefahren  und  das  eine  Ead 
darüber  gegangen,  das  andere  daneben.  Sie  sagten  immer:  „Hier  ist  der  Teufel 
mit  der  Karre  darüber  weggekarrt. ^  Die  Hirtenjungen  kamen  alle  Tage  zweimal 
bei  dem  Stein  vorbei.  Vor  5 — 6  Jahren  ist  er  zersprengt  und  dann  (an  der 
Hintermühle  bei  Biberteich?)  verbaut  worden."  (Die  Vertiefungen  sollen  gewesen 
sein,  wie  oben  Fig.  4  zeigt.    W.  v.  S.). 


(442) 

„Vom  Stein  1000  Schritt  ab,  war  das  Ochsenfort,  ein  klein  Wässerchen,  das 
nur  im  Frühjahr  und  Herbst  war.''  Sie  sagten  immer:  „Da  spiekt  (spukt)  es.  Es 
sei  immer  ein  weisser  Hase  mit  drei  Füssen  da.  Mal  haben  sie  Feuer  da  ge- 
sehen.   Mal  sahen  sie  einen  Hand,  der  ganz  glühend  war.'^  — 

Der  „Hase  mit  drei  Beinen''  ist  nach  alter  Volksrorstellung  ein  Abbild  des 
Teufels  und  „Hans  Märten"  selbst 

Danach  wären  noch  zwei  solche  Steine,  öffentliche  Denkmäler,  der  Zerstörung 
anheimgefallen,  und  das  ungeachtet  der  Bestrebungen  für  die  Denkmals-Pflege  in 
der  Provinz  Brandenburg.  — 

Fundstätten  im  Kreise  West-Stemberg. 

Da  ich  nachträglich  erfuhr,  dass  sich  Hr.  Predigtamts-Candidat  Will  ich  bei 
längerem  Aufenthalt  in  Biberteich  viel  mit  den  Alterthümem  hiesiger  Gegend  be- 
schäftigt hat,  so  bat  ich  ihn  schriftlich  um  kurze  Angabe  seiner  Fundstellen. 
Hr.  Willich  hatte  die  Güte  (am  16.  August  1897)  mir  folgende  Mittheilungen  aus 
Görbersdorf  in  Schlesien  zu  übersenden: 

„1.   Feldmark  ron  Görbitzsch. 

a)  Fundstelle  unmittelbar  vor  dem  Dorfe  Görbitzsch  am  Wege,  von  Pinnow 
kommend  rechts,  nur  Scherben  (vermuthlich  dieselbe  wie  S.  437.    W.  v.  S.). 

b)  Am  Weg  von  Görbitzsch  nach  Bottschow,  ungefähr  die  Hälfte  des  Weges 
vom  Dorfe  entfernt  auf  einem  Hügel,  Mitte  etwa  zwischen  See  (Krumme  See. 
W.  v.  S.)  und  Weg. 

c)  Am  Weg  nach   Gandern(?),   von  Görbitzsch   etwa    1,5  km   entfernt,   nur 

Scherben. 

„2.   Feldmark  Belitz. 

a)  Am  Weg  von  Biberteich  nach  Pinnow,  300  Schritt  von  der  Eilang  nach 
Pinnow  zu,  rechts,  am  Grundstück  des  Bauern  Forchert.  Hügelgräber  (dieselben 
wie  Seite  435.    W.  v.  S.). 

b)  Am  Weg  von  Belitz  nach  Klauswalder  Mühle,  links  im  Walde.   Doppelume. 

„3.   Feldmark  Bottschow. 

Auf  dem  Predigerland,  nicht  weit  vom  Belitzer  Wald  und  Weg.   Umenscherben. 

„4.    Feldmark  Biberteich. 

Am  Weg  nach  Lieben,  1  km  vom  Dorfe  Biberteich  entfernt,  unmittelbar  am 
Weg  und  im  Weg. 

„5.   Feldmark  Kemnath  (Kreis  Ost-Stembei^). 

In  der  Nähe  von  Kemnath-Theerofen  liegen  zerstreut  germanische  Scherben; 
ich  habe  dort  aber  keine  Stelle  gefunden,  von  wo  sie  zerstreut  sein  könnten  (die- 
selben wie  S.  438.    W.  v.  S.). 

Die  unter  1.,  2.,  3.  und  4.  genannten  sind  Gräberfelder  germanischer  Art  vom 
ältesten  und  rohesten  Typus  bis  zu  den  elegantesten  Buckelumen.  Bei  2  a,  Belitz- 
Cilang,  Bronzefunde  (Pfeilspitzen,  Bronze-Spirale,  eine  Art  von  Messerchen,  dünn 
wie  Blech;  in  der  Gubener  Gynmasial -Sammlung,  auch  ein  Theil  im  Märki- 
schen Museum).  Keine  Eisensachen.  Ein  Steinbeil  wurde  von  mir  gefunden 
auf  dem  Urnenfelde  am  Görbitzsch -Bottscho wer  Wege  (l.b),  nicht  mit  anderen 
Gegenständen  zusammen,  sondern  abseits  zerstreut,  flach  im  Sande.  Steinbeile 
kamen  sonst  nicht  vor,  nur  beim  Bau  der  Reppen-Drossener  Eisenbahn,  irgendwo 
zwischen  Beppen  und  Drossen.    Näheres  nicht  bekannt 

„6.    Burgwall  im  Eilangthal  bei  Klauswalde. 

Nur  wendische  Scherben  (vergl.  S.  434.     W.  v.  S.). 


(443) 

„7.   Burgwall  bei  Görbitzsch  im  Bachwald. 

Nur  wendische  Scherben  (dieselben  wie  8.431.    W.  v.  S.). 

„8.   Biberteich. 

In  Biberteich,  am  Teich  der  Schlossmühle,  eine  Stelle  mit  einer  Unmenge 
wendischer  Scherben.  Nach  dem  Dafürhalten  des  Hm.  Buchholz  vom  Märkischen 
Museum  eine  wendische  Töpferei. 

^9.   Von  neueren  Sachen 
wurde  gefunden  eine  eiserne  Pfeilspitze  der  Hussitenzcit  (Gubener  Gymnasial- 
Sammlung). 

Die  Funde  datiren  aus  den  Jahren  1888—90.  Die  Fundorte  sind  im  Märkischen 
Museum  bereits  alle  bekannt.^ 

Soweit  Hr.  Will  ich. 

Das  erwähnte  Steinbeil  (Fig.  5)  vom  Urnenfeld  am  Görbitzsch- 
Bottschower   Wege,    das    ich  ankaufte,  um   es   einem   Museum  ^^^*  "• 

zu  übergeben,  ist  7,8  cm  lang,  4,2  cm  hoch  und  3,6  cm  breit. 
Das  Stielloch  (1,6  cm  Durchmesser  an  der  Mündung)  ist  nicht 
fertig  geworden,  die  Bohrung  geht  nur  13  mm  tief.  Der  Zapfen  im 
Bohrloch  ist  etwa  8—9  mm  hoch  stehen  geblieben.  Soweit  wurde 
er  TerkUrzt,  aber  auch  an  zwei  Seiten  desselben  hat  man 
Stücke  entfernt. 

Wenn  man  die  vorstehend  angeführten  Fundstellen  auf  der 
Karte  einzeichnet,  so  ersieht  man,  dass  einige  derselben  auf 
Wegen,  andere  in  der  Nähe  von  Wegen  liegen,  die  noch  heute 
befahren  werden  und  Ortschaften  verbinden,  und  wie  es  hier  ist, 
wird  es  vielfach  anderweitig  sein.  Da  liegt  doch  die  Yermuthung  nahe,  dass  Fried- 
höfe auch  im  Alterthum  nahe  an  Verkehrswegen  angelegt  worden  sind  und  dass  viele 
der  heutigen  Fahrwege  auf  dem  Lande  noch  genau  so  verlaufen,  wi^  einst  in  der 
(germanischen)  vorgeschichtlichen  Zeit,  zumal  da  auch  die  heutigen  Dörfer  in  sehr 
grosser  Zahl  an  Stätten  oder  sehr  nahe  an  Stätten  liegen,  wo  vorgeschichtliche  Gräber 
oder  auch  vorgeschichtliche  Ansiedelungen  waren.  Ich  glaubte  schon  früher,  auf 
Grund  anderer  Erwägungen,  eine  solche  Ansicht  aussprechen  zu  dürfen^).  £s  würde 
sich  daraufhin  eine  Karte  nicht  nur  der  vorgeschichtlichen  Gehöfte  oder  Ortschaften, 
sondern  auch  vieler  alten  Verbindungswege  herstellen  lassen.  Aus  der  Thatsache, 
dass  sowohl  in  der  Neuzeit  wie  im  Mittelalter,  in  der  wendischen  Zeit  und  in  der  vor- 
herigen germanischen  Zeit  gewisse  selbe  Ortschaften  bewohnt  gewesen  sind,  so  dürfte 
sich  doch  wohl  ergeben,  dass  allzu  lange  Unterbrechungen  in  der  Bewohnung  nicht 
stattgefunden  haben  werden.  — 

Der  Lindenhörst  bei  Lüdersdorf. 

Ich  hatte  erfahren,  dass  Herr  Lehrer  Meier  in  Lüdersdorf  (Kreis  Teltow, 
Brandenburg)  Altertbümer  gefunden  habe,  und  er  selbst  theilte  mir  mit,  als  ich 
ihn  bei  der  Rückkehr  nach  Berlin  in  Lüdersdorf  aufsuchte,  dass  er  eine  Er- 
hebung in  den  Wiesen  dortselbst,  Lindenhörst  im  Volke  genannt,  für  einen  Wall 
halte  und  ebenda  Scherben  gesammelt  habe.  Ich  begab  mich  deshalb  (31.  Mai  1897) 
nach  Lüdersdorf.  Die  Entfernung  nach  dem  in  südlicher  oder  südwestlicher  Rich- 
tung gelegenen  Lindenhörst  sollte  Vi  Stunde  betragen.  Die  Wiesen  waren  aber  in 
Folge  andauernden  Regens  sehr  nass,  zum  Theil  überschwemmt.    Ich  musste  daher 

1)  Brandenburgia  1897,  S.  140,  141. 


(444) 

Umwege  machen  und  auf  verschiedenen  Dämmen  gehen,  die  in  den  Wiesen  angelegt 
sind  und  znm  Henabfahren  dienen.  Wie  alt  die  Dämme  sind  und  ob  sie  sämmt- 
lieh  oder  theilweise  aus  der  Zeit  vor  oder  nach  der  ^Separation^  stammen,  erfahr 
ich  nicht,  da  ich  wegen  frühzeitiger  Rückkehr  nach  Berlin  die  alten  Leute  des 
Dorfes  nicht  mehr  darüber  befragen  konnte.  Der  letzte  Damm  oder  Dammweg 
führt  unmittelbar  auf  den  Lindenhörst  zu.  Es  war  nothwendig,  hier  öfter  durch 
Wasser  zu  gehen,  das  auf  demselben  stand.  Der  Lindenhörst,  Lüdersdorfer 
Bauern  gehörig,  erwies  sich  als  eine  länglich  ronde  Erhebung  von  4 — 5  Fuss  Höhe, 
die,  soweit  äusserlich  zu  erkennen  war,  aus  einem  Hügel  und  aus  einer  Auf- 
schüttung besteht.  Wie  weit  der  gewachsene  Boden  reicht,  und  wo  überall  die 
Aufschüttung  beginnt,  wäre  nur  durch  den  Spaten  festzustellen.  Dies  war  damals 
nicht  angängig,  weil  der  Rundwall,  um  ihn  so  zu  nennen,  mit  hohem  Grase  bestanden 
war.  Der  hohe  Graswuchs  hinderte  auch,  genauer  den  Umriss  und  die  Böschungen 
mit  dem  Auge  zu  verfolgen.  Die  Oberfläche  war  fast  gelb  von  den  Blüthen  der  Spel- 
blume  (Kanunculus)  und  vielfach  blau  von  Mannstreu  (Veronica),  während  mehr 
am  Rande  Gänseblümchen  (Bellis  perennis)  wucherten.  Der  Lindenhörst  hat  keinen 
eigentlichen  Wall  und  keine  Vertiefung  im  Innern,  sondern  liegt  wie  eine  flache, 
umgekehrte  Schüssel  im  ehemaligen  Sumpf.  Eine  Längsausdehnung  etwa  von  SW. 
nach  NO.  maass  ungefähr  162,  eine  Breitenausdehnung  etwa  von  NW.  nach  SO. 
128  kleine  Schritt.    Er  wäre  danach  länglich  rund. 

An  der  Südseite  des  Rundwalls,  nicht  weit  entfernt  von  ihm,  liegt  ein  randes 
Wasserloch  (etwa  10  kleine  Schritt  lang?).  Dasselbe  war  früher  grösser,  um  es 
mehr  zuzuschütten,  hat  der  Besitzer  nach  Hm.  Meier's  Angabe  Erde  vom  Südrand 
des  Lindenhörst  abgegraben  und  in's  Wasser  geworfen.  Ein  zweites  Wasserloch,  etwa 
ebenso  gross  und  10  kleine  Schritt  vom  Rundwall  entfernt,  liegt  auf  einer  and^n 
Seite.  Die  zwei  fast  runden  Wasserstellen  machen  genau  den  Eindruck,  wie  die 
alten  „Tränken"  (Viehtränken),  die  hier  überall  bei  den  Dörfern  auf  den  ehe- 
maligen Viehhutungen,  jetzigen  Wiesen,  noch  zu  sehen  sind.  Sie  wuitlcn  von  den 
Bauern  vormals  ausgegraben  für  das  ^Vieh*^,  das  in  der  Zeit  der  Gemeindeweiden 
und  Gemeindefelderwirthschaft^)  Tags  über  draussen  weidete,  während  die  Pferde 
auch  über  Nacht  in  den  Nachtbuchten')  verblieben,  die  besonders  dazu  umhegt 
waren.  Ob  nun  diese  beiden  Wasserlöcher  schon  aus  alter,  oder  erst  aus  neuerer 
Zeit  sind,  darüber  konnte  ich  wegen  Zeitmangels  nichts  feststellen. 

Da,  wo  der  Südrand  des  Lindenhörst  abgegraben  ist,  sieht  man,  dass  der  Rund- 
wall hier  aus  gewachsenem  Boden  besteht,  und  zwar  aus  einer  Art  weissen,  kalkigen 
Mergels.  Zahlreiche  Krümel  von  einem  scheinbar  ähnlichen  Meigel  habe  ich  seiner 
Zeit  auf  dem  Miersch'schen  Acker  bemerkt  beim  Dorf  Burg  im  Oberspreewald, 
wo  der  zweite  Burger  Bronzewagen,  im  Besitze  des  Hm.  Virchow*),  gefunden  wurde 
und  in  mehreren  vorgeschichtlichen  Getässen  auf  dem  Muschink  *)  bei  Müscben  im 
Oberspree wnld.  Auch  sonst  noch  sieht  man  hier  im  Wiesengelände  und  in  Acker- 
stücken bei  Lüdersdorf  den  gleichen  weissen  Mergelboden.  An  andem  Stellen  aber, 
oben  und  an  der  Böschung,  zeigt  der  Rundwall  dunklen  Boden,  wie  namentlich  an 
den  Maulwurfshügeln  zu  bemerken  war,  wo  ihn  die  Maulwürfe  von  unten  hermuf- 
gestossen  hatten.   Es  ist  also  vermuthlich  ein  Theil  des  Rundwalls  in  alter  Zeit 


1)  Vergl  Brandenburgia  1896,  S.  214-226. 

2)  Ebenda  1897,  S.  119,  120. 

8)  Hier  ist  wohl  der  erste  Burger  Wagen  gemeint  (s.  Vcrhandl.  1876,  S.  241). 

R.  Virchow. 
4)  Einer  Erhebung  mit  vorslavischem  Friedhof. 


(445) 

aufgeschüttet  worden,  ebenso  wie  er  die  gleichmässig  länglich-runde  Gestalt  von 
Menschenhand  erhalten  haben  dürfte,  wenngleich  sonst  hellsandige  Erhebungen  von 
ziemlich  regelmässiger  Form  auch  in  hiesiger  Gegend  vorkommen. 

An  der  Stelle  gegen  Süden,  wo  der  Rand  in  gewisser  Länge  abgegraben  ist, 
liegen  viele  Scherben  im  Boden,  also  auf  der  Sohle  des  Randwalls,  was  ihre 
Ticfenlage  anbetrifft.  Ob  sie  immer  so  tief  gelegen  haben  oder  erst  durch  das 
Abgraben  so  tief  geitommen  sind,  konnte  ich  nicht  feststellen.  Ebenso  fanden  sich 
solche  Scherben  an  mehreren  anderen  Stellen,  aber  nur  an  der  Böschung,  durch 
Maulwürfe  ausgeworfen.  Auf  der  Oberfläche  des  Rundwalls  habe  ich  keine  bemerkt; 
hier  war  das  hohe  Gras  hinderlich.  An  der  abgegrabenen  Stelle  sieht  man  ausser 
Scherben  noch  ungebrannte  Knochen,  u.  a.  sehr  starke  Gelenkstücke  vom  Pferd  oder 
Rind(?).  Auch  ein  Stück  Kiefer  mit  mehreren  Zähnen  fand  ich,  ebenso  Stücke 
von  Schalen  der  Teich-  oder  Flussmuschel,  die  sehr  schön  perlmutterartig 
glänzten.  Von  zwei  flachen  Stücken  bräunlichen  Feuersteins  zeigt  das  eine  sehr 
deutlich  Merkmale  der  Bearbeitung.  Die  Scherben  sind  jedenfalls  in  Folge  von  Ein- 
flüssen seit  ihrer  Lagerung,  sehr  hart  geworden. 


Fig.  6. 


Fig.  1,  2  Grauer  Scherbon  mit 
einer  Reihe  von  Höckern,  die  an 
der  Ausladung  um  das  GefEss 
herumgingen;  Fig.  1  von  oben, 
Pifl^.  2  von  der  Seite.  —  Fig.  8 
Scherben  von  einem  groben 
Topf  oder  Napf  mit  Furchen 
von  der  Mdndung  nach  unten. 
Fig.  4,  6  Scherben  von  Mün- 
dung und  Ausladunp:  mittel- 
grosser Gefftsse.  Fig.  5  von 
dünnwandiger  Tasse  od.  Napf. 
Fig.  7,  8  bearbeitete  Feuer- 
steinstücke. 


Ich  habe  nur  vorslavische  Scherben  gefunden,  keine  aus  wendischer  Zeit. 
Sollten  auch  im  Innern  des  Lindhörst  keine  Scherben  aus  slavischer  Zeit  vorhan- 
den sein,  so  gehört  er  zu  der  geringeren  Zahl  derer  in  der  Mark,  die  rein  vor- 
slavisch  sind  und  wäre  dann  wohl  als  germanisch  zu  betrachten.  Ihm  schliesst 
sich  in  der  Nachbarschaft,  etwa  eine  Stunde  von  Lüdersdorf  entfernt,  ein  vor- 
slavischer,  ebenfalls  bisher  unbekannter  Rundwall  an,  den  ich  auf  dem  Gadsdorfer 
Höilenberge  auffand  und  bereits  beschrieben  habe^).  Obgleich  ich  im  Laufe 
mehrerer  Jahre  Gelegenheit  hatte,  die  Gadsdorfer  Gegend  in  Hinsicht  auf  Alter- 
thUmer  genauer  kennen  zu  lernen,  so  habe  ich  doch  nicht  das  geringste  Stück  von 
Töpferei  wendischer  2jeit  bemerkt.  Ich  habe  den  Eindruck  gewonnen,  dass  hier, 
in  einem  beschränkten  Umkreise,  das  Wendenthum  nicht  so  fest  eingewurzelt 
nachweisbar  war,  wie  anderswo.  Trotzdem  deuten  vereinzelte  wendische  Flurnamen 
auf  der  Gadsdorfer  Feldmark  [Dahren,  Bahren  (Jehren?),  Iliensche]')  die  dauernde 
Anwesenheit  der  Wenden')  im  frtihen  Mittelalter  hier  an. 


1)  Brandenburgia.    Berlin  1897.    S.  128,  144. 

2)  Ebenda  S.  121,  und  18%,  S.  219,  Anmerk.  22,  24. 

3)  Bei  Klein-Schulzendorf,  4000  Schritt  westl.  von  Lüdersdorf^  heissen  (nach  einer  Mit- 
heüuog  des  Kossäthen  Heinrich)  Ackerstücke:  Naselabbe,  Natkladde,  Narnbitze,  Nakaschlize. 


(446) 

Es  haben  sich  zwar  in  Gadsdorf  (eine  halbe  Stunde  von  Lüdersdorf  entfernt) 
und  Umgegend  wendische  Worte  noch  in  der  Umgangssprache  der  Landlente  er- 
halten, so  die  Worte  Miese,  Küzel,  Mure,  Kusche,  Kuensch,  Moch,  Kuzel  oder 
Kuschel'X  wohl  auch  panken*),  und  vielleicht  Buze,  inbuschen,  Pujje*);  indessen 
ist  zu  bemerken,  dass  nachweisbar  in  Gadsdorf  die  Bevölkerung  durch  Zuzug  in 
diesem  Jahrhundert  sehr  gewechselt  hat. 

Es  findet  sich  hier  eine  grosse  Anzahl  rein  deutscher  Bewohner,  nach  ihren 
Namen  und  auch  ihrer  äusseren  Erscheinung  zu  urtheilen.  Aber  auch  sie  ge- 
brauchen die  wendischen  Worte,  die  sie  oder  ihre  Vorfahren  also  erst  zu  einer 
gewissen  Zeit  als  flüchtige  Bestandtheile  in  ihr  Deutsch  aufgenommen  haben.  ^  Ja, 
man  hat  sogar  von  dem  Worte  Rüzel  ein  Zeitwort  kttzeln  *)  mit  ganz  anderem  Sinn 
gebildet,  das  es  im  Wendischen  gar  nicht  giebt.  Es  zeigt  sich  auch  hier,  dass 
vereinzelte  slavische  Worte  in  der  Umgangssprache  des  Landvolkes  keinen  Rttck- 
schluss  auf  slavisches  Yolksthum  und  Herkommen  der  Einzelnen  gestatten.  Nur 
Flurnamen  haben  Beweiskraft.  Bei  ihrer  grossen  Bedeutung  für  die  Kenntniss 
von  Tjand  und  Leuten  und  deren  Entwickelungsgeschichte  sollte  man  sie  schleunigst 
überall  im  Lande  sammeln.  Denn  während  die  auf  Karten  und  in  Schriften  ver- 
zeichneten Namen  bleiben,  vergehen  die  beim  Landvolk  lebendigen  und  oft 
viel  werth volleren  Flurnamen  zusehends,  wie  alle  alte  Ueberlieferung.  Die  Ver- 
öffentlichung könnte  allerdings  nur  mit  Hülfe  von  Staatsgeldem  geschehen.  Aber 
mir  scheint,  es  habe  mehr  Werth  und  höhere  Bedeutung  für  Deutschland,  als  etwa 

1)  Brandenburgia  1897,  S.  128,  150;  1896,  S.  189—205. 

2)  Pankcn  ist  der  Namo  für  das  5-SteinchenspieU  für  das  Aofwerfen  und  Fangen  mit 
der  Hand,  wie  die  Kinder  sagten.  In  der  Neamark  (Gegend  von  Schönewalde)  hörte  ich 
es  paxen  nennen.  Ich  sah  im  Kreise  Teltow  ein  Hjähriges  Mädchen,  allerdings  eine  sehr 
geschickte  Spielerin,  20  oder  25  Mal  hinter  einander  verschiedenfach  dieses  Spiel  spielen, 
wie  ich  es  mir  auch  verzeichnet  habe.  Wendisch  heisst  (nach  Pfuhl)  „panka  die  Schale, 
Eichelkapsel,  Nnssschale  und  pankowaö  mit  Nussscbalen  werfen  (Spiel)**.  Ich  hörte  kamoi- 
kowad,  d.h.  Steinchen  spielen,  für  das  5-Steinchen8piel  in  der  Mnskaner  Gegend.  Zwahr 
(Wend.  Wörterbuch)  erwähnt  bemerkens werth  „ein  Hirtenspiel,  das  mit  Haselnoss-Schalen 
(panki)  nach  Art  des  Spieles  mit  5  runden  Steineben  gespielt  wird.  Die  Höhe  des  ersten 
Wurfes,  bei  dem  man  die  Formel:  moj  pan  bogatj  cbojii  pojsj  rogaty,  d.  i.  mein  reicher 
Herr  geht  gehörnt  einher,  ausspricht,  bestimmt  allemal,  wer  das  Spiel  eröffnet,  das  pan- 
kowaö genannt  wird.^  Schmaler  (Haupt  und  Schmaler,  Wendische  Volkslieder.  Grimma 
1848.  IL  S.  226)  sagt:  „Das  Panken,  Penkon  (panka  die  Schale,  pankowas)  geschieht  mit 
den  Schalen  von  Haselnüssen,  welche  in  die  Höhe  geworfen  und  mit  der  Hand  aufgefangen 
werden  ....  Das  Nähere  dieses  Spiels,  welches  vom  Cottbusser  Kreise  an  bis  Finster- 
walde und  das  Deutsche  hinein  gebräuchlich  ist,  blieb  uns  unbekannt.^  Ueber  die  Einzel- 
heiten des  5-Steinchenspiels  unter  den  Wenden  vergleiche  mein  Wendisches  VolksthunL 
Berlin  1882.    S.  192,  193. 

3)  Buie  für  Wiege  war  früher  hier  gebräuchlich  (anderswo  soll  es  noch  gesagt  werden^ 
und  noch  jetzt  inbuschen  für  einwiegen.  Nieder-Serbisch  heisst  buikas  einwiegen.  Pnjje 
heisst  hier  die  Wiege,  niederwendisch  im  Ober-Spreewalde  auch  bujki  genannt  Das  Wort 
Jru'ie  fand  ich  in  der  Lüdersdorfer  Gegend  nur  im  Eräntemamen  Wejejmko  (Polygonom 
aviculare  nach  freundlicher  Bestimmung  des  Hrn.  Bolle).  Die  Wenden  lu  Burg  im  Ober- 
Spree  walde  sagen  für  Rasen,  wenn  sie  deutsch  sprechen,  Gni2e,  wenn  serbisch:  blonde.  Ob 
Plauze  hier  vorkommt  für  Leib  -  Bauch ,  z.  B.  „ich  habe  mir  die  Plauze  (=  ..den  Leib**) 
ordentlich  vollgeschlagen,"  d.  h.  ich  habe  mich  sehr  satt  gegessen,  ist  mir  nicht  gerade 
erinnerlich,  aber  sicher  anzunehmen,  da  Plauze  in  der  Mark,  auch  in  Berlin,  im  gewöhn- 
licheren Volkston  sehr  gebräuchlich  ist.  Pluca  heisst  wendisch  die  Lunge  (an  hier  -  u, 
Lauch  und  Lug  u.  dergl.). 

4)  Brandenbnrgia  1897,  S.  123. 


(447) 

in  Ol3niapia  immerhin  noch  geborgene  griechische  Alterthümer  auszugraben.  Mit 
10000  oder  20  000Mk.  würde  man  bei  uns  viel  erreichen. 

Xoch  bemerke  ich,  dass  der  Lindhörst  in  der  Verlängerung  des  Artillerie- 
Schiessplatzes  (in  dem  Kummersdorfer  Forst  belegen)  sich  befindet  und  über  kurz 
oder  lang  in  seinen  Bereich  einbezogen  werden  könnte.  Schon  jetzt  dürfen  an  be- 
stimmten Tagen  die  Bewohner  von  Lüdersdorf  gegen  Entschädi^ng  ihre  Wiesen- 
gründe nicht  mehr  betreten. 

In  einiger  Entfernung  vom  Lindhorst  sieht  man  eine  andere  Erhebung,  genannt 
„Hohehörst**.  Doch  war  es  wegen  des  hohen  Wasserstandes  nicht  möglich,  an 
ihn  zu  gelangen.  Südlich  hinterm  Hohenhörst,  im  Bereich  des  Artillerie-Schiess- 
platzes,  in  dem  Kummersdorfer  Forst,  liegt  der  von  mir  früher  öfter  besuchte  ^breite 
Steinbusch*^.  Nach  Hm.  Meier's  Angabe  sagen  die  Lüdersdorfer  aber  dafür  „beim 
breiten  Stein**.    Vielleicht  hat  ein  bemerkenswerther  Stein  hier  gelegen. 

Nördlich  von  Lüdersdorf,  auf  einem  von  mir  bereits  näher  beschriebenen 
bergigen  Gelände*),  erhebt  sich  der  Zwergberg,  mit  diesem  Namen  auch  ver- 
zeichnet auf  der  Generalstabs-Karte  von  1841.  Hier  waren  voi^eschichtliche  Gräber 
und  zwar  vorslavische,  wie  mit  gutem  Grund  anzunehmen  ist. 

Heimischer  Bronzeguss. 

In  seiner  Sammlung  vorgeschichtlicher  Alterthümer  hatte  (1890  oder  91)  der  nun- 
mehr verstorbene  Hr.  Ober-Prediger  Pasch ke  zu  Lenzen  an  der  Elbe  eine  Scheiben- 
Fibel  Ton  Bronze,  gefunden  auf  der  Feldmark  bei  "Wustrow  (Kreis  West-Priegnitz, 
Provinz  Brandenburg)  im  Frühjahr  1890  beim  Pflügen  in  leichtem  sandigem  Boden, 
deren  Gesammtlänge  16,5  cm,   der  Längsdurchschnitt   der  Scheiben   etwa  7,5  cm 

Fig.  T.    V« 


betrug  (Fig.  7).  Bemerkenswerth  war  sie  dadurch,  dass  der  in  vorgeschichtlicher 
Zeit  an  der  einen  Scheibe  bei  a  abgebrochene  Bügel  dort  wieder  in  ziemlich  roher 
Weise  durch  Bronzeguss  befestigt  worden  ist,  also  die  heimische  Ausübung  des 
Bronzegiessens  bei  Wustrow  oder  irgendwo  in  der  Umgegend  bezeugen  dürfte. 

Vorgescliiclitliclie  Funde  bei  Gandow. 

Die  Verzierungen  von  Gefässscherben  (S.  448,  Fig.  1 — 26)  habe  ich  (1890  oder  91) 
bei  Hrn.  Paschke  flüchtig  abgezeichnet.  Die  Scherben  wurden  gefunden  auf  dem 
Kiebitzberge  bei  Gandow  (Kreis  West-Priegnitz).  Dieser  Kiebitzberg  war  damals, 
wie  mir  Hr.  Paschke  raittheilte,  zu  einem  Theil  bereits  abgetragen,  da  der  Sand 


1}  Brandenburgia  1897,  S.  120,  121,  142,  145. 


(448) 

TOQ  demselben  sum  Bau  des  Dammes  derEisSDbahii  Vittenberge-LanebDr;^BDchholz 
VerwoDdang  fand.  „Die  Vermuthnng  liegt  nahe,"  äusserte  sich  Hr.  Paschke, 
,daB8  der  grössere  Tbeil  der  Scherben  Anfang  der  siebziger  Jahre  in  den  Eisen- 
bahndamm gekommen  ist.     Alle  Scherben   sind  scheinbar  durch  den  Pflog  oder 

Fig.  8. 


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1  fW  ^^r^^l 


beim  KartofTelhacken  an  die  Oberflüche  gekommen.  Keine  ganze  Urne,  nor 
Scherben  wurden  Torgefnndcn.  Auf  dem  noch  anbertlhrten  Theile  des  Berges 
fanden  sich  auch  Scherben  aus  yorslamcher  j^ermanischer  Zeit"  In  diesem  Falle 
sind  also  Scherben  in  Menge  anderswo  hingekommen.    Die  Zeichnungen  Fig-  10 


(449) 

und  16,  auch  2,  9,  12,  14,  24,  26  ähneln  Zeichnungen,  die  Hr.  Treichel  von 
Scherben  des  Schlossberges  von  Mehlken  (Kreis  Carthaus,  Westpreussen)  giebt^). 

Frau  Harke  in  der  Neumark. 

Ich  konnte  in  der  Neumark,  also  östlich  von  der  Oder,  noch  Folgendes  über 
die  Frau  Harke')  feststellen: 

Nach  dem  Zeugniss  der  Frau  Alisch  zu  Adolphsruhe  (Kreis  Ost-Stembcrg) 
sagte  man  vor  Weihnachten:    „Macht  man!    spinnt  ab,    sonst  kommt  Herker  rin 

un ^,    In  Pinnow  (West-Stembei^g)  sagte  man  nach  dem  Zeugniss  des  Schulzen 

Maass:  „Frau  Herke'' ;  in  Bibetteich  (West-Stembei^)  nach  Frau  Willich:  „Frau 
Herke^;  nach  dem  Zeugniss  des  86jährigen  vormaligen  Mühlenbesitzers  Steinicke 
bei  Müllersthal  (Kreis  Ost-Stemberg):  „Hericer*;  des  «0jährigen  Hofbesitzers 
Willich  von  Kemnath-Theerofen  (Ost-Stemberg):    „Frau  Herke**. 

Hr.  Willich  theilte  mir  aus  der  Gegend  von  Stemberg  mit:  „Der  dritte  Abend 
vor  Weihnachten  hiess  guter  Abend,  Poser-  (sonst  auch  Päser-,  Paser-)  Abend, 
lange  Nacht  In  den  Spinnstuben  hier  waren  6 — 8  Mädchen  zusammen.  Am  Poser- 
Abend  wurde  gesponnen  bis  9  Uhr  Abends.  Dann  kamen  junge  Mannsleute,  und 
die  Mädchen  kochten  Kaffee  und  backten  Kuchen;  die  eine  brachte  dazu  Mehl, 
die  andere  Butter  u.  s.  w.  Dann  wurden  die  Wocken  abgebrannt.  Die  Mannsleute 
nahmen  ein  Streichholz  und  hielten  es  unvermuthet  gegen  den  Wocken  und  brannten 
ihn  ab  und  sagten:    „Frau  Herkc  kommt^. 

„Ein  altes  Weib  verkleidete  sich  als  Frau  Herke.  Sie  hatte  einen  „wuzlijen*' 
Kopf  von  Flachs,  die  Haare  hingen  ihr  lang  herunter  oder  ganz  wild  auf  die 
Schultern.  Sie  hatte  einen  alten  „kluntrijen^  Rock  und  eine  alte  Jacke  an  und  eine 
grosse  Schürze  vor,  die  weit  länger  war  als  der  Rock,  dass  sie  mit  den  Füssen 
hat  darauf  treten  können.  In  der  Hand  hatte  sie  einen  „strunklijen^  Besen.  So 
kam  sie  in  die  Spinnstube  herein,  und  wo  ein  Mädchen  noch  Flachs  auf  dem 
Wocken  hatte,  da  hieb  sie  mit  dem  Besen  immer  von  oben  herunter  auf  die 
Spinnerin  und  trieb  sie  zur  Stube  hinaus.  Darum  brannten  sie  den  Flachs  ab, 
weil  sie  wussten,  dann  kommt  die  Frau  Herke  nicht.**  — 

Nach  Mittheilung  des  Hm.  Steinicke  „wurde  in  der  Spinnstube  eines  von  den 
Mädchen  (eine  Spinnerin)  ausgeputzt  (d.  h.  verkleidet),  hatte  eine  Larve  auf,  einen 
Kienspahn  in  der  Hand  und  brannte  die  „ganzen*'  Wocken  ab,  wer  nicht  ab- 
gesponnen hatte.    Das  wurde  gemacht  nach  Weihnachten,  gegen  Fastnacht  zu^. 

Es  mag  eben  verschieden  gehalten  worden  sein  in  verschiedenen  Ortschaften 
der  Kreise  West-  und  Ost-Stemberg,  gerade  wie  auch  der  Schimraelreiter  zu  Weih- 
nachten und  in  der  Fastnachtzeit  erscheint. 

Posem  heisst  abbrennen.  Wenn  z.  B.  auf  einem  Felde  viele  Quecken  sind 
und  man  bringt  sie  zusammen  in  Haufen  und  zündet  diese  an,  so  heisst  das  auch 
posem. 

Das  wilde  und  wirre  Haar  der  verkleideten  Harke  erinnert  an  das  wirre  Haar 
der  Frau  Holle  (Hollenzopf).  — 

(34)   Hr.  Preuss  übergiebt  die  Fortsetzung  seiner  Abhandlung  über  die 

Ornamente  yon  Kaiser -WUheluisland. 

Dieselbe  wird  im  Text  des  nächstjährigen  Bandes  der  „Zeitschrift  für  Ethno- 
logie**  erscheinen.  — 

1)  Zeitfichr.  f.  Ethnol.,  Verhandl.  1897,  S.  62,  Fig.  8  und  3,  auch  Fig.  1,  2,  4,  6. 

2)  VergL  Brandenburgia  18%,  S.  149,  163,  154,  1G7— 169,  179—181,  233-234. 

VerhiindL  der  Ber).  Antbropol.  Gesellschaft  1897.  29 


(450) 

Hr.  Rud.  Virchow  bemerkt  in  Bezug  auf  die  von  Hm.  Preuss  gegebene 
genetische  Erklärung  des  Mäanders,  dass  dieselbe  doch  nur  für  das  Gebiet  von 
Neu-Guinea  annehmbar  sein  dürfiie,  da  in  anderen  Gegenden,  namentlich  in  der 
alten  Welt,  andere  Motive  zu  der  Auffindung  dieses  Ornamentes  geführt  haben.  — 

(35)   Hr.  Lissauer  spricht  über  eine 

gewellte»)  Bronze -Urne  von  Nijmegen. 

Auf  einer  Studienreise  durch  Holland  hatte  der  Vortragende  Gelegenheit,  die 
am  linken  Ufer  der  Waal  hochgelegene  Stadt  Nijmegen  zu  besuchen,  von  deren 
Höhen  aus,  besonders  von  dem  sog.  Valkhoof,  man  einen  prächtigen  Blick  auf  die 
Waalbrücke  und  die  Niederung  geniesst  Schon  seit  längerer  Zeit  wurden  in  der 
Stadt  und  ringsherum  bei  Bauten  und  bei  Bestellung  der  Felder  wiederholt  alt- 
römische Funde  gehoben,  aber  erst  in  den  letzten  Jahren  beim  Schleifen  des 
Walles  entdei^kte  man  eine  so  grosse  Anzahl  derselben,  wie  sie  nur  von  einer 
grossen  Ansiedelung  hinterlassen  sein  konnten.  In  der  That  steht  das  heutige 
Nijmegen  auf  der  Stelle  der  alten  römischen  Stadt  Noviomagus  oder  genauer  des 
alten  Batavodurum,  der  äussersten  Grenzfestung  der  römischen  Provinz  Germania 
inferior  gegen  die  Bataver  hin.  Sie  war  ringsherum  mit  Festungswerken  umgeben, 
von  denen  besonders  der  Valkhoof  und  der  Hunerberg  hier  zu  nennen  sind. 
Diese  I*\mde  sind  zum  grössten  Theil  in  das  städtische  Museum  von  Nijmegen, 
zum  Theil  aber  auch  in  das  Alterthums-Museum  von  Leiden  gelangt  und  bestehen 
in  vielen  zum  Theil  kostbaren  Gelassen  aus  Bronze,  Glas  und  Thon,  darunter  auch 
eine  Gesichtsume  der  römischen  Art,  vielen  Schmuckstücken,  Münzen  und  anderen 
Dingen,  wie  sie  auch  in  den  Museen  von  Mainz,  Worms  u.  a.  reichlich  vertreten 
sind.  Unter  diesen  Fundstücken  erregte  aber  ein  Bronzegefass  besonders  das 
Interesse  des  Vortragenden,  weil  dasselbe  hier  zum  ersten  Male  auf  acht  römischem 
Boden  auftritt,  während  ganz  gleiche  Gefässe  im  Norden  verhältnissmässig  oft 
schon  gefunden  worden  sind.  Es  ist  dies  nehmlich  einer  jener  gewellten  Bronze- 
kessel, über  welche  der  Vortragende  in  der  Sitzung  vom  24.  April  d.  J.  schon  aus- 
führlich gesprochen  hat*)- 

Das  Gefäss  von  Nijmegen  ist  ebenfalls  aus  dünnem  Bronzeblech  getrieben, 
hat  im  Ganzen  56  stehende  Wellenlinien,  welche  durch  kreisförmige  Linien  be- 
grenzt sind,  eine  Höhe  von  23  cm,  einen  Durchmesser  der  inneren  oberen  Oeffnung 
von  24,7  rm,  in  der  grössten  Bauchweite  von  26,5  cm  und  am  Boden  von  13,9  cm. 
Der  obere  Rand  ist  nach  aussen  3,7  cm  breit  umgebogen  und  zeigt  hier  noch  die 
alten  Löthstellen,  auf  welchen  der  fehlende  Henkel,  bezw.  die  Tragringe  angelöthet 
waren;  nahe  dem  Rande  ist  ebenfalls  ein  getriebener  Wulst  vorhanden.  Auch  der 
Boden  zeigt  die  gleichen  abgedrehten  Kreise,  wie  alle  übrigen  bisher  bekannt  ge- 
wordenen Funde  dieser  Art. 

Aus  der  eigenartigen  Technik  hatten  die  meisten  Archäologen,  welche  diese 
Gefässe  beschrieben  haben,  immer  auf  römische  Provenienz  geschlossen;  allein  es 
war  bisher  noch  nicht  gelungen,  auf  dem  Boden  des  alten  römischen  Reiches  ein 
ähnliches  Geföss  oder  ein  Vorbild  dafür  zu  entdecken,  so  dass  manche  Archäologen 
den  Import  bezweifelten.  Durch  diesen  Fund  von  Nijmegen,  auf  der  Stätte  einer 
alten  römischen  Grenzfestung,  wird  nun  der  römische  Import  dieser  Gefässe  fast 
zur  G^wissheit  erhoben  und  auch  auf  den  Weg,  auf  welchem  dieser  Import  er- 
folgt ist,  hingewiesen. 

1)  Vergl.  diese  Verhaudl.  1897,  S.  ITG. 


(451) 

Wie  der  Vortragende  schon  früher  zusnmmenKeBtclIt  hat,  war  das  Fnnd^rebiet 
<lioäcr  OefUsse  bisher  aar  Norwegen,  Schweden,  Dänemark,  and  in  Dentachland  auf 
Oldenb&rg,  Zerbat  nnd  das  untere  Weichselgebiet  beaehränkt  Es  deutet  die«  doch 
daranr  hin,  dass  die  Verbreitung  der  römischen  Industrie,  soweit  sie  vom  Unter- 
rhein ausging,  Torherrschend  von  ijen  Rh  ei  nmUn  düngen  aus  und  weiter  auf  dem 
Si'cwepe  erfolgt  ist. 


Änr  die  Zeilstetlung  dieser  Gerusse  wirft  der  Fund  kein  neues  Licht;  da 
tmch  den  Münzfnnden  die  römische  Stadt  hier  vom  Anfang  bis  zum  Ende  der 
Kaiserzeit  bestand,  so  ist  kein  Schlass  auf  das  Alter  eines  einzelnen  Geräthes  ge- 
stattet. Indess  lag  diest?s  Bronzegefitss  von  Nijmegen  auf  einem  Haufen  mit 
solchen  anderen  Gefassen,  welche  durch  edle  Form,  solide  Technik,  reiche  Ver- 
zierung mit  Ki.'cht  zu  der  älteren  Periode  der  römischen  Kunst-Industrie  gezählt 
werden,  ein  Umstand,  der  die  frühere  Zeitbestimmung  des  Vorlnifrenden  fllr  diese 
(iefässe,  nehmlich  das  3.  Jahrhundert,  unterstützt. 

Wahracheinlich  waren  alle  ausserhalb  des  römischen  Reiches  gefundenen  Ge- 
fässe  dieser  Art  —  Ton  den  meisten  liess  sich  dies  sicher  feststellen  —  als  wirk- 
liche Urnen  zur  Aufnahme  von  Leichenbrand  benutzt  oder  doch  als  Beigaben  in 
Skelet-Gräbem  beigesetzt  worden,  obschon  kein  Zweifel  darüber  auftauchte,  dass 
sie  ursprünglich  zum  büuslichen  Gebranch   eingeführt   wurden:   durch  den  Fund 


(452) 

TOD  Nijmegen  wird  diese  letztere  Annahme  weiterhin  bestätigt,   da  derselbe  ganz 
ansser  Beziehung  zu  einem  Grabe  steht. 

Das  vorliegende  GefUss  ist  mit  seinen  Begleitfanden  in  den  Besitz  des  Alter- 
thams-Mnsenms  zn  Leiden  übergegangen,  wo  der  Vortragende  dasselbe  mit  den 
HHrn.  Director  Pleyte  und  Conservator  Jesse,  welcher  letztere  auch  die  Photo* 
graphie  für  die  Gesellschaft  anfertigte,  untersuchen  durfte;  beiden  Herren  sei  auch 
an  dieser  Stelle  dafür  der  beste  Dank  ausgesprochen.  — 

(36)   Hr.  Rud.  Virchow  bespricht 

die  anthropologischen  Versammlangen  des  Spätsommers. 

1.    Die  General-Versammlung  der  Deutschen  Anthropologischen 

Gesellschaft. 

Die  vorjährige  General -Versammlung  hatte  Lübeck  als  Ort  der  nächsten 
Zusammenkunft  gewählt.  Inzwischen  waren  so  freundliche  Einladungen  von  Schwerin 
und  Kiel  eingelaufen,  dass  der  Vorstand  die  Mitglieder  aufforderte,  nach  dem  Schlüsse 
des  auf  den  3. — 5.  August  nach  Lübeck  einberufenen  Congresses  noch  2  Tage 
zusammenzubleiben  und  am  6.  Aug.  in  Schwerin,  am  7.  in  Kiel  die  dortigen  Samm- 
lungen zu  besuchen.  Dieser  Einladung  entsprachen  zahlreiche  Mitglieder;  sie 
wurden,  ausser  durch  die  Kenntnissnahme  der  Alterthumsschätze  in  den  beiden 
letzteren  Städten,  den  ältesten  Stätten  grosser  geordneter  wissenschaftlicher  Samm- 
lungen auf  deutschem  Roden,  auch  durch  genussreiche  Wasserfahrten  belohnt. 
Ueber  die  Hauptvorgänge  dürfen  wir,  wie  gewöhnlich,  den  Bericht  des  General- 
secretärs.  Hm.  Joh.  Ranke,  erwarten.  Es  sollen  hier  nur  einzelne  Punkte  kurz 
besprochen  werden. 

In  Lübeck  war  Alles  zu  einem  festlichen  Empfange  vorbereitet  Das  neu 
erbaute  und  im  Mai  1893  eröffnete  Museum  lübeckiscber  Kunst-  und  Cultur- 
geschichte  am  Dom  zeigte  die  uns  vorzugsweise  interessirenden  Funde  aus  der 
vorgeschichtlichen  Zeit  in  bester  Uebersicht.  Ein  uns  übeigebener  „Führer  durch 
das  Museum  in  Lübeck,  2.  Aufl.  1890"  erleichterte  das  Verständniss,  welches  uns 
durch  die  wohl  unterrichteten  Mitglieder  des  Verwaltungs-Ausschusses  erschlossen 
wurde.  Ueber  die  treffliche  „Festschrift"  habe  ich  schon  in  unserer  Zeitschrift 
f.  Ethnologie  eine  Besprechung  geliefert  (1807.  S.  139).  Ich  beschränke  mich  daher 
auf  einige  Bemerkungen  über  ein  paar  wichtige  Plätze,  zu  denen  wir  auf  beson- 
deren Excursionen  geführt  wurden. 

Schon  am  Nachmittage  des  3.  August  besuchten  wir  den  Platz,  wo  einstmaU 
Alt-Lübeck  gestanden  hatte.  Die  kleine  Schrift  des  Hm.  Büigermeisters 
Dr.  W.  Brehmer,  der  uns  persönlich  begleitete,  orientirte  alle  Theilnehmer  über 
die  Geschichte  dieses  Platzes;  wobei  freilich  zu  bemerken  ist,  dass  auch  hier  eine  nicht 
geringe  Differenz  in  den  Meinungen  der  gewissenhaften  Localforscher  darüber  besteht, 
welcher  Platz  genau  der  spärlichen  Angabe  der  Ueberlieferung  entspricht  Die 
Curia  Aldenlubike  wird  zuerst  1215  urkundlich  erwähnt.  Spätere  Urkiinden  haben 
es  wahrscheinlioh  gemacht,  dass  der  Name  Oldenlubeke  einer  ausgedehnten  Feid- 
mark beigelegt  worden  ist;  immerhin  handelt  es  sich  überall  um  eine  Fläche,  welche 
eine  grössere  Strecke  unterhalb  der  jetzigen  Stadt  Lübeck  am  linken  Ufer  der  Trave 
gelegen  ist,  da  wo  der  schiffbare  Fiuss  seine  nördliche  Richtung  plötzlich  in  eine 
östliche  umwandelt,  nachdem  er  die  von  Norden  herkommende  Schwartau  auf- 
genommen hat  Hier  finden  sich  noch  jetzt  die  Reste  eines  ovalen  Burgwalles,  der 
freilich  nur  eine  geringe  Grösse  hat  (75  m  in  der  Länge  und  65  m  in  der  Breite,. 


(453) 

der  also  nur  eine  Art  von  Citadelle  dargestellt  haben  kann;  in  der  Umgebung 
haben  sich  jedoch  weithin  noch  Reste  alter  Cultur  gefunden.  Selbst  auf  dem 
gegenüberliegenden  rechten  Ufer  der  Trave  sind  dergleichen  zu  Tage  gekommen. 

Nun  ist  es  bekannt,  dass  Alt-Lübeck  zu  wiederholten  Malen  zerstört  worden 
ist  Zum  letzten  Male  ist  dies  1138  geschehen.  Aber  schon  von  1043  an  sind  als 
Besitzer  des  Walles  historisch  bekannte  WendenfUrsten  angenommen,  welche  christ- 
lichen Priestern  Schutz  gaben  und  ihnen  den  Bau  einer  Kirche  gestatteten  (Fest- 
schrift, Prähist.  Abth.,  S.  21).  Es  waren  hauptsächlich  Rugier  (Ranen),  von  denen 
die  Ueberfalle  ausgingen,  so  nach  Helmold  1112,  wo  sie  zurückgeschlagen 
wurden*),  und  1125,  wo  sie  oppidum  cum  Castro  zerstörten.  Seitdem  ist  der  Platz, 
soweit  bekannt,  weder  bebaut,  noch  beackert  worden.  Bei  der  ersten  Ausgrabung 
\Hx2  fand  man  auf  dem  Platze  des  Burgwalls  die  Grundmauer  eines  Rirchleins 
und  innerhalb  derselben  7  Leichen  mit  11  goldenen  Ringen,  von  denen  6  als 
wendische  Schläfenringe  betrachtet,  5  deutschem  Ursprünge  zugeschrieben  werden. 
Ein  neuneckiger  Ring  trug  die  Inschrift  tThEBAL  GÜTTANI,  welche  in  ähnlicher 
Weise  auf  einem  Ringe  im  Grabe  des  Bischofs  Ulgerius  von  Angers  (flHO)  an- 
getroffen sein  soll.  Hier  stossen  also  Prähistorie  und  Historie  dicht  an  einander, 
oder  vielmehr,  sie  gehen  unmerklich  in  einander  über,  da  hier  die  Christianisirung 
schon  in  der  slavischen  Zeit  begonnen  hat  und  die  Germanisirung  mit  der  Ein- 
wanderung katholischer  Priester  und  deutscher  Golonisten  sich  ihr  angeschlossen 
hat.  So  kommt  es,  dass  wir  auch  unter  den  Fnndgegenständen  eine  vorwiegende 
Zahl  von  Stücken  antreffen,  die  wir  wohl  den  Slaven  zuschreiben  müssen,  bei 
denen  aber  die  Möglichkeit,  sie  nach  Perioden  zu  scheiden,  nicht  vorliegt.  Hr. 
R.  Freund  (Festschrift,  Prähist.  Abth.,  S.  22)  erklärt  diese  auch  von  ihm  betonte 
Unmöglichkeit  dadurch,  dass  die  einzelnen  Schichten  schon  durch  die  ersten  Gra- 
bungen (bei  denen  die  Aufmerksamkeit  auf  diesen  Punkt  noch  nicht  gerichtet  war) 
gestört  worden  waren. 

Die  nächste  Gelegenheit  zur  Kritik  ist  durch  die  auch  hier  in  grosser  Menge  er- 
haltenen Thonscherben  geboten.  Nur  ein  einziger  „Kochtopf"  (Taf.  XU,  Fig.  5)  konnte 
aus  seinen  Trümmern  restaurirt  werden;  er  stellt  ein  Musterexemplar  eines  altslavischen 
^Hafens*^  mit  höchst  charakteristischen  Ornamenten  dar.  Im  Uebrigen  zeigen  die 
Elinzülscherb^  von  denen  die  Festschrift  zwei  gut  gezeichnete  Tafeln  (XIII  u.  XIV) 
bringt,  alle  Besonderheiten  des  Ornaments,  das  uns  von  der  Ostsee  bis  zu  den  süd- 
slavischen  Gebieten  hin  in  genügender  Weise  bekannt  ist.  Ich  habe  darüber  in  meiner 
Eröffnungsrede  am  3.  August  (Corr.-Bl.  der  Deutschen  Anthropologischen  Gesellschaft 
Nr.i),  S.70)  ausHihrlich  gesprochen.  Da  sind  alle  jene  geradlinigen  und  gewellten  Ein-* 
ritzungen,  jene  grosse  Mannichfaltigkeit  von  Stempeleindrücken,  namentlich  der  ganz 
typischen  Bodenstempel,  concentrische  Kreise  u.  s.  w.  vorhanden,  von  denen  schon 
ein  kleines  Bruchstück  genügt,  um  dem  geübten  Auge  die  Diagnose  auf  slavischen 
Ursprung  zu  ermöglichen.  Alle  bisher  untersuchten  Burgwälle  des  südöstlichen 
Holsteins,  von  Meklenburg,  der  Mark  Brandenburg  und  der  Lausitz,  von  Pommern 
und  Posen  haben  bezeichnende  Parallelstücke  geliefert.  Alt-Lübeck  nimmt  unter 
ihnen  nur  insofern  eine  hervorragende  Stellung  ein,  als  seine  letzte  Geschichte 
durch  sichere  historische  Angaben  bezeugt  wird,  was  bei  der  Mehrzahl  der  anderen 
Burgwälle  nicht  der  Fall  ist.  Somit  wird  es  für  die  Sicherstellung  der  Chronologie 
ein  wichtiger  Platz  bleiben. 

1)  Vgl.  die  chronologisch  etwas   abweichenden   Angaben  bei  F.  W.  Barthold,  Ge- 
schichte von  Pommern  nnd  Rügen.   Hamburg  1839.    I.   8.  443.   II.   S.  127. 


(454) 

Bei  der  letzten  Ausgrabang  (1882)  stellte  es  sich  heraus,  dass  der  Wall  auf 
einer  breiten  Unterlage  von  Hölzern  erbaut  ist,  welche  horizontal  in  der  Kichtung  des 
Walles  liegen,  in  Lehm  verpackt  sind  und  durch  senkrechte  Pfähle  von  innen  ge- 
halten werden.  Von  Pfahlwerk  zu  Pfahl  werk  waren  die  inneren  Dimensionen  110  m 
von  N.  nach  S.,  135  m  von  Ost  nach  West.  Es  sind  2  bis  3  über  einander  liegende 
Brandschichten  nachgewiesen;  auch  ist  festgestellt,  dass  das  Kirchen fundament  auf 
dem  Boden  einer  früheren  Ansiedelung  erbaut  ist  (Festschrift  a.  a.  O.  S.  22).  Es 
ist  also  anzunehmen,  dass  der  Burgwall,  wie  ähnliche  in  der  Mark  Brandenburg, 
auf  einem  Pfahlbau  errichtet  ist.  Daraus  folgt  aber  nicht,  wie  ich  früher  an 
yerschiedenen  Beispielen  nachgewiesen  habe,  dass  dieser  Pfahlbau  mit  denen  der 
Schweiz  und  denen  der  österreichischen  Gebirgsseen  synchronisch  war;  im  Gegen- 
theil,  er  gehört  jener  Gruppe  an,  welche  ich  als  slavische  bezeichnet  habe.  Die 
Flintsplitter  (Schaber,  Messer  u.  s.  w.),  welche  in  grösserer  Anzahl  in  der  Erde  des 
Walles  gefunden  wurden  (ebendas.  S.  23),  haben  nichts  an  sich,  wodurch  sie  als 
Manufacte  der  Neuzeit  charakterisirt  werden.  Aber  es  ist  auch  nichts  gesammelt 
worden,  was  einen  sicheren  Schluss  auf  eine  ältere  Bewohnung  gestattet. 

Immerhin  ist  es  zu  bedauern,  dass  die  Fundstellen  nicht  genauer  bestimmt,  und 
dass  die  Ausgrabungen  in  der  nächsten  Umgebung  nicht  weiter  fortgesetzt  worden 
sind.  Letzteres  lässt  sich  auch  jetzt  noch  nachholen,  und  ich  möchte  es  als  eine 
dringende  Auigabe  der  Localforschung  bezeichnen,  dass  durch  neue  und  wenigstens 
in  einigen  Richtungen  ausgiebige  Ausgrabungen  in  der  Nachbarschaft,  und  zwar 
bis  auf  das  rechte  Ufer  der  Trave  hinüber,  die  Grösse  und  die  Zeit  der  ältesten 
Ansiedelung  bestimmt  wird.  Ich  verweise  in  dieser  Beziehung  auf  meine  eigenen 
Untersuchungen  der  Pfahlbauten  von  Wollin,  dem  alten  Julin,  dessen  Zer8t<)rung 
ungefähr  in  die  gleiche  Zeit  mit  der  von  Alt-Lübeck  fällt.  — 

Ein  anderer  Punkt  in  der  nächsten  Nachbarschaft,  der  noch  ganz  der  Auf- 
klärung bedarf,  ist  der  grosse  Ringwall  (die  Schanze)  von  Pöppendorf.  Wir 
besuchten  denselben  am  5.  August  Er  liegt  nördlich  in  einer  massigen  Entfernung 
Yon  Alt-Lübeck,  in  der  Richtung  auf  Travemünde,  in  einer  flachen  und  durchwe«: 
niedrigen  Landstrecke,  und  ist  aussen  von  einem  bis  etwa  zu  2  m  ansteigenden, 
dicht  mit  Strauchwerk  bedeckten  Erdaufwurf  umgeben.  Sein  Inneres  besteht  aus 
einer  durchweg  beackerten,  fast  ganz  ebenen,  nur  wenig  über  das  Niveau  der  um- 
gebenden Fläche  erhabenen,  kesselartigen  Vertiefung.  Obwohl  die  Aufmerksamkeit 
auf  ihn  schon  1838  durch  den  Kunstforscher  C.  F.  v.  Rumohr  gelenkt  war,  der 
ihn  für  eine  slavische  Befestigung  erklärte,  auch  später  mehrfach  Urnenscherben, 
Knochen,  Kohlen  und  Feuersteingeräthe  darin  gefunden  sind,  so  ist  es  nach  dem 
Bericht  des  Dr.  Hoch  (Festschrift,  Geschichtl.  Ueberblick,  S.  32)  doch  nicht  zu  einer 
systematischen  Untersuchung  gekommen.  Auch  wir  begntigten  uns  mit  der  An- 
schauung. Yon  den  spärlich  zu  Tage  liegenden  Topfscherben  zeigte  keiner  charakte- 
ristische Eigenschaften.  Nichtsdestoweniger  dürfte  es  wohl  nicht  zu  bezweifeln 
sein,  dass  es  sich  um  eine  alte,  vielleicht  sogar  um  eine  vorslavische  Befestigung 
handelt,  und  es  kann  dem  Lübecker  Verein  nicht  dringend  genug  ans  Herz  gelegt 
werden,  endlich  einmal  an  eine  wissenschaftliche  Untersuchung  des  grossen  Werics 
zu  gehen.  — 

Der  W^eg  zu  der  Schanze  führt  durch  ein  Wäldchen,  in  welchem  schon  seit 
1817  wichtige  Grabfunde  gemacht  worden  sind  (Festschrift  a.  a.  0.,  S.  21);  das  später 
so  berühmt  gewordene  Hünengrab  von  Waldhusen,  welches  in  demselben  liegt 
wurde  jedoch  erst  1843  blossgelegt  und  im  folgenden  Jalire  durch  den  Pastor  Klug 
beschrieben  (ebend.  S.  29).  Es  ist  eine  der  bemerkenswerthesten  Steinkammero. 
unter  den  megalithischen  Monumenten  in  Norddeutschland  eines  der  hervorragenden. 


(455) 

Seine  Steinsetzung  ist  noch  erträglich  erhalten  (Pestschrift,  Prähist.  Abth.,  S.  16, 
Taf.  XV).  Die  Pandstticke,  welche  im  Lübecker  Museom  aufbewahrt  werden,  zeigen 
die  Merkmale  der  neolithischen  Zeit:  Plintkeile  mit  gemuschelter,  an  der  Schneide 
scheinbar  angeschliffener  Oberfläche  (Taf.  I,  Fig.  6)  und  Thongeschirr  mit  Tief- 
ornament, wie  es  namentlich  die  seh üssel artige,  nach  unten  zugespitzte  Urne 
(Taf.  IV,  Pig.'5)  zeigt.  Noch  mehr  typisch  ist  das  auf  derselben  Tafel  unter  Fig.  4 
abgebildete,  nach  unten  kugelförmige  Gefäss,  dessen  Bhindort  leider  nicht  ganz 
sicher  ist.  —  Bei  Waldhusen  sind  auch  Kegelgräber  aufgedeckt  worden,  in  denen 
jüngere,  wahrscheinlich  bis  in  die  Hallstattzeit  reichende  Gegenstände  zu  Tage 
kamen.  — 

Hier  mag  zugleich  daran  erinnert  werden,  dass  etwas  weiter  nördlich,  auf  dem 
Wege  nach  Eutin,  der  wichtige  Fundplatz  von  Pansdorf  liegt,  wo  durch  Joh.  M.  Haug 
eine  grosse  gerippte  zweihenklige  Bronzeciste  mit  etrurischer  Inschrift  aufgedeckt 
ist  (Pestschrift  S.  13.  Führer  8.  14,  Nr.  2361  ^\  Lisch,  Meklenb.  Jahrbücher  1869, 
35,  S.  1'21),  von  den  auf  deutschem  Boden  vergrabenen  die  am  meisten  nördliche. 
So  weit  hat  also  der  Handelsverkehr  der  Haüstattzeit  in  diesem  Lande  gereicht. 
Ueber  den  Gang  dieses  Verkehrs  giebt  die  Beschaffenheit  der  Cisten  und  ihr  Vor- 
kommen an  verschiedenen  Orten  Deutschlands  und  der  südlichen  Nachbarländer 
genügendes  Zeugniss.  Eine  Abbildung  der  Pansdorfer  Ciste,  die  in  einem  mit  einem 
Steinringe  umgebenen  Kegelgrabe,  und  zwar  in  einer  Kiste  aus  rothem  Sandstein, 
gefunden  wurde,  hat  Fr.  J.  Me stör f  (Vorgeschichtliche  Alterthümer  aus  Schleswig- 
Holstein,  Hamburg  1885,  Taf.  XXXII,  Fig.  346  a  — r)  gegeben.  Ich  selbst  habe 
schon  vor  mehr  als  20  Jahren  die  völlige  üebereinstimmung  dieses  Gefässes  mit  dem 
von  mir  beschriebenen  (Verhandl.  1874,  S.  141)  Bronze-Eimer  aus  dem  Gorwal  bei 
Primentdorf  (Posen)  betont  und  die  analogen  Funde  aus  Hannover  besprochen 
(Verhandl.  1875,  S.  107).  Da  ich  ähnliche  bis  nach  Böhmen,  Hallstatt  und  Bologna 
verfolgen  konnte,  so  lag  der  Gedanke  nahe,  dass  durch  sie  der  Weg  des  alten 
Handels  direct  angezeigt  werde.  Ich  will  hier  nicht  näher  auf  diese  Frage  eingehen, 
aber  doch  betonen,  dass  sich  seither  die  Zahl  der  östlichen  Funde,  welche  mehr 
dem  Laufe  der  Oder  und  der  Weichsel  entsprechen,  sehr  vermehrt  hat.  Ich  verweise 
namentlich  auf  die  neueste  Beobachtung  des  Hrn.  Grempler  von  Lorzendorf  bei 
Namslau  (Schlesiens  Vorzeit  in  Bild  und  Schrift  VII.,  '2.,  S.  195).  Vielleicht  ist  es  daher 
richtiger,  das  Schlussurtheil  noch  offen  zu  halten.  Das  jedoch  darf  als  sicher  nach- 
gewiesen angesehen  werden,  dass  schon  im  4.  Jahrhundert  v.  Chr.  dieser  Verkehr 
bestanden  hat,  dass  also  schon  damals  das  Gestade  der  Ostsee  südlichem  Verkehr 
erschlossen  gewesen  sein  niuss. 

£]s  läge  manche  Veranlassung  vor,  die  Anknüpfung  dieser  alten  Funde  an  die 
neueren  Verhältnisse  der  Stadt  Lübeck  zu  sichern.  Insbesondere  die  zahlreichen 
und  stolzen  Denkmale  der  mittelalterlichen  Architectur,  welche  in  pietätvoller 
Weise  gepflegt  worden  sind,  und  die  Gesammtanlage  der  späteren  Hauptstadt 
des  Hansa- Bundes  würden  Gelegenheit  dazu  bieten.  Meine  heutige  Aufgabe 
fordert  die  Beschränkung  auf  die  ältesten  Zeiten.  Wie  aus  dem  Mitgetheilten, 
namentlich  in  Betreff  des  Hünengrabes  in  Waldhusen,  hervorgeht,  reichen  die 
Stein-  und  Thongeräthe  in  die  neolithische  Zeit  hinein.  Dr.  K.  Freund  (Fest- 
schrift, Prähist.  Abth.,  S.  4)  leitet  seine  Uebersicht  der  im  Lübecker  Museum  ge- 
sammelten Steingeräthe  mit  der  allgemeinen  Bemerkung  ein,  dass  dieselben  „den 
Charakter  der  jüngeren  Steinzeit  tragen*^.  In  der  That  scheinen  paläolithische  Funde 
bis  jetzt  nirgends  gemacht  zu  sein.  Gegenüber  der  Mehrzahl  der  geschliffenen  und 
durchbohrten  Steingeräthe,  von  denen  auf  Taf.  III  eine  grössere  Zahl  abgebildet  ist, 
rauss  ich  aber  den  schon  mehrfach  von  mir  geäusserten  Zweifel,    ob  sie  alle  der 


/■ 


(456) 

^Steinzeit^  angehören,  wiederum  geltend  machen.  Ich  habe  diesen  Zweifel  noch 
vor  Kurzem  (Yerh.  1896,  S.  4  85)  gegenüber  den  livländischen  Funden  betont  und 
denselben  auch  in  einem  Vortrage  über  die  Steinzeit  in  Nord-Europa  in  der  Lübecker 
General-Versammlung  (Corr.-Bl.  Nr.  10 — 11,  S.  148)  wiederum  herrorgehoben.  Ich 
stütze  mich  dabei  vorzugsweise,  obwohl  nicht  ausschliesslich,  auf  das  Vorkommen 
solcher  Steingeräthe  in  Urnen  der  späteren,  namentlich  der  Hallstatt-Zeit  Leider 
hat  Hr.  Freund  keine  Angaben  über  die  Lage  der  Lübecker  Fundstücke  gemacht. 
Ich  kann  daher  nur  darauf  verweisen,  dass  die  meisten  der  von  ihm  auf  Taf.  III 
abgebildeten  Stücke  Formen  an  sich  tragen,  welche  die  Präexistenz  von  Bronze^ 
äxten,  und  zwar  von  gegossenen  Mustern,  anzeigen.  — 

Der  6.  August  war  für  den  Besuch  von  Schwerin  bestimmt.  Schon  bei  der 
Einfahrt  in  die  Stadt  sahen  wir  die  dort  aufgerichtete  Büste  von  Schliemann. 
Obwohl  sein  Geburtsort  in  Meklenburg-Strelitz  liegt  und  er  sich  stets  als  einen  ge- 
bomen  Strelitzer  betrachtete,  so  können  seine  Freunde  das  Gefühl  der  Hochschätzung 
begreifen,  dass  man  ihn  nach  seinem  Tode  als  Gesammt-Meklenburger  ehrt.  Weniger 
erfreut  war  ich  über  die  Ausführung  der  Büste.  Nachdem  ich  ihm  manches  Jahr 
hindurch  nahegestanden  und  ihn  noch  kurze  Zeit  vor  seinem  Tode  bei  mir  gesehen 
habe,  muss  ich  ofTen  sagen,  dass  ich  diese  Büste  als  eine  getreue  Nachbildung 
anzuerkennen  ausser  Stande  bin  und  dass  ich  es  tief  bedauere,  dass  ein  solches 
Bild  dem  Nachwüchse  unter  seinen  Landsleaten  geboten  worden  ist.  Sowohl  der 
Kopf,  als  das  Verhältniss  desselben  zum  Rumpfe  sind  so  verfehlt  und  machen 
einen  so  unvortheilhaften  Eindruck,  dass  man  den  energischen  Mann,  der  aus  eigener 
Kraft  so  Grosses  vollbracht,  für  die  classische  Forschung  ganz  neue  Wege  eröffnet 
und  in  so  uneigennütziger  Weise  die  Unmasse  seiner  Funde  den  Museen  von 
Deutschland  und  Griechenland  geschenkt  hat,  dann  nicht  wiedererkennen  wird. 

Das  Museum  fanden  wir  in  einer  gänzlich  veränderten  Verfassung.  In  dem 
Gebäude,  welches  neu  erbaut  ist,  hat  die  prähistorische  Sammlung  grosse  und 
lichtvolle  Räume  erhalten.  Wir  wurden  darin  mit  einer  herzlichen  Begrüssung 
des  Hrn.  Hofraths  Schlie  empfangen.  Derselbe  überbrachte  die  Entschuldigung 
des  Herzogs  Johann  Albrecht,  des  gegenwärtigen  Regenten,  der  durch  Geschäfte 
zurückgehalten  war,  und  der  mir,  seinem  ehemaligen  Reisegefährten  bei  Gelegen- 
des Lissaboner  Congresses,  ein  freundliches  Willkommen  bestellen  Hess.  Von  dem 
alten  Personal  war  nur  Frl.  Buch  heim  übrig,  die  nach  langjährigen  treuen  Diensten 
ihre  Custodinstellung  aufgegeben  hat.  Aber  man  sah  es  der  Sammlung  an,  dass 
sie  in  wohl  conservirtem  Zustande  der  neuen  Verwaltung  übergeben  war.  Das  ist 
die  in  der  ganzen  Welt  berühmte  Sammlung,  welche  unser  alter  Freund  Lisch  im 
Laufe  eines  langen  I^ebens  zusammengebracht  und  zum  Ausgangspunkt  weit- 
tragender Schlussfolgerungen  im  Gebiete  der  prähistorischen  Culturgeschichte  ge- 
macht hat.  Sie  ist  seitdem  durch  manche  werthvolle  Funde  bereichert  worden, 
aber  die  Hauptabtheilungen  sind  nahezu  unverändert  geblieben;  sie  erschienen  denen 
von  uns,  welche  frühere  Besucher  derselben  gewesen  waren,  als  alte  und  liebe 
Bekannte. 

Hr.  Robert  Beltz,  der  uns  führte  und  uns  werthvolle  Erläuterungen  gab,  hatte 
für  unsern  Besuch  eine  besondere  Schrift  über  die  steinzeitlichen  Funde  in  Meklen- 
burg  verfassl,  welche  dem  Congress  von  dem  Verein  für  Meklenburgische  Ge- 
schichte und  Alterthumskunde  gewidmet  war.  Sie  ist  durch  eine  grosse  Anzahl 
guter  Text-Abbildungen  illustrirt.  Obwohl  ein  erheblicher  Theil  derselben  durch 
Publicationen  von  Lisch  selbst  bekannt  ist,  so  muss  die  vollständige  Zusammen- 
stellung aller  bisher  gemachten  Steinzeit-Funde  doch  als  eine  wichtige  Bereicherung 


(457) 

unsererer  Literatar  gelten,  ond  zwar  um  so  mehr,  als  die  Ordnung  des  gesammter 
Materials  nach  einzelnen  Kategorien  den  Ueberblick  in  dankenswerthester  Weise 
erleichtert.  Da  die  Schrift  in  den  Jahrbüchern  des  Meklenburger  Vereins  (Bd.  LXUI) 
zum  Abdruck  gelangen  soll,  so  darf  hier  im  Granzen  darauf  aufmerksam  gemacht 
werden. 

Im  Hinblick  auf  das  Lübecker  Museum  mag  jedoch  gesagt  sein,  dass  auch  in 
Meklenburg  die  älteste  Steinzeit  nur  spärlich  und  fast  nur  durch  zerstreute  Einzel- 
funde vertreten  ist  „Meklenburg*^,  sagt  Hr.  Beltz  (S.  3),  „hat  keine  paläolithischen 
„Stationen";  „weder  Kjökkenmöddings,  noch  Höhlenfunde  beweisen  hier  die  Existenz 
eines  Menschen,  der  sich  nur  des  roh  behauenen  Steines  als  Werkzeuges  bediente^. 
Und  er  fUgt  (S.  8),  nachdem  er  eine  kleinere  Anzahl  von  Steingeräthen  hervorgehoben 
hat,  welche  „man  wegen  ihrer  einfachsten  Form  und  Arbeit"  als  die  ältesten  an- 
sprechen könnte,  hinzu:  „dass  sie  aber  wirklich  auch  zeitlich  an  der  Spitze  stehen, 
würde  sich  erst  dann  l^haupten  lassen,  wenn  sichere,  nur  aus  solchen  Typen  be- 
stehende Gesammtfunde  vorlägen;  das  ist  nun  hier  nicht  der  Fall."  Er  bemerkt 
dabei,  dass  die  Gegend  von  Wismar  verhältnissmässig  reich  an  älteren  Steinzeit- 
formen ist,  und  dass  gerade  diese  (hegend  mit  ihrer  geschützten  Küste  den  Lebens- 
bedingungen einer  paläolithischen  Bevölkerung  vorzugsweise  entspricht  Er  zieht  für 
diese  Betrachtung  auch  die  Aexte  und  Hacken  aus  Knochen  und  Hom«  besonders  aus 
Hirschhorn,  heran. 

Um  so  reicher  ist  die  neolithische  Zeit  vertreten,  so  dass  dahin  gehörige  Stein- 
geräthe  in  keinem  Theil  des  Landes  fehlen.  Bevorzugt  sind  die  Küsten  der  Ostsee 
und  der  Binnenseen,  am  ärmsten  erwiesen  sich  die  zusammenhangenden  Sand- 
gebiete, besonders  der  Südwesten  und  der  Nordosten  und  die  Gegenden  mit  schwerem 
Lehmboden.  Die  Vertheilung  der  Hünengräber  gewährt  ein  annäherndes  Bild  der 
Besiedelung  des  Landes  (S.  10).  Etf  folgen  dann  zunächst  die  Geräthc  aus  Feuer- 
stein, welche  von  den  rohesten  Formen  bis  zu  den  gemuschelten ,  eine  staunens- 
werthe  Kunstfertigkeit  vcrrathenden  Instrumenten  zu  verfolgen  sind.  Aber  die  jüngere 
Steinzeit  erscheint  noch  als  ein  Ganzes;  Gruppen  zusammengehöriger  Typen 
lassen  sich  noch  nicht  bilden.^  —  Nachdem  eine  grosse  Reihe  von  Funden  auf- 
geführt ist,  welche  Keile  aus  Feuerstein  ergaben,  wendet  sich  Hr.  Beltz  zu  den 
Aexten,  welche  nie  aus  Feuerstein  bestehen.  Nach  seinen  kurzen  Angaben  darf 
man  annehmen,  dass  vorzugsweise  krystallinische  und  geschichtete  Gesteine,  be- 
sonders Diorit,  dagegen  nie  Kieselschiefer,  benutzt  wurden.  Unter  diesen  Geräthen 
ist  namentlich  jene  Kategorie  zu  erwähnen  (S.  66  —  72),  welche  an  Bronzeformen 
erinnert  Gelegentlich  erkennt  auch  Hr.  Beltz  (S.  68)  die  Wahrscheinlichkeit  an, 
dass  eine  „Nachahmung  metallener  Aexte  naheliege^. 

In  noch  höherem  Maasse,  als  bei  dem  Lübecker  Museum,  ist  das  Fehlen  genauer 
Fundnotizen  zu  beklagen.  Ich  bin  nicht  im  Stande  gewesen,  in  Schwerin  ein  einziges 
Stück  zu  entdecken,  welches  in  einer  Urne  gelegen  hat;  nur  der  Umstand,  dass 
unter  den  16,  aus  Hünengräbern  stammenden  Stücken  „die  künstlichen",  dagegen 
unter  21  aus  Moor-  und  Wohnplatzfunden  gesammelten  Stücken  die  einfachen  über- 
wiegen, könnte  darauf  hinweisen,  dass  die  ersteren  Beziehungen  zu  der  Kupfer- 
oder Bronzezeit  gehabt  haben.  Gerade  in  diesem  Hauptpunkte  sind  also  Lücken 
des  Berichts  vorhanden,  und  ich  darf  wohl  an  alle  Sammlungsvorstände  das  drin- 
gende Ersuchen  richten,  bei  künftigen  Publicationen  vollständigere  Angaben  zu 
machen  und  wenn  möglich  auch  durch  Nachträge  das  Fehlende  zu  ergänzen. 

In  meinem  ersten  Vortrage  in  Lübeck  (Corr.-Bl.  Nr.  9,  S.  71)  habe  ich  eine 
(extemporirte,  und  daher  gleichfalls  lückenhafte)  Skizze  über  den  alten  Seeverkehr 
auf  der  Ostsee  gegeben  und  dabei  in  Bezug  auf  den  Verkehr  mit  Steingeräthen  auf 


(458) 

die  Kreide-Insel  Rügen  hingewiesen  (S.  7H).  Natürlich  würde  ein  solcher  Verkehr 
in  erster  Linie  die  Küstenstriche  betroffen  haben.  Es  ist  daher  yielleicht  bemerkens- 
werth,  dass  Lübeck  so  wenig,  Meklenburg  so  viel  Fenersteingeräthe  aufzuweisen 
hat,  aber  es  Hesse  sich  möglicherweise  diese  Frage  präcisiren,  wenn  einmal  eine 
sorgfältige  Vergleichung  der  rügischen  Geräthe  mit  den  festländischen  veran- 
staltet würde.  Diese  müsste  dann  freilich  viel  mehr  in  Einzelheiten  über  Fund- 
verhältnisse, Material  und  Bearbeitung  eingehen,  als  es  bisher  meist  der  Fall  ge- 
wesen ist.  Das  Innere  der  „Hünengräber'^  müsste  dabei  in  erster  Linie  und  mit 
besonderer  Sorgfalt  in  Betracht  gezogen  werden.  Ebenso  würde  eine  eingehende 
Vergleichung  des  keramischen  Materials,  insbesondere  in  Betreff  der  Form  und  der 
Verzierung  der  Thongeräthe,  ausgeführt  werden  müssen.  Ganz  besonders  wäre  auf 
Stein-Depotfunde  zu  achten,  wie  sie  sowohl  auf  der  Insel  Rügen,  als  in  Vor- 
pommern aufgedeckt  worden  sind  (Verhandl.  188G,  S.  612).  — 

Am  7.  August  stellte  sich  ein  Theil  der  Mitglieder  des  Congresses,  einer  Ein- 
ladung des  Anthropologischen  Vereins  in  Kiel  folgend,  unter  die  Leitung  unseres 
hochverehrten  Ehrenmitgliedes  Frl.  Mestorf  und  ihres  Assistenten,  des  Hm. 
Dr.  Spliedt.  Von  einem  Specialbericht  über  das  dortige  Museum,  welches  durch 
die  weit  berühmten  Arbeiten  seines  Directors  so  gut  bekannt  ist,  darf  ich  hier 
absehen,  obwohl  nicht  wenige  neue  Funde  dazu  auffordern  könnten.  Es  mag  ge- 
nügen, darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  die  letzten  Arbeiten,  welche  das  Museum 
hat  ausführen  lassen,  das  alte  Danewerk  betroffen  haben  und  dass  Hr.  Spliedt 
in  der  ersten  Sitzung  des  Lübecker  Congresses  (Corr.-Bl.  Nr.  9,  S.  95)  darüber 
einen  übersichtlichen  Bericht  erstattet  hat  Hoffen  wir,  dass  die  Lücken  in  der  Fest- 
stellung dieses  historisch  so  bedeutsamen  Werkes  recht  bald  ergänzt  werden  und 
dass  die  Theilnahme  der  Regierung  dieser  Erforschung-  ebenso  hülfreich  zu- 
gewendet werden  möge,  wie  es  bei  dem  Limes  romanus  der  Fall  gewesen  ist.  Wer 
gesehen  hat,  in  welcher  Ordnung  und  Vollständigkeit  das  früher  so  vernachlässigte 
Kieler  Museum  sich  nach  der  verständnissvollen  und  anstrengenden  Arbeit  ihres 
gegenwärtigen  Directors  dem  Beschauer  darstellt,  wird  den  lebhaften  Wunsch 
hegen,  dass  es  Frl.  Mestorf  beschieden  sein  möge,  auch  noch  die  Erledigung  der 
neuen  Aufgabe  zu  erleben. 

Vom  Museum  begaben  wir  uns  zu  einem  im  Seegarten  angebotenen  Frühstück 
des  städtischen  Magistrates.  Nach  demselben  führte  uns  ein  Dampfer  des  Anthro- 
pologischen Vereins  nach  Holtenau  zu  der  Hochbrücke  über  den  neu  erbauten 
Nord-Ostsee-Kanal  und  auf  die  Föhrde.  Nachdem  wir  schon  in  den  letzten  Ta^en 
von  Travemünde  aus  eine  Fahrt  auf  die  Ostsee  und  von  Schwerin  aus  eine  andere 
über  den  schönen  See  gemacht  hatten,  blieb  den  Mitgliedern  unserer  Gesellschaft  in 
Bezug  auf  maritime  und  lacustre  Genüsse  nichts  zu  wünschen  übrig.  Wir  trennten 
uns  mit  der  Empfindung  des  herzlichsten  Dankes  für  einen  in  allen  seinen  Thcilen 
so  wohl  organisirten  Empfang.  An  demselben  waren  so  viele  alte  und  neue  Freunde 
betheiligt,  dass  es  mir  nicht  möglich  ist,  sie  namentlich  aufzuführen.  — 

Am  8.  August  rief  eine  Familien-Angelegenheit  mich  und  die  Meinigen  noch 
etwas  weiter  nördlich,  nach  Flensburg.  Frl.  Mestorf  gab  uns  auch  dahin  d&s 
Geleit.  Von  der  Umschau  in  dieser  interessanten  Stadt  habe  ich  hier  nur  zweierlei 
zu  erwähnen.  Das  Eine  betrifft  eine  neolithische  Ansiedelung,  welche  Director 
Sauermann,  ein  aufmerksamer  und  gewissenhafter  Beobachter,  vor  einigen  Jahren 
entdeckt  hat.  Sie  lag  auf  einem  Plateaurücken,  der  sich  vorgebirgeartig  von  Westen 
her,  neben  einer  tief  eingeschnittenen  Thalschlucht,  dicht  oberhalb  der  Stadt  gegen 


(459) 

die  Föhrde  erstreckt  Da  an  dem  Abhänge  seit  langer  Zeit  Sand  und  Lehm  ge- 
graben wuFde,  so  ist  die  ursprüngliche  Fundstätte  gänzlich  zerstört.  Anzeichen  anderer 
ähnlicher  Ansiedelungen  sind  bisher  nicht  bemerkt  worden.  Von  den  alten  Fund- 
stdckeUf  hauptsächlich  Thonscherben,  Knochen  u.  a.,  sind  Proben  in  der  Sammlung 
des  Museums  aufbewahrt.  Erstere  zeigen  die  charakteristischen  Tiefeinritzungen. 
Eine  fortgesetzte  Aufmerksamkeit  sollte  diesem  Plateau  zugewendet  werden;  da 
äusserliche  Zeichen  für  die  Erkennung  solcher  Stellen  nicht  vorhanden  sind,  so  ist 
die  Controle  über  gelegentliche  Funde  um  so  mehr  zu  verschärfen. 

Der  andere  Punkt,  den  ich  berühren  will,  gehört  mehr  in  das  volksthümliche 
Gebiet.  Es  sind  vorzugsweise  Holzarbeiten  der  letzten  Jahrhunderte,  namentlich 
Sehränke,  Truhen  u.  s.  w.,  von  denen  wiederum  Hr.  Sauermann  ganz  ungewöhn- 
liche Reichthümer  aus  dem  Lande  gesammelt  hat.  Alle  Arten  der  Hausarbeit  und 
der  Runsttischlerei  sind  darin  in  den  prächtigsten  Exemplaren  und  in  grosser  Zahl 
vertreten,  in  so  grosser,  dass  die  zur  Verfügung  stehenden  Räume  längst  nicht 
mehr  zu  ihrer  Aufstellung  ausreichen.  An  mehreren  Orten  der  Stadt  sind  alte, 
zum  Theil  sehr  dunkle  und  auf  baufälligen  Treppen  und  Leitern  zu  erklimmende 
ßöden  und  Zimmer  in  Anspruch  genommen  worden,  meist  unter  so  ungünstigen  Bedin- 
gungen, dass  ein  sehr  opferwilliges  Gemüth  dazu  gehört,  die  Mühseligkeiten  der 
Erhaltung  und  der  Erweiterung  der  Sammlungen  zu  ertragen.  Alle  Gesuche  um 
Hülfe  sind  bei  den  vorgesetzten  Regierungsorganen  unerhört  geblieben.  Wenn  ich 
trotzdem  hier  darauf  zurückkomme,  dass  der  Beistand  der  Provincial-  und  Staats- 
behörden von  Neuem  angerufen  werden  muss,  so  geschieht  es  in  der  Ueberzeugung, 
dass  ein  zweiter,  gleich  günstiger  Ort  für  derartige  Sammlungen  nicht  vorhanden 
sein  dürfte,  und  dass  es  im  Interesse  der  lebenden  und  der  nachkommenden  Gene- 
rationen gelegen  ist,  die  Muster  einer  so  blühenden  und  hoch  entwickelten  Local- 
industrie  in  einer  gut  geordneten  und  gut  placirten  Sammlung  vereinigt  zu  sehen.  — 

2.    Die  anthropologische  Section  des  internationalen  medicinischen 

Congresses  in  Moskau. 

Der  auf  den  19.  August  nach  Moskau  einberufene  internationale  medicinische 
Congress  zwang  mich,  schon  am  14.  Berlin  wieder  zu  verlassen,  um  zunächst  dem 
Empfange  in  Petersburg  beizuwohnen.  Am  Morgen  des  18.  traf  ich  in  Moskau  ein. 
Ueber  den  Verlauf  dieses  grössten  aller  bisher  stattgefundenen  Congresse  habe  ich 
hier  nicht  zu  sprechen.  Ich  erwähne  nur,  dass  innerhalb  desselben  auch  eine 
besondere  Section  für  Anatomie  und  Anthropologie  gebildet  war.  Es  war  mir  nur 
ein  paar  Mal  möglich,  ihren  Sitzungen  beizuwohnen,  da  ich  durch  die  wichtigen  Er- 
örterungen in  der  Pathologischen  Section  mehrere  Tage  fast  ganz  in  Anspruch  ge- 
nommen war.  Von  den  anthropologischen  Vorträgen  habe  ich  nur  einzelne  hören 
können.    Ich  muss  deshalb  auf  andere  Berichte  verweisen. 

Von  den  mich  persönlich  berührenden  Verhandlungen  glaube  ich  vor  allen 
eine  hervorbeben  zu  sollen.  Dieselbe  bezog  sich  auf  den  vielleicht  ältesten 
russischen  Schädel  der  Steinzeit,  den  von  Wolosowo. 

Auf  dem  vorjährigen  archäologischen  Congress  in  Riga  berührte  ich  in  einem 
Vortrage  über  die  russische  Steinzeit  die  von  dem  Grafen  üwarow  geschilderten 
Gräberfunde  von  Wolosowo  im  Gouv.  Wladimir  (Verhandl.  1896,  S.  487—88).  Ich 
legte  seine  Abbildungen  der  gefundenen  Schädel  vor,  erwähnte  die  Beschreibungen 
der  Herren  Bogdanow  und  Tichomirow  und  besprach  die  Analogien  und  die  Ver- 
schiedenheiten derselben  von  anderen  Steinzeitschädeln.  Da  ich  bedauerte,  keinen  der- 
selben selbst  gesehen  zu  haben,  so  erklärte  die  Präsidentin  des  Congresses,  Frau  Gräßn 
Uwarow,  sie  glaube  im  Sinne  ihres  verstorbenen  Mannes  zu  handeln,  wenn  sie 


(460) 

mir  den  besten  dieser  Schädel  zur  Untersachong  übergebe.  Dies  ist  in  diesem 
Jahre  geschehen.  Obwohl  die  Gräfin  an  den  Folgen  eines  schweren  Abdominal- 
typhas  auf  ihrem  Landsitze  krank  darnieder  lag,  schickte  sie  mir  unaufgefordert 
den  Schädel  durch  ein  Mitglied  der  archäologischen  Gesellschaft,  Hrn.  S.  Slutzky, 
in  den  Kreml. 

Der  Schädel  trägt  die  Bezeichnung  174,  Murow,  Wladimir,  1878.  Ich  darf  wohl 
annehmen,  dass  er  der  Abbildung  des  Grafen  Uwarow,  in  seiner  Kussichen  Archäo- 
logie, Moskwa  1881,  Taf.  VIII,  entspricht,  obwohl  diese  ohne  Unterkiefer  gezeichnet 
ist.  Demselben  dürften  femer  die  in  der  Maasstabelle  auf  S.  309  unter  Wolosowo 
Nr.  1  gegebenen  Zahlen  angehören.  Nach  meinen  Notizen  gebe  ich  die  folgende 
Beschreibung: 

Der  offenbar  männliche  Schädel  ist  schwer;  seine  Knochen  machen  einen  fast 
fossilen  Eindruck.  Er  ist  nach  allen  Seiten  gleichmässig  ausgeweitet  und  darf  als 
entschieden  kephalonisch  bezeichnet  werden.  Hinten  rechts  ist  er  so  weit  ab- 
geflacht, dass  er  auf  der  Fläche  einigermaassen  steht.  Die  Plagiocephalie  ist  am 
meisten  in  der  Hinteransicht  erkennbar.  Vielleicht  steht  sie  im  Zusammenhange 
mit  einem  grossen,  gegen  die  Lambdanaht  gerichteten  sklerotischen  Zuge,  der 
jedoch  wegen  einer  dicken  Incrustation,  welche  Alles  überdeckt,  nicht  genauer  zu 
beurtheilen  ist.  Die  Squama  temporalis  dick  und  vortretend.  Von  den  mächtigen, 
durch  eine  starke  Incisur  abgegrenzten  Warzen fortsätzen  erstreckt  sich  auf  die 
Hinterhauptschuppe  eine  sehr  unregelmässige  Zeichnung,  an  der  Zacken  der  Sutura 
transversa  zu  existiren  scheinen.  Die  Protuberantia  occipitalis  externa  ist  sehr  dick 
und  breit;  von  ihr  aus  erstrecken  sich  nach  beiden  Seiten  Tori  occip.  Auch  die 
Oberfläche  der  Oberschuppe  ist  sehr  unregelmässig.  Die  Lambdanaht  sehr  zackig, 
ihr  Winkel  massig  zugespitzt. 

Die  Stirn  hat  über  einem  mächtigen  Nasenwulst  und  starken  Supraorbitalzügen 
eine  tiefe  Glabella  und  breite,  volle  Tubera.  Ihre  Curve  ist  nicht  hoch,  vielmehr 
geht  sie  sehr  bald  in  die  lange  Gurve  des  hinteren  Abschnittes  des  Stirnbeins  über. 
Die  Schläfen  voll,  die  Nähte  scheinbar  synostotisch.  Jederseits  am  Anfange  der 
Crista  temporalis,  parallel  derselben,  eine  tiefe  Kinne  mit  einem  grossen  Suicus 
venosus. 

Der  Horizontalumfang  des  Schädels  beträgt  517,  der  Querumfang  (weit  hinter 
dem  Bregma)  330,  der  sagittale  364  mm.  Von  letzterem  entfallen  31,5  pOt.  auf  das 
Stirnbein,  37,3  auf  die  Pfeilnaht,  31,0  auf  das  Hinterhaupt:  die  Entwickelung  ist 
somit  wesentlich  eine  parietale. 

Was  die  Durchmesser  betrifft,  so  war  die  gerade  Höhe  wegen  Verletzung  der 
Pars  basilaris  nicht  sicher  zu  bestimmen;  es  wurde  dafür  die  hintere  Höhe  genommen, 
die  sehr  hoch  (142  mm)  ausfiel.  Die  grösste  horizontale  Länge  beträgt  177,  die 
grösste  Breite  147  <,  an  der  Grenze  der  Schuppennaht  144,  an  den  Tubera  134  mm. 
Darnach  berechnet  sich  ein  hypsibrachycephaler  Index  (L.-Br.  83,0,  L.-H.  80,2). 
Der  Ohrhöhen-Index  ergiebt  63,3.   Die  Stimbreite  misst  im  Min.  90  mm. 

Die  Messungen  der  HH.  Bogdanow  und  Tichomirow  haben  etwas  kleinere 
Indices  ergeben:  L.-Br.  80,  L.-H.  75.  Woraui  namentlich  das  letztere Maass  beruht, 
kann  ich  nicht  beurtheilen,  indess  liefert  wohl  die  Verletzung  der  Pars  basilaris 
einen  Anhalt  für  das  Urtheil.  Im  Uebrigen  werden  meine  früheren  Schlüsse  da- 
durch nur  wenig  betroffen. 

Das  Gesicht  ist  sehr  breit  und  nicht  hoch,  doch  wird  die  Höhe  dadurch 
ein  wenig  verstärkt,  dass  an  der  Stelle  der  Stirnnasennaht  ein  klaffender  Spalt 
liegt  Die  Gesichtshöhe  ist  mesoprosop  (Index  77,8).  Die  Orbitae  gross, 
etwas  eckig,   nach  oben  und  innen,    sowie  nach  unten  und  aussen   nusgeweitet, 


(461) 

chamaekonch  (Ind.  78,5),  im  Innern  stark  verletzt  Fossa  canina  tief,  fast  ge* 
rade  eingesenkt,  das  For.  infraorbitale  gross  und  schräge  gestellt.  Nase  mesorrhin 
(Ind.  51,0?);  die  Nasenbeine  grösstentheils  zerbrochen,  so  dass  man  nur  den  etwas 
tiefen,  aber  sehr  breiten  Ansatz,  den  schmalen,  stark  vortretenden  Rücken  und  eine 
scheinbar  weite  Oeffnung  erschliessen  kann.  Der  Oberkiefer  kräftig,  aber  der 
Alveolarfortsatz  kurz  (beiläufig  16  mm).  Der  äussere  Umfang  der  Zahncurve  be- 
trägt 132  Tum,  aber  die  Stellung  ist  fast  opisthognath.  Die  Zähne  selbst  haben 
(offenbar  posthum)  stark  gelitten,  der  Schmelz  ist  meist  abgeblättert  und  das  Dentin 
bräunlich  gefärbt.  Vorn  stehen  noch  2  grosse  leere  Alveolen  für  die  mittleren 
Schneidezähne;  darauf  folgen  rechts  1  Incis.  later.,  1  Caninus,  2  Praemolares  und 
1  Molaris,  sämmtlich  gross,  endlich  2  leere  Stellen  für  Pr.  II  u.  III:  links  stehen 
noch  alle  Zähne  bis  auf  die  mittlere  Lücke.  Der  Gaumen  ist  breit,  parabolisch^ 
leptostaphylin  (Ind.  64,3),  die  Platte  dick,  mit  einem  feinporösen  08teophyt(?) 
belegt;  an  der  Portio  palatina  eine  sklerotische,  ganz  braune  Fläche  mit  je  einem 
seitlichen  scharfen  Vorsprunge. 

Auch  an  anderen  Gesichtstheilen,  namentlich  am  Stirn-  und  Wangenbein,  aus- 
gedehnte, zum  Theil  dicke  und'rauhe  Ueberzüge,  die  wie  ein  starkes  Osteophyt  aus- 
sehen, aber  vielleicht  nur  fossile  Incrustationen  sind.  Wangenbein  vortretend,  mit 
grossen,  scheinb^  scharfen,  vorderen  Tuberositäten,  die  dem  Wangenbein  an- 
gehören, an  dem  jedoch  die  Nahtstellen  nicht  deutlich  sind.  Jochbogen  links  ge- 
brochen und  mit  der  hinteren  Spitze  nach  innen  gedrückt:  rechts  gut  erhalten  und 
stark  ausgebogen.  Sehr  tiefe  und  breite,  schief  gestellte  Gelenkpfannen  des  Unter- 
kiefers, an  denen  die  Gelenkfläche  nach  vom  etwas  übergreift.  Ohrlöcher  etwas 
zusammengedrückt,  mit  hyperostotischer  Masse  umgeben. 

Der  Unterkiefer  hat  eine  bleierne  Schwere.  Obwohl  die  Zähne  nachträglich 
sehr  verändert  sind,  machen  sie  doch  den  Eindruck,  dass  sie  einem  alten  Individuum 
angehört  haben.  Der  Schmelz  ist  meist  abgesprungen,  das  bräunlichgelbe  Dentin 
uneben  und  scheinbar  tief  abgenutzt  Vom  fehlt  der  frisch  ausgefallene  Incis. 
med.  dexi.  hinten  der  M.  III,  dessen  Alveole  ganz  verstrichen  ist.  Links  sind  die 
beiden  Incisivi,  der  Caninus  und  die  Praemolaren  vorhanden ,  aber  sämmtlich  sehr 
abgenutzt;  es  fehlen  sämmtliche  Molares  dieser  Seite,  aber  an  der  Stelle  von  M.  I 
und  II  liegt  eine  grosse,  offenbar  cariöse  Höhle,  und  M.  III  ist  bis  auf  3  Wurzel- 
löcher verschwunden. 

(Der  linke  Seitentheil  des  Unterkiefers  war  nachträglich  durch  einen  schiefen, 
von  der  genannten  Höhle  ausgehenden  Bruch  gesprengt,  die  Stücke  sind  aber  gut 
aneinandergefügt.)  Der  Knochen  bildet  eine  massig  grosse,  vom  mehr  elliptische 
Curve,  deren  hintere  Winkeldistanz  93  mm  beträgt.  Sein  Aussehen  ist  bräunlich, 
fast  holzartig.  Das  Kinn  ist  am  unteren  Rande  gerundet,  dick  und  in  der  Mitte 
vorspringend.  For.  mentale  dext.  gross  und  offen;  das  linke  liegt  gerade  in  der 
Bruchlinie.  Spina  ment.  int.  doppelt,  sehr  scharf  und  stark,  damnter  ein  tiefes 
Loch.  Gegen  den  Rand  des  Unterkiefers  zwei  tiefe  Gmben  (für  den  M.  digastricus?), 
getrennt  durch  eine  mittlere  Schnebbe.  Die  Aeste  sehr  dick,  breit  (38  mm)  und  steil; 
Proc.  coronoides  60,  Pr.  condyloides  57  mm  hoch,  etwas  schräg  und  am  Ende  ab- 
geplattet, fast  scharf.  Die  Incisur  zwischen  den  Aesten  tief  und  scharf.  Beide 
Aeste  aussen  und  längs  des  Randes  nach  innen  mit  tiefen  Muskelfurchen  besetzt.  — 

Zum  Schlüsse  gebe  ich  noch  eine  kurze  Zusammenstellung  der  Hauptmaasse: 

Horizontaler  Umfang  .    .      .517  mm        Grösste  horizontale  Länge     .     177  mm 

Querer  (verticaler)  Umfang   .    330    „  „       Breite 147*  „ 

Sagittaler  Umfang  ...      .    o64     „  Hintere  Höhe 142    „ 


(462) 

Ohrhöhe 112  7nm  Gesicht,  Breite  c  (roaxill.)  .    .  95  tw« 

Stirnbreile 99    „         Orbila,  Breite 42   ^ 

Gesicht,  Höhe  A  (Nasenwurzel  „     ,  Höhe 33    ^ 

bis  Kinn) 102    „         Nase,  Höhe 47    „ 

Gesicht,  Höhe  B  (Nasenwurzel  ^    ,  Breite 24?  ^ 

bis  Alveolarrand)  ....      63    „         Gaumen,  Länge 49   ^ 

Gesicht,  Breite  a  (jugal)  .    .  131?  „  „      ,  Breite 34   ,, 

^      ,      „      b  (malar) .     .      94     „ 

Schon  auf  Grand  der  Messungen  meiner  Vorgänger  hatte  ich  erklärt  (a.  a.  O. 
S.  488),  dass  die  (durch  die  Indices  angedeuteten)  Eigenschaften  der  Annahme  einer 
turanischen  oder^  wenn  man  will,  finnischen  Bevölkerung  nicht  entgegenstehen 
würden.  Meine  eigene  Untersuchung  hat  diese  Auffassung  nur  bestärkt,  und  zu- 
gleich den  Gegensatz  gegen  die  Schädel  von  Fatjanowo,  die  ich  freilich  selbst  nicht 
gesehen  habe,  noch  gesteigert. 

Ich  freue  mich,  unserem  Ehrenmitgliede,  der  Frau  Gräfin  üwarow,  diese  Dar- 
legung als  ein  Zeichen  meiner  Erkenntlichkeit  vorlegen  zu  können.  Möchten  nur 
bald  zahlreichere  Untersuchungen  russischer  Steinzeit-Schädel  folgen.  — 

Nur  ganz  beiläufig  will  ich  erwähnen,  dass  ich  der  Mosk^er  Section  eine 
grössere  Reihe  von  Abbildungen  vorgelegt  habe,  um  die  veränderliche  Lage 
und  Gestalt  der  Tuberositas  maxillo-malaris  und  deren  Einfluss  auf  die  Be- 
stimmung des  malaren  Gesichtsdurchmessers  zu  erläutern.  Ich  behalte  mir  vor, 
auf  dieses  nicht  unwichtige  Thema  zurückzukommen. 

Endlich  erwähne  ich  zur  Kenntnissnahme  für  spätere  Reisende,  dass  unter  den 
vielen  Museen  in  Moskau  ausser  dem  anthropologischen  (Director  Prof.  Anutschin) 
das  historische  Museum  der  Archäologischen  Gesellschaft  zu  besuchen  ist.  Letz- 
teres steht  unter  der  speciellen  Leitung  der  Gräfin  Uwarow  und  enthält  die  Er- 
gebnisse der  neuesten  Ausgrabungen,  namentlich  auch  der  transkaukasischen. 
Hr.  Iwan  off,  der  diese  letzteren  geleitet  hat,  war  so  gütig,  mich  selbst  zu  geleiten. 
Zu  meiner  Freude  sah  ich  dort  alle  meine  bekannten  Artefacte,  insbesondere  auch 
Antimongeräthe  und  ein  neues  und  schönes  Exemplar  eines  Bronze-Gürtel- 
bleches mit  Thier-Ornamenten.  — 

3.  Die  ethnographischen  und  archäologischen  Sammlungen  in  Hamburg. 

Nach  meiner  Rückkehr  von  Petersburg  führten  mich  wiederum  Familien- 
pflichten nach  Flensburg.  Auf  der  Rückkehr  von  da  nach  Berlin  brachte  ich  ein 
paar  sehr  genussreiche  Tage  in  Hamburg  zu  (10.  bis  12.  September),  wohin  gerade 
damals  die  prächtige  Blumen -Ausstellung  zahlreiche  Besucher  lockte.  Ich  möchte 
die  Mitglieder  der  Gesellschaft  aber  auf  zwei  besonders  wichtige  Plätze  aufmerk- 
sam machen. 

Der  erste  ist  das  neu  eingerichtete  Museum  für  Völkerkunde,  dem  seit  Anfang 
des  Jahres  auch  die  bis  dahin  getrennt  verwaltete  Sammlung  vorgeschichtlicher 
Alterthümer  eingefägt  worden  ist,  so  dass  dasselbe  im  Wesentlichen  nach  dem 
Muster  unsers  Museums  eingerichtet  ist  Der  neu  angestellte  Assistent,  Hr.  K.  Hagen, 
hat  die  zahlreichen  neuen  Erwerbungen,  ethnographische  und  prähistorische,  in 
einem  übersichtlichen  Bericht  sehr  gut  geschildert.  Auf  Einzelheiten  ist  hier  nicht 
einzugehen.  Nur  das  mag  hervorgehoben  sein,  dass  die  Stücke  der  prähistorischen 
Sammlung  nicht  auf  das  hamburgische  Gebiet  beschränkt  sind.  Die  neuen 
Erwerbungen  greifen  weit  über  andere  europäische  Länder  hin.  Als  die  werth* 
vollsten  werden  4  Schmuckstücke  in  Filigranarbeit   aus  Gold   bezeichnet,   die  in 


(463) 

Haddien  bei  Hooksiel  am  Jahdebusen  gefunden  sind  und  als  orientalische  Import- 
artikel des  8.  bis  10.  Jahrhunderts,  verwandt  den  Hacksilber- Funden,  gedeutet 
werden.  —  Die  in  der  Nähe  von  Hamburg  veranstalteten  Ausgrabungen  ergaben 
Brandumen  mit  neolithischer  Keramik,  Spuren  von  Bronze  und  einige  Feuer- 
stein-Pfeilspitzen  (?).  Hr.  Hagen  glaubt  desshalb  zu  der  Annahme  berechtigt  zu 
sein,  dass  sich  die  neolithische  Keramik  in  dieser  Gegend  bis  in  den  Anfang  der 
Bronzezeit  erhalten  habe.  Nach  Analogie  anderer  Funde  aus  Mitteldeutschland  dürAe 
gegen  diese  Annahme  theoretisch  nichts  einzuwenden  sein.  — 

Sehr  viel  bedeutsamer  hat  sich  unter  der  umsichtigen  und  eneiigischen  Geschäfts- 
führung des  Directors  Hrn.  Julius  Brinckmann  das  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe 
entwickelt,  das  schon  seit  Jahren  in  immer  steigendem  Maasse  die  Aufmerksamkeit 
und  Bewunderung  nicht  bloss  der  Fachleute,  sondern  auch  des  grossen  Publicums 
erregt  hat.  Man  kennt  schon  lange  die  grosse  Fülle  der  einheimischen  Schmucksachen, 
welche  dort  aufgestellt  sind,  und  den  unglaublichen  Reichthum  an  japanischen 
Artefacten,  welche  der  in  allen  Ländern  forschende  Director  zusammengebracht  hat. 
Unter  den  neuen  Erwerbungen  stehen  obenan  die  Bronzen  von  Benin,  von  denen 
mehrere  Hauptstücke  für  das  Museum  angekauft  sind.  Auch  die  Prähistorie  wird 
durch  immer  schönere  Stücke  vertreten.  Dahin  gehört  insbesondere  ein  vor- 
geschichtlicher Goldfund,  anscheinend  ein  Depotfund,  von  Erpel  bei 
Schneidemühl,  bestehend  aus  7  Armbändern.  Der  Fund  ist  in  dem  Berichte  des 
Museums  für  das  Jahr  1895,  S.  19  beschrieben  worden  (Aus  dem  Jahrbuch  der 
Hamburgischen  wissenschaftlichen  Anstalten  XIII).  Keiner  von  denen,  welche 
Hamburg  besuchen,  sollte  es  versäumen,  dieses  Pracht-Museum  zu  besuchen  und^ 
ihm  ein  längeres  Studium  zu  widmen. 

4.    Die  Abtheilung  für  Anthropologie  und  Ethnologie  auf  der  Versamm- 
lung der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

in  Braunschweig. 

Aus  der  mannich faltigen  und  etwas  bunten  Organisation  der  alten  Naturforacher- 
Versammlung  hat  sich^  dem  Bedürfnisse  der  Zeit  entsprechend,  auch  eine  beson- 
dere Section  für  Anthropologie  und  Ethnologie  (diesmal  die  13.)  herausgebildet. 
Die  HH.  Richard  Andree  und  Fr.  Grabowsky  fungirten  als  ofßcielle  Einführer. 

Die  Versammlung,  welche  für  den  20.  bis  25.  September  einberufen  war,  gestaltete 
sich  für  unsere  Mitglieder  doppelt  werthvoU,  weil  sie  gewissermaassen  als  eine  Vor- 
bereitung und  eine  Probe  für  die  im  nächsten  Jahre  (1898)  gleichfalls  in  Braunschweig 
zusammentretende  General -Versammlung  der  Deutschen  Anthropologischen  Gesell- 
schaft angesehen  werden  konnte.  Wir  waren  so  in  der  Lage,  eine  vorläufige  Musterung 
des  vorhandenen  Materials  vorzunehmen  und  auch  bescheidene  Wünsche  für  die 
bessere  Aufstellung  und  für  die  Gestaltung  des  künftigen  Programms  zu  äussern. 
Ich  will  nur  constatiren,  dass  wir  sowohl  über  die  Zahl,  als  über  den  Werth  der 
vorhandenen  Stücke  unsere  grosse  Befriedigung  aussprechen  und  den  in  Aussicht 
gestellten  Excursionen  mit  dem  vollen  Vertrauen  auf  die  sachgemässe  Leitung  ent- 
gegensehen konnten.  Sicherlich  wird  die  nächste  General- Versammlung  eine  reiche 
Quelle  der  Belehrung  erölTnen,  zumal  in  einem  Landstriche,  der  bis  jetzt  ungerecht- 
fertigterweise der  Aufmerksamkeit  der  Alterthumsforscher  fast  verschlossen  ge- 
blieben ist. 

Einen  besonderen  Anreiz  gewährt  die  kleine  Schrift,  welche  der  Verein  für 
Naturwissenschaft  in  Braunschweig  unter  dem  Titel  „Fest-Gruss"  der  Naturforscher- 
Versammlung  gewidmet  hatte.  Darin  steht  ein  höchst  überraschender  Bericht  des 
Hm.  Wilhelm  Blasius  über  die  Megalithischen  Grabdenkmäler  des  nord- 


(464) 

westlichen  Deutschlands,  welcher  zum  ersten  Male  einen  Ueberblick  über  die 
Fülle  solcher  Monumente  im  Herzogthum  Braunschweig  und  in  der  umgebenden  Land- 
schaft gewährt.  Er  schliesst  sich  eng  an  die  in  unserer  S^itschrifl  erfolgte  Pnbli- 
cation  der  HHrn.  E.  Krause  und  Schötensack  über  die  Megalithe  der  Altmark, 
und  er  wird  daher  vielen  unserer  Mitglieder  Gelegenheit  bieten,  Yergleichungen 
anzustellen  und  weitgehende  Schlussfolgerungen  anzuknüpfen. 

Die  Stadt  Braunschweig  mit  ihrem  Reichthum  an  Bauwerken  des  Mittelalters 
ist  an  sich  wie  gemacht  für  einen  eingehenden  Besuch  von  Alterthumsforschern. 
Die  gegenwärtige  Regierung  ist  mit  Erfolg  bemüht,  durch  die  Restauration  vieler 
alter  Gebäude,  namentlich  der  Burg  Heinrichs  des  Löwen  und  der  alten  Kirchen, 
ein  volles  Bild  der  früheren  Herrlichkeit  wiederherzustellen.  Mögen  also  unsere 
Freunde  sich  für  diese  Genüsse  genügend  vorbereiten!  — 

(37)    Hr.  Rud.  Virchow  bespricht  die 

Eröffnnni?  prähistorischer  und  römischer  Gräber  in  Worms. 

Am  8.  d.  M.  traf  ich  auf  der  Rückkehr  von  Lugano,  einer  wiederholten  Ein- 
ladung des  Hm.  C.  Kohl  gern  Folge  gebend,  in  Worms  ein.  Der  stets  glückliche 
Forscher  hatte  noch  in  der  zweiten  Sitzung  des  Lübecker  Congresses  am  4.  August 
(Corr.-Bl.  Nr.  10,  S.  101)  eine  lichtvolle  üebersicht  seiner  letztjährigen  Ausgrabungen 
gegeben,  durch  welche  die  Area  der  römischen  Gräberfelder  um  Worms  erheblich 
und  namentlich  auch  in  neuen  Richtungen  erweitert  ist.  So  wurde  im  Südwesten 
der  Stadt,  an  der  alten  Römerstrasse,  die  auf  Kaiserslautern  zieht,  einer  der  be- 
deutendsten Friedhöfe  aufjgedeckt,  der  zahlreiche  werthvolle  Funde  lieferte.  Da 
schon  früher  ein  nördlicher  Friedhof  (an  der  Liebfrauen-Kirche),  ein  westlicher 
und  ein  südlicher  erschlossen  waren,  im  Osten  dagegen  die  Nähe  des  Rheins  die 
Anlage  eines  solchen  verbot,  so  ist  nun,  von  letzterer  Stelle  abgesehen,  der  Ring  der 
römischen  Gräberfelder  um  die  Stadt  geschlossen. 

In  den  Räumen  der  aken  Paulus-Kirche,  die  bekanntlich  in  ein  Museum  ver- 
wandelt ist,  finden  sich  die  hauptsächlich  durch  die  Freigebigkeit  des  Freiherm 
Heyl  zu  Herrnsheim  gesammelten  Schätze  so  dicht  aufgespeichert,  daas  die 
Nothwendigkeit,  ein  neues  Museum  im  modernen  Sinne,  speciell  zu  dem  Zwecke 
einer  würdigen  Aufstellung  der  Alterthümer,  zu  erbauen,  jetzt  allgemein  anerkannt 
und  der  Neubau  wahrscheinlich  in  absehbarer  Zeit  vorgenommen  werden  wird.  Denn 
ausser  den  römischen  Sachen  findet  sich  da  jener  unvergleichlich  reiche  Aufbau 
fränkischer  (merovingischer)  Alterthümer,  und,  was  keine  andere  deutsche  Stadt 
aufweisen  kann,  jene  Fülle  von  Gräberfunden  der  neolithischen  Zeit,  über  welche 
wir  oft  gesprochen  haben. 

Diese  letzteren,  und  namentlich  die  Menge  menschlicher  Gebeine,  welche  aus 
denselben  in  verhältnissmässig  gut  erhaltenem  Zustande  von  den  sachverständigen 
Händen  der  Wormser  Forscher  geborgen  sind,  waren  es,  welche  für  mich  den 
hauptsächlichen  Anreiz  boten,  noch  einmal  an  dieselben  heranzutreten  und  de  einer 
genaueren  Prüfung  zu  unterziehen.  Ich  entsprach  damit  zugleich  einem  Wunsche, 
welchen  Hr.  Kohl  mir  wiederholt  ans  Herz  gelegt  hatte.  Die  Ergebnisse  dieser 
Untersuchung  gedenke  ich  heute  in  möglichster  Kürze  der  Gesellschaft  mitzutheilen. 
Hr.  Dr.  Schötensack,  der  gleichzeitig  mit  mir  in  Worms  war,  übernahm  es, 
für  die  Bestimmung  der  bei  diesen  Ausgrabungen  gesammelten  Thierknochen  zu 
sorgen;  ich  werde  seinen  Bericht  demnächst  vorlegen. 

Was  das  prähistorische  Gräberfeld  selbst  anbetrifft,  so  darf  ich  wohl  ver- 
weisen  auf  den  in  unseren  .«Nachrichten    über   deutsche  Alterthumsfunde*^  189t}. 


(465) 

Hefl  4,  S.  59,  and  ausführlicher  in  der  Schrill  ,,Neae  prähist.  Funde  aas  Worms  imd 
Umgebung,  189(>''  enthaltenen  Bericht  des  Hm.  Kohl  selbst.  Es  liegt  getrennt  von  den 
römischen  Friedhöfen  nördlich  von  der  Stadt  aaf  der  sogenannten  Hheingewann, 
einer  jener  in  der  Rheinpfalz  häufig  wiederkehrenden  Bodensch^ellen,  welche  in 
der  Richtung  vom  Hardtgebirge  zum  Rhein  ziehen.  Da  es  sich  in  dieser  Nekro- 
pole  ausschliesslich  um  Bestattungsgräber  handelt,  so  waren  die  Knochen  verhältniss- 
mässig  wenig  angegriffen;  die  Schwierigkeit,  sie  unversehrt  herauszubefordern, 
beruhte  nur  in  der  agglutinativen  Beschaffenheit  des  Erdreiches,  von  dem  sie  um- 
schlossen waren.  Es  ist  zufolge  dieses  Umstandes  nur  in  wenigen  Fällen  gelungen, 
die  Schädel  in  zusammenhängender  Form  auszuschälen,  und  noch  mehr  haben  die 
übrigen  Skelettheile  gelitten.  Ich  kann  daher  nur  fragmentarische  Notizen  über 
die  Funde  liefern.  Ich  zähle  dieselben  unter  Angabe  der  Nummer  des  Grabes  un- 
gefähr nach  der  grösseren  oder  geringeren  Erhaltung  der  Knochen  auf. 

Dabei  mache  ich  von  vornherein  darauf  aufmericsam,  dass  sich  bei  der  Durch- 
sicht der  einzelnen  Grabfunde  eine  bemerkenswerthe  Anzahl  platyknemischer 
Tibien  vorfand. 

Grab  Nr.  88.  Gebeine  eines  älteren  kräftigen  Mannes  (Neue  prähist. Funde  S.45), 
dessen  Zähne  sämmtlich  wohl  erhalten,  aber  stark  abgeschliffen  sind.  Der  Schädel, 
mit  Unterkiefer  versehen,  ist  gross:  horizontaler  Umfang  520,  sagittaler  376  tum. 
Seine  Stirnbreite,  an  der  Stelle  des  kleinsten  Durchmessers,  ei^iebt  103  rnrn.  Seine 
Form  isthypsidolichocephal:  Breitenindex  73,5,  Höhenindex  etwa 79,5,  Ohrhöhen- 
index 60,0.  Das  Gesicht  sehr  hoch  und  massig  breit,  so  dass  ein  leptoprosoper  Index 
(91,3)  sich  ergiebt.  Die  Kiefer  orthognath,  das  Kinn  etwas  progenäisch.  Orbita 
mesokonch  (Index  80,4),  Nase  dagegen  platyrrhin  (Index  etwa  55,5).  Ober- 
schenkel besonders  unten  glatt,  jedoch  mit  sehr  starker  Linea  aspera.  Starke 
Piatyknemie.  Zugleich  ist  zu  bemerken,  dass  der  Abstand  der  Unterkiefer- 
Winkel  von  einander  sehr  gross  (127  mm)  ist. 

Grab  Nr.  48  (vergl.  „Nachrichten"  S.  60.  Neue  prähist.  Funde,  S.  10,  Taf.  I). 
Gebeine  eines  gleichfalls  älteren  kräftigen  Mannes,  dessen  Zähne  stark  abgenutzt  sind. 
Der  Schädel  zeigt  eine  leichte  hintere,  bis  auf  die  Schläfenschnppe  reichende  Ab- 
flachung. Sein  horizontaler  Umfang  misst  512,  der  sagittule  373  mm.  Stimbreite 
(minimale)  96  mm.  Seine  Form  ist  ebenfalls  hypsidolichocephal:  Breitenindex 
72,3,  Höhenindex  77,7,  Ohrhöhenindex  63,0.  Das  Gesicht  ist  noch  höher,  als  bei 
dem  vorigen:  120  mm.  Da  aber  die  Jochbogen  verletzt  sind,  so  lässt  sich  die  Breite, 
also  auch  der  Index  nicht  bestimmen;  nach  Schätzung  muss  letzterer  jedoch  aus- 
gemacht leptoprosop  gewesen  sein.  Hier  beträgt  die  Kieferwinkel-Distanz  102  jnvi. 
Die  Orbita  ist  hyperhypsikonch  (Index  92,3),  die  Nase  leptorrhin  (Index 
etwa  44,6). 

Grab  Nr.  49.  Das  Geschlecht  ist  nicht  sicher  zu  bestimmen;  die  rechte 
Schläfengegend  ist  ganz  eingedrückt,  aber  das  Collum  ossis  femoris  kurz  und 
etwas  flach  gestellt.  Da  der  Unterkiefer  auf  beiden  Seiten  zahnlos  und  sehr 
niedrig,  die  Winkel  sehr  gestreckt  sind,  so  darf  auf  ein  höheres  Alter  geschlossen 
werden.  Am  Schädel  misst  der  horizontale  Umfang  jedoch  500,  der  sagittale 
377  mm,  während  die  minimale  Stirnbreite  nur  88  mm  beträgt  Auch  hier  ist  die 
Schädelform  hypsidolichocephal:  Breitenindex  etwa  72,5,  Höhenindex  etwas 
unsicher  80,2,  Ohrhöhenindex  66,5.  Gesichtsmaasse  konnten  nicht  genommen 
werden.  Oberschenkel  mit  sehr  starker  Crista  und  eingefurchten  Seitenflächen.  — 
Es  ist  dies  das  einzige  Grab  in  dieser  Nekropole,  in  welcher  die  Leiche  in  der 
Stellung  des  „liegenden  Hockers^  bestattet  war  (Nachrichten,  S.  61.  Neue  prähist. 
Funde  S.  10,  Taf.  H). 

V«rbaodl.  der  Ber).  AnUiropol.  Gesellichaft  1897.  30 


(466) 

Grab  Nr.  57.  Die  von  Hm.  Röhl  (Nene  prühist.  Fände,  8.  4ß)  als  weiblich 
bezeichnete,  gtark  platyknemische  Leiche,  die  übrigens  zahlreiche  Defecte  erlitten 
hat,  zeigt  mehr  Merkmale  einer  männlichen.  Der  Schädel  besitzt  einen  horizontalen 
Umfang  von  520,'  einen  sagittalen  von  etwa  374  mm.  Die  (minimale)  Stimbreile 
raisst  anch  hier  nur  88  mm.  Der  Schädel  ist  dolichocephal  (Index  72,6);  die 
gerade  Höhe  konnte  nicht  bestimmt  werden,  dagegen  ergab  die  Ohrhöhe  einen  Index 
von  nur  54,3.  An  der  Tibia  ist  die  hintere  Fläche  ziemlich  breit  und  in  der  Mitte 
mit  einer  Crista  versehen,  die  Aussenflächen  stark  eingefurchi 

Grab  Nr.  8.  (Neue  prähist.  Funde,  S.  43).  Skelet  sehr  defect,  offenbar  männ- 
lich. Der  Schädel  lieferte  die  höchsten  Maasse  unter  den  gemessenen:  Horizontal- 
Umfang  etwa  545,  grösste  horizontale  Länge  201,  grösste  Breite  144 — 147  n*ia. 
Er  war  also  stark  dolichocephal  (Index  73,1  oder  71,6).  Die  Stimbreite  von 
94  mm  bleibt  nur  um  2  mm  hinter  der  sonst  beobachteten  höchsten  (Grab  48)  zu- 
rück. Sehr  weite  Stirnhöhlen  mit  starker  Prominenz  der  Supraorbital  wülste.  Gesichts- 
maasse  nicht  zu  gewinnen. 

Grab  Nr.  11.  (Neue  prähist.  Funde,  S.  43).  Sehr  defectes  Skelet.  Horizontal- 
Umfang  532  mm,  Schädelindex  mesocephai  (78,7).  Sutura  frontalis  persi- 
stens.    Rinn  progenäisch.   Zähne  stark  abgenutzt. 

Grab  Nr.  80.  Weibliches  (?)  (Neue  prähist  Funde,  S.  44),  höchst  defectes 
Skelet.  Am  Schädel  ist  die  ganze  linke  Seite  eingedrückt.  Die  Nähte  undeutlich, 
die  Zähne  stark  abgenutzt.  Nach  den  Bruchstücken  zu  urtheilen,  war  der  Schädel 
sehr  lang.    Unterkiefer  sehr  gross. 

Grab  Nr.  60.  Männliches  (Neue  prähist.  Funde,  S.  46),  sehr  verletztes  Skelet. 
Sehr  abgenutzte  Zähne.  Schädel  von  beiden  Seiten  her  eingedrückt,  scheinbar 
mesocephai.  Schienbeine  platyknemisch,  an  den  Aussenflächen  stark  ein- 
gefurcht, aber  mit  hinterer  breiter  Fläche. 

Grab  Nr.  36.  Weibliches(?)  Skelet  (Neue  prähist.  Funde,  S.45).  Der  Schädel 
sowohl  von  der  Seite  her,  als  von  der  Höhe  eingedrückt 

Grab  Nr.  46.  $  (Neue  prähist  Funde,  S.45).  Platyknemische  Schien- 
beine. 

Grab  Nr.  65.  Weibliches  Skelet  (ebenda,  S.  46).  Platyknemie:  die  Aussen- 
flächen vertieft,  die  hintere  Fläche  massig  breit  und  gerundet  Oberschenkel  etwas 
zart  und  mehr  gerundet;  kurzes  und  etwas  flaches  Collum. 

Grab  Nr.  58.  Männlich  (Neue  prähist  Funde,  S.  46).  Langer  Oberschenkel 
]nit  sehr  langem  und  steilem  Gollum,  stark  hervortretender  Crista  und  sehr  ab- 
geflachtem Unterende.  Tibia  säbelförmig,  un  der  äusseren  Fläche  tief  eingefurcht, 
an  der  hinteren  Fläche  mit  einer  stark  hervortretenden  Mittelkante  (Platyknemie). 

Es  fand  sich  endlich  noch  ein  loser,  nicht  numerirtcr  progenäischer  Unter- 
kiefer. — 

Im  Anschlüsse  an  diese  Beschreibung  gebe  ich  eine  tabellarische  Zusammen- 
stellung der  thatsächlich  gefundenen  Maasse: 


Neolithischo  Gräber 

von  der 

Rheingewann  bei  Worms 

Schädel- Cmfang,  horizontaler  .    .   .  mm 

,  sagittalcr   ....     ^ 
Stimbreite  (minimale; „ 


Nr.  38    Nr.  48    Nr.  49    Nr.  57       Nr.  8     ,Nr.  11 


~  - 

'  — 

—  — 

520 

512 

500 

520 

545?   53S 

876 

873 

877 

874?  ' 

—     — 

103 

% 

88 

88 

94    — 

(467) 


Neolithische  Gräber 

Ton  der 

Rheingewann  bei  Worms 


Grösste  horizontale  Lftnge 

^       Breite 

Oerade  Höhe 

Ohrhöhe 

Oesicht,   Höhe  A  (Nasenwurzel  bis 

Kinn) 

„      B  (Nasenwunel  bis 
Alveolarrand).   . 

Breite  a  (Jochbogen)    .   . 

„      b   (Yorspmn^    der 
Wangenbeine    . 

y,      c  (Kieferw.-Distans) 

AngcnhOhle,  Höhe 

„         ,  Breite 

Nase,  Höhe 

,    ,  Breite 


mm 


n 


185 
136 
147? 
111 

116 

67 
127 

92 

104 

88 

41  - 
45?  i 
25 


184 
188 
148 
116 


182 
(182) 
146? 
121 


186 
185 

101 


201 
147-144 


188 
144 


120    —    — 


74 


91? 
102 
86 
89 
56 
25? 


Es  wäre  wohl  möglich,  dass  sich  aus  den  zahbeich  vorhandenen  Brachstttcken 
noch  einige  Theile  so  weit  restauriren  liessen,  dass  sie  messbar  wtlrden.  Dazu 
bot  mein  unfreiwillig  kurzer  Besuch  keine  Gelegenheit  dar.  Das  Gefundene  zeigt 
aber  eine  überraschende  Uebereinstimmnng  der  Formen,  wie  sich  aus  einer  üeber- 
sieht  der  berechneten  Ind^ees  leicht  erkennen  lässt: 


Längenbreitcn-Index .   .  / 

L&ngenhöhen-Index  .  / 

Ohrhdhen-Index  .   ,  / 

Oesichts-Index    .   ./' 

Orbital-Indei  .   ./. 

Nasen-Index    .  / 


78,5  I  72,8 

79,5?  '  77,7 

60,0  !  68,0 
91,8 


78,1?  awt) 


72.5  '   72,6 
80,2?  I    — 

66.6  !   54,8  — 


78,7 


80,4 


92,8 


55,5?  '   44,6?       —  — 


In  Bezie/hung  auf  den  Längenbreiten- (Schädel-) Index  habe  ich  nur  eine  Aus- 
nahme gefiniden,  indem  Nr,  11  mesocephal  ist,  allein  gerade  dieser  Schädel 
hat  eine  SCntura  frontalis  persistens;  die  grössere  Breite  mag  also  durch  stärkeres 
QuerwmcKsthum  bedingt  gewesen  sein.  Ausserdem  fand  sich  in  Grab  60  noch  ein 
Schädel/  der  den  Eindruck  der  Mesocephalie  machte,  indess  war  er  zu  defect,  um 
geme88|bn  werden  zu  können.  Alle  anderen  Schädel  waren  ausgemacht 
dolichocephal,  so  dass  diese  Eigenschaft  als  Stammes-Eigenthttmlichkeit  be- 
zeichnet werden  kann. 

^er  Höhenindex  konnte  leider  nur  in  3  Fällen,  genau  nur  in  einem  Falle, 
berechnet  werden.  Immerhin  war  er  stets  hypsieephah  Die  Controle  durch 
den  rOhrhöhenindex  bestätigte  dieses  Resultat;  nur  in  einem  Falle  (Grab  57)  wurde 
ein  /  chamaecephaler  Index  erhalten.  Ich  besitze  leider  keine  so  genauen  Auf- 
zeichnungen darüber,  dass  ich  in  eine  weitere  Analyse  des  Falles  eintreten  könnte. 
Abjtr  auch,  wenn  sich  bei  erneuter  Controle  die  Richtigkeit  dieser  Zahl  ergeben 
sollte,  wtlrde  vorläufig  an  der  Hypsicephalie  als  Regel  festgehalten  werden  müssen. 
;  30* 


t 


(468) 

Die  hypsidolichocephale  Schädelform  ist  in  neolithischen  Gräberfeldern  keine 
ungewöhnliche.  Ich  verweise  beispielsweise  aaf  die  Schädel  von  Tangermttnde  in 
der  Altmark  (Verhandl.  1883,  S.  154;  1887,  8.  481)  und  auf  die  von  der  Türken- 
schanze bei  Lengyel  in  Ungarn  (Verhandl.  1890,  S.  102,  117).  Von  den  letzteren 
sagte  ich,  dass  ^unter  allen  lebenden  Stämmen  (in  Europa)  nur  die  nordarischen 
eine  nähere  Verwandtschaft  erkennen  lassen^,  und  ich  trug  kein  Bedenken  zu 
erklären,  dass  „man  leicht  so  weit  gehen  könnte,  dem  Steinvolk  von  Lengyel  eine 
arische  Abstammung  zuzuschreiben,  oder  umgekehrt,  in  ihm  einen  der  Urstämme 
zu  sehen,  von  welchem  die  Arier  abzuleiten  seien.^  Aehnliche  Betrachtungen  lassen 
sich  auch  auf  das  Steinvolk  von  Worms  anwenden.  Es  wird  sich  verlohnen,  auf 
diese  Frage  näher  einzugehen,  und  dabei  eine  weitere  Vergleichung  anderer 
neolithischer  Schädel  mit  den  Wormsem  zu  veranstalten.  Vorläufig  will  ich  nur 
'  darauf  aufmerksam  machen,  dass  ein  gewisser  Unterschied  zu  bestehen  scheint 
zwischen  den  Schädeln  der  Nekropolen  mit  flachen,  tief  liegenden  Gräbern  und 
denen  der  Regelgräber,  auch  wenn  diese  der  neolithischen  Zeit  angehören.  Viel- 
leicht wird  später  Zeit  und  Gelegenheit  günstig  sein,  um  darauf  zurückzukommen. 

Dabei  werden  denn  auch  die  Gesichtsverhältnisse  weiter  zu  prüfen  sein.  Die 
starke  Zertrümmerung,  welche  die  meisten  Wormser  Schädel  gerade  im  Gesiebt 
erlitten  haben,  machte  es  unmöglich,  mehr  als  zwei  Schädel  daraufhin  zu  prüfen. 
Dabei  zeigte  sich  erhebliche  Verschiedenheit  an  Orbita  und  Nase,  den  beiden 
Theilen,  welche  erfahrungsgemäss  der  individuellen  Variation  in  höherem  Maasse 
ausgesetzt  sind.  Immerhin  darf  als  wahrscheinlich  angenommen  werden,  dass  bei 
den  Wormser  Neolithikern  ein  hohes  und  schmales  Gesicht,  hohe  Orbitae  und  eine 
stark  vortretende,  gelegentlich  schmale  Nase  YC^rl^errschten  und  dass  sie  orthognath 
und  progenäisch  waren.  ^** 

Die  Platyknemie  ist  schon  besprochen  worT:Jen.  Ich  konnte  dieselbe  bei 
6  Skeletten  notiren.  Freilich  erreicht  sie  meist  nicht  \jen  hohen  Grad,  der  bei 
anderen  Völkern  bemerkt  worden  ist.  Namentlich  hat  drV^  hintere  Fläobe  häufig 
eine  grössere  Breite  und  auch  eine  stärkere  Rundung  behaltelfpi  ^*8  «^^  ^^^  höheren 
Graden  der  Platyknemie  zukommt;  der  Eindruck  der  seitlichem*  Abflachong  wird 
bei  den  Wormsem  hauptsächlich  durch  die  starke  Einfurchnng*  ^^^  Seitenflächen 
hervorgebracht  So  konnte  es  geschehen,  dass  ein  Schienbd^.^  (Grab  Nr.  58) 
geradezu  als  säbelförmig  bezeichnet  werden  musste.  — 

Hr.  Kohl  liess  es  sich  nicht  nehmen,  auf  dem  zuletzt  entdeckteiP  römischen 
Friedhofe  im  Südwesten  für  uns  mehrere  Gräber  öffnen  zu  lassefr-  Sie  lagen 
sehr  tief  und  enthielten  meist  grosse  Steinsarkophage,  zum  Theil  mi^  prächtigen 
Beigaben,  namentlich  an  Gläsern.  Ich  bin  Hm.  Kohl  sehr  dankbar  daH^«  '^^•"  ß' 
mir  aus  seinem  grossen  Vorrath  an  Schädeln  der  römischen  Besiedelan^p^**  ^^^ 
zur  Vergleichung  hat  zugehen  lassen  (No.  1  —3).  Sie  entstammen  dem  ebeng«"""**^" 
Friedhofe  und  gehörten  Gräbern  des  4.  Jahrh.  an.  Ein  vierter  stammt  aoif  einc°* 
fränkischen  Reihengräberfelde  an  der  „Schulstrasse**.  Letzterer,  der  sich  dui»*  *"*« 
Anzahl  von  flachen  Exostosen  desSchädeldaches,daranter  eine  sehr  grosse,  au8ae\^^ 
ist  unter  Nr.  43,  1897  der  Sammlung  des  Pathologischen  Institute  unserer  ü#"*^®*'" 
sität  einverleibt  worden. 

Ich  gebe  eine  kurze  Beschreibung  der  4  Schädel :  * 

1.   Schädel  eines  älteren  Mannes  (Nr.  38),   Zähne  stark  abgt^nntst,   tahlre^*^® 

verstrichene  Alveolen.    Gut  erhalten;   nur  der  rechte  Ast  des  Unterkiefer«  m»-^^®* 

brechen.    Grosser,  langer,  hoher  und  breiter  Schädel  mit  weit  auagelegtem  Hinr^*^ 

köpf.   Die  lateralen  unteren  Abschnitte  der  Sut  coronaria  verstrichen*    Stark  r  ^^ 


J 


(469) 

tretende  Nase  and  Supraorbitälwülste  mit  ^robporöser  Oberfläche.  Andeutung 
einer  Orista  frontalis.  An  der  Fläche  der  Calvaria  zahlreiche  Netzfurchen  durch 
Pflanzenwurzeln.  —  Capacität  1661  crm  (Rephalone):  horizontaler  Umfang  535, 
verticaler  332,  sagittaler  390  mm.  Die  Schädelform  ist  hypsimesocephal: 
L.-Br.-I  78,9,  L.-H..I.  76,8,  O-H.-L  58,4.  Gesichtsindex  mesoprosop  (80,8),  Orbita 
chamaekonch  (76,1),  Nase  raesorrhin  (48,0).  Wangenbeine  vortretend,  die  vor- 
dere Tuberositas  liegt  vor  der  Naht.  Das  Bregma  vor  dem  Scheitelpunkt.  Warzen- 
fortsätze mächtig,  mit  doppelter  Incisur.  Foramen  magnum  sehr  gross,  37  auf  30  mm. 
also  Index  81,0.    Unterkiefer  sehr  gross,  mit  sehr  dickem  Körper. 

2.  Schädel  einer  jungen  Frau  (Nr.  72).  Zähne  wenig  abgenutzt,  fast  voll- 
ständig; nur  die  Molares  III  fehlen  und  ihre  Alveolen  sind  verstrichen.  Capacität 
\2bi  rem;  horizontaler  Umfang  515,  yerticaler  302,  sagittaler  372  tum,  Schädelform 
orthomesocephal:  L.-Br.-I.  77,0,  L.-H.-I.  68,9,  O.-H.-I.  51,3.  Am  Stirnbein  ein 
langer  Rest  der  Stirnnaht  an  der  Nasenwurzel,  der  bis  über  die  vordere  Wöl- 
bung reicht.  Die  grösste  Breite  (141  mm)  liegt  an  den  Tubera  parietalia.  Hinter- 
haupt, besonders  die  Oberschuppe  stark  vorgewölbt  Gesichtsindex  leptoprosop 
(98,3).  Orbita  hyperhypsikonch  (92,5),  Nase  mesorrhin  (47,1).  Foramen 
magnum  gross,  34  auf  28  mm,  also  Index  82,3.  Grosser  Unterkiefer,  in  der  Mitte 
hoch,  das  rundliche  Kinn  vorgeschoben. 

3.  Schädel  eines  älteren  Mannes.  S^hne  stark  abgenutzt,  die  hinteren  sehr 
defect,  die  Alveolen  verstrichen.  Der  Schädel  ist  schwer,  obwohl  der  grösste  Theil  der 
Basis  bis  in  den  Gaumen  und  die  Nasenhöhle  hinein  fehlen.  Die  Capacität  ist  daher 
nicht  zu  bestimmen.  Schädel  ziemlich  gross:  horizontaler  Umfang  531,  verticaler  311, 
sagittaler  378  mm.  Seine  Form  ist  hypsimesocephal  (L.-Br.-I.  76,5,  Ohrhöhen-I. 
61,8).  Minimale  Stimbreite  94  mm,  starke,  sehr  unebene  Stirn wüIste.  Gesichtsindex 
mesoprosop  (86,1);  Orbitae  gross,  hoch  und  eckig,  mesokonch  (82,5).  Nase 
sehr  gross,  schmal  und  vorspringend,  die  Wurzel  sehr  tief  liegend,  Index  42,0, 
hyperleptorrhin.  Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers  massig  stark,  orthognath. 
Schläfengegend  links  synostotisch,  rechts  nur  eine  Ala  elongata. 

4.  Schädel  einer  alten  Frau  ohne  Unterkiefer  (Nr.  43,  1897.  Path.  Inst.)  aus 
der  Schulstrasse.  Die  Zähne  fehlen  grösstentheils,  Alveolen  verstrichen  und  der 
Fortsatz  atrophisch.  Das  gelbliche  Schädeldach  ist  mit  Pflanzenwurzel-Erosionen  über- 
zogen und,  wie  erwähnt,  mit  Exostosen  besetzt,  von  denen  die  grösste  rechts  an 
der  Hinterstim,  die  Mehrzahl  der  kleineren  auf  den  Parietalia  liegt.  Capacität 
1350  rem,  also  fast  um  100  mn  grösser,  als  bei  Nr.  2;  die  Knochen  sind  sehr  brüchig, 
aber  relativ  schwer.  An  der  Coronaria  alte  Verschiebungen  der  Knochen,  so  dass 
in  der  Mitte  die  Parietalia  über  das  Frontale  vortreten,  an  den  Seiten  dagegen  das 
Frontale  mehr  erhoben  ist  Das  Stirnbein  sehr  glatt,  ohne  Wülste;  minimale 
Breite  97  mm.  Massige  Stenokrotaphie,  rechts  ein  trennendes  Epiptericum, 
links  eine  sehr  kurze  Sphenoparietalnahi  Schädelform  hypsimesocephal,  jedoch 
an  der  Grenze  der  Dolichocephalie:  L.-Br.-I.  75,4,  L.-H.-I. :  68,3,  Ohrhöhenindex 
59,0.  Der  horizontale  Umfang  misst  500,  der  verticale  312,  der  sagittale  380  mm,  — 
Das  Mittelgesicht  klein,  der  Alveolarfortsatz  sehr  niedrig.  Orbitae  sehr  gross, 
ultrahypsikonch  (Ind.  97,2).  Nase  stark  vortretend  und  schmal,  Index  47,8, 
mesorrhin. 

Diese  Schädel  sind  ohne  Ausnahme  mesocephal;  nur  der  fränkische  steht  nahe 
an  der  Grenze  zur  Dolichocephalie.  Der  Höhenindex  ist  verschieden:  zweimal  (Nr.  3 
nach  dem  Ohrhöhen-Index)  hypsi-,  zweimal  (bei  den  Frauen)  chamaecephal. 
(Unte^  den  Neolithikern  war  kein  einziger  sicherer  Chamaecephnle.) 


(470) 

Sch&del  ans  römischen  Gräbern 

and 
aus  einem  fr&nkischen  Grabe  in  Worms. 


1. 


I.  Messsahlen. 


Schädelinhalt ccm 

Schädelnmfang,  horizontaler mm 

„            ,  verticaler  (quer) , 

„            ,  sagittaler „ 

Stimbreite  (minimale) „ 

Grösste  horizontale  Länge ^ 

n       Breite „ 

Gerade  Höhe „ 

Ohrhöhe „ 

Gesicht,  Höhe  A  (Nasenwurzel  bis  Kinn)  .  „ 
„     B  (Nasenw.  bis  AlTeolarraud)    „ 

Breite  a  (Jochbein) „ 

„      b  (Vorsprang  d.  Wangenbeins)  „ 

c  (Eieferwinkel-Distanz)  .   .  ^ 

Augenhöhe,  Höhe ^ 

,  Breite „ 

Nase,  Höhe „ 

„    ,  Breite „ 


1661 
535 
882 
890 

95 
190 
150 1>» 
146 
111 
120 

72 
136 

98 

97? 

32 

42 

52 

25 


2. 

? 


II.  Berechnete  Indices. 


Längenbreiten-In  dex 
Längenhöhen-Index 
Ohrhöhen-Index  .  . 
Gesichts-Index  .  . 
Orbital-Index  .  .  . 
Nasen-Index     .   .   . 


1252 
515 
802 
872 
96 
183 
141T 
126 
104 
117 
67 

119? 
93 
89 
87 
40 
53 
25 


78,9 

77,0 

76,8 

68,9 

58,4 

51,8 

8i\8 

98,3 

76,1 

92.5 

48,0 

47,1 

8. 

t 


531 
811 
878 
94 
187 
143pt 

115 
118 

70 
137 

97 
102 

88 

40 

50 

20 


76,5 

61,8 
86,1 
82^ 
42,0 


48  (1897) 

2 


1850 
500 
312 
880 
97 
188 
138p» 
125 
108 

58 

121 

90 

3G 
87 
46 
22 


75,4 
68,8 
59,0 

97,2 

47,8 


Der  GesichUindex  ist  bei  den  Männern  (Nr.  1  u.  3)  meso-,  bei  der  Fraa 
(Nr.  2)  leptoprosop.  Dagegen  ist  der  Orbitalindex  bei  den  Frauen  (Nr.  2  u.  4) 
hypsi-,  bei  einem  Manne  (Nr.  1)  chamae-,  bei  dem  andern  (Nr.  3)  meso- 
konch.  Der  Nasenindex  ist  bei  einem  Mar  je  (Nr.  3)  hyperleptorrhin.  bei 
den  3  anderen  Schädeln  (Nr.  1,  2  n.  4)  mesorrhin. 


(38)   Hr.  Otto  Schötensack  in  Heidelberg  übersendet  die  nachfolgende 

Untersuchung  der  Thierreste  ans  dem  Gräberfelde  der  jüngeren  Steinxelt 

bei  Worms. 

Durch  den  Alterthomsrerein  in  Worms  wurden  im  Jahre  1895  auf  der  Rhein* 
gewann  daselbst  69  Flacbgräber  ans  neolithischer  Zeit  systematisch  nntersocht 
Einen  ausführlichen  Fundbericht  darüber  veröffentlichte  Hr.  Dr.  med.  C.  Röhl  in 
der  Broschüre  „Neue  prähistorische  Funde  ans  Worms  und  Umgebung**  (S.  oben  8.465). 
Unter  zahlreichen  Beigaben  von  Thongrefössen,  Steingeräthen  und  primitiven  ScTimuck- 


(471) 

gegenständen  befand  sich  auch  eine  Anzahl  von  Thierknochen,  welche  den  Rest 
der  den  Todten  in  Töpfen  mitgegebenen  Speisen  darstellen.  Der  Vorstand  des 
besagten  Alterthnmsvereins  hatte  die  Freundlichkeit,  mir  diese  zur  nähereu  Unter- 
suchung anzuvertrauen. 

Ein  grosser  Theil  der  Thierknochen  war  zu  fragmentarisch,  um  überhaupt 
noch  eine  Bestimmung  zu  gestatten,  ein  anderer  Theil  bot  aber  noch  genügende 
Anhaltspunkte,  um  an  der  Hand  eines  ausreichenden  Vergleichsmaterials  solche  zu 
ermöglichen.  Dieses  fand  ich  im  naturhistorischen  Museum  in  Bern  vor,  wo  Hr. 
Prof.  Th.  Studer  in  liebenswürdigster  Weise  mir  bei  der  Bestimmung  zur  Hand 
ging,  wofür  ich  ihm  hiermit  verbindlichsten  Dank  ausspreche.  Weitere  Anhalts- 
punkte für  die  Vergleichnng  fanden  sich  in  dem  vom  Römisch-germanischen  Cen- 
tral musenm  in  Mainz  mir  zur  Untersuchung  übergebenen  osteologischen  Material 
ans  einer  neolithischen  Mardelle  bei  Schwabsburg  (Rheinhessen),  worüber  an  an- 
derer Stelle  berichtet  werden  soU.  ^ 

Die  Renntniss  der  Fauna  zur  neolithischen  Zeit  stützt  sich  für  das  südliche 
Deutschland  wesentlich  auf  die  von  L.  Rütimeyer  (Basel  1861)  und  Th.  Studer 
(Mitth.  d.  naturf.  Ges.  in  Bern  1880,  1882,  1883  und  1893)  ausgeführten  Unter- 
suchungen über  die  Fauna  der  Pfahlbauten  in  der  Schweiz  und  die  von  letzt- 
genanntem Forscher  beschriebenen  Thierreste  aus  den  Ablagerungen  des  Schweizer- 
bildes bei  Schaff  hausen  (Zürich  1806).  Auch  die  Pfahlbauten  im  Stamberger  See 
(Edm.  Naumann  im  Archiv  f.  Anthropologie  1875)  ergaben  ein  reichliches  Ma- 
terial von  Thierresten  aus  der  jüngeren  Steinzeit,  doch  finden  sich  hier  auch 
spätere  Perioden  vertreten,  welcher  Umstand  die  Chronologie  erschwert. 

Da  das  Gräberfeld  der^  Rheingewann  von  Worms  das  erste  grösseren  üm- 
fanges  aus  neolithischer  Zeit  ist,  welches  in  unserer  Gegend  systematisch  aus- 
gebeutet wurde,  so  bietet  sich  auch  zum  ersten  Mal  die  Gelegenheit,  einen  Blick 
in  das  Oulturleben  dieser  Bevölkerung  des  Mittelrheins  im  Hinblick  auf  die  sie 
umgebende  Thierwelt  zu  thun.  Um  einen  solchen  zu  ermöglichen,  wollen  wir  das 
uns  überlieferte  osteologische  Material  zunächst  ausführlich  beschreiben. 

Was  das  Aussehen  und  den  Erhaltungszustand  der  Thier-  (und  Menschen-) 
knochen  anbelangt,  so  haben  sie  alle  die  gleiche  kalkig-weissliche  Farbe.  Schneidet 
man  sie  mit  einem  Messer  an,  so  glaubt  man  einen  ziemlich  weichen  Kalkstein 
vor  sich  zu  haben.  Die  compacte  und  spongiöse  Substanz  verhalten  sich  hierin 
ziemlich  gleichroässig.  In  verdünnter  Salzsäure  löst  sich  der  Knochen  unter  be- 
ständiger lebhafter  Kohlensäureentwickelung  bis  auf  einen  sehr  geringen  Rest  von 
Ossein.  Phosphorsäure  ist  nur  in  Spuren  nachweisbar.  Die  Phosphate  scheinen 
demnach  in  der  Hauptsache  durch  Calciumcarbonat  ersetzt  zu  sein,  womit  auch 
die  ursprünglich  vorhandenen  oder  durch  Verwesung  entstandenen  Hohlräume  an- 
gefüllt sind. 

Es  sind  folgende  Thiere  vertreten: 

Aus  Grab  Nr.  47:    Bos  primigenius  Boj.  (Urstier). 
Gelenkende  des  rechten  Schulterblattes.    Die  Fossa  glenoidalis  und  der  Proc. 
roracoides  sind  noch  erhalten.     Die  Maasse  in  Millimetern  sind  folgende: 

Worms  Moosseedorf  Font 

Höhe  der  Gelenkfläche 83  80  80 

Querdurchmesser  der  Gelenkfläche  ...      69  66  70 

Durchmesser  des  Halses 83  84  «4 

Die  beigefügten  Dimensionen  von  zwei  Schulterblättern  des  Urstieres,  mit 
denen  das  vorliegende  in  der  Form  sonst  völlig  übereinstimmt,  aus  neolithischen  Pfahl- 


(472) 

bauten  ergeben,  dass  die  Wormser  Scapola  von  einem  recht  stattlichen  Ur  her- 
rührt. 

Aus  Grab  Nr.  61:  Bos  primigenias  (juv.)  Boj. 
Das  in  zwei  Hälften  gespaltene,  alte  Bmchflächen  aufweisende  Gelenkende  des 
rechten  Schulterblattes  eines  jungen  Urstieres.  Der  Coracoidfortsa^  ist  ab- 
geschlagen, dagegen  das  untere  Ende  der  Spina  scapulae  noch  erhalten*  Die 
Höhe  der  Fossa  glenoidalis  dürfte  zwischen  70 — 75  mm  betragen  haben  (genau  ist 
sie  nicht  mehr  festzustellen),  der  Querdurchschnitt  misst  62  mm. 

Aus  Grab  Nr.  43:  Bos  taurus  brachyceros  Rütim.  (Torfrind). 
Rechte,  etwa  210  mm  lange  Tibia  eines  jungen  Rindes,  das  nach  der  Grösse 
und  der  Schlankheit  des  Knochens  in  den  Rahmen  der  Brachyceros-Rasse  passt 
Die  obere  Epiphyse  ist  abgebrochen,  die  untere  an  der  Verwachsungsstelle  ab- 
gelöst. Querdnrchmesser  der  Diaphyse  in  der  Mitte  31,5  mm.  Dem  Aussehen  und 
Erhaltungszustande  nach  gehören  dazu  ein  noch  leidlich  erhaltener  Galcaneus,  sowie 
mehrere  fragmentarische  Rnochenstücke  aus  demselben  Grabe. 

Aus  Grab  No.  65:    Ovis  aries  L.? 
Tibia,    an  der  das  distale  Ende  fehlt,  von  einem  kleinen  Wiederkäuer,  wahr- 
scheinlich  einem   Schafe   kleiner  Rasse.     Im  selben  Grabe   femer  Fragment  der 
Diaphyse  eines  dünnen  Röhrenknochens,  wohl  auch  Tibia  vom  Schafe. 

Aus  Grab  No.  59:    Ovis  aries  L.? 
Metatarsus,   111  mm  lang,  von  einem  jungen  Schafe  kleiner  Rasse.     Die  Ge- 
lenkflächen fehlen.     Querdurcbmesser  der  Diaphyse  12  mm.     Die  Erde,  die  noch 
an  dem  Knochen  haftete,  ist  stark  mit  Asche  gemiscljt. 

Aus  Grab  No.  58  und  60:  Knochenfragmente,  die  wahrscheinlich  auch 
vom  Schafe  herrühren,  die  Bruchstücke  aus  Nr.  60  noch  als  Humerus  und  Radius 
erkennbar. 

Aus  Grab  Nr.  38:    Cervus  elaphus  L. 
Sieben  Eckzäline  von  zum  Theil  sehr  stattlichen  Hirschen.    Die  Zähne  sind 
durchbohrt  und  als  Anhängsel  verwendet. 

Aus  Grab  Nr.  4:    Canis  familiaris  L. 

a)  Proximale  Hälfte  einer  Ulna  mit  abgebrochenem  Gelenkende, 

b)  Proximale  Hälfte  eines  Radius  mit  abgebrochenem  Kopfe, 

c)  Oberer  Theil  der  Diaphyse  eines  Radius. 

Die  Dimensionen  der  Knochen  lassen  auf  einen  mittelgrossen  Hund  in  Grösse 
eines  kleineren  Schäferhundes  schliessen. 

Neben  dem  Edelhirsch,  dessen  Eckzähne  einem  Nimrod  als  Trophäe  mit 
in's  Grab  gegeben  wurden  (die  Sitte,  die  ausgebrochenen  ^Hirschhaken^  als  Bre- 
loques  zu  tragen,  findet  sich  noch  heute  bei  unsern  Jägern),  treffen  wir  den  schon 
zur  Diluvialzeit  über  ganz  Europa  verbreiteten  und  bei  uns  wahrscheinlich  noch 
zur  historischen  Zeit  (ür  des  Nibelungen -Liedes)  heimischen  Bos  primigenius 
in  zwei  Individuen,  wovon  das  ältere  eine  sehr  beträchtliche  Grösse  aufweist 
Beide  sind  als  wild  lebende  Thiere  aufzufassen.  Rütimeyer  (Archiv  f.  Anthr. 
1866  S.  238)  fand  unter  Resten  aus  einem  neolithischen  Knochenlager  am  Warte- 
berg in  Hessen,  worüber  Prof.  Claudius  und  R.  Müller  Nachricht  gegeben 
hatten  (Marburg  1861),  auch  die  gezähmte  Primigenius-Rasse  vor. 

War  zum  Leichenschmause  ein  Wild,  wie  der  Ur,  nicht  zu  beschaffen,  so 
schlachtete  man  ein  Hausrind.  Von  einem  solchen  rühren  offenbar  die  im 
Grabe  Nr.  43  aufgefundenen  Knochen  her.  Die  kleine  und  in  der  Schlankheit  an 
die  des  Hirsches  erinnernde  Tibia  gestattet,    mit  Rücksicht  darauf,   dass  auch  in 


(473) 

der  oben  erwähnten  neolithischen  Mardelle  das  Torfrind  vorkommt,  es  der  Bra- 
chyceros-Rasse  zuzutheilen,  die  im  Steinalter  der  Pfahlbauten  allgemein  und 
in  deren  ältesten  Ansied  langen  schon  überwiegend  vertreten  war.  Sie  wird  be- 
kanntlich mit  den  Beiigscblägen  der  Schweiz,  dem  kleinen  and  karzhömigen  Braun- 
vieh der  centralen  and  östlichen  Alpen,  das  auch  an  vielen  Orten  Deutschlands 
reichlich  vertreten  ist  und  das  am  reinsten  vielleicht  noch  in  Nord-Africa  (Algier) 
vorhanden  ist,  zusammengestellt. 

Dazu  kommt  dann  das  Schaf  (bczw.  Ziege?),  das  in  mehreren  Gräbern 
nachgewiesen  ist^).  Wie  bekannt,  sind  einzelne  Skelettheile  dieses  Thieres  von 
denjenigen  der  Ziege  sehr  schwer  zu  unterscheiden.  Auch  in  den  Pfahlbauten  der 
Schweiz  erscheint  neben  der  ^ege  im  Steinalter  zuerst  ein  kleines  ziegenhömiges 
Schaf  mit  sehr  dünnen,  schlanken  und  dabei  ziemlich  hohen  Extremitäten,  und  dann 
erst  später,  wahrscheinlich  mit  der  zunehmenden  Fertigkeit  in  Zubereitung  der 
Wolle,  eine  grössere  krummhörnigc  Basse. 

Die  Anwesenheit  des  gezähmten  Rindes,  sowie  des  Schafes,  bezw.  der  Ziege 
lässt  uns  erkennen,  dass  die  steinzeitlichen  Bewohner  des  Mittelrheins  bereits 
Viehzucht  trieben  und  also  wohl  zur  bodenständigen  Ackerbevölkerung  zu  rechnen 
sind.  Hierauf  weist  auch  schon  das  grosse  Gräberfeld  hin,  das  69  Skelette  auf- 
weist, während  dasjenige  bei  Monsheim,  11  km  westlich  von  Worms,  nach  der 
Schätzung  Lindenschmit^s  (Zeitschr.  d.  Vereins  zur  Erforschung  d.  Rheinischen 
Gesch.  u.  Alterth.,  Mainz  1868)  sogar  über  200  Todte  enthielt.  Wir  haben  uns 
da  wohl  das  Verhältniss  niederer  Ackerbauer  zu  denken,  das,  wie  Ed.  Hahn 
(Versuche  einer  Theorie  der  Entstehung  unseres  Ackerbaus,  Lübeck  1896)  gezeigt 
hat,  auf  dem  Hackbau  beruht  und  noch  jetzt  in  einigen  Theilen  von  America,  dem 
transsaharanischen  Africa  und  dem  Malaien-Archipel  ausgeübt  wird  und,  wie  es 
scheint,  als  ursprüngliche  Art  der  Bodenbestellung  bei  den  meisten  Völkern  be- 
stand, ehe  sie  mit  dem  Pfluge  bekannt  wurden.  Auf  einen  solchen  Hackbau 
scheinen  auch,  worauf  schon  von  anderer  Seite  hingewiesen  wurde,  die  in  den 
Worraser  Gräbern  aufgefundenen  langen  Steinmeissel  hinzuweisen. 

In  einem  eigenthümlichen  Lichte,  verglichen  mit  dem  bisher  über  die  Bei- 
gaben Berichteten,  erscheint  die  Thatsache,  dass  in  einem  Falle  auch  Theile  eines 
Hundes  als  Speise  mit  in^s  Grab  gegeben  wurden.  Von  einem  Individuum,  das 
mit  seinem  Herrn  begraben  wurde,  können  die  Reste  nicht  herrühren,  da  bei  dem 
Erhaltungszustande  des  gesammten  osteologischen  Materials  sonst  viel  mehr,  vor 
Allem  einige  Zähne  des  Hundes  erhalten  sein  müssten;  zudem  sind  laut  der  Zu- 
sammenstellung des  Hrn.  C.  Kohl  a  a.  0.  S.  43  Nr.  4  diese  Knochen  in  einem 
Geiass  aufgefunden.  Es  kann  also  wohl  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass  der 
Hund,  wie  die  übrigen  Thiere,  beim  Leichenschmause  verspeist  und  Stücke  davon 
dem  Todten  mitgegeben  wurden. 

In  den  steinzeitlichen  Pfahlbauten  der  Schweiz  kommen  nach  Rütimeyer 
(a.  a.  0.  S.  117)  und  Th.  Studer  (Archiv  für  Anthropologie  18sO  S.  74)  fast  nur 
Schädel  von  alten  oder  ganz  jungen  Hunden  vor,  solche  mittleren  Alters  fehlen. 
Sie  zeigen  fast  alle  Spuren  gewaltsamer  Todesart,  eingeschlagene  Stirnbeine  u.  s.  w., 
woraus  letztgenannter  Forscher  den  Schluss  zieht,  dass  nicht  der  ganze  Wurf  des 
Hundes,    sondern   nur   ein  ausgewählter  Theil    desselben   aufgezogen  wurde;   die 

1)  Aueh  in  einem  neolithischen  Grabe  von  Wachenheim  bei  Worms  fand  sich  der 
95  mm  lange  Metacarpiis  eines  jungen  Schafes,  bczw.  einer  Ziege  kleiner  Rasse:  Qucrdnrch- 
messer  der  Diaphyse  12  mw.  Die  Oelenkflftchen  sind  verletzt.  Der  Knochen  beftndct  sich 
ebenfalls  im  Paulus-Mnseum  in  Worms. 


(474) 

übrigenivurden,  ebenso  wie  die  alt  und  unbranchbar gewordenen,  getödtet.  Küti- 
meyer  erwähnt  ausdrücklich,  dass  die  übrigen  Theile  des  Skelets  von  Hunden 
sich  ungleich  häufiger  unverletzt  vorfanden,  als  diejenigen  des  Fuchses.  Daraus 
darf  man  wohl  folgern,  dass,  während  letzteres  Thier,  das  auch  weit  häufiger, 
als  der  Haushund,  in  den  steinzeitlichen  Pfahlbauten  der  Schweiz  Torkommt, 
wie  alles  erlegte  Wild  verzehrt  wurde,  hinsichtlich  des  Canis  familiaris  bei 
den  See-Anwohnern  eine  andere  Praxis  ausgeübt  wurde,  die  schon  dem  intimeren 
Verhältnisse  dieses  Thieres  zu  seinem  Herrn  Kechnung  trug.  Ziehen  wir  aber  in 
Betracht,  dass  z.  ß.  bei  den  Südsee-Insulanem,  sowie  auch  im  nördlichen  Africa 
von  Sfax  bis  zur  Cyrenaika  und  theilweise  auch  im  westlichen  Sudan  (vergl.  TAn- 
thropologie  1897,  p.  742)  der  Hund  zur  Nahrung  Verwendet  wird,  so  dürfen  wir 
uns  auch  nicht  so  sehr  wundern,  ihn  auf  der  Speiseliste  des  neolithischen  Bewohners 
der  Rheingewann  von  Worms  zu  finden.  So  erscheint  er  denn  auch  unter  den 
Beigaben  des  Todten. 

In  der  oben  erwähnten  neolithischen  Mardelle  ist  der  Typus  des  Canis 
Inostranzewi  Anutschin, —  die  nach  Th.  Studer  (Naturw.  Wochenschrift  18*»7, 
Nr.  28)  durch  die  sibirischen  Schlittenhunde  (Laika),  die  norwegischen  Elch-  und 
die  Eskimohunde  repräsentirte  palüarctische  Grundform,  —  vertreten.  Ob  der  Hund 
des  neolithischen  Gräberfeldes  von  Worms  dieser  Form  oder  etwa  dem  aus  der 
steinzeitlichen  Pfahl baustation  Bodmann  am  Ueberlingcr  See  bekannt  gewordenen 
Canis  fam.  Leineri  (Deerhound),  von  dem  der  Schäferhund  der  Bronzezeit, 
Canis  matris  optimae  Jeitteles,  wohl  abgeleitet  werden  darf,  zuzuweisen  ist, 
darüber  lässt  sich  bei  der  Spärlichkeit  des  Materials  nichts  Bestimmtes  aussagen. 

Was  schliesslich  die  Grabbeigaben  unserer  Neolithiker  anbelangt,  so  darf  man 
vielleicht  daraus,  dass  von  dem  erlegten  Ur  in  beiden  vorliegenden  Fällen  das 
Schulterblatt,  von  den  geschlachteten  Thieren  durchweg  Extremitätentheile  den 
Todten  mitgegeben  wurden,  den  Schluss  ziehen,  dass  auch  hierin  gewisse  Ge- 
bräuche beobachtet  wurden.  Der  Umstand,  dass  nicht  allen  Todten  animalische 
Nahrung  mitgegeben  wurde,  lässt  die  Deutung  zu,  dass  man  keinen  grossen  Ueber- 
fluss  daran  hatte,  bezw.  dass  nur  den  Wohlhabenden  die  Spende  zu  Theil  wurde. 

So  bescheiden  auch  die  Aufschlüsse  sind,  die  wir  durch  die  Bestimmung  der 
beschriebenen  Thierreste  erlangt  haben,  so  helfen  sie  uns  doch  das  Bild  be- 
leben von  dem  Culturzustande  einer  Bevölkerung  unserer  Heimath,  an  deren 
einstige  Existenz  wir  so  eindringlich  durch  die  über  das  ganze  Land  zerstreuten 
Steingeräthe  erinnert  werden,  ohne  dass  wir  uns  genügende  Rechenschaft  von  ihr 
geben  können.  Die  verdienstvolle  Arbeit  des  Wormser  Alterthumsvereins,  der  dos 
für  die  Prähistorie  unschätzbare  Material  mit  grosser  Umsicht  barg,  hat  uns  den 
Weg  gewiesen,  nun  immer  mehr  von  Hypothesen  zu  Thatsachen  ül»erzogehen.  — 

(39)    Hr.  R.  Virchow  giebt  eine  vorläufige  Nachricht  über 

die  internationale  Lepra -Conferenz  in  Berlin  nnd  die  verntUmmelten 

pemanischen  Floren. 

ich  kam  gerade  zur  rechten  Zeit  zurück,  um  der  Eröffnung  der  für  den 
1 1 .  October  ausgeschriebenen  internationalen  Lepra-Conferenz  und  deren  Sitzungen, 
die  erst  am  16.  geschlossen  wurden,  beizuwohnen.  Die  Mehrzahl  der  bekannten 
Lepra-Forscher  aas  der  ganzen  Welt  war  dabei  anwesend.  Das  Ergebniss  kann 
in  folgenden  Sätzen  kurz  zusammengefasst  werden. 

Für  die  bis  vor  Kurzem  allgemein  angenommene  Erblichkeit  der  Krankheit 
wurden  keine  beweisenden  Thatsachen  anerkannt.    Dagegen  fand  die  Annahme  der 


(475) 

Gontagiosität  fast  allgemeine  Zostimmang,  obwohl  der  Modus  der  Ansteckung 
zweifelhaft  blieb.  Die  Aufmerksamkeit  wurde  hauptsächlich  auf  die  infectiösen 
Absonderungen  der  Nase  und  des  Rachens  gerichtet.  Dass  der  von  Hrn.  Armauer 
Hansen  aufgefundene  Bacillus  die  Ursache  der  Krankheit  sei,  erschien  aus 
theoretischen  Gründen  unabweisbar,  während  auch  diesmal  kein  Forscher  über  ge- 
lungene Culturen  oder  über  erfolgreiche  Impfung  desselben  zu  berichten  wusste. 
Jedenfalls  sprach  Alles  gegen  die  Uebertragung  durch  ein  flüchtiges  Contagium 
und  gegen  eine  acute  Entstehung  der  Krankheit  Ein  Heilmittel  ist  nicht  gefunden. 
Die  Isolirung  der  Kranken  wurde  als  das  Hauptschutzmittel  anerkannt.  Bei  An- 
wendung derselben,  unter  Einhaltung  der  grössten  Reinlichkeit,  fürchtete  man  keine 
weitere  Verbreitung  der  Krankheit. 

Eine  Einzelfrage  ist  zu  erwähnen,  welche  das  Gebiet  unserer  Gesellschaft  be- 
rührt. Einer  der  eifrigsten  Promotoren  des  Congresses,  der  leider  nicht  selbst  er- 
schienen war,  Mr.  Albert  S.  Ashmead  von  New  York,  hatte  in  einem  besonderen 
Anschreiben  die  Frage  des  präcolumbischcn  Aussatzes  von  Neuem  aufgeworfen. 
Dasselbe  ist  in  den  ^ Mittheilungen  und  Verhandlungen  der  internationalen  wissen- 
schaftlichen Lepra-Conferenz^,  Berlin  1897.  I.  Abth.  4.  S.  71  abgedruckt  worden. 
Schon  im  Jahre  1895  (Verb.  S.  305)  hatte  sich  Mr.  Ashmead  an  mich  gewendet  und 
mitgetheilt,  dass  Dr.  Muniz  von  Lima  an  Thonfiguren  aus  peruanischen  Huacos 
Anzeichen  der  Krankheit  wahrgenommen  zu  haben  glaube.  Er  wünschte  unsere 
Meinung  zu  wissen.  Hr.  Bastian  (Verhandl.  1895,  8.  365)  liess  in  Folge  dessen 
Nachforschungen  unter  den  peruanischen  Thonsachen  des  Museums  für  Völker- 
kunde veranstalten  und  es  gelang,  zwei  Vasen  von  verdächtigem  Aussehen  zu  ent- 
decken. Ich  erkannte  an,  dass  der  eine  Kopf  an  Lepra  erinnere,  während  die 
andere  Figur  mehr  krätzeähnliche  Veränderungen  zeige,  hob  aber  hervor,  dass  bis 
dahin  wirkliche  Beweisstücke  aus  den  Sammlungen  überhaupt  nicht  geliefert  seien, 
weder  für  Lepra,  noch  für  Syphilis.  Mr.  Ashmead  hat  die  ihm  durch  Hrn. 
Bastian  übersendete  Photographie  der  beiden  Gelasse  in  dem  Journal  of  cutaneous 
and  genito-urinary  diseases,  Nov.  1895,  abbilden  lassen. 

Mit  seiner  Adresse  an  die  Lepra -Conferenz  hat  er  Photographien  von  10 
peruanischen  Thongefässen  übersendet  (a.  a.  0.  8.  73  und  74),  von  denen  eines 
von  Chepen,  die  übrigen  von  Chimbote  stammen.  Er  hält  sie  sämmtlich  für 
^.zweifellos  präcolnmbisch^,  aber  er  sieht  in  ihnen  keine  Darstellungen  des  Aus- 
satzes. Alle  zeigen  bedeutende  Verstünunelungen,  welche  von  dem  ausführenden 
Künstler  nachgebildet  sind.  Meist  ist  der  knorpelige  Theil  der  Nase  zerstört  (has 
been  eaten  away);  auch  die  Oberlippe  ist  zum  Theil  oder  gänzlich  verloren.  Er 
fügt  hinzu:  the  lip  is  eaten  away,  not  drawn  by  cicatrization  as  would  be  the  case 
in  leprosy.  Er  macht  ferner  darauf  aufmerksam,  dass  eine  der  photographirten 
Figuren  eine  Person  darstellt,  welche  auf  dem  Bauche  liegt  und  amputirte  FUsse 
hat,  dass  aber  auch  4  andere  Figuren  amputirte  Füsse  zeigen.  „Was  auch  die  an 
den  Gesichtern  dargestellte  Krankheit  war^,  sagt  er,  „sie  muss  sehr  häufig  von 
einer  Krankheit  der  Füsse  begleitet  gewesen  sein,  welche  die  Amputation  nötbig 
machte,  und  zwar  nicht  eines  Fusses,  sondern  beider^. 

Als  ich  diese  Mittheilungen  in  der  dritten  Sitzung  der  Conferenz,  am  13.  October, 
vorlegte  (Mittheil.  II.  S.  79),  konnte  ich  zugleich  eine  grössere  Reihe  ähnlicher 
Thongefässe  aus  unserem  Museum  für  Völkerkunde  vorlegen,  welche  inzwischen 
durch  Hm.  Wilhelm  von  den  Steinen  aufgefunden  waren.  Dieselben  zeigen  die 
Verstümmelungen  der  Nase,  der  Oberlippe  und  der  Unterschenkel  in  genau  über- 
einstimmenden Formen  mit  denen,  welche  Mr.  Ashmead  in  photographischer 
Wiedergabe  übersendet  hat.    Ich  erkannte  an,  dass  diese  Darstellungen  „ein  starkes 


(476) 

Aiig^ment  dafür  abgeben,  dass  es  sieh  um  lepröse  Verhältnisse  handle^.  In  einem 
schönen  Wachsmodell  des  Kopfes  einer  leprösen  Person,  welches  sich  in  der  Ton 
Hm.  Lassar  ausgestellten  Modellsamrolung  befand,  konnte  ich  fUr  die  gleichzeitige 
Zerstörung  der  Nasenspitze  und  der  Oberlippe  ein  tadelloses  Beispiel  aufweisen. 
Für  Syphilis  sprach  nach  meiner  Auffassung  nichts,  dagegen  machte  ich  auf  die 
Mittheilungen  des  Hrn.  Seier  tiber  den  amerikanischen  Ursprung  der  Syphilis 
(Verhandl.  1895,  8.  449)  aufmerksam.  Jedenfalls  schien  mir  die  Aufgabe,  die  an 
den  Oefässen  dargestellten  Veränderungen  in  ihrer  Beziehung  zu  mutilircnden 
Krankheiten  zu  verfolgen,  ein  Gegenstand  von  grossem  Interesse  zu  sein. 

Der  Congress  Hess  die  Frage  unerörtert;  nur  unser  Mitglied  Hr.  Polakowsky 
bemerkte  (Mittheil.  II.  S.  82),  dass  ihm  bei  seinen  historischen  Nachforschungen 
nichts  vorgekommen  sei,  woraus  das  Bestehen  präcolumbischen  Aussatzes  in  America 
gefolgert  werden  könne.  Ich  lege  nunmehr  der  Gesellschaft  eine  Reihe  von  Blättern 
mit  Zeichnungen  des  Hrn.  W.  von  den  Steinen  vor,  welche  vorläufig  ein  Bild 
der  dargestellten  Verstümmelungen  gewähren  werden;  wir  wollen  in  einer  der 
nächsten  Sitzungen  darauf  zurückkommen.  — 

Hr.  Polakowsky:  Ich  will  zunächst  theils  wiederholen,  theils  ergänzen,  was 
ich  bereits  in  der  betrefiPenden  Sitzung  der  Lepra-Gonferenz  gesagt  habe.  Bei 
meinen  Studien  über  die  Geschichte  der  Entdeckung  und  Eroberung  des  spanischen 
Americas  habe  ich  in  den  zahlreichen  Documenten  nie  eine  Bemerkung  oder  An- 
deutung gefunden,  wonach  die  Spanier  die  Lepra  bei  den  Eingeborenen  vorgefunden 
haben,  obgleich  ihnen  diese  Krankheit  sehr  wohl  bekannt  war.  Der  einzige  Fall, 
der  für  die  Existenz  der  Lepra  in  vorcolumbianischer  Zeit  sprach,  war  der  des 
Eroberers  von  Columbien,  Jimenez  de  Quesada.  Dieser  starb  an  der  Lepra,  und 
ich  fand  eine  Angabe,  wonach  er  sich  diese  Krankheit  in  Golumhien  und  zwar 
von  den  Eingeborenen  zugezogen  habe.  Hr.  Prof.  Garrasquilla  aus  Bogota,  mit 
dem  ich  über  diese  Angelegenheit  sprach,  bestreitet  diese  Angabc  ganz  entschieden 
und  bezieht  sich  dabei  auf  ein  Werk  in  drei  Bänden,  welches  den  Titel  führt: 
Goleccion  de  docum.  inedit.  del  archi?o  de  Indias  para  la  Historia  de  Columbia. 
In  diesem  Werke  sind  alle  Documente  zusammengestellt,  die  sich  auf  das  Leben 
des  Eroberers  von  Columbien  beziehen.  Danach  kam  Quesada  etwa  im  Jahre  1530 
nach  America,  gründete  1538  Bogota  und  ging  etwa  1550  auf  längere  Zeit  nach 
Spanien.  Von  dort  brachte  er  sowohl  die  Syphilis  als  die  Lepra  zurück,  und  der 
letzteren  ist  er  etwa  1570  erlegen. 

Weiter  spricht  gegen  die  Existenz  der  Lepra  vor  der  Zeit  der  Entdeckung  die 
Thatsache,  dass  man  bei  den  reinen,  sog.  wilden  Indianern  niemals  die  Lepra 
gefunden  hat.  Ich  will  hier  nur  2  Beispiele  anführen:  Das  Gebiet  der  Araukaner 
wurde  zum  Theil,  d.  h.  südlich  vom  Tolten-Stromc,  erst  im  Jahre  1882  erschlossen. 
Die  Anzahl  der  unabhängigen  Araukaner  betrug  damals  40000;  man  hat  bis  heule 
keinen  Leprösen  unter  ihnen  gefunden.  Die  Bewohner  der  Halbinsel  Goajini  an  der 
Grenze  von  Columbien  und  Venezuela  haben  durch  Jahrhunderte  den  Weissen  und 
Mischlingen  das  Eindringen  in  ihr  Land  unmöglich  gemacht.  Erst  in  neuerer  Zeit 
ist  man  mit  ihnen  in  nähere  Berührung  gekommen.  Und  auch  diese  Indianer  sind 
vollkommen  leprafrei. 

Was  nun  die  von  Hrn.  Virchow  der  Lepra- Conferenz  voi^stellten  perua- 
nischen Vasen  betrifft,  so  sei  mir  eine  Bemerkung  gestattet  Ich  bin  nicht  Derma- 
tolog  und  nicht  Mediciner,  beschäftige  mich  mit  der  Sache  erst  seit  einem  hall>en 
Jahre,  habe  aber  viele  Abbildungen  und  Photogniphieu  von  Leprösen  gesehen.  Da 
scheint  mir  nun  die  Thatsache  entschieden  gegen  Lepra  zu  sprechen,  dass  bei  den 


(477) 

Figuren  dieser  Vasen  zwar  die  Nase  und  Oberlippe  und  oft  beide  Fttsse  fehlen, 
dagegen  alle  zehn  Pinger  wohl  erhalten  sind.  Dies  ist,  soviel  ich  übersehen  kann, 
bei  der  Lepra  nie  der  Fall,  d.  h.,  wenn  die  Mutilationen  so  weit  vorgeschritten  sind, 
sind  auch  stets  die  Finger  in  Mitleidenschaft  gezogen. 

Was  stellen  nun  aber  die  Figuren  dieser  Vasen  dar?  Ich  sprach  hierüber  mit 
Hrn.  Prof.  Carrasquilla  und  er  erklärte  ganz  bestimmt,  es  handle  sich  nicht 
um  Liepröse,  sondern  um  bestrafte  Verbrecher.  Für  kleinere  Vergehen  wurden  den 
Leuten  die  Nase  und  die  Oberlippe  abgeschnitten,  rückfälligen  Verbrechern,  die 
sich  ihrer  Strafe  durch  die  Flucht  entzogen  hatten,  hieb  man  die  Füsse  ab,  um  sie 
so  in  die  Unmöglichkeit  zu  versetzen,  weiter  etwas  Böses  zu  thun.  Hr.  Carras- 
quilla will  mir  die  Bücher  angeben,  wo  er  diese  Angaben  gefunden  hat.  Ich  selbst 
habe  in  diesen  zwei  Tagen  keine  Zeit  zu  Nachforschungen  gehabt,  erinnere  mich 
aber,  dass  Garcilasso  de  la  Vega  in  seinen  Comentar.  Reales  ziemlich  ein- 
gehend über  die  strenge,  ja  grausame  Justiz  der  alten  Peruaner  berichtet.  Wenn 
ich  noch  weitere  Daten  finde,  werde  ich  sie  mittheilen.  — 

(40)   Neu  eingegangene  Schriften: 

1.  Revista   medica   de   Bogota   Aiio   XVIII   und   XIX    No.  200—212.     Bogota 

(Colombia)  1894—96. 

2.  Serothörapie  de  la  Leprc.    Communications    sur   les   travaux  du  Dr.  Juan  de 

Dios  Carrasquilla.     Bogota  1897. 

Nr.  I  und  2  Gesch.  des  Hrn.  Polakowsky. 

3.  Bulletins  de  la  Societe  d^anthropologie  de  Paris  VII,  6.    Paris  1896. 

4.  Bulletin  de  la  Societe  Imperiale  des  Naturalistes  de  Moscou  No.3.  Moscou  1897. 

5.  Hirsch,  A.,  Verhandlungen  der  vom  15. — 21.  October  1896  in  Lausanne  ab- 

gehaltenen  Conferenz   der   Commission   der  Internationalen  Erdmessung. 
Berlin  1897.    Nr.  3—5  durch  Hrn.  R.  Virchow. 

6.  Bachmaier,   A.,    Pasigraphisches   Wörterbuch:    a)  zum   Gebrauche    für  die 

deutsche  Sprache.     Augsburg    18G8.     b)    Französisch,    Augsburg    1868. 
c)   Englisch,  London  1871.     d)  ungarisch.     Budapest   1886.     Gesch.   d. 
Verf. 

7.  Ploss-Bartels,   Das   Weib.     5.  Aufl.      13. — 15.   Lieferung.     Leipzig   1897. 

Gesch.  d.  Hrn.  Bartels. 

8.  ten   Kate,   H.    F.    C,   Anthropologie    des    anciens    habitants   de    la    region 

Calchaquie.    La  Plata  1896.    (Anales   del   Museo   de   la  Plata.)    Gesch. 
d.  Verf. 

9.  Bartels,  M.,  Die  27.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen  Ges.  f.  Anthrop., 

Ethnol.  und  Urgeschichte   in    Speyer,   Dttrkheim  und  Worms  vom  3.  bis 
7.  August  1896;  o.  0.  u.  J.   (Leopoldina  1897.)    Gesch.  d.  Verf. 

10.  Hoyos  y  Säinz,  L.,  Los  campurrianos.   Ensayo  de  antropometria.  o.  0.  u.  J. 

(Soc.  espanola  de  Hist  nat.    2.  Serie.   11.    1893.)    Gesch.  d.  Verf. 

11.  Morse,  E.  S.,    Rorean  Interviews,  o.  0.  1897.    (Appleton's   Populär   Science 

Monthly.)    Gesch.  d.  Verf. 

12.  Schmeltz,  J.  D.  E.,  Job.  Stanislaus  Rubary.    Leiden  1897.    (Intern.  Archiv 

für  Ethnographie.)    Gesch.  d.  Verf. 

13.  Schmidt,  Emil,  Ceylon.    Beriin  1897.    Gesch.  d.  Verf. 

14.  Radi  off,  W.,   Die   Alttürkischen    Inschriften   der   Mongolei.    St  Petersburg 

1897.    Gesch.  d.  Verf. 

15.  deZichy,  Comte  Eugene,  Voyages  au  Caucase  et  en  Asie  centrale.  I  und  U. 

Budapest  1897.    Gesch.  d.  Verf. 


(478) 

16.  vonHouvrald,    Graf  E.  O.,   Toast,   gehalten   bei   dem  Festessen   nach  der 

Grundsteinlegung  des  Straupitzer  Bahnhofes  am  15.  März  1897;  o.  0.  u.  J. 
Gesch.  d.  Verf. 

17.  Pyl,   Tb.,   Nachträge   zur   Greschichte   der   Greifswalder    Kirchen.     Heft    1. 

Greifswald  1898.    Gesch.  d.  Verf. 

18.  Goldsborough  Mayer,  A.,    On    the   color  and  color-patterns  of  moths  and 

butterflies.    Boston  1897.    (Proc.  Boston  Soc.  Nat  Hist.)    Gesch.  d.  Verf. 

19.  Eh  mann,  P.,  Sprichwörter  und  bildliche  Ausdrücke  der  japanischen  Sprache. 

L   Tokyo  1897.    (Mitth.  der  Deutschen  Ges.  für  Natur-  und  Völkerkunde 
Ostasiens.)    Gesch.  d.  Verf. 

20.  Lenz,    R,   Estndios  Araucanos  VIII.    Santiago   de   Chile  1897. 

21.  Ders.,  Estndios  Araucanos.    Apöndice  a  los  estudios  VI,  VII,  VIII.   Santiago 

de  Chile  1897.    (Anales  de  la  Universidad  de  Chile.) 
Nr.  20  und  21  Gesch.  d.  Verf. 

22.  Ar9towski,   H.,    La  gön^alogie  des  sciences.    Bruxelles  1897.    (Bulletin  de 

rinstitut  intemat.  de  Bibliographie.) 

23.  Ders.,   Materyaly   do   bibliografii    prac  naukowych  polskich.    Bruksella  1897. 

Nr.  22  und  23  Gesch.  d.  Verf. 

24.  Orsi,    P.,   Esplorazioni  archeologiche  in  Noto  vccchio  (Netum).    Roma  1897. 

(Notiz,  d.  Scavi.)    Gesch.  d.  Verf. 

25.  Montelius,  0.,  Pre-classical  chronology  in  Greece  and  Italy.    London  1897. 

26.  Ders.,  The  Tyrrhenians  in  Greece  and  Italy.    London  1897.    (Jonm.  of  the 

Anthrop.  Inst.) 

27.  Ders.,  Das  Museum  vaterländischer  Alterthümer  in  Stockholm.    Stockholm  1897. 

Nr.  25—27  Gesch.  d.  Verf. 

28.  Schwerdtfeger,   Die  Heimath  der  Homanen.    L   Cruttinnen  1896.    Gesch. 

d.  Verf. 

29.  Brehmer,  W.,  Ueber  die  Lage  von  Alt-Lübeck.    Lübeck  1885.    Gesch.  d. 

Verf. 

30.  Matiegka,  J.,  0  dobe  dospelosti  divek  t  Öechach.  v  Praze  1897.    (Vestnik 

R.  Öeske  spolecnosti  näuk.)    Gesch.  d.  Verf. 

31.  Pic,  J.  L.,  Archaeologicky  vyzkum  ve  stiPednich  öechdch  r.  1895 — 96.  v  Praze 

1897     Gesch.  d.  Verf. 

32.  Brinckmann,  J.,   Die   Sammlung  japanischer   Schwertzierathen  im  Museum 

für  Kunst  und  Gewerbe   zu  Hamburg.    Hamburg   1893.    (Führer  durch 
das   Hamburgische  Museum    für  Kunst   und  Gewerbe.)    Gesch.  d.  Verf. 

33.  Hagen,  K.,  Bericht  über  das  Museum  für  Völkerkunde  (in  Hamburg);  o.  0.  u.  J. 

Gesch.  d.  Verf. 


Sitzung  vom  20.  November  1897. 

Vorsitzender:   Hr.  R.  Virchow. 

Ur.  Waldeyer  nimmt  das  Wort  vor  der  Tagesordnung: 

Meine  Herren!  Ich  bitte  nm  die  Erlaubniss,  unsere  heutige  Sitzung  mit  dem 
Hinweise  auf  einen  Gedächtnisstag  einleiten  zu  dürfen,  der  auch  in  unserer  Mitte 
mit  lebhafter  Freude  und  Befriedigung  begrUsst  werden  wird.  Es  füllt  in  diese 
Zeit  die  Wiederkehr  des  Tages,  an  welchem  Hr.  Rud.  Virchow  vor  50  Jahren  in 
die  Reihe  der  Docenten  unserer  Universität  eintrat!  Zugleich  wurde  vor  50  Jahren 
das  „Archiv  für  pathologische  Anatomie^,  welches  unter  seinem  Namen  ein  Welt- 
Archiv  geworden  ist  und  dessen  150ster  Band  demnächst  vollendet  sein  wird,  von 
ihm  gegründet. 

Wir  gehören  mit  unserer  Gesellschaft  zwar  nicht  dem  üniversitätsverbande  an; 
aber  derselbe  Mann,  der  in  diesem  Verbände  sein  50jähriges.  Jubiläum  feiert  und 
als  Universitätslehrer  der  „Praeceptor  mundi^  seines  Faches  geworden  ist,  hat  auch 
unsere  Gesellschaft  gegründet  und  ist  in  seinem  Wirken  und  in  seiner  Sorge  für 
sie  auch  der  Praeceptor  mnndi  in  der  Anthropologie  geworden!  Dessen  zu  ge- 
denken legt  der  heutige  Tag  uns  nahe;  freuen  wir  uns,  dass  dieser  akademische 
Lehrer  auch  der  unsere  geworden  ist 

Rud.  Virchow  ist  aber  auch  mit  unserer  Gesellschaft  so  verwachsen  und  so 
innig  verbunden,  dass  Alles,  was  uns  trifft,  auch  ihn  trifft,  und  Alles,  was  auf  ihn 
kommt,  auch  unser  Herz  bewegen  muss.  Mit  gerechtem  Stolze  und  mit  reiner 
Freude  kann  er  diese  Gedächtnissfeier  begehen,  eine  Feier,  wie  sie  wohl  kaum  noch 
Jemandem  beschieden  war;  mit  denselben  Empfindungen  schliessen  sicherlich  wir 
Alle  ihm  uns  an  und  geben  insbesondere  darüber  unserer  Freude  Ausdruck,  dass 
wir  ihn,  der  ein  50jähriges  Jubelfest  begeht,  heute  noch  mit  der  Kraft  und  Frische 
eines  jungen  Docenten  in  unserer  Mitte  sehen.  Begrüssen  wir  unsern  Jubilar,  in- 
dem wir  uns  von  unsern  Plätzen  erheben!  — 

(Geschieht.) 

Hr.  Virchow:  Mit  herzlichem  Danke  erwidere  ich  diese  unerwartete  Ehren- 
bezeugung. Die  50 jährige  Feier  meiner  am  6.  November  1846  vollzogenen  Habi- 
litation als  Privatdocent  an  unserer  Universität  lag  ganz  ausserhalb  meiner  Betrach- 
tungen. Mir  war  sogar  der  Termin  so  sehr  aus  der  Erinnerung  gekommen,  dass, 
als  zuerst  durch  Zeitungen  die  Aufmerksamkeit  darauf  gerichtet  wurde  und  An- 
fragen an  mich  wegen  des  Tages  gelangten,  ich  ausser  Stande  war,  sie  zu  beant- 
worten. Erst  durch  eine  Anfrage  bei  dem  Secretariat  der  Universität  erfuhr  ich 
das  genaue  Datum.  Als  dann  liebe  Freunde  den  Gedanken  einer  Feier  anregten, 
gab  ich  meine  Zustimmung,  in  der  Voraussetzung,  dass  nur  ein  kleiner  Kreis  von 
Collegen  daran  betheiligt  sein  werde.  Seitdem  hat  sich  der  Kreis,  zumal  durch 
den  Beitritt  derjenigen,  welche  auch  den  Ehrentag  meines  Archivs  und  seiner 
150  Bände  durch  ihre  Anwesenheit  feierlich  begehen  wollten,   so  sehr  erweitert. 


(480) 

dass  ich,  in  den  Fesseln  meiner  ertheilten  Zusage,  nicht  umhin  konnte,  mich  zu 
fügen.  So  ist  dann  ein  Fest  zu  Stande  gekommen,  ivie  es  gelungener  and  an- 
genehmer nicht  begangen  werden  konnte,  und  ich  darf  ohne  Ueberhebnng  sagen, 
dass  ich  gern  meine  Bedenken  überwanden  habe,  und  dass  die  Erinnerung  an  die 
Theilnahme  so  vieler,  zum  Theil  aus  grosser  Ferne  herbeigeeilter  Freunde  mir 
eine  der  liebsten  Erinnerungen  an  den  Abschlnss  einer  so  langen  Zeit  der  wissen- 
schaftlichen Arbeit  bleiben  wird. 

Sie,  meine  verehrten  Oollegen  von  der  Anthropologischen  Gesellschaft,  wissen 
es,  dass  die  Beschäftigung  mit  der  Anthropologie  eine  der  arbcitsvollsten,  aber  auch 
eine  der  liebsten  unter  den  freiwillig  gewählten  Aufgaben  meines  Lebens  war. 
Ihr  Beifall  sagt  mir,  dass  Sie  es  mit  mir  empfinden,  welche  Befriedigung  der  Rück- 
blick auf  eine  so  dankbare  Thätigkeit  in  mir  hervorruft.  Das  Wachsen  unserer 
Gesellschaft  hat  auch  die  Zahl  der  Helfer  und  Mitarbeiter  stetig  vermehrt,  und  so 
kann  ich  wohl  sagen,  dass  die  Aussicht  auf  eine  glückliche  Zukunft  der  Gesell- 
schaft zu  meinen  liebsten  Hoffnungen  gehört.  Möge  der  Geist  freundschaftlichen 
Zusammenwirkens  und  einträchtigen  Strebens  nach  der  Wahrheit  in  der  Gesell- 
schaft sets  lebendig  bleiben!  — 


Vorsitzender: 

(1)  Als  Gäste  begrüsse  ich  die  Herren  Milchner  und  Graf  Zech.  — 

(2)  Die  Gesellschaft  hat  aus  dem  Kreise  ihrer  ordentlichen  Mitglieder  durch 
den  Tod  verloren: 

den  Geheimen  Medicinalrath  Dr.  Paul  Güterbock  (fl7.  October),  eines  ihrer 
treuesten  Mitglieder,  den  würdigen  Sohn  eines  hochverdienten  Vaters, 

den  Rentier  Louis  Fischer  (f  23.  October),  einen  unermüdlichen  Reisenden, 
der  es  zu  Stande  gebracht  hat,  alle  Rüsten  des  Erdkörpers  zu  sehen, 

den  Consul  Palm-Siemsen  in  Makassar. 

(3)  Aus  dem  Kreise  der  activen  Alterthumsforscher  ist  am  14.  October  ge- 
schieden Professor  Dr.  Julius  Schmidt,  der  Director  des  Provincial-Museums  zu 
Halle  a.  S.,  dem  es  geglückt  ist,  die  stark  vernachlässigte  Sammlung  wieder  in 
eine  wissenschaftliche  Ordnung  zu  bringen  und  in  wichtigen  Richtungen,  insbeson- 
dere für  die  neolithische  Zeit,  zu  erweitem.  — 

(4)  Vorstand  und  Ausschuss  haben  den  Grafen  Eugen  Zichy  in  Budapest  zum 
correspondirenden  Mitgliede  erwählt  — 

(5)  Hr.  Alexander  Makowsky  in  Brunn  dankt  für  seine  Ernennung  zum 
correspondirenden  Mitgliede.  — 

(6)  Als  neues  ordentliches  Mitglied  wird  für  1898  Hr.  Dr.  phil.  Kari 
Weule  in  Steglitz  angemeldet.  — 

(7)  Don  Jose  Rizal,  unser  früheres  Mitglied,  ist,  wie  der  Gesellschaft  schon 
früher  (Verhandl.,  S.  26)  mitgetheilt  wurde,  am  30.  December  in  Manila  auf  Befehl  des 
Gouverneurs,  General  Polaviejo,  standrechtlich  erschossen  worden.  In  der  Nacht 
vor  seinem  Tode  schrieb  der  unglückliche  Tagale  im  Kerker  sein  „letztes  Lebe- 
wohl^ nieder.  Eine  Abschrift  des  schönen  Gedichtes  ist  mir  zugegangen.  Dasselbe 
wird,  sowohl  im  Originaltext,  als  in  der  vortrefflichen  metrischen  üebersetzung  des 
Hrn.  E.  Sei  er,  am  Schlüsse  dieses  Sitzungsberichtes  mitgetheilt  werden.  Der  hohe 


(481) 

poetische  Werth  dieser  Dichtung,  insbesondere  der  patriotische  und  humane  Schwung 
derselben  werden  dazu  beitragen,  die  Erinnerung  an  den  hochbegabten,  edlen 
Märtyrer  zu  erhalten. 

Hr.  Ferd.  Blumen  tritt  hat  in  dem  Internationalen  Archiv  für  Ethnographie 
1897,  X,  eine  auf  authentischen  Nachrichten  begrtindete  Darstellung  der  Ent- 
wickelung,  der  Ziele  und  des  Wesens  RizaPs  veröffentlicht.  Daraus  möge 
hier  nachträglich  angeführt  werden,  dass  derselbe  zu  Oalamba,  einem  kleinen 
Städtchen  der  Provinz  La  Laguna  de  Bay  auf  der  Insel  Luzon  geboren  war.  Seine 
Eltern  waren  Tagalen  (Indios).  Obwohl  ursprünglich  für  den  geistlichen  Stand 
bestimmt,  wendete  er  sich  bald  der  Medicin  zu,  studirte  in  Manila  und  Madrid  und 
wurde  in  letzterem  Ort  zum  Doctor  der  Medicin  und  Philosophie  promovirt.  Seine 
weiteren  Studien  führten  ihn  nach  Paris,  Heidelberg,  Leipzig  und  Berlin.  Von 
hier  kehrte  er  in  sein  Vaterland  zurück  und  schrieb  seinen  berühmt  gewordenen 
Roman  ^Noli  me  tangere^  dessen  freiheitliche  Richtung  ihm  den  Hass  der  Alt- 
spanier zuzog  und  ihn  zur  Auswanderung  zwang.  Er  lebte  dann  in  wechselnder 
Folge  in  Japan,  Nordamerica,  England,  Frankreich  und  Belgien,  wo  er  seinen 
zweiten  politischen  Roman  ^El  Flibusterismo*^  schrieb.  Eine  Zeit  lang  wirkte  er 
dann  als  praktischer  Arzt  in  Hongkong,  wo  er  sich  mit  einer  Engländerin  verhei- 
rathete;  später  ging  er  nach  Britisch -Bomeo,  wo  er  beabsichtigte,  eine  philip- 
pinische Bauerncolonie  zu  begründen.  Von  da  aus  erwirkte  er  sich  die  Erlaubniss, 
vorher  noch  sein  Vaterland  zu  besuchen,  wurde  dort  aber  verhaftet  und  nach 
Dapitan  intemirt.  Als  der  Aufstand  auf  den  Philippinen  ausbrach,  beschuldigte 
man  ihn  der  Anstiftung.  Dreimal  wurde  ihm  der  Process  gemacht,  bei  dem  dritten 
M^le  wurde  er  zum  Tode  verurtheilt. 

In  der  eingehenden  psychologischen  Analyse  des  Mannes,  welche  Hr.  Blumen- 
tritt geliefert  hat,  erwähnt  derselbe,  dass  Rizal  auch  ein  feinfühliger  Künstler 
war,  von  dem  er  selbst  3  Statuen  aus  gebranntem  Thon  besitze:  den  gefesselten 
Prometheus,  den  Sieg  des  Todes  über  das  Leben  und  den  Triumph  der  Wissen- 
schaft (des  Geistes)  über  den  Tod.  Er  schliesst  mit  den  Worten:  „Ein  Feind 
Spanien's  ist  Rizal  nie  gewesen.'^ 

Ein  wohl  getroffenes  Bild  Rizal's  nach  einer  photographischen  Aufnahme  ziert 
den  würdigen  Nekrolog.  — 

(8)  Hr.  Buschan  zeigt  an,  dass  sich  eine  Gesellschaft  für  Völker-  und 
Erdkunde  in  Stettin  gebildet  hat.  Die  erste  General -Versammlung  sollte  am 
22.  October  stattfinden.  — 

(9)  Die  Deutsche  Colonial-Gesellschaft,  Abtheilung  Berlin-Charlotten- 
burg, ladet  für  den  26.  November  zu  einem  durch  Lichtbilder  illustrirten  Vortrage 
des  Hrn.  Reh  bock,  Reisebilder  aus  Deutsch-Süd west-Africa,  ein.  — 

(10)  Der  Verein  „Neue  Menschheit"  hatte  zu  einer  Seance  des  Magnetiseurs 
W.  R.  Scheibler  für  den  22.  October  eingeladen.  — 

(11)  Hr.  Fedor  Schulze  überschickt  aus  Batavia  die 
Fortsetzung  des  Stammbaumes  von  Jacobns.  Leonardns  Martens 

(Zeitschr.  f.  Ethnol.  1896,  S.  237—241,  Taf.  X),  nebst  einer  grossen,  von  ihm  selbst 
im  Mai  1895  aufgenommenen  Photographie  der  angeführten  Familienglieder.  — 

VerbaiidJ.  der  Beri.  Antbropol.  Gefcllsebaft  1897.  3[ 


(48-2) 


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(483) 

(12)  Der  C.  Niederländische  Natur-  und  Heiikundigen-Oongress  ist 
am  23.  und  24.  April  in  Delft  abgehalten  worden.  Hr.  P.  R.  Bos  hat  darin  den 
Plan  einer  ünt^suchung  der  Schulkinder  in  Niederland  in  Betreff  der 
Farbe  von  Haut,  Augen  und  Haar  dargelegt.  Derselbe  schliesst  sich  in  der 
Hauptsache  unserer  deutschen  Schulerhebung  an.  — 

(13)  Hr.  Gehring  hat  im  Zoologischen  Garren  eine  grosse  Kalmücken- 
Karawane  vorgeführt.  Sowohl  Menschen,  als  Thiere  derselben  waren  gute  Bei- 
spiele ihrer  Art.  — 

(14)  Der  Verein  „Wöchnerinnenheim",  Vorsitzende  Prau  Minna  von 
Burchard,  übersendet  unter  dem  7.  d.  Mts.  eine  Aufforderung  zur  Betheiligung 
an  einer  Ausstellung  für  Frauen-  und  Kinderpflege,  welche  Anfang  De- 
cember  in  dem  früher  fUrstl.  Stol bergischen  Palais  stattfinden  soll.  Da  die  Gesellschaft 
ihre  ethnologische  Sammlung  an  das  Museum  für  Völkerkunde  abgegeben  hat,  so 
ist  sie  ausser  Stande,  sich  an  dieser  Ausstellung  zu  betheiligen;  dagegen  ist  der 
Vorstand  des  Trachten-Museums  gewillt,  aus  seinen  reichen  Beständen 
geeignete  Gegenstände  herzuleihen.  — 

(15)  Hr.  M.  Bartels  hat  aus  den  nachgelassenen  Schriften  unseres  Reisenden 
Hrolf  Vaughan  Stevens  eine  Reihe  von  anthropologischen  Bemerkungen 
über  die  Eingeborenen  von  Malacca  zusammengestellt.  Dieselben  sind  im 
Text  der  Zeitschrift  für  Ethnologie,  S.  173  folg.  abgedruckt.  — 

(16)  Hr.  Alfred  Pohl  übersendet  folgenden  Auszug  aus  einer  Arbeit  seines 
verstorbenen  Vaters,  des  Dr.  J.  Pohl  (Pincus)  in  Berlin: 

Die  Qaerschnittform  des  Kopfhaares  der  Kaukasier. 

Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Haarbildungsstätte^). 

Vor  29  Jahren  hat  Pruner  Bey  in  zwei  Abhandlungen  mitgetheilt,  dass  nach 
seinen  Untersuchungen  die  Form  des  Querdurchschnitts  der  Kopfhaare  der  ver- 
schiedenen Völker  der  Erde  typisch  dreifach  verschieden  sei: 

1.  Der  Querschnitt  ist  elliptisch  mit  so  starker  Abplattung,  dass  der  längere 
Durchmesser  etwa  doppelt  so  gross  (oder  noch  grösser)  ist,  als  der  kürzere 
(Neger,  Hottentotten,  Papuas). 

2.  Der  Querschnitt  ist  kreisförmig  oder  annähernd  kreisförmig  (Polynesier, 
Chinesen,  Japaner). 

3.  Der  Querschnitt  hat  eine  zwischen  den  beiden  angegebenen  Formen  sich 
haltende  Mittelform  (die  arischen  Völker). 

Zuverlässige  Beobachter  in  grosser  Zahl  haben  diese  Angaben  nachgeprüft  und 
denselben  theils  zugestimmt,  theils  widersprochen. 

Zustimmung  und  Widerspruch  erklären  sich  aus  der  Beschaffenheit  des  ünter- 
suchungsmaterials  und  der  angewendeten  Methode  der  Prüfung.  Das  Kopfhaar 
des  Menschen  hat  eine  grosse  typische  Länge  (etwa  V^  bis  1  /«),  das  Einzelhaar 
steht  mehrere  Jahre;  aus  diesem  langen  Lebensvcrlauf  des  Einzelhaares  wird  ein 
Querschnitt  untersucht,  welcher  an  einem  Tage  gebildet  worden  ist.    Vorsichtigen 

1}  Aus  ,»Ueber  die  Einwirkung  seelischer  Erregungen  des  Menschen  auf  sein  Kopf- 
haar**. Kaiserl.  Leop.  CaroL  Akademie,  Bd.  LXIV,  No.  2.  In  Commission  bei  Wilhelm 
Engelmann,  Leipzig. 

31  • 


(484) 

Beobachtern  ist  die  hierin  liegende  groftse  Irrthnmsqnelle  auch 
nicht  entgangen;  sie  Italien  vorgeschlagen,  7on  jedem  Einzel- 
haar  mehrere  Stellen  zu  prüren,  welche  in  einem  bestimmten 
VerhältnisH  zum  typischen  Wachstham  ständen  (nahe  der 
Spitze,  am  grösslen  Umfang,  dicht  über  der  Wnrzel,  an  der 
Wurzel),  ofTenbar  Ton  dem  Gedanken  ausgehend,  dasa  die 
Querschnittform  vielleicht  von  den  typischen  Leben se pochen 
des  Einzelhaares  beeinflusst  wUrde. 

Nach  meinen  Untersuchungen  meine  ich  über  das  Haupt- 
haar des  Kankasiers  Folgendes  angsprechen  zu  können: 

Theilt  man  das  ganze  in  der  Haut  befindliche  Stück  Kopf- 
haar (s.  Abb.)  von  der  Basis  der  Papille  bis  zur  Oberfläche  der 
Epidermis  in  drei  Theile,  so  ist  die  Ausreifang  der  in  der  Tiefe 
gebildeten  Zellen  und  die  Zusammenschweiasung  za  einem 
einheitlichen  Gebilde  vollendet  kurz  vor  Beendigung  des  tief- 
sten Drittels.  Das  ganze  mittlere  Drittel  erscheint  phj'sikaliscb 
und  chemisch  annähernd  einheitlich  und  die  Form  seines 
Qaerschnitts  ist  annähernd  die  eines  Kreises. 

An  der  Grenze  des  mittleren  und  oberflächlichen 
Drittels  ändert  sich  dies  verhällDissmässig  plötzlich: 
der  vorher  annähernd  kreisförmige  Querschnitt  erfährt  eine 
Abplattung  (bezw.  die  schon  im  mittleren  Drittel  vorhanden 
gewesene  massige  Abplattung  erfährt  eine  starke  Zunahme) 
und  hiermit  erhält  das  Baar  diejenige  Form,  welche  es  in 
seinem  ganzen  künftigen  Sein  zeigt 

Es  wäre  unmöglich  genesen,  diese  Thatsacbe  als  eine 
allgemein  gültige  zu  ermitteln,  wenn  nicht  das  polarJstrie  Licht 
zur  Verfügung  gestanden  hätte;  die  directc  Ausmessung  der 
Dicke  des  Huares  (parallel  der  Längsaxe  des  Mikroskop-Tubus) 
am  cutanea  Schnitt,  in  der  ganzen  Ausdehnung  von  der 
Papille  bis  zur  Oberfläche  der  Cutis,  an  einer  ausreichenden 
Anzahl  von  Schnitten  und  Köpfen  wäre  eine  nicht  zu  bewäl- 
tigende Aufgabe  gewesen.  Bei  Anwendung  des  polarisirten 
Lichtes  erscheinen  etwa  die  tiefsten  vier  Dreissigstel  des  (im 
vollen  Wacbsthum  bellndlicben)  Kopfhaares  sehr  wenig  licht- 
brechend, die  folgenden  sechs  Dreissigstel  etwa  Braungelb 
oder  Bräunlich -orange  I,  dann  tritt  für  das  ganze  mittlere 
Drittel  eine  annähernd  einheitliche  Farbe  ein,  etwa  Grün  II, 
an  der  Grenze  zwischen  dem  mittleren  nnd  dem  oberfläch- 
lichen Drittel  geht  diese  Farbe  annähernd  plätzlich  Aber  in 
etwa  Gelb  I  oder  Braungelb  I,  wenn  der  Schnitt  so  geführt 
ist,  dass  der  kfirzere  Durchmesser  des  abgeplatteten  Huar- 
cylindcrs  parallel  zur  I-ängsaxe  des  Tubus  liegt  (oder  es  steigt 
das  Grün  II  plötzlich  auf  etwa  Gelblichgrün  II,  wenn  der 
längere  Durchmesser  des  Haarqnerachnittes  parallel  zur  Längs- 
axe des  Tabus  liegt).  In  dieser  umgewandelten  Farbe  er- 
scheint dann  weiterhin  das  zu  Tage  getretene  Haar  tiei  der 
oben  bezeichneten  gewöhnlichen  Lagerung  auf  dem  Object- 
triiger. 

War  mithin,  entgegen  der  allgemeinen  Annahme,  die  liefi'r- 


(485) 

gelegene  Bildongsstätte  des  Kopfhaares  nicht  zugleich  die  Stätte  seiner  definitiven 
Formung,  so  entstand  die  Frage:  welche  Kräfte  diese  Abplattung  des  annähernd 
cylindrisch  vorgebildeten  Haares  bedingen?  und  welcher  Vortheil  dem  Haare  oder 
dem  Organismus  aus  dieser  Formänderung  entstehen  kann? 

Die  cylindrische  Formung  des  Haarschaftes  im  mittleren  Drittel  entspricht 
unseren  Anschauungen  über  die  vortheilhaiteste  Construction  eines  Seiles;  ein 
dickes  Polster  (die  äussere  Wurzelscheide)  und  eine  dicht  anliegende,  sehr  elastische 
Hülle  (die  innere  Wurzelscheide)  machen  uns  verständlich,  dass  alle  in  der  Haut 
wirksamen  mechanischen  Kräfte  jenseit  der  äusseren  Wurzelscheide,  so  ungleich- 
sinnig sie  gerichtet  sind,  doch  auf  den  formbaren  Inhalt  des  Haarbalges  schliess- 
lich in  einem  einheitlichen  Sinne  übertragen  werden. 

An  der  Stelle,  welche  die  angeführte  plötzliche  Abplattung  des  Haares  zeigt, 
finden  sich  vier  für  diese  Abplattung  ätiologisch  in  Betracht  zu  ziehende  Verhält- 
nisse: die  innere  Wurzelscheide  schwindet,  die  äussere  Wurzelscheide  verdünnt 
sich,  es  erscheinen  die  Contouren  der  Talgdrüsen  und  die  unteren  Ansätze  der  den 
Haarbalg  spannenden  Muskelbündel. 

Bei  den  Ausschnitten  ex  mortuo  erscheint  der  obere  freie  Rand  der  inneren 
Wurzelscheide  in  der  Regel  als  ein  Gebilde,  welches  dem  Haare  äusserst  lose 
anliegt,  vielfach  ist  geradezu  ein  erheblicher  freier  Spielraum  im  Präparate  vor- 
handen; die  Figur  ist  an  diesem  Punkte,  der  allgemein  üblichen  Darstellung  ent- 
sprechend, nach  einem  Alcoholpräparate  gezeichnet.  Ich  meine,  dass  schon  eine 
genaue  Betrachtung  dieses  Bildes  in  überzeugender  Weise  belehrt,  dass  die  Ver- 
hältnisse in  vivo  sich  unmöglich  in  dieser  Weise  verhalten  können. 

Schon  Henle  und  Kölliker  hatten  bemerkt,  dass  die  innere  Wurzelscheide 
nahe  ihrem  freien  Ende  dem  Haare  oft  fest  anliege.  Später  hat  v.  Ebner  durch 
sorgfältige  Untersuchung  nachgewiesen,  dass  die  vorher  qualitativ  sehr  differenten 
beiden  Schichten  der  inneren  Wurzelscheide  an  dieser  Stelle  zu  einer  Qualität 
verschmelzen;  er  hat  auch  bemerkt,  dass  ^die  Elemente  dieser  obersten  Partie  der 
inneren  Wurzelscheide  ein  undeutlich  querstreißges,  etwas  gerunzeltes  Ansehen 
zeigen,  so  dass  in  Folge  dessen  im  Flächenbilde  die  innere  Wurzelscheide  hier 
weniger  glashell  erscheint,  als  etwas  weiter  unten. ^ 

Bei  Personen,  deren  Kopfhaut  reichlich  durchsaftet  ist,  und  bei  an  sich  sehr 
verschiedenartigen  pathologischen  Zuständen,  welche  mit  einer  Hyperämie  der 
Cutis  capillitii  verbunden  sind,  gelingt  es,  einzelne  Haare,  bei  sanftem  Zuge  in  der 
Implantationsrichtung  des  Haarbalges,  schon  das  Haar  selbst  mit  einem  grossen 
Theile  der  Adnexa  bis  sehr  nahe  zum  Grunde  herauszuziehen;  unter  diesen  Ob- 
jecten  zeigen  einzelne  genau  die  Verhältnisse,  welche  Ausschnitte  ex  vivo  ergeben 
mit  Ausnahme  der  Partieen  nahe  am  Grunde  des  Haarbalges.  Betrachtet  man  nun 
diese  Präparate  im  polarisirten  Lichte,  so  findet  man,  dass  %n  der  bezeichneten 
Grenzstelle  zwischen  dem  mittleren  und  oberflächlichen  Drittel  die  beiden  hier  zu- 
sammentrefTenden  Polarisationsfarben  sehr  oft  schachbrettartig  wechseln;  die 
Einzelfelder  sind  meist  langgezogene  Rhomboide;  man  sieht  femer  in  jedem 
Falle  an  dieser  Stelle  eine  Anzahl  feiner  Streifen,  senkrecht  zur  Längsaxe  des 
Htiares,  als  einen  Ring  paralleler  Linien  an  der  inneren  Wurzelscheide  herum- 
laufen. Trägt  man  nun  an  einem  solchen  Präparat  die  äusseren  Schichten  des  an- 
haftenden Gewebes  bis  auf  diesen  Ring  vorsichtig  ab,  was  bei  einer  gewissen 
Uebung  in  der  Regel  gelingt,  so  behält  das  Polarisationsbild  alle  die  schachbrett- 
artigen Farbennüancirungen,  welche  es  vorher  bei  unversehrt  breiter  Aussenzone 
gezeigt  hatte;  durchschneidet  man  hingegen  auch  diesen  Ring  und  ent- 
fernt man  ihn  vorsichtig,  so  verschwindet  nach  mehreren  Minuten  das 


(486) 

frühere  Bild  der  schachbrettartigen  zweifachen  Färbung,  die  Stelle  er- 
scheint vielmehr  in  der  Polarisationsfarbe  des  tiefer  gelegenen,  nicht  abgeplatte- 
ten Haarabschnittes'}. 

Es  übt  mithin  der  oberste  Theil  der  inneren  Warzeischeide  eine 
stark  einschnürende  Einwirkung  auf  das  Haar;  es  besteht  nach  meiner 
Auffassung  der  Verhältnisse  die  Berechtigung,  dies  Yerhältniss  als  eine  Function 
der  inneren  Wurzelscheide  anzusprechen.  Die  chemische  Umwandlung,  welche  die 
einzelnen  Zellen  der  inneren  Wurzelscheide  auf  ihrem  Wege  von  der  Papille  bi» 
zum.  freien  Rande  allmählich  erfahren,  ist  in  ihren  Details  unbekannt;  eine  mecha- 
nische Folge  dieser  Wandlung  ist  eine  starke  Verengerung  des  obersten  Tbeiles  de» 
Cylinders:  derselbe  wirkt  als  Schntirring. 

Es  soll  an  dieser  Stelle  zugleich  kurz  bemerkt  werden,  dass,  wie  die  Prüfung^ 
mit  dem  polarisirten  Lichte  ergiebt,  noch  an  drei  anderen  Punkten  der  Cutis  eine 
schnürende  Anordnung  getroffen  ist.  Der  erste,  tiefste  Punkt  liegt  dicht  über  der 
Papille.  Der  Grad  dieser  Schnürung  scheint,  wenigstens  für  einen  grossen  Theil  der 
Kopfhaare,  ausschliesslich  anderer  späterer  Einwirkungen,  darüber  zu  entscheiden, 
welche  Form  das  Wurzelknötchen  des  ausfallenden  Haares  zeigt;  die  Untersuchung 
der  Wurzelknötchen  im  polarisirten  Lichte  ergiebt,  dass  die  Schntlrung  bald  kaum 
angedeutet,  bald  massig,  bald  sehr  erheblich  ist,  und  zwar  ganz  unabhängig 
von  der  Dicke  des  Haares,  und  diese  Untersuchung  gestattet  einen  Einblick  in 
den  Spannungszustand  der  tiefsten  Schichten  der  Cutis,  welcher  auf 
keinem  anderen  Wege  gewonnen  werden  kann').  Der  zweite  schnürende 
King,  etwa  an  der  Grenze  zwischen  dem  tief  gelegenen  und  dem  mittleren  Drittel  des 
Balges,  bedingt  die  Einheitlichkeit  des  optischen  Bildes  des  Haares  im  mittleren 
Drittel  seines  cutanen  Verlaufes.  Vorher  zeigte  sich  sehr  ausgesprochene  Faserunir: 
nachdem  der  Ring  passirt  ist,  schwindet  das  faserige  Aussehen  oft  gänzlich  und  es 
erscheint  die  angegebene  starke  Doppelbrechung.  Der  dritte  Ring  ist  der  ein- 
gehend besprochene  an  der  Grenze  zwischen  dem  mittleren  und  oberflächlichen 
Drittel  des  cutanen  Verlaufes.  Der  vierte  Punkt  liegt  in  der  mittleren  Schicht  des 
Rete  Malpighii;  die  Schnürung  ist  jedoch  an  dieser  Stelle  nur  an  einem  Theile  der 
Haare  zu  erkennen. 

Wenn  vorher  ausdrücklich  angegeben  worden,  dass  bei  dem  dritten  Schnürring^ 
am  oberen  freien  Rande  der  inneren  Wurzelscheide  die  Polarisationsfarbe,  also  die 
Veränderung  des  Druckes,  keine  Veränderung  erfahre,  auch  nachdem  alle  nach 
aussen  von  der  inneren  Wurzelscheide  gelegenen  Gewebstheile  entfernt  worden 
waren,  so  sollte  selbstverständlich  hiermit  nicht  gesagt  sein,  dass  die  Druckwirkung* 
nur  von  der  inneren  Scheide  herrühre,  vielmehr  nehmen  die  meisten  Wandschichten 
im  gleichen  Sinne  Antheil,  wie  die  circuläre  Richtung  ihrer  im  Bilde  vorsprin- 
genden Linien  beweist;  allein  es  giebt  keine  Methode,  die  wirkliche  Druckleistung 
zu  messen.  Es  ist  unausbleiblich,  dass  feine  Beziehungen  der  einzelnen  Bestand- 
theile  der  Haarbildungsstätte  zu  einander  uns  darum  entgehen,  weil  die  Ablösung 
der  Cutis  von  ihrer  Unterlage  uns  ein  richtiges  Bild  von  der  Längs- 
Spannung  des  Uaarbalges  nicht  gewinnen  lässt. 

1)  Die  erhebliche  Aendemng  der  Polarisationsfarbe  an  der  Stelle,  an  welcher  die 
innere  Wunelscheide  endigt,  konnte  ansschliesslich  von  dem  Fortfall  der  inneren 
Wnnelscheide  herrühren,  deren  Elemente  ein  starkes  Brecbnngsvermögen  besitsen.  Dies« 
zunächst  liegende  Annahme  bei  der  gewöhnlichen  Lagerung  des  glficklich  gefUuten 
Schnittes  erwies  sich  bei  der  anderen  Lagemng  (längerer  Querdurchmc^ser  in  der  Rich- 
tung des  Tubns)  und  vollends  bei  der  angegebenen  Prftparation  als  unhaltbar. 

2)  Vgl.  Verf.  „Das  Polarisirte  Licht  als  Erkennungsmittol  für  die  Erregungs-Znstlnde 
der  Nerven  der  Kopfhaut'.    Berlin  1886. 


(487) 

An  den  anderen  Schnürringen  ist  die  gleichzeitige  Betbeiligang  der  etwas 
weiter  nach  aussen  gelegenen  Qewebsschichten  in  der  Regel  anatomisch  deutlich 
ausgesprochen.  — 

Wenn  die  Endwirkung  eines  Schnürringes  in  der  Abplattung  eines  cylindrisch 
vorgebildeten  Körpers  besteht,  so  muss  wenigstens  an  einer  Stelle  des  Ringes  die 
Intensität  des  Druckes  geringer  sein;  eine  anatomische  Basis  für  ein  solches  Ver- 
hältniss  hat  sich  mir  nicht  ergeben.  Es  scheint  auch  nicht  angängig,  für  die  Ent- 
stehung der  Abplattung  auf  die  allgemeine  Spannungsrichtung  der  Haut  zurückzu- 
gehen, denn  bei  Querschnitten  der  Kopfhaut  liegt  die  Abplattung  derjenigen  Haare, 
welche  in  einem  Haarkreise  zusammen  stehen,  nicht  immer  in  derselben  Richtung; 
es  fehlt  überdies  auch  jedes  Recht  zu  der  Annahme,  dass  diese  Spannungsrichtung 
sich  plötzlich  und  mit  solcher  Stärke  gerade  in  einer  bestimmten  Tiefe  der  Haut 
geltend  machen  sollte.  Eine  dritte  mögliche  Ursache  für  die  Entstehung  der  Ab- 
plattung könnte  gesucht  werden  in  einer  mechanischen  Kraft,  welche  direct  in  loco, 
an  einer  Seite  entspannend,  angriffe:  die  schrägen  Muskelbündel  der  Cutis 
treten  in  dieser  Tiefe  an  den  Haarbalg  heran;  so  lange  die  Haut  in  der  Gleich- 
gewichtslage sich  befindet,  werden  wir  uns  den  Spannungs-Grad  dieser  „Haar- 
balgspanner^,  wenigstens  nach  meiner  Meinung,  nicht  als  sehr  erheblich  vorstellen 
dürfen;  aber  soweit  die  Spannung  überhaupt  wirkt,  kann  sie  (ich  muss  hier 
wiederum  hinzufügen:  wenigstens  nach  meiner  Beurtheilung  der  anatomischen  Ver- 
hältnisse) nur  den  Erfolg  haben,  dass  am  Haarbalge  die  dort  wirkenden,  gegen  die 
Längsaxe  des  Haares  hin  gerichteten  Druckwirkungen  der  übrigen  Aussentheile 
herabgesetzt  werden,  die  Muskeln  sind  daher  in  der  Gleichgewichtslage  und  bis 
zu  hohen  Graden  der  Contraction  bezüglich  der  radiären  Richtun«^  Entspann  er 
einzelner  Punkte  der  Haarhüllen;  bei  dem  innigen  Connex  der  einzelnen 
Hüllen  muss  sich  aber  die  von  aussen  herantretende  Entspannung  bis  zum  um- 
schlossenen Haare  selbst  fortsetzen,  und  die  bei  der  Temperatur  der  Cutis  zäh- 
weiche Masse  des  Haares  muss  unter  dem  stärkeren  Druck  der  übrigen  Peripherie 
des  Ringes  der  Entspannungsrichtung  folgen. 

Vielleicht  darf  ich  ausdrücklich  sagen :  ich  hatte  in  den  ersten  Jahren,  nament- 
lich nach  der  Analyse  pathologischer  Beobachtungen,  die  Vermuthung,  dass  die 
Abplattung  des  Haarcylinders  in  der  That  direct  auf  Rechnung  der  M.  arrectores 
pilorum  zu  setzen  sei. 

Die  Prüfung  wurde  auf  anatomischem  Wege  versucht: 

Von  kräftigen  Menschen  mit  gutem  Haarwuchs,  welche  durch  Unglücksfälle 
oder  durch  acute  Krankheiten  hingerafft  worden  waren,  wurden  kleine  Stücke  der 
Kopfhaut  parallel  der  Oberfläche  der  Haut  in  lückenlose  Schnitte  zerlegt;  man  er- 
hält bis  nahe  zur  Basis  der  Haarbälge  50  bis  00  Parallelscheiben;  es  wurde  Sorge 
getragen,  dieselben  richtig  zu  registriren.  Zur  Controle  wurden  ausserdem  an  einem 
anderen  Hautstück  einige  Schnitte  senkrecht  zur  Oberfläche  gemacht. 

Das  Ergebniss  der  Prüfung,  welche  hier  nur  kurz  zusammengefasst  werden 
soll,  war  folgendes: 

In  der  tieferen  Hälfte  der  Haut  fanden  sich  neben  annähernd  kreisförmigen 
Querschnitten  vielfach  annähernd  elliptische;  mochte  man  unter  dem  Druck  der 
Vormeinung  nun  auch  zunächst  annehmen,  dass  alle  diese  ovalen  Umrisse  von 
Schnitten  herrührten,  welche  die  Längsaxe  des  Haares  nicht  senkrecht  getioffen 
hatten,  so  musste  diese  Vormeinung  doch  völlig  aufgegeben  werden,  als  auch  ver- 
schiedenartig eingebuchtete  Formen  erschienen,  wie  man  sie  am  fertig  gebildeten 
Gesammthaar  mitunter  findet. 


(488) 

Etwa  in  der  Mitte  der  ganzen  Dicke  der  Haut  zeigten  nun  allerdings  die 
meisten  Haare  annähernd  kreisförmige  Querschnitte;  wo  aber  alsdann  in  einem 
der  folgenden  Schnitte  die  ersten,  wenn  auch  schmälsten  Umrisse 
eines  Lappens  der  Talgdrüsen  erschienen,  zeigten  die  an  die  Talg- 
drüse anstossenden  Haare  in  ausgesprochenstem  Grade  die  Abplattung 
ihrer  Querschnitte,  und  in  derjenigen  Region,  in  welcher  die  Talgdrtlsen  ebenso 
viel  oder  mehr  Raum  einnahmen,  als  die  Haarbälge,  fanden  sich  die  meisten  Haare 
abgeplattet  und  ihre  kürzeren  Durchmesser  in  der  Richtung  des  anlagernden  Talg- 
drüsenlappens. 

Wo  in  dieser  Höhe  der  Cutis  die  Arrectores  pilornm  dem  Haarbalg  anliegen, 
befinden  sie  sich  in  den  klar  erkennbaren  Fällen  in  der  Richtung  des  längeren 
Durchmessers  des  abgeplatteten  Haares,  also  entsprechend  der  vorher  ^äussert^n 
Annahme  von  ihrer  entspannenden,  den  Haarcylinder  indirect  in  die  Breite  ziehenden 
Wirkung;  allein  man  wird  dieses  Lageverhältniss  trotzdem  nicht  als  einen  Beweis 
für  die  Richtigkeit  jener  Hypothese  ansehen  dürfen,  denn  es  bleibt  den  Muskelfaden 
kein  anderer  Weg  der  Annäherung  an  den  Haarbalg  frei. 

Hieraus  lässt  sich  folgern:  die  Abplattung  des  annähernd  cylindrisch 
vorgebildeten  Haares  des  Raukasiers  kommt  auf  Rechnung  der  Talg- 
drüsen, welche  als  Walzen  auf  das  Haar  einwirken. 

Bezüglich  der  Gesammtanordnung  der  Cutis  möchte  ich  nur  noch  angeben,  dass 
einerseits  der  Grund  der  Talgdrüsen  tiefer  hinabreicht  und  andererseits  das  Fett 
höher  hinaufsteigt,  als  in  den  Abbildungen  normaler  Cutis  gewöhnlich  dar- 
gestellt ist. 

Einen  Nutzen*;  welchen  der  Kaukasier  von  der  Abplattung  seiner  Kopfhaare 
hätte,  weiss  ich  nicht  anzugeben.  Vielleicht  führt  eine  Vergleichung  mit  der 
Haut  z.  B.  des  Japaners  zur  Erkenntnis;  mir  hat  sich  bisher  zu  einer  solchen  Ver- 
gleichung keine  Gelegenheit  ergeben.    — 

(17)  Hr.  Georg  Schwein furth  meldet  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden 
vom  16.  d.  M.  seine  Ankunft  in  Palermo  und  bemerkt  Folgendes  über 

die  sicilianische  Flora. 

Als  wir  hier  am  13.  d.  Mts.  anlangten,  war  der  Contrast  mit  dem  Klima  des 
Festlandes  ein  überraschender  (heute  Mittags  -f  22°C.  im  Schatten).  November 
scheint  hier,  wie  in  Aegypten,  noch  zu  den  Sommermonaten  zu  gehören!  Regen 
ist  noch  keiner  gekommen.  Die  Berge  erscheinen  in  düsteres  Grau  gehüllt  und 
auf  den  Blättern  in  der  Nähe  der  Fahrwege  lagern  dicke  Staubkrusten.  Seit- 
abwärts  aber  ist  die  Gartenflora  eine  um  so  mehr  überraschende.  Ich  hatte  mir  das 
gar  nicht  so  interessant  vorgestellt,  namentlich  im  Verhältniss  zu  Aegypten. 

Auch  die  Fruchtbarkeit  ist  etwas  ganz  Unerklärliches.  Der  klimatische  Unter- 
schied erscheint  nur  gering,  es  gedeiht  hier  so  ziemlich  Alles,  was  Aegypten  hervor- 
bringt: im  botanischen  Garten  steht  eine  hohe  grosse  Sykomore,  eine  ächte 
und  auch  Lebbek-Akazien  sind  im  Freien  vorhanden.  An  exotischen  Palmen  ist 
Palermo  Aegypten  weit  überlegen,  trotz  der  grossen  Dürre  des  Sommers.  Was 
mich  am  meisten  überrascht,  ist  die  Anwesenheit  derselben  grossen  Ficus-Arten, 
die  auch  in  Aegypten  die  Aufmerksamkeit  der  Besucher  auf  sich  lenken,  mit 
alleiniger  Ausnahme  des  Banjanbaumes,  F.  bengalensis,  für  den  die  hiesige  Luft 
vielleicht  um  2^  zu  niedrig  ist  Es  giebt  hier  als  die  gemeinste  Ficns-Art  einen 
prachtvollen  Baum,  den  ich  am  Canal  bei  Alexandria  bereits  1863  auffand  und 
den    niemand  zu    bestimmen    wusste,    weil  er  eben  neu  war  und  neu  von  Borzi 


(489) 

iils  F.  maj^nolioidca  beschrieben  werden  musste.  Dieser  und  eine  Menge  anderer 
Gitrtenge wachse  sind  in  neuerer  Zeit  von  hier  nach  Aegypten  gelangt.  Palermo 
VAT  am  AnfuDg  des  Jahrhunderts  eine  Pflanzstätte  von  allerhand  botanischen 
Merkwürdigkeiten  und  es  heisst,  dass  die  Könige  durch  Nelson  seltene  Gewächse 
aas  entlegeneo  Ländern  za  beziehen  wussten.  Ich  hoffe  für  manche  Arten  hier 
ihre  Wanderungageschichte  zu  eniiren.  Der  Director  des  Botanischen  Garlens, 
Proressor  Borzi,  hält  sein  Institut  in  musterhafter  Ordnung;  es  wäre  zu 
wünschen,  daaa  man  in  Palermo  etwas  Aehnliches  wie  in  Buitenzorg  herstellte,  zum 
Stadium  für  die  Botaniker  aller  Länder.  — 

(18)  Das  correspondirende  Mitglied  Hr.  Victor  Gross  in  NeuTcville  schreibt 
unter  dem  3.  November  über  ein 

Bronze-ArntboDd  von  Seiri^res  bei  Nencbätel 

Ci-joint    la   Photographie   d'nn  y 

bracelct  de  bronze  tronr^  en  terre 
dans  le  voisinage  de  Neuchätcl, 
an  pcn  au-dessas  du  village  de 
Serrieres,  ä  un  endroit  oü  Lose  a 
dt'couvert  en  1837  plusieurs  tom- 
beaux,  quiilifics  de  romains! 

Cette  piecc  qui  pese  38  g  et  a 
T  ein  de  diametre,  est  interessante, 
moins  par  sa  Tormc  que  par  l'appen- 
dice  en  Torme  de  grclot  qu'elle 
porte.  Cet  appendicc  fondu  d'un 
seul  jet,  prt'sentc  quelque  analogie 
arec  la  piüce  fignree  dans  les  Proto- 
helvetes,  pl.  XVllI  flg.  45  et  renfer- 
mant  appnremmenl  quelque  debris  de 
pierre  ou  de  metal,   destine  ü  faire 

Dans  le  cos  oü  la  trouvaille  de 
pieces  de  ce  genre  aerait  paivenue  u 
Totre  conniiissanee,  vous  m'obligeriez 
on  nie  le  faisant  savoir.  — 

(19)  Hr.  Rud.  Virchow  berichtet  Über  die 

Dnrchschneidnng  des  Schlossberges  bei  Bnrg  a.  Spree. 

Nachdem  Ich  der  Gesellschaft  in  der  Sitzung  vom  IT.  Juli  (Verb.  8.  314)  den 
Abscblnss  der  behördlichen  Vorverhandlungen  Über  den  Eisenbahnbau,  welcher 
unseren  allen  Schlossberg  im  Spreewalde  dnrchschneiden  sollte,  vorgelegt  hatte, 
sind  die  Arbeilen  in  der  bezeichneten  Richtung  thatsachiich  in  Angriff  genommen 
worden.  Die  Herren  Voss  und  Götze  sind  wiederholt  iin  ürl  und  Stelle  ge- 
wesen, und  Hr.  Apotheker  Petermann  in  Burg  hat  die  Sammlang  der  Fand- 
stücke  Obemommen.  Ein  Theil  derselben  ist  schon  an  das  Museum  für  Völker- 
kunde abgeliefert  worden.  Es  schien  mir  daher  an  der  Zeit,  durch  einen  Besuch 
mir  eine  directe  Anschauung  zu  verschaffen,    und  ich    unternahm   am    18.  October 


(490) 

mit  Hrn.  Voss  in  Begleitung  des  Baaunternehmers  Hrn.  J.  Becker  die  Reise 
dahin.  Es  war  ein  prächtiger  Sommertag:  die  Sonne  lag  warm  über  der  Land- 
schaft und  wir  konnten  im  einfachen  Bock  den  ganzen  Tag  aushalten. 

Da  die  Herren  vom  Museum  besser  in  der  Lage  sind  und  noch  mehr  seiu 
werden,  das  Einzelne  zu  übersehen,  so  will  ich  ihrer  Beschreibung  nicht  Torgreifen. 
Es  wird  heute  genügen,  nur  eine  kurze  Skizze  des  hergestellten  Verhältnisses  zu 
geben.  Der  Durchschnitt  durch  den  Berg  ist  in  seinem  westlichen  Theile  fast 
ganz  vollendet,  in  der  Mitte  bis  nahe  an  die  vorgezeichnete  Tiefe  gelangt  und 
nur  der  etwas  höhere  Wall  an  der  Ostseite  ist  noch  zu  tiberwinden.  Ueberall 
ist  man  nach  Durchstechung  einer  verschieden  starken  Humusdecke  auf  gelben 
Sand  gekommen,  der  gewiss  zu  einem  grösseren  Theil  einer  natürlichen  Boden- 
schwelle angehört,  zum  kleinen  Theil  auch  vielleicht  aufgetragen  ist  In  der 
Humusschicht  liegen  zerstreut  zahlreiche  Thonscherbcn,  Thierknochen  und  Kohlen. 
Die  ersteren  sind  an  den  meisten,  jetzt  aufgedeckten  Stellen,  welche  eben  der 
grossen,  kesselartigen  Vertiefung  im  Innern  des  Walles  angehören,  älterer  Herkunft 
wie  wir  sie  schon  früher  wiederholt  nachgewiesen  haben;  ausgemacht  sla- 
vische  Reste  sind  hier  sehr  spärlich.  Unter  den  älteren  bemerkte  ich 
Bruchstücke  von  flachen,  gut  geglätteten,  mit  einem  schwach  umgebogenen  Rande 
versehenen  und  entschieden  helleren  Schalen,  wie  sie  die  benachbarten  Gräberfelder 
häufig  zeigen,  jedoch  auch  schöne  schwarze,  gleichfalls  glatte  und  wahrscheinlich 
grösseren  Schalen  angehörige  Fragmente.  Gröbere,  recht  unregelmässige  Bruch- 
stücke, mit  schmalen  und  breiten,  aber  sehr  unsicher  gezogenen  Horizontal-Furchen, 
darunter  ein  Stück,  dessen  Rand  eine  Reihe  schräger,  parallel  gestellter,  tiefer  Ein- 
drücke zeigt,  dürften  wegen  der  dichten,  mehr  gelblichen  BcschafiTenheit  des 
Thons  ebenfalls  der  älteren  Zeit  zugerechnet  werden.  Endlich  fanden  sich  zahl- 
reich sehr  dicke  Scherben  mit  fast  senkrechten  Flächen,  über  welche  eine  schwach 
erhabene  Leiste  mit  breiten,  tiefen  und  sehr  unregelmässigen,  aber  kurzen  und 
stets  senkrechten  Eindrücken  hinweglief.  Die  Thierknochen  waren  grosaentheUs 
zerschlagen,  jedoch  fanden  sich  auch  grössere,  bearbeitete  Stücke,  insbesondere 
solche  von  Hirschgeweihen  mit  scharfrandigen  Verletzungen.  Die  Lage  der  ein- 
zelnen Stücke  war  zu  unregelmässig,  um  sofort  eine  Classification  zu  gestatten; 
ich  fand  nur  einen  schön  geglätteten  Schlittknochen.  Das  merkwürdigste  Fund- 
stück, das  ich  jedoch  nicht  gesehen  habe,  war  ein  grosser  Thierschädel,  der  einem 
Bären  zugeschrieben  ist  Er  wurde  in  der  Mitte  des  Kessels  gefunden,  wo  eine 
grössere  Anzahl  von  Geschiebeblöcken  über  eine  viereckige  Fläche  von  bei- 
läufig 4  m  im  Quadrat  zusammengestellt  war.  Die  Kohlen  waren  an  gewissen 
Stellen  gehäuft;  hier  Hessen  sich  auch  grössere,  verkohlte  Stammstücke  gewinnen. 
Von  Metall  war  ausser  einigen  Nadeln  und  einem  Sichel messer  von  Bronze,  so- 
wie spärlichen  Eisensachen  wenig  zu  Tage  gekommen;  das  einzige  bemerken»- 
werthc  Stück,  über  welches  ich  den  anderen  Herren  das  Nähere  vorbehalte,  hatt« 
sich  ausserhalb  des  Walles  an  einer  Stelle,  welche  kein  sicheres  Indicinm  für  die 
Zugehörigkeit  darzubieten  schien,  vorgefunden. 

Nach  dieser  sehr  summarischen  Uebersicht  hat  sich  also  unsere  alte  Auffassung, 
der  ich  wiederholt  Ausdruck  gegeben  habe,  bestätigt,  dass  die  eigentliche 
Grundlage  des  Walles  der  vorslavischen  Zeit  zuzurechnen  ist  Wir 
können  nur  Wünsche  ausdrücken,  dass  die  Ausgrabung  wenigstens  stellenweise 
tiefer  geführt  werde,  als  das  unmittelbare  Interesse  der  Bauverwaltung  er- 
fordert. Inwiefern  auch  an  anderen  Stellen  ausserhalb  des  Durchschnittes  neue 
Ausgrabungen  vorzunehmen  sein  möchten,  wird  späterer  Entschliessnng  vorzu- 
behalten sein. 


(491) 

Nicht  ohne  grosse  Befriedigung  darf  ich  hervorheben,  dass  die  von  mir  Tom 
Anfang  an  betonte  Noth wendigkeit,  die  äussere  Gestalt  des  ehrwürdigen  Bauwerkes 
zu  sichern,  durch  die  Wahl  der  Durchschnittsrichtnng  in  volle  Erfüllung  gegangen 
ist.  Noch  imroer  liegt  der  Schlossberg  in  seiner  imposanten  Gestalt  da,  obwohl 
ein  so  grosser  Durchschnitt  ausgeführt  ist,  und  es  steht  zu  erwarten,  dass  auch 
spätere  Geschlechter  den  vollen  Eindi-uck  der  Grösse  und  Form  des  Walles 
empfangen  werden.  Gewisse  Schwierigkeiten,  welche  sich  in  Bezog  auf  den  de- 
finitiven Verbleib  der  Fundstücke  durch  die  begreifliche  Eifersucht  der  Nachbar- 
orte, von  denen  jedes  ein  Museum  für  sich  bilden  möchte,  ergeben  haben,  sind 
vorläufig  zurückgestellt.  Die  Fundstücke  werden  zunächst  sämmtlich  gesammelt 
und  an  das  Königliche  Museum  in  Berlin  abgeliefert.  Wie  mir  scheint,  steht 
nichts  entgegen,  in  naher  Zukunft  eine  Theilung  vorzunehmen,  welche  auch  der 
Wissbegierde  der  Nachbarn  allen  Spielraum  lässt.  — 

Wir  fanden  nach  Erledigung  unserer  Aufgabe  noch  genügende  Zeit,  die  uns 
freundlichst  gebotene  Gastfreundschaft  des  Besitzers  der  allen  Besuchern  des 
Spreewaldes  bekannten  Spreemühle,  des  Hrn.  Habermann,  zu  gemessen,  und 
nachher  noch  eine  Kahnfahrt  die  Spree  hinab  zu  veranstalten.  In  Gesellschaft  des 
Hrn.  Voss  und  meiner  jüngsten  Tochter  Hanna  durchfuhr  ich  die  schöne  Wasser- 
strasse^  mit  ihrer  prächtigen  Einfassung  stattlicher  Bäume;  aber  der  Anblick  war 
sehr  beeinträcht  durch  die  Ueberschwemmung,  welche  schon  seit  Anfang  des 
Jahres  fast  das  ganze  Wiesengobiet  unter  Wasser  gesetzt  und  die  Ernte  an  vielen 
Orten  gänzlich  zerstört  hat.  Die  armen  Leute  hatten  vielfach  nicht  einmal  Ge- 
legenheit gehabt,  das  Gras  zu  mähen  und  Futtervorrath  für  den  Winter  zu 
sammeln.  Auch  Hülfe  von  ausserhalb  war  hier  nicht  gebracht  worden.  Glück- 
licherweise gelang  es  mir,  die  Aufmerksamkeit  des  Berliner  Comites  diesem 
Nothzustande  zuzuwenden.  So  ist  denn  dem  Spreewalde,  wenngleich  etwas  spät, 
eine  Beihülfe  von  30  000  Mark  gewährt  worden. 

Vor  unserer  Abreise  musterten  wir  noch  die  grosse  und  musterhaft  geordnete 
Sammlung  des  Hm.  Petermann,  der  insbesondere  aus  Gräbern  der  Hallstattzeit 
eine  Fülle  gut  erhaltener  Thongeräthc  aufgehäuft  hat.  — 

(20)  Hr.   Paul  Sartori   in  Dortmund   übersendet   unter   dem    10.  Juni   eine 

grössere  Abhandlang  über 

das  ßauopfer. 

Dieselbe  wird  im  ersten  Hefte  des  neuen  Bandes  der  Zeitschrift  für  Ethno- 
logie erscheinen.  — 

(21)  Hr.  W.  V.  Schulen  bürg  schickt  aus  Baden-Baden,  15.  November, 
eine  Reihe  von  Einzelmittheilnngen.    Es  sind  folgende: 

1.  Die  ELnotenzeichen  der  Müller. 

Ein  Verfahren,  sich  darch  Knoten  Aufzeichnungen  zu  machen,  um  dem  Ge- 
dächtniss  zu  Hülfe  zu  kommen,  herrscht  noch  heute  bei  den  Müllern  auf  dem 
Lande  in  Baden  (Gegend  von  Bühl  und  Achem),  und  wohl  auch  weiterhin  in 
Deutschland.  Allerdings  handelt  es  sich  nur  um  wenige  Zeichen  für  eine  kleine 
Anzahl  von  Begriffen.  Die  folgenden  Angaben  habe  ich  festgestellt  nach  den  wieder- 
holentlichen  Mittheilungen  des  Hrn.  Joseph  Niethammer,  vormals  Müllers  in 
Zell  bei  Bühl. 

Die  Knotenzeichen  werden  angewendet,  um  sich  in  der  Fülle  von  Mahl- 
aufträgen  zurecht  zu  finden.  Sie  sind  aber  nur  noch  üblich  auf  den  Kunden- 
mtthlen,  d.h.  den  kleineren  Mühlen  auf  dem  Lande,  nicht  in  dengrossen  Kunst- 
mflhlen.    Wie  bekannt,    ist  an  jedem  Sack  oder  Säckel  eire  Schnur  (Strippe, 


(492) 

Bindfaden)  befestigt  zum  Zubinden  desselben.  Wenn  die  Schnur  am  Sack  fehlt, 
so  nimmt  man  eine  besondere  lose  Schnur  zum  Zubinden. 

Es  giebt  ihrer  Bedeutung  nach  zweierlei  Knotenzeichen.  Die  einen  zeigen 
eine  gewisse  Menge,  Maasse,  an;  die  andern  eine  Sorte  Mehl. 

Die  Knoten  ftlr  Maasse  bedeuten:  1  Määssel,  2  Määssel,  ^2  Seschter  (auf 
dem  Lande  auch  S simmer  genannt),  1  Sester,  2  Sester,  6  Sester.  Es  ist  Vi  Sester 
^  5  Määssel,  1  Sester  =  10  Määssel  ^).  Es  sind  dies  alte  Maasse,  die  noch  jetzt  auf 
dem  Lande  hier  bei  Müllern  und  Bauern  in  Geltung  sind. 

Die  Zeichen  für  Mehl  arten  bedeuten:  Saumehl  (auch  Rummehl  genannt); 
nicht  ausgemahlen;  Boll  (der  allererste  Zug  von  Weissmehl,  grobes, 
schlechtestes  Mehl);  zweite  Sorte  Semel;  feinste  Sorte  Semel.  Zu  be- 
merken ist,  dnss  das  Zeichen  für  Saumehl  und  für  nicht  ausgemahlen  das- 
selbe ist.  Die  Bedeutung  nicht  ausgemahlen  gilt  aber  nur,  wenn  das  Zeichen 
(Pig.  9)  an  einem  Sack  mit  Brotfrucht  (Roggen,  Gerste,  Einkorn)  gemacht  winL 
Diese  Zeichen  für  Mehlarten  gelten  aber  ausschliesslich  nur  für  den  Verkehr 
zwischen  Müller  und  Beck  (Becker). 

Das  Doppelte,  und  zwar  2  Massel  und  2  Sester,  kann  angedeutet  werden,  ent- 
weder indem  man  durch  den  betreffenden  Knoten  eine  zweite  Schnur  durchzieht 
(Pig.  2  u.  6),  oder  indem  man  den  Knoten  mit  einer  Doppelscbnur  bindet  (Fig.  3  u.  7). 


Fig.  1  =  1  Määssel.  -  Fig.  2,  3  =  2  Määssel.   -  Fig.  4  =  V,  Sester. 

y 


Fig.  6  =  1  Sester.  —  Fig.  6,  7  =  2  Sester. 


Fig.  8  =  6  Sester.  —  Fig.  9:  a)  =  Sanmehl:  h)  -  nicht  aus <rc mahlen.  —  Pig.  10  =  Boll. 


Fig.  11  =  zweite  Sorte  Semmel. 


Fig.  12  =  feinste  Sorte  Semmel. 


1)  10  Sester  =  1  Malter. 


(493) 

Das  Mässelzeichen  ist  wie  ein  gewöhnlicher  Knopf  (Knoten),  nur  lose,  nicht 
fest  zusammengezogen. 

Das  Zeichen  für  das  Saumehl  oder  Rummehl  und  für  nicht  ausge- 
mahlen (Fig.  9)  besteht  aus  einem  Sc  hl  auf  (Schleife),  der  durch  ein  Mässel- 
zeichen durchgezogen  ist 

Das  Zeichen  für  die  Boll  (Fig.  10)  besteht  aas  einem  Schiauf,  der  durch 
ein  Sesterzeichen  durchgezogen  ist. 

Das  Zeichen  für  die  zweite  Sorte  Semel  (Semmel  in  Norddeutschland 
gesprochen),  Fig.  11,  besteht  aus  einem  Zöpfchen  a,  dem  Semclzeichen.  Der 
Knopf  (Knoten)  bei  h  und  c  wird  nur  gemacht,  dass  das  Zöpfchen  nicht 
aufgeht. 

Das  Zeichen  für  die  feinste  Sorte  Semel  (Fig.  12)  besteht  aus  dem  Semel- 
zeichen  a  (dem  Zöpfchen),  und  einem  Mässelzeichen  d.  Der  Knopf  bei  b  und  c 
ist  nur  da,  um  das  Zöpfchen  zusammenzuhalten. 

Nach  dem  Obigem  heisst  z.  B.  Fig.  4,  5,  6  und  8  gelesen:  neun  und  ein  halb 
Sester,  nehmlich^  Va  +  ^  +  2  +  6  =  9\'a  Sester,  oder  Fig.  5,  7  und  2  bedeutet: 
3  Sester  und  2  Massel,  nehmlich  l  S.  +  2  S.  +  2  M.  =  3  Sester,  2  Massel,  und  der- 
gleichen mehr. 

Ich  beschränke  mich  auf  diese  knappen  Angaben,  da  Beispiele,  wie  bei  Be- 
stellungen auf  der  Mühle  die  erwähnten  Zeichen  verschiedentlich  Anwendung 
finden,  zu  weit  in  die  Einzelheiten  der  Müllerei  hineinfuhren  würden. 

Nach  Angabe  meines  Gewährsmannes  „waren,  etwa  um  1842,  noch  sieben 
Zigeuner-Familien^)  im  Kappeier  Thal  (im  Acherer  Amte)  ansässig  als  katholische 
Bauern  und  besassen  Grund  und  Boden.  Sie  hatten  ihre  Besitzungen  bei  Unter- 
wasser in  der  Nähe  von  Allerheiligen."  Von  diesen  Zigeunern  theilte  einer  ge- 
legentlich ihm  mit,  „dass  sie  ähnliche,  wenn  auch  nicht  dieselben,  Knoten  schürzten 
(von  Bindfaden),  wie  die  Müller,  um  sich  damit  bei  ihrem  Weiterziehen  durchs 
Land  Anweisungen  zu  geben.  Sie  hängten  sie  zusammen  mit  Lumpen  an  einem  Baum 
oder  Strauch  auf.  Der  Lumpen  zeigte  in  der  Farbe  an,  von  was  für  einem  Stamm 
sie  seien,  der  Knoten,  wie  viel  Personen  vorbeigezogen.  Auch  andere,  hier  nicht 
ansässige,  sondern  durchziehende  Zigeuner  sagten  ihm  dasselbe,  wie  auch  andere 
Leute  davon  wussten." 

Mir  ist  auf  dem  Lande  in  der  Mark  gesagt  worden,  dass  die  Zigeuner  (zu 
zauberischen  Zwecken)  Knoten  schürzten.  In  einem  besonderen  Fall  hiess  es  (im 
Kreise  Teltow),  dass,  um  einer  Dienstmagd  Geld  abzulocken,  die  Zigeunerin  immer 
um  das  Mädchen  herumgegangen  sei'),  sie  scharf  dabei  anblickend,  und  Knoten 
geschürzt  und  das  Mädchen  völlig  willenlos  gemacht  habe,  also,  wenn  der  Vorgang 
sich  so  abgespielt,  sie  wohl  „hypnotisirt*  hat. 

Ganz  dasselbe  zauberische  Knotenknüpfen  wird  von  den  Wetterhexen  be- 
richtet. Sie  konnten  dadurch  Winde  fesseln  und  entfesseln.  Norwegische  Zauber- 
weiber hielten  sie  in  einem  Sack,    den   sie   mit  einem  Knoten  verschlossen.    Die 


1)  Manche  Zigeuner  sollen  in  früheren  Jahrhunderten  als  Kundschafter,  namentlich 
für  Frankreich  gegen  die  deutschen  Länder  am  Oberrhein,  gedient  haben,  wie  einer  jener 
Zigeuner  dem  Joseph  Niethammer  mittheilte.  Derartige  Beziehungen  mit  Frankreich 
schildert,  nach  einer  Erzählung  desselben  Zigeuners,  Niethammer  in  einer  umfangreichen, 
von  ihm  niedergeschriebenen  (ungedruckten)  Zigeunersage  von  der  Zigeunerprinzess  am 
Mummelsee. 

2)  In  der  Lausitz  sagt  man  ebenfalls:  ,Von  den  Zigeunern  soll  man  sich  nicht  um- 
gehen lassen,  denn  sie  können  einen  versprechen." 


f494) 

Bewohner  von  ^Vinland"  verkauften  sie  nach  Bedarf  an  Seeschiflfer,  indem  sie 
Knoten  dabei  gebrauchten ').    Aehnliches  wird  von  Lappen  und  Finnen  berichtet 

Die  Hexen  machen  auch  Sturm  und  Hagel,  indem  sie  in  Bäche  schlagen') 
mit  Besen.  Wenn  man  einen  Besen  über  den  Weg  legt,  geht  keine  Hexe  darüber*). 
Dasselbe  gilt  in  der  Mark  von  den  Zigeunern,  nämlich,  dass  man  sie  durch  Besen 
verjagen  kann.  Als  ich  (1894  oder  1895)  gelegentlich  in  einem  märkischen  Dorfe 
war,  befielen  umherziehende  Zigeuner  dasselbe  und  setzten  durch  ihr  gewalt- 
thätiges  Auftreten  Frauen  und  Mädchen  des  Dorfes  in  Schrecken,  weil  die  Männer 
fast  alle  auf  dem  Felde  waren.  Auf  einem  Nachbarhofe  hörte  ich,  wie  eine  Zigeu- 
nerin laut  schreiend  eine  Bauernfrau  verwünschte  und  verfluchte,  weil  sie  ihr  Fleisch 
oder  Schinken  nicht  so  gab,  wie  sie,  die  Zigeunerin,  es  haben  wollte.  Als  die 
Zigeuner  das  Dorf  wieder  vorlassen  halten,  sehr  zur  Erleichterung  der  schutzlosen 
Bewohner,  wurde  mir  von  den  Angehörigen  zweier  gebildeten  Familien  mitgetheilt, 
dass  sie  die  bei  ihnen  in^s  Haus  dringenden  Zigeunerweiber  durch  vorgehaltene 
Besen  zu  sofortiger  Umkehr  veranlasst  hätten. 

Hexen  und  Zigeuner  hätten  demnach  die  Furcht  vor  den  Besen  und  das 
Knotenknüpfen  gemeinsam.  Da  die  Zigeuner  sehr  alte  Sitten  bewahrt  haben,  so 
dürfte,  wenn  ihr  Nestelknüpfen  Thatsache  ist,  die  Kenntniss  von  etwaigen  beson- 
deren Knoten  bei  ihnen  nicht  ganz  ohne  Werth  für  die  Volkskunde  sein.  Denn 
z.  B.  Knoten  und  Verschlingung  von  Fäden  als  Verzierung  ii^endwelcher  Gegen- 
stände alter  Zeit  dürften  unter  Umständen  Beziehungen  irgendwelchen  Glaubens 
andeuten.  Hatten  doch  auch  im  griechischen  Alterthum,  und  sonstwie,  Knoten 
ihre  Bedeutung.  ^Ein  doppelt  gezogener  Knoten  hiess  nodus  Herculis  und  diente 
noch  später  als  Zauberknoten.  So  benannt,  weil  Juno  durch  knotenartiges  Ver- 
schränken der  Finger  und  Arme  die  Geburt  des  Hercules  7  Tage  hinhielt*).  Den 
von  mir  aufgefundenen  nodo  di  Salomone  habe  ich  bereits  früher  beschrieben^)  und 
abgebildet,  auch  erwähnt,  dass  ich  ihn  gezeichnet  fand  mit  Schiffen  und  Schiflbflaggen. 
Derselbe  Knoten  fand  sich  auf  der  Mütze  eines  westafrikanischen  Zauberers*). 
Ebenso  habe  ich  einen  noch  auf  Seeschifl'en  üblichen  Salomonsknoten  erwähnt  and 
abgebildet,  wie  ihn  ligurische  Fischer  oder  Seeleute  mir  vormachten.  Denn  ohne 
Abbildung  ist  keine  sichere  Kenntniss  von  einem  besonderen  Knoten  zu  gewinnen. 
Auch  Ostseefischer  zeigten  mir  bemerkenswerthe  Knoten,  doch  sind  mir  die  Einzel- 
heiten nicht  mehr  erinnerlich.  Früher  zeigten  mir  im  Oberspreewald  alte  Leute 
drei  Arten  von  Knoten,  die  angewendet  wurden,  um  Säcke  zu  schliessen;  verroutb- 
lich  sind  sie  noch  in  Anwendung.  Einer  hiess  ^cartowy  suk,  Teufelsknoten,  eine 
Schleife,  welche  nur  der  Kundige  aufziehen  kann^)". 

2.  Der  Fenersprang  za  Johanni. 

Früher  vor  50  bis  60  Jahren  war  es  Sitte  in  der  Gegend  von  Bühl  und  Achem, 
dass  auf  Berghöhen  oder  einem  Hügel,  Abends  nach  der  Betzeit,  ein  Johannis- 
feuer  angezündet  wurde.    Das  Holz  dazu  brachten  die  ledigen  Burschen  des 


1)  Vergleiche  die   näheren  MittbeiluDgen    bei    Grimm,   Deutsche   Mythologie,    1876. 
n.   S.  632,  910. 

2)  Grimm  a.  a.  0.,  II,  S.  897. 

8)  W.  V.  Scholenburg,  Wendische  Sagen,  S.  157. 

4)  Lübker,  Reallexicon  der  klassischen  Alterthümer,  S.  827. 

5)  MittheilungeD  der  Wiener  Anthrop.  Geselhchaft. 

6)  Zeitschrift  fQr  Ethnologie,  VerhandluDgen. 

7)  Wendische  Sagen,  S.  187. 


(495) 

Dorfes  vom  elterlichen  Hofe  herbei,  so  viel  jeder  tragen  konnte.  Auf  der  Höhe 
wurde  es  zu  einem  Haufen  zusammengeworfen.  Im  Gebirge,  wo  kein  Holzmangel 
ist,  machten  sie  sehr  hohe  Feuer,  so  dass  man  sie  weit  sehen  konnte.  Die 
meisten  Leute  vom  Dorfe,  Alt  und  Jung,  kamen  beim  Feuer  zusammen.  Es  war 
ein  wichtiges  Dorfcreigniss.  Man  stand  in  einiger  Entfernung  um  das  Feuer  herum, 
damit  Platz  für  die  Springenden  blieb.  Denn  es  war  Sitte,  dass  die  ledigen  Burschen 
über  das  Feuer  sprangen  und  auch  Mädchen,  die  einen  Schatz  hatten.  Eine 
öfTentliche  Verlobung  gab  es  damals*)  auf  dem  Lande  nicht.  Wenn  das  Feuer 
brannte  und  die  Flammen  lohten,  wurde  ein  solches  Liebespaar  von  Jemand  aus 
der  Menge  aufgerufen  unter  allgemeiner  Spannung  der  Anwesenden.  Es  war 
nicht  immer  der  nämliche,  wo  (=der)  es  gerufen  hat.  Die  Beiden  eilten  dann  auf 
sich  zu,  gaben  sich  die  Hand  und  sprangen  vereint  in  mächtigem  Satze  über  die 
Flammen^).  Ob  der  Sprung  gelang,  hing  von  der  Gewandtheit  und  Kraft  des  Paaies 
ab.  Dabei  wollte  man  ersehen,  wer  die  Herrschaft  in  der  Ehe  führen  würde.  Man 
passte  auf,  ob  „das  Paar  einen  hohem  oder  niedrigem,  einen  kurzem  oder  längern 
Sprung  über  das  Feuer  machte,  ob  eines  derselben  vom  Feuer  an  einem  Kleidungs- 
stücke beschädigt  war  und  ob  sie  zu  gleicher  Zeit  und  gleichmässig  über  das 
Feuer  sprangen",  wer  engrischer  (schneller,  entschlossener,  muthiger)  wäre.  Wenn 
beim  Sprang  der  Mann  sich  zaghafter  zeigte  und  das  Mädchen  engrischer,  weis- 
sagte man,  dass  sie  im  Hause  die  Hosen  anhaben  würde  u.  s.  w.  „Es  sind^ 
nach  der  Angabe  von  Niethammer,  „auch  nur  die  ausgerufen  worden,  die  allge- 
meine Theilnahmc  erregten.  Der  Aufruf  galt  so  gut  wie  eine  öffentliohe  Verlobung. 
Aber  nicht  immer  hat  es  dann  ein  Ehepaar  gegeben.  Sie  haben  sich  auch  wieder 
getrennt,  weil  irgend  ein  Grund  sie  wieder  auseinanderbrachte,  seien  es  Eifer- 
süchteleien oder  Vermögensrücksichten  oder  sonstwas.  Meist  hielten  sie  aber  treu 
zusammen  und  die  Eltern  gaben  ebenso  ihr  Jawort,  wenn  das  Mädchen  öffentlich 
dem  Bu  ihr  Jawort  durch  den  Sprang  gegeben  hatte.  Die  Eltern  sahen  den  Feuer- 
sprung vor  den  Augen  der  Menge  gleichsam  als  Schicksalsbeschluss  an. 

Es  soll  auch  in  den  nur  vereinzelten  Dörfern,  wo  im  Dorf  eine  grosse  alte 
Linde,  die  Dorflinde,  stand,  auf  dem  Platz  an  der  Linde  manchmal  ein  Johannis- 
feuer  angezündet  worden  sein,  wohl  nur  in  der  Ebene? 

Eine  Erzählung,  welche  auf  meine  Veranlassung  niedergeschrieen  ist  von 
Joseph  Niethammer  von  Zell  (auf  dessen  wiederholentlichen  mündlichen  Mit- 
theilungen meine  obigen  Angaben  beruhen),  ist  abgedrackt  im  „Badener  Land" 
[Freiburg  i.  Br.  Nr.  19  und  Nr.  20,  1897]').  Der  Verfasser,  ein  einfacher  Mann 
vom  Lande,  ist  selbst  noch  in  früher  Jugend  vor  60 — 70  Jähren  bei  Oberkappel 
über  das  Feuer  gesprungen  und  hat  in  anschaulicher  und  eingehender  Weise  Vor- 
gänge beim  Johannisfeuer  geschildert  und  die  Folgen,  die  sich  für  einen  „Feuer- 
schatz" daraus  ergaben*). 

1)  Wie  noch  heute  in  ganz  Deutschland  nicht.  Wenn  zwei  zusammengehen,  muth- 
nuisst  man,  dass  sie  sich  heirathen  werden. 

2)  Was  früher  darin  geleistet  wurde,  kann  man  sich  vorstellen,  wenn  man  noch  heute 
in  einzelnen  Gegenden  Deutschlands,  wo  volksthümhcher  Sinn  und  alte  Volksspiele  sich 
erhalten  haben,  manche  staimenswerthe  Leistung  mit  ansieht.  Vergl.  über  oberbayrische 
Volksspielo  meine  Angabc  in  den  Mittheilnngen  der  Wiener  Anthropologischen  Gesellschaft. 
1S%,  26  (16),  8.82. 

3)  Die  Erzählung  ist  für  die  Bibliothek  der  Gesellschaft  eingesendet 

4)  lieber  die  Feuer  auf  Bergen  am  Abend  des  Sonuwendtages  in  Oberbaiem  vergleiche 
die  Verhandlungen  1^81»,  S.  22. 


(496) 

3.  Die  Ho  Wölfe],  ein  Neujahrs -Gebäck,  Schutzmittel  gegen  Viehseuche 

und  Blitz. 

In  den  Ortschaften  im  Amte  Bühl  (in  Baden),  vielleicht  auch  weiterhin  im 
Schwarzwald,  herrschte  früher  der  Brauch,  in  der  Neujahrsnacht  (d.  h.  am  letzten 
Tage  des  Jahres,  31.  December)  sogenannte  HowölfeP)  zu  backen.  Jetzt  soll 
die  Sitte  dort  ganz  ausgegangen  sein.  Die  Howölfel  wurden  gemacht  aus  Nach- 
mehP)  und  Schnitzbrühe.  Die  Schnitzbrühe  (Saftbrühe)  wurde  aus  Schnitzen 
(gedörrten  Obststücl^en)  von  Aepfeln  und  Birnen  ausgekocht,  ohne  Salz;  dadurch 
erhielten  die  üowölfel  eine  rothbraune  Farbe.  Hier  und  da  nahm  man  als  Bei- 
mischung auch  Zwetschgen  (Pflaumen).  Aus  diesem  Teig  bildeten  Eltern  und 
Kinder  —  es  wurde  das  gewöhnlich  gemeinschaftlich  in  der  Familie  gemacht  — 
Figuren  von  verschiedenen  Thieren,  die  die  Erschaffung  der  gesammten  Thier- 
welt  darstellen  sollten  und  mit  Schmalz  (Schweineschmalz)  in  einer  Pfanne  auf 
dem  Heerd  gebacken  wurden.  Aus  diesen  Figuren  glaubten  die  Leute  ersehen  und 
schliessen  zu  können,  an  welchen  von  ihren  Thieren  sie  Glück  oder  Unglück  im 
neuen  Jahre  haben  würden.  Dies  folgerten  sie  bei  den  gut  gerathenen  Teigthieren  aus 
der  etwaigen  Aehnlichkeit  mit  den  wirklichen  Thieren,  die  sie  im  Stall  hatten.  Da 
vielfach,  sogar  meist,  Missgestalten  vorkamen,  so  wurde  dann  unter  Scherz  und 
Lachen  der  Familienangehörigen  berathen,  was  diese  oder  jene  Gestalt  vorstellen 
sollte.    Der  eine  sagte:  „Ein  Hund**,  der  andere:  „Ein  Kälbel"  u.  s.  w. 

Dann  war  noch  der  Glaube,  dass  diese  Howölfel  das  Haus  vor  Einschlagen  des 
Blitzes  und  die  Hausthiere  vor  Ansteckung  bewahrten.  Deshalb  wurden  sie  im 
Gehöft  an  verschiedenen  Orten  vertheilt,  so  im  Gänsestall,  im  Kuhstall,  Pferdestall. 
Der  Hauptbewahrungsort  war  in  der  Wohnstube  ein  über  dem  Fenster  angebrachtes 
Brettchen,  wo  man  Gebetbuch  und  Hausgegenstände  liegen  hatte.  Auch  ober  dem 
Familieubett  wurden  sie  aufbewahrt,  wo  Mann  und  Frau  schliefen  und,  gemein- 
schaftlich, bei  Vater  und  Mutter,  die  kleinen  Kinder  von  zwei  bis  drei  Jahren.  Denn 
die  grösseren  Mädchen  lagen,  wie  noch  heute,  in  einer  Kammer  und  die  Buben 
auf  dem  Boden  unterm  Dach.  An  diesen  Stellen  wurden  die  Howölfel  bis  aufs 
nächste  Jahr  aufbewahrt,  wo  man  wieder  neue  herstellte.  Die  alten  wurden  an  die 
Kinder  verschenkt  und  gegessen.  Die  Howölfel  wurden  auch  an  gute  Hausfreunde, 
und  an  Familienangehörige,  die  ausserhalb  wohnten,  als  ein  werthvolles  Geschenk  ver- 
schenkt. Sie  galten  als  Sicichen  von  grossem  Vertrauen  und  bester  Freundschaft.  Wenn 
man  Howölfel  verschenkte,   war  man  bei  der  beschenkten  Familie  gut  angesehen. 

Aehnlich  wurden  bis  vor  20  Jahren,  vielleicht  noch  jetzt,  bei  den  Wenden  der 
Muskauer  Gegend  (Schleife  u.  a  0.)  kleine  Thiere  von  Mehl  gebacken,  sogenannte 
letka  (=  Jährchen),  und  am  Neujahrsmorgen  dem  Vieh  zu  fressen  gegeben.  Ebenso 
wurden  entsprechende  letka  für  die  Kinder  gebacken'). 

4.  Der  erste  Nagel  im  Hause. 

Früher  vor  70 — 80  Jahren  wurden  die  Häuser  in  der  Umgegend  des  Fleckens 
Bühl  (in  Baden)   aus  Holz  gebaut   und    die   dabei   gelegten    Hauptschwellen, 


1)  LauK^s  0,  kurzes  G. 

2)  Nachmehl  ist  (auf  der  Mühle)  der  „letzte  Zug"  von  Weisen  oder  von  Kernen, 
ist  aber  nicht  mehr  Weissmehl.  Weissmebl  ist  das  Mehl  aus  Weissfrucht  und  wird 
wird  gemahlen  aus  Weizen  und  Kernen  (von  Spelz).  Unter  Brotfrucht  versteht  man 
Korn  oder  „Rogen**,  ^Gerschte"  und  das  seltenere  Einkorn.  Kerne  beisst  »chlfcht- 
weg  im  Marktverkehr  der  geschalte  ,Schpelz**  oder  Fess. 

3)  W.  V.  Schulcnburg,  Wendisches  Volksthum,  1882,  S.  132. 


(497) 

d.  h.  die  ersten  Schwellen,  die  den  ganzen  Bau  tragen,  waren  meist  aas  Eichen- 
holz, ^wer  es  haben  konnte.  Denn  es  gab  damals  noch  viele  starke  Eichen;  erst 
durch  die  Eisenbahnen  haben  sie  abgenommen^.  In  den  Ecken  des  Hauses,  wo 
zwei  Hauptschwellen  zusammenkamen  und  im  Winkel  mit  ihren  Ausschnitten  über 
einander  lagen,  wurden  sie  durch  starke  Eichennägel  mit  einander  befestigt,  die  man 
von  oben  nach  unten  durchschlug.  Die  Löcher  dazu  bohrte  man  mit  dem  Doll- 
bohrer. 

Wenn  beim  Aufbau  des  Hauses  die  Hauptschwellen  über  der  Erde  gelegt 
waren,  musste  in  der  Hauptecke,  „die  zunächst  dem  Wege  liegt^  ein  unschul- 
diges Kind  mit  dem  Hammer  den  ersten  Nagel  aus  Eichenholz  durchschlagen. 
Dies  war  der  erste  Nagel,  der  überhaupt  im  ganzen  Hanse  geschlagen  wurde.  Das 
Kind,  etwa  von  7 — 9  Jahren,  das  noch  nicht  in  höherem  Alter  war,  aber  so  viel 
Kraft  hatte,  dass  es  mit  dem  Hammer  zuschlagen  konnte,  musste  immer  ein  Knabe 
sein.  Sobald  es  den  Nagel  eingeschlagen  hatte,  kriegte  es  eine  Watsch^),  „dass 
es  immer  gedenken  sollte,  dass  das  Haus  gebaut  worden  ist'',  und  dann  zur  Be- 
lohnung ein  Stück  Schwarzbrod  und  1  oder  2  Kreuzer').  Es  galt  dies  als  ein  Vor- 
zug für  die  Kinder,  sie  mussten  dazu  gut  empfohlen  sein  als  artig  und  gut.  Die 
Ohrfeige  wurde  ausgetheilt  von  jemand  aus  der  Familie  des  Bauherrn,  von  diesem 
selbst  oder  von  einem  Sohne,  aber  auch  vom  Zimmermann,  und  zwar  dem  Meister. 

Wenn  das  Haus  fertig  war,  wurde  in  der  Hauptecke  (wo  der  erste  Nagel  ein- 
geschlagen war)  innen  in  der  Wohnstube  der  Herrgotts  winkel  (wie  noch  jetzt)  ge- 
macht'). Auf  ein  dreieckiges  Brettchen,  befestigt  in  der  Ecke,  stellte  man  in  wohl- 
habenden Häusern  ein  Standbild  von  Christus  auf,  meistentheils  aus  Qyps  gemacht 
und  von  Italienern  gekauft,  oder  ebenso  ein  Muttergottesbild  aus  Gyps.  Die 
armen  Leute  hatten  nur  Bilder.  Darüber  wurde  ein  Crucifix  so  befestigt  oder  auf- 
gehängt, dass  es  abgenommen  werden  konnte.  Seitwärts  vom  Altärel  an  den 
Seiten  wänden  der  Stube  hängte  man  einige  Heiligenbilder  auf. 

Es  darf  hierbei  wohl  an  die  alte  Volkstiberlieferung  erinnert  werden,  wonach 
beim  Bau  grosser  Gebäude  oder  von  Brücken  über  Flüsse  unschuldige  Kinder 
lebendig  eingemauert  wurden,  als  Opfer  zur  Besänftigung  des  Flusses  oder  der 
Erde,  damit  der  Bau  feststände. 

6.   GeweUte  Strichverziening:. 

Im  Jahre  18D5  wurden  bei  den  Dörfern  Gadsdorf  und  Lüdersdorf  (Kreis  Teltow, 
Provinz  Brandenburg)  Steine  aus  der  Erde  gegraben,  da  die  Landleute  solche  in 
grosser  Menge  zum  Bau  einer  „Chaussee^  beisteuern  mussten.  Dabei  wurden  auf 
der  Feldmark  von  Gadsdorf  sehr  viele  Gräber  der  vorslavischen  Zeit  zerstört.  In 
einem  Kiefernholz  am  Klappbusch  ^)  (einem  Sumpfe  dortselbst)  durchsuchte  ich 
nachträglich  Tausende  von  Scherben,  die  unter  den  Bäumen  umherlagen,  und  fand 
nur  an  einer  einzigen  Stelle  nahe  den  Zwergbergen  ^),  die  am  Kerkluch  gelegen 

1)  Watsch  heisst  (wie  z.  B.  auch  sonstwo  am  Rhein  u.a.;  eine  Ohrfeige,  in  der 
Mark  Brandenburg,  früher  wenigstens,  auch  Pflaume  genannt,  daher  tüchtiger 
Pflanmenschmcisser  Jemand,  der  eine  kr&fügc  Backpfeife  geben  kann. 

2)  Bei  Einfahrung  der  deutschen  Reichs währnng  wurde  hier  „1  Kreuzer  =  8  Pfennig, 
2  Kreuzer  =  5  Pfennig  gerechnet". 

8)  Mein  Grundriss  einer  oberbayrischen  Bauernstube  mit  dieser  Ecke  (Mittheilungen 
der  Wiener  Anthrologischen  Gesellschaft,  1896,  26  (16),  S.  63). 

4)  Nähere  Angaben  über  die  Fundstellen  in  der  Brandenburgia  1897.  S.  122,  132  bis 
189,  141. 

5)  Ebenda,  S.  122,  183,  142,  145. 

Verhaiidl.  der  B«rl.  Anthropol.  Gesellschaft  XS^T.  ,  B2 


(498) 

sind,  ehemaligen  Gräbern,  inehi'cre  Scherben  ans  reinem,  röthlichem,  gut  gebranntem 
Thon,  die  von  einer  Urne  herrührten  und  wellenförmig  mit  einem  Kamm  oder 
ahnlichem  Werkzeug  eingerissene  Strichverziemn^'en  zeigten,  wie  in  Fig.  13  und  14 


zwei  abgebildet  sind.  Der  grössere  Scherben  ist  12  cw  hoch  und  10  mi  breit,  der 
kleinere  9  em  hoch  und  9  rm  breit.  Derartige  Strich  Verzierung  dürfte  in  hiesiger 
Gegend  wohl  erst  seltener  bemerkt  worden  sein. 

J.  Meatorf)  bildet  eine  ähnliche  Verzierung  ab  (Taf.  VI,  Fig.  6)  von  einer 
Urne,  die  beschrieben  wird  (S.  36)  als  „glänzend  braun,  mit  eingeritztem  Flammen- 
ornament („Korbgeflecfat")"  aus  Schleswig- Holstein ,  und  zwar  von  „Laurup,  Ksp. 
Döstrup,  1  Meile  nordwestlich  von  Lügumk  losler."  — 

(22)   Fräulein  Elisabeth  Lemke  berichtet,  Berlin,  l>G.  Oc tober,  Über 

Uiebel -Verzier  OD  gen  in  OstprentisPii. 
Den  in  den  Verband).  1890,    S.  -2G-1  gebrachten  44  Zeichnungen  von  Giebi-I- 
Verzicningen   in  Ostpreussen    reihe   ich  hier   weitere  58  un.    welche  wieder  »er- 
srhiedenen  Kreisen  der  Provinz  entsprechen. 

Kreis  Mohrungen.  Kreis  Osterode. 

1.    Rhoden.  19— -23.    Tannenberg. 

2-11.   Weinsdorr-)-  24-2fi.   Heesclicbt'). 

13.    Knnzendorf.  27.   Ganshorn. 

13-18.    Kuppen,  28—34.    Gros b-G rieben. 

1)  ümcnfriedhüfo  in  Schlcsnig-Halsteia,  Hambtiri:,  188«. 

2)  Weinsdorf;  am  WcinsilortprCanal,  d«r,  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  ^— 
graben,  den  E«iiitl-See  mit  dem  Geserich  verbindet.  —  Die  Kinhe  ist  vor  1320  gabuL 
Im  Giebel  oben  eines  der  in  Ostpreussfn  sehr  selteDen  KalhunnenradeT  (Uie  BdU'  nnd 
Kunst-Denkmäler  der  Provinz  Ostpreusscu,  bearbeitet  von  Adolf  Bf.tticbor)  —  Link, 
vom  westL  Eingang  lur  Kirche  befindet  sich  noch  in  der  Mauer  ein  .Halt^ciHen"  (-  Pranger:. 
Die  grosse  L'br  in  der  Kirche  bat  iwei  snhr  grosst  Steine  als  Gewichte;  sie  soll  von  einem 
Orobschmied  (aus  der  I'r. -Hollander  Gepcndi  geferligl  sein. 

8)  UeesPlicbt,  poln.  l.esici,  der  „Brassen*,  soll  nacb  Ueiinenbergcr  scboo  in  Horh- 
tneister  Karl  Ueffart's  Zeiten  (also  Anfang  des  14.  Jahrb. ^  ein  Marktflecken  gewesen  «ein. 


(499) 


35- 
45- 
47- 
52- 


Kreis  Neidenburg. 

-44.  Thuraa. 

-46.  Oscbekau. 

-51.  Ramionken. 

-54.  Littfinken. 


Kreis  Heiligenbeil. 
55.    Grünau. 

Kreis  Königsberg. 
56 — 58.    Karplaukcn. 


mmm^ 


n    n     n 


hc-QV  s 


Peter  v.  Heselect  und  Heinemann  iind\Konrad  v.  Wansen  hatten  hier  im  Jahre  1321 
<^in  Gut  Yon  1440  Hufen  übernommen.  Auf  der  Grenze  vun  Hecselicht  und  Bergung  stand 
noch  vor  80  Jahren  ein  pyramidaler  Grenzstein  mit  der  Bezeichnung  „16.  Jahrh.**.  Auf 
der  nach  N.  vorspringenden  Halbinsel  (i.  Damerausen)  waren  zu  Giese's  Zeit  mehrere 
Wälle  kenntlich,  die  dn  Schloss  umgaben,  von  dem  noch  zwei  Keller  vorhanden  sind. 
Das  Schloss  gehörte  wahrscheinlich  im  14.  Jahrh.  einem  Wansen  (Giese,  Alterth.-Ges. 
Prussia).  Eine  der  alten  Glocken  der  Kirche  trägt  Kreuzgroschen  eingegossen,  wie  sie 
4ler  Hochmeister  Küchmeister  von  Sternberg  prägte  (also  wohl  ans  dem  15.  Jahrh.). 

82* 


(500) 

(23)  Hr.  0.  Olsh aasen  spricht  über 

drei  angebliche  Eisenobjecte  aus  der  zweitantersten  Ruineiischicht 

von  Hissarlik. 

Hr.  Dr.  A.  Götze  veröfifentlichte  im  Globus,  Bd.  71  (1897),  S.  217-20,  einen 
Beitrag  zur  Urgeschichte  des  Geldes,  betitelt  „Die  trojanischen  Silberbarren 
der  Schliemann-Sammlung'^,  in  welchem  auch  einige  wirkliche  oder  scheinbare 
Eisensachen  von  Hissarlik  eine  wichtige  Rolle  spielen.  Ich  glaube  indess,  dass, 
was  über  diese  letzteren  vorgebracht  wird,  in  wesentlichen  Punkten  nicht  haltbar  ist 

Die  Silberbarren  sind  die  von  Schliemnnn,  Ilios  S.  524 — 27,  besprochenen 
und  unter  Nr.  787—92  abgebildeten,  allseitig  behämmerten  6  Platten  in  Form  etwa 
von  zweischneidigen  Messerklingen,  aus  dem  grossen  Schatze  desjenigen  Theiles 
der  drittuntersten  Stadt,  welcher  später  von  Seh lie mann  selbst  als  zur  zweiten 
Stadt  gehörig  anerkannt  wurde  und  auch  heute  noch  so  aufgefasst  wird ').  Diese 
Platten  sind  länglich,  an  den  Längsseiten  etwas  eingezogen,  am  einen  Ende  ab- 
gerundet, oder  genauer,  in  der  Mehrzahl  der  Fälle,  begrenzt  durch  einen  ge- 
drückten Spitzbogen,  am  andern  Ende  halbmondförmig  ausgeschnitten.  Die  Länge 
schwankt  von  17,4 — 21,6  ^m;  mit  ihr  wächst  auch  die  Breite,  und  zwar  in  der 
Mitte,  an  der  schmälsten  Stelle,  von  22—40  mm.  Die  Dicke  wechselt  zwischen 
2  und  4  viin ;  die  kleinsten  Platten  sind  am  stärksten,  die  grössten  am  schwächsten, 
jede  einzelne  aber  ist  in  sich  so  gleich  massig  dick,  wie  es  das  Verfahren  der 
Hämmerung  zulässt  Je  2  Platten  sind  einander  in  Form,  Flächenansdehnung  und 
Dicke  fast  gleich. 

Schliemann  hielt  die  Platten  für  „homerische  Talente*^,  und  für  Geld  sieht 
auch  Götze  sie  an.  Da  indess  erst  die  sechst  unterste,  Schliemann^s  lydische, 
Stadt  in  die  mykenische  Blüthezeit,  d.  h.  in  die  zweite  Hälfte  des  zweiten  ror- 
christlichen  Jahrtausends  fällt,  so  bemerkt  Götze  mit  Hecht,  dass  die  Silberstdcke 
nicht  homerisch,  sondern  viel  älter  seien. 

Nun  befindet  sich  in  der  Schliemann-Sammlung  unter  Nr.  8357  ein  Stück 
metallisches  Eisen,  das  Götze  seiner  Form  wegen  zum  Vergleich  heranzieht 
In  „Ilios'^,  das  1881,  und  in  ^Troja^,  das  1884  in  Leipzig  erschien,  wird  es  nicht 
erwähnt;  aber  in  dem  188G  unter  Schliemann*s  persönlicher  Leitung  zu  Berlin 
durch  stud.  Hübner  angelegten  handschKfllichen  Katalog  ist  es  als  „breite  Eisen- 
stange, un  der  einen  Seite  rund^  verzeichnet.  Hr.  Götze  bildet  es  in  Fig.  4  im 
Umriss  ab,  und  zwar  im  gleichen  Maassstabe,  wie  die  in  Fig.  1  ebenso  gezeichneten 

6  Silberplatten. 

Das  Stück  ist  ein  flaches,  219  mm  langes  Stabeisen  von  oblongem  Querschnitt; 
eine  Platte  kann  man  es  nicht  wohl  nennen.  Die  Längsseiten  sind  etwas  ein- 
gezogen, im  Ganzen  aber  nimmt  die  Breite  vom  einen  Ende  nach  dem  andern  ein 
wenig  ab  (von  29  auf  25  mm).  Das  breitere  Ende  ist  rund  bogenförmig  t>egrenzt, 
das  schmälere  schliesst  gerade  ab.  Hier  kann  vielleicht  etwas  fehlen;  genau  ca 
urtheilen,  lässt  der  Rost  nicht  zu;  jedenfalls  aber  liegt  kein  Anhalt  dafür  vor,  dass 
dieses  Ende  halbmondförmig  ausgeschnitten  war,  wie  an  den  Silberplatten.  Die 
Dicke  vermindert  sich  vom  breiteren  nach  dem  schmäleren  Ende  gleichmässig  von 

7  auf  reichlich  2  mm. 


1)  Zur  Orientirong  über  die  zweite  Stadt  diene  W.  Dörpfold's  Plan  der  P«fg«iiio« 
von  Troja,  die  drei  Perioden  derselben  zeigend^  in:  Heinrich  Schliemann,  Bericht  Aber 
die  Ausgrabungen  in  Troja  im  Jahre  1890,  Leipzig  1891,  Taf.  III. 


(501) 

Hr.  Götze  spricht  hier  von  einem  den  Silberbarren  y, völlig  analogen"  Objecte, 
und  der  Umrisszeichnang  nach  ist  ja  eine  gewisse  Aehnlichkeit  vorhanden.  Bei 
Betrachiang  der  Originale  kann  ich  dieselbe  indess  nicht  gross  finden;  sie  ist  nur 
eine  ganz  allgemeine,  erstreckt  sich  nicht  genügend  auf's  Einzelne.  Dennoch  sagt 
Götze:  ^Dieser  Gegenstand  ist  wegen  der  Formähnlichheit  mit  den  Silberbarren 
in  Parallele  za  setzen,  d.  h.  er  stellt  ein  Zahlungsmittel,  Geld,  vor  und  ist  in  die 
zweite  Stadt  von  Hissarlik  zu  datiren.^  Mit  dieser  Zeitansetzung  beginnt 
für  uns  das  eigentliche  Interesse  an  dem  Gegenstande. 

Es  ist  Hrn.  Götze  natürlich  wohlbekannt,  dass  Schliemann  oft  das  Vor- 
kommen metallischen  Eisens  in  den  5  untern,  vorgeschichtlichen  Schichten  zu 
Hissarlik  leugnete;  so  Ilios  S.  286  und  674.  An  letzterer  Stelle  wird  freilich  von 
dem  eisernen  Messer  Nr.  1421  berichtet,  dass  es  seiner  Tiefenlage  nach  zur  vierten 
oder  fünften  Stadt  gehören  müsste;  aber  bei  dem  Fohlen  anderer  Eisensachen 
glaubt  Schliemann  es  seiner  Form  wegen  der  sechsten  (mykenischen)  Stadt  zu- 
schreiben zu  sollen.  —  Femer  ist  dem  Kataloge  nach  das  hier  in  Frage  stehende 
Stück  in  Schliemann's  siebenter  Stadt,  d.  h.  in  der  nach  mykenischen,  obersten 
Ruinenschicht  gehoben  worden.  Beiden  Angaben  Schliemann's  steht  Götze 
nach  mündlicher  Aeusserung  mit  Misstrauen  gegenüber,  da  Schliemann  sich  in 
dei^leichen  Dingen  oft  geirrt  habe  und  bisweilen  auch  etwas  willkürlich  ver- 
fahren sei').  Dies  kann  unbeschadet  der  grossen  Verdienste  des  ausserordent- 
lichen Mannes  zugegeben  werden,  doch  hat  man  bisher  Schliemann  fast  immer 
vorgeworfen,  dass  er  Sachen,  die  jünger  waren,  für  älter  gehalten  habe,  da  ihm 
bei  seiner  Art  der  Abtragung  des  Burgberges  von  Hissarlik  (in  senkrechten  Ab- 
stichen, statt  in  horizontalen  Schichten)  Dinge  von  oben  in  die  tieferen  Schichten 
unbemerkt  hinabgefallen  seien.  Hr.  Götze  aber  hält  es  auf  Gmnd  jener  Form- 
ühnlichkeit  des  Eisens  mit  den  Silberplatten  für  nothwendig  und,  da  Schliemann's 
Angaben  nicht  unbedingt  zuverlässig  sind,  auch  sonst  für  gerechtfertigt,  hier  ein- 
mal den  umgekehrten  Fall  anzunehmen,  und  weist  kühn  das  nach  Schliemann 
ganz  junge  Stück  in  eine  der  ältesten  Schichten  hinab,  mit  Ueberspringung  der 
Zwischenschichten,  in  denen  noch  heute  Eisen  ebensowenig  beobachtet  ist,  wie 
nach  der  früheren  allgemeinen  Annahme  in  der  zweituntersten.  Der  hieraus  ent- 
stehenden Schwierigkeit  begegnet  Hr.  Götze,  wie  folgt:  „Verfasser  (nehmlich  Dr.  G.) 
kann  aus  bester  Quelle  versichern,   dass  Eisen  thatsächlich  in  der  zweiten  Stadt 

vorkommt Der  angedeutete  Eisenfund  aus  der  zweiten  Stadt  besteht  nicht 

etwa  aus  Werkzeugen  oder  Waffen,  es  ist  vielmehr  ein  verhältnissmässig  kleiner 
Luxusgegenstand,  ein  Stahgriff,  der  zudem  unter  Umständen  gefunden  wurde,  die 
darauf  schliessen  lassen,  dass  das  Eisen  als  grosse  Kostbarkeit  galt  und  auf  gleicher 
Stufe  mit  Edelmetallen  und  werthvoUen  Steinen  stand.*' 

Hiermit  hat  es  folgende  Bewandtniss:  In  einem  mir  vorliegenden,  durchaus 
zuverlässigen  Bericht  über  eine  der  Ausgrabungen  Schliemann's  auf  Hissarlik 
werden  2  Klumpen  Eisen  erwähnt,  welche  bei  Mauerwerk  einer  der  drei  Perioden 
der  zweituntersten  Ruinenschicht  gefunden  sind.  Da  nun  nach  Götze,  Globus 
8.  218,  zwischen  der  zweiten  und  der  sechsten,  d.  h.  der  mykenischen  Schicht, 
eine,  wie  oben  bemerkt,  eisenfreie  Schuttmasse  von  5—6  m  Stärke  liegt,  muss 
dieser  angebliche  „Eisen^fund   in    der  zweiten  Stadt   von  vornherein  Bedenken 

1)  Die  Fundangabe  des  Katalogs  hätte  Hr.  Qötze  dennoch  nicht  unerwähnt  lassen 
sollen.  Denn  aus  seiner  ^Datirung"*  wird  leicht  von  Anderen  die  Auffindung  in  der 
zweiten  Stadt  als  Thatsache  gefolgert.  So  sagt  Walter  in  einer  Besprechung  der 
Götze*schen  Arbeit  in  Buschan's  Centnübl.  f.  Anthr.,  Ethn.  u.  Urgesch.  H,  Breslau  1897, 
S.  336:  ^(das  Eisenstück)  stammt ....  aus  der  zweiten  Stadt" 


(502) 

erregen,  und  da  die  betreffende  Ausgrabung  an  Soi^falt  der  Ueberwachung  sicher 
nichts  zu  wünschen  übrig  Hess,  so  dass  ein  Versehen  bezüglich  der  Fundstelle 
ausgeschlossen  scheint,  wird  sich  das  Misstrauen  gegen  die  stoffliche  Beurthei- 
lung  der  beiden  Fundstücke  richten.  Irren  doch  Laien  in  diesem  E^nkte  un- 
gemein oft  und  sind  sie  doch  naturgemäss  fast  nie  im  Stande,  den  Unterschied  zq 
erfassen  zwischen  „eisern*',  d.  h.  aus  metallischem  Eisen  bestehend,  und  „eisen- 
haltig'^, d.  h.  Eisen  in  chemischer  Verbindung  enthaltend!  Und  darauf  gerade 
kommt  es  an. 

Nun  ist  mir  der  Verbleib  des  einen  Klumpens  nicht  bekannt,  der  andere  aber 
befindet  sich  in  Berlin.  Er  ist  einigermaassen  einer  körperlichen  Kugelzone  von 
58  mm  grösstem  Durchmesser  und  38^m?/i  Höhe  vergleichbar.  In  der  Mitte  einer 
der  beiden  begrenzenden,  allerdings  nicht  sehr  ebenen  Parallelkreisflächen  befindet 
sich  ein  unregelmässig  rundliches  Loch,  das  etwa  bis  zur  Hälfte  der  Höhe  ein- 
dringt. Schon  lange  habe  ich  Zweifel  darüber  geäussert,  ob  das  Stück  wirklich 
aus  metallischem  Eisen  bestehe.  Sieht  man  von  einer  Schicht,  wie  es  scheint, 
zu  Conscrvirungsz wecken  aufgetragenen  Firnisses  oder  dergl.  ab,  die  allerdings  die 
genaue  Beobachtung  erschwert,  so  macht  dasselbe  den  Eindruck  irgend  eines 
natürlichen  Oxydes  oder  Oxydhydrates  des  Eisens  und  an  der  dem  Loch  entgegen- 
gesetzten Seite  auch  wohl  eines  auf  anderer  Grundlage  beruhenden,  aber  eisen- 
schüssigen Minerals.  Für  Eisen  selbst  ist  es  viel  zu  hart,  und  ebensowenig  konnte 
ich  mich  überzeugen,  dass  hier  ein  aus  der  Oxydation  von  metallischem  Eisen  im 
Erdboden  entstandenes  Prbduct  vorliege;  der  Zusammenhang  der  Masse  ist  dafür 
zu  fest,  es  fehlt  an  vortretenden  Blasen  u.  s.  w.  Auch  scheinen  mir  Rillen  und 
Kauhigkeiten  der  Oberfläche  noch  nicht  zu  genügen,  einen  durch  Rostung  nach 
der  Ausgrabung  in  Zerfall  begrifTenen  Eisenklumpen  anzunehmen,  wie  man  sie 
in  Sammlungen  bei  ungenügender  Conservirung  häufig  beobachten  kann.  Die 
Masse  halte  ich  vielmehr  im  Wesentlichen  für  so  beschaffen,  wie  sie  bei  der  Auf- 
findung war.  Es  ist  mir  demnach  sehr  fraglich,  ob  das  Stück  seinerzeit  in  der 
Schicht  der  zweiten  Stadt  in  metallischem  Zustande  zur  Ruhe  gekommen  ist. 
Und  diese  Frage  allein  beschäftigt  uns  jetzt:  ein  Mineral,  bestehend  aus  einer 
Eisen  verbin  düng,  ist  hier  für  uns  bedeutungslos,  auch  wenn  es  bearbeitet,  etwa 
von  Menschenhand  mit  dem  Loch  versehen  ist. 

Mit  Sicherheit  aber  ist  natürlich  die  Frage  nach  der  stofflichen  Beschaffenheit 
des  Stücks  nur  durch  chemische  Analyse  zu  entscheiden,  für  welche  die  Probe  dem 
Innern  des  Klumpens  entnommen  werden  muss,  am  besten  nach  seiner  Durch- 
schneidung.  Ergiebt  sich  dann,  dass  metallisches  Eisen  vorhanden  ist,  so  bleibt  zu 
erweisen,  dass  es  kein  Meteoreisen ^)  sei;  fehlt  aber  freies  Metall,  so  hat  eine 
chemisch-mineralogische  Prüfung  nach  anderer  Richtun«^  stattzufinden.  Die  Frage  ist 
eben  eine  rein  naturwissenschaftliche;  die  archäologische  Betrachtung  des  Fundstückes 
kann  zu  ihrer  Losung  gar  nichts  beitragen,  denn  die  Form  desselben  ist  keine  solche.. 
dass  unbedingt  oder  mit  ^^rosser  Wahrscheinlichkeit  auf  ein  bestimmtes  Material  ge- 
schlossen werden  müsste.  etwa  wie  bei  Messerform  auf  Eisen,  wenn  Kupfer  und 
Bronze,  wie  hier,  schon  dem  Augenschein  nach  ganz  ausgeschlossen  sind. 

\)  Meteoreisen,  wenngleich  bei  den  Natnr\ölkeni  ^iuzeluer  Gegenden,  z.B.  im 
Flussgebiet  des  Ohio,  U.  S.  A.,  häufiger  verwendet,  als  im  Allgemeinen  bekaout,  ist  doch 
für  die  Geschichte  der  Metallurgie  insofern  belanglos,  als  sein  Besitz  nie  zu  einer  künitt- 
liehen  Gewinnung  des  Eisens  aus  seinen  Erzen  führt.  Auch  die  angeblichen  Funde  gi*- 
(liegenen  tellurischen  Eisens  (wie  in  Thüringen  nnd  Böhmen)  kommen,  schon  ihrrr 
ungemeinen  Seltenheit  wegen,  nicht  in  Betracht:  übrigens  gilt  für  sie  dasselbe,  wi«  vom 
Metcoreisen. 


(503) 

Hr.  Director  Voss  hat  sich  denn  auch,  wenngleich  wegen  der  dabei  unver- 
meidlichen Beschädigung  des  Gegenstandes  schweren  Herzens,  entschlossen,  eine 
gründliche  Untersuchung  desselben  vornehmen  zu  lassen,  und  dieselbe  in  die  Wege 
geleitet;  sie  ist  aber  noch  nicht  beendigt.  Das  bisher  gewonnene  Ergebniss  mit- 
zutheilen,  enthalte  ich  mich,  um  Hm.  Voss  nicht  vorzugreifen,  der  hoffentlich  nach 
Abschluss  der  Arbeit  hier  darüber  berichten  wird.  Hingegen  möchte  ich  die  Grenzen 
dessen  darlegen,  was  wir  von  der  Analyse  erwarten  dürfen. 

Wenn  sich  herausstellt,  dass  metallisches  Eisen,  wenigstens  jetzt,  nicht  mehr 
vorhanden  ist,  so  schwindet  damit  alle  Aussicht  für  den  Nachweis,  dass  der 
Klumpen  bei  seiner  Niederlegung  Metall  war;  denn  es  wird  wohl  unmöglich  sein, 
zu  zeigen,  dass  ein  Umwandlungsproduct  des  Eisens  vorliegt.  Ein  solches 
müsste  aus  dem  Hydrat  des  Oxydes  (PejOg)  oder  des  Oxyduloxydes  (PeO,  Pe^O,) 
bestehen.  Das  darin  enthaltene  Wasser  Hesse  sich  nun  zwar  nachweisen  und  quan- 
titativ bestimmen;  aber  die  so  erfolgte  Peststellung  von  Hydrat  genügt  nicht,  weiter 
auf  metallisches  Eisen  zu  schliessen,  da  wir  sehr  verbreitete  Materialien  kennen, 
die  ebenfalls,  wenigstens  aus  Oxyd hydrat  bestehen  [Göthit  (Pyrrhosiderit,  Nadol- 
eisenerz),  Pe^O,,  HjjO;  Braun  eisenerz  (brauner  Glaskopf,  Limonit,  Wiesenerz  oder 
Raseneisenerz,  Gelbeisenstein)  2Pe2  03,  SH^O].  Höchstens  möchte  der  sichere  Nach- 
weis von  Oxydul oxydhydrat  metallisches  Eisen  als  Ausgangspunkt  andeuten; 
doch  ist  dies  Hydrat  sehr  geneigt,  durch  SauerstofTaufnahme  in  Oxydhydrat  über- 
zugehen, und  somit  sein  Portbestehen  in  der  Masse  nicht  wahrscheinlich.  Aber 
auch  wenn  die  Analyse  einen  Oxydulgehalt  ergiebt,  ist  dadurch  noch  nicht  die  Ent- 
stehung der  Masse  aus  metallischem  Eisen  bewiesen;  denn  es  enthält  z.  B.  Rasen- 
eisenerz öfters  neben  Oxyd  auch  Oxydul.  Und  wie  schon  oben  bemerkt,  macht 
der  Klumpen  auch  nicht  den  Eindruck  verrosteten  Eisens.  Wenn  dagegen  nur 
wasserfreies  Oxyduloxyd  (Magneteisen)  oder  Oxyd  [Rotheisenerz  (Blutstein, 
Hämatit,  rother  Glaskopf,  Eisenglanz,  Eisenglimmer)]  vorhanden  ist,  so  steht  sicher 
fest,  dass  ursprünglich  kein  metallisches  Eisen  vorlag.  Die  Analyse  wird  mithin 
die  Eisenoxyde  quantitativ  bestimmen  und  die  An-  oder  Abwesenheit  des  Wassers 
mindestens  darthun  müssen.  Ausserdem  wäre  auf  Schwefel  oder  genauer  Schwefel- 
säure zu  prüfen,  da  Brauneisenerz,  das  häufifi:  durch  chemische  Veränderung  anderer 
Mineralien,  z.  B.  des  Eisenkieses  und  des  Hämatits  entsteht,  wenn  ersterer  seine 
Mnttersubstanz  war,  die  Umwandlung  aber  nicht  abgeschlossen  ist,  noch  Schwefel- 
säure enthalten  kann.  Wie  aber  auch  immer  das  Ergebniss  der  Analyse  und  da- 
mit die  Antwort  auf  die  Präge  ausfallen  möge,  ob  metallisches  Eisen  aus  der 
zweiten  trojanischen  Schicht  wirklich  nachgewiesen  sei  oder  nicht,  —  auf  Datirung 
und  Deutung  des  von  Hrn.  Götze  besprochenen  Eisenstabes  hat  dies  meines 
Erachtens  keinen  Einfluss.  Schon  dessen  guter  Erhaltungszustand  spricht  gegen 
ein  so  hohes  Alter,  wie  Dr.  Götze  es  ihm  zuschreibt;  er  ist  zwar  oberflächlich 
mit  Blasen  bedeckt,  wie  sie  sich  an  Eisensachen  im  Erdboden  bei  der  Oxydation 
zu  bilden  pflegen;  aber  diese  Blasen  sind  nur  klein,  und  eine  Anbohrung  zeigte, 
dass  schon  in  geringer  Tiefe  reinstes  Metall  liegt.  Eisen  tritt  auch  sonst  erst  in 
der  mykenischenZeit  auf.  Seh  liemann  selbst  hat  sogar  in  den  Niederlassungen  dieser 
dasMetall  noch  nicht  gefunden,  weder  auf  Hissarlik,  nochinMykenae,  Orchomenos  oder 
Tiryns;  aber  ich  entnehme  Schuchardt's  Werk:  Schliemann's  Ausgrabungen, 
2.  Aufl.,  Leipzig  1891,  dass  Arbeiten  derGriechischen  Archäologischen  Gesellschaft  unter 
Tsnntas'  Leitung  1887 — 88  in  Pelsenkamraergräbern  des  Volks  der  Unterstadt  von 
Mykenae  ein  paar  eiserne  Pingerringe  ergaben,  „welche  beweisen,  dass  dies 
Metall  damals  noch  für  sehr  kostbar  galt  und  nur  zu  Schmuckgegenständen  ver- 
arbeitet wurde" (S. 345), desgleichen  1889  in  einem  Kuppel- (Tholos-) grabe  zuAmyklae 


(504) 

bei  Sparta  einen  eisernen  Ring,  mit  andern  Dingen  zusammen  da  gelegen,  wo 
die  Hände  des  Todten  vorauszusetzen  waren  (S.  348;  rergl.  auch  S.  142  und  369). 
In  den  ältesten  Gräbern  der  inykenischen  Zeit,  den  Schachtgräbem,  fehlt  das  Eisen 
noch.  Ist  nun  jener  Eisenstab  zeitlich  nicht  mehr  mit  den  Silberplatten  zu- 
sammenzubringen, so  genügt  die,  wie  oben  erläutert,  mir  nicht  wesentlich  erschei- 
nende Formähnlickeit  gewiss  nicht,  eine  gleiche  Zweckbestimmung  darzuthun. 
Wozu  der  Stab  gedient  haben  mag,  ist  freilich  schwer  zu  sagen;  man  könnte  an 
einen  Meissel  denken,  doch  spricht  die  Abrund ung  des  dickem,  breitem  Endes  da- 
gegen; ein  Hammer  würde  beim  Draufschlagen  leicht  abgleiten.  —  Fehlt  am 
schmalen  Ende  ein  Stück  und  war  dieses  etwa  umgebogen  und  gelocht,  so  gäbe 
der  Stab  einen  vortrefflichen  —  Pfannenstiel.  Doch  bin  ich  auch  weniger  pro- 
saischen Deutungen  zugänglich,  nur  an  das  ^Geld^  glaube  ich  nicht.  — 

Hr.  A.  Götze  entgegnet  hieraur: 

Durch  das  von  Dr.  Olshausen  Gesagte  wird  der  Hauptinhalt  meines  Artikels 
im  ^Globus^  nicht  im  Mindesten  berührt.  Es  handelte  sich  da  um  eine  Deutung 
der  Silberbarren;  der  Eisenbarren  wurde  nur  anhangsweise  besprochen  und  tlber- 
haupt  nur  angeführt,  um  ein  weiteres  Beispiel  von  zungenförmigen  Geldbarren  auf- 
zuweisen. Man  könnte  den  auf  den  Eisenbarren  bezüglichen  Abschnitt  weglassen, 
ohne  dass  das  Hauptthema  davon  getroffen  würde. 

Was  den  ^ eisernen^  Stabgriff  anlangt,  so  ist  die  Untersuchung  seiner  Substanz 
noch  nicht  abgeschlossen,  und  man  muss  sich  fragen,  ob  es  nicht  besser  gewesen 
wäre,  mit  der  Erörterung  dieser  ganzen  Angelegenheit  zu  warten,  bis  das  Resultat 
vorliegt. 

Auf  die  von  Hm.  Olshausen  über  die  zungenförmige  Eisenplatte  ge- 
machten Angaben  habe  ich  Verschiedenes  zu  erwidern.  Hr.  Olshausen  bean- 
standet die  Bezeichnung  als  Platte  und  glaubt  es  als  Stab  benennen  zu  müssen. 
Wenn  auch  der  Gegenstand  an  dem  einen  Ende  etwas  dicker  ist,  als  an  dem  andern, 
so  ist  die  Flächenentwicklung  im  Verhältniss  zur  Dicke  doch  eine  derartige,  dass 
ich  an  der  Bezeichnung  als  Platte  festhalte.  —  Die  Form  ist  nicht  identisch  mit  der 
der  Silberplatten,  aber  sehr  ähnlich.  Damit  sich  nun  Jedermann  selbst  ein  Urtheil 
bilden  kann,  wie  weit  die  Aehnlichkeit  geht,  habe  ich  die  abweichenden  Punkte 
bereits  in  meinem  „Globus^-Aufsatz  angegeben.  Ob  man  demnach  die  Stücke 
wenig  oder  sehr  ähnlich  findet,  ist  Ansichtssache;  ich  glaube  letztere  Bezeich- 
nung vorziehen  zu  müssen.  Als  wesentlicher  Unterschied  wird  der  gerade  Ab- 
schluss  der  Eisenplatte  gegenüber  dem  concaven  Einschnitt  der  Silberplatten  hervor- 
gehoben (genau  genommen  ist  der  Abschluss  der  Bisenplatte  sogar  ganz  wenig 
convex).  Dieser  Unterschied  verliert  aber  seine  Bedeutung,  wenn  man  erwägt,  dass 
nach  meiner,  in  dem  ^Globus^-Aufsatz  näher  erörterten  Annahme  die  Geldbarren 
sich  hinsichtlich  ihrer  Form  aus  Flachcelten  entwickelt  haben.  Man  würde  also 
in  dem  geraden  Abschluss  eine  Erinnerung  an  den  ebenso  abschliessenden 
bekannten  Typus  der  Flachcelte  haben,  welcher  auch  in  Troja  vorkommt.  Die 
Deutung  des  Gegenstandes  als  eines  abgebrochenen  Pfannenstiels  scheint  mir  nicht 
glücklich  zu  sein,  denn  wenn  auch  der  verrostete  Zustand  nicht  mit  voller  Sicher- 
heit die  ursprüngliche  Beschaffenheit  des  geraden  Abschlusses  erkennen  lässt,  scheint 
doch  der  letztere  bei  seiner  regelmässigen  Gestaltung  nicht  eine  Bruchfläche,  sondern 
die  ursprüngliche  Begrenzung  darzustellen. 

Bezüglich  der  Fund  umstände  der  Eisenplatte  nimmt  Hr.  Dr.  Olshausen 
Anstoss  daran,  dass  ich  zwei  Angaben  Schliemann^s  ignorirt  habe,  erstens  die 
Notiz    im    handschriftlichen    Katalog   der   Schliemann-Sammlung,    wonach   der 


(505) 

Gegenstand  in  der  VII.  Stadt  (nach  jetziger  Bezeichnung  VII — IX)  gefanden  sein 
soll,  und  zweitens  die  Angabe  Schliemann's  in  ^Ilios^  dass  in  den  fünf  prä- 
historischen Städten  kein  Eisen  gefanden  sein  soll.  Hierzu  bemerke  ich,  dass  ich 
bei  der  Neuordnung  der  Schi  ie  mann -Sammlung  Gelegenheit  hatte,  mich  von 
berufswegen  eingehend  mit  den  Fundangaben  Schliemann^s  zu  beschäftigen  und 
mir  ein  Drtheil  über  ihren  Werth  zu  bilden.  Auf  Grund  dessen  trage  ich  nun 
nicht  das  geringste  Bedenken,  die  bei  einem  einzelnen  Gegenstande  als  Fundort 
angegebene  Schicht,  bczw.  Tiefenzahl  zu  ignoriren.  Was  insbesondere  den  Ton 
Olshausen  speciell  hier  bemängelten  Fall  anlangt,  dass  ein  älterer  Gegenstand 
von  Schliemann  eine  jüngere  Datirung  bekommen  hat,  führe  ich  folgende  Bei- 
spiele an:  1.  Im  Katalog  ist  zu  lesen:  „Nr.  8389,  VII.  Stadt,  Bronzestift,  unten 
breiter  werdend.**  „Nr.  8397,  VII.  Stadt,  Bronzefragment. **  Es  ist  mir  nun  ge- 
lungen, beide  Stücke  mit  zwei  nicht  numerirten  Stücken  zusammenzusetzen  und  so 
ein  grösseres  Bruckstück  eines  der  für  die  II.  Stadt  charakteristischen  Dolche  mit 
langer,  oben  umgebogener  Griffangel  und  zwei  Löchern  im  Blatt  zu  erhalten  (wie 
„Ilios**  Fig.  811— 814,  901).  —  2.  In  der  Schliemann-Sammlung  befanden  sich 
zwei  Bronzegefasse,  welche  aus  vielen  Scherben  unter  reichlicher  Anwendung  von 
ergänzendem  Gyps  zusammengesetzt  waren  und  zwar,  wie  mir  schien,  in  ziemlich 
willkürlicher  Weise.  Ich  Hess  deshalb  die  Gefässe  auseinander  nehmen  und  fand 
so,  dass  die  Zusammensetzung  thatsächlich  ganz  willkürlich  erfolgt  war.  Es  zeigte 
sich  nehmlich,  dass  sich  die  Seherben  mit  anderen  Bronzefragmenten,  u.  a.  auch 
mit  den  „Helmtheilen**  Ilios  Fig.  795 — 798,  979  zusammensetzen  Hessen.  Durch 
Aneinanderpassen  und  Berücksichtigung  der  Patinirung  wurde  so  die  Existenz  von 
drei  BronzegefUssen  ermittelt,  deren  Form  im  Wesentlichen  reconstruirt  werden 
konnte.  Zu  einem  dieser  Gefasse  haben  nicht  weniger  als  29  Nummern  des 
Katalogs  beigetragan  (vgl.  die  Nachweise  unter  Katalog  Nr.  915).  Ein  Scherben 
dieses  Gefässes  nun  wurde  aus  5  aneinanderpassenden  Stücken  zusammengesetzt, 
von  denen  4  (Nr.  7003,  7006,  7019,  70.30)  im  Katalog  als  zur  II.  Stadt,  das 
5.  Stück  (Nr.  8490)  aber  als  zur  VIL  Stadt  gehörig  bezeichnet  sind.  Das  Ge- 
fäss  gehört  einem  Funde  der  IL  oder  IIL  Ansiedelung  an.  Diese  beiden  Beispiele 
zeigen,  dass  es  thatsächlich  vorgekommen  ist,  dass  Schliemann  Gegenstände 
aus  der  IL  oder  der  IL  und  III.  Schicht  mit  der  Provenienzangabe  „VIL  Stadt^ 
versehen  hat 

Was  nun  zweitens  die  Behauptung  Schi iemann's  anlangt,  dass  Eisen  in  den 
fünf  prähistorischen  Städten  nicht  vorkomme,  so  sollen  wiederum  einige  Beispiele 
erweisen,  dass  derartige  allgemeine  Aufstellungen  den  Thatsachen  nicht  immer 
entsprechen.  So  wird  Ilios  (1881)  S.  539  und  Troja  (1884)  S.  103  ausdrücklich 
hervorgehoben,  dass  in  den  fünf  prähistorischen  Städten  keine  Schwerter  vor- 
kommen, und  doch  befindet  sich  in  der  Schliemann-Sammlung  das  bronzene 
Ortband  einer  Scheide,  wie  solche  an  Schwertern  auf  den  sogenannten  bethitischen 
Reliefs  im  Königlichen  Neuen  Museum  zu  Berlin  dargestellt  sind.  Das  Stück  ist 
bereits  im  Atlas  trojanischer  Alterthümer  (1874)  Fig.  2033  abgebildet;  als  Fund- 
tiefe werden  dort  8  m  angegeben,  was  nach  Schiiemann^s  Schema  der  III.  ver- 
brannten, d.  h.  nach  späterer  Zählung  der  IL  Stadt  entsprechen  würde.  —  Ebenso 
Terhält  es  sich  mit  der  üios  S.  530  aufgestellten  Behauptung  über  das  Nieten : 
„Ee  verdient  besondere  Beachtung,  dass  ....  wir  hier  in  Troja  nur  Löthung,  und 
nichts  mit  Pinnen  zusanunengeschlagen  sehen.^  Gegenüber  dieser  bündigen  Er- 
klärung heisst  es  auf  S.  562  Anm.  1  von  einem  kleinen  Goldadler:  „Dies  ist  in 
Troja  das  einzige  Beispiel  von  nicht  zusammengelötheten,  sondern  mit  Pinnen  zu- 
sammengefügten Platten.^    Thatsächlich   giebt  es  aber  noch  mehr  Beispiele  von 


(506) 

Nietarbeit:  so  ist  der  Henkel  an  dem  SilbergelUss  Ilios  Fig.  779  angenietet,  und 
in  der  gegenüberliegenden  Bauchwandung  stehen  die  Niete,  mit  denen  ein  zweiter 
Henkel  angenietet  war,  weit  hervor.  Diese  Beispiele  zeigen,  welchen  Werth  solche 
allgemeinen  Aufstellungen  haben  und  welcher  Werth  im  speciellen  der  Behauptung, 
dass  Eisen  in  den  6  prähistorischen  Städten  nicht  vorkomme,  beizumessen  ist;  ich 
glaube  deshalb  vollkommen  berechtigt  zu  sein,  solche  Aeusserungen  unberück- 
sichtigt lassen  zu  dürfen. 

Es  gehört  also  keine  so  grosse  Kühnheit  dazu,  das  nach  Schliemann  junge 
Stück  älter  zu  datiren,  zumal  da  es  auch  nicht  ganz  sicher  ist,  ob  nicht  im  Gegen- 
satze zu  Olshausen^s  Angabe  in  den  zwischen  II  und  VII  Hegenden  Schichten 
Eisen  beobachtet  worden  ist.  In  dem  von  Dörpfeld  herausgegebenen  Berichte 
„Troja  1893^  wird  S.  98  „ein  Klumpen  Eisen**  erwähnt,  welcher  bei  einer  schicht- 
weisen Ausgrabung  in  einer  Tiefe  gefunden  wurde,  die  etwa  der  V.  Ansiedelung 
entsprechen  soll.  Allerdings  ist  die  Zugehörigkeit  zur  V.  Ansiedelung  nach  den 
an  dieser  Stelle  vorliegenden  Verhältnissen  nicht  mit  voller  Sicherheit  nachzu- 
weisen, auch  lässt  sich  die  Angabc  bezüglich  des  Materials  nicht  controliren,  da 
das  Stück  sich  nicht  in  Berlin  befindet;  immerhin  liegt  eine  Beobachtung  vor, 
welche  man  nicht  übersehen  darf. 

Dass  hier  Olshausen  den  guten  Erhaltungszustand  der  Eisenplatte  für  deren 
geringes  Alter  ins  Feld  führt,  wundert  mich,  da  ihm  doch  sehr  wohl  bekannt  ist, 
dass  diesem  Moment  an  und  für  sich  für  die  Altersbestimmung  wenig  Gewicht  bei- 
gelegt werden  kann.  Man  könnte  es  höchstens  dann  heranziehen,  wenn  aus  der 
in  Frage  stehenden  Schicht  eine  Reihe  von  Eisenobjecten  vorläge;  aber  auch  dann 
müssten  noch  die  Lagerungsverhältnisse  in  der  Erde  berücksichtigt  werden. 

üebrigens  sei  auf.  einen  in  dieser  Angelegenheit  noch  nicht  herangezogenen 
Gegenstand  der  Schliemann-Sammlung  hingewiesen,  welcher  hier  nicht  ohne 
Interesse  sein  dürfte.  An  dem,  dem  „grossen  Schatz"  (IL  Ansiedelung)  zugehörigen 
Silberbecher  (Katalog  Nr.  949)  befindet  sich  ein  grösserer  rostbrauner  Fleck,  welcher 
ganz  den  Anschein  hat,  als  ob  er  von  einem  verrosteten  eisernen  Gegenstand  her- 
rühre, der  neben  dem  Becher  in  der  Erde  gelegen  hat.  Eine  Untersuchung  ist 
noch  nicht  vorgenommen  worden,  und  es  dürfte  auch  zweifelhaft  sein,  ob  durch 
eine  solche  erwiesen  werden  kann,  dass  die  Färbung  von  einem  Oxydations- 
producte  metallischen  Eisens  herrührt 0-  Immerhin  glaube  ich  diese  Beobachtung 
nicht  mit  Stillschweigen  übergehen  zu  dürfen. 

Zum  Schluss  noch  eine  persönliche  Bemerkung.  Hr.  Dr.  Olshausen  unter- 
schätzt sicher  das  Begriffsvermögen  der  Laien  in  chemischen,  bezw.  mineralogischen 
Dingen,  wenn  er  behauptet,  dass  sie  den  Unterschied  zwischen  eisern  und  eisen- 
haltig fast  nie  zu  erfassen  vermöchten.  Ich  glaube  denn  doch,  dass  die  meisten 
Menschen  in  der  Lage  sind,  es  sofort  zu  begreifen,  wenn  man  ihnen  sagt,  dass 
metallisches  Eisen  und  eisenhaltiges  Mineral  zwei  verschiedene  Dinge  sind.  Etwas 
anderes  ist  es  ja  allerdings,  ob  ein  Laie  eine  richtige  Bestimmung  zu  treffen  ver- 
mag. Ich  gehe  wohl  nicht  fehl  in  der  Annahme,  dass  Hr.  Dr.  Olshausen  sieb 
hier  im  Ausdruck  vergriffen  hat.  — 

(24)    Hr.  Rud.  Virchow  zeigt  einen  ausgezeichneten 

peruanischen  Tharmkopf  ans  Arica. 

Hr.  Cap.  Beelendorf  in  Hamburg  bot  mir  unter  dem  12.  October  einen  ^alten 
Todtenkopf  aus  Arica,    der  noch  aus  der  Inca-Zeit  herstammen  sollte^«    an.     Auf 

\)  Vgl.  Olshausen,  diese  Vorhandl.  1893,  S.  111— 11-2. 


C507) 

mein  Ersuchen  schickte  er  mir  denselben  unter  dem  18.  October,  zugleich  mit  der 
Notiz,  dass  derselbe  hinter  dem  Horro  in  Arica  ausgegraben  sei.  Ich  bemerke 
dazu,  dass  der  Besitz  von  Arica.  soviel  ich  ersehe,  im  Augenblick  zwischen  Chile 
und  Peru  streitij^,  dass  es  aber  vorläufig  in  der  Gewalt  von  Chile  ist. 

Der  Kopf  ist  einer  jener  etwas  selteneren,    welche  von  Tschudi  als  ei^ut- 
liche  Inca-Schiidel  bezeichnet  sind.    Er  zeigt  im  ProHl  (Fig.  I)  die  starke  Zurilck- 

Fig.  2.    % 


druckung  und  Abllochung  des  Stirnbeins,    welche 

die  Verschiebung  der  Fontanelle  nach  hinten  und  ^^"  '' 

die  Einrallung  des  vorderen  Theiles,  sowie  die  Er-, 
höhung  der  Mitte  der  Parietalia  zur  Folge  gehabt 
hat.  Dann  Tol^t  ein  schneller  Abrall  des  Hinter- 
haupts und  die  sehnige  Abplattung  der  Squama 
occipitalis.  Nach  vorn  setzt  sich  die  schiefe  Ebene 
des  Stirnbeins  Tast  gerade  auf  die  abgeplattete, 
aber  nach  unten  stark  vortretende  Niisc  fort;  unter- 
halb derselben  tritt  der  kurze  Alvcolarfortsatz, 
durch  grosse  Zahnlöcher  erweitert,  prognathiseh 
vor.  Trotz  der  starken  Derormation  sind 
die  Ohrlöcher  gerundet  und  die  Schläfen- 
gegenden normal  entwickelt.  Die  Plana  temporalia 
hoch,  aber  kurz  und  unregelmiissig. 

Ib  der  Vorderansicht  (Fi;;.  -2)  macht  sich  zu- 
nächst eine  Sutura  frontalis  persistens  und 
eine  breite  Stirn  bemerklich.  Die  Tubera  fron- 
talia,  obgleich  vergrossert,  sind  ganz  niedergedrückt. 

Die  Seitcntheile  lliich  gerundet,  um  breitesten  in  der  Gegend  der  Tubera  aus- 
gelegt. Das  Gesicht  niedrig,  aber  durch  die  Auslage  der  Jochbogen  breit.  Augen- 
hohlen hoch,  ihre  Ränder  gerundet.  Tiefe  Fossae  caninae.  Breite  und  kurze 
Nasenbeine. 

In  der  Unteransicht  (Fig.  J)  sieht  man  den  lan^estreckten  Contour  des  n.ich 
hinten  hinausgeschobenen  Schädels,  dessen  Oberschuppe  eine  mediane  Einfaltung 
und   jederscits   einen   tiefen   seitlichen  Eindruck   erlitten   hat.    Die  Linea   scmic. 


(508) 

«uprema  ist  in  der  Mitte  weit  nach  oben  vorgerückt.    Gaumen  gross,  insbesondere 
nach  Torn  yerbreitert.    Die  noch  Torhandenen  Molares  massig  abgenutzt 


Capacität 

Orösste  horizontale  Länge 

^       Breite    ... 
ijerade  Höhe.     .    .    . 

Ohrhöhe 

Obergesicht,  Höhe  .    . 
,  Breite  a  . 


b. 


Längenbreiteui  ndex 
Längenhöhenindex  . 
Ohrhöhenindex  .    . 


Messzahlen: 
1105  ccm        Orbita,  Höhe 34  mm 


177  mm 
12rr  ^ 

137     , 
110     , 

124     ^ 
109     . 


r» 


,  Breite 35 

Nase,  Höhe 50 

^   ,  Breite 24 

Gaumen,  Länge 59 

,  Breite 36 


Berechnete  Indices: 

68,4  Orbitalindex 97,1 

77,4  Nasenindex 48,0 

62,1  Gaumenindex 61,0 


(25;  Hr.  Rud.  Virchow  legt  eine  Anzahl  von 

Nachbildungen  ethnologischer  Schädel  in  Gyps 

Tor,  welche  die  Rudolf  Virchow-Stiftung  durch  Hm.  Bildhauer  Fritz  Rolbow  hat 
anfertigen  lassen.  Dieselben  sind  für  die  im  Museum  fQr  Völkerkunde  zu  er- 
richtende Schausammlnng  bestimmt.  Für  die  Vei^leichung  unter  einander  sind 
diese  farblosen  Copien  der  nicht  selten  gefleckten  und  sonst  verunreinigten  Originat- 
Schädel  Ton  besonderem  Werthe.  — 


(26)  Hr.  Wilhelm  Krause  berichtet  tiber  seine 

anthropologische  Reise  nach  Australien, 

wobei  sich  das  früher  construirte  Reisemikroskop  aus  Aluminium  (Verhandl.  1894, 
Bd.  XXVI,  S.  98)  sehr  gut  bewährt  hat,  legt  verschiedene  mitgebrachte  Gegen- 
stände, unter  Anderem  solche,  welche  die  Biszeit  in  Hallett's  Cove  (Süd-Australien) 
betreffen,  und  die  folgende  Abhandlung  vor: 

Australlsohe  Schädel. 

Während  meines  Aufenthalts  in  Australien  im  Sommer  1897  habe  ich  etwas 
mehr  als  200  Schädel  von  australischen  Dreingeborenen  in  Händen  gehabt  Die- 
selben sind  im  Juni  1897  nach  der  Frankfurter  Verständigung  untersucht  worden, 
auf  welche  sich  die  Nummern  der  ersten  horizontalen  Reihe  in  den  Tabellen  be- 
ziehen. Die  Schädel  Nr.  1—17  und  24  stellte  der  Professor  der  Anatomie  Hr.  Allen 
in  Melbourne  aus  der  anatomischen  Sammlung  der  Universität  zur  Verfügung: 
Nr.  18—23  sind  Privateigenthum  des  Hrn.  Professors  B.  Spencer  daselbst;  Nr.  25 
ist  ein  Geschenk  des  Hm.  Dr.  Peipers  in  Melbourne  und  Nr.  26  des  Hm.  Dr. 
Ch.  Ryan  daselbst  Die  Schädel  Nr.  27—103  wurden  in  Sydney  untersucht 
Nr.  27—33  gehören  dem  unter  Leitung  von  Hm.  Professor  Wilson  stehenden 
Anatomical  Department  in  Sydney.  Nr.  34  — 36  und  38—46  befinden  sich  im 
Macleay  Museum  in  Sydney:  Nr.  37  erhielt  ich  von  Hm.  stud.  med.  MacDowall 
in  Sydney;  die  Nr.  47—89  gehören  dem  Australian  Museum  in  Sydney;  Nr.  90  be* 
sitzt  Hr.  Prof  Liversidge  daselbst;  Nr.  91 — 103  erhielt  ich  aus  einer  Pnvatsamm* 


(509) 

luDg  durch  Hrn.  Prof.  Wilson  in  Sydney.  Die  Nr.  104—187  verdanke  ich  den 
Directoren  des  South  Australian  Museum  in  Adelaide,  Hm.  Stirling  und  Hm. 
Zietz  sen.,  mit  Ausnahme  des  Schädels  Nr.  135  aus  dem  unter  Prof.  Watson 
stehenden  Anatomical  Department  in  Adelaide.  Ferner  sind  Nr.  151  ein  Geschenk 
von  Hrn.  Dr.  London  in  Adelaide,  Nr.  152 — 154  von  Hrn.  Dr.  Märten  in  Adelaide 
und  Nr.  155  von  Hm.  Minchin,  Director  des  zoologischen  Gartens  in  Adelaide. 
Schädel  Nr.  188  gehört  Hrn.  Malier  in  Adelaide. 

Direct  nach  Berlin  wurden  abgesendet:  Ein  vollständiges  Skelet  und  noch  ein 
Schädel  von  Hm.  Martin,  Prof.  der  Physiologie  in  Melbourne,  und  4  besondere 
schöne  Skelette,  die  ich  meinem  lieben  Freunde  Prof.  Watson  in  Adelaide  ver- 
danke, sowie  auch  ein  Skelet  von  den  Solomon-Isiands. 

Allen  genannten  Herren  und  insbesondere  Hm.  Prof.  Watson,  der  mich  durch 
vielfache  Empfehlungen  unterstützt  hat,  sei  an  dieser  Stelle  der  herzlichste  Dank 
ausgesprochen. 

Bisher  sind  etwa  150  australische  Schädel  publicirt  worden,  vergl.  die  Statistik 
von  Virchow  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  1880,  Bd.  XII,  S.  1)  und  Turner  (The  com- 
parative  osteology  of  races  of  man.  Reports  of  the  voyage  of  H.  M.  S.  Challenger. 
Edinburgh  1884,  Vol.  X,  PI.  XXIX);  seitdem  sind  nur  wenige  hinzugekommen. 
Wilson  (Fräser,  The  Aborigines  of  New  South  Wales,  Sydney  1892.  p.  96—91», 
und  Report  of  the  Hörn  Expedition  to  Central  Australia,  T.  IV.  Anthropology,  1806) 
hat  9  Schädel  gemessen,  Haiford  (Brough  Smyth,  On  the  Aborigines  of  South 
Victoria  1878,  Vol.  II,  p.  340—378)  schon  früher  5  Schädel. 

Von  obigen  200  australischen  Schädeln  wurden  187  auf  Grundlage  der  Frank- 
furter Verständigung  gemessen.  Bei  der  Berechnung  der  mittleren  Durchschnitts- 
zahlen fallen  15  aus,  weil  sie  nachgewiesenermaassen  weiblich  sind;  4,  weil  sie 
sicher  oder  sehr  wahrscheinlich  Half-castes  waren,  die  von  einem  weissen  Vater 
und  einer  schwarzen  Mutter  herstammen.  Ferner  scheiden  10  aus,  weil  sie  zu 
unvollständig  conservirt  und  theilweise  nur  in  Bmchsttlcken  vorhanden  oder  patho- 
logisch waren ;  6,  weil  sie  mit  den  zugehörigen  Skeletten  direct  nach  Berlin  expedirt 
wurden;  \o  wegen  jugendlichen  Alters;  5  wurden  in  Adelaide  noch  macerirt;  1  ge- 
hörte einem  Riesen  an;  ^  Schädel  war  noch  in  seiner  BestattungshUlle,  und  4 
konnten  der  Rtirze  der  Zeit  halber  nicht  näher  untersucht  werden.  Von  den  übrig 
bleibenden  155  sind  sicher  21  männlich,  excl.  des  Riesen;  134,  die  hier  als 
^gemischte^  bezeichnet  werden,  sind  für  die  Aufstellung  von  Mittelzahlen  mit  den. 
männlichen  zu  vereinigen,  sie  sind  nehmlich  ohne  Zweifel  grösstentheils  männlich, 
aber  ein  directer  Nachweis  dafür  fehlt. 

Nimmt  man  hiernach  die  männlichen  und  die  gemischten  Schädel  zusammen,^ 
so  eigiebt  sich  Folgendes:  Der  australische  Schädel  ist  dolichocephal  (L.-B.  =  69,7); 
nahezu  hypsicephal  (L.-H.  =  74,6);  prognath,  denn  der  Profilwinkel  beträgt  78,0°; 
schmalgesichtig  (Gesichtsindex,  nach  Y ircho  w  =  1 19,4);  mit  schmalem  Obergesicht 
(Obergesichtsindex  =  70,0);  leptoprosop  (Jochbreiten-Gesichtsindex  =91,8);  mit  lepto- 
prosopem  Obergestcht  (Jochbreiten-Obergesichtshöhenindex  =  53,6);  chamaekonch 
(Augenhöhlenindex  =  79,0);  hyperplatyrrhin  (Nasenindex  =  64,0)  und  leptostaphylin 
(Gaumenindex  =^8,2). 

Der  weibliche  Schädel  ist  ebenfalls  dolichocephal  (L.-B.  =  71,2)  und  hypsi- 
cephal (L.-H.  =  76,2),  prognath  (79,7°),  schmalgesichtig  (116,8),  mit  schmalem 
Obergesicht  (70,7),  leptoprosop  (90,9),  mit  leptoprosopem  Obergesicht  (54,7),  aber 
im  Gegensatz  zum  Manne  mesokonch  (83,8),  pJatyrrhin  (52,7)  und  leptostaphylin 
(63,7). 


(510) 

Die  allgemeinen  Charaktere  des  aastralischen  Schädels  werden 
hier  zusammengestellt,  damit  sie  nicht  bei  der  Erörterung  jedes  einzelnen  Schädels 
^vied erholt  zu  werden  brauchen.  Der  Schädel  ist  sehr  dolichocephal  und  zugleich 
hoch,  also  hypsidolichocephal.  Die  Arcus  superciliares  springen  sehr  stark  vor, 
die  Nasenwurzel  ist  eingedrückt,  die  Nasenbeine  sind  in  ihrer  oberen  Hälfte  schmal, 
alle  Cristae  und  Muskelansätze  treten  stark  hervor.  Häu6g  findet  sich  ein  Toms 
•oecipitalis  transversus  oder  ein  Torus  frontalis  medianus,  der  in  der  Gegend  der 
obliterirten  Sutura  frontalis  sich  erstreckt.  Die  Stirn  ist  schmal  und  ^urttckfliehend. 
die  Stirn  breite  sehr  gering. 

Die  Jochbeine  stehen  ziemlich  schräg,  mit  ihrem  unteren  Rande  lateratwärts 
abweichend.  In  der  Norma  verticalis  kann  man  zwischen  dem  Stirnbein  und  den 
Arcus  zygomatici  hindurchsehen,  zufolge  der  geringen  Stirnbreite.  In  der  Schläfen- 
fontanelle sind  Schaltknochen  häufig,  die  an  einem  ihrer  Ränder  mit  den  benach- 
barten Knochen  zu  verwachsen  pflegen  und  dann  je  nach  den  Umständen  einen 
Processus  frontalis  der  Squama  temporalis  oder  einen  langen  Processus  sphenoi- 
tialis  oss.  parietalis  darstellen,  oder  die  Ala  magna  vei^rössem,  namentlich,  indem 
sie  ihr  oberes  Ende  verbreitern. 

Mitunter,  aber  keineswegs  immer,  sind  die  Ossa  parietalia  seitlich  abgeflacht. 
so  dass  der  Schädel  in  der  Norma  occipitalis  an  das  Dach  eines  Hauses  erinnert 
und  fünfeckig  ist.  Auch  findet  mitunter  ein  Abfall  von  der  Scheitelhöhe  nach 
hinten  statt. 

Die  Processus  styloides  sind  dünn,  schlank,  häufig  wie  abgebrochen,  was  auf 
eine  Zusammensetzung  aus  mehreren  Stücken  hinweist,  ihre  Vaginae  aber  meist 
sehr  stark  entwickelt.  Die  Processus  mastoides  sind  klein,  kurz,  die  Incisurae 
mastoideae  sehr  häufig  doppelt.  Sehr  häufig  sind  Spinae  supra  meatum  vorhanden, 
die  Cristae  supramastoideae  meist  sehr  stark  ausgebildet,  die  Lineae  temporales 
superiores  erstrecken  sich  häufig  quer  über  die  Tubera  parietalia.  Mitunter  sind 
die  Condyli  occipitales  durch  eine  quere  Trennungslinie  in  zwei  Hälften  gesondert; 
sehr  häufig  sind  Processus  paramastoidei,  ferner  tiefe  Gruben  zwischen  den 
Lineae  nuchae  inferiores  und  dem  hinteren  Rande  des  Foramen  occipitale 
magnum. 

Alle  Löcher  und  DurchgangsöfTnungcn  am  Schädel  sind  sehr  weit  Am 
interessantesten  ist  diese  Erscheinung  beim  Gehörorgan;  die  Weite  des  Meatus  acusticus 
internus  dürfte  mit  einer  grösseren  Dicke  des  N.  acusticus,  die  Weite  des  äusseren 
Gehörganges  mit  Ausdehnung  des  Trommelfelles  über  einen  grösseren  Raum  und 
Beides  mit  der  ausgezeichneten  Gehörschärfe  der  Eingeborenen  zusammenhängen. 

Die  Foramina  ovalia  sind  manchmal  sehr  weit,  mehr  rundlich  als  längsoral 
(z.  B   Nr.  179). 

Was  das  Gesicht  anbetrifl't,  so  sind  die  Augenhöhlenränder  gewulstet.  Keines- 
wegs so  bedeutend,  um  an  ein  Opernglas  zu  erinnern,  wie  Virchow  diese  Formation 
bei  den  Affen  gekennzeichnet  hat,  aber  mehr  als  bei  europäischen  Rassen.  Ferner 
fällt  die  meist  sehr  beträchtliche  Tiefe  und  Grösse  der  Fossae  eaninae  auf,  and 
nicht  selten  sind  Fossae  praenasales  vorhanden.  Der  Prognathismus  ist  sehr 
bedeutend,  was  bei  den  Zifi'ern  des  Profil  winkeis  nicht  so  deutlich  hervortritt 
Bedingt  wird  die  Prognathie  hauptsächlich  durch  die  schräge  Stellung  der  Pro- 
cessus alveolares.  Die  Zahnreihen  passen  vorn  auf  einander,  im  Gegensatz  zu  den 
Rassen,  bei  denen  eine,  gewöhnlich  die  untere  hinter  der  andern  zurücktritt  Die 
Zähne  sind  schon  frühzeitig  stark  al)geschliO'en,  in  Folge  des  Kauens  angekochter 
Wurzeln  oder  von  Pflanzenfasern  zur  Herstellung  von  Netzen:  bei  den  civilisirten 
australischen  Eingeborenen  fällt  dies  natürlich  weg. 


(511) 

Hinter  dem  Weisheitszahn  verlängert  sich  der  Processus  alveolaris  des  Ober- 
kiefers nach  hinten,  enthält  zuweilen  eine  kleine  Höhle  und  bietet  jedenfalls  Kaum 
für  einen  vierten  Molarzahn:  die  Oaumen-Endbreite  ist  gewöhnlich  etwas  beträcht- 
licher, als  die  Gaumenmittelbreite,  doch  sind  die  Unterschiede  nur  gering. 

Trotz  der  grossen  absoluten  Länge  des  Schädels  überschreitet  die  Länge  der 
Schädelbasis  gewöhnlich  nicht  die  Norm;  sie  betrug  an  30  Schädeln  im  Durch- 
schnitt 101,5  mm.  Diese  Kürze  bedingt  die  oben  erwähnte  Einziehung  der  Nasen- 
wurael,  welche  den  lebenden  Eingeborenen  ein  so  charakteristisches  Aussehen 
verleiht. 

Die  geschilderten  Charaktere,  über  welche  weiterhin  die  Varietäten  zu  ver- 
gleichen sind,  treten  mehr  oder  weniger  ausgesprochen  bei  jedem  australischen 
Schädel  hervor.  Sie  sind  nicht  zufällig  zusammengewürfelt,  sondern  stehen  in  Be- 
ziehung zu  einander.  Manche  derselben  fasst  die  Anatomie  als  Varietäten  auf,  die 
bei  allen  Rassen,  jedoch  in  sehr  verschiedener^Hänfigkeit  vorkommen.  Sie  stehen 
in  Beziehung  zu  embryonalen  Abweichungen,  Störungen  in  der  Entwickeluug  der 
Kaumuskeln,  der  Znngenbeinmuskeln,  der  Nackenmuskulatur  und  charakterisiren 
sich  als  stärkere  Ausbildung  dieser  Muskeln  im  Gegensatze  zu  anderen.  Der 
Australier  theilt  manche  dieser  Besonderheiten  mit  anderen  primitiven  Rassen,  aber 
nirgends,  so  viel  man  bis  jetzt  sagen  kann,  sind  sie  so  ausgeprägt.  Jedes  dieser 
Kennzeichen  hat  die  Richtung,  dem  Schädel  einen  mehr  kindlichen  oder  gar  mehr 
thierischen  Charakter  zu  verleihen.  Die  wissenschaftliche  Anatomie  sieht  als 
Normalmenschen  den  Arier  an,  und  Abweichungen  von  dessen  Typus  kann  man 
am  einfachsten  als  Störungen  subsumiren.  Ein  eingeborener  australischer  Anatom, 
wenn  es  solche  geben  könnte,  würde  wohl  einer  entgegengesetzten  Auffassung 
huldigen.  Man  kann  jedoch  jetzt  sagen,  dass  eine  Störung,  ein  Zurückbleiben  in 
der  EntWickelung  der  Stimregion  vorliegt.  Dafür  sind  charakteristisch:  die  Pro- 
cessus frontales  der  Squama  temporalis  oder  die  Schaltknochen  in  der  Schläfen- 
fontanelle, die  geringe  Länge  der  Schädelbasis  im  Vergleich  zur  ganzen  Länge, 
die  Einziehung  der  Nasenwurzel,  die  geringe  Stirnbreite,  während  die  Areas  zygo- 
matici  lateralwärts  hervorragen,  die  Häufigkeit  eines  Torus  frontalis  medianus  u.  s.w. 
Abhängig  ist  das  Zurückbleiben  der  Stimregion  unzweifelhaft  nicht  vom  Schädel, 
sondern  vom  Stimlappen  des  Gehirns.  Es  wäre  also  auf  die  embryonalen  Ent- 
wickelungsstadien  zurückzugehen,  oder  zunächst  auf  das  Gehirn  selbst,  das  nach 
Waldeyer's  Rath  für  die  üebersendung  durch  Formol  vorbereitet  werden  sollte. 

Die  bekannten  Geschlechtscharaktere  des  weiblichen  Skelets  treffen 
auch  bei  der  Australierin  zu.  Das  Mittelstück  des  Sternum  ist  beim  Manne  fast 
doppelt  so  lang,  als  das  Manubrium,  beim  Weibe,  auch  dem  australischen,  ist 
letzleres  relativ  länger.  Die  Clavicula  ist  weniger  stark  gekrümmt,  die  Seitentheile 
des  Kreuzbeines  sind  breiter,  der  Arcus  pubis  nicht  so  winkelrecht  wie  beim 
Manne.  Alle  Knochen  sind  zarter,  schlanker,  die  Muskelansätze  und  Gelenkenden 
weniger  ausgeprägt. 

Der  weibliche  Schädel  ist  kleiner,  seine  Knochen  sind  dünner,  ersterer  daher 
absolut  leichter,  der  Längenhöhenindex  und  der  Augenhöhlenindex  grösser.  Seine 
Dimensionen  sind  etwas  geringer,  alle  Charaktere  des  männlichen  Schädels  gegen- 
über anderen  Rassen  sind  zwar  vorhanden,  aber  weniger  ausgeprägt.  Die  Dolicho- 
cephalie  ist  etwas,  die  Capacität  bedeutend,  durchschnittlich  um  l(iO  ccm  geringer. 
Alle  Foramina  sind  kleiner,  die  Augenhöhleneingänge  mehr  rundlich,  deren  Ränder 
nicht  80  gewulstet,  die  Nasenwurzel  nicht  so  enorm  eingedrückt,  die  Muskelansätze 
und  Cristae  weniger  ausgebildet  Immerhin  würde  es  schwer  halten,  auf  diese 
Charaktere  hin  einen  weiblichen  Schädel  mit  Sicherheit  herauszufinden. 


(512) 

Eine  Anzahl  von  etwa  IG  Schädeln  könnte  nach  den  bekannten  Charakteren, 
unter  denen  die  stärkere  Wölbung  der  Stirn,  die  geringere  Capacität  und  geringes 
Hervortreten  des  EUnterhauptes  erwähnenswerth  sind,  als  weiblich  bezeichnet 
werden.  Eine  vollständige  Garantie  dafür  war  jedoch  nicht  zu  erreichen.  Es  sind 
die  Nrn.  9,  13,  39,  43,  60,  75,  79,  84,  91,  115,  138,  139,  147,  148,  160,  181.  Würde 
man  sie  aus  der  Reihe  der  gemischten  Schädel  fortlassen,  so  würde  sich  in  den 
]\littelzahlen  nur  wenig  ändern;  sie  den  weiblichen  Schädeln  ohne  Weiteres  zuzu- 
rechnen, geht  nicht  an,  weil  ihr  Höhenindex  zu  gering  ist,  wie  die  Tabelle  zeigt: 

S«''"'''=  Länjren-  Länpen- 

[wahracheinlich   weibliche,   anter  breitenindex  höhemndex 

den  ^gemischten**  mitgezählt] .  16  70,7                      7*2,8 

männliche 21  68,8  74,6 

weibliche 15  i  71,1  75,9 

gemischte 134      69£ 7g.8 

zusammen  170      durchschnittL  69,7  73,8 

(Jeberdies  reichen,  wie  gesagt,  die  oben  aufgezählten  Charaktere  des  weiblichen 
Schädels  nicht  aus,  um  Sicherheit  über  das  Geschlecht  zu  geben.  Sie  alle  finden 
sich  häufig  genug  bei  jungen  Männern  vom  20. — 30.  Lebensjahre  (z.  B.  bei  Nr.  77, 
134  und  149),  andererseits  kommen  unzweifelhaft  weibliche  Schädel  vor  (z.  B. 
Nr.  18),  die  vollständig  dem  Schädel  eines  Mannes  gleichen.  Man  könnte  daran 
denken,  dass  nach  australischer  Sitte  den  Knaben  bei  der  Mannbarkeitserklämng 
ein  oder  zwei  mittlere  Schneidezähne  des  Oberkiefers  ausgeschlagen  werden.  Da 
dies  geschieht,  ehe  der  Processus  alveolaris  maxillae  seine  bleibende  Form  an- 
genommen hat,  so  lässt  sich  der  Vorgang  noch  am  macerirten  Schädel  constatiren. 
Der  Processus  bleibt  an  dieser  Stelle  dünn,  der  Rieferrand  wird  sehr  scharf,  unter- 
wärts nur  2 — 3  mm  breit.  Diese  Eigenthümlichkeit  fand  sich,  abgesehen  von  den 
sonst  mit  Sicherheit  als  männlich  nachgewiesenen  Schädeln,  bei  Nr.  35,  52,  58, 
77,  91,  96,  100,  103,  104,  106,  109,  143,  151,  154,  167,  171,  175,  176,  177,  178, 
also  bei  20  Schädeln;  der  Gebrauch  ist  aber  keineswegs  bei  allen  Stämmen  ver- 
breitet, und  unter  den  21  sicher  männlichen  Schädeln  fehlten  nur  Nr.  42  die  mittleren 
Schneidezähne  in  Folge  einer  frühzeitigen  Operation.  Auch  bei  Frauen  können 
natürlicher  Weise  ein  oder  mehrere  Schneidezähne  frühzeitig  verloren  gehen,  and 
bei  jungen  Mädchen  wird  die  Operation  des  Ausschiagens  derselben  bei  einigen 
Stämmen  (Nr.  108,  145)  wie  eine  Modesache  geübt  Unter  diesen  Umständen 
erschien  es  am  besten,  zunächst  die  ganz  sicheren  Thatsachen  festzustellen,  da 
genug  männliche  (21)  und  weibliche  (15)  Schädel  von  unzweifelhafter  Herkonfk 
vorlagen,  um  das  Bild  weder  durch  die  Hinzurechnung  von  jenen  16  wahrscheinlidi 
weiblichen,  noch  von  "20  wahrscheinlich  männlichen  zu  trüben.  Die  Anzahl  der 
gemischten  Schädel  wäre  dadurch  auf  98  vermindert  worden,  aber  auch  diese 
letzteren  sind  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  als  männliche  zu  betrachten.  Der 
Schädel  Nr.  45  ist  unzweifelhaft  männlich;  da  ihm  aber  ein  Theil  der  Schädeldecke 
fehlt,  so  sind  die  Maasse  nicht  sicher  zu  verwerthen  und  der  Schädel  ist  unter 
den  gemischten  untergebracht 

Es  sind  nun  eine  Menge  von  Einzelheiten  zu  erörtern. 

Die  grösste  absolute  gerade  Länge  von  204  mm  besitzt  der  Schädel  Nr.  81, 
der  als  männlich  betrachtet  werden  darf,  die  geringste  Länge  beim  Manne  beträgt 
163  mm  am  Schädel  Nr.  26.  Beim  Weibe  misst  die  grösste  Länge  188  mm  am 
Schädel  Nr.  37  und  die  geringste  161  mm  am  Schädel  Nr.  118,  wenn  man  von  dem 
jugendlichen  Weibe  Nr.  117  mit  nur  155  mr/<  absieht 


(513) 

An  67  Schädeln  wurde  der  Profilwinkel  in  Graden  bestimmt: 

Mftnnlich  Weiblich  Gemischt  Total 

Aniahl   der  Schidel     5  6  56  67 

Maximum 79°  84°  —  84° 

Minimum 75°  76°  —  75°     ■ 

Mittel 76,8°  79,7°  78,6°  78,6°^ 

Die  Capacität  wurde  nach  der  Methode  Virchow's  mit  Broca'schen 
Instramenten  mitteis  Bleischrot  von  2  mm  Durchmesser  an  50  männlichen  oder 
gemischten  Schädeln  und  an  5  weiblichen  bestimmt.  Einer  der  letzteren  (Nr.  43) 
ist  in  den  Tabellen  nicht  zu  den  weiblichen  Schädeln  gestellt,  weil  ein  directer 
Nachweis  nicht  za  liefern  war.  Er  zeigt  alle  Merkmale  eines 'weiblichen  Schädels; 
Prof.  Wilson  in  Sydney  war  mit  mir  in  der  Diagnose  einig. 

Die  gefundenen  Capacitäten  stimmen  mit  den  hier  zur  Vergleichung  aufge- 
führten Durchschnittszahlen  früherer  Beobachter  überein;  letztere  konnten  über 
das  Geschlecht  jedoch  zumeist  nur  Vermuthungen  aufstellen  und  verfügten  über 
eine  viel  geringere  Anzahl  von  Schädeln.  Nr.  29  (1365  ccm)  und  Nr.  49  (1240  rem) 
sind  unzweifelhaft  männlich. 

„    ^    ,  Gemischt  Weiblich 

Beobachter: 

ccm  ccm 

W.  Krause:  Mittel 1288  1186 

„  »         Maximum 1590  1870 

„         Minimum 1000  990 

Quatrefages  et  Hamy 1269  — 

Plower 1298  — 

Turner:  m&nnlich 1293,7  1108 

„         Maximum 1514  — 

„         Minimum —  940 

Der  Schädel  Nr.  78  verdankt  seine  auffallende  Capacität  (1590  ccm)  wesentlich 
seiner  beträchtlichen  ganzen  Höhe  (144  mm)  bei  einer  geraden  Länge  von  181  und 
einer  grössten  Breite  von  132  mm.  Die  Indices  lauten:  L.:B.  =  72,9;  L:H.=79,6. 
Turner  hat  20  Männer  und  10  Frauen,  Fl o wer  16  männliche  Schädel  (und 
einen  weiblichen  Schädel  aus  Queensland)  gemessen,  die  sich  nach  Kegionen,  wie 
folgt,  vertheilen  Hessen  (vergl.  S.  517  die  Erklärung  der  Tabelle).  Damit  sind  hier 
48  gemischte  Schädel  zusammenzustellen: 

Norden  Nordosten  Osten  Südosten  Süden  Westen 

ccm                   ccm  ccm                   ccm  ccm  ccm 

Krause.   .     1220                1286  1256                1245  1228  1213 

Flower.   .     1236                1226  1870                1172  1888  1800 

Meine  Messungen  erwiesen  sich  bei  Wiederholungen  bis  auf  etwa  10  ccm 
genau;  sie  sind  unter  einander  vergleichbar,  während  die  Veigleichung  der  An- 
gaben verschiedener  Beobachter  mit  einander  auf  mehr  als  eine  Schwierigkeit  stösst. 

Der  Längen breitenindex  des  Foramen  occipitale  magnum  beträgt  bei  den 
nachgewiesen  männlichen  Schädeln  im  Durchschnitt  81,2,  bei  den  Frauen  81,5,  im 
Mittel  81,3.  Er  schwankt  zwischen  64—100,  vergl.  die  Schädel  Nr.  169  und  59;  zu- 
weilen ist  das  Foramen  fast  rautenibrmig  (Nr.  25  und  68).  Sein  vorderer  Rand 
liegt  stets  um  einige  (2 — 10)  Millimeter  höher,  als  der  hintere;  die  einzigen  Aus- 
nahmen bilden  die  Schädel  Nr.  6  und  Nr.  32. 

Das  Innere  der  Schädel.  An  den  zerbrochenen  und  aufgesagten  oder  in 
der  Mitte  halbirten  Schädeln  liess  sich  die  Gelegenheit  benutzen,  die  Besonder- 
heiten der  Innenwände  zu  ermitteln.  Die  Foramina,  namentlich  auch  der  Meatus 
acusticus  internus  (Nr.  15),  sind  weit,  und  mit  Rücksicht  auf  das  scharfe  Gehör 

V«rbaadl.  d«r  Berl.  Anthropol.  GeMlUcbaft  1897.  88 


(514) 

der  Eingebornen  darf  man  vielleicht  eine  besondere  Dicke  der  Nenri  acustici  ver- 
mnthen.  Die  Dicke  der  Schädelknochen  ist  zwar  aus  den  Berichten  der  frtLheren 
englischen  Ansiedler  and  manchen  Beispielen  von  Verletzungen  bekannt;  trotzdem 
erregen  diese  dicken,  massiven,  eisenfesten  Schädelwände,  ohne  Diploe,  nicht  ge- 
ringe Verwundening.  Die  Sinns  frontales  können  ganz  fehlen  (Nr.  24)  and  die 
Areas  sapercUiares  stellen  eine  solide,  19  mm  dicke  Rnochenmasse  dar;  an  der 
Protuberantia  occipitalis  externa  ist  der  Knochen  15  mm,  an  der  Protaberantia 
occipitalis  interna  11  mm  dick  (Nr.  24,  Nr.  16).  Die  Fossae  sabarcaatae  sind  sehr 
tief,  die  Eminentia  arcuata  des  Canalis  semicircalaris  saperior  sehr  stark,  die 
Apertara  externa  des  Aqaaedactas  vestibali  sehr  deatlich.  Dagegen  sind  die 
Foveolae  granalares  (Pacchionii)  der  Innenfläche  wenig  entwickelt  and  sparsam 
(Nr.  5),  die  Juga  cerebralia  niedrig  and  die  Impressiones  digitatae  sehr  flach 
(Nr.  6),  doch  ist  dies  nicht  immer  der  Fall  (Nr.  30  and  103). 

Der  Sattel  Winkel  konnte  nar  einmal  gemessen  werden  (Nr.  24);  es  warden 
142°  gefanden. 

Erhaltangszastand  der  Schädel.  Das  mir  zur  VerfUgang  gestellte  Schädel- 
material war  darchweg  soweit  conservirt,  wie  es  bei  aasgegrabenen  Schädeln  die 
Regel  ist.  Die  Bestattangsweise  war  bei  den  verschiedenen,  jetzt  aasgestorbenea 
Stämmen  eine  verschiedene:  Begraben,  Maroificirang  in  hockender  Stellang,  Aus- 
setzen aaf  hölzernen  Plattformen  zum  Schatz  gegen  kleinere  Fleischfresser,  Be- 
stattung in  hohlen  Bäumen  kamen  vor.  Häufig  sind  im  Sandboden  eingegrabene 
Skelette  durch  die  Winde  freigelegt  und  ihre  Schädel  reinweiss  gebleicht,  mit 
grob  granulirter  Aussenfläche  der  Knochen,  die  von  dem  continairlichen  AuftrefTen 
fortgeblasener  feiner  Sandkörner  herrührt.  Einige  der  bestattet  gewesenen  Schädel 
sind  nachträglich  auf  den  anatomischen  Anstalten  Australiens  macerirt,  wodurch 
freilich  nicht  immer  viel  gewonnen  wird.  Am  meisten  hatte  das  knöcherne  Ge- 
sicht gelitten,  was  im  Interesse  des  vierten  Molarzahnes  besonders  zu  bedauern 
ist;  andernfalls  wären  Spuren  desselben  vielleicht  öfter  zu  finden  gewesen.  Häufig 
fehlten  die  Unterkiefer,  auch  passten  einige  nicht  zu  den  betreffenden  Schädeln 
und  wurden  selbstverständlich  fortgelassen.  Nur  verhältnissmässig  sehr  wenige 
stammen  aus  Sectionssälen;  die  meisten  sind  auf  dem  Lande  von  Aerztea.  Land- 
verniessem,  Grundbesitzern,  Polizeibeamten,  aber  auch  von  Museumsvoratänden 
eingesammelt.  Wie  lange  die  Leichen  begraben  gewesen  sind,  ist  vollkommen 
unbestimmbar;  nur  in  einem  Falle  (Nr.  90)  Hess  sich  sicher  constatiren,  dass  seit- 
dem 50  Jahre  verstrichen  waren,  und  dieser  Schädel  war  nicht  schlechter  conser- 
virt, als  die  meisten  der  übrigen. 

Half-castes,  Mischlinge,  von  einem  weissen  Vater  und  einer  schwarzen  Matter 
herrührend,  sind  keineswegs  selten  und  die  sog.  Eingebornen-Stationen  und  Missions- 
anstalten Australiens  fast  ausschliesslich  mit  solchen  gefüllt  Sie  haben  eine  ocker- 
gelbe Hautfarbe,  hell-  bis  dunkelbraunes  Haar,  keine  hervorspringenden  Arcus 
superciliares,  breite  and  flache  Nase,  weniger  hervortretende  Jochbeine,  dicke 
Lippen.  Die  Männer  sollen  etwas  heller  sein.  Es  waren  unter  den  zur  Verfügung 
gestellten  Schädeln  vier,  die  mit  Sicherheit  oder  Wahrscheinlichkeit  als  Half-castes 
zu  erkennen  waren;  ihre  Eigenthümlichkeiten  hielten  sich  in  der  Mitte  zwischen 
australischen  und  europäischen  Schädeln.  Eine  Untersuchung  derselben  würde 
bei  grösserem  Material  interessant  genug  sein,  wenn  man  wissen  könnte,  wer  die 
Väter  waren,  die  natürlich  don  Half-castes  selbst  vollständig  unbekannt  bleiben. 
Von  den  Missionsanstalten  Material  zu  erhalten,  ist  ganz  unthunlich,  da  so^^mr 
Sectionen  dort  aus  leicht  zu  errathenden  Gründen  principiell  ausgeschlossen  sind. 

Von    pathologischen   Veränderungen    ist   zu   erwähnen,    das«  Knochen* 


(515) 

narben,  von  Tomahawkhieben  oder  Reulenschlägen  herrührend,  häufig  sind;  letztere 
kommen  auch  an  weiblichen  Schädeln  vor.  Ferner  sind  periost^ale  Auflagerungen 
nicht  selten.  Dreimal  kam  Syphilis  zur  Beobachtung  (Nr.  15,  16,  80)  und  ebenso 
oft  (Nr.  89,  163,  188)  die  eigenthümliche,  auf  die  Schädelknochen  übergreifende, 
leicht  mit  Syphilis  zu  verwechselnde  Hautkrankheit  der  Eingebornen,  welche  die 
Engländer  in  Australien  itch  nennen.  Sie  wird  aber  nicht  von  Sarcoptes  hominis 
bedingt,  sondern  soll  von  einer  anderen  Milbe  herrühren. 

Varietäten  sind  an  den  australischen  Schädeln  sehr  häufig;  wegen  der  selte- 
neren ist  auf  die  Beschreibung  der  einzelnen  Schädel  zu  verweisen. 

Ein  Torus  frontalis  medianus  fand  sich  68mal  an  154  Schädeln  oder  in 
44,2  pCt.  mehr  oder  weniger  entwickelt. 

Sutura  frontalis.  Ein  Caput  cruciatum  kam  nur  einmal  zur  Beobachtung 
(Nr.  8);  mehr  oder  weniger  hoch  von  der  Sutura  nasofrontalis  an  hinaufreichende 
Reste  der  Sutura  frontalis  sind  dagegen  nicht  ganz  selten,  wenigstens  =  5  pCt. 
Die  untere  Partie  einer  solchen  persistirenden  Sutura  frontalis  pflegt  stark  gezahnt 
zu  sein.  Ein  Schädel  (Nr.  172)  bot  einen  grossen  rhombischen  Schaltknochen  in 
der  grossen  Fontanelle  dar. 

In  der  Sutura  nasofrontalis  kamen  kleine  Schaltknochen  ebenfalls  zur  Be- 
obachtung. Die  Nasenbeine  sind  häufig  ungleich,  asymmetrisch,  sehr  schmal, 
in  ihrer  oberen  Hälfte  mehr  sagittal  als  frontal  gestellt,  so  dass  die  Sutura  inter- 
nasalis  nach  vorn  zuweilen  eine  scharfe  Kante  bildet. 

Ein  Poramen  supraorbitale  war  an  127  Schädeln  50mal  oder  in  19,2  pCt. 
vorhanden,  17  mal  rechterseits,  7  mal  linkerseits  und  24  mal  an  beiden  Seiten.  Ein 
Foramen  frontale  war  an  170  Schädeln  8 mal  oder  in  2,4  pCt.  vorhanden,  stets 
nur  einseitig  und  eben  so  oft  rechterseits,  wie  linkerseits.  Die  Incisurae  supraorbitalis 
und  frontalis  waren  75  mal  oder  in  29,4  pCt.  vereinigt,  16  mal  rechterseits,  19  mal 
linkerseits,  20mal  an  beiden  Seiten.  In  den  übrigen  55,8  pCt.  waren  die  beiden 
Incisuren  getrennt.  Bei  norddeutschen  Schädeln  verhält  sich  die  Sache  ganz 
anders.  Unter  509  solchen  Schädeln  war  ein  Poramen  supraorbitale  in  51,8  pCt. 
vorhanden,  ein  Foramen  frontale  in  1  pCt.  (W.  Krause,  Handbuch  der  mensch- 
lichen Anatomie,  1880,  Bd.  III,  S.  67). 

Zweimal  wurde  eine  Spina  trochlearis  beobachtet.  Die  Fossae  sacci 
lacrimales  sind  gewöhnlich  weit. 

Ein  Processus  frontalis  der  Squama  temporalis  fand  sich  unter  186  Schä- 
deln (von  denen  jedoch  einige  unvollständig  waren)  14  mal,  beide  Seiten  zusammen- 
gerechnet; ein  Schläfenfontanellknochen  (Os  epiptericum)  42  mal;  beide  insgesammt 
in  17  pCt.  (Vergl.  die  Statistik  von  Virchow,  Zeitschrift  ftlr  Ethnologie,  1880, 
Bd.  XII,  S.  1.)  Verwächst  dieser  Schaltknochen  mit  der  Squama  temporalis,  so 
entsteht  ein  Processus  frontalis  der  letzteren,  verwächst  er  mit  dem  Os  parietale, 
was  die  Norm  ist,  so  verbindet  sich  letzteres  durch  die  Sutura  parietosphenoi- 
dalis  mit  der  Ala  magna:  nicht  selten  ist  diese  Sntur  auffallend  lang,  z.  B.  35 — 36  mm 
(Nr.  107). 

Der  Meatus  acusticus  externus  ist  in  der  Regel  weit,  mit  öfters  sehr  stark 
verdickter  vorderer  und  unterer  Wand;  im  ersteren  Falle  entsteht  dadurch  eine 
eigenthümliche  schmale  Spaltform  von  bedeutender  Höhe  in  verticaler  und  geringer 
Breite  in  sagittaler  Richtung.  An  der  hinteren  Wand  des  Meatus  zeigen  sich 
zuweilen  (6  mal  unter  1S7  Schädeln  =  3,2  pCt.)  glatte,  rundliche  oder  längliche 
Exostosen,  und  es  Hess  sich  nachweisen,  dass  sie  von  einer  abnormen  Fortsetzung 
jener  Verdickung  der  unteren  Wand  nach  hinten  geliefert  werden  (Nr.  164). 

Spinae  supra  meatum  waren  1 12  mal  an   168  Schädeln  oder  in  72,0  pCt. 

33» 


(616) 

Torhanden,  Cristae  supramastoideae  an  186  Schädeln  135  mal  oder  in  72,5  pCt; 
sie  sind  meistens  stark  entwickelt. 

Die  Sntara  coronaria  war  in  116  Fällen  unter  137  Schädeln  oder  in  84,7  pCt 
im  mittleren  Theile  jeder  ihrer  Seitenhälflen  viel  stärker  gezackt,  als  im  oberen  mid 
unteren  Theile,  nnd  mit  weit  längeren  Zacken  versehen,  als  es  bei  Ehiropäem  der 
Fall  ist,  welche  Beobachtung  ich  Hrn.  Prof.  Wilson  in  Sydney  verdanke.  Letztere 
Beschaffenheit  fand  ich  in  etwa  70  pCt.,  sowie  dass  sie  ursprünglich  von  dem  Vor- 
handensein sehr  kleiner  Schaltknochen  in  dieser  Sutur  herrührt  (z.  B.  Nr.  42, 
Nr.  112  bei  jungen  Männern). 

Die  Sutura  lambdoides  enthielt  82  mal  an  185  Schädeln  oder  in  42,9  pGt 
einen  oder  mehrere,  bis  zu  21  (Nr.  170)  Schaltknochen.  Ein  echtes  Os  Incae  kam 
nicht  zur  Beobachtung,  dagegen  5  mal  ein  Os  interparietale,  welches  die  Spitze 
der  Squama  occipitalis  bildete  (Nr.  18,  27,  104,  131  und  175).  Einmal  war  ein  solches 
mit  der  Squama  occipitalis  verwachsen,  deren  oberes  Ende  dadurch  einen  quadra- 
tischen Vorsprung  erhielt  (Nr.  35). 

Ein  Torus  occipitalis  transversus  kam  57  mal  oder  in  29,6  pOt  zur 
Beobachtung.  Processus  paramastoidei  waren  51  mal  oder  in  29,6  pCt  mehr 
oder  weniger  entwickelt;  sie  zerfallen  öfters  in  mehrere  kleine  Höcker.  Dit*  Pro- 
cessus mastoides  sind  klein,  die  Incisura  mastoidea  ist  meist  weit  und  flach, 
häufig  doppelt,  auch  sitzt  neben  dem  Processus  mastoides  medianwärts  zuweilen 
ein  kleinerer  Processus  mastoides  accessorius  (Nr.  64).  Die  Processus 
styloides  sind  dünn,  ihre  Vaginae  dagegen  meist  sehr  stark  entwickelt,  breit, 
dick  und  lang.  Auch  die  Spinae  angulares  sind  häufig  zu  starken  Processus 
ausgebildet.  Am  hinteren  Rande  des  Foramen  occipitale  magnum  zeigt  sich 
bei  jugendlichen  Schädeln  ein  länglich -viereckiger,  transversal  verlaufender  Aus- 
schnitt, einige  Millimeter  in  sagittaler  Richtung  messend.  Am  vorderen  und  an  den 
Seitenrändem  des  Foramen  sind  öfters  kleine  rundliche  Tubercula  vorhanden. 
Hinter  dem  Foramen  occipitale  magnum,  zwischen  ihm  und  den  Lineae  nuchae 
inferiores,  dicht  neben  der  Crista  occipitalis  externa  befindet  sich  häufig  jederseits 
eine  flache,  kürzere  oder  längere  Impressio  muscularis  für  die  Insertion  der 
Mm.  recti  capitis  posteriores  minores.  Die  Gondyli  occipitales  sind  häufig  stark 
convex,  fallen  steil  nach  hinten  ab  und  dann  bildet  sich  eine  tiefe  rundliche  Grube 
für  das  Foramen  condyloideum.  Die  Pars  basilaris  oss.  occipitalis  ist  bis  zur 
Synchondrosis  sphenobasilaris,  wenn  sie  genau  gemessen  werden  kann,  stets  t2, 
höchstens  23  mm  lang.  Die  Messungen  sind  aber  an  älteren  Schädeln  höchst  un- 
sicher. An  ihrer  unteren  Fläche  ist  das  Tuberculum  pharyngeum  häufig  stark  ent- 
wickelt,  oder  es  sind  eine  mediane  Fovea  pharyngea  und  an  ihrem  lateralen  Seiten- 
rande  besonders  stark  entwickelte,  symmetrische  schräge  Cristae  musculares  vor- 
handen. Neben  den  Alae  vomeris  verläuft  zuweilen  jederseits  ein  weiter  Canalis 
vomerobasilaris  s.  vomerosphenoidalis  lateralis  snperior  (Nr.  45  u.  175).  Die 
gewöhnlich  sehr  weite  Fissura  pterygopalatina  war  zuweilen  auffallend  eng; 
sie  ist  zuweilen  durch  Spinae  an  ihrem  hinteren  lateralen  Rande  verengert  (Nr.  151). 

Ein  Foramen  pterygo  spinös  um  s.  Civinini  fand  sich  mehrere  Male  (Nr.  2^, 
75,  93,  135,  171).  Die  Fissura  orbitalis  inferior  ist  manchmal  sehr  weit 
(11  —  \5mm)  in  ihrem  vorderen  Theile,  zuweilen  fallt  sie  durch  ihre  Enge  auf. 

Processus  marginales  der  Jochbeine  zeigten  sich  73  mal  an  128  Schädeln 
oder  in  57,0  pCt. 

Der  Canalis  infraorbitalis  ist  in  seiner  hinteren  Hälfte  oftmals  weit  offen, 
und  beiderseits  von  der  Vcrschlussstelle  verläuft  eine  Naht  nach  vom  und  median* 
wärts  zum  Ende  des  Processus  zygomaticus  maxillae  (Nr.  41). 


(517) 

Die  Satara  palatina  transversa  verläuft  nicht  selten  anregelmässig,  so  dass 
die  Pars  horizontalis  des  einen  Gaumenbeines  sich  weiter  nach  vorn  erstreckt,  als 
die  des  entgegengesetzten.  Am  harten  Gaumen  sind  Andeutungen  eines  Toruspala- 
tinus  transversus  häufig  genug  vorhanden :  57  mal  unter  119  Schädeln  =»38,3  pCt. 
Viel  seltener,  aber  als  regelrechter  medianer  Wulst,  erscheint  ein  Torus  pala- 
tinus  medianus  (z.  B.  Nr.  82).  Spinae  palatinae  waren  unter  165  Schädeln 
124  mal  oder  in  75,1  pCt.  vorhanden,  ßemerkenswerth  ist  eine  häufig  vorkommende 
scharfe  und  dünne,  aber  zum  Theil  recht  hohe  (mehrere  mm)  Crista  palatina 
transversa,  welche  in  querer  Richtung,  mit  ihrer  hinteren  Fläche  etwas  nach 
unten  schauend,  nahe  vor  dem  hinteren  Bande  der  Pars  horizontalis  oss.  palatini 
beiderseits  verläuft  und  dem  M.  tensor  veli  palatini  zum  Ansatz  dient. 

Die  Hamuli  pterygoidei  sind  meist  dünn  und  kurz,  zuweilen  breit  und  an 
ihrem  freiem  Ende  knopfforroig  abgerundet. 

Processus  alveolaris  maxillae.  Wie  früher  schon  mitgetheilt  wurde 
(Internationale  Monatsschrift,  1897,  Bd.  XIV,  H.  10,  S.  214),  zeichnen  sich  die 
australischen  Schädel  durch  eine  starke  Verlängerung  des  'Processus  alveolaris 
maxillae  hinter  dem  Weisheitszahn  nach  hinten  ans,  die  bei  109  Schädeln  im 
Durchschnitt  1  cm  (10,07  mm)  betrug.  In  dieser  Verlängerung  finden  sich  zuweilen 
kleine,  glattwandige,  nach  unten  entweder  geschlossene  oder  offene,  nach  oben  sich 
in  einen  Knochenkanal  fortsetzende  Höhlen.  Ihre  Dimensionen  betragen  nur  wenige 
Millimeter,  und  gewöhnlich  liegen  sie  in  der  Verlängerung  der  Axe  der  Oberkiefer- 
zahnreihe. Für  ihr  Dasein  lässt  sich  kaum  eine  andere  Erklärung  finden,  als  die, 
dass  sie  die  abortiv  zu  Grunde  gehende,  weich  bleibende  Anlage  eines  vierten 
Molarzahnes  enthalten.  Solche  Höhlen  fanden  sich  an  17  Schädeln  unter  188, 
also  in  9  pCt.;  es  sind  die  Schädel  Nr.3,  70,  85,  106,  107, 114, 116, 120,  121,  147,  149, 
151, 167, 172, 175, 177, 179.  Znckerkandl  (Sitzungsber.der  k.Akad.  d.Wissensch.  zu 
Wien,  1891,  Bd.  C,  Abth.  III,  S.  315)  fand  Alveolen  oder  Dellen  unter  300  Schädeln 
nur  5  mal  am  Oberkiefer.  Man  muss  bis  zu  den  Beutelthieren ,  z.  ß.  Perameles, 
hinuntergehen,  um  lebende  Säuger  mit  4  Molarzähnen  im  Oberkiefer  zu  finden; 
die  amerikanischen  Affen  besitzen  zwar  36  Zähne,  aber  je  3  Praemolarzähne 
und  nur  3  Molarzähne.  Jene  Verlängerung  des  Processus  alveolaris  fehlt,  wenn 
der  Weisheitszahn  eben  durchbricht  (Nr.  117  u.  172)  und  bildet  sich  erst  allmählich 
aus  (Länge  z.  6=»  4  mm,  Nr.  103);  wenn  der  letztere  noch  gar  nicht  abgeschliffen 
ist,  beträgt  die  Verlängerung  beispielsweise  nur  7  (Schädel  Nr.  179)  oder  8  mm 
(Nr.  157). 

Erläuterunoen  zu  den  Tabellen. 

Eingeklammerte  ZifTern  zeigen  an,  dass  die  Messung  aus  irgend  einem  Grunde 
onzuverlässifT  erschien.  In  der  Colonne  E  bedeutet  ein  -f  Zeichen,  dass  der  vordere 
Rand  des  Foramen  occipitale  magnum  höher  liegt,  als  der  hintere.  Das  —  Zeichen 
deutet  das  Oe^ntheil  an.  Wenn  der  Unterkiefer  nicht  vorhanden  war,  so  steht 
in  der  Colonne  19  ein  Strich;  hat  ausnahmsweise  die  Gesicbtshöhe  nicht  gemessen 
werden  können,  weil  alle  Zähne  fehlten,  so  ist  dies  ausdrücklich  angegeben. 

Die  Numerirung  der  Schädel  giebt  die  chronologische  Reihenfolge  an,  in  der 
sie  untersucht  wurden;  einige  aus  den  verschiedenen,  vorhin  aufgezählten  Gründen 
unbrauchbare  sind  weggeblieben,  theilweise  jedoch  noch  für  die  statistischen 
Notizen  ausgenutzt.  Angeordnet  sind  die  Schädel  nach  Regionen,  um  eine  Ver- 
gleichung  verschiedener  Gegenden  des  grossen  australischen  Continents  zu  ermög- 
lichen.   Topinard")    hatte   die  H3fpothese   aufgestellt,    es  seien  zwei  Rassen  in 

1)  Etüde  sor  les  races  indigenes  de  rAustralie.   Bulletins  de  la  societe  d^ Anthropologie. 
1872.    T.  Xn.  p.  211. 


(518) 

Australien  vertreten,  eine  kleinere,  mehr  dolichocephale,  Neger-äholiche  im  Westen 
und  eine  grössere,  weniger  dolichocephale  im  übrigen  Australien;  erstere  sei  von 
der  letzteren  verdrängt,  die  sich  muthmaassüch  deren  Frauen  bemächtigt  habe. 
Turner^)  konnte  für  solche  Vermuthungen  keinen  Anhaltspunkt  finden,  und  die 
folgende  Zusammenstellung  nach  Regionen  zeigt,  dass  die  Schädel  keine  Differenzen 
darbieten,  die  für  eine  Sonderstellung  des  Inneren  oder  des  Westens  sprechen 
würden.  Richtig  scheint  zu  sein,  dass  die  Leute  im  Westen  etwas  kleiner  sind; 
der  25jährige  Mann,  dem  der  Schädel  Nr.  '21  angehörte,  war  nur  155  cm  gross,  und 
die  nicht  grösseren,  von  Watson  gemessenen  Skelette  der  Schädel  Nr.  168  und 
169  weisen  ebenfalls  auf  eine  kleinere  Statm*  hin.  In  Australien  zweifelt  man 
aber  nicht,  dass  dies  eine  Degenerationserscheinung,  eine  Folge  der  Dürre  und 
Unfruchtbarkeit  eines  Landes  ist,  wo  es  nicht  einmal  Schlangen  und  Eidechsen 
als  Fleischnahrung  giebt. 

In  politischer  Hinsicht  zerfällt  Australien  in  fünf  englische  Colonien:  Queens- 
land, New  South  Wales,  Victoria,  South  Australia  und  West  Australia.  Filr 
anthropologische  Zwecke  muss  man  jedoch  South  Australia  weiter  eintheilen,  weil 
diese  Golonie  sich  in  einem  breiten  Streifen  von  Norden  nach  Süden  durch  den 
ganzen  Continent  zieht  und  den  Westen  von  den  drei  östlicflen  Colonien  trennt, 
von  welchen  letzteren  Queensland  den  nördlichen,  Victoria  den  südlichen  Theil 
des  Ostens  umfasst,  während  New  South  Wales  die  Mitte  einnimmt.  Der  nörd- 
liche Abschnitt  von  South  Australia  wird  Northern  Territory  dieser  Colonie  ge- 
nannt; zwischen  ihm  und  dem  eigentlichen  Süd-Australien  befindet  sich  das  innere 
oder  centrale  Australien,  das  sich  in  West-Australien  hinein  erstreckt.  Somit  or- 
giebt  sich: 

Norden =  Northern  Territory  von  South  Australia. 

Nordosten  .  .  .  .  =r  Queensland  mit  der  Hauptstadt  Brisbane. 

Osten =  New  South  Wales  mit  der  Hauptstadt  Sydney. 

Südosten =  Victoria  mit  dpr  Hauptstadt  Melbourne. 

Süden =  South  Australia  mit  der  Hauptstadt  Adelaide. 

Westen =  West  Australia  mit  der  Hauptstadt  Perth. 

Inneres =  Centraler  Theil  von  South  Australia. 

Unbestimmt  .  .  .  =  unbestimmter  Herkunft. 

Eb   liegen  nehmlich  einige  Schädel  vor,    über  deren  Herkunft   nichts  zu  er- 
mitteln war. 

1)  Report«  of  the  Voyage  of  H.  M.  S.  Challengcr.   Edinburgh  1884.   VoL  X,   P.  XX IX 


Männlich. 

Nr. 

1234    4a    56      £7     89 

10    ' 
92 

11 
19 

12 
31 

13 

1 

29 

13a  iSh  14 
100138  495 

15 
361 

16 

1 

178188180128119   91  126 -h   5125106  104 

296 

19 

189  200  198  136  118  100  132  -f   9  165  111  116 

102 

22 

39 

38 

102  139  543 

409 

30ft 

23 

179186184  123143   98138+   4  135  106  103 

102 

23 

38 

29 

104  127  518 

377 

•;>86 

26 

163168164  110   99   85129+   6  130   94   95 

94 

23 

34 

31 

95  113  457 

353 

267 

28 

181  185  175  122  102  100  135  +  10  133  107  118 

94 

24 

39 

31 

89127  499 

373 

298 

29 

180  188  183  126  116,  94  134  +   7  135  112  110 

105 

24 

82 

29 

95132  497 

38tt 

a09 

30 

176178175182111   97  184+  8  138108112 

107 

22 

36 

31 

99  183  510 

1 

369 

806 

1 

(519) 

Nach  dieser  Reihenfolge  sind  die  Schädel  geordnet,  zunächst  jedoch  die  un- 
zweifelhaft männlichen  und  weiblichen  gesondert  aufgeführt.  Wie  man  sieht, 
unterscheiden  sich  die  Mittelzahlen  der  Indices  von  Schädeln  aus  verschiedenen 
Regionen  Australiens  nicht  wesentlich  von  einander.  Bei  der  Berechnung  der  ge- 
mischten Schädel  sind  in  der  letzten  Columne  die  männlichen  mit  eingerechnet, 
weil,  wie  oben  (S.  512)  erörtert,  bei  Weitem  die  grösste  Mehrzahl  der  gemischten 
als  männlich  betrachtet  werden  muss. 


Mittel  der  SchSdelindices,  nach  Regionen  geordnet: 


IffRTimnTn 

Minimum 
Mittel 


Regionen 


Anzahl  der 
Schädel 


Norden.   .  . 

Nordosten  . 

Osten    .   .  . 

Südosten  .  . 

Süden  .   .  . 

Westen.   .  , 

Inneres.   .  . 
Unbestimmt 


18 
21 
40 
18 
82 
18 
9 
4 


Längen- 
breitenindex 

69,4 
69,5 
71,6 
69,6 
68,7 
69,9 
68,4 
63,9 


Län^en- 
höhenmdex 

76,7 
74,7 
74,5 
78,2 
71,8 
75,2 
74,6 
72,0 


Summa 


155 


69,7 


74,6 


Maxima  und  Minima  der  Schädclindices,  in  Procenten: 

Längenbreitenindex  Längenhöhenindex 


Männlich 

75,0 
61,5 


WoibUch 

76,0 
64,4 


Total 

77,8 
60,4 


Männlich 

81,8 
67  5 


Weiblich 

82,0 
69,3 


Total 

82,1 
68,7 


68,8  71,1  69,7  74,6  75,9 

Mittel  der  Gesichtsindices,  in  Procenten: 


Männlich         Weiblich 


Gesichtsindex  nach  Virchow  .    .   .  119,4 

Obergesichtsindex  nach  Virchow    .  70,0 

Jochbreitengesichtsindex 91,8 

Jochbreitenobergesichtshöhenindex  .  58,6 

Augenhöhlenindex  nach  Virchow  .  79,0 

Nasenindex 64,2 

Ganmenindex  nach  Virchow   .   .   .  68,2 


116,8 
70,7 
90,9 
54,7 

82,8 
58,4 
63,7 


Gemischt 

117,4 
68,8 
90,2 
52,8 
79,9 
64,0 
67,8 


74,6 


Gemischt 
und  männl. 

117,4 

68,9 

90,6 

53,0 

79,7 

68,0 

67,3 


Männlich. 


17     ilallb  18,18fl!  19   20,21  22123:24  25  26  27,28,29,  30   31    32 


££\ 


I        I 


Index 


88  90101122  18  I  —  59 j44  28  40  4130  33  — 4089  97  —  —  70,2 

105  IOC»  122  129  24  108  61,47  29  46  46  35'83'57  47  48  102  —  —  72,0 

98  99111  -  23  —  65  312942  4189  36  6138  39103—  —  68,7 

81  84  112  1?  9H  58  42:26  40  39  39  30  29  54  37  40  90  —  —  67,5 

87  91105121  24  120  79  54  28  44  43  37  36  57  34  34  99*75^  —  67,4 
93  100117:i24|20'104  63  50294544:35  34  56  37  41  102  78«»  1365  70,0 

88  90109124120  112  70151  25  40  41  34  88  63  3940100  77°  -  76,0 


j  llölieii- 
liidox 


70,8 
72,5 
74,8 
79,1 
74,6 
74.4 
76,1 


Regionen 

Osten 

Inneres 

Inneres 

Westen 

Osten 

Osten 

Osten 


(520) 
HftDBltch. 


100'  91  158-t-   5,121  in  112 

90 

28 

l3S|29 

»liUTitesI  844  2TG 

114    93,114+  9  —1103101 

96 

- 

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101126,484  848  272 

106  9818S4  18139|m|l21 

108 

24 

186  32 

99126501   882  '391 

IIO'  87138-1-   7  182104J104 

100 

22 

j34:31 

-1826171  885  280 

108  97  135+  8132  98  98 

101 

24 

|37'3I 

96,127  4871  862  297 

118107,138   -    -  108,- 

(116) 

- 

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-  1  -  63o'  888  298 

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97 

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87  ■  31 

ÖU   860  279 

121    96128   —    —  ]103  — 

96 

- 

86,28 

497J  868  285 

lOe   94  132  +   6  131  101 106 

106 

28 

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97  123,497'  865  298 

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92 

20 

;89  26 

91  I22'622  875    - 

118  92148   -    -  .113  - 

101 

- 

,  40  32 

;619|  387   308 

107  92,187    -    —'111  — 

100 

- 

82:29 

1488;  868  298 

KB  91-144    _  '  -  106  - 

101 

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85:30 

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WeibUcb. 

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(522) 


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(523) 


Gemischt  (Norden). 


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Gemischt  (Süden). 


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119  109    80    —  ' 


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28  -'-465 

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M   —:-   522 

374  ;toi 

C5-27) 
Gemiacht  (Südosten). 


17    17ail7h    18  IlSal  19  i  SO  j  21 ,  SS  |  28;  S4  25.  26'S7   28|2d|  30      31  I  83  L.:BJ1..:H. 


95  I   91 
95     90 


87  108  136    18 


109(130)  26 

ll.t  133  23  I 

US' 115  S-2 

113  133  21 

IIG  HS  23  I 

—  I  —  19 

107 i 124  18  I 


—  61  49  25  40  41  :!6'  ;t;t .  58  1  H-i ;  42    97  j    —     —     ' 

—  58  47   21   38  :ö  34'  35  1 49  |  ;M  ,  39    94  i    —     —  |  ' 

—  69  49  ,  85  40!  41  3fi,  36  54  I  39  ,  39    92  .    —  1  —  1  ' 

—  '  59  48  S8  41  43  :M  34 '  62    43  45  102  i   —      -     1 

—  65  ■  49  ■  27   40|  39 :«  34  :  60  j  39  39!   42  ,    —  i  —  1  ( 
76  53  23 .  43  37,  43  43  37  ;  60  |  39  |  401  104  !    -  |  —  |  ' 

—  68  42 ;  28  .  44  42  30  d9 '  64  j  41 !  42: 106  [  78° ;  —  i  I 

—  68  61,  31' 48: 4G  32.  32  68  !  41 ;  43]  109  |  80° 'u4o!  t 
-^60  46   2611.4037  35:58:»;3S,    95  i  81"  12951  ' 


.  76,9 
75,6 


'67  45  25 '45  45;3i 


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17  1 102  G3  46  23  40  40  33  :tl ,  58  ,  42  39! 


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23 

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87  117  131 

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4r    99 

_ 

- 

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20 

106  61   46  1 2G  ' 46' 44  :(4.  34     A  ^Xl 

:(5|    94 

_ 

_ 

69,5 

73,4 

98 

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23 

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—   — 

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61,9 

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20 

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70,6 

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135 

20 

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— 

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72.7 

98 

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114   68  50;22    -'45|-!:H     »  39 

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22 

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69,6 

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19 

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—  — 

_ 

— 

72,5 

76,0 

92 

22 

108  69   47  i  26  .  -  40  -  ;(3   -  ]  39 

—  — 

— 

— 

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_ 

_ 

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98 

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21 

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68,1 

68,1 

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21 

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- 

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94 

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18 

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74,6 

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24 

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(93)  (65.)  47  ,  28  1  -;  4:1  -  ;12  46  :-t2 

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68,6 

98' 

118 

23 

108   69  1  44  1  26  ,  -  39  -  36  64   37 

_  _ 

— 

— 

68,1 

■73,2 

96 

VH 

18 

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— 

- 

- 

74,2 

7^9 

(528) 
G«iiii8clit  (Westen). 


Cieiniscfat  (Inneres). 
«Hin.  +5  ,i:»;i  111,111  10(1 

sali*;  +6  132'   ilfi'   iwl  HIT 

92  134;'+ 6  132;   !M    101  j   98 

86124!  +ii  la^:   87  j    IKJ    !Mi 

fw'iav  +  fl  121»  IIK)   101 1    98 

»3127'  4  5  12H    87     üsl   !m: 


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w 

122 .  471 

24 

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24 

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97 

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21 

33     28 

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120  487 

23 

31  !  2il 

93 

12!P  52» 

22 

3]  ;  28 

m 

in    474 

Gemischt  (Unbestimmt). 


187,192 

180'l85 

177  i  184 
lSl!l86 


—  I21jllüi  94|132 

—  .iieliosj  wasHi 

~JlI3ll07  87  127 

—  ■121  114'  95'ie3! 


1021  - 

109 

B(t 

102  1  - 

98* 

35 

91;  - 

97 

— 

34 

98;  - 

112" 

_ 

:« 

I  —  I  CilI8    81^1 
—    6U2  i  :UU 


Nr.  1.  Schfidel  brftunlich,  mAnnlich.  Stin  grün  von  EDpfehnfiltrst.  Nkhte  vor- 
huiden,  Zftbne  fehlen.  Kleine  fl«che  Eioatosen  mt  den  Scheitelbeinen.  Tonu  oceipftnlü 
trUBTeisDs  an  Stelle  der  Protnberuitia  occipitklis  externa.  Linb  ein  SchAltknochcu, 
9  mm  Hag  nnd  6  mm  hoch,  in  der  Scbl&fenfontanelle. 

Nr.  2.  SchSdet  weiss.  N&ht«  erholten,  Z&hne  fehlen  bis  anf  die  Molaren,  die  wenig 
abg«achlitfen  sind.  Vielfache  poatinoTtale  Beich&dtgnngen;  am  Ob  parietale  siniatrain,  am 
linken  Processoa  mastoides,  an  der  Schädelbasis;  auch  sind  die  Processus  alreolane  der 
Oberkiefurbeine  Tom  etwas  beschAdigt.  Die  Lineae  temporales  snperior  und  inferior  ver- 
laufen dicht  neben  einander. 

Nr.  3.  Schädel  sehr  schwer,  brännlich.  N&hte  nnd  Z&hne  meist  erhalten,  letitcra 
stark  abgeschliffen.  Linker  Arcns  ijgomaticna  nnd  der  Boden  der  Unken  Orbita  dnd  servtArt, 
das  linke  Os  parietale  postmortal  rerlettt.  Dia  Verlingemng  des  Procewua  atTeoluia 
msiülae  betrkgt  18  tnm  nnd  letit«rer  lägt  belderseitd  eine  flache  Qmbe,  als  ob  darin  der 
IQ  Grunde  gegangene  Keim  eines  4.  Holanahnes  gesessen  hUte  (Helboome,  ?.  Jnni  1897). 

Nr.  4.  Sch&del  grau,  auf  der  Sqnama  frontalis  und  am  rorderon  Theil  der  Hadlla* 
etwas  ?on  Bauch  geschwAnt.  Abgebildet  als  Schädel  C  von  Ealford  (Brongh  Smjth, 
On  tbe  Aborigines  of  Victoria.  1878.  Vol.  II,  p.  340-878,  Fig.  278—281),  aber  nicht 
gemessen.  N&hte  erhalten,  ZUme  stark  abgeschliffen.  Der  mediale  yordere  Theil  de« 
rechten  Oa  parietale  ist  durch  eine  llnglich-Tiereckige,  3—4  cm  im  SagittaldorebmeMer 
haltende  Sch&delwnnde  lentdri;  die  nnteren  Enden  der  Sutura  coronaria  rerstrichm,  die 


Gemischt  (Westen). 


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O4'llo'l3<i'  2()    IIK!  (50)  4i;  24  4«  47  Xi  :t2  (55)  (41)'  42  iw'  — 


(liemischt  (InnercB). 


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71    412li4l 

112 

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(117)  47  :>!  45 

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42 

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70,5 

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42 

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100  — 

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80,5 

4;«iDiscIit  (U 

nbestimmt). 

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-   -  125  21 

_ 

7(1  5^2H-,42i~ 

37 

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39    - 

_   _ 

_ 

60,1 

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41 

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- 

- 

60,9 

71,8 

BbrigeD  N&hte  erhallen.  Rechtereeits  berührt  der  An^iu  spheDoidalis  des  Os  parietale 
<lic  Als  magna  an  einer  kleinen  Stelle,  linkerseits  wird  das  Os  parietale  dnrcb  die  St(naina 
teniporalis  gani  von  der  Ala  magna  abgedrängt.  Die  Condj-li  occipitalee  fallen  schr&g 
Isteralw&its  ab,  der  rechte  bat  vom  ein  kleines  Tobercnlum  Uterale,  der  linke  in  der 
Mitte  seiner  Ltnge  ein  kleines  Tubercnlnm  i[iediale.  lo  der  Spitze  des  rechten  Procearos 
mastoide«  eine  grosse,  durch  eine  kleine  OnStinng  mit  den  übrigen  CcUaUe  mastoideae 
comDinnicirende  Hdhle.  Der  Boden  der  linken  Orbita  ist  lerstürt.  Beiderseits  eine  Spina 
trochlearis.  Die  vereinigten  Incisarar  supranrhitalis  und  frontalis  bilden  jederseita  eine 
grosse,  breite  Vertiefbng'. 

Nr.  5.  Schädel  in  der  Hedianebene  durchs&gt.  Nftbte  erhalten,  Zähne  stark  ab- 
geschliffen, im  Oberkiefer  2,  im  Unterkiefer  10  erbalten.  Der  linke  Oberkiefer  nnd  Arcus 
ijgomaticus  leistSrt,  ebenso  die  mediale  Wand  der  rechten  Orbits  and  die  Schädelbasis. 
Becht«tseit8  eine  kleine  Exostose  am  Hcatns  Bcnaticua  eitemns.  Sinns  frontales  gut  ent' 
wickelt,  Sqnama  frontalis  sehr  dick,  in  den  Oasa  parietalia  keine  DiploS.  Nur  wenige  und 
kleine  Foveolae  granolareä  (Paccbionii) ;  die  Joga  cerebralia  and  Impresüiones  digitatae 
wenig  ausgebildet. 

Nr.  6.  SchKdcl  bezeichnet  als  Mr.  Robertson  Colac  2  (vgl.  Nr.  24),  in  der  Medianlinie 
dnrchsigt.  N&hte  erhalten,  Zahne  stark  abgeschliffen,  im  Oberkieter  9,  im  Unterkiefer  5 
erhalten,  die  Wcisheitsi&bne  des  letiteren  klein.  An  der  medialen  Seite  des  iweitcn 
oberen    Holanahues    eine    nindliclie    Grabe,    anscheinend    die  Alveole    eines    abenirten 


(530) 

4.  Molanahnes.  Starker  Toms  occipitalis  transversus.  Die  Lineae  temporales  inferiores 
bilden  an  der  Squama  frontalis  deatliche  Cristae.  Links  ein  Scbaltknochen  der  SchUfen- 
fontanelle,  in  sagittaler  Richtung  82  mm  lang  und  18  mm  hoch.  Kleiner  Toms  palatinns 
transYersus,  namentlich  linkerseits,  Ifings  der  Sutnra  palatina  transrersa.  Schädeldach 
dick,  DiploS  ganz  verschwunden,  Sinns  frontalis  klein.  Ein  langer  xapfenfSrmiger  Sinus 
sphenoidalis  ragt  bis  an  die  DiploS  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis  nach  hinten. 

Nr.  8.  Schädel  braun.  Nähte  erhalten,  Zähno  wenig  abgeschliffen,  nur  8  im  Ober- 
kiefer vorhanden.  Nasenhöhleneingang  rechterseits  beschädigt  Squama  occipitalis  stark 
nach  hinten  hervorragend.  Condjli  occipitales  sehr  flach.  Flacher  Toms  palatinus 
medianus. 

Nr.  9.  Schädel  weissgelblich.  Sutura  sagittalis  verstrichen,  die  übrigen  Nähte  er- 
halten. Alle  Zähne  fehlen.  Condjlus  occipitalis  finister,  der  linke  Jochbogen,  der  harte 
Gaumen  theilweise,  der  linke  Condjlus  occipitalis  und  die  Processus  pterjgoides  sind  zer- 
stört Toms  occipitalis  transversus  in  Form  von  zwei  queren  Wülsten  beiderseits  neben 
der  Protuberantia  occipitalis  externa.  Kleine  Exostose  in  der  Fossa  mandibularis  sinistra. 
Rechterseits  ein  langer  spitzer  Dom  statt  der  Vagina  processus  stjloidis. 

Nr.  10.  Sehädel  graugelblich.  Suturae  sagittalis  und  lambdoides  theilweise  ver- 
strichen, die  übrigen  Nähte  erhalten.  Zähne  fehlen.  Squama  frontalis  sehr  weit  hinauf- 
reichend, der  Messungspunkt  von  Nr.  7  liegt  hinter  dem  von  Nr.  6.  Condjli  occipitales 
rundlich,  Foramen  occipitale  magnum  sehr  rundlich.  Toms  palatinus  medianus.  Kleine 
Exostose  an  der  medialen  Aussenwand  des  Alveolus  des  rechten  oberen  Weisheitszahnes. 
Nasenbeine  25  mm  lang,  unten  zusammen  15,  oben  nur  6  mm  breit 

Nr.  11.  Schädel  gelbbraun.  Sjnchondrosis  sphenooccipitalis  und  alle  Zähne  fehlen, 
doch  sind  die  Weisheitszähne  nicht  durchgebrochen.  Nähte  vorhanden.  Alle  Cristae  sehr 
wenig  ausgeprägt  Alter  etwa  20  Jahre.  Unterer  Theil  der  Sutura  frontalis  12  mm  lang 
erhalten.  Tubera  parietalia  vorspringend.  Kleine  Exostosen  im  Meatus  acusticus  extemus 
sinister.  Pars  basilaris  oss.  occipitalis  sehr  breit  Processus  mastoides  klein.  Starker 
Prognathismus.  Suturae  incisivae  verlaufen  hinter  dem  Foramen  incisivum  in  der  Richtung 
zum  Dens  caninus  und  sind  beiderseits  zu  zwei  Dritteln  erhalten. 

Nr.  12.  Schädel  gelbbraun.  Sutura  sagittalis  beginnt  zu  verwachsen,  in  der  Mitte 
ihrer  Länge  auf  derselben  ein  flacher  longitudinaler  Sulcus  parietalis  medianus.  Zähne 
wenig  abgeschliffen,  nur  9  im  Oberkiefer  vorhanden.  Der  untere  und  der  hinterste  Theil 
der  Sutura  frontalis  je  5  cm  weit  erhalten.  Tubera  frontalia  ausgeprägt  Stirn  vom  fast 
senkrecht  abfallend.  Linkerseits  ein  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle,  15  mm  lang. 
8  mm  breit ;  rechterseits  ist  derselbe  mit  der  Ala  magna  verwachsen,  die  auf  di^se  WeL^e 
den  Angulus  sphenoidalis  oss.  parietalis  erreicht.  Crista  occipitalis  extema  in  ihrem  unteren 
Theile  2  cm  lang,  sehr  ausgebildet  Kleine  Exostosen  an  der  medialen  Seite  der  Alveolen 
der  Weisheitszähne.  Nasenbeine  oben  in  der  Medianlinie  verwachsen.  Processus  nasales 
der  Maxillae  sehr  breit.    Rechter  Jochbogen  zerstört 

Nr.  18.  Schädel  grauweisslich.  Nähte  erhalten,  mit  Ausnahme  der  unteren  Enden 
der  Sutura  coronaria.  Zähne  massig  abgeschliffen,  11  sind  im  Oberkiefer  erhalten.  Squama 
occipitalis  stark  hervorragend.  Lineae  nuchae  fehlen,  die  Protuberantia  occipitalis  extema 
ist  ein  flacher  HügeL  Arcus  zjgomatici  und  Processus  mastoides  sinister  abgebrochen. 
Schädel  asjmmetrisch,  die  mediane  Achse  der  Schädelbasis  verläuft  S  förmig  gebogen,  im 
Foramen  occipitale  magnum  nach  rechts  convex,  letzteres  ist  nach  rechts  hin  erweitert, 
der  Condjlus  occipitalis  sinister  ragt  weiter  nach  unten,  ist  höher  und  mehr  rundlich,  als 
der  rechte;  an  seinem  vorderen  Ende  und  ebenso  am  rechten  Condjlus  befindet  sich  je 
ein  kleiner  rauher  Höcker  und  zwischen  diesen  beiden  Tubercula  eine  kleine  Knochen- 
brücke.  Weitere  Asjmmetrien  sind  am  Schädel  nicht  vorhanden,  doch  ragt  die  Pars  hon- 
zontalis  des  rechten  Gaumenbeines  weiter  nach  vom,  als  die  des  linken,  und  offenbar  ist 
das  Knochenwachsthum  an  der  linken  Seite  des  Schädels  etwas  zurückgeblieben.  Die 
Choanae  sind  sehr  niedrig. 

Nr.  14.  Schädel  graugelblich,  bez.  als  Mr.  Robertson  Colac  i,  Nähte  sämmtlidi 
erhalten.    Zähne  nicht  abgeschliffen,  7  Zähno  im  Oberkiefer  sind  erhalten.    Flacher  Tom« 


(531) 

frontalis  medianas.    Der  rechte  Processus  mastoideos  ist  quer  abgebrochen.    Die  Nasen- 
beine sehr  schmal,  die  Processus  frontales  der  Maxillae  sehr  breit 

Nr.  16.  Schädel,  dem  die  Stirn  und  das  Gesicht  fehlen,  mit  zahlreichen,  cariösen, 
rundlichen  Erosionen  auf  der  oberen  Fl&che  des  linken  Os  parietale;  cariöse  Zerstörung 
und  Osteoporose  der  Tabula  externa  in  einer  rundlichen  Stelle  ron  2  cm  Durchmesser  in 
der  Gegend  des  rechten  Tnber  parietale.  Eine  ähnliche,  grössere  findet  sich  in  der  Gegend 
der  Protuberantia  occipitalis  externa  am  Os  occipitale.  In  den  Partes  horizontales  der 
Gaumenbeine  und  am  hinteren  Ende  der  Processus  palatini  der  Maxillae  ebenfalls  syphi- 
litische Caries.  Die  Nähte  erhalten,  alle  Zähne  ausgefallen.  Protuberantia  occipitalis 
interna  auffallend  stark.  Alae  par^ae  ausserordentlich  breit,  das  Jugum  sphenoidale  in 
nagittaler  Richtung  9mui  breit 

Nr.  18.  Schädel  bräunlich,  fest  Nähte  erhalten,  ebenso  die  Zähne  bis  auf  zwei,  und 
wenig  abgeschliffen;  Weisheitszähne  eben  durchgebrochen.  Alter  etwa  25  Jahre,  weib- 
lich ;  Tod  an  Hydrops  in  Warra,  Queensland.  Wäre  ron  einem  männlichen  Schädel  nicht 
zu  unterscheiden  gewesen.  Ein  Os  intcrpariotale  von  etwa  2  cm  Durchmesser  zwischen  den 
hinteren  Enden  der  Ossa  parietaUa  in  der  Medianlinie.  Suturae  squamosae  sehr  zackig. 
Starker  Torus  occipitalis  transversus.  Hinter  dem  Foramen  incisivam  beginnend,  erstreckt 
sich  längs  der  Sutura  palatina  mediana  ein  niedriger  schlanker  Torus  palatinus  medianus 
bis  zur  Sutura  palatina  transversa.    Choanae  niedrig.    Fossae  scaphoides  sehr  deutlich. 

Nr.  19.  Schädel  graugelblich,  männlich,  Ton  King  Mangula  Jaoh.  Dieser  Häuptling 
war  über  180  cm  hoch  und  der  Schrecken  von  New  England  nördlich  von  Sydney,  nahe 
der  Küste  von  New  South  Wales.  Die  Nähte  beginnen  zu  verstreichen.  Zähne  ganz  voll- 
ständig, abgeschliffen.  Tubera  parietalia  ausgeprägt  Torus  occipitalis  transversus  breit 
and  flach.  Linkerseits  erreicht  ein  Processus  frontalis  squamae  temporalis  die  Squama 
frontalis  in  einer  Breite  von  14  mm;  rechterseits  das  Os  parietale  die  Ala  magna  in  einer 
Breite  von  6  mm,  Lineae  temporales  inferiores  an  der  Squama  frontalis  «tark  ausgeprägt, 
rechterseits  doppelt  und  die  Linea  temporalis  superior  dicht  darüber.  Das  Foramen  occipitale 
magnum  sehr  rundlich.  Condyli  occipitales  klein  und  rundlich.  Pars  basilaris  oss.  occipitalis 
sehr  breit  Hamuli  processus  pterygoidis  sehr  kurz.  Lamina  lateralis  des  Processus  ptery- 
goidcs  simster  sehr  breit,  der  rechte  ist  zerstört  Alle  Charaktere  des  australischen  Schädels 
sehr  deutlich  ausgesprochen. 

Nr.  20.  Schädel  von  New  South  Wales,  durch  Prof.  Masson  im  März  1895.  Braun, 
brüchig:  Oberkiefer,  die  mediale  Wand  der  Orbltae,  der  Margo  supraorbitalis  linkerseits 
und  der  Unterkiefer  zeigen  postmortale  Verletzungen.  Nähte  verstrichen,  Zähne  ab- 
geschliffen, der  untere  linke  Eckzahn  fehlt.  Die  Protuberantia  occipitalis  externa  liegt 
tief,  45mm  vom  hinteren  Rande  des  Foramen  occipitale  magnum  entfernt;  Hinterhaupt 
stark  hervorragend.  An  der  Squama  frontalis  sind  die  vorderen  Enden  der  Lineae  tempo- 
ralos inferiores  zu  Cristae  ausgebildet 

Nr.  21.  Schädel  graugelblich  und  schwer,  von  Gayndah  in  Queensland,  October  1891. 
Dabei  zwei  Humeri,  zwei  Claviculae,  linker  Radius  und  linke  Ulna.  Arthritis  deformans 
im  linken  Ellenbogengelenk,  an  der  Ulna  und  dem  Radius,  sowie  an  der  Trochlea  humeri. 
Am  Mittelstück  des  letzteren  flache  syphilitische  Verdickungen.  Linke  Clavicula  zeigt 
eine  schief  geheilte  Fractur  in  der  Mitte  ihrer  Länge.  Der  Atlas  mit  dem  Os  occipitale 
verwachsen.  Nähte  meist  verwachsen.  Protuberantia  occipitalis  externa  stark  entwickelt, 
darüber  ein  flacher  Torus  occipitalis  transversus.    Alae  vomeris  sehr  breit 

Nr.  22.  Schädel  von  Gayndah,  Queensland.  Von  Mr.  J.  Iliiage.  Mit  Skelet  Linke 
Clavicula  gebrochen,  mit  starkem  Callus  verkürzt  geheilt  Nähte  meist  verwachsen, 
namentlich  die  Suturae  saglttalis  und  coronaria.  Alle  Zähne  fehlen.  Hinterhaupt  sehr 
f;tark  hervorragend,  Protuberantia  occipitalis  externa  sehr  deutlich,  darüber  ein  Torus 
occipitalis  transversus.  Processus  frontalis  der  Ossa  zygomatica  lang,  schlank,  25  mm 
lang,  12  mm  breit.  Kleine  symmetrische  rundliche  Exostosen  an  der  hinteren  Wand  beider 
Meatus  acustici  extemi.  Foramen  occipitale  magnam  sehr  lang,  ovaL  Hamuli  der  Pro- 
cessus pterygoides  lang,  gebogen,  schlank.  Nasenbeine  an  der  Grenze  ihres  oberen  und 
mittleren  Drittheiles  sehr  schmal. 


(532) 

Nr.  23.  Schädel  von  Gayndah,  Qaeensland.  Weisslich;  mit  montirfem  Skelet 
(200  Mk.),  männlich.  Nähte  meist  erhalten,  auch  die  Synchondrosis  sphenooccipitalis  als 
Naht  vorhanden.  Zähne  abgeschliffen,  mit  Ausnahme  der  Weisheitszähne.  Im  Oberkiefer 
12«  im  Unterkiefer  7  erhalten.  Toms  frontalis  medianus.  Hinterhaupt  Torsprinffend. 
Rechter  Arcus  zygomaticus  zerstört.  In  der  rechten  Schläfenfontanelle  ein  Schaltknochen, 
28  »/im  lang,  13  mm  hoch.  Eine  Spur  der  verstrichenen  Sutura  coronaria  setzt  sich  noch 
abwärts  in  den  Schaltknochen  fort,  ihn  in  eine  kleinere  hintere  und  grössere  vordere 
Hälfte  thoilend.  Linkerseits  sind  die  Nähte  an  dieser  Stelle  verstrichen.  An  der  vorderen 
Wand  des  Perus  accusticus  extemus  eine  stark  lateralwärts  gerichtete  Spina.  In  der 
Mitte  des  Yorderrandes  des  Foramen  occipitale  magnum  eine  nach  hinten  gerichtete  kleine 
mediane  Spina.  Jederseits  ein  Processus  paramastoideus,  linkerseits  findet  sich  unter  dem 
Foramen  ovale  eine  dorn  N.  masticatorius  anliegende  Knochenbrücke.  Nasenbeine  in  der 
Medianlinie  auffallend  kurz,  18  mm  lang,  an  den  lateralen  Rändern  24  mm  lang,  oben 
19  mm  broit. 

Nr.  24.  Schädel  in  der  Medianebeno  durchsfigt,  bez.  als  Mr.  Robertson  Colac  /  (vergL 
Nr.  6  u.  14).  Atlas  mit  dem  Os  occipitale  und  dem  Epistropheus  fest  verwachsen,  ebenso 
der  Dens  cpistrophei  mit  dem  Arcus  anterior  des  AUas.  Nähte  erhalten,  Zähne  abgeschliffen, 
im  Oberkiefer  14  vorhanden.  Beiderseits  sehr  kleine  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle. 
Cristae  supramastoideae  erscheinen  wie  kleine  Höcker  am  unteren  Ende  der  Sutnrse 
sqnamosae.  lAneae  nuchae  snperiores  sehr  stark,  Knochen  an  den  Arcus  supraciliares 
19  mm,  an  der  Protuberantia  occipitalis  externa  15  mm,  an  der  interna  11  mm  dick.  DiploS 
fast  überall  verschwunden.  Apertura  externa  aquaeductus  vestibuli  sehr  deutlich.  Fossae 
subarcuatae  sehr  tief.  Juga  cerebralia  flach.  Processus  jug^laris  r^chterseits  doppelt, 
linkerseits  gross,  mit  zwei  Spitzen.  Die  Spinae  angulares  sind  zu  dicken,  10  mm  langen, 
7  mm  breiten  Processus  ausgebildet.    Der  Sattelwinkel  beträgt  142  °. 

Nr.  25.  Schädel  brauugelb,  von  Murchison,  etwa  400  X;m  östlich  von  Sharksbaj  in 
West-Australien,  im  Jahre  1894  durch  Hm.  Ingenieur  Streich  ausgegraben.  (Ein  ähnlicher 
[Nr.  106]  ist  im  South  Australian  Museum  in  Adelaide,  »in  anderer  soll  sich  in  Leipzig 
befinden.)  Die  Nähte  meist  verstrichen,  das  Schädeldach  stellenweise  restaurirt  Rechte 
Gesichtshälftc  fehlt,  Zähne  abgeschliffen,  nur  die  drei  linken  Molaren  vorhanden,  ausserdem 
sechs  isolirte  Zähne.  Auf  dem  rechten  Os  parietale  und  an  der  Squama  occipitalis 
vielfache  oberflächliche  cariöse  Zerstörungen,  Lucher  in  der  Tabula  externa,  Knochen- 
auflagerungen und  von  Rauch  geschwärzte  Stellen.  Das  unterste  Ende  der  Sutura  frontalis 
erhalten.  Flache  Furche  längs  des  mittleren  Theiles  der  Sutura  sagittalis.  Toms  occi- 
pitalis transversus  oberhalb  der  Protuberantia  occipitalis  externa.  Foramen  occipitale 
magnum  fast  trapezförmig.  Pars  bcsilaris  oss.  occipitalis  breit,  deutliches  Tnbercnlnn 
pharyngeum.  Alao  vomeris  breit.  Ossa  nasi  schmal,  oben  zusammen  nur  7  mm  breit  daa 
linke  daselbst  breiter,  als  das  rechte. 

Nr  26.  Schädel  weisslich,  im  Ganzen  klein.  Von  Mount  Margaret  im  Coolgardie- 
District  in  Westanstralien,  von  einem  etwa  155  cm  grossen,  25jährigen  Mann.  Nähte  er- 
halten, Zähne  abgeschliffen,  die  Weisheitszähne  nur  wenig;  im  Ganzen  11  erhalten.  Vom 
eine  Rille  zwischen  den  beiden  mittleren  Schneidezähnen.  Toms  occipitalis  trans- 
versus. Protuberantia  occipitalis  externa  sehr  schwach.  Lineao  temporales  snperiores  and 
inferiores  nahe  übereinander.  An  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis  eine  mediane  flache 
Fovea  pharjngea.  Kurzer  Toms  palatinus  medianus  am  hinteren  Theile  der  Sutora 
palatina  mediana.    Nasenbeine  schmal,  zusammen  nur  7  mm  breit. 

Nr.  27.  Schädel  bez.  als  Nr.  121)5,  Rosie,  27  Jahre  alt.  Von  einem  weiblichen 
Skelet  Schädel  aufgesägt.  Alle  Nähte  und  Zähne  erhalten,  letztere  wenig  abgeschlüTen. 
Flacher  Toms  frontalis  medianus.  Os  occipitale  stark  vorspringend.  Die  Spitze  der 
Squama  occipitalis  wird  von  einem  36  mm  breiten,  20  mm  hohen  Schaltknochen  gebildet 
Auf  dem  rechten  Scheitelbein  eine  kleine  randliche  Exostose.  In  der  rechten  Schl&fen- 
fontanclle  ein  länglicher  Schaltknochen,  18  mm  lang,  7  mm  hoch.  Linkerseits  ein  7  «um 
langer  Processus  frontalis  der  Squama  temporalis.  Starke  mediane  Crista  basilaris  an  der 
unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Beiderseits  ein  Procesaus  paramastotdeas.« 


(533) 

nameutlich  linkersoits  ausgebildet.    Processos  mastoidei  sehr  klein.    Nasenwunel  wenig 

eingcdrfickt^  Areas  supereiliares  nicht  sehr  vorspringend.  Das  mediale  Ende  des  rechten 

Processus  roaxillaris  oss.  ijgomatici  springt  in  der  Mitte  des  unteren  Randes  der  rechten 
Augenhöhle  in  deren  Eingang  hervor. 

Kr.  28.  Schädel  weisslich,  von  einem  montirten  männlichen  Skelet,  zeigt  aUe 
Charaktere  des  australischen  Schädels  besonders  deutlich.  Bes.  als  No.  1231.  Nähte  teil- 
weise verwachsen,  Zähne  sehr  wenig  abgeschliffen,  drei  fehlen,  einige  sind  cariös.  Schmaler 
Toras  occipitalis  transversus.  Kleiner  Schaltknochen  in  *  der  rechten  Schläfenfontanelle, 
12  mm  lang,  6  mm  hoch.  Foramina  pterygospinosa.  Beiderseits  starke  Processus  marginales 
der  Jochbeine. 

Nr  29.  Schädel  von  einer  Anatomieleiche,  üellbräunlich,  sehr  fettig.  Zähne  stark 
abgeschliffen,  9  im  Oberkiefer,  7  im  Unterkiefer  erhalten.  Alters -Atrophie  der  beiden 
Scheitelbeine.  In  der  Mitte  der  Länge  der  linken  Hälfte  der  Sutura  coronaria  ein  flacher 
runder  Hügel  von  IS  mm  Durchmesser,  woselbst  die  Sutur  verwachsen  ist  Starker  Toms 
occipitalis  transversus.  Zwei  Gcfässlöcher  am  hinteren  Rande  des  Foramen  occipitale  magnuni, 
links  und  rechts  neben  der  Crista  occipitalis  externa.  Lineae  temporales  inferiores  ihrer 
ganzen  Länge  nach  zu  einem  starken  Wulste  ausgebildet,  die  schwachen  Lineae  temporales 
supcriores  verlaufen  dicht  darüber.  Vorderwimd  der  Fori  acustici  eitemi  bis  auf  7  mm 
verdickt.  Deutliche  Processus  paramastoidei,  das  Foramen  occipitale  magnum  eng  und 
rundlich.  Starker  Vorsprnng  am  medialen  Ende  des  Processus  maxillaris  an  beiden  Ossa 
zygomatica. 

Nr.  80.  Schädel  weisslich.  Von  einem  montirten  Skelet,  ohne  nähere  Bezeichnung. 
Männlich,  etwa  20  Jahre  alt,  aufgesägt.  Nähte  und  Zähne  erhalten,  letztere  wenig  ab- 
geschliffen; obere  Weisheitszähne  noch  im  Kiefer,  die  unteren  sind  ausgefallen.  Starke 
Juga  cerebralia  und  Impressioues  digitatae.  Spinae  am  Angulus  superior  der  Pars  petrosa 
oss.  temporalinm  dicht  über  den  Pori  acustici  interni.  Synchondrosis  sphenooccipitalis 
noch  Dicht  verknöchert.  Flacher  Torus  frontalis  medianus.  Breiter  und  langer  Fortsatz 
des  rechten  Os  parietale  am  Angulus  sphenoidalis,  SO  mm  lang,  18  mm  breit.  Rechterseits 
ein  Tuberculum  in  der  Mitte  zwischen  der  Crista  occipitalis  externa,  der  Linea  nuchae 
inferior  und  dem  Rande  des  Foramen  occipitale  magnum.  Processus  paramastoidei  deutlich. 
Processus  mastoides  sehr  klein.  Foramon  jugulare  sinistrum  sehr  weit  und  weiter,  als  das 
rechte.  Hamulns  processus  pterygoidis  dextri  lang  und  gebogen.  Flacher  schmaler  Torus 
palatinus  medianus.  Sutura  intemasalis  verläuft  etwas  gebogen,  in  der  Mitte  ihrer  Länge 
erst  nach  links,  etwas  darunter  nach  links  convex. 

Nr.  31.  Schädel  bräunlich,  bez.  als  Nr.  1188.  Nähte  theilweise  verstrichen,  Zähne 
fehlen.  Tubera  parietalia  hervorragend.  Die  Linea  temporalis  inferior  bildet  an  der  Squama 
frontalis  jcderscits  eine  starke  Crista.  Beiderseits  ein  grosser  Schaltknochen  in  der  Schläfcn- 
fontanelle,  etwa  22  mm  lang,  rechts  13,  links  15  mm  hoch.  Scharfe  Cristae  statt  der  Lineae 
nuchae  superiores.  daneben  jederseits  zwei  symmetrische  Foramina  diploetica.  Breite  und 
niedrige  Processus  paramastoidei,  von  denen  der  linke  grösser.  Spinae  angulares  sehr  lang. 
Fossae  scaphoides  sehr  deutlich  und  breit  Andeutung  eines  Torus  palatinus  transversus 
in  Form  starker  querer  Cristae  an  der  unteren  Seite  des  vorderen  Randes  der  Partes 
horizontales  beider  Gaumenbeine.  Spina  nasalis  posterior  lang,  zungenförmig,  ihr  freies 
Ende  gabelförmig  getheilt.  Nasenbeine  sehr  schmal,  zusanmien  in  transversaler  Richtung 
nur  6  »im  breit:  das  rechte,  nur  3  mm  breite  ist  fast  sagittal  gestellt,  das  linke  5  mm 
breit.  Linkerseits  zwei  Foramina  zygomatico-facialia.  Beiderseits  starke  Tuberositates 
malares. 

Nr.  32.  Schädel  weisslich,  bez.  mit  SS.  Nähte  erhalten.  Zähne  stark  abgeschliffen, 
meist  cariös.  Im  Oberkiefer  4,  im  Unterkiefer  (>  vorhanden.  Viele  kleine  Exostosen  auf 
der  Squama  frontalis  und  den  Ossa  parietalia.  Oberer  Rand  der  Alae  magnae  sehr  breit. 
Die  Cristae  supraroastoidcae  bilden  sehr  starke  Wülste.  Hinterhaupt  stark  vorspringend. 
Toms  occipitalis  transversus.  An  der  medialen  Seite  der  tiefen  Incisura  mastoidea  ver- 
läuft jederseits  ein  starker  Knochenwulst  und  daneben  medianwärts  eine  kleinere  Incisura 
mastoidea   accessoria.     Vaginae    der    Processus    styloides   colossal    entwickelt.      Fossae 


(534) 

scaphoides  stark  ausgeprägt  Paarige  Spina  mentalis  sehr  lang  nnd  spiti.  Jederseits 
sind  zwei  Foramina  zygomatico-facialia  vorbanden.  Beiderseits  deutliche  Processus  margi- 
nales der  Jochbeine. 

Nr.  88.  Sch&del  bez.  als  Nr.  76,  gelblich  mit  schwarzen  Flecken  ron  Rauch  u.  s.  w. 
N&hte  fast  sftromtlich  verstrichen.  Im  Oberkiefer  fehlen  alle  Zähne,  im  Unterkiefer  sind 
6  vorhanden,  davon  2  cariös.  Schmaler  flacher  Toms  frontalis  medianns.  Tiefe  geheilte 
Knochenwunde  der  Lamina  externa  oss.  parietalis,  medianwäits  vom  Tuber  parietale. 
Laminae  laterales  der  Alae  ma^ae  oben  sehr  breit.  An  der  unteren  Fläche  der  Pars 
basilaris  oss.  occipitalis  eine  flache  Fovea  phai3mgea.  Schwacher  Torus  palatinus  trans- 
versus.    Vordere  Wand  des  linken  Sinus  maxillaris  zerstört 

Nr.  84.  Schädel  bez.  als  Richmond  River,  Sie.  XIII.  Schädel  grau,  mit  bräun- 
lichen Flecken  an  der  linken  Seite.  Daselbst  sahireiche  postmortale  Zerstörungen  an  der 
Squama  temporalis  und  am  b'nken  Os  parietale.  Nähte  meist  erhalten,  Zähne  abgeschliffen, 
im  Oberkiefer  18,  im  Unterkiefer  15  vorhanden.    Starker  Toms  occipitalis  transversus. 

Nr.  85.  Schädel  gelblich,  mit  braunen  Flecken,  bez.  als  Derby,  West  Australia. 
Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  die  beiden  mittleren  Schneidezähne  und  ihre 
Alveolen,  Kieferrand  scharf;  2  andere  Zähne  fehlen.  Im  Unterkiefer  fehlen  5  Zähne. 
Starker  Torus  occipitalis  transversus.  Starke  schnabelförmige,  länglich-viereckige  Spitze 
der  Squama  occipitalis.  Jederseits  ein  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle,  rechts 
19  mm  lang,  8  mm  hoch,  links  21  mm  lang,  (» mm  hoch.  Pars  basilaris  oss.  occipitalis  sehr 
breit  Foramen  occipitale  magnum  rundlich.  Jederseits  ein  Processus  paramastoideus  mit 
zwei  Höckern.  Foramina  ovalia  rundlich,  7  mm  lang,  6  mm  breit,  Foramina  rotunda  sehr 
klein.  Fossae  mandibulares  ausserordentlich  gross,  weit  und  tief.  Tubera  frontalia  deutlich. 
Die  Verlängerung  des  Processus  alveolaris  der  Maxillae  hinter  dem  Weisheitszahn  beträgt 
15  m//}.    Rechter  Arcus  zjgomaticus  abgebrochen.    Sehr  starke  Lingulae  der  Mandibolae. 

Nr.  86.  Schädel  röthlich,  was  vielleicht  vom  Erdboden  herrührt,  bez.  als  Sie.  XIII 
Nr.  1651,  Cape  York  (Queensland).  Nähte  erhalten.  Zähne  wenig  abgeschliffen,  im  Oberkiefer 
fehlen  11,  im  Unterkiefer  8  Zähne.  Leichter  Torus  frontalis  medianns.  Protuberantia 
occipitalis  externa  7  mm  dick.  Rechterscits  ein  10  mm  langer,  15  mm  breiter,  linkerseits 
ein  IS  mm  langer,  11  m//i  breiter  Fortsatz  am  Angulns  sphenoidalis  oss.  parietalis.  Suturae 
squamosae  stark  gezackt  Am  vorderen  Rande  des  Foramen  occipitale  magnum  eine  kleine^ 
nach  hinten  gerichtete,  mediane  Spina.  Rechterscits  ein  niedriger,  linkerseits  ein  hoher 
Processus  paramostoideus.    Die  Stelle  der  grossen  Fontanelle  ist  etwas  erhaben. 

Nr.  37.  Schädel  grau.  From  Wide  Baj  near  Maryborough,  Queensland.  Schädel 
aufgesägt,  Diploö  grösstentheils  consolidirt,  Schädeldach  sehr  dick\  bis  10  — 12mi». 
Die  Juga  cerebralia  wenig  ausgeprägt.  Kleine  Verknöcherungen  der  Dura  mater  am 
hinteren  Ende  der  Procesuss  clinoidei  posteriores.  Meatus  acnstici  intemi  weit.  Lisker- 
seits  ist  die  Mitte  des  Angulus  superior  der  Felsenbeinpjramide  zu  einem  ovalen,  17  mm 
langen  Tuberculum  aufgetrieben.  Sulci  arteriosi  wenig  tief.  Im  Oberkiefer  fehlen  13, 
im  Unterkiefer  9  Zähne.  Processus  condjloides  dexter  mandibulae  abgebrochen.  Scheitel- 
beine seitlich  abgeflacht  und  verd&nnt.  Torus  frontalis  medianns.  In  der  rechten  Schilfen- 
fontanelle  ein  dOmm  langer,  14  mm  breiter  Schaltknochen.  Linkerseits  eine  8  mm  lange^ 
spitze  Zacke  am  oberen  Ende  des  hinteren  Randes  der  Ala  magna.  Condjli  ocdpitale« 
in  eine  vordere  und  hintere  Qelenkfläche  getheilt,  sehr  hoch.  Lange  gebogene  Hamnli 
der  Processus  pterygoides.  Rechter  Arcus  zjgomaticus  zerbrochen.  Das  linke  Thrtnen- 
bein  fehlt. 

Nr.  88.  Schädel  von  Cape  York,  Queensland,  bez.  Sie.  XIII  Nr.  1662.  Nähte  er^ 
halten,  Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  8,  im  Unterkiefer  auch  8  Zähne. 
Rechterseits  ein  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle,  22  mm  lang,  7  mm  breit  darunter 
eine  12  mm  lange,  6///m  breite  Zacke  an  der  Squama  temporalis,  die  nur  in  den  hinterea 
Rand  der  Ala  magna  eingreift  Schwacher  Torus  occipitalis  transversus.  Par»  basilaris 
oss.  occipitalis  breit  Spina  nasalis  posterior  lang,  stark  nach  oben  gebogen.  Andeotnng^ 
eines  Torus  palatinus  transversus. 


(535) 

Nr.  89.  Schftdel  Ton  Port  Darwin,  Nordkfiste  von  Sonih  Australia,  bez.  Sie.  XIII, 
Kr.  1648.  Nfthte  erhalten.  Zähne  wenig  abgeschliffen,  es  fehlt  nur  der  linke  mittlere 
Schneidezahn  im  Unterkiefer.  Toms  frontalis  'medianos.  Hinterhaupt  mehr  abgerundet. 
Rechterseits  berühren  sich  das  Os  parietale,  die  Sqnamae  frontalis  nnd  temporalis  und 
die  Ala  magna  nur  in  einem  Pnnkte;  linkerseits  ein]  18  mm  langer,  7  mm  hoher  Schalt- 
knochen in  der  Schlftfenfontanelle.  Lineae  temporales  superiores  dicht  über  den  inferiores 
verlaufend.  An  der  unteren  Fl&che  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis  eine  starke  mediane 
Crista  basilaris.  Das  hintere  Ende  des  Processus  alreolaris  der  Maxillae  ragt  beiderseits 
um  10  mm  nach  hinten  hinter  dem  Weisheitszahn,  linkerseits  darin  eine  kleine  Höhle.  Die 
Pars  horiiontalis  der  Gaumenbeine  in  sagittaler  Richtung  verlängert,  17  mm  lang.  Schwache 
Andeutung  eines  Toms  palatinus  transrersus. 

Nr.  40.  Sch&del  briunlich,  bez.  Sie.  Xm,  Nr.  1649.  Nähte  meist  verstrichen,  Zähne  ab- 
geschliffen; es  fehlen  5  im  Oberkiefer.  In  der  Sutura  sagittalis  ein  ovales,  24  mm  langes,  16  mm 
breites  Loch  in  einer  10  cm  langen,  5  cm  breiten  Vertiefung,  die  nahe  hinter  dem  vorderen 
Ende  der  Sutur  beginnt,  daneben  exostotische  Wucherungen  auf  den  Scheitelbeinen.  Leichter 
Toms  frontalis  medianus.  Rechterseits  ein  4  mm  in  sagittaler  Richtung,  8  mm  in  verticaler 
Richtung  messender  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle.  Condyli  occipitales  sehr 
lang.  Spinae  angulares  stark  ausgebildet.  Die  Pars  horizontalis  des  linken  Gaumenbeines 
ragt  2m/ii  weiter  nach  vom,  als  die  des  rechten. 

Nr.  41.  Schädel  gelblich,  bez.  Sie.  XIII,  Nr.  1650.  Von  Cape  York  (Queensland). 
Nähte  erhalten.  Schädeldach  giebelfSrmig,  Schädel  fünfeckig  in  der  Norma  occipitalis. 
Starker  Toms  occipitalis  transversus.  Zahlreiche  kleinste  Schaltknochen  im  mittleren 
Theile  der  Seitenhälften  der  Sutura  coronaria  sehr  deutlich.  Rechts  drei  Schaltknochen  in 
der  Schläfenfontanelle,  zusammen  22  mm  lang,  6  mm  hoch,  der  vorderste  14  mm  lang. 
Linkerseits  nur  ein  Schaltknochen  22  mm  lang,  11mm  hoch.  Oberer  Rand  derAlae  magnae 
31  mm  breit.  Lineae  temporales  superiores  verlaufen  über  die  Tubera  parietalia.  Fossae 
sacci  lacrimalis  sehr  tief.  Beiderseits  Schaltknochen  im  Boden  der  Augenhöhle.  Choanae 
klein  und  niedrig.    Pori  acnstici  intemi  sehr  weit 

Nr.  42.  Schädel  mit  röthlicher  Farbe  bemalt,  von  Derby,  Nord -West -Australien. 
Schädel  dünn,  leicht,  Nähte  erhalten.  Zähne  wenig  abgeschliffen,  Weisheitszähne  nicht 
durchgebrochen.  Im  Oberkiefer  fehlen  8  Zähne,  im  Unterkiefer  12.  Der  rechte  Eckzahn 
des  Unterkiefers  colossal,  der  linke  fehlt.  Mittlere  Schneidezähne  durch  Ausbrechen  ent- 
fernt, Alveolen  fehlen,  die  Processus  alveolares  daselbst  dünn  und  scharfrandig.  Leichte 
Erhebung  in  der  (regend  der  Sutura  coronaria.  Letztere  enthält  an  ihren  beiden  gezackten 
Stellen  sehr  kleine  Schaltknochen.  Sutura  frontalis  an  ihrem  unteren  Ende  in  11mm 
Länge  erhalten.  Schwacher  Toms  frontalis  medianus.  Starker  Toms  occipitalis  trans- 
versus. Gelenkflächen  der  Condyli  occipitales  in  eine  vordere  und  hintere  Hälfte  getheilt. 
Synchondrosis  sphenooccipitalis  1mm  weit  klaffend.  Pars  basilaris  oss.  occipitalis  breit, 
jcderseits  eine  kleine  schräge  Crista  muscularis  am  lateralen  Rande  ihrer  unteren  Fläche. 
Foramina  ovalia  mehr  randlich.  Starke  Spinae  angulares.  Pars  horizontalis  beider 
Gaumenbeine  in  sagittaler  Richtung  verlängert,  28  mm  lang,  Sutura  palatina  transversa 
nach  vora  convex. 

No.  48.  Schädel  bräunlich,  bez.  Hinchinbrook,  J.  2.,  North -East-Australia.  Nähte 
erhalten.  Zähne  stark  abgeschliffen,  im  Oberkiefer  fehlen  7,  im  Unterkiefer  10  Zähne, 
ein  Zahn  cariös.  Schädel  ein  wenig  dachförmig.  Flacher  Eindmck  von  einer  ge- 
heilten Knochenwunde  auf  dem  rechten  oberen  Theil  der  Squama  frontalis,  ebenso  vora 
auf  dem  rechten  Os  parietale  neben  der  Sutura  sagittalis.  Starker  Tonis  occipitalis 
transrersus.    Knochen  des  Schädels,  namentlich  der  Unterkiefer,  klein  und  zierlich. 

Nr.  44.  Schädel  bez.  Cape  York.  Nähte  theilweise  verstrichen.  Zähne  sehr  wenig 
abgeschliffen.  Schaltknochen  in  der  linken  hinteren  Seitenfontanelle.  Die  liineae  tempo- 
rales superiores  verlaufen  etwas  oberhalb  der  Tubera  parietalia.  Geringer  Toms  occipitalis 
transversus.  Processus  paramastoidei.  Kleine  Höcker  am  hinteren  Rande  des  Foramen 
occipitale  magnum  neben  der  Medianlinie.  Sutnrae  palatinae  mediana  und  transversa  ver- 
strichen, letztere  war  nach  vora  concav;  Andeutung  eines  Toms  palatinus  transversus. 


(536) 

Kr.  45.  Schädel  Ton  BeloDO  River.  1880.  Männlich.  Schädeldach  und  Unterkiefer 
fehlen.  Z&hne  wenig  abgeschliffen.  Starker  Toms  occipitalis  transyersos.  Tiefe  Graben 
an  dem  rorderen  Ende  der  medialen  Fliehen  der  Condjli  occipitales.  Breite  Proceesus 
vaginales  und  weite  Canales  Tomerobasilares  s.  Yomcrosphenoidales  laterales  saperiores 
zwischen  dem  Vomer  und  diesen  Processus.  Starke  Spinae  angulares.  Kleine,  knne» 
gerade  Harouli  pterygoidei.  Foramen  incisivurn  schräg  gestellt,  lang,  anregelmässig,  als 
ob  seine  rechte  Hälfte  verkümmert  wäre.    Colossale,  10  min  tiefe  Fossae  caninae. 

Nr.  47.  Schädel  weiss,  männlich,  von  einem  montirten  Skelet.  Nähte  erhalten,  die 
Zähne  bis  auf  2,  die  im  Oberkiefer  fehlen :  sie  sind  ziemlich  abgeschliffen.  Tonis  occipitAli» 
transversus.  Angulus  sphenoidalis  des  linken  Os  parietale  sehr  spitz,  rechterseits  fast 
rechtwinklig.  Die  Pars  horizontalis  oss.  palatini  ragt  linkerseits  3  mm  weiter  nach  vom 
als  rechterseits.  Das  Foramen  incisivum  ist  ein  schmaler  Schlitz,  dicht  dahinter  zwei 
kleine  runde  Löcher. 

Nr.  48.  Schädel  weiss,  von  einem  montirten*  Skelet,  bez.  als  Nr.  1167,  weiblich. 
Alle  Nähte  und  Zähne  erhalten,  Weisheitszähne  noch  nicht  durchgebrochen.  Sqnaroa 
occipitalis  stark  vorspringend,  Protuberantia  occipitalis  externa  nur  angedeutet  Rechter- 
seits vereinigt  sich  die  Spitze  der  Ala  magna  in  einer  Ausdehnung  von  2  mm  mit  dem 
Angulus  sphenoidalis  oss.  parietalis,  linkerseits  ist  ein  Processus  frontalis  der  Squama 
temporalis  von  10  ww  Länge  und  dmm  Breite,  dahinter  ein  etwa  ebenso  grosser  Schjüt- 
knochen  in  der  Sutura  squamosa  vorhanden,  und  ein  ebensolcher  nach  dem  hinteren  Ende 
der  letzteren  hin.  Foramen  occipitale  magnum  sehr  rundlich.  Pars  basilaris  oss.  occipitalis 
breit.  Beiderseits  eine  Incisura  incisiva,  die  vom  Foramen  incisivum  zum  lateralen  Bande  der 
beiden  Eckzähne  verläuft.  Am  rechten  Tuber  frontale  ein  Eindruck  in  der  Tabula  ezt«ma, 
von  einer  Verletzung  mit  einem  stumpfen  Werkzeuge  herrührend.  Sutura  interaasalis  in 
ihrer  oberen  Hälfte  verwachsen.    Starke  Tuberositas  malaris  jederseits. 

Nr.  49.  Schädel  braun,  von  einem  montirten  Skelet,  männlich.  Nähte  erhalten.  Im 
Unterkiefer  fehlt  der  rechte  Weisheitszahn,  sonst  alle  Zähne  erhalten,  abgeschliffen.  Ge- 
ringer Toms  frontalis  medianus,  leichte  Abplattung  längs  der  Sutura  sagittalis.  Processus 
paramastoidei.  Starke  quere  Crista  palatina  beiderseits  längs  des  hinteren  Randes  der 
Pars  horizontalis  oss.  palatini  nach  unten  hervorragend  Nasenbeine  zusammen  oben  nur 
7  mm  breit 

Nr.  60.  Schädel  bräunlich,  fleckig.  Bez.  AU  783.  Im  Oberkiefer  fehlen  4,  im 
Unterkiefer  3  Zähne.  Nähte  erhalten.  Schwacher  Torus  frontalis  medianus.  Linkeraeits 
berührt  die  Squama  temporalis  in  einem  Punkt  die  Squama  frontalis.  Starke  Crista  pala- 
tina transversa  beiderseits.    Die  Nasenbeine  schmal,  zusammen  7  mm  breit 

No.  .')l.  Schädel  gelblich,  bez.  B  7065.  Nähte  verstrichen.  Linker  zweiter  Schneide- 
zahn frühzeitig  entfernt,  Processus  alveolaris  daselbst  dünn  und  glatt.  Zähne  stark  ab- 
geschliffen, im  Oberkiefer  sind  12,  im  Unterkiefer  6  Zähne  vorhanden.  Spinae  angulares 
lang  und  dick.  Sehr  kleiner  Torus  palatinus  medianus.  Die  Processus  alveolares  der 
Maxillae  ragen  hinter  den  Weisheitszähnen  16  mw  weit  nach  hinten. 

Nr.  52.  Schädel  bräunlich,  bez.  A  11775.  Nähte  meist  verstrichen.  Zähne  ab- 
geschliffen, im  l  nterkiefer  13  vorhanden.  Schwacher  Torus  frontalis.  Gegend  der  Sutura 
sagittalis  hinten  etwas  vertieft.  Flacher  Torus  occipitalis  transversus.  Auffallend  knöpf- 
förmige  Gestalt  der  Hamnli  der  Processus  pterygoides.  Starke  breite  Spinae  palatinae  in 
der  Mitte  des  hinteren  Randes  der  Pars  horizontalis  an  beiden  Gaumenbeinen.  Linkerseits 
Perforation  des  Processus  palatinus  maxillae  neben  dem  Foramen  incisivum.  Nasenbeine 
schmal,  asymmetrisch,  das  linke  oben  schmaler.  Apertura  p^Tiformis  hoch  und  sehr  drei- 
eckig. Lange,  spitze,  doppelte  Spina  nasalis  anterior.  Tiefe  Grube  am  Unterkiefer  über 
der  Protuberantia  mentalis  ext<»ma. 

Nr.  54.  Schädel  gelblich,  schwer,  von  Jervis  Bay.  Nähte  erhalten.  Zähne  sehr  stark 
abgeschliffen,  es  fehlen  4  im  Unterkiefer.  Rechter  Processus  condyloides  mandibulac 
abgehrochen,  der  rechte  Arcus  zygomaticus  etwas  beschädigt.  Nahe  der  Sutura  sa- 
gittalis  eine   Vertiefung   in   derselben,   von   einer  Verletzung  herrührend;    eine   kleinere 


(537) 

linkerseits  an  der  Sqnama  frontalis,  nnregelmässige  Eindracke  am  linken  Os  parietale. 
Starker  Toros  occipitalis  transversns.  Beiderseits  Schaltknochen  in  der  Schläfcnfontanelle, 
rechterseits  24  mm  lang,  11mm  hoch,  linkerseits  22  mm  lang,  18  mm  hoch.  Ein  kleiner 
Schaltknochen  in  der  hinteren  linken  Seitenfontanelle.  Foramen  oecipitale  magnnm  rundlich, 
genau  so  lang  wie  breit.  Kleine  Cristae  palatinao  transversae  l&ngs  der  lateralen  Hälften 
des  hinteren  Randes  der  Pars  horizoutalis  beider  Gaumenbeine.  Processus  alveolaris  der 
linken  Maxiila  springt  am  Eckzahn  etwas  vor.  Nasenbeine  schmal,  zusammen  7  fmn  breit, 
das  linke  erreicht  die  Sutura  nasofrontalis  nicht.  Fissurae  orbitales  inferiores  sehr  weit, 
11  mm  an  ihrem  vorderen  Ende.    Foramina  mentalia  sehr  klein. 

Nr.  55.  Schidel  bräunlich,  bez.  als  von  Mudgee.  Nähte  erhalten,  Zähne  wenig  ab- 
geschliffen, im  Oberkiefer  nur  6  vorhanden,  der  Unterkiefer  fehlt  Torus  occipitalis  trans- 
versus.  Kleine  Fovea  pharjngea  an  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Spina  angularis 
sinistra  lang  und  dick  Processus  stjloides  sinister  35  mm  lang,  rechts  abgebrochen. 
Laminae  laterales  der  Processus  pterjgoides  auffallend  breit  Weiter  Canalis  basipharyngeus. 
Starke  Cristae  palatinae  transversae  an  der  lateralen  Hälfte  der  Pars  horizontalis  beider 
Gaumenbeine.    Linkes  Nasenbein  oben  breiter  als  das  rechte,  im  Verhältniss  von  8 : 5  mm. 

Nr.  56.  Schädel  bez.  als  Nr.  11964.  Nähte  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen;  es 
fehlen  6  im  Oberkiefer,  2  im  Unterkiefer.  Wände  der  Orbitae  theilweise  zerstört  Schädel 
scaphocephal.  Zwei  Eindrücke  der  Tabula  externa  in  der  rechten  Hälfte  der  Squama 
frontalis  und  auf  dem  rechten  Os  parietale.  Pyramiden  der  Ossa  temporalia  zerstört. 
Schädelbasis  angebrannt.  Breiter  Torus  occipitalis  transversus.  Torus  palatinus  trans- 
versus  angedeutet  Scharfe  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars 
horizontalis  beider  Gaumenbeine.    Processus  marginales  an  beiden  Jochbeinen. 

Nr.  57.  Schädel  weisslich,  bez.  als  Nr.  1201,  von  Jervis  Bay.  Nähte  erhalten.  Zähne  sehr 
stark  abgeschliffen,  6  fehlen  im  Oberkiefer,  und  der  ganze  Unterkiefer.  Arcus  zygomaticus 
zerbrochen.  Am  rechten  Os  parietale  postmortale  Verletzungen,  Sprung  in  der  Squaiua 
occipitalis,  Gaumen  hinten  zerstört,  Nasenbeine  abgebrochen.  Flacher  Torus  frontalis 
medianus.  Rechterseits  drei  kleine  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle,  der  grösste 
1 1  mm  lang,  5  mm  hoch. 

Nr.  58.  Schädel  grau.  Von  Murrum  Lodge,  bez.  als  Nr.  1197.  Unterkiefer  fehlt 
Zähne  abgeschliffen,  im  Oberkiefer  sind  die  medialen  Schneidezähne  frühzeitig  entfernt, 
6  Zähne  fehlen.  Nähte  erhalten  mit  Ausnahme  des  mittleren  Theiles  der  Sutura  sagittalis. 
Schmaler  niedriger  Tonis  occipitalis  transversus.  Rechtes  Foramen  ovale  sehr  weit,  11  mm 
lang,  6  mm  breit  Schwacher  Torus  palatinus  transversus.  Hohe,  zackige  Cristae  palatinae 
transversae. 

Nr.  59.  Schädel  bräunlich,  bez.  als  A.  11  963.  Nähte  erhalten,  Zähne  fast  gar  nicht 
abgeschliffen.  Weisheitszähne  rechterseits  im  Durchbrechen  begriffen,  der  linke  oben  fehlt, 
im  Unterkiefer  fehlt  der  rechte  Eckzahn.  Starke  Tubera  parictalia.  Scheitelhöhe  erhaben, 
nach  hinten  abfallend  Niedrige  zackige  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande 
der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine. 

Nr.  60.  Schädel  gelb,  klein,  leicht,  bez.  als  A.  11  962.  Nähte  theilweise  verstrichen. 
Zähne  abgeschliffen,  im  Oberkiefer  fehlen  8,  im  Unterkiefer  6.  Wände  der  Orbitae  theil- 
weise zerstört,  ihre  Eingänge  schräg  gestellt,  lateralwärts  nach  unten  abweichend.  Torus 
frontalis  medianus.  Sehr  starker  Torus  occipitalis  transversus.  Schwacher  Torus  palatinus 
transversus.  Hohe  scharfe  Cristae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumen- 
beine.   Flache  Processus   marginales  der  Oss.  zygomatica. 

Nr.  61.  Schädel  bez.  als  A.  11  961,  weiblich.  Nähte  verstrichen,  Zähne  abgeschliffen, 
einige  sind  cariös.  Im  Oberkiefer  fehlen  5,  im  Unterkiefer  6  Zähne.  SUrker  Torus  occi- 
pitalis transversus.  Der  Processus  paramastoideus  sinister  ist  ein  12  mm  hoher  conischer 
Zapfen  mit  einer  abgerundeten  Gelenkflächo  für  den  Atlas  von  9  mm  Durchmesser;  rechter- 
seits ist  kein  Processus  vorhanden. 

Nr.  62.  Schädel  gelbbraun,  bez.  A.  11  %9.  Nähte  erhalten,  Zähne  wenig  abgeschliffen, 
Toms   frontalis    medianus.     Tubera    parietalia  hervorspringend,    die  Lineae    temporales 


(538) 

superiores  verlaufen  über  den  oberen  Rand  derselben.  Starker  Toms  occipitalis  Uans- 
versos.  Kleine  Processns  paramastoidei.  An  der  hinteren  Kante  des  vorderen  Randes  des 
Foramen  occipitale  magnnm  verläuft  ein  gebogener  horizontaler  Sulcus,  und  dicht  vor 
demselben  befindet  sich  an  der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  ocdpitalis  jeder- 
seits  ein  Tuberculum;  das  rechte  grösser  und  flacher,  von  7  mm  Längsdurchmetaer, 
zeigt  eine  nach  vom  gerichtete  kleine,  ovale,  glatte  Gelenkfläche  f&r  den  Atlas.  Andeutung 
eines  Toms  palatinus  transversus;  die  Pars  horizontalis  des  linken  Oaumenbeins  erstreckt 
sich  2  mm  weiter  nach  vom,  als  die  des  rechten.  Starke  Hervorragung  am  linken  Augen- 
höhlenrande oberhalb  des  Foramen  infraorbitale  am  Ende  der  Sutura  zjgomatico-maxillarU. 

Nr.  63.  Schädel  hellbräunlich,  bez.  A.  12  568  vom  Dawson  River,  Queensland.  Durch 
Verletzungen  entstandene  Eindrücke  am  Knochen  am  oberen  Ende  der  Squama  frontalia 
in  der  Mediangegend,  in  der  Mitte  der  Ossa  nasi  und  am  rechten  Foramen  supraorbitale. 
Oberkiefer  beschädigt,  Arcus  zygomatici  und  Partes  horizontales  der  Gaumenbeine  xer- 
brechen.  Nähte  theilweise  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  nur  1  Zahn« 
im  Unterkiefer  5  vorhanden.  Ein  flacher  Höcker  von  15  mm  Durchmesser  beginnt  25  mm 
hinter  der  Sutura  coronaria  in  der  Medianlinie.  Starker  Toms  occipitaÜs  transversus. 
Rechterseits  ein  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle,  15  mm  lang,  5  mm  breit.  Kleiner 
Processus  paramastoideus  sinister.  Schwacher  Toms  palatinus  transversus.  Fissura  orbi> 
talis  inferior  sehr  weit,  vom  11  mm  breit.    Beiderseits  eine  Tuberositas  malaris. 

Nr.  64.  Schädel  bez.  B  1765,  J.  W.  Palmer,  weiblich.  Nähte  eriialten.  Der  Untei^ 
kiefer  fehlt,  im  Oberkiefer  nur  drei  Zähne  vorhanden.  Sinus  maxillaris  sinister  von  vom 
her  durch  Caries  geöffnet.  Partes  horizontales  der  Ossa  palatina  zerbrochen.  Tonu 
frontalis  medianus.  Rechterseits  ein  weites  Foramen  parietale.  Flache  Processus  marginales. 
Leichte  Vorwölbung  der  rechten  Seite  der  Squama  occipitab's  nach  hinten.  Schwacher 
Toms  occipitalis  transversus.  Synchondrosis  sphenooccipitalis  erhalten.  Rechterseits  ein 
kleiner,  5  mm  langer  Processus  mastoides  accessorius,  durch  eine  5  mm  tiefe  Furche  ab- 
getrennt.   Linkerseits  Andeutung  desselben  durch  einen  Sulcus. 

Nr.  64.  Schädel  sehr  gross,  schwer,  kräftig,  gelblich,  bez.  Rockhampton  1224. 
Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  7  vorhanden.  Starker  Toms  frontalis  medianus. 
Colossale  Protuberantia  occipitalis  externa,  25  mm  lang,  19  mm  in  sagittaler  Richtung  breit, 
9  mm  hoch.  Kleiner  Höcker  neben  der  Medianlinie  am  hinteren  Rande  des  Foramen 
occipitale  magnum.  Kleines  Tuberculum  pharjngeum.  Tiibercula  articularia  oss.  temporaliom 
colossal  entwickelt  Spinae  angulares  8  mm  hoch.  Niedrige  Cristao  palatinae.  Arcus 
superciliares  stark  hervorspringend.  Nasenwurzel  breit,  das  rechte  Nasenbein  8  mm,  das 
linke  9  mm  breit. 

Nr.  66.  Schädel  bez.  B  10510,  Queensland.  Zähne  sämmtlich  vorhanden,  ab- 
geschliffen. Schädel  scaphocephal.  In  der  Mitte  der  Sutura  sagittalis  eine  dieselbe 
kreuzende  schrSge,  scharfrandige  Säbelwunde,  die  linkerseits  eine  sagittale  Fissur  nach 
hinten  aussendet  Flacher  breiter  Toms  frontalis  medianus.  Breiter  Toms  occipitalis^ 
transversus.  Die  Lineae  temporales  inferiores  bilden  starke  Cristae  an  der  Squama  frontalii». 
Rechterseits  ein  langer,  rechtwinklig  gebogener  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle; 
sein  vorderer  oberer  Theil  28  mm  lang  und  10  mm  breit,  der  hintere,  nach  unten  absteigende 
12  mm  lang  und  unten  3  mm  breit.  Linkerseits  hat  das  Os  parietale  einen  langen,  nach 
vom  spitz  über  einem  Schaltknochen  der  Schläfenfontanelle  endigenden  Fortsatz;  der 
Schaltknochcn  ist  15  mm  lang,  5  mm  hoch.  Breiter  Toms  occipitalis  transversus.  Processus 
paramastoideus  sinister  8  mm  lang,  5  mm  hoch.  Niedrige,  aber  scharfe  Cristae  palatinae 
am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Ossa  nasi  schmal,  zu- 
sammen 9  mm  breit  Fissurae  orbitales  inferiores  weit,  vom  10  mm  breit.  Ossa  zygomatica 
sehr  gross,  breit;  starke  Processus  marginales  und  Tuberositates  malares.  Fossae  caninae 
7  tmn  tief. 

Nr.  67.  Schädel  weiss,  macerirt,  bez.  B  10505.  Yon  Queensland.  Basis  zerbrochen, 
ebenso  die  Squamae  temporales.  Nähte  erhalten,  Synchondrosis  sphenooccipitalis  klaffend. 
Zähne  wenig  abgeschliffen,  Weisheitszähne  noch  nicht  durchgebrochen.  Im  Oberkiefer 
7   Zähne   vorhanden.     Toms   frontalis  medianus.     Breiter  Toms   occipitalis   transversus. 


(539) 

OriBtae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horixontalis  beider  Gaumen- 
beine sind  hocb,  scharf  nnd  gezackt.  Processus  marginales  der  Oss.  ijgomatica  stark 
entwickelt,  Tnberositates  malares  deutlich.  Nasenbeine  ungleich,  das  linke  oben  spitzer, 
beide  zusammen  daselbst  5  mm  breit.    Fossae  caninae  sehr  tief. 

Nr.  68.  Sch&del  gelblich,  bez.  B  10  506,  Queensland.  N&hte  erbalten.  Zfthne  wenig 
abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  4,  im  Unterkiefer  8  Z&hne.  Schwacher  Toms  fron- 
talis medianus.  Starker  Toms  occipitalis  transversus.  Foramen  occipitale  magnum  trapez- 
förmig. Im  Schädel  ein  röthlicher,  8 — 4  am  grosser  Klumpen,  yielleicht  vertrocknetes 
Cerebellnm.  Sntura  palatina  mediana  verstrichen.  Hohe  Gristae  palatinae  transversae 
am  hinteren  Bande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Foramen  incisivum  drei- 
eckig. Kerbe  zwischen  den  Alveolen  der  oberen  medialen  Schneidezähne,  wie  beim  Gorilla. 
Nasenbeine  in  ihrer  oberen  Hälfte  fast  sagittal  gestellt,  sie  bilden  eine  scharfe,  nicht 
pathologische  Crista  interaasalis  und  sind  zusammen  oben  5  mm,  unten  23  und  19  vxin 
lang.  Starke  Processus  marginales  der  Ossa  zjgomatica  und  Tnberositates  malares.  Am 
AnguluB  mandibulae  befinden  sich  Gristae  f&r  die  Muskelansätze,  wie  beim  Gorilla. 

Nr.  69.  Schädel  grau,  bez.  Brisbane,  Queensland.  Linke  Orbita  beschädigt  und  Joch- 
bogen abgebrochen.  Nähte  erhalten,  Zähne  abgeschliffen,  sehr  gross.  Im  Oberkiefer 
8  Zähne  vorhanden.  Etwa  2  cm  über  der  rechten  Incisura  frontah's  eine  Impression  des 
Knochens  von  15  mm  Durchmesser.  Sehr  hoher  Toms  occipitalis  transversus.  In  der 
rechten  SchläfenfontaneUe  ein  17  mm  langer,  10  mm  hoher  Schaltknochen.  Sehr  niedrige 
Gristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumen- 
beine. Foramina  supraorbitalia  weit,  ein  kleines  accessorisches  auf  jeder  Seite.  Kleiner 
querer  Schaltknochen  in  der  Sutura  nasofrontalis,  9  mm  breit,  4  mm  hoch.  Kleines  medianes 
Foramen  nasale  nahe  dem  unteren  Ende  der  Sutura  nasalis. 

Nr.  70.  Schädel  weissgelblich,  bez.  als  Nr.  1252,  von  Rockhampton.  Näbte  erhalten. 
Sntura  sagittalis  in  ihrem  hinteren  Theil  verstrichen.  Zähne  aS^eschliffen,  sehr  kräftig. 
Rechter  mittlerer  Schneidezahn  sehr  breit,  12  mm,  linker  10  mm  breit.  Auf  der  vorderen 
Seite  des  ersteren  eine  Längsfurche,  auf  der  hinteren  eine  tiefe  Kerbe.  Flacher  Toms 
frontalis  medianus.  Stark  entwickelter  Toms  occipitalis  transversus.  Goudyli  occipitales 
flach.  Kleines  Tuberculum  pharjngeum.  Verlängemng  der  Processus  alveolares  der  Ma- 
lillae  rechts  10  mm,  links  8  mm  hinter  dem  Weisheitszahn.  Darin  rechterseits  ein  ovales, 
5  mm  langes,  3  mm  breites  Loch  für  einen  ausgefallenen  4.  Molarzahn,  die  Zahnalveole 
ist  6  mm  tief,  mit  einfachem  Gefäss-  und  Nervenkanal.  Linkerseits  ist  an  der  corre- 
spondirenden  Stelle  eine  Yorwölbung  des  Processus  alveolaris  vorhanden.  Deutliche  Pro- 
cessus marginales  der  Jochbeine,  kleine  Tnberositates  malares.  An  der  medialen  Seite  der 
Angnli  mandibulae  starke  Gristae  am  Knochenrande  für  den  Ansatz  der  Mm.  pterygoidei 
interaL 

Nr.  71.  Schädel  weisslich.  Von  Gape  York,  Queensland,  bez.  Gapt.  Elliott,  86. 
Nr.  1288.  Dura  mater  noch  im  Schädel.  Nähte  erhalten.  Zähne  stark  abgeschliffen. 
Nur  5  Zähne  vorhanden.  Linkes  Os  parietale  nach  hinten  asymmetrisch  ausgebuchtet. 
Hinterhaupt  hinten  abgeplattet,  schwacher  Toms  occipitalis  transversus.  Processus  pterygo- 
spinosus  neben  der  rechten  Spina  angularis.  Starke  Tubercula  an  den  vorderen  Enden 
der  Gristae  infratemporales.  Kurze  Grista  palatina  mediana  zwischen  den  Partes  hori- 
zontales der  Ossa  palatina.  Die  Sutura  palatina  transversa  ist  in  ihrem  mittleren  Theile 
nach  vom  convex  ausgebuchtet  Starke  Processus  marginales  der  Ossa  zygomatiea  und 
hervorragende  Tnberositates  malares. 

Nr.  72.  Schädel  graugelblich,  bez.  als  Nr.  1175.  Von  Brisbane,  Queensland.  Nähte 
erhalten.  Im  Oberkiefer  5  Zähne  vorhanden,  einer  davon  ist  cariös.  Dach  der  Orbita 
sehr  dünn  und  perforirt  Sehr  starker  Toms  occipitalis  transversus.  In  der  rechten 
Schläfenfontanello  ein  dreieckiger  Schaltknochen,  10  mm  lang,  6  mm  hoch.  Gondyli  occi- 
pitales ganz  eben,  in  eine  grössere  vordere  und  viel  kleinere  hintere  Hälfte  getheilt;  da- 
hinter beiderseits  ein  schräger  tiefer  Sulcus.  Linkes  Foramen  ovale  mehr  rundlich. 
Grista  palatina  mediana  zwischen  den  Partes  horizontales  der  Gaumenbeine.   Sutura  inter- 


(540) 

Basalis  verstrichen.     Nasenbeine  zusammen  nur  5  mm  breit.    Schwache  Processus  mar- 
ginales. 

Nr.  78.  Schädel  gelblich,  von  Wide  Baj,  Queensland ;  bes.  als  Nr.  122a  N&hte  er- 
halten. Zähne  abgeschliffen,  9  im  Oberkiefer  rorhanden.  Schwacher  breiter  Toms  fron- 
talis medianus.  Deutlicher  Torns  occipitalis  transversus.  Aus  iwei  Höckern  bestehende 
Processus  paramastoidei  Sehr  lange  Spinae  angulares.  Niedrige  Cristae  palatinae  Irans- 
Ycrsae  am  hinteren  Rande  der  Partes  horizontales  beider  Gaumenbeine.  Ossa  nasi  oben 
zusammen  nur  7  mm  breit.    Thränengruben  .sehr  weit.    Starke  Processus  marginales. 

No.  75.  Schädel  grau.  Bez.  als  Nr.  16,  Brisbane,  Queensland,  Nr.  1286.  N&hte  er- 
halten. Zähne  wenig  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  4  Torhanden,  oberer  rechter  Weisheits- 
zahn eben  durchgebrochen.  Synchondrosis  sphenooccipitalis  klaffend.  Flacher  Toras 
palatinus  medianus.  Sehr  breiter  Torus  occipitalis  transversus.  Linkerseils  ein  Processus 
paramastoideus.  Kräftige  Spinae  angulares.  Beiderseits  ein  grosses  Foramen  pterygo- 
spinosum.  Niedrige  Cristae  palatinae  transvcrsae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horisontalis 
beider  Gaumenbeine. 

Nr.  76.  Schädel  grau,  bez.  als  Nr.  1241,  von  Cape  York,  Queensland.  Auf  beiden 
Oss.  parietalia,  am  rechten  Margo  supraorbitalis  und  in  der  Mitte  der  Squama  frontalis 
unrcgelmässige  Knochennarben,  dazwischen  Wucherungen;  Gefasslöcher  in  der  N&he  des 
Eindruckes  auf  der  Squama  frontalis.  Linker  Arcus  zygomaticus  abgebrochen.  Nähte  erhalten, 
Zähne  abgeschliffen,  5  im  Oberkiefer  vorhanden.  Relativ  hoher  und  schmaler  Toras  fron- 
talis medianus.  Starker  Torus  occipitalis  transversus.  Niedrige  Processus  paramastoidei, 
sehr  dünne  Hamuli  der  Processus  pterjgoides.  Niedrige  Cristae  palatinae  transvcrsae  am 
hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine. 

Nr.  77.  Schädel  grau,  bez.  als  Nr.  43,  Brisbane,  Queensland,  Nr.  1247.  Nähte 
theilweisc  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Linkerseits  die  beiden  Schneidezähne  früh- 
zeitig entfernt,  scharfe'^  Kante  am  Processus  alveolaris  marillae.  Im  Oberkiefer  fehlen 
6  Zähne.  Stirn  oben  gewölbt.  Schwacher  Torus  occipitalis  transversus.  Kleine  Processus 
paramastoidei.  Spitze  Spinae  angulares.  Anstatt  eines  Torus  palatinus  transversus  mehrere 
Höcker  an  der  Sutura  palatina  transversa. 

Nr.  78.  ^^cbädcl  braun,  theilweise  geschwärzt,  bez.  als  Nr.  1281,  von  Cape  York, 
<^ucensland.  Schädel  dick,  schwer,  sehr  hoch  auf  der  Mitte  der  Scheitelbeine,  enorme 
Capacität  von  1590  ccw.  Nähte  theilweise  verstrichen.  Alle  Zälme  fehlen;  erhalten  sind 
im  Oberkiefer  nur  die  Alveolen  für  den  rechten  hinteren  Praemolarzahn  und  für  den  linken 
Eckzahn.  Kieferrand  vorn  schräg  und  compact.  Kleine  mediane  Exostose  in  der  Mitte 
des  vorderen  Randes  des  Foramen  occipitale  magnum  an  dessen  Innenseite:  zwei  eben- 
solche  dicht  hinter  dem  rechten  und  linken  Condjlus  occipitalis.  Starke  Spinae  angulares. 
Deutlicher  Torus  paUtinus  transversus.  Niedrige  Cristae  palatinae  transvcrsae  am  hinteren 
Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine. 

Nr.  79.  Schädel  weiss,  mürbe,  bez.  als  Nr.  46,  Brisbane,  Queensland,  Nr.  1203. 
Nähte  erhalten.  Im  Oberkiefer  6  Zähne  vorhanden.  Rechterseits  dicht  neben  der  Mitte 
der  Sutura  sagittalis  ein  tiefer,  H  mm  im  Durchmesser  haltender  Eindruck  in  der  Tabula 
externa.  Arcus  zygomatici  und  die  laterale  Wand  der  rechten  Orbita  sind  zerstört  Stirn 
mehr  gewölbt.  Starker  Torus  occipitalis  transversus.  Andeutung  eines  Toms  palatinus 
transversus.  Schwache  Cristae  palatinae  transvcrsae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horison- 
talis beider  Gaumenbeine.  Nasenbeine  asymmetrisch,  das  rechte  oben  viel  schmaler,  tn- 
sauimen  nur  7  mm  brdt. 

Nr.  80.  Schädel  weisslich,  bez.  A  10  799.  Von  Bsorrein  Bay,  Victoria.  Nähte  theil- 
weise verstrichen.  Zähne  sehr  abgeschliffen:  5  im  Oberkiefer  fehlen.  Syphilitisehe  Ver- 
dickungen. Grosso  svphilitischc  Zerstörungen,  rundlich  und  mit  weit  ausgenagten  Randen 
am  Os  frontale,  an  der  Squama  occipitalis  und  am  linken  Os  parietale,  das  an  zwei  Stellen 
perforirt  ist.  Eine  kleinere  solche  Grube  am  rechten  Os  parietale.  Verdickungen  des 
Knochens  am  harten  Gaumen.  Sehr  starker  Torus  occipitalis  transversus.  Laminae  late- 
rales der  Processus  ptcrygoides  sehr  breit.  Lange  Spinae  angulares.  Nasenbeine  durch 
Caries  zerstört    Foramina  infraorbitalia  sehr  weit 


(541) 

Nr.  81.  Schädel  gelblich,  bet.  als  Nr.  20,  Port  Fairy,  Victoria,  Nr.  1245.  Schadet 
schwer,  sehr  lang,  204  mm.  Squama  occipitalis  weit  nach  hinten  Torspringend.  Zähne 
abgeschliffen,  im  Oberkiefer  sind  7  Torhanden.  Doppelte  Reihe  von  Schaltknochen  in  der 
Satua  lambdoides.  Ein  gebogener,  56  mm  langer,  14  mm  hoher  Schaltknochen  erstreckt 
sich  Ton  der  Ala  magna  in  der  rechten  Schläfenfontanelle  über  den  ganzen  oberen  Theil 
der  Satnra  squamosa;  am  hinteren  Abschnitt  der  letzteren  findet  sich  noch  ein  kürzerer 
Schaltknochen.  Kleine  Processus  paramastoidei.  Meatus  acustici  extcmi  sehr  hoch. 
Areas  ijgomatici  sehr  weit  lateralwärts  vorspringend. 

Nr.  82.  Schädel  weissltch,  bez.  A  10  800,  Victoria.  Rechter  Arcus  zygomaticus  und  die 
laterale  Wand  der  rechten  Orbita  zerstört,  der  rechte  Processus  mastoides  abgebrochen. 
Zähne  abgeschliffen,  zum  Theil  cariös.  Nur  3  im  Oberkiefer  vorhanden.  Tiefe,  durch 
Caries  veranlasste  Grube  oberhalb  der  Alveolen  der  rechtsseitigen  Schneidezähne,  mit 
jenen  communicirend.  Schwacher  Toms  frontalis  medianus.  Starker  Toms  occipitalis 
transversas.    Starker  Toms  palatinus  medianus. 

Nr.  88.  Schädel  gelblich,  bez.  A  10  798,  Victoria.  Sagittalnaht  verstrichen,  in  der 
Mitte  ihrer  Länge  eingedrückt.  Im  Oberkiefer  fehlen  7  Zähne.  Stirn  weit  zurückliegend. 
Sehr  starker  und  breiter  Torus  occipitalis  transversus.  Rechterseits  ein  Schaltknochen  in 
der  Schläfenfontanclle,  21  tnm  lang,  0  mm  hoch.  Kleine  Processus  paramastoidei.  Fora- 
mina  zjgomatico-facialia  weit. 

Nr.  84.  Schädel  weisslich,  bez.  B  6595,  Victoria.  Rechterseits  das  Os  parietale  und 
Os  temporale  zertrümmert.  Zähne  weiss,  abgeschliffen,  im  Oberkiefer  rechterseits  4  vor- 
handen; der  linke  Processus  alveolaris  zerstört.  Im  Unterkiefer  sind  4  Zähne  vorhanden. 
Stirn  sehr  zurückweichend,  schwacher  Toms  frontalis  medianus;  auf  der  rechten  Seite  der 
Squama  frontalis,  nahe  oberhalb  der  stark  ausgesprochenen  Einea  temporalis  inferior,  eine 
flache  Erhebung,  Knochennarbo.  Linkerseits  ein  Foramen  frontale,  kein  supraorbitales  und 
keine  Incisur;  rechterseits  eine  gemeinschaftliche  Incisura  supraorbitalis  und  frontalis. 

Nr.  85.  Schädel  braun,  glänzend,  inwendig  mit  weisser  Farbe  beschmiert,  bez. 
B  10283,  West  Australia,  by  Lieut.  H.  C.  Roche,  2.  März  1886.  Nähte  erhalten.  Zähne 
abgeschliffen.  Im  Unterkiefer  fehlen  9  Zähne.  Hinter  dem  oberen  rechten  Weisheitszahn 
eine  mndliche  Höhle  im  Processus  alveolaris  maxillae,  die  Verlängerung  des  letzteren 
nach  hinten  beträgt  11  mm.  Stirn  sehr  zurückweichend.  Starke  Erhebung  in  der  Gegend 
der  Kreuzung  der  Suturae  coronaria  und  sagittalis.  Toms  frontalis  medianus  und  Toms 
occipitalis  transversus.  Glabella  stark  hervorragend,  gar  nicht  eingedrückt.  Rechterseits 
berührt  die  Ala  magna  den  Ang^lus  sphenoidalis  oss.  parietalis  in  2  mm  Breite.  Rechter- 
seits ein  Processus  paramastoideus.  Starker,  24  mm  breiter,  flacher  Torus  palatinus  me- 
dianus.   Ossa  nasi  asymmetrisch,  das  linke  aber  schmaler.    Fossae  caninae  sehr  tief. 

Nr.  86.  Schädel  bräunlich,  inwendig  mit  weisser  Farbe  beschmiert,  bez.  B  10282, 
West  Australia,  by  Lieut  H.C.Roche.  Nähte  erhalten,  Zähne  abgeschliffen.  Im  Ober- 
kiefer fehlen  4,  im  Unterkiefer  7  Zähne,  einige  sind  cariös.  Die  Glabella  gar  nicht  ein- 
gedrückt, Torus  frontalis  medianus,  starke  Erhebung  in  der  Gegend  der  Kreuzung  der 
Linea«  coronaria  und  sagittalis  und  auch  an  letzterer.  Starke  Lineao  temporalos  inferiores 
an  der  Squama  frontalis.  Hervorragende  Processus  paramastoidei.  Sehr  schwacher  Toms 
palatinus  medianus.  Niedrige  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rand  der  Pars 
horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Die  medialen  Wände  beider  Orbitae  sind  zerstört.  Ossa 
nasi  sehr  ungleich,  das  rechte  bleibt  oben  weit  von  der  Sutura  nasofrontalis  entfernt,  ist  viel 
kleiner,  kürzer  und  schmaler,  als  das  linke,  letzteres  ist  an  seinem  oberen  Ende,  entsprechend 
der  Sutura  nasofrontalis,  nur  5  mm  breit.  Die  Sutura  internasalis  verläuft  rechts  von  der 
Medianlinie  und  biegt  oben  stumpfwinklig  nach  rechts  um. 

Nr.  87.  Schädel  gelblich,  bez.  B  3507,  von  Perth,  West -Australien.  Nähte  theil- 
weise  verstrichen.  Pathologische  Knochenimpression  oberhalb  der  Glabella.  Nur  3  Zähne 
im  Oberkiefer  vorhanden.  Der  mittlere  Theil  jeder  Seitenhälfte  der  Sutura  coronaria  ver- 
läuft merkwürdig  gestreckt,  rein  transversal.  Stirn  gewölbt.  Schaltknochen  in  der  hin- 
teren Seitenfontanelle.  Condyli  occipitales  stark  vorspringend.  Kleine  Processus  para- 
mastoidei.   Mediane  Crista  basilaris  an  der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occi- 


(542) 

pitalis.  AndeutuDg  eines  Tonis  Palatinos  transversns.  Niedrige  Cristae  palatinae  trans- 
Tersae  am  hinteren  Bande  der  Pars  horisontalis  beider  Gaumenbeine.  Foramen  incisivom 
sehr  weit.  Arcus  zygomatici  sehr  weit  abstehend;  Processus  marginales. 

Nr.  88.  Schidel  briunlich,  mit  rother  Farbe  bemalt,  bex.  A  6114,  von  Port  Darwin, 
Northern  Territory.  Nähte  erhalten.  Weisheitsiähne  eben  durchgebrochen.  Zähne  ab- 
geschliffen, 7  im  Oberkiefer  fehlen.  Stirn  sehr  zurückweichend,  aber  nach  hinten  hoch. 
Schwacher  Torus  frontalis  medianus.  Rechterseits  ein  20  mm  langef,  9  mm  hoher  Schalt- 
knochen  in  der  Schläfenfontanelle.  Linkerseits  ein  7  mtn  langer,  8  mm  breiter  Processus 
frontalis  der  Squama  temporalis.  Kleine  Processus  paramastoidei.  Kleine  längliche  Fo- 
vea pharyngea  in  der  Medianlinie  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Am  vorderen  Rande 
des  Foramen  occipitale  magnum  eine  kleine  quere  Knochenbrücke  in  der  Medianebene. 
Sehr  grosse  Spinae  angulares.  Der  untere  Rand  der  Arcus  zjgomatici  stark  gezackt  durch 
Muskelansätze.   Abgerundete  Processus  marginales.    Tiefe  Fossae  lacrimales. 

Nr.  89.  Schädel  grau,  aufgesägt,  bez.  B  8496,  South  Australia.  Schädel  sehr  schwer, 
das  Schädeldach  bis  10  mm  dick.  Der  untere  Thcil  des  rechten  Scheitelbeines  ausgebrochen: 
auf  der  Squama  frontalis  und  den  Ossa  parietalia  zahlreiche  cariöse  Zerstörungen  der 
Tabula  externa.  Jochbogen  zerbrochen.  Ossa  parietalia  seitlich  abgeflacht,  Tubera 
parietalia  sehr  deutlich.  Condjli  occipitales  fast  eben.  Starkes  Tuberculum  pharyngenm. 
Sehr  scharfe  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider 
Gaumenbeine. 

Nr.  90.  Schädel  braun,  ist  der  eines  etwa  60  Jahre  alten  Häuptlings,  sog.  King 
Oobbera  Ball,  of  the  Bingera  tribe,  New  South  Wales,  1848  getötet.  Wurde  18^6  aus- 
gegraben von  J.  Mc  C.  Smith,  nach  etwa  50  Jahren,  noch  gut  erhalten,  etwas  mürbe. 
Viele  kleine  Zerstörungen  imd  Perforationen  am  Schädel.  Rechter  Processus  mastoides 
und  Jochbogen  zerstört.  Nähte  verstrichen.  Zähne  sehr  abgeschliffen.  Der  linke  mediale 
Schneidezahn  in  der  Jugend  entfernt,  Processus  alveolaris  scharfkantig.  Nur  4  Zähne  vor- 
handen, im  Oberkiefer.  Arcus  superciliares  sehr  vorspringend,  11  mm  dick.  Sehr  starker 
Torus  occipitalis  transversus.  Sehr  kleine  Processus  paramastoidei.  Breiter  Torus  pala- 
tinus  transversus,  der  hintere  Theil  des  harten  Gaumens  zerstört.  Sutura  intemasalis  ver- 
strichen, Ossa  nasi  zusammen  10  mm  breit.  Unterer  Raud  der  Orbitae  lateralwärts  wulstig 
aufgetrieben.    Starke  Processus  marginales. 

Nr.  91.  Schädel  braun,  bez.  Nr.  1,  von  Port  Jackson,  found  in  sand  near  Manly, 
bei  Sydney.  Nähte  erhalten,  Zähne  abgeschliffen,  aber  nur  wenig.  Rechterseits  fehlt  der 
laterale  obere  Schneidezahn,  Alveolus  obliterirt.  Im  Oberkiefer  sind  6,  im  Unterkiefer 
11  Zähne  vorhanden.  Unterkiefer  klein  und  zierlich.  Stirn  gewölbt  Tiefe  Knochen- 
wunde vor  dem  linken  Tuber  parietale,  eine  geheilte  quere  Fractur  läuft  in  senkrechter 
Richtung  zur  Sutura  squamosa  herab.  Beiderseits  ein  Processus  frontalis  squamae  tempo- 
ralis, rechterseits  15  mm  breit,  7  mm  lang,  linkerseits  13  mm  breit,  7  mm  lang.  Kleine 
Processus  paramastoidei.  Augenhöhleneingang  mehr  rechteckig.  Nasenbeine  asymmetrisch, 
das  linke  von  der  Sutura  nasofrontalis  abgedrängt,  endigt  oben  spitz :  zusammen  7  tnm  breit. 

Nr.  93.  Schädel  gelblich,  bez.  als  Nr.  3.  Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  und 
im  Unterkiefer  je  5  vorhanden.  Schwacher  Torus  frontalis  medianus.  Die  Sutura  sagit- 
talis  zeigt  in  der  Mitte  ihrer  Länge  einen  flachen  EindrucL  Condyli  occipitales  mndlick, 
gross,  steil.  Kleine  Processus  paramastoideL  Kleine  Crista  basilaris  an  der  unteren 
Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Lamina  lateralis  des  linken  Processus  pterygoides 
sehr  breit,  26  firni,  daselbst  ein  Foramen  pterygospinosum.  Sutura  palatina  mediana  etwas 
nach  links  convex.  Niedrige  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars 
horizontalis  beider  Ossa  palatina.  Nasenbeine  asymmetrisch,  mehr  sagittal  gestellt,  zu- 
sammen oben  10  mm  breit:  das  rechte  greift  mit  einer  Zacke  an  der  Sutura  nasofh>ntalLN 
nach  links  hinüber.  Inwendig  sind  die  unteren  Ränder  der  Arcus  zygomatici  etwas  gezackt 
ebenso  finden  sich  starke  Riffe  für  Muskelansätze  an  den  Anguli  mandibular  Grosse  Pro- 
cessus marginales. 

Nr.  94.  Schädel  gelblich,  bez.  als  Nr.  4.  Nähte  erhalten,  Zähne  wenig  abgeschliffen, 
Weisheitszähne  fast   gar  nicht,  im  Oberkiefer  7  vorhanden.    Kleine   postmortale  Durch- 


(543) 

bohrnngen  der  Squama  temporalis.  Schwacher  Toms  frontalis.  Schwacher  Toms  occi- 
pitalis  transyersQS.  Condjli  occipitales  rundlich,  tief  hinabragend.  Grosse  höckrige  Pro- 
cessus paramastoidei.  Kleiner  medianer  Snlcns  an  der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris 
088.  occipitalis.  Spitze  Zacken  am  hinteren  Bande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumen- 
beine. Der  knöcherne  Gaumen  ist  nach  oben  tief  ausgehöhlt.  Schwache  Processus 
marginales. 

Nr.  95.  Schädel  braunröthlich  bemalt,  bez.  als  Nr.  2,  found  near  Manlj,  Port  Jackson 
bei  Sydney.  Nähte  erhalten,  Zähne  wenig  abgeschliffen,  Weisheitszähne  fast  gar  nicht  Im 
Oberkiefer  fehlen  6  Zähne.  Schwacher  Toms  frontalis  medianus.  Linkerseits  sagittale 
Exostosen  nahe  der  Mitte  der  Länge  der  Sutura  coronalis.  Starker  Toms  occipitalis  trans- 
versns.    Die  Lineae  temporales   superiores  reichen   über  die  Tubera  parietalia  hinauf. 

« 

Zackige  Processus  paramastoidei.  Scharfe;  5  mm  hohe  Cristae  palatinae  transrersae  am 
hinteren  Rand  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Rechtes  Nasenbein  oben  10  mm^ 
das  linke  nur  7  mm  breit.  Augenhöhleneingang  beiderseits  mehr  viereckig.  Foramina 
infraorbitalia  sehr  weit,  damnter  längliche  Gmben. 

Nr.  96.  Schädel  bräunlich,  bez.  als  Nr.  3,  near  Manly,  Port  Jackson,  im  Sande  be- 
graben. Nähte  erhalten,  Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  sind  die  beiden  medialen 
Schneidezähne  frühzeitig  entfernt  worden,  der  Kieferrand  ist  scharf.  Im  Unterkiefer 
fehlen  5  Zähne.  Dicht  hinter  der  Sutura  coronaria  eine  tiefe  Gmbe  in  der  Sutura  sa- 
gittalis,  etwa  15  mm  im  Durchmesser,  von  einer  Verletzung  herrührend.  Grosse  flache 
Auflagerang  nahe  oberhalb  des  rechten  Tubor  parietale.  Schwacher  Toms  frontalis  medi- 
anus, sehr  starker  Toms  occipitalis  transversus.  Sehr  starke  und  scharfe  Lineae  nuchae 
superiores,  starke  Protuberantia  occipitalis  externa  und  scharfe  Crista  occipitalis  externa. 
Breite  höckrige  Processus  paramastoidei.  Sehr  starke  Crista  infratemporalis  dextra.  Fora- 
mina oTalia  sehr  rundlich.  Andeutung  eines  Toms  palatinus  transversus.  Scharfe  hohe 
Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumen- 
beine.   Spina  nasaUs  anterior  sehr  stark,  doppelt. 

Nr.  97.  Schädel  braun,  bez.  als  Nr.  4.  Nähte  theilweise  verstrichen.  Zähne  abge- 
schliffen. Im  Oberkiefer  fehlen  5,  im  Unterkiefer  9  Zähne.  Deutlicher  Torus  frontalis 
medianus.  Kleine  flache  glatte  Exostose  über  der  Mitte  der  rechten  Hälfte  der  Sutura 
lambdoides  am  Os  parietale  dextmm.  Sehr  starker  Toms  occipitalis  transversus,  Pro- 
tuberantia occipitalis  externa  9  mm  hoch.  Niedrige  Processus  paramastoidei.  Scharfe 
Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumen- 
beine. Der  Processus  alveolaris  maxillae  um  11  mm  hinter  dem  Weisheitszahn  verlängert;  in 
der  Mitte  dieser  Verlängerang  befindet  sich  linkerseits  eine  kleine  trichterförmige  Höhlung. 
Dach  der  rechten  Orbita  verletzt.  Abgemndete  Processus  marginales.  Sutura  interaasalis 
in  ihrer  oberen  Hälfte  verwachsen. 

Nr.  98.  Schädel  gelblichbrann,  bez.  als  Nr.  6.  Nähte  erhalten.  Zähne  abgeschliffen. 
Im  Oberkiefer  fehlen  die  mittleren  Schneidezähne,  im  Unterkiefer  4  Zähne.  Toms  occi- 
pitalis transversus;  derselbe  hat  linkerseits  einen  queren  Wulst,  der  hervorragt;  die  Pro- 
tuberantia occipitalis  externa  ist  in  sagittaler  Richtung  verdoppelt  Lineae  nuchae  inferiores 
erstrecken  sich  als  erhabene  Cristae  gekrümmt  weit  nach  abwärts  zu  den  Incisurae  mastoi- 
deae.  Die  Ala  magna  oss.  sphenoidalis  und  der  Angulus  sphenoidalis  oss.  parietalis  be- 
rühren sich  rechterseits  nur  in  2  mm  Ausdehnung.  Die  Condyli  occipitales  sind  hoch, 
haben  aber  relativ  kleine,  nach  hinten  und  lateralwärts  gerichtete  Gelenkflächen.  Linker- 
seits ein  grosser  überknorpelter  Processus  paramastoideus.  Laminae  laterales  der  Pro- 
cessus ptei^goides  sehr  breit  Spina  mentalis  sehr  stark,  doppelt  Ossa  nasi  nur  12  mm 
lang.    Dicke  grosse  Processus  marginales. 

Nr.  99.  Schädel  gelblich,  bez.  als  Nr.  7.  Nähte  theilweise  verstrichen.  Zähne  wenig 
abgeschliffen,  namentlich  die  Weisheitszähne.  Im  Oberkiefer  fehlen  6  Zähne,  einer  ist 
cariös;  in  der  Gegend  des  linken  Eckzahnes  eine  grosse,  rundliche,  durch  Eiterung  ver- 
anlasste Höhlung.  Im  Unterkiefer  fehlen  11  Zähne.  Nasenbeine  in  ihrer  unteren  Hälfte 
durch  eine  Fractur  eingedrückt  und  unregelmässig  verwachsen.  Corpus  der  rechten 
Maxilla  theilweise  zerstört.   Sehr  starker  Toms  occipitalis  transversus.   Condyli  occipitales 


(544) 

sehr  flach.  Niedrige  Processus  paramastoidei.  Kleines  Tubercnluin  pharyngenm  in  der 
Mitte  der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Torns  palatinus  transTersus 
angedeutet. 

Nr.  100.  Schädel  grau,  bez.  New  Castle  from  Mr.  Hin  de.  Inwendig  Bindfaden- 
Vorrichtung  zum  Aufhängen.  Nähte  verstrichen.  Zähne  stark  abgeschliffen.  Im  Ober- 
kiefer der  linke  mediale  Schneidezahn  frühzeitig  entfernt,  Knochenrand  scharf.  Es  fehlen 
6  Zähne;  im  Unterkiefer  sind  3  vorhanden.  Arcus  zygomatici  abgebrochen.  Stirn  zurück- 
tretend, Hintorhaupt  vorspringend.  Breiter  Torus  occipitalis  transversus.  Rechterseita 
Processus  frontalis  der  Squama  temporalis,  12  mm  lang,  10  mm  breit  Linkerseits  eine 
Knochennarbe  hinter  dem  unteren  Ende  der  Sutura  coronaria.  welche  einen  ähnlichen  Pro- 
cessus an  seinem  Ursprünge  quer  abgetrennt  hat.  Kleine  Processus  paramastoidei. 
Torus  palatinus  medianus  an  den  Ossa  palatina.  Nasenbeine  schmal,  zusammen  7  mm 
breit. 

Nr.  101.  Schädel  gelblich.  Nähte  erhalten.  Zähne  abgeschliffen,  die  Weisheitszähne 
nur  wenig.  Es  fehlen  im  Oberkiefer  die  beiden  mittleren  Schneidezähne.  Rechter  Arcus 
zygomaticus  abgebrochen,  laterale  Wand  der  rechten  Orbita  zerstörte  Breiter  Torus  occi- 
pitalis transversus.  Kleine  Processus  paramastoidei  Laminae  laterales  der  Processus 
pterjgoides  sehr  breit  Anstatt  eines  Torns  palatinus  medianus  findet  sich  eine  kleine 
Crista  palatina  mediana  längs  des  hinteren  Endes  der  Sutura  palatina  mediana,  und  niedrige 
Cristae  palatinae  transversae  sitzen  am  hinteren  Rand  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumen- 
beine.   Nasenbeine  mehr  sagittal  gestellt,  oben  7  mm  breit. 

Nr.  102.  Schädel  weisslich.  From  Hawkesbury,  injury  in  forehead  by  Tomahawk. 
Grosse  flache  Exostosen  und  Vertiefungen  auf  der  Squama  frontalis.  Flache  Eindrücke 
an  der  Spitze  der  Squama  occipitalis,  daselbst  eine  rundliche,  20  mm  grosso  tiefe  Knochen- 
narbe. Flache  Eindrücke  auch  in  der  Mitte  der  Länge  der  rechten  Hälfte  der  Sutura 
coronaria:  letztere  grösstentheils  verstrichen.  Eingang  der  rechten  Orbita  lateralwärts  sehr 
viel  höher,  als  medianwärts,  in  Folge  der  Stirnbeinfractur.  Kleine  Knochennarbe  oberhalb 
der  Mitte  der  rechten  Linea  temporalis  inferior.  Niedriger  Torus  occipitalis  transversus. 
Kleine  tiefe  Fovea  pharyngca  in  der  Mitte  der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occi- 
pitalis. An  der  Sutura  palatina  mediana  vom  und  hinten  kleine,  sagittal  gestellte  Cristae. 
Grosse  Processus  mai^rinales  an  beiden  Jochbeinen. 

Nr.  108.  Schädel  bez.  als  Nr.  5.  Aufgesägt,  macerirt,  oben  gelblich,  unterer  Theil 
weiss.  Obere  Weisheitszähne  eben  durchgebrochen,  die  Verlängerung  des  Processus  alveo- 
laris  hinter  denselben  beträgt  nur  3—4  mm.  Im  Oberkiefer  der  rechte  mittlere  Schneide- 
zahn frühzeitig  entfernt,  Kieferrand  scharfkantig;  linkerseits  fehlen  4  Zähne.  Im  Unter- 
kiefer ist  der  rechte  Eckzahn  sehr  gross,  linkerseits  ein  Molarzahn  cariös,  es  fehlen  5  Zähne. 
Niedriger  Torus  occipitalis  transversus.  Kleine  Processus  paramastoidei.  Cboanae  niedrig. 
Die  Pars  horizontalis  des  rechten  Os  palatinum  ragt  ein  wenig  weiter  nach  vom,  als  die 
des  rechten.  Niedrige  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Bande  der  Pars  hori- 
zontalis beider  Gaumenbeine.  Starke  Processus  marginales.  Im  Inneren  des  Schädels  sind 
die  Schädellöcher  ziemlich  weit.  Das  Dach  der  rechten  Orbita  sehr  dünn  und  zerstört 
Juga  cerebralia  entwickelt.  Foramen  caecum  sehr  weit,  trichterförmig.  Processus  clinoidei 
anteriores  sehr  kräftig,  zwischen  beiden  ein  medianes  Tuberculum.  Fossa  hjpophyseot  in 
sagittaler  Richtung  sehr  lang.  Dorsum  sellae  sehr  hoch  und  dünn.  Processus  clinoid«i 
posteriores  lang  und  dünn.  Eminentia  arcuata  des  Canalis  semicircularis  superior  der 
Felsenbeinpyramiden  sehr  stark  ausgebildet. 

Nr.  104.  Schädel  weiss,  bez.  Cygnet  Bay,  von  Capt  H.  Uilliard.  Nähte  erhalten. 
Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  die  beiden  medialen  Schneidezähne  frühseitig  entfernt 
Kieferrand  daselbst  scharf.  Es  fehlen  auch  die  beiden  lateralen  Schneidosihne  nnd 
die  Weisheitszähne,  im  Unterkiefer  9  Zähne.  Schwacher  Toms  frontalis  roediami». 
Niedriger  Toms  occipitalis  transversus.  Beiderseits  Schaltknochen  in  der  SchUfeii- 
fontanelle,  rechterseita  20  mm  lang,  4  mm  hoch,  linkerseits  2(i  mm  lang,  6  mm  hoch.  Kleine 
Schaltknochen  in  der  hinteren  Seitenfontanelle.  An  der  Spitze  der  Squama  occiplUlis 
eiu  15  mm  grosses,  unregelmSssiges  Os  interparietale.   Jederseits  zwei  Foraroina  mattoidc«. 


(545) 

Cftnales  hypoglossi  sehr  weit  Kkine  höckerige  Processus  paramastoidei.  Kleine  Fovea 
Ipharjngea  in  der  Mitte  der  aateren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Hohe  und 
^scharfe  Cristae  palaÜDAe  transvenae  am  hinteren  Rande  der  Pars  honzontalis  beider 
-Gaumenbeine  und  klriiie  Höcker  beiderseits  in  der  Sutura  palatina  transversa.  Nasen- 
beine zusammen  9  mm  breit  Rechterscits  ein  kleiner  Schaltknochen  am  vorderen  Ende 
•der  Fissura  orbitalis  inferior. 

Nr.  105.  Schidol  gelblich,  bei.  VH,  von  Goraldton,  by  Mr.  C.  Elliot,  died  of 
imeaslcs  1868.  Nähte  verstrichen,  Zähne  wenig  abgeschliffen,  der  linke  obere  Weisheitszahn 
4^BT  nicht.  Im  Oberkiefer  4,  im  Unterkiefer  nur  1  Zahn  vorhanden.  Unterkiefer  niedrig,  25  mm 
'hoch,  Alveolen  sind  erhalten.  Undeutlicher  Torus  frontalis  medianus.  Starker  Toms  occipitalis 
ttrans versus.  Die  Squama  occipitalis  hat  recht crseits  eine  quere  postmortale  Spalte.  Linkerseits 
•ein  etwa  2  cm  grosser  Schaltknochen  in  der  Schläfcnfontanclle.  Niedrige  Processus  para- 
mastoidei. Starkes,  5  mm  langes,  3  mm  breites  Tuberculum  in  der  Mitte  des  vorderen 
Bandes  des  Foramen  occipitale  magnum  horizontal  nach  hinten  ragend.  Die  Pars  hori- 
sontalis  des  linken  Os  palatinum  ragt  weiter  nach  hinten  als  die  des  rechten.  Schwache 
Frocessns  marginales  der  Jochbeine. 

Kr.  106.  Schädel  weiss,  bez.  Naununi  tribe,  Murchisondistrict,  ausgegraben  von 
Mr.  Streich,  1895.  (YergL  Schädel  Nr.  25.)  Nähte  erhalten,  Zähne  sehr  abgeschliffen.  Im 
Obca-kiefer  fehlen  3,  im  Unterkiefer  8  Zähne.  Rundlicher  Höcker  von  6  mm  im  Durch- 
messer am  hintersten  Ende  des  rechten,  hinter  dem  Weisheitszahn  noch  13  mm  langen  Pro- 
cessus .alveolaris  des  Oberkiefers.  Links  beträgt  die  Verlängerung  15  mm  und  darin  befindet 
sich  -eine  leere  kloine  Höhlung.  Undeutlicher  Toms  frontalis  medianus.  Flacher  Torus 
occipüab's  transversus.  Lineae  temporales  superiores  stärker,  als  die  inferiores.  Schalt- 
knocben  in  der  hinteren  linken  Seitenfontanelte.  An  der  unteren  Fläche  der  linken  Hälfte 
des  Foramen  occipitale  *magnum  ein  grösseres,  rechterseits  ein  kleineres  Tuberculum. 
ForamioA  ovalia  weit  und  rundlich.  An  den  Partes  horizontales  der  Gaumenbeine  ein 
flacher  Torus  palatinus  medianus. 

Nr.  107.  Schädel  weiss,  von  Cygnet  Baj,  vergL  Nr.  104.  Nähte  erhalten.  '  Zähne 
wenig  abgeschliffen,  Weisheitszähne  fast  gar  nicht;  der  rechte  im  Unterkiefer  cariös. 
Rechterseits  hinter  dem  oberen  Weisheitszahn  in  der  11  mm  langen  Verlängerung  des  Pro- 
cessus alveolaris  eine  kleine,  in  der  Achse  der  Zahnreihe  gelegene,  2  mm  grosse,  mit  einem 
centralen,  nach  oben  fuhrenden  Loch  versehene  Höhle.  Beide  mediale  Schneidezähne  frQh- 
seitig  entfernt,  Kieferrand  scharf.  Im  Oberkiefer  8,  im  Unterkiefer  13  Zähne  vorhanden. 
Undentlicher  Torus  frontalis  medianus.  An  der  linken  Hälfte  der  Squama  frontalis  grosso, 
gelbe,  von  Maceration  herrührende  Flecken.  Starker  Torus  occipitalis  transversus.  Oberes 
Ende  der  Alae  magnae  sehr  breit,  rechterseits  36  mm^  linkerseits  35  mm.  An  beiden  Seiten 
der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis  schräge  Cristae.  Lamina  lateralis 
des  rechten  Processus  pterjgoides  sehr  breit  Andeutung  eines  Torus  palatinus  trans- 
versus. Hohe  und  scharfe  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  hori- 
sontalis  beider  Gaumenbeine.    Breite  Processus  marginales  der  Jochbeine. 

Nr.  108.  Schädel  grau,  von  Charlotte  Waters.  Weiblich.  Linker  Jochbogen  und 
Nasenbeine  zerbrochen.  Nähte  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Rechter  medialer 
Schneidezahn  frühzeitig  entfernt,  Kieferrand  scharf.  Im  Oberkiefer  5,  im  Unterkiefer' 
6  Zähne,  meist  nur  Wurzeln  vorhanden.  Spur  einer  Sutura  frontalis.  Schwacher  Torus 
frontalis  medianus.  Schräg  herablaufende  Knochennarbe  des  rechten  Os  parietale.  Breiter 
Toros  occipitalis  transversus.  Rechterseits  stossen  die  Squamae  frontalis  und  temporalis 
mit  dem  Os  parietale  und  der  Ala  magna  in  einem  1  mm  breiten  Punkte  zusammen.  Die 
Lineae  temporales  superiores  sind  stärker,  als  die  inferiores.  Hinter  beiden  Condjli  occi- 
pitales  am  S^itcnrande  des  Foramen  occipitale  magnum  je  ein  kleines  Tuberculum. 
Knöcherner  Gaumen  sehr  flach.  Torus  palatinus  transversus  in  einem  stumpfen,  nach  vom 
offenen  Wiukel  verlaufend.    Nasenbeine  oben  zusammen  nur  8  mm  breit. 

Nr.  109.  Schädel  mit  röthlicher  Farbe  bemalt  gewesen,  von  Dalj  River.  Von  Zähnen 
nur  die  Wurzel  eines  Molarzahnes  im  Oberkiefer  vorhanden.  Verlängerung  des  Processus 
alveolaris  hinter  den  Weisheitszähnen,  12  mm  lang  und  sehr  breit.    Schädel  vom  Scheitel 

Verband],  der  R«rl.  Aothropol.  OeselUchaft  1897.  85 


(546) 

ans  Dach  hinten  und  vorn  abfallend.  Schwacher  Tonis  frontalis  medianns.  Hoher  schmaler 
Toms  occipitalis  transversus.  Höckerige  Processus  paramastoidei  Andeutungen  eines  Toms 
palatinus  transversus.  Spitze  quergestelltc  Zacken  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizon- 
talis  beider  Gaumenbeine.  Nasenbeine  schmal,  zusammen  9  mm  breit.  Breite  Processus 
marginales 

Nr.  110.  Sch&del  weiss,  macerirt,  von  New  Castle  Waters,  bj  Mr.  Rarenscraft. 
Am  linken  Processus  condjloides  mandibulae  eine  Höckerbildung,  wie  von  Arthritis  dcformans. 
Nähte  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Die  beiden  mittleren  Schneidezähne  frühzeitig 
entfernt,  der  Rand  des  Processus  alveolaris  scharf  und  verkürzt.  Im  Oberkiefer  5  Zähne 
vorhanden.  Hoher  und  breiter  Toms  occipitalis  transversus  Oberer  Rand  der  Alae  magnae 
sehr  breit,  an  seinem  vorderen  Ende  joderseits  ein  kleiner  Schaltknochen  zwischen  der  Ala 
magna,  dem  Processus  zjgomaticus  oss.  frontalis  und  dem  Processus  frontalis  oss.  zjgomatici. 
der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis  ein  medianes  Tuberculum  pharjn- 
geum,  davor  eine  flache  Fovea  pharjngea,  zu  beiden  Seiten  von  jenem  Tuberculum  joder- 
seits ein  kleiner  Höcker  am  Scitenrande  der  Pars  basilaris.  Andeutimg  eines  Toms  pala- 
tinus transversus.  Niedrige  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars 
horizontalis  beider  Gaumenbeine.    Nasenbeine  asymmetrisch,  das  rechte  oben  viel  breiter. 

Nr.  111.  Schädel  bräunlich,  bez.  als  Woolnah  Tribe,  Adelaide  River,  noar  Port  Darwin. 
Linker  Jochbogen  zerbrochen.  Nähte  erhalten.  Zähne  abgeschliffen.  Dieser  Stamm  schlägt 
keine  Zähne  aus,  macht  keine  Mika-Operation  und  keine  Circumcision  (Stirling).  Im  Ober- 
kiefer fehlen  2  Zähne.  Kurzer  hoher  Toms  occipitalis  transversus.  Beiderseits  Schalte 
knochen  in  der  Schläfenfontanelle,  rechterseits  28  mm  lang,  0  mm  hoch,  linkerseits  23  tnm 
lang,  8  mm  hoch.  Kleine  Processus  paramastoidei.  Scharfe  Cristae  palatinae  transveraao 
am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Rechtwinklige  Processus 
marginales.  Die  Foramina  mentalia  liegen  weit  hinten,  unter  dem  ersten  Molarzahn  des 
Unterkiefers. 

Nr.  112.  Schädel  bräunlich,  verwittert,  vom  Unallah  tribe  (called  also  Janich  tribc), 
Port  Esington,  ldb2  erhalten.  Männlich,  25  Jahre.  Rechter  Jochbogen  zerbrochen.  Nähte 
vorhanden,  Zähne  wenig  abgeschliffen.  Zahlreiche  kleine  Schaltknochen  in  der  gezackten 
Stelle  der  Sutura  coronaria.  Grosse  Vertiefung  am  oberen  Rande  der  Spinae  supra  meatum. 
Kleiner  Schaltknochen  in  der  rechten  Schläfenfontanelle,  4  mm  lang,  2  mm  hoch.  Hoher 
Toms  occipitalis  transversus.  Protuberantia  occipitalis  externa  ausgedehnt,  aber  niedrig; 
Lineae  nuchae  superiores  zu  hohen  scharfen  Cristae  entwickelt.  Grosse  Processus  para- 
mastoidei. Scharfe  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalit 
beider  Gaumenbeine.  Gaumen  sehr  gewölbt.  Ossa  nasalia  sehr  lang,  linkerseits  ein  grosses 
Foramen  nasale. 

Nr.  113.  Schädel  gelblichweiss,  dick  und  schwer,  von  Parallana,  bj  R  Hawker. 
Nähte  erhalten,  Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  7,  im  Unterkiefer  8  Zähne  vorhanden, 
einer  davon  cariös.  Tuberculum  articulare  des  rechten  Os  temporale  durch  Arthritis 
deformans  vorändert,  in  sagittaler  Richtung  nach  vom  verlängert,  ebenso  der  rechte  Pro- 
cessus condjloides  ntandibulae,  beide  abgeschliffen.  Tubera  parietalia  deutlich,  Ossa 
parietalia  seitlich  abgeflacht,  auf  denselben  zwei  kleine  rundliche  Hügel.  Hoher,  schmaler, 
höckeriger  Toms  occipitalis  transversus.  Rechterseits  dicht  neben  der  Protuberantia  occi- 
pitalis externa  ein  grosses  Foramen  nutricium.  Schaltknochen  der  rechten  Schläfenfontanelle 
37  mm  lang,  11  mm  hoch  Linkerseits  erreicht  die  Ala  magna  das  Os  parietale,  aber  dicht 
an  ihr  befindet  sich  in  der  Sutura  squamosa  ein  7  mm  langer,  4  mm  hoher  Schaltknocben; 
ein  ähnlicher  auch  in  der  rechten  hinteren  Seitenfontanelle.  Kleine  Höcker  anstatt  etnea 
Toms  palatinus  transversus.  Niedrige  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande 
der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.    Kleine  scharfe  Processus  marginales. 

Nr.  114.  Schädel  grau,  von  Parallana,  bjR.  Hawker.  Schädel  scaphocephal.  Flache, 
quere  Knochennarbe  auf  dem  rechten  Os  parietale,  nach  hinten  und  medianwärts  vom 
Tuber  parietale  sich  erstreckend.  Der  rechte  Jochbogen  zerbrochen.  Nähte  verstrichen. 
Am  Oberkiefer  ist  die  Verlängerung  des  Processus  alveolaris  hint«r  dem  Weisheitssahn 
12  mm  lang  und  13  mm  breit,  mit  einem  medianwärts  und  nach  hinten  gerichteten  H5cker 


(547) 

yersehen.  Hinter  letzterem  ein  nach  anten  offenes,  nach  oben  sich  in  einen  Canal  fort* 
setzendes  Loch,  von  vom  nach  hinten  2  mm  lang,  1,5  mm  in  querer  Richtung  breit  und 
2m»n  tief,  mit  glatten  Wunden;  es  ist  in  der  Achse  der  Zahnreihe  gelegen  Im  Oberkiefer 
4  Zähne,  im  Unterkiefer  8  vorhanden,  davon  2  cariös.  Breiter,  hoher  Torns  occipitalis 
transversns.  Condyli  occipitales  sehr  flach.  Kleine  Höcker  anstatt  der  Processus  para- 
mastoidei.    Foramina  ovalia  rundlich. 

Nr.  115.  Schädel  gelbbraun,  from  Pina  Creek.  Stirn  gerundet.  Ossa  parietalia 
nach  hinten  abfallend.  Nähte  erhalten.  Zähne  abgeschlififon.  Im  Oberkiefer  fehlen  6, 
im  Unterkiefer  8  Zähne.  Schwacher  Toms  frontalis  medianus.  Breiter  Toms  occipitalis 
transversus.  Beiderseits  ein  Processus  frontalis  der  Squama  temporalis,  beiderseits  Sf/im 
lang,  12  mm  breit.  Niedrige  und  scharfe  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande 
der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Sehr  kleine  Schaltknochen  in  der  Sutura  naso- 
frontalis.    Nasenbeine  sehr  kurz,  nur  15  mm  lang,  dabei  schmal. 

Nr.  11(>.  Schädel  grau,  vom  Larrakeah  Tribe,  South  Port,  near  Port  Darwin,  September 
1882.  Weiblich.  Stirn  gemndct.  Nähte  erhalten.  Zähne  nicht  abgeschliffen,  Weisheits- 
zähne eben  durchgebrochen.  Linkerseits  hinter  denselben  in  der  Achse  der  Zahnreihe  eine 
8  mm  breite,  6  mm  hohe  glattwandige  Höhle,  die  rechterseits  sehr  wenig  grösser  erscheint; 
die  Verlängerung  des  Processus  alveolaris  nach  hinten  beträgt  4  mm.  Linkerseits  fehlt 
der  laterale  obere  Schneidezahn.  Synchondrosis  sphenooccipitalis  klaffend.  Linkerseits 
ein  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle,  23  mm  lang,  10  mm  hoch.  Schwacher  Toms 
^ontalis  medianus.  Flacher  Torus  occipitalis  transversus.  Tiefe  Fovea  pharyngea  am 
vorderen  Ende  der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss  occipitalis.  Furamen  incisivum 
«ng.  Andeutung  des  unteren  Endes  einer  Sutura  frontalis,  8  mm  lang.  Schaltknochen  in 
der  linken  Hälfte  der  Sutura  nasofrontalis.  Linkes  Os  uasale  26  mm  lang,  Nasenbeine  zu- 
sammen 10  mm  breit. 

Nr.  117.  Schädel  weiss,  vom  Larrakeah  Tribe,  South  Port,  near  Port  Darwin,  young 
Female,  September  1882.  Nähte  erhalten,  Zähne  wenig  abgeschliffen,  einige  etwas  un- 
regelmässig gestellt,  Weisheitszähne  noch  nicht  durchgebrochen.  Eine  Gefässrinne  fuhrt 
beiderseits  hinter  dem  zweiten  Molarzahn  in  die  Höhle  des  Weisheitszahnes.  Starker 
Torns  frontalis  medianus.  Tubera  fron*alia  sehr  ausgesprochen.  Starker  hoher  Toms 
occipitalis  transversus.  Kleine  Höcker  statt  der  Processus  paramastoidei  Starke  Cristae 
palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Nasen- 
heine sehr  lang,  in  der  Medianlinie  19  mm,  am  lateralen  Rande  22  mm  lang,  oben  zu- 
sammen 8  mm  breit.    Deutliche  Processus  marginales  der  Jochbeine. 

Nr.  118.  Schädel  weiss,  macerirt,  vom  Moolioongali  Tribe  zwischen  South  Port  and 
Yam  Creek,  April  1882.  Etwa  30  Jahre  alt,  weiblich.  Schädel  hoch  in  der  Frontalebene 
der  hinteren  Scitenfontanellen  Die  Thränenbeine  sind  zerstört  Nähte  erhalten.  Zähne 
wenig  abgeschliffen  Im  Oberkiefer  fehlen  5  Zähne,  im  Unterkiefer  steht  der  linke  zweite 
Praemolarzahu  etwas  schief,  der  erste  Molarzahn  ist  cariös.  Massiger  Toms  frontalis  medianus. 
Kleiner  Processus  frontalis  squamae  temporalis  rechterseits,  3  ihtn  lang,  2  mm  breit.  Grosse 
^arke  Processus  paramastoidei.  Andeutung  eines  Toms  palatinus  transversus.  Abgerundete 
Processus  marginales  beider  Jochbeine. 

Nr.  \Vd,  Schädel  gelblich,  sehr  kräftig,  von  Streaky  Bay,  durch  Rev.  F.  Tower. 
Knochennarbe  von  22  mm  Länge,  1 1  mm  Breite  in  sagittaler  Richtung  ao  der  linken  Seite 
der  Squama  frontalis,  in  der  Mitte  der  Länge  der  Sutura  coronaria.  Kleinere  Knochen- 
narbe oberhalb  des  linken  Tuber  frontale.  Rechter  Arcus  zygomaticus  beschädigt.  Nähte 
beginnen  zu  verstreichen.  Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  5  Zähne.  Schädel 
«n  der  Squama  frontalis  dachförmig,  starker  Torus  frontalis  medianus  Sehr  hoher  und 
starker  Torus  occipitalis  transversus,  er  entspricht  den  Lineae  nuchae  superiores.  Ober- 
halb desselben  und  dicht  hinter  dem  hinteren  Ende  der  Sutura  sagittalis  verläuft  ein 
zweiter  oberer  flacher  Torus  occipitalis  transversus  Lin^^ae  temporales  superiores  sind  stärker, 
als  die  inferiores,  und  reichen  aufwärts  bis  >>0  mm  lateralwärts  von  der  Sutura  sagittalis. 
Lange  Processus  paramastoidei.  Hohe  und  scharfe  Cristae  palatinae  transversae  am 
hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.    Augenhöhlen   ziemlich  recht- 

35* 


(548) 

winklig  viereckig.  Linkerseits  zwei  Incisnrae  frontales  und  eine  Incisnra  sapraorbiUlis. 
Sutura  nasaÜB  Terwachsen.  Ossa  nasalia  lateralw&rts  29  mm  lang,  oben  zosammen  11  mm 
breit.    Abgerundete  Processus  marginales  der  Jochbeine. 

Kr.  120.  Schädel  weiss,  macerirt,  bez.  Cantara,  Sonth  East  Ton  Südaustralien,  firom 
platform  (vgl.  bei  Nr.  121).  Nähte  beginnen  zu  verstreichen.  Zähne  sehr  abgeschlifien. 
Im  Oberkiefer  fohlen  4  Zähne.  Processus  alveolaris  der  rechten  Maxiila  hinter  dem  Weisheits- 
zahne 9  mm  lang,  enthält  eine  kleine  glattwandige  Alveole,  unten  4  mm  weit  und  ebenso 
hoch,  sie  steigt  schräg  lateralwärts  auf  und  setzt  sich  in  einem  engen  Knochencanal  fort. 
Weisheitszahn  klein.  Flacher  Toms  frontalis  medianus.  Starker  Torus  occipitalis  trana- 
versus.  Rechterseits  ein  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle,  25  mm  lang,  5  mm  breit. 
Linkerseits  ist  der  obere  Rand  der  Ala  magna  34  mm  lang,  seine  hintere  Hälfte  verbindet 
sich  mit  dem  Os  parietale.  Kleine  Processus  paramastoidei  Der  Processus  styloides 
lang  und  dick,  besteht  rechterseits  aus  zwei,  linkerseits  aus  drei  Stücken.  Spuren  dea 
unteren  Endes  einer  Sutura  frontalis. 

Nr.  121.  Schädel  weiss,  macerirt,  bez.  Cantara,  South  East  von  Südaustralien,  from 
platform  (einem  Gerüst  auf  3  Holzbalken  zum  Aussetzen  der  Leichen,  vgl  Nr.  120).  Zähne 
abgeschliffen.  Linkerseits  hinter  dem  Weisheitszahn  in  der  7  mm  langen  Verlängerung 
des  Processus  alveolaris  maxillae  eine  glattwandige,  4  mm  weite,  6  mm  hoho  Höhlung,  die 
sich  nach  oben  in  einen  Enochencanal  fortsetzt  Rechterseits  eine  ähnliche  kleinere 
Höhle,  die  Stelle  ist  aber  zerstört.  Im  Oberkiefer  fehlt  der  laterale  linke  Schneidezahn, 
im  Unterkiefer  fohlen  4  Zähne,  einer  ist  cariös.  Flacher  Torus  frontalis  medianus,  deut- 
licher Torus  occipitalis  transversus.  Ein  kleiner  Höcker  jederseits  an  Stelle  eines  Pro- 
cessus paramastoideus.  Spuren  einer  Sutura  frontalis,  17  mm  nach  oben  reichend.  Kleine 
Schaltknochen  in  der  Sutura  nasoürontalis.  Das  linke  Nasenbein  oben  breiter,  als  daa 
rechte.    Abgerundete  Processus  marginales. 

Nr.  122.  Schädel  weiss,  macerirt,  von  einem  20jährigen  Manne,  dessen  Skelet  192cm 
hoch  ist;  ein  civilisirter  Schwarzer,  der  Glacehandschuhe  trug.  Sein  Bruder  war  noch 
grösser.  Schädel  nicht  besonders  gross,  nur  der  Unterkiefer  gross,  dick,  massiv,  vom 
38  mm  hoch.  Nähte  erhalten,  Zähne  wenig  abgeschliffen.  Weisheitszähne  des  Oberkiefers 
noch  nicht  durchgebrochen.  Stim  zurückliegend.  Flacher  Torus  frontalis  medianus. 
Hoher  und  schmaler  Torus  occipitalis  transversus.  Der  obere  Rand  der  Ala  magna  lang, 
rechterseits  32  mm,  geht  in  einen  langen,  8  mm  breiten,  nach  hinten  gebogenen  Fortsatz 
über,  der  sich  mit  dem  Os  parietale  verbindet.  Foramen  occipitale  magnum  sehr  weit 
Am  rechten  unteren  vorderen  Ende  der  lanea  nuchae  inferior  eine  starke  Crista,  ebenso 
schräge  Cristae  musculares  am  Seitenrande  der  unteren  Fläche  der  sehr  langen  Pars  ha- 
silaris  oss.  occipitalis.  Niedrige  Cristae  palatinae  transvenae  am  hinteren  Rande  der 
Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Processus  marginales  der  Jochbeine,  sehr  lang,  gross 
und  dick. 

Nr.  123.  Schädel  gelbbraun,  bez.  Woolnah  Tribe,  from  Adelaide  River,  near  Port 
Darwin,  45  Jahre  alt.  Collection  Stirling.  Nähte  theilweise  verstrichen.  Im  Oberkiefer 
fehlen  1,  im  Unterkiefer  2  Schneidezäline.  Colossaler,  15  mm  dicker  Wulst  an  der  Gla- 
bella.  Stim  sehr  zurückweichend,  Torus  frontalis  medianus.  Hoher  und  dicker  Torus 
occipitalis  transversus.  Seitliche  Abflachung  der  Ossa  parietalia.  Am  hinteren  Rande  des 
Poramen  occipitale  magnum  jederseits  kleine  Knochen  Wucherungen.  Scharfe  Cristae  trans- 
versae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Grosse  und  dicke 
Processus  marginales  beider  Jochbeine. 

Nr.  124.  Schädel  weisslich,  von  einem  weiblichen  Skelet;  Frau  des  Mannes  Nr.  1S6. 
Stim  mehr  gewölbt,  Fossae  caninae  viel  tiefer,  Tubera  parietab'a  deutlicher,  Cristae  ebenso 
ausgeprägt,  wie  bei  Nr.  120.  Wäre  nicht  als  weiblich  zu  erkennen  gewesen.  Knochen* 
narbe  in  der  Mitte  der  Stim,  von  einer  Verletzung  herrührend.  Flacher,  20  mm  grosser 
Hügel  im  hinteren  Theile  der  Sutura  sagittalis.  Nähte  zum  Theil  verstrichen.  Zähne  ab- 
geschliffen, einige  cariös.  Im  Oberkiefer  fehlen  2,  im  Unterkiefer  3  Zähne.  Breiter  imd 
flacher  lorus  occipitalis  transversus.  Lioeae  temporales  superiores  und  inferiores  sehr 
deutlich.    Condjli  occipitales  sehr  gross  und  hoch. 


(549) 

Nr.  125.  Schädel  grau,  von  Yorks  Peninsula,  weiblich.  Rechter  Jochbogen  abgebrochen. 
N&hte  verstrichen.  Zähne  abgeschliffon.  Im  Oberkiefer  fehlen  4,  im  Unterkiefer  6  Zähne. 
Schwacher  Toras  frontalis  mcdianns.  liinkerseits  ein  breiter  Processus  frontalis  squamae 
temporalis,  rechterseits  erreicht  die  Spitze  der  Ala  magna  die  Squama  temporalis.  Jeder- 
seits  zwei  kleine  Höcker  an  Stelle  von  Processus  paramastoidei.  Ossa  nasalia  ganz  oben  am 
schmälsten.  Abgerundete  Processus  marginales  der  Jochbeine.  Foramina  mentalia  sehr  weit. 

Nr.  126.  Schädel  weissllch.  Mann  der  Frau  Nr.  124.  Nasenwurzel  wenig  eingedrückt. 
Arcus  superciliares  und  Nasenbeine  durch  eine  Verletzung  zertrümmert,  letztere  schief  an- 
geheilt Länge  der  Schädelbasis  unsicher,  weil  die  Nasenwurzel  pathologisch  verändert  ist 
DeutUcher  Toms  frontalis  medianus.  Sehr  hoher  und  dicker  Toms  occipitalis  transversus. 
Andeutung  eines  Toms  palatinns  transversus.  Hohe  und  scharfe  Cristae  palatinae  trans- 
versae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Jochbeine. 

Nr.  127.  Schädel,  found  upon  a  platform  on  a  dried  bodj  at  Coorong  in  South  Australia 
1896,  eingehüllt  in  Netze,  daher  nicht  zu  messen. 

Nr.  128.  Schädel  eines  Häuptlings,  des  sog.  King  Billy.  Knocbennarbe  rechts  neben 
der  Medianlinie  in  der  halben  Höhe  der  Squama  frontalis,  eine  kleinere  über  dem  linken 
Arcus  superciliaris.  Arcus  superciliares  ausserordentlich  stark  vorspringend.  Glabella 
dazwischen  tief  eingedrückt  Zähne  abgeschliffen.  Deutlicher  Toms  frontalis  medianus. 
Ossa  parietalla  seitlich  abgeflacht,  Schädel  scaphocephaL  Protuberaiitia  occipitalis  externa 
und  Lineae  nuchae  superiores  bilden  zusammen  einen  starken  Turus  occipitalis  transversus. 
Deutliche  Lineae  temporales  superiores  und  inferiores.  Cristae  supraroastoideae  vorspringend 
und  dick.    Grosse  dicke  Processus  marginales  beider  Jochbeine. 

Nr.  129.  Schädel  wcisslich,  macerirt,  schwer,  von  Cantara,  from  platform,  vergl. 
Nr.  120  u.  121.  Nähte  erhalten.  Zähne  abgcschlilTen.  Im  Oberkiefer  fehlen  10  Zähne. 
Starker  hoher  Toms  occipitalis  transversus.  Medianwärts  neben  dem  linken  Processus 
mastoides  ein  kleinerer  Processus  mastoides  accessorius.  Andeutung  eines  Toms  pala- 
tinns transversus.  Niedrige  Cristae  palatinae  transversao  am  hinteren  Rande  der  Pars  hori- 
zontalis beider  Gaumenbeine. 

Nr.  130.  Schädel  weiss,  von  einer  Plattform  stammend.  Zähne  erhalten.  Weisheits- 
zähne noch  nicht  ganz  durchgebrochen.  Hinterhauptsschuppe  stark  nach  hinten  hervor- 
ragend.   Rechtes  Os  nasi  oben  etwas  breiter  als  das  linke.  « 

Nr.  131.  Schädel  weissgelblich,  aus  einem  Grabe  im  Sande,  von  Salt  Crcek,  Coorong, 
mit  einigen  Skeletknochen.  Stirn  sehr  breit.  Postmortale  Erosionen  an  der  rechten  Seite 
der  Squama  frontalis.  Knochennarbe  in  der  Gegend  des  linken  Tuber  frontale.  Nähte 
theilwcise  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Drei  Schneidezähne  fehlen  im  Oberkiefer. 
Starker  breiter  Toms  occipitalis  tran8\er8us.  Os  interparietale  an  der  Spitze  der  Squama 
occipitalis,  12  mm  hoch,  oben  16  mm,  unten  an  seiner  Basis  8  mia  breit.  Rechterseits  ein 
Processus  frontalis  squamae  temporalis,  6  mm  lang,  9  mm  breit  Starke  Crista  basilaris, 
davor  eine  flache  Fovea  pharyngea  und  jederseita  ein  Tubcrculum  am  lateralen  Rande  der 
unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Toms  palatinus  medianus  an  der  Pars 
horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Das  linke  Nasenbein  ist  oben  breiter  als  das  rechte: 
9  bezw.  4  mm;  beide  zusammen  sind  weiter  unten  nur  9  mm  breit. 

Nr.  l.'fö.  Schädel  von  Coorong,  presented  by  Mr.  Morgan.  Nähte  fangen  an  zu  ver- 
streichen. Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  4,  im  Unterkiefer  2  Schneidezähne. 
Innenwände  der  rechten  und  linken  Augenhöhle  theilweise  zerstört  Sehr  starker  und  breiter 
Toms  occipitalis  transversus.  Linkerseits  ein  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle, 
8  mm  hoch,  7  mm  breit  Foramina  ovalia  sehr  weit  Kleine  Cristae  palatinae  transversae 
Mm  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Unteres  Ende  der  Sutura 
frontalis,  12  mm  weit  zu  erkennen.  Rechtes  Nasenbein  etwas  breiter,  als  das  linke.  Sutura 
intemasalis  oben  nach  links  convex  ausgebuchtet. 

Nr.  133.  Schädel  graubräunlich,  von  Pillawater  Station,  Port  Lincoln  an  der  Sfid- 
küite  von  South  Australia,  lBb3.  Nähte  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer 
fehlen  5  Zähne.  Toms  frontailis  medianus.  Zwei  Foramina  parietalia  in  der  verstrichenen 
Sutura  sagittalis,  11  mm  hinter  einander.     Starker  Toms  occipitalis  transversus  längs  der 


(550) 

Lineae  nuchae  superiores.  ^lehrere  kleinere  Processus  paramastoidei.  Cristae  infiratem- 
porales  sehr  stark.  Schwacher  Toms  palatinos  transyersos,  von  der  Mitte  der  SeitenhfiKten 
der  Sutura  palatina  transversa  an  sich  nach  vom  umbiegend. 

Nr.  135.  Schädel  grau,  von  Prof.  Watson's  Anatomical  Department  in  Adelaide. 
Gesicht  und  Arcus  zjgomaticus  dexter  zerstört.  Nähte  vorstrichen.  Die  Zähne  fehlen 
sämmtlich.  Oberhalb  der  Wurzeln  des  linken  oberen  Weisheitszahns  eine  weite  hohlkugd- 
formige  Höhle,  mit  der  Alveolarhöhle  communicirend  Die  Verlängerung  des  Processus 
alveolaris  maxillae  hinter  dem  Weisheitszahn  beträgt  12  mm.  An  der  Spitze  der  Sqnama 
occipitalis  ein  16  mm  hohes,  25  mm  breites  Os  interparietalc.  Schwacher  Toms  frontalis 
medianus.  Breiter  Toms  occipitalis  transversus.  Kleine  Höcker  an  Stelle  der  Processus 
paramastoidei.  Am  hinteren  Rande  des  Foramen  occipitalc  magnum  eine  breite  mediane 
Ausbuchtung  des  Randes  nach  hinten,  3  mm  weit  in  sagittaler  Richtung.  Linkerseits  ein 
Foramen  pterjgo-spinosum.  Schwache  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der 
Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine. 

Nr.  187.  Schädel  weiss,  aus  Sand  ausgegraben,  von  Meringue,  by  Dr.  Ho wc hin. 
Schädelbasis  und  Gesicht  fehlen.  Der  Jochbogen  wurde  horizontal  gestellt.  Nähte  ver- 
strichen. Stirnbein  sehr  dick,  lA  mm;  grosse  Sinus  frontales,  wenigstens  30  mm  weit 
hinaufreichend.  Andeutung  einer  Sutura  frontalis.  Arcus  superciliares  sehr  vorspringend. 
Schwacher  Toms  frontalis  medianus.  Durch  beide  Ossa  parietalia  geht  ein  querer  Bruch  ; 
kleine  Sprunge  in  der  Squama  occipitalis. 

Der  Schädel  hat  einige  Achnlichkeit  mit  dem  Neanderthaler:  Länge  907  :  200;  Parietal- 
breite  12^:145;  Stimbreitc  103:109;  Längenbreitenindex  60,7:70,2;  jedoch  sind  die 
Parictalbreite  und  der  Längenbreitenindex  bei  letztcrem  beträchtlich  grosser. 

Nr.  138.  Schädel  weiss,  aus  Sand  ausgegraben,  von  Goolwa  an  der  Mündung  des 
Murray-Flusses.  Gesicht  und  Unterkiefer  fehlen.  Die  Jochbogen  wurden  horizontal  ge- 
stellt. Schädelknochen  sehr  porös.  Stirnhöhlen  weit.  Glabella  sehr  stark  vorspringend^ 
gar  nicht  eingedruckt.  Die  Arcus  superciliares  selbst  nur  wenig  vorspringend.  Schwacho* 
Toms  frontalis  medianus.    Starker  Toms  occipitalis  transversus. 

Nr.  139.  Schädel  weiss,  found  in  sandhills,  Goolwa,  from  T.  Gill,  Treasurj.  Nähte 
wenig  verstrichen.  Zähne  abgeschlifTen ,  im  Oberkiefer  fehlen  9  Zähne.  Stim  abgerundet^ 
Arcus  superciliares  sehr  wenig  vorspringend.  '  Zwei  grosse  Schaltknochen  an  der  rechten 
und  linken  Hälfte  der  Sutura  lambdoides,  rechterseits  50  mm  breit,  49  mm  hoch,  linker- 
seits 4r>  mm  breit,  84  mm  hoch.  Mitteltheil  der  Squama  occipitalis  von  der  Protaberantia 
occipitalis  externa  an  Ol  mm  weit  sich  nach  oben  erstreckend.  Starker  Toms  occipitalis 
transversus.  Andeutung  eines  Toms  palatinus  transversus.  Scharfe,  hohe  Cristae  palatinae 
transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine. 

Nr.  140.  Schädel  gelblichwciss,  maccrirt,  fest,  bez.  als  Pompej,  vielleicht  männlich, 
from  ümheratana,  by  Mr.  Stuckey.  Nähte  erhalten.  Alle  Zähne  fehlen.  Starker,  langer 
Toms  frontalis  medianus.  Spitze  der  Squama  occipitalis  viereckig,  81  mm  breit,  24  utm 
hoch.  Sehr  starker  Toms  occipitalis  transversus.  Condyli  occipitales  hoch,  abgerandet. 
Kleine  Processus  paramastoidei.  Incisurac  mastoideae  ausserordentlich  weit  und  tief.  An- 
deutung eines  Toms  palatinus  transversus.  Scharfe  und  hohe  Cristae  palatinae  transversae 
am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Starke  Cristae  an  den 
Anguli  mandlbulae  für  die  Mm.  pterygoidei  interai. 

Nr.  141.  Schädel  weiss,  ßegräbniss  im  Sande,  bez.  als  Murray  native.  Oberfläche 
charakteristisch  rauh  und  kömig  von  den  durch  die  Winde  daraufgeblasenen  Sand- 
kömchen.  Nähte  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  7,  im  unter* 
kiefcr  eben  so  viele  Zähne.  Starker  Toms  occipitnlic  transversus.  Toms  palatinus  medianus. 
Sehr  hohe  Cristae  palatinae  transversae  längs  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine« 

Nr.  142.  Schädel  graugelblich,  mürbe,  from  Silverton,  presented  by  J.  Allen.  Nähte 
meist  erhalten,  .Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  und  im  Unterkiefer  fehlt  je  ein  Zahn. 
Schwacher  Torus  frontalis  medianus.  Tubera  parietalia  sehr  deutlich.  Sehr  entwickelter 
Toms  occipitalis  transversus.  Massig  grosso  Processus  paramastoidei.  (^hoanae  sehr 
niedrig.    Toms  palatinus  medianus  längs  der  vorderen  Hälfte  der  Partes  horiiontalca  der 


(551) 

Ganmeubeine.  Die  hintere  Hälfte  der  Sntura  palatina  mediana  ist  verwachsen.  Hohe 
scharfe  Cristae  palatinae  transversae  längs  der  hinteren  Ränder  der  Pars  horizontalis  beider 
Gaamenbeine.  In  der  Glabella  Andeutung  einer  Sutura  frontalis.  Bochterseits  sitzen  das 
Foramen  snpraorbitale  nnd  die  Incisnra  frontalis  ganz  nahe  beisammen. 

Nr.  148.  Schädel  gelblichweiss,  dick,  schwer,  von  Talcmo,  River  Darling,  from 
Miss  Sadleir.  Enochennarben  auf  der  Squama  frontalis.  Nähte  verstrichen.  Zähne  ab- 
geschliffen. Im  Oberkiefer  der  mediale  rechte  Schneidezahn  frühzeitig  entfernt,  Kieferrand 
scharf.  Es  fehlen  4,  im  Unterkiefer  5  Zähne;  einige  Zähne  sind  cariös.  Linkerseits  hinter 
dem  oberen  Weisheitszahn  ein  grosser  Höcker  am  Processus  alveolaris.  Schwacher  Toros 
frontalis  medianus.  Schmaler  Toms  occipitalis  transversus.  Starke,  sagittal  verlaufende 
Cristae  beiderseits  am  untersten  Theile  der  Squama  occipitalis.  Kleine,  mediane  Crista 
basilaris  und  schräge  Cristae  laterales  an  der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occi- 
pitalis. Mehrere  kleine  Höcker  an  Stelle  von  Processus  paramastoidei.  Sutura  intemasalis 
nnregelmässig.    St^u-ke  Cristae  an  den  Anguli  mandibulae  für  die  Mm.  pterygoidei  inteml 

Nr.  144.  Schädel  gelbbraun,  von  Wentworth ,  bj  Mr.  Longson.  Quere,  postmortale 
Verletzungen  der  Squama  frontalis  und  des  Os  parietale  sinistrum.  Beide  Arcus  zjgo- 
matici  und  die  linke  Seite  des  Os  sphenoidale  zerstört.  Auf  dem  Scheitel  eine  alte,  sagittal  ver- 
laufende ,  80  mm  lange  Knochennarbe.  Sjnchondrosis  sphenooccipitalis  nicht  verknöchert. 
Länge  der  Pars  basilaris  genau  *22  mm.  Nähte  erhalten.  Zähne  wenig  abgeschliffen.  Weis- 
heitszähne eben  durchgebrochen.  Im  Oberkiefer  fehlen  die  Schneidezähne,  im  Unterkiefer 
der  mediale  linke  Schneidezahn.  Processus  condyloides  mandibulae  rcchterseits  ab- 
gebrochen. Stirn  gewölbt,  hoher  Toms  occipitalis  transversus.  Condjli  occipitales  flach. 
Lamina  lateralis  des  rechten  Processus  ptcrygoides  sehr  breit,  20  f/ii/?,  links  ebenso.  Gaumen 
sehr  gewölbt.  Das  rechte  Nasenbein  oben  schmaler,  als  das  linke;  die  Sutura  inter- 
nasalis  biegt  sich  daselbst  nach  rechts  um. 

Nr.  145.  Schädel  gelblichweiss,  von  Talemo,  River  Darling,  from  Miss  Sadleir 
(vergl.  Nr.  148),  weiblich.  Stim  gerundet  Augenhöhlen  mehr  mndlich,  Nähte  beginnen 
zu  verstreichen.  Zähne  abgeschliffen.  Der  linke  mediale  Schneidezahn  fehlt,  der  Kiefer- 
rand dünn.  Geringer  Toms  frontalis  medianus.  Knochennarbe  oberhalb  des  rechten  Tuber 
parietale.  Hinterhaupt  vorspringend ;  schmaler  Toms  occipitalis  transversus.  Rechtcrseits 
ist  eine  laterale  Partie  der  fötalen  Sutura  occipitalis  transversa  erhalten  und  durch  zwei 
kleine  Schaltkuochen  angedeutet  Andeutung  eines  Toms  palatinus  transversus.  Foraroen 
incisivum  sehr  weit.    Unterer  Theil  der  Nasenbeine  gebrochen  und  wieder  geheilt. 

Nr.  146.  Schädel  braun.  Dieser  Schädel  mit  den  Skeletknochen  und  8  anderen 
Skeletten  (Schädel  Nr.  147  — 149  und  156-161)  wurde  Ib  km  westlich  von  Adelaide  und 
eine  halbe  Stunde  von  der  Südküste  Süd-Australiens  Anfang  November  1896  in  Reedbcds 
(Schilfrohrbetten)  von  einem  Policemaster  ausgegraben.  Gesicht  und  Schädelbasis  fehlen. 
Jochbogen  und  Unterkiefer  zerbrochen,  der  Rest  des  Arcus  zjgomaticus  zur  Horizontalstellung 
benutzt.  Crista  frontalis  interna  sehr  stark  vorspringend.  Im  Oberkiefer  fehlen  10,  im 
Unterkiefer  5  Zähne,  die  vorhandenen  stark  abgeschliffen.  Die  beiden  ersten  Molarzähne 
des  Unterkiefers  sind  luxirt,  die  beiden  lateralen  Wurzeln  ragen  lateralwätts  über  den 
Kieferrand  hinaus,  die  Zahnhöhle  ist  beim  Kauen  von  Pflanzenfasern  zur  Herstellung  von 
Netzen  oder  dergl.  der  Länge  nach  geöffnet,  so  dass  die  laterale  Hälfte  des  Zahnes  fehlt 
nnd  die  Halbimngsfläche  nach  oben  schaut.  Diese  ganz  eigenthümlichen  Verhältnisse 
kehren  mehr  oder  weniger  an  den  meisten  Schädeln  aus  jenen  Reedbeds  wieder.  Toms 
frontalis  medianus.  Torus  occipitalis  transversus  hoch  und  breit. 

Nr.  147.  Schädel  wie  Nr.  146,  mürbe.  Nähte  theilweise  verstrichen.  Im  Oberkiefer 
4  Zähne  vorhanden,  die  ersten  Molaren  luiirt.  Der  rechte  mediale  Schneidezahn  frühzeitig 
entfernt.  Unterkiefer  niedrig,  weil  die  Alveolen  der  Molarzähne  obliterirt  sind;  alle  seine  Zähne 
fehlen.  An  der  hinteren  lateralen  Aussenwand  des  Processus  alveolaris  der  rechten  Maxiila 
ein  Vorspmng,  der  eine  3  mm  weite,  glattwandige  Höhlung  ganz  dicht  an  jener  Aussenwand 
enthält.  Stim  gewölbt  Beiderseits  mndliche  Knochennarben  auf  der  Squama  frontalis  dicht 
oberhalb  der  Tubera  frontalia.  Torus  occipitalis  transversus.  Die  Pars  horizontalis  des 
linken  Gaumenbeines  ragt  weiter  nach  vom,  als  die  rechte.    Gaumen   theilweise  zerstört. 


(552) 

ürosse  Foramina  «ygomatico-facialia.    Processus  e«i*ylwdes:  nnifiMae  linkerseits  ak-- 
gebrochen. 

Nr.  148.   Sch&del  wie  Nr.  146,  mürbe.   Os  sphenoüdialla  recMersefts  umI  beide  Jochbogeii:, 
lerstört    Nahte  erhalten.    Zähne   sehr  abgeschliffen,  im  Oberltiefer  b»  auf  die  Worzeli». 
abgekaut.    Der  erste  Molarzahn  des  Unterkiefers  beiderseits  hmrt^  wie  bei  Nr.  146.    luk^ 
Oberkiefer  fehlt  der  laterale  linke  Schneidezahn,  in  Unterkieter  feUen  8  Zihne.    Starkirr 
Toms  occipitalis  transversus.    Rechterseits   ein  SchahknocbeB  m  der  Sebl&fenfontanelle« . 
20  mm  lang,  vom  9  mm  hoch.    Kleine   Spina  am  Twderen-  Rande  des  Foramen  occipital^ 
magnum  in   der  Medianlinie.    Rechterseits   zwei  kleine  HSeker  an  SteUe  Ton  Processi» 
paramastoidei.   Linkes  Foramen  ovale  gross.    Elliptisaber  Tbros  pftlatniis  medianus  Iftngs 
des   ganzen  Processus   alveolaris  maxillae.    Gaumen  hinten,  der  ÜBlerkiefer  in  zwei:QiH- 
gleiche  H&lften  zerbrochen. 

Nr.  149.  Schädel  wie  Nr.  146,  weiss,  fest,  schwor.  Stiru  gewebt.  Nasenbeine  zer- 
brochen. Unterkiefer  hoch  und  kräftig.  Nähte  theflweise  verstrichen.  Zähne  sehr  stark 
abgekaut.  Am  hinteren  Ende  des  Processus  alveolaris  der  linken  Mazilla  in  der  Acfasen-- 
linie  der  Zahnreihe  eine  mndliche,  2  mm  grosse  Hdhle  dicht  unter  dem  unteren  Ende  dea^ 
Processus  ptcrygoides.  Processus  alveolares  kräftig,  hueh,  daher  die  Nasenhöhe  gering.  Im. 
Oberkiefer  fehlen  5  Zähne;  der  rechte  zweite  Molarsahn  ist  luxirt,  wie  bei  Nr.  146,  ebenso- 
der  erste  linke  Molarzahn  des  Unterkiefers.  Im  letzteren  fehlen  10  Zähne.  Kleine  rand^ 
liehe  H&gel  auf  der  Höhe  des  Scheitels  in  der  Suiura  sagittalis.  Sehr  starker  Toraa^ 
occipitalis  transversus.  Kleine  Höcker  beitlerseits  an  SteUe  von  Processus  paramastoidei^ 
Schwache  Processus  marginales  beider  Jochbeine. 

Nr.  150.  Schädel  weisslichgelb ,  von  Dr.  Lendon  in  Adelaide.  Nähte*  tfaeillRei^ 
verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  5  Zähne,  einige  sind  oaaSa. 
Lineae  temporales  inferiores  sehr  stark.  An  der  hinteren  Wand  beider  Moatus  aoustici 
exterai  symmetrische  grosse  mndliche  Tubercula.  Protuberantia  occipitalis  eiteima  bock 
und  böckrig.  Grosse  höckerige  Processus  paramastoidei.  Choanae  sehr  niedidg^  Dio 
Sutura  palatina  transversa  hat  nach  vom  gerichtete  zackige  Yorsprünge.  Eia  nnbnftbH 
förmiger  Knochenvorsprang  deckt  den  hinteren  Rand  des  Foramen  incisivvm. 

Nr.  151.  Schädel  röthlich  bemalt,  von  Dr.  Märten  in  Adelaide.  Nähte  crhaJÜbeiw  Zähne 
massig  abgeschliffen.  Der  Boden  der  linken  Augenhöhle  ist  zerstört.  Im  Oberkiefer  der 
rechte  mediale  Schneidezahn  frühzeitig  entfernt,  Kieferrand  scharf.  Processus  alveolaris 
maxillae  hinter  dem  Weisheitszahn  um  10  mm  verlängert  und  beiderseits  ^rin  eine  in 
der  Achse  der  Zahnreihe  gelegene,  2—3  mm  messende,  rundliche,  nach  unten  offene  Höhle. 
Im  Oberkiefer  fehlen  3,  im  Unterkiefer  2  Zähne.  Stirn  breit  Lineae  temporales  inferiores 
an  der  Squama  frontalis  stark  entwickelt.  Processus  paramastoidei.  Beiderseits  Spinae 
am  hinteren  Rande  der  Fissurae  pterygo-palatinae.  Flacher  Toms  palattnus  medianus 
längs  der  ganzen  Sutura  palatina  mediana.  Kleine  Schaltknochen  in  der  Sntnra  frontalis. 
Das  linke  Nasenbein  greift  oben  nach  rechts  über  die  Medianlinie  hinüber.  Sehr  groetse 
Processus  marginales  beider  Jochbeine. 

Nr.  152.  Schädel  grau,  von  Dr.  Märten  in  Adelaide.  Wand  der  rechten  Augenhöhlen«! 
der  linke  Processus  mastoides  zerstört,  der  rechte  Jochbogen  abgebrochen.  Im  mittleiea 
Theil  des  rechten  Os  parietale  eine  postmortale  Fractur.  Nähte  erhalten.  Zähne  abgeschliflbs. 
Im  Oberkiefer  fehlen  drei  Schneidezähne.  Deutlicher  Toms  frontalis  medianus.  Rechter» 
seits  ein  kleiner  Schaltknochen  in  der  Schläfcnfontanelle,  5  mm  hoch,  4  mm  in  sagittakr 
Richtung  lang.  In  beiden  Meatus  acustici  exterai  glatte  Hervorragungen  an  der  hintorea 
Wand,  wie  beim  Schädel  Nr.  150.  Flache  Processus  paramastoidei.  Die  Laminae  laterales 
der  Processus  ptcrygoides  sehr  weit  lateralwärts  abweichend,  an  ihrer  Wurzel  beiderseits 
eine  tiefe  Höhlung.  Andeutung  eines  Toms  palatinus  transversus.  Niedrige  Oristae  pala- 
tinae  transvcrsae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Ganmeaboino.  Sehr 
grosse  Processus  marginales  beider  Jochbeine. 

Nr.  153.  Schädel  grau,  mürbe,  von  Dr.  Märten  in  Adelaide.  PosUnortalo  grofM 
Oeffnung  in  der  Squama  occipitalis.  Laterale  Wand  der  rechten  Orbita  und  der  Arcus 
zygomaticus  dextcr  zerstört.    Nähte  verstrichen.    Im  Oberkiefer  fehlen  8,  im  Unterkiefer 


(553) 

4  Z&hne.  Schwacher  Torus  frontalis  medianos.  Tubera  parietalia  sehr  deutlich.  Schmaler 
Toms  occipitalis  transyersos.  Condjli  occipitalcs  stark  hervorragend.  Processus  mastoides 
ODglcich,  der  linke  kleiner  nnd  dünner,  als  der  rechte.  Scharfe  Processus  marginales  beider 
Jochbeine.    Kinn  spitz. 

Nr.  154.  Sch&del  dunkelgrau,  voll  Erde,  von  Dr.  Märten  in  Adelaide.  Nasenbeine 
zerbrochen.  Die  linke  Seite  der  Squama  frontalis  und  das  linke  Os  parietale  zeigen  eine 
grosse,  in  sagit taler  Richtung  67  mm  lange  und  42  mm  breite,  nach  unten  hin  stark  er- 
habene und  rauhe  Knochonnarbe.  Nähte  verstrichen,  Zähne  abgeschliffen;  im  Oberkiefer 
ist  der  mediale  linke  Schneidezahn  frühzeitig  entfernt,  der  Alveolus  obliterirt,  ebenso  die 
Alveolen  der  linken  Praeroolaren  und  Molarzähne,  der  Kieferrand  niedrig.  Unterkiefer  in  zwei 
Hälften  zerbrochen,  enth&lt  nur  einen,  abgeschliffenen  Weisheitszahn.  Starkor  Torus  occi- 
pitalis medianus  an  beiden  Seiten.  Laterale  Höcker  der  Processus  paramastoidei  vor- 
handen Condyli  occipitales  sehr  flach.  Andeutung  eines  Torus  palatinus  transversus. 
Von  Skeletknochen  sind  vorhanden:  1  Atlas,  1  Epistropheus,  1  Halswirbel,  2  Brustwirbel, 
2  Lendenwirbel,  1  Manubrium  stemi,  7  rechte  und  5  linke  Rippen,  1  linke  Clavicula, 
2  Scapulae,  2  Humeri,  1  Radius,  1  Ulna. 

Nr.  155.  Schädel  graugelblich,  von  Mr.  Minchin,  Director  des  zoologischen  Gartens 
in  Adelaide,  weiblich.  Stirn  abgerundet  Nähte  erhalten.  Zähne  abgeschliffen.  Im 
Oberkiefer  fehlen  7,  im  Unterkiefer  eben  so  viele  Zähne.  Im  Oberkiefer  sind  die  Alveolen 
der  Weisheitszähne  obliterirt.  Lateralwärts  von  der  Alveole  des  linken  oberen  Eckzahnes 
findet  sich  eine  accessorische,  glattwandige,  0  mm  hohe  Alveole.  Deutlicher  Torus  occi- 
pitalis transversus.  Nasenwurzel  sehr  tief  eingedrückt.  Nasenbeine  etwas  asymmetrisch, 
das  linke  oben  etwas  breiter.  Andeutung  von  Processus  marginales  an  beiden  Jochbeinen. 

Nr.  156.  Schädel  wie  Nr.  146,  gelbgrau,  in  seitlicher  Richtung  postmortal  zusammen- 
gedrückt Nähte  klaffen.  Höhe  des  Schädels  sehr  unsicher.  Rechte  Augenhöhle  hinten 
zerstört,  Jochbogen  zerbrochen,  die  Nase  theilweise  zerstört  und  falsch  angesetzt  Sutura 
lambdoides  verstrichen.    Zähne   abgeschliffen;   im   Oberkiefer  fehlen   8,   im   Unterkiefer 

5  Zähne.  Deutlicher  Torus  frontalis  medianus.  Starker  Toms  occipitalis  transversus. 
Die  Condjli  occipitales  haben  eine  abnorme,  5  mm  lange,  überknorpelte  laterale  Fort- 
setzung an  ihrem  hinteren  Ende.    Abgerundete  Processus  marginales  der  Jochbeine. 

Nr.  157.  Schädel  wie  Nr.  146.  Nähte  theilweise  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen, 
Weisheitszähne  oben  durchgebrochen.  Sämmtliche  4  ersten  Molarzähne  stehen  schief,  sind 
halb  luzirt,  medianwärts.  Im  Oberkiefer  fehlen  5  Zähne.  Deutlicher  Toms  frontalis 
medianus.  Kleine  Knochennarben  nahe  der  Sutura  sagittalis  an  beiden  Seiten.  Starker 
Torus  occipitalis   transversus.     Kleiner  Schaltknochen  in   der  rechten  Schläfenfontanelle, 

6  m»n  lang,  4  mm  hoch.  Der  rechte  Processus  mastoides  abgebrochen,  der  linke  lang  und 
sehr  dünn,  12  mm  in  sagittaler  Richtung  messend.  Linkerseits  das  Foramen  jugulare  durch 
eine  feine  Knochenbrücke  in  eine  kleinere  vordere  und  eine  grössere  hintere  Hälfte  getheilt. 
Kleine  Fovea  pharjngea  an  der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis. 

Nr.  158.  Schädel  wie  Nr.  146.  Schädelbasis,  Gesicht  und  Unterkiefer  zerbrochen, 
ebenso  die  linke  Seite  der  Squama  frontalis  und  das  linke  Os  parietale.  Die  Jochbogen 
bei  den  Messungen  horizontal  gestellt.  Kleine  atrophische  Stellen  neben  der  Sutura 
^sagittalis,  oberhalb  der  Tubera  parietalia.  Nähte  erhalten.  Zähne  abgeschliffen;  im  Unter- 
kiefer 4  vorhanden,  ausserdem  sitzt  rechterseits  ein  Weisheitszahn  im  Unterkiefer  mit  der 
Krone  abwärts  und  nach  vorn  g*»richtet.  Starker  Toms  occipitalis  transversus.  Condjli 
occipitales  klein  und  mndlich. 

Nr.  159.  Schädel  wie  Nr.  1 16,  geibbräunlich.  Rechter  Jochbogen  zerbrochen.  Nähte 
beginnen  zu  verstreichen.  Zähne  sehr  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  nur  Wurzeln,  im  Unter- 
Idefer  4  Zähne  vorhanden.  Toms  frontalis  medianus.  Sehr  starker  Toms  occipitalis  trans- 
versus. Protuberantia  occipitalis  externa  sehr  hoch ,  7  mm.  Beiderseits  Schaltknochen  in 
der  Schläfenfontanelle,  rechterseits  19  mm  lang,  7  mm  hoch,  linkerseits  24  mm  l^g,  10  mm 
hoch.  Condjli  occipitales  flach.  Andeutung  eines  Toms  palatinus  transversus.  Processus 
marginales  beider  Jochbeine  von  rechtwinkliger  Form.  Linker  Processus  condjloides 
mandibnlae  abgebrochen. 


(554) 

Nr.  160.  Sch&del  wie  Nr.  146,  weiss.  Stirn  abgerundet.  Nähte  theilweise  verstrichen» 
Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  10  Zähne.  Der  linke  erste  Molarxahn  des 
Unterkiefers  schräg  gestellt,  wie  loxirt  Sehr  starker  Toms  occipitalis  transversos.  Condyli 
occipitales  sehr  eben. 

Nr.  162.  Schädel  grau,  schwer,  sehr  dolichocephal.  Nähte  theilweise  verwachsen. 
Zähne  sehr  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  3  Schneidezähne.  Enorme,  l.^  mm  lange 
Verlängerung  der  Processus  alveolares  maxillae  hinter  den  Weisheitszähnen.  Sehr  starker 
Toms  occipitalis  transversus.  Condyli  occipitales  sehr  flach.  Flacher  Toms  palaÜniui 
transversus,  hinter  der  Sutura  transversa  verlaufend,  9  i/i/«  breit  Schwache  Cristae  pala- 
tiuae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Foramen 
incisivnm  sehr  weit.  Kleine  Schaltknocbcn  in  der  Sutura  nasofrontalLs.  Rechtes  Nasen- 
bein oben  breiter,  als  das  linke. 

Nr.  ICB.  Schädel  weiss,  macerirt.  Nähte  theilweise  verwachsen.  Zähne  massig  abge- 
schliffen; im  Oberkiefer  fehlen  die  Schneidezähne.  Rundliche  Graben  mit  Knochen- 
wuchemngen  auf  ihrem  Boden  am  Rande  der  Squama  frontalis;  der  hintere  Theil  der 
Sutura  sagittalis  zeigt  eine  starke,  etwa  40  fnm  breite  Vertiefung  mit  denselben  kleinen  Wuche- 
rungen; eine  kleine  solche  Grube  am  linken  Tuber  parietale.  Sie  rühren  vielleicht  von  einer 
Scabies-ähnlichen  Hautkrankheit  (S.  515)  her.  Hinterhaupt  von  der  Scheitelhöhe  nach  hinten 
stark  abfallend.  Schwacher  Toms  frontalis  mcdianus.  Sehr  starker  Toms  occipitalis  trans- 
versus. Andeutung  eines  Toms  palatinns  transversus.  Cristae  palatinae  transversae  am 
hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Dicke  mndliciie  Processus  mar- 
ginales beider  Jochbeine. 

Nr.  164,  Schädel  gelbgran.  Nähte  theilweise  verstricjien.  Zähne  wenig  abgeschliffen, 
einige  sind  cariös;  5  fehlen  im  Oberkiefer.  Oberhalb  des  rechten  oberen  Eckzahnes  eine 
grosse  rundliche  Eiterhöhle;  neben  dem  linken  zweiten  Praemolarzahn  an  seiner  lateralen 
Seite,  vorn  und  hinten,  zwei  mndliche  leere  Alveolen,  vielleicht  für  überzählige  Zähne. 
f!rhabener  Torus  frontalis  niedianus.  Grosser  breiter  Toms  occipitalis  transversus.  An  der 
hinteren  Wand  beider  Fori  acustici  extemi  eine  trlattc  knöcherne  Hervorragung,  sie  gehört 
noch  der  Verdickung  der  unteren  Wand  an.  Condjli  occipitales  sehr  rundlich  und  hoch. 
Grosse  Processus  paramastoidei.  Starker  langer  Processus  jugniaris  oss.  temporalis  in 
beiden  Foramina  jugularia.  Sutura  nasofrontalis  verläuft  ganz  gerade,  ist  nicht  gezackt. 
Sutura  internasalis  theilweise  verstrichen.  Der  untere  Theil  des  rechten  Nasenbeine« 
abgebrochen  gewesen  und  schief  angeheilt.  Die  Fissurae  orbitales  inferiores  sind  ganz 
schmale  Spalten. 

Nr.  I(i5.  Schädel  gelblich,  von  Enclea  Beach,  South  Australia,  nahe  der  Grenz« 
gegen  Queensland,  bez.  Adult  male.  Männlich.  Nähte  verstrichen.  Gegend  der  Sntora 
sagittalis  etwas  eingedrückt.  Zähne  theilweise  cariös.  Im  Oberkiefer  fehlen  7  Zähne. 
Am  linken  ersten  Molarzahn  eine  grosse  Eiterhöhle,  die  unter  dem  Processus  palatimia 
maxillae  mündet.  Andeutung  eines  Toms  frontalis  medianus.  Sehr  starker  Toms  occi- 
pitalis transversus.  Am  vorderen  Ende  des  Condylus  occipitalis  dexter  findet  sich  ein 
Tuberculum  nahe  neben  der  Medianlinie.  Die  Processus  paramastoidei  sind  spitze  Höcker. 
Spinae  angulares  sehr  dick.  Sutura  internasalis  verstrichen.  Augenhöhleneingänge  merk* 
würdig  schief;  an  der  medialen  Seite  nur  20  anstatt  B4  mm  hoch.  Processus  marginale» 
beider  Jochbeine  sehr  gross;  ihre  Basis  misst  16  mtn,  ihre  Länge  7  mm. 

Nr.  16G  Schädel  von  New  Charlotte  Waters,  by  Mr.  Ravenscraft,  1893.  Niht# 
verstrichen.  Alle  Zähne  erhalten,  abgeschliffen.  Runde,  etwa  10  mm  grosse  Knochen« 
auflagemngen  auf  der  Squama  frontalis.  Kleiner  Toms  occipitalis  transversus.  Lineae 
temporales  superiores  sehr  scharf  abgegrenzt.  Kleiner  Toms  occipitalis  transversus. 
Condyli  occipitales  klein,  rundlich.  An  der  Stelle  der  Processus  paramastoidei  beiderecitB 
mehrere  kleine  Höcker.  Grosse  mediane  Fovea  pharyngea,  7  mm  lang,  5  mm  breit,  an  der 
unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  qss.  occipitalis.  Cristae  infratemporales  beiderseits  sehr 
dick  und  lang.  Spinae  angulares  sehr  gross.  Sutura  frontalis  an  ihrem  unteren  Ende 
in    einer   Länge   von   14  mm   erhalten.     Sutura   internasalis   verstrichen.     Canales   infra- 


(555) 

orbitales  nach  oben  hin   ihrer  ganzen  Länge  nach  offen.     Zwei  Foramina  infraorbitalia 
jederseits. 

Nr.  167.  Sch&del  gelblich,  vielleicht  vom  Northern  Territory.  Nähte  erhalten.  Zähne 
abgeschliffen.  Der  rechte  mediale  Schneidezahn  des  Oberkiefers  frühzeitig  entfernt,  Kiefer- 
rand scharf.  Tm  Oberkiefer  fohlen  9  Zähne;  hinter  dem  Wiasheitszahn  jederseits  eine  ganz 
flache,  kleine  Höhle.  Rechter  Jochbogen  zerbrochen.  Breiter  Toms  frontalis  medianus. 
Kleiner  Toms  occipitalis  transversos.  Lineae  temporales  inferiores  sehr  rauh.  Starker 
Condylus  occipitalis  mit  zwei  Höckern,  jederseits.  Starker  Toms  palatinus  medianns. 
Scharfe,  hohe  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider 
Gaumenbeine.  Rechtes  Nasenbein  oben  viel  breiter,  als  das  linke.  Abgerandete  Processus 
marginales  beider  Jochbeine.    Jederseits  eine  starke  Tuberositas  malaris. 

Nr.  1Q8.  Schädel  von  der  Calvert-Expedition  in  das  westliche  Australien,  1896,  bei 
der  die  Theilnehmer  Johns  und  Wells  verunglückten.  Die  Leichen  wurden  gesucht  und 
zwei  Skelette  nebst  Schädeln  (Nr.  168  und  169)  von  Eingebomen,  die  ans  dem  unberührten 
Westen  stammen,  zurückgebracht.  Prof.  Watson  in  Adelaide  fand  die  Leute  von  kleiner  Statur 
und  hat  einige  Maasse  mitgctheilt.  Linke  Felsenbein-Pyramide  ausgebrochen.  Schädel  grau, 
inwendig  Sand.  Bez.  als  „old  man".  Nähte  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Im  Ober- 
kiefer fehlen  8  Zähne,  einige  sind  cariös,  im  Unterkiefer  nur  3  Zähne  vorhanden. 
Schwacher  Toms  frontalis  medianus.  Starker  Toms  occipitalis  transversus.  Linkerseits 
ein  niedriger  Processus  paramastoideus.  Kleine,  längliche  Fovea  pharyngea.  Längliche, 
schräge  Tubercula  am  lateralen  Rande  der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occi- 
pitalis. Starke  Spinae  angulares.  Dreieckiger  Toms  palatinus  medianns,  mit  der  Spitze 
nach  hinten  gerichtet,  in  der  Medianlinie  der  Pars  horizontalis  diT  Gaumenbeine.  Nähte 
des  Gaumens  verwachsen.  Abgerundete  Processus  marginales  beider  Gaumenbeine.  Sehr 
tiefe  Fossae  sacci  lacrimalis. 

Nr.  169.  Schädel  wie  Nr.  168;  gelblich,  boz,  als  ^young  man**.  Nähte  verstrichen. 
Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  9  Zähne,  einer  ist  cariös;  im  Unterkiefer  ist 
nur  der  rechte  zweite  Molarzahn  vorhanden,  sehr  abgeschliffen;  daher  ist  die  Gesichlshöhe 
nicht  bestimmbar.  Am  rechten  Os  parietale  neben  der  Sutura  sagittalis  eine  kloine  Knochen- 
narbe. Von  der  Scheitelhöhe  fällt  der  Schädel  etwas  nach  hinten  ab.  Starker  Torus 
occipitalis  transversus.  Condyli  occipitales  sehr  lang,  ebenso  das  Foramen  occipitale 
magnum  länglich.  Sehr  kleine  mediane  Spina  am  vorderen  Rande  desselben.  Kleine 
Fovea  pharyngea  und  kleine,  schräge  Tubercula  am  lateralen  SeiU^nrande  der  unteren 
Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Kleine  Processus  paramastoidei  Andeutung 
eines  Toms  palatinus  transversus.  Abgerundete  Processus  marginales  beider  Jochbeine. 
Fossae  sacci  lacrimalis  sehr  tief. 

Nr.  170.  Schädel  dünn,  weiss,  macerirt,  bez.  T.  Foelsche,  Police -magistrate, 
Palmerston,  Port  Darwin,  Northern  Tcrritx)ry,  South  Anstralia.  Jugendlich,  Synchondrosis 
sphenooccipitalis  erhalten,  Weisheitszähne  noch  nicht  durchgebrochen.  Rechterseits  ein 
Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle,  21  mm  lang,  11  wm  hoch.  Linkerseits  ein  Pro- 
cessus frontalis  squamae  temporalis,  7  mm  lang,  15  wm  breit. 

Nr.  172.  Schädel  weiss,  macerirt,  bez.  Victoria  River.  Nähte  theilwoise  verstrichen. 
Zähne  abgeschliffen.  Beide  mediale  Schneidezähne  des  Oberkiefers  frühzeitig  entfernt. 
Im  Oberkiefer  fehlen  6,  im  Unterkiefer  6  Zähne.  Grosse  Eiterhöhle  rechterseits  an  Stelle 
der  beiden  hinteren  Molarzähne.  Starker  Toms  occipitalis  transversus.  Beiderseits  langer, 
spitzer  Processus  frontalis  squamae  temporalis,  8  mm  lang,  10  mm  an  seiner  Wurzel  breit. 
Beiderseits  starke,  längliche  Wölbung  an  der  hinteren  Wand  beider  Meatus  acustici  exterai, 
im  Zusammenhange  mit  starker  Verdickung  an  der  unteren  Wand.  Condyli  occipitales 
sehr  hoch,  deshalb  Vertiefungen  für  die  Foramina  condjloidea.  Jederseits  ein  Tuber- 
culum  am  lateralen  Seitenrande  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Länglicho  Fovea 
pharyngea.  Foramen  jugulare  sinistrum  durch  eine  Knochenbrücke  in  zwei  Abtheilungen 
getheilt.  Processus  styloides  88  mm  lang,  spitz.  Linkerseits  ein  Foramen  pterygo-spinosum. 
Laminae  laterales  der  Processus  pterygoides  sehr  breit,  25  mm.    Starke  Spinao  am  vorderen 


(556) 

Ende  der  linken  Crista  infratemporalis.   Choanae  niedrig.  Abgemndete  Processns  marginales 
beider  Jochbeine.    Fissurae  orbitales  inferiores  sehr  eng.    Fossae  sacci  lacrimalis  tief. 

Nr.  17B.  Schädel  weiss,  bez.  Borroloola,  from  Mr.  Stretton,  with  tall  skeleton. 
Bechtcr  Arcus  zjgomaticus  abgebrochen.  Nähte  erhalten.  Zähne  abgeschliffen.  Im  Ober- 
kiefer fehlen  4,  im  Unterkiefer  7  Zähne.  Grosse  Eiterhöhlen  an  den  Schneidezähnen  ond 
dem  ersten  linken  Molarzahn  des  Oberkiefers.  Geringer  Toms  frontalis  medianus.  Schwacher 
Toms  occipitalis  transYersus.  Linkerseits  ein  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle, 
6  mm  lang,  5  mm  hoch.  Starke  Spina  am  hinteren  Rande  des  rechten  Foramen  jngolare. 
Grosses  Tnbercnlnm  pharyngenm  in  der  Mitte  der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss. 
occipitalis.  Rechterseits  ein  schmaler,  hoher  Processus  condyloides.  Lamina  lateralia 
der  Processus  pierygoides  25  mm  breit.  Andeutung  eines  Toms  palatinus  transversos. 
Unteres  Ende  der  Sutura  frontalis  in  der  Länge  von  15  mm  erkennbar.  Ossa  nasialia  mehr 
sagittal  gestellt.    Sutura  interaasab's  oben  verwachsen.    Sehr  starke  Processus  marginales. 

Nr.  174.  Schädel  braun,  bez.  Poltallock,  10.  October  1898.  Schädelbasis  von  Kohlen- 
rauch geschwärzt  Beide  Jochbogen  zerbrochen.  Linkes  Scheitelbein  postmortal  in  mehrere 
Stücke  gebrochen.  Stirn  abgerundet.  Nähte  vtsrstrichen.  Zähne  sehr  abgeschliffen.  Er- 
habener Toms  occipitalis  transversus.  Die  Lineae  temporales  bilden  an  der  Squama  frontalis 
deutliche  Cristae.  Grosser  Schaltknochen  in  der  rechten  Sutura  squamosa,  28  mm  lang, 
11  mm  hoch.  Am  hinteren  unteren  Rande  des  linken  Poras  acusticus  exteraus  ein  kleines 
Tuberculum.  Condjli  occipitales  hoch,  rundlich.  Kleines  Tuberculum  pharyngeum.  Gaumen 
sehr  gewölbt.  Andeutung  eines  Toms  palatinus  transversus.  Scharfe  Cristae  palatinae 
transversae  am  hinteren  Rande  der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Das  linke 
Nasenbein  greift  oben  über  die  Medianlinie  mit  einer  Zacke  nach  der  rechten  Seite  hin- 
über.   Sehr  starke  Processus  marginales  beider  Jochbeine. 

Nr.  175.  Schädel  weiss,  bez.  New  Castle  Waters,  by  Mr.  Ravenscraft  Gaumen 
^urch  Caries  perforirt.  Nähte  erhalten.  Zähne  wenig  abgeschliffen,  namentlich  die 
Weisheitszähne  Im  Oberkiefer  fehlen  9  Zähne.  Jederseits  eine  kleine  glattwandige  Höhle 
oberhalb  des  Weisheitszahnes,  nach  oben  und  hinten  von  letzterem  im  Processus  alveolaris 
sitzend,  2  mm  lang,  1,5  mm  breit  und  2  mm  hoch.  Beide  oberen  medialen  Schneidezähne  früh- 
zeitig entfernt,  Kieferrand  scharf.  Sehr  schwacher  Toms  frontalis  medianus.  In  der  rechten 
Schläfenfontanelle  ein  unregelmässig  gebogener  Schaltknochen,  21  mm  lang,  12  mm  hoch. 
Kleines  Os  interparictale  an  der  Spitze  der  Squama  occipitalis.  in  sagittaler  Richtung  9, 
in  transversaler  12  mm  breit,  darüber  noch  ein  Schaltknochen  nahe  dem  hinteren  Ende  der 
Sutura  sagittalis.  Condjli  occipitales  rundlich,  hoch.  Mediane  Crista  basilaris  an  der 
unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Weite  Canalcs  vomerobasilar^s  s. 
vomerosphenoidales  laterales  (superiores).  Kleine  Höcker  an  Stelle  der  Processus  para- 
mastoidei.  Die  Cristae  infratemporales  bilden  starke  Zacken.  Foramina  ovalia  weit  und  sehr 
breit  Spinae  palatinae  längs  des  hinteren  Randes  der  Pars  horizontalis  beider  Gauiuen- 
beine.  Unteres  Endo  der  Sutura  frontalis  in  10  mm  Länge  erhalten.  Fissura  orbitalis 
inferior  vom  sehr  weit:  linkerseits  nahe  hinter  derselben  eine  starke,  mit  der  Crista  infra- 
temporalis  zusammenhängende  Zacke.  Rechtes  Os  nasale  oben  sehr  weit  nach  links  über- 
greifend.    Starke  Tuberositates  malares. 

Nr.  176.  Schädel  weisslich,  macerirt,  bez.  Gulf  of  Carpcntaria ,  from  Mr.  Favene, 
1882.  Os  etbmoidale  zerstört.  Nähte  theilweise  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Beide 
medialen  oberen  Schneidezähne  frühzeitig  entfernt,  Kieferrand  scharf.  Ausserdem  fehlt  der 
rechte  obere  Weisheitszahn.  Andentnng  eines  Toms  frontalis  medianus.  Sehr  schwacher 
Toms  occipitalis  transversus.  Beiderseits  grosso  Schaltknochen  in  der  Schläfenfontanelle, 
rechterseits  81  mm  lang,  15  mm  hoch,  linkerseits  89  mm  lang,  17  mm  hoch.  Hinterer  Rand 
des  Foramen  occipitale  magnum  viereckig  ausgebuchtet,  das  Foramen  sehr  länglich,  ai 
seinen  lateralen  Rändern  starke  Knochen  Wucherungen,  am  vorderen  Rande  eine  kldne 
mediane,  nach  vom  gerichtete  Spina.  Gaumen  sehr  ,eewölbt.  Doppelte  Incisnrae  fron- 
tales, dicht  mcdianwärts  von  der  Incisura  supraorbitalis.  Rechtes  Nasenbein  oben  ein 
wenig  breiter,  als  das  linke. 


(557) 

Nr.  177.  Schädel  weiss,  bez.  from  T.  Foelsche,  police-master,  Palmerston,  Port 
Darwin.  Knochennarbe,  10  mn  gross,  auf  der  Äfitte  der  Stirn.  N&hte  erhalten.  Zähne 
wenig  abgeschliffen.  Der  rechte  obere  mediale  Schneidezahn  frühzeitig  entfernt,  Kieferrand 
scharf.  Im  Oberkiefer  fehlen  5  Zähne.  Kleine  glattwandige  Höhlen,  l  mm  gross,  am  hinteren 
Ende  der  beiden  Processus  alveolares  der  MaxUlac;  die  Verlängerung  hinter  den  Weisheits- 
zähnen beträgt  13  mm.  Schwacher  Torus  frontalis  medianus.  Lineae  nuchae  superiores^ 
Protnberantia  et  Crista  occipitales  extemac  sehr  stark.  Kleiner  medianer  Condylus  occi- 
pitalis  tertins  am  vorderen  Rande  des  Foramen  occipitalo  magnum.  Linker  Condylus  occi- 
pitalis  in  zwei  Hälften  getheilt  Kleines  Tuberculum  pharyngeum.  Crista  palatina  mediana 
längs  der  Sntnra  palatina  mediana  an  den  Partes  horizontales  beider  Gaumenbeine.  Gaumen 
gewölbt.  Starke  Spinae  am  unteren  Rande  beider  Fissurao  orbitales  inferiores.  Kleine 
Tuberositas  malaris  jederseits. 

Nr.  178.  Schädel  .weisslich,  bez.  T.  Foelsche,  police-master,  Victoria  River.  Nähte 
verstrichen,  auch  die  Sutura  palatina  mediana.  Zähne  stark  abt^cschliffen.  Beide  oberen 
medialen  Schneidezähne  frühzeitig  entfernt,  Kieferrand  scharf.  Im  Oberkiefer  fchlea 
8  Zähne.  Hinterhaupt  von  der  Scheitelhöhe  an  stark  nach  hinten  abfallend.  Schmaler 
Torus  occipitalis  transversus.    Glabella  tief  eingedrückt 

Nr.  179.  Schädel  gelblich,  bez.  T.  Foelsche,  police-master,  Port  Darwin,  Oct.  1893. 
Knochennarbe  in  der  Mitte  der  Squama  frontalis,  15  mm  im  Durchmesser.  Nähte  erhalten. 
Zähne  wenig  abgeschliffen.  Kleine  rundliche,  1 ,5  mm  grosse,  unten  offene  Höhle  in  der  Achse 
der  Zahnreihe,  dicht  hinter  dem  Alveolus  des  linken  oberen  Weisheitszahnes;  die  Ver- 
längerung des  Processus  alveolaris  beträgt  11  mm.  Im  Oberkiefer  fehlen  3,  im  Unterkiefer 
8  Zähne,  einige  sind  cariös.  Schmaler  Torus  occipitalis  transversus.  Drei  kleine  Höcker 
am  hinteren  und  an  den  lateralen  Rändern  des  Foramen  occipitale  magnum.  Kleines 
Tuberculum  pharyngeum  an  der  Pars  basilaris  oss.  occipitalis.  Kleines  Loch  für  die 
A.  meningea  media  in  der  rechten  Spina  angularis.  Foramina  ovalia  rundlich.  Gaumen 
gewölbt.  Sutura  intemasalis  in  ihrem  oberen  Theile  gezackt.  Starke  Spinae  am  unteren 
Rande  beider  Fissurae  orbitales  inferiores.  .     . 

Nr.  1>0.  Schädel  weiss,  aus  einem  Sandhügel  ausgegraben.  Oberfläche  kömig.  Bez. 
Murray  native.  Nähte  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  7  Zähne. 
Starke,  länglich-spindelförmige,  glatte  Hervorragung  an  der  hinteren  Wand  beider  Pori 
acnstici  externi.  Foramina  ovalia  rundlich.  Kleiner  Torus  palatious  medianus  längs  der 
Sutura  palatina  mediana  der  Pars  horixontalis  der  Gaumenbeine. 

Nr.  181.  Schädel  braungelblich,  klein,  bez.  T.  Foelsche,  police-master,  Port  Darwin, 
Oct.  1893.  Stirn  gerundet.  Knochennarbe,  2*)  mm  im  Durchmesser,  am  linken  Tuber  fron- 
tale. Hinterhaupt  von  der  Scheitelhöhe  an  nach  hinten  steil  abfallend.  Nähte  erhalten. 
Zähne  sehr  abgeschliffen,  klein.  Im  Oberkiefer  fehlen  3,  im  Unterkiefer  6  Zähne;  viele 
find  cariös.  Deutlicher  Toms  frontalis^  medianus.  Breiter  Toms  occipitalis  transversus. 
Condyli  occipitales.  sehr  hoch,  nach  hinten  steil  abfallend.  Längliche  Fovea  pharyngea 
und  ein  medianes  Tuberculum  pharyngeum  an  der  unteren  Fläche  der  Pars  basilaris  oss. 
occipitalis.  Am  oberen  Ende  der  Lamina  lateralis  beider  Processus  pterygoides  tiefe, 
lateralwärCs  schauende  Gruben.  Choanae  niedrig.  Gaumen  gewölbt  Kleiner  Schaltknochea 
io  der  Sutura  nasofrontalis.  Augenhöhleneingang  sehr  randlich.  Fissurae  orbitales  infe- 
riores eng.  Das  rechte  Nasenbein  oben  schmaler,  als  das  linke;  beide  zusammen  im  oberen 
Theil  nur  G  mtn  breit. 

Nr.  182.  Schädel  gelbbräunlich,  bez.  T.  Foelsche,  police-master,  Port  Darwin, 
October  1898.  Rechter  Arcus  zygomaticus  abgebrochen.  Ossa  parietalia  von  der  Scheitel- 
höhe an  nach  hinten  abfallend,  atrophisch.  Nähte  beginnen  zu  verstreichen  Zähne  ab- 
geschliffen. Im  Oberkiefer  fohlen  8«  im  Unterkiefer  4  Zähne ,  einer  ist  cariös.  Foramen 
occipitale  magnum  sehr  länglich.  Gaumen  gewölbt.  Kleiner  Schaltknochen  in  der  Sutura. 
nasofrontalis.    Nasenbeine  sehr  schmal,  im  oberen  Abschnitt  zusanmien  nur  5  mm  breit. 

Nr.  188.  Schädel  grau,  bez.  T.  Foelsche,  police-master,  Port  Darwin,  October 
1893.  Nähte  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Im  Oberkiefer  fehlen  8,  im  Unterkiefer 
8  Zähne,  einige  sind  cariös.    Schmaler  Toms  occipitalis  transversus.   Linkerseits  ein  Pro- 


(558) 

cossns  frontalis  der  Squama  temporalis,  7  mm  lang,  5  mm  hoch,  zungenförmig  and 
hinten  an  seiner  Wurzel  nur  2  mm  breit.  Spinae  angulares  sehr  dick.  Kleine  Höcker  an 
Stelle  von  Processus  paramastoidei.  Andeutung  eines  Toms  palatinus  transversns.  Viele 
kleine  Spinae  hinter  dem  Foramen  incisivum.  Am  rechten  Os  zjgomaticum  ist  ein  Pnn 
ccssus  marginalis  vorhanden. 

Nr.  184.  Schädel  graubraun,  bez.  Woolwonjah  Tribe  (male)  between  Southport  and 
Yam  Creek,  by  T.  Foelsche,  police-master,  October  1888.  Os  ethmoidale  zerstört. 
Nähte  theilweise  verstrichen.  Zähne  abgeschliffen.  Im  Unterkiefer  der  rechte  mediale 
Schneidezahn  seit  längerer  Zeit  entfernt,  Kieferrand  scharf;  linkerseits  fehlen  beide 
Schneidezähne.  Schwacher  Torus  frontalis  medianus.  Hoher  Torus  occipitalis  transversos. 
Kleines  rundliches  Tuberculum  jederseits  in  der  Mitte  des  lateralen  Randes  des  Foramen 
occipitale  magnum  (Taumen  gewölbt.  An  der  oberen  Hälfte  der  verstrichenen  Sutnra 
'  intemasalis  eine  starke  mediane  Crista  intemasalis. 

Nr.  185.  Schädel  gelb,  bez.  Skull  of  Manialocum,  Big  Rock  tribe,  by  Dr. 
Stiriing,  1891.  Murdered  by  Spencer  at  Bowenstraits.  Am  hinteren  unteren  Ende  der 
rechten  Squama  temporalis,  dicht  über  der  Spina  supra  meat^im,  eine  18  mm  grosse  rande 
Kugelwunde.  Der  untere  Theil  der  rechten  Squama  temporalis  fehlt,  ist  abgesplittert. 
Fissuren  haben  den  rechten  Processus  mastoides  abgesprengt  und  gehen  durch  die  Pars 
lateralis  dextra  oss.  occipitalis  und  die  Pars  basilaris  bis  zum  Yomer.  Linkerseits  ist  die 
Ausgangsöffnung  etwas  höher  gelegen,  dreieckig,  länglich.  Vorderer  Theil  beider  Ossa 
parietalia  oberhalb  des  vorderen  Endes  der  Squama  temporalis  durch  Fissuren  abgetrennt. 
Tubera  frontalia  sehr  deutlich.  Beiderseits  ein  Processus  frontalis  der  Squama  temporalis, 
rechterseits  9  mm  lang,  17  mm  breit,  linkerseits  ebenso  lang,  15  mm  breit  Kleine  Höcker 
am  hinteren  und  Seitenrande  des  Foramen  occipitale  magnum,  sowie  statt  der  Processus 
paramastoidei.  Processus  condyloides  hinten  sehr  steil  abfallend.  Starke  Spinae  angulares. 
Harter  Gaumen  stark  gewölbt,  scharfe  Cristae  palatinae  transversae  am  hinteren  Rande 
der  Pars  horizontalis  beider  Gaumenbeine.  Kleine  Schaltknochen  in  der  Sutnra  naso> 
frontalis.    Rechtes  Nasenbein  oben  etwas  breiter,  als  das  linke. 

Nr.  188.  Schädel  grau,  von  Mr.  Mallor  in  Adelaide.  Gesicht  und  Unterkiefer  zer- 
brochen. Nähte  erhalten,  Zähne  sehr  abgeschliffen.  Die  Ossa  parietalia  sind  mit  an- 
regelmässigen  Vertiefungen  und  rundlichen  Höckern  bedeckt,  die  von  einer  Scabies  -  ähn- 
lichen Hautkrankheit  herrfthren.  — 

Hr.  B.  Yirchow  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  in  der  Siteung  vorgelegten 
angeblichen  Gletscherschliffe  den  auf  Rügen  und  sonst  auf  Sandbei^n  und  Dtinen 
so  häufigen  Sandschliffen  (durch  Winde)  sehr  ähnlich  sehen.  Eine  ähnliche  Deu- 
tung wäre  vielleicht  auch  fQr  Australien  zulässig.  — 

Hr.  Krause  erwidert,  dass  er  nur  die  Angaben  der  australischen  Geologen 
wiedei^egeben  habe.  Freilich  halte  auch  er  die  betreffenden  Flächen  für  Gletscher- 
schliffe, er  erkenne  aber  an,  dass  auch  eine  andere  Deutung  möglich  sei.  — 

(27)   Fortsetzung  der  Discussion  (8.  477)  über  die 

verstümmelten  Thonfiguren  ans  Peru. 

Der  Vorsitzende  recapitulirt  die  in  der  October-Sitzung  stattgefundenen  Be- 
sprechungen und  zeigt  die  in  der  peruanischen  Abtheilung  des  Museums  für  Völker- 
kunde vorhandenen  Thonfiguren,  welche  Verstümmelungen  an  Nase,  Mund  und 
Beinen  zeigen.  Dieselben  werden  im  Dccember-Bericht  ausführlicher  besprochen 
werden.  — 

Hr.  Wilhelm  von  den  Steinen  erklärt  mit  Rücksicht  auf  die  Ton  Hm.  Pola- 
kowsky   in   der  letzten  Sitzung  mitgetheilte  Deutung,   wonach  die  dargestellten 


(559) 

Yerstümmelangen  künstlich,  und  zwar  zur  Bestrafung  beigebracht  sein  sollen,  dass 
er  das  ganze,  ihm  zur  Yerfügang  stehende  Material  von  alten  und  nenen  Werken 
über  Süd-America  darcbgeseben,  nirgend  aber  eine  solche  Strafe  erwähnt  gefanden 
habe.  Weder  Gieza  de  Leon,  noch  Incu  Garcilaso  de  Vega,  noch  sonst 
jemand  berichten  davon.  Aber  aach  ausserdem  lasse  sich  die  Ansicht,  dass  es 
sich  um  die  Darstellung  von  Rrankheits-Erscheinungen  handle,  begründen.  Er  lege 
vorläufig  seine  Zeichnungen  und  die  Originale  vor,  behalte  sich  aber  für  die 
nächste  Sitzung  Weiteres  vor.  — 

Hr.  Polakowsky:  Bei  der  Kürze  der  verfügbaren  Zeit  muss  ich  mich  darauf 
beschränken,  nur  einen  kleinen  Theil  des  von  unserem  Präsidenten  angeregten 
Themas,  welches  eine  ganze  Anzahl  von  Fragen  umfasst,  zu  besprechen.  —  Ich 
knüpfe  dabei  an  das  soeben  von  Hrn.  Wilhelm  von  den  Steinen  Gesagte  an. 
Nicht  ich  habe  behauptet,  dass  die  ausgestellten  altperuanischen  Vasen  bestrafte 
Verbrecher,  denen  die  Nase  abgeschnitten  und  die  Füsse  abgeschlagen  sind,  dar- 
stellen, sondern  Hr.  Prof.  Dr.  D.  Juan  de  Carrasquilla  aus  Bo^otd,  der  Berlin  längst 
verlassen  hat  und  mich  bat,  seine  Erklärung  dieser  Thongetässe,  bezw.  mensch- 
lichen Figuren  bei  der  ersten  passenden  Gelegenheit  mitzutheilen.  Ich  habe  mich 
dieses  Auftruges  am  Schlüsse  der  vorigen  Sitzung  entledigt 

Ich  bat  Hrn.  Carrasquilla  um  Angabe  der  alten  Historiker  oder  sonstigen 
Quellen,  woraus  ersichtlich  sei,  dass  eine  derartige  „Justiz"  mit  Abhacken  der  Hände 
und  Füsse  —  Hr.  Ashmead  spricht  stets  von  amputirtcn  Füssen  —  existirte.  Er 
versprach  mir,  darüber  zu  schreiben.  Da  aber,  selbst  wenn  Hr.  Carrasquilla 
seine  Zusage  genau  erfüllt,  gegen  4  Monate  bis  zum  Eintreffen  seiner  Auskunft  ver- 
gehen werden,  und  ich  andererseits  durch  die  Erfahrungen,  die  ich  in  *23  Jahren 
im  Verkehr  mit  Hispano-Amerikanem  gesammelt  habe,  etwas  misstrauisch  gegen 
solche  Versprechungen  geworden  bin,  so  beschloss  ich,  die  Ansicht  einer  kleinen 
Anzahl  namhafter  Amerikanisten,  die  sich  eingehend  mit  Peru  beschäftigt  haben  und 
die  fraglichen  Gefusse  kennen,  einzuholen.  Alle  Herren  haben  geantwortet,  ich 
habe  keinen  Brief  vergebens  geschrieben.  Vorher  theile  ich  noch  mit,  dass  sich 
auch  Hr.  Bastian,  wie  mir  von  zuverlässiger  Seite  mitgetheilt  wurde,  bereits  vor 
Jahren  dahin  ausgesprochen  habe,  dass  diese  Gefasse  Verbrecher  darstellen,  die 
zur  Strafe  verstümmelt  wurden. 

Ich  schrieb  zunächst  an  Hrn.  Geh.  Rath  Dr.  W.  Reiss,  der  hier  genügend 
bekannt  ist.  Er  antwortete  sofort,  wenn  auch  sehr  kurz.  Er  deutete  in  liebens- 
würdiger Weise  an,  dass  er  von  der  Zeit  der  Conquista  wohl  nicht  mehr  wisse,  als 
ich,  geht  auf  die  Frage  nach  der  Natur  dieser  peruanischen  Thongefasse  nicht 
ein  und  erklärt  zum  Schlüsse:  „dass  der  sehr  bedenkliche  Zustand  seiner  Augen 
es  ihm  nicht  gestatte,  nähere  Nachforschungen  über  die  Justiz  der  alten  Peruaner 
anzustellen.*^  Ich  bin  Hm.  Reiss  zu  ganz  besonderem  Danke  verpflichtet,  dass 
er  trotz  seiner  leidenden  Augen  geantwortet  hat 

Ich  schrieb  weiter  an  Hm.  Dr.  A.  Stube  1  in  Dresden.  Meine  Fragen  und 
die  Antwort  will  ich  verlesen: 

1.  Erinnern  Sie  sich,  bei  Ihren  Studien  über  Süd -America  auf  Thatsachen 
oder  Angaben  gestossen  zu  sein,  welche  den  Schluss  gestatten,  dass  die 
Lepra  vor  Ankunft  der  Spanier  und  Portugiesen  in  Süd -America  existirte? 

„Nein.** 

2.  Haben  Sie  bei  den  wilden  uncivilisirten  Indianer-Tribus  Liepra  gefunden, 
bezw.  sichere  Angaben  erhalten,  dass  diese  Krankheit  bereits  vor  der  Ver- 
mischung mit  den  Weissen  bei  den  Indianern  zu  finden  war? 


(560) 

„Niemals;   auch    bin   ich  überzeugt,   dass  es  ganz   vergebliche  Mühe 
sein  würde,  solche  Angaben  auffinden  za  wollen. '^ 

3.  Halten  Sie  die  Verstümmelungen  der  Nase  und  Füsse  an  den  im  Briefe 
erwähnten  Vasen  für  die  Folge  von  Krankheit  oder  Operationen? 

„Halte  ich  unbedingt  für  Krankheits-Erscheinungen,  welche  dargestellt 
werden  sollten.^ 

4.  Ist  Ihnen  bekannt,  dass  im  alten  Peru  gewisse  Vergehen  und  Verbrechen 
durch  derartige  Verstümmelungen  bestraft  wurden? 

„Darüber  ist  mir  nichts  bekannt^ 

5.  Können  Sie  mir  einige  Historiker  oder  sonstige  Quellen  angeben,  wo 
Näheres  über  diese  Art  der  Justiz  zu  finden  ist?  Ich  habe  bereits  viele 
Bücher  vergebens  durchgesehen. 

„Meine  Kenntniss  der  altspanischen  Literatur  erstreckt  sich  nicht  auf 
Werke,  welche  hierüber  aythentische  Angaben  machten.** 

Zu  der  Beantwortung  der  Frage  2  habe  ich  Folgendes  zu  bemerken:  Erst  in 
neuester  Zeit,  etwa  seit  1880,  ist  ein  grosser  Theil  von  Süd-America  näher  be- 
kannt und  erschlossen  worden.  Ich  erinnere  an  die  Versuche,  im  nordöstlichen 
Bolivia  und  im  östlichen  Peru  Verkehrswege  anzulegen,  und  an  die  Forschungs- 
reisen in  Brasilien.  Ueberall  ist  man  auf  Indianer-Tribus  gestossen,  die  bisher 
wenig  oder  gar  nicht  mit  Europäern  in  Berührung  gekommen  waren.  Ich  habe 
viele  Berichte  über  diese  Expeditionen  und  viele  Berichte  von  Missionaren  in  den 
letzten  :^0  Jahren  gelesen,  aber  ich  erinnere  mich  nicht,  je  eine  Bemerkung  ge- 
funden zu  haben,  dass  man  bei  diesen  Indianern  auf  Lepra  gestossen  sei.  Diese 
Forschungen  können  noch  immer  fortgesetzt  werden,  da  es  in  Brasilien  und  im 
östlichen  Columbien  noch  immer  mehr  oder  weniger  unberührte  Indianerstämme 
giebt. 

Ich  schrieb  weiter  an  Hrn.  Dr.  E.  W.  Middendorf,  dem  wir  das  beste 
neuere  Werk  über  Peru  verdanken.  Er  hat  25  Jahre  als  Arzt  im  Lande  gelebt, 
eingehende  linguistische,  historische  und  ethnologische  Studien  gemacht  und 
den  ganzen  westlichen  und  centralen  Theil  des  Landes  behufs  Aufsuchung  der 
alten  Ruinenstätten  durchwandert.  Er  schreibt  mir:  „8o  sehr  es  mich  gefreut 
hat,  zu  ersehen,  dass  Sie  sich  meiner  noch  freundlich  erinnern,  so  leid  thut 
es  mir,  dass  ich  Ihnen  hinsichtlich  Ihrer  Anfragen  keine  befriedigende  Ant- 
wort geben  kann.  Ich  habe  während  meines  langen  Aufenthaltes  in  Peru  nur 
3  Fälle  von  Lepra  zu  Gesicht  bekommen.  2  davon  waren  Chinesen  und  einer  eine 
Frau  von  vorwiegend  europäischem  Blute.  Von  Leprösen  rein  indianischer  Ab- 
stammung habe  ich  weder  etwas  gesehen,  noch  von  Collegen  etwas  gehört,  — 
was  selbstTcrständlich  nichts  gegen  etwaiges  Vorkommen  dieser  Krankheit  bei 
den  Eingebornen  beweist.  Auch  bei  den  alten  spanischen  Schriftstellern  ist  mir 
nicht  erinnerlich,  eine  darauf  bezügliche  Bemerkung  gelesen  zu  haben.  Der  Er- 
oberer von  Colombia  starb  an  Lepra,  nachdem  er  lange  Zeit  in  Europa  gelebt  und 
erst  in  seinen  späteren  Lebensjahren  wieder  nach  America  zurückgekehrt  war. 
Die  Darstellung  verstümmelter  Menschen  auf  peruanischen  OeHissen  habe  ich,  wie 
andere  Forscher,  als  Abbildungen  bestrafter  Verbrecher  betrachtet**  —  Leider  nennt 
Hr.  Middendorf  diese  anderen  Forscher  nicht 

Endlich  schrieb  ich,  und  zwar  aof  Ruth  des  Hm.  Dr.  Seier,  an  Hm.  D.  Marcos- 
Jimenez  de  la  Espada,  unbedingt  den  besten  lebenden  Kenner  des  alten  Perd. 
Auch  er  hat  in  ebenso  liebenswürdiger,  wie  ausführlicher  Weise  geantwortet 


(561) 

Da  die  Zeit  leider  abgelaufen  ist,  raoss  ich  die  Mittheilung  dieser  Antwort 
für  die  nächste  Sitzung  verschieben.  Ich  will  nur  bemerken,  dass  sich  auch 
fir.  Jimenez  de  la  Espada  ganz  bestimmt  dahin  ausspricht,  dass  es  sich  hier 
mm  pathologische  Zerstörungen  handle.  — 

Die  weitere  Discussion  vrird  auf  die  December-Sitzung  vertagt.  — 

(28)  Hr.  Katz,  der  von  dem  Moskauer  Congress  aus  eine  Radfahrt  durch 
den  Rankasus  ausgeführt  hat,  zeigt  eine  Reihe  von 

Projectionsbildem  kaukasischer  Gegenden  und  Menschen 

nach  Photographien,  die  er  auf  seiner  Reise  aufgenommen  hat. 

Zugleich  bespricht  er  eine  kleine  Sammlung  scheinbarer  Bronze -Idole  pria- 
pischer  Art,  die  er  in  Tiflis  gekauft  hat   — 

Hr.  R.  Virchow  erinnert  daran,  dass  Graf  A.  Bobrinskoy  auf  den  schwung- 
vollen Handel  mit  getäischten  Figuren  dieser  Art  im  Kaukasus  aufmerksam  ge- 
macht hat  (Verhandl.  1893,  S.  371  und  1894,  S.  367).   — 

(29)  Die  Colonial-Abtheilung  des  Auswärtigen  Amtes,  gez.  v.  Richt- 
hof en,  übersendet  unter  dem  *1Z.  October 

anthropologische  Aufnahmen  des  Hauptmanns  Ramsay  in  Udjidji. 

Ausser  den  nachstehenden  Aufzeichnungen  sind  auch  noch  19  zugehörige 
photographische  Platten  durch  das  Auswärtige  Amt  eingeliefert  worden.  Da  die- 
selben aber  keinerlei  Bezeichnung  tragen,  so  raussten  sie  vorläufig  ganz  zurück- 
gestellt werden. 

Das  mitgetheilte  Material  wird  in  Nachstehendem,  nach  Ausscheidung  der 
überhaupt  nicht  ausgefüllten  Rubriken,  zusammengestellt: 

Die  Aufnahmeblätter  besagen  Folgendes: 

Nr.  1.  Udjidji,  22.  Mai  1897.  Tambue,  20jähriger  Mann  vom  Stamme  der 
Mwinsa,  aus  Rassenga  am  Rutschugi ;  Salzkocher,  ^  in  sehr  gutem  Ernährungs- 
zustande. Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und  Oberarm  chokoladenbraun. 
Tättowirung:  drei  Reihen  ^^/^'-\'-\  ftuf  dem  Bauche.  Iris  dunkelbraun, 
Augen  rund,  gerade  gestellt.  '^^^^  Kopfhaar  schwarz,  wellig  und 
kraus;    kein    Bart;    Achsel  und   Scham    behaart.     Kopf  hoch. 

Gesicht  rund;  Stirn  hoch;  Wangenbeine  angelegt.  Nase  an  der  Wurzel  flach,  mit 
breitem  Rücken  und  breiten,  grossen  Flügeln.  Lippen  voll.  Zähne  gerade  gestellt, 
von  weisser  Färbung;  Feilung  der  oberen  Vorder-Schneidezähne:  w    \(    w 

Ohrläppchen  nicht  durchbohrt.  Runde  Brüste  mit  kleiner  Warze.  —      LJL^^^OLJ 
Nicht  beschnitten;  die  Genitalien  mit  Haarwuchs.  —  Waden  dünn, 
aber  muskulös.     Hände  lang  und  schmal,  mit  hellrosa  Fingernägeln.     Füsse  kurz 
und  dick;  längste  Zehe  II. 

Nr.  2.  Udjidji,  22.  Mai  1897.  Maganga,  22 jähriger  Salzkocher  vom  Mwinsa- 
Stamm,  aus  Kassenga;  sehr  gut  genährt.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und 
Oberarm  chokoladenbraun.  Reine  Tättowirung.  Iris  schwarz,  Augen  rund,  gerade 
gestellt.  Kopfhaar  schwarz,  wellig  und  kraus.  Reimender  Kinnbart;  Achsel  und 
Scham  behaart.  Kopf  breit  Gesicht  niedrig  und  breit;  Stirn  niedrig  und  gerade; 
Wangenbeine  vortretend.    Nase  an  der  Wurzel  flach,  mit  breitem  Rücken.   Lippen 

Verhandl.  d«>r  B«rl.  Anthropol.  (;eB«lls«baft  1897.  86 


(562) 

voll.  2^hne  gerade  gestellt,  von  weisser  Färbung,  ohne  Feilong.  Die  Ohrläppchen 
klein,  ohne  Durchbohrung.  Brüste  rund  mit  kleiner  Warze.  —  Nicht  beschnitten.  — 
Waden  dünn,  aber  sehr  muskulös.  Hände  kurz  und  breit,  mit  rosa  Fingernägeln, 
Kurze,  dicke  Ftisse;  längste  Zehe  I. 

Nr.  3.  Udjidji,  22.  Mai  1897.  üssolo,  20jähriger  Salzkocher,  vom  Mwinsa- 
Stamm,  aus  Rassenga;  sehr  gut  genährt.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und 
Oberarm  chokoladenbraun.  Keine  Tättowirung.  Iris  schwarz;  Augen  rund,  und 
gerade  stehend.  Kopfhaar  schwarz,  wellig  und  kraus;  Kinnbart  sprossend;  Achsel 
und  Scham  behaart.  Kopf  lang  und  breit;  Gesicht  niedrig  und  breit,  Stirn  niedrig 
und  gerade,  Wangenbeine  angelegt.  Nase  an  der  Wurzel  eingedrückt,  mit  breitem 
Rücken  und  grossen  Flügeln.  Lippen  voll  und  vortretend.  Zähne  gerade  stehend, 
weiss,  mit  Feilung  der  oberen  Vorder-Schneidezähne :  /  ,/  v  \/  v  Ohrläppchen 
klein,  ohne  Durchbohrung.  Brüste  rund,  mit  kleiner  [  JL/Vjl  )  Warze.  — 
Nicht  beschnitten.  —  Waden  dünn,  aber  muskulös.  \\  \  VI  Hände  kurz 
und  breit,   mit  rosa  Fingernägeln.    Füsse    kurz   und  breit,  längste 

Zehe  I.  —  Hat  an  jeder  Hand  sechs  Finger  und  an  jedem  Fusse  sechs 
Zehen. 

Nr.  4.  Udjidji,  29.  Mai  1897.  Pungulu,  SOjähriger  Salzkocher,  vom  Mwinsa- 
Stamm,  aus  Kassenga;  in  gutem  Ernährungszustände.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange, 
Brust  und  Oberarm  chokoladenbraun.  Tättowirung:  auf  beiden  Unterarmen  zwei 
Gruppen   von  Schnitten:  .      Iris   schwarz,   Augen    rund,    gerade   stehend. 

Kopf  haar  schwarz,  wellig  -  -  und  kraus;  krauser  Schnurr-  und  Backenbart; 
Brust  und  Bauch  behaart.  ^*  Kopf  breit.  Gesicht  breit:  Stirn  niedrig  und 
gerade;       Wangenbeine  vortretend.     Nase    an    der    Wurzel   eingedrückt 

Flügel  gross.  Lippen  voll  und  vortretend.  2>ähne  massig,  von  weisser  Färbung: 
Feilung   der   oberen  Vorder-Schneidezähne,    zwischen   denen   eine  kleine  Lücke. 

/    1/    Jl    U    V    Ohrläppchen  klein,  ohne  Durchbohrung.    Brüste  mit  runder  Warze. 

i_jy\\    )    Die  Genitalien   mit  Haarwuchs;    nicht  beschnitten.     Waden  stark 

und  muskulös.  Hände  lang;  Fingernägel  rosa.  Füsse  kurz  und 
breit,  längste  Zehe  I. 

Nr.  5.     Udjidji,   30.    Mai    1897.      Tawanjia,    25 jähriger   Salzkocher,    vom 

Mwinsa-Stamm,  aus  Kassenga;  gut  genährt.    Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und 

Oberarm  dunkelbraun.  Tättowirung:  zwei  Reihen  von  Narben  auf  beiden  Oberarmen: 

.    Iris  schwarz;  Augen  rund.     Kopfhaar  schwarz,  wellig  und  kraus;  Kinn- 

r  :     und  Schnurrbart  vorhanden.     Kopf  schmal.     Gesicht  schmal;   Stirn  niedrig 

z  •     und  gerade;  Wangenbeine  angelegt.    Nase  an  der  Wurzel  eingedrückt,  mit 

schmalem    Rücken    und    grossen    Flügeln.     Lippen    voll    und    vortretend. 

Weisse,    an   den   oberen  Vorder -Schneidezähnen   angefeilte  Zähne.    Ohrläppchen 

Ü\/    ^    .  klein,  ohne  Durchbohrung.   Brüste  rund,  mit  kleiner  Warze.   An  den 
■v^V-LJ  Genitalien    starker  Haarwuchs;    nicht    beschnitten.     Waden   kräftig 
\\  I   1  /    und  muskulös.     Hände  schmal  und  lang.     Fingernägel  rosa.     Füsse 
kurz  und  breit;  längste  Zehe  L 

Nr.  6.  Udjidji,  30.  Mai  1897.  Mtanuke,  dOjähriger  Salzkocher,  vom  Mwinsa- 
Stamm,  aus  Kassenga;  gut  genähri.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und  Ober- 
arm dunkelbraun.  Ohne  Tättowirung.  Iris  schwarz;  Augen  rund  und  gerade 
stehend.  Kopfhaar  schwarz,  wellig  und  kraus;  Bart  an  Oberlippe  und  Kinn; 
Achselhöhlen  und  Scham  behaart.  Kopf  schmal  und  hoch.  Gesicht  hoch  und 
schmal;   Stirn  niedrig  und  gerade;    Wangenbeine    angelegt.    Nase  an  der  Wunel 


(563) 

eingedrückt,  mit  flachem  Rücken,  schmaler  Scheidewand  und  platten  Flügeln. 
Lippen  voll  und  vortretend.  Zähne  gerade  stehend,  weiss,  ohne  Peilung.  Ohr- 
läppchen klein,  ohne  Durchbohrung.  Brüste  rund,  mit  kleiner  Warze.  Genitalien 
mit  Haarwuchs;  nicht  beschnitten.  Waden  kräftig  und  muskulös.  Hände  schmal 
und  lang,  mit  hellrosa  Fingernägeln.     Püsse  kurz  und  breit,  längste  Zehe  I. 

Nr.  7.  üdjidji,  17.  Juni  1897.  Kanseruni,  25jähriger  Fischer  vom  Mbwari- 
Stamm,  aus  Makabwari;  gut  genährt  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und  Ober- 
arm chokoladenbraun.  Keine  Tättowirung.  Iris  schwarz,  Augen  rund,  gerade 
stehend.  Kopfhaar  schwarz,  wellig  und  kraus;  Kinnbart.  Achsel  und  Scham  behaart. 
Kopf  lang  und  breit.  Gesicht  breit;  Stirn  niedrig  und  gerade;  Wangenbeine  angelegt 
Nase  mit  eingedrückter  Wurzel,  flachem  Rücken,  breiter  Scheidewand  und  breiten, 
jrrossen  Flügeln.  Lippen  voll  und  vortretend.  Zähne  gerade,  massig,  von  weisser 
Farbe;  nicht  befeilt  Ohrläppchen  nicht  durchbohrt  Brüste  oval,  mit  kleiner  Warze 
und  kleinem  Warzenhof  von  folgender  Form:         _  .— .     ^    — Nichtbe- 

schnitten. —  Waden  kräftig  und  muskulös.  V  "^  ^^-^-^ — ^^^--l^I^^  Hände  kurz 
und  breit;  Fingernägel  weiss.    Füsse  kurz  und    breit; 

längste  Zehe  L 

Nr.  8.  Udjidji,  17.  Juni  1897.  Maguratschungu,  24jähriger  Fischer  vom 
Mbwari-Stamm,  aus  Kandamisa;  gut  genährt.  Hautfarbe  an  Stirn  und  Wange  hell- 
braan,  an  Brust  und  Oberarm  dunkelchokoladenbraun.  Keine  Tättowirung.  Iris 
schwarz;  Auge  rund,  gerade  stehend.  Kopfhaar  schwarz,  wellig  und  kraus;  kein 
Bart.  Achsel  und  Scham  behaart  Kopf  lang  und  breit  Gesicht  breit;3[  Stirn 
niedrig  und  gerade;  Wangenbeine  angelegt  Nase  mit  eingedrückter  Wurzel,  flachem 
Rücken,  schmaler  Scheidewand  und  grossen,  breiten  Flügeln.  Lippen  voll  und  vor- 
tretend. Zähne  gerade,  massig,  weiss;  Feilung  wie  bei  Nr.  4,  jedoch  flacher.  Ohr- 
läppchen klein,  ohne  Durchbohrung.  Brüste  rund,  mit  vortretender  Warze.  — 
Beschnitten.  —  Waden  kräftig  und  muskulös.  Hände  breit  und  kurz;  Fingernägel 
weiss.     Füsse  kurz  und  breit;  längste  Zehe  II. 

Nr.  9.  üdjidji,  17.  Juni  1897.  Kamruischrin,  24jähriger  Fischer  vom  Mbwari- 
Stamme,  aus  Ssomc;  in  sehr  gutem  Ernährungszustande.  Hautfarbe  an  Stirn, 
Wange,  Brust  und  Oberarm  chokoladenbraun.  Ohne  Tättowirung.  [üeber  die 
Augen  ist  nichts  vermerkt]  Kopfhaar  schwarz,  wellig  und  kraus;  kein  Bart  Scham 
und  Achsel  behaart.  Kopf  lang  und  breit.  Gesicht  breit;  Stirn  niedrig  und  gerade; 
Wangenbeine  angelegt.  Nase  mit  eingedrückter  Wurzel,  schmalem  Rücken,  schmaler 
Scheidewand,  grossen  Flügeln.  Lippen  voll  und  vortretend.  Zähne  gerade,  von 
feinem  Aussehen  und  weisse  Farbe;  nicht  befeilt  Ohrläppchen  ohne  Durch- 
bohrung. Brüste  oval  (wie  bei  Nr.  7)  und  mit  kleiner  Warze;  die  rechte  Brust- 
warze wie  bei  einem  jungen  Mädchen.  —  Beschnitten.  —  Waden  muskulös. 
Hände  lang  und  schmal;  Fingernägel  rosa.  [(Jeher  die  Füsse  und  die  längste  Zehe 
ist  nichts  bemerkt] 

Nr.  10.  üdjidji,  17.  Juni  1897.  Sababu,  26jähriger  Fischer  vom  Itfbwari- 
Stamm,  aus  Mpansa;  gut  genährt.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und  Ober- 
arm chokoladenbraun.  Keine  Tättowirung.  Iris  schwarz;  Augen  rund,  gerade. 
Kopfhaar  schwarz,  wellig  und  kraus;  kein  Bart  Achsel,  Brust  und  Scham  behaart. 
Kopf  kurz.  Gesicht  rund;  Stirn  niedrig  und  gerade;  Wangenbeine  vortretend.  Nase 
mit  eingedrückter  Wurzel,  flachem  Rücken,  schmaler  Scheidewand  und  [grossen 
Flügeln.  Lippen  voll  und  vortretend.  Zähne  gerade,  durchscheinend,  weiss;  ohne 
Feilung.     Ohrläppchen  nicht  durchbohrt.     Brüste  oval  (wie  bei  Nr.  7),  mit  kleiner 

86* 


(564) 

Warze  und  kleinem  Warzenhof.   —    Beschnitten.  —  Waden  kräftig.     Hände  lang 
und  schmal;  Nägel  rosa.    Füsse  kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 

Nr.  11.  üdjidji,  19.  Juni  1897.  Madjaliwa,  26jähriger  Fischer  vom  Marungu- 
Stamm,  aus  Mpuetu;  gut  genährt.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und  Oberarm 
ganz  dunkelbraun.  Tätto wirung:  über  dem  Nagel  4  Tüpfel  senkrecht  über  einander. 
Iris  schwarz;  Augen  rund,  gerade.  Kopf  haar  schwarz,  wellig  und  kraus;  Rinnbart. 
Achsei  und  Scham  behaart.  Kopf  schmal.  Gesicht  schmal;  Stirn  hoch  und  gerade; 
Wangenbeine  angelegt.  Nase  an  der  Wurzel  eingedrückt,  mit  flachem  Rücken, 
schmaler  Scheidewand  und  grossen  Flügeln.  Lippen  toII  und  vortretend.  Zähne 
gerade,  durchscheinend,  weiss;  nicht  befeilt.  Ohrläppchen  klein,  nicht  durchbohrt. 
Brüste  oval  (wie  bei  Nr.  7),  mit  kleiner  Warze.  —  Beschnitten.  —  Waden  kräftig. 
Hände  schmal  und  lang;  Nägel  hellrosa.  Füsse  kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 
Die  II.  Zehe  des  linken  Fusses  ist  verloren. 

Nr.  12.  üjidji,  Sonntag  20.  Juni  1897.  Marsau,  26 jähriger  Fischer  und  Träger 
vom  Mbwari-Stamm ,  aus  Ssome;  gut  genährt  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brost 
und  Oberarm  chokoladenbraun  (im  Gesicht  heller).  Ohne  Tättowirung.  Iris 
schwarz;  Augen  rund,  gerade.  Kopfhaar  schwarz,  wellig  und  kraus;  wenig  Kinn-, 
Schnurr-  und  Backenbart.  Achsel  und  Scham  behaart.  Kopf  kurz  und  schmal. 
Gesicht  schmal,  oval;  Stirn  hoch  und  gerade;  Wangenbeine  angelegt.  Nase  mit 
eingedrückter  Wurzel,  flachem  Rücken,  breiter  Scheidewand  und  breiten  Flügeln. 
Lippen  voll  und  vortretend.  Zähne  gerade,  von  massigem  Aussehen,  weiss;  Feilung 
der  2  mittleren  oberen  Schneidezähne  (wie  bei  Nr.  8).  Ohrläppchen  ohne  Durch- 
bohrung. Brüste  rund,  mit  kleiner,  flacher  Warze  und  kleinem  Warzenhof.  — 
Beschnitten.  —  Waden  kräftig  und  muskulös.  Hände  kurz  und  breit;  Nägel  rosa. 
Füsse  kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 

Nr.  13.  üdjidji,  20.  Juni  1897.  Pendakusafiri,  25jähriger  Fischer  vom 
Mbwari-Stamm,  aus  Karambu;  gut  genährt.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brost  und 
Oberarm  chokoladenbraun.  Nicht  tättowirt.  Iris  schwarz;  Augen  rond,  gerade. 
Kopfhaar  schwarz,  wellig  und  kraus;  wenig  Kinn-,  Backen-  und  Schnurrbart 
Achsel,  Brust  und  Scham  behaart.  Kopf  kurz  und  breit.  Gesicht  hoch,  oval;  Stirn 
niedrig  und  gerade;  Wangenbeine  angelegt.  Nase  mit  eingedrückter  Wurzel 
schmalem  Kücken,  schmaler  Scheidewand  und  kleinen  Flügeln.  Lippen  voll  und 
vortretend.  Zähne  gerade,  von  massigem  Aussehen;  Feilung  der  oberen  Vorder- 
Schneidezähne  so:  /    v     \         Ohrläppchen  klein,    nicht  durchbohrt    Brüste 

mit  kleiner,  flacher  ^'^^^sj  Warze  und  rundem  Warzenhof.  —  Beschnitten. 
—  Waden  kräftig  \  r~]|  r"i  und  muskulös.  Hände  lang  und  schmal,  mit 
rosa  Fingernägeln.        \  ^  /1  4  /       Füsse  kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 

Nr.  14.  üdjidji,  20.  Juni  1897.  Kitanda  ja  bibi,  2 2 jähriger  Träger  vom 
Mbwari-Stamm,  aus  Ssome;  gut  genährt.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und 
Oberaroi  chokoladenbraun.  Nicht  tättowirt  Iris  schwarz;  Augen  rond,  gerade. 
Kopfhaar  schwarz,  wellig  und  kraus;  Spuren  von  Schnurr-  und  Backenbart  Achael 
und  Scham  behaart  Kopf  kurz  und  breit  Gesicht  niedrig  und  breit;  Stirn  luedrig 
und  gerade;  Wangenbeine  angelegt  Nase  mit  eingedrückter  Wurzel,  flacheoi 
Rücken,  breiter  Scheidewand  und  breiten  Flügeln.  Lippen  voll  und  vortreteod. 
Zähne  gerade,  von  massigem  Aussehen,  weiss;  nicht  befeilt  Ohrläppchen  klein, 
nicht  durchbohrt  Brüste  rond,  mit  vortretender  Warze  und  kleinem  Warzenhot  — 
Beschnitten.  Waden  kräftig  und  muskulös.  Händfe  schmal  und  lang,  mit 
Fingeraägeln.    Füsse  kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 


(565) 

Nr.  15.  Udjidji,  20.  Jani  1897.  Oodomea,  30 jähriger  Bootsmann  vom  Mbwari- 
Siainm,  ansMbwari;  gut  genährt  Haatfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und  Oberarm  choko- 
ladenbraun  (im Gesicht  heller).  Tättowirang:  a)  *>         b)aaf  dem  Bauche;     ^) 

auf  dem  Oberarm.    Iris  schwarz;  Augen  rund,      ^  /\  /^      gerade.    Kopfhaar 

schwarz,  wellig,  kraus;  Kinn-  und  Schnurrbart     ^ /x  ^^i     vorhanden.  Achsel  :^^ 
und  Scham   behaart.     Kopf  kurz    und    breit.     {/\/\/      Gesicht      niedrig  'i^ 

und  breit;  Stirn  niedrig  und  gerade;  Wangen ' "   beine    vortretend. 

Nase  mit  eingedrückter  Wurzel,  breitem  Rücken,  breiter  Scheidewand  und  grossen 
Flügeln.  Lippen  voll  und  vortretend,  ^hne  gerade,  von  massigem  Aussehen, 
weiss;  Feilung  wie  bei  Nr.  13.  Ohrläppchen  klein,  nicht  durchbohrt.  Brüste  oval 
(wie  bei  Nr.  7),  mit  vortretender  Warze  und  flachem  Warzenhof.  —  Beschnitten.  — 
Waden  muskulös.  Hände  kurz  und  breit,  mit  breiten  rosa  Fingernägeln.  Fttsse 
kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 

Nr.  16.  Udjidji  20.  Juni  1897.  Masurumu,  25jähriger  Fischer  vom  Mbwari- 
Stamro,  aus  Kalamba;  gut  genährt.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und  Ober- 
arm (dunkel)chokoladenbraun.  Nicht  tättowirt.  Iris  schwarz;  Augen  rund,  gerade. 
Kopfhaar  schwarz,  weUig,  kraus;  Spuren  von  Kinn-  und  Schnurrbart.  Achsel  und 
Scham  behaart.  Kopf  kurz  und  schmal.  Gesicht  breit;  Stirn  niedrig  und  gerade; 
Wangenbeine  angelegt.  Nase  an  der  Wurzel  eingedrückt,  mit  flachem,  breitem 
Rücken,  schmaler  Scheidewand  und  grossen  Flügeln.  Lippen  voll  und  vortretend. 
Zähne  gerade,  von  weisser  Farbe;  nicht  befeilt.  Ohrläppchen  klein,  nicht  durch- 
bohrt. Brüste  oval  (wie  bei  Nr.  7),  nait  kleiner  Warze  und  kleinem  Warzenhof.  — 
Nicht  beschnitten.  —  Waden  dünn,  aber  muskulös.  Hände  lang  und  schmal;  Nägel 
rosa.    Füssc  kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 

Nr.  17.  Udjidji,  25.  Juni  1897.  Ngajakka,  35jähriger  Mann  vom  Mdjidji- 
Stamni,  aus  Mganza;  gut  genährt.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und  Ober- 
arm chokoladcnbraun  (im  Gesicht  heller).  Tätto  wirung:  eine  Reihe  ^t  ^  aa 
auf  dem  Bauche.  Iris  schwarz;  Augen  rund,  gerade.  Kopfhaar  ^ 
schwarz,  wellig,  kraus;  Bart  an  Kinn,  Backen  und  Oberlippe.  Achsel  und  Scham 
behaart.  Kopf  lang  und  schmal.  Gesicht  hoch  und  schmal;  Stirn  hoch  und 
gerade;  Wangenbeine  angelegt.  Nase  an  der  Wurzel  etwas  eingedrückt,  mit 
breitem  Rücken,  breiter  Scheidewand  und  grossen  Flügeln.  Lippen  voll  und  vor- 
tretend. Zähne  gerade,  von  massigem  Aussehen,  weissgelb;  Feilung  in  dieser  Form: 
^  Ohrläppchen   nicht  durchbohrt    Brüste  flach,  rund,   mit  ganz  kleiner 

\^/\ j      Warze  und  rundem  Warzenhof.  —  Nicht  beschnitten.  —  Waden  kräftig. 

Hände   kurz   und   breit,    mit   rosa   Nägeln.     Füsse    kurz    und    breit; 
längste  Zehe  I. 

Nr.  18.  udjidji,  25.  Juni  1897.  Kitoe  oder  Kiboboa,  27jähriger  Mann 
vom  Mdjidji- Stamm,  aus  Nkalinsi;  gut  genährt.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange, 
Brust  und  Oberarm  chokoladcnbraun.  Nicht  tättowirt.  Iris  schwarz;  Augen  rund, 
gerade.  Kopfhaar  schwarz,  wolbg,  kraus;  Backen-,  Kinn-  und  Schnurrbart  vor- 
handen. Achsel  und  Scham  behaart  Kopf  kurz  und  schmal.  Gesicht  niedrig 
and  rund;  Stirn  hoch  und  gerade;  Wangenbeine  angelegt  Nase  mit  eingedrückter 
Wurzel,  breitem  Rücken,  schmaler  Scheidewand  und  grossen  Flügeln.  Lippen 
voll  und  vortretend.  Zähne  gerade,  von  feinem  Aussehen,  weiss;  ohne  Feilung. 
Ohrläppchen  klein,  nicht  durchbohrt  Brüste  oval  (wie  bei  Nr.  7),  mit  vortretender 
Warze  und  kleinem  Warzenhof.  —  Nicht  beschnitten.  —  Waden  muskulös.  Hände 
breit  und  kurz,  mit  rosa  Nägeln.    Füsse  kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 


(566) 


Nr.  19.  Udjidji,  25.  Juni  1897. 
Ssekanoa,  27 jähriger  Händler  Tom 
Mdjidji-Stamin,  aus  Kungu;  gut  ge-  xJvv;:?^-:?^^:?^ 
nährt.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  ^^^^^^ 
Brust    und    Oberarm    dunkelbraun.     :._-.v.v..v- :.::... 

Tätto  wirung: 

a)  auf  dem  Bauche ; 


ffW.'M'.üf. 
ootnntiniit 

»      •      »     «     '     * 

b)  auf  der  rechten 
Rückenhäifte  j| 
(Narben). 


Iris  schwarz;  Augen  rund,  gerade.  Kopfhaar  scjmarz,  wellig,  kraus;  Bartwuchs 
an  Kinn  und  Oberlippe.  Achsel  und  Scham  benaart.  Kopf  kurz  und  schmaL 
Gesicht  hoch  und  schmal;  Stirn  hoch  und  gerade;  Wangenbeine  angelegt.  Nase 
an  der  Wurzel  eingedrückt,  mit  breitem  Rücken  und  grossen  Flügeln,  die  Scheide- 


wand  so: 


(#%) 


Lippen    voll    und    vortretend.     2iähne    gerade,    ron 


massigem  Aussehen,  weiss;  Feilung  der  oberen  Vorder-Schneidezähne  so :      /    X   \ 
Ohrläppchen  klein,  nicht  durchbohrt  Brüste  rund,  mit  kleiner,  anliegender      L/  ^J 
Warze  und  flachem,  kleinem  Warzenhof.  —  Nicht  beschnitten.  —  Waden  dünn,  aber 
muskulös.     Hände  kurz  und  breit,   mit  rosa  Fingernägeln.     Füsse  kurz  und  br^; 
längste  Zehe  I. 

Nr,  20.  Cdjidji,  25.  Juni  1897.  Nairola,  SOjähriger  Mann  vom  Mdjidji- 
Stamm,  aus  Mrangala;  in  gutem  Ernährungszustände.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange, 
Brust  und  Oberarm  chokoladenbrann.  Keine  Tättowirung.  Ins  schwarz;  Augen 
rund  und  gerade.  Kopfhaar  schwarz,  wellig,  kraus;  Bart  an  Kinn  und  Obeiiippe: 
Achsel  und  Scham  behaart  Kopf  kurz  und  schmal.  Gesicht  niedrig  und  breit; 
Stirn  niedrig  und  gerade;  Wangenbeine  angelegt.  Nase  mit  eingedrückter  WorseL 
breitem  Rücken,  breiter  Scheidewand  und  grossen  Flügeln.  Lippen  voll  und  vor- 
tretend. Zähne  gerade,  von  feinem  Aussehen,  weiss;  ohne  Feilung.  Ohrläppchec 
nicht  durchbohrt  Brüste  cylindrisch,  mit  vortretender  Warze  und  kleinem,  ovalem 
Warzenhof.  —  Nicht  beschnitten.  —  Waden  dünn,  aber  muskulös.  Hände  ku« 
und  breit,  mit  rosa  Fingernägeln.     Füsse  kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 

Nr.  21.  Udjidji,  25.  Juni  1897.  Kajumba,  40jähriger  Mann  vom  Mdjidji- 
Stamm,  aus  Kaware;  gut  genährt  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brost  und  Ober- 
arm chokoladenbrann,  hell.  Ohne  Tättowirung.  Iris  schwarz;  Augen  rund,  gerade. 
Kopfhaar  schwarz,  wellig,  kraus:  Bart  an  Kinn  und  Oberlippe.  Achsel  und  Scham 
behaart  Kopf  kurz  und  schmal.  Gesicht  hoch  und  schmal:  Stirn  hoch  ood 
gerade;  Wangenbeine  angelegt.  Nase  mit  eingedrückter  Wurzel,  breitem  Rücken, 
breiter   Scheidewand    und   grossen    Flügeln.     Lippen  voll  und  vortretend.    Zähne 


I. 

Kopftnaasse 

in  Millimetern. 

stamm: 

Mwinsa 

Mbwari 

Nummer  der  Aufnahme- 
bl&tter  und  Namen: 

1 

0       1 

Ussolo 

1 
0 

C          ^  es 

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I.        1 

174      182  ' 

3. 

170 

4,5. 

§. 

7. 

19<> 

». 

Grösste  L&ngo 

11)5      175 

187 

176 

1^ 

Grösste  Breite  .... 

• 

142      144 

151 

150     185 

140 

14i» 

145 

14T 

Ohrhohe 

• 

127      104 

124 

120     115 

120 

126 

I4H 

lJi<» 

(5(57) 


gerade,  von  massigem  Aussehen,  gelblich;  nicht  befeilt.  Ohrläppchen  nicht  durch- 
bohrt Brüste  rond,  mit  kleiner  Warze,  Warzenhof  wie  bei  Nr.  7.  Waden  dünn. 
Hände  lang  und  schmal,  mit  rosa  Nägeln.    Füsse  lang  und  schmal;  längste  Zehe  I. 

Nr.  22.  üdjidji,  28.  Juni  1897.  Rugarri,  35jähriger  Mann  vom  Mdjidji- 
Stamm;  aus  Ralinsi;  sehr  gut  genährt  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und 
Oberarm  chokoladenbraun.  Ohne  Tättowirang.  Iris  schwarz;  Augen  rund,  gerade 
stehend.  Kopfhaar  schwarz,  wellig,  kraus;  Kinn-  und  Backenhart  vorhanden.  Achsel 
und  Scham  behaart.  Kopf  lang  und  schmal.  Gesicht  hoch  und  schmal,  mit  hoher 
Stirn  und  angelegten  Wangenbeinen.  Nase  mit  eingedrückter  Wurzel,  breitem  Rücken, 
breiter  Scheidewand  und  breiten,  grossen  Flügeln.  Lippen  voll  und  vortretend. 
Zähne  gerade,  von  massigem  Aussehen,  weiss ;  Feilung  am  rechten  oberen  Schneide- 
zahn (wie  bei  Nr.  17).  Ohrläppchen  klein,  nicht  durchbohrt.  Brüste  cylindriscb, 
vortretend,  mit  kleiner  Warze  und  ovalem  Warzenhof  (wie  bei  Nr.  7).  —  Nicht  be- 
schnitten. —  Waden  dünn,  aber  muskulös.  Hände  lang  und  schmal,  mit  rosa  Nägeln. 
Füsse  kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 

Nr.  23.  Udjidji,  2.  Juli  1897.  Tschuba,  19jährige  Frau  vom  Mdjidji- Stamm, 
aus  Mohassa;  gut  genährt.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange,  Brust  und  Oberarm  choko- 
ladenbraun. Schöne  Tättowimng.  Iris  schwarz;  Augen  rund  und  gerade  stehend. 
Kopfhaar  schwarz,  wellig,  kraus.  Achsel  und  Scham  behaart  Kopf  kurz  und 
schmal.  Oesicht  niedrig  und  breit,  mit  niedriger  gerader  Stirn  und  aqgelegten 
Wangenbeinen.  Nase  mit  eingedrückter  Wurzel,  l)reitem  Rücken,  breiter  Scheide- 
wand und  kleinen  ^^^  ^^  Flügeln.  Lippen  voll  und  vortretend.  Zähne 
von  weisser  Farbe ;  (^^  ^^J  zwischen  den  mittelsten  oberen  Schneidezähnen 
von  Geburt  an 
Ohrläppchen  nicht  durchbohrt. 

Hände    lang   und       rTXTl         schmal.  Füsse 


eine  breite  Lücke  /    V    \  I    1    \  (^^"®  Feilung). 
Brüste  rund,    mit  ^ — ^— ^  ^ — * — '      herabhangen- 


der Warze.   —    Waden  dünn, 
kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 

Nr.  24.  üdjidji,  2.  Juli  1897.  Njabunue,  1 8jährige  Frau  vom  Mrundi-Stamm 
(Geburtsort  vergessen);  in  gutem  Ernährungszustande.  Hautfarbe  an  Stirn,  Wange, 
Brust  und  Oberarm  hell  chokoladenbraun.  Reichliche  Tätto wirung.  Iris  schwarz; 
Augen  rund,  gerade  stehend.  Kopfhaar  schwarz,  wellig,  kraus;  kein  Bart  Achsel  und 
Scham  behaart  Kopf  kurz  und  schmal.  Gesicht  hoch  und  schmal,  mit  niedriger,  gerader 
Stirn  und  angelegten  Wangenbeinen.  Nase  an  der  Wurzel  eingedrückt,  mit  br^tem 
Rücken,  schmaler  Scheidewand  und  kleinen  Flügeln.  Zähne  gerade,  weiss;  die  Spitzen 
der  befeilten  obe-  .  u  jl  x.  .  renVorder-Schneidezähne  reichen  über  die  unteren 
Zähne.  Ohrläpp- (l^—]r\J^  chcnnicht  durchbohrt  Brüste  rund, mitcylindrischer 
langer  Warze  und  \  N  M  /i  /  vollem  Warzenhof.  —  Waden  dünn.  Hände  schmal 
und  lang,  mit  rosa  Fingernägeln.  Füsse  kurz  und  breit;  längste  Zehe  I. 


I.   Kopftnaasse  in  Millimetern. 


Mbwari 

Mdjidji 

Ma- 
rungu 

Mrun- 
di 

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Penda- 
kusaÜri 

Kitanda 
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5  h  O       ,    O        H          P 

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Rugarri 

Tschuba 

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13.   1    14. 

15.       1§. 

17.'    18.        It.    20.    tl. 

21 

28^ 

II. 

21. 

164 

185 

176     178     18()  1  185 

190     195      186    1851195 

188 

175 

162 

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186 

140 

153     135     145     148 

135     135      135    135   136 

143 

145 

138 

144 

186 

145 

150     145 

145  ^   156 

135 

145      140    130   135 

140 

136 

134 

144 

(568) 


Stamm: 

Nnmmer  der  Aafaahme- 
blfttter  und  Namen: 


Mbwari 


Stimbreite 

Oesicbtshöhe  A 

B 

Mittelgesicht 

Gesicbtsbreite  a) 

b) 

c) 

Distanz     der    inneren    Augen- 
winkel  

Difitani   der   äusseren    Augen- 
winkel      

Nase,  Höhe 

.    ,  L^nge 

«    ,  Breite 

Mund,  Länge 

Obr,  Höhe 

Entfernung  des  Obrloches  von 
der  Nasenwurzel 

Horizontalumfang  des  Kopfes  . 


128 

174 

118 

76 

116 
105 


112 

167  \ 

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122  ' 


180  I  115 

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115 
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145 
120 


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105 

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57 

55 

54 

117  1118      125 
520    550    '  540 


110 
60 
60 
60 
70 
70 

180 
580 


95 
50 
55 
40 
50 
60 

112 
540 


110 

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40 
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120 
75 
155 
125 
106 

86 

110 
50 
60 
40 
52 
65 

125 

580 


Längenbreitenindex 
Ohrhöhenindex  .   . 
Gesicbtsindex    .   . 


Berechnete  Indices. 

81,6'  79,1     88,8    76,9 ,  77,1   74,9 


78,0;  57,1     72,9  I  61,5    65,7 
—  '  46,1  ?|  89,9    88,5  100,0 


64,2 
84,0 


n.  Ktfrpermaasse  in  Millimetern. 


Ganze  Höbe 

Klaftenv'eitc 

Höbe,  Kinn 

^   ,  Schulter  .... 

.  ,  Ellenbogen     .   . 

..  ,  Handgelenk    .   . 

^  ,  Mittelfinger    .   . 

•   ,  Nabel 

„   ,  Crista  ilium    .   . 

r   ,  Symphysis  pubis 

^  ,  Trocbanter  .  .  . 
Pateüa 


"      7 


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78 
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37 

52 
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80,0  76,8  89,1 
71,4  j  7.%7  !  90,9 
77,8   77,4   80,O 


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1740 

1640 

1680 

1780 

1710 

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1650 

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1670 

1450 

1470 

1430 

1650  1  1470 

1420 

1440 

1580 

1460 

1800 

1415 

1870  1460  1555 

1400 

1355 

1400 

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760 

770 

760 

530  600 

580  620  555  560 

590 

610 

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(569) 


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95 

115 

115;  115 

;  a5 

98 

105 

80 

82 

80 

80 

87 

36 

31 

30 

ao 

30}  30  30 

25 

81 

32 

95 

;  95 

KK) 

102 

100 

102 

106 

;  100 

104 

100  1 105  107 

95 

108 

102 

60 

;  5i) 

60 

60 

60 

46 

60 

54 

68 

65  60  .58 

47 

52 

53,5 

36 

!  42 

40 

46 

40 

84 

46 

40 

60 

48  45 :  48 

;  45 

42 

53^ 

40 

.  42 

85 

1  4(1 

45 

41 

46 

43 

46 

37  40 ;  47 

35 

46 

39 

48 

52 

60 

62 

60 

60 

60 

60 

64 

55  I  60  1  .53 

1  45 

59 

49 

56 

62 

62 

,  60 

'  51 

58 

60 

73 

66 

60  j  60  (iO 

i  52 

1 

.56 

60 

112 

120 

110 

116 

115 

119 

116 

120 

120 

102 

115 

139 

1 

105 

123 

110 

58i) 

560 

550 

1 

540 

■  560 

666 

650 

666 

646 

550 

570 

600 

.525 

540 

550 

Berechnete  Indices. 


82,9     76,7  !  86,9    7.5,8     80,6 1 80,0 


82,9 !  78,4 
82,7  160,0? 


86,2  I  81,5  ;  80,6  84,3 
a5,a  146,7?   75.0  87,a 


71,li  69,2  '  72,6  l  73,0  69,7  76,1  82,9 
71,l'  74,4  76,3  •  70,3  69,2J  74,6;77,7 
90,2    a5,2  103,8   a5,2  %,a!  97,076,0 


8.5,2 
82,7 
82,1 


1690  1650 
1710  1760 
1500  1430 


1400 


181K) 


1040  1000 
810  750 


680 
1020 
980 
880 
880 
520 


600 
970 
950 
820 
870 
470 


tl680 
1670 
1460 
I188O 
11080 
'  770 
600 
060 
950 
790 
840 
480 


VmO 

1610 

1340 

1270 

060 

740 

570 

940 

920 

780 

820 

470 


n.  Kdrp 

1610'  1600 
1720  16,50 


1890 

1320 

960 

700 


i:WO 

1310 
•KX) 
700 


biiO\   545 


940 
930 
826 
835 
470 


960 

9.ao 

800 
800 
44K) 


ermaasse 

1730  U>80 

18ao;  1830 

t.'ilO  1440 

1460:  IS.^) 

1080  1080 

71K)  760 

6.a0  580 

ICiO  1036 

1060  1020 

880  875 

930  830 

.500  4iH) 


in  Millimetern. 


1720.1620 
1770  1780 


1800, 
1880 


1485 :  18901 16*K)| 

1440'i:^0Jl510j 

1100  1020!  1160 

]    800  i  690|  870 

im  \  .520   690 


970 
960 


1100 
1070 


1060 

1080 
880'  825j  930 
890  my  930 
4*K)    470'  620 


7.H,i  ' 

73,1 

82,8 


I7:u)| 

-1 

1550 

1830, 1<^ 

1620 

1540 

1875 

1880 

14101840 

1270 

1070  1000 

1 

970 

780'  740 

1 

im 

600  370 

560 

1020 

980 

950 

1030 

960 

900 

860 

810 

790 

880 

860 

790 

480 

470 

440 

1640 

1600 

1850 

1270 

960 

780 

5Ö0 

900 

900 

77Ö 

820 

430 


(570) 


Stamm: 

Nummer  der  Aafnahme- 
blätter  und  Namen: 


Mwinsa. 


Mbwari 


Hdbe,  Malleolus  extern.. 

„    ,  im  Sitzen,  i        | 
Scheit«!  (  nbor  I . 

j  dem  ' 

r,    ,  im  Sitzen,  |  siu  | 
Schalter  I        I . 

Schulterbreite 

Brustumfang 

Hand,  Länge  (Mittelfinger) 

^    .Breite  (Ansatz  der 
4  Finger) 

Fuss,  Lftnge 

„   ,  Breite 

Oberschenkel,  grösater 
Umfang 

Wade,  grösster  Umfang  . 


55 

80 

1 

1090 

1030 

710 

760 

.320 

400 

750 

940 

180 

180 

80 

90 

250 

250 

ÜO 

105 

450 

490 

290 

:520 

1070  12(X)  (1060  11140 


740    880 


B80 
850 


490 
980 


160;  11t) 

I 

90  100 

24o!  240 

110  110 


440    :iOü 
290i    155? 


760;  870 
860,  400 

I 

850  I  770 
100!  100 


85 
240 
100 

480 
340 


IK) 
240 
100 

430 

290 


0 

e6 
OQ 


76 

1050,    1110       1100       lOöo 


770 

:580 


780 


720 

a7o 


860  900^75  870-a30 

i5o;  160  im 

80  80  76   \ 

230i  260  220   \ 

8oi  100  80 

440  510  500 

29o'  340  :uo 


7»> 

H70 

880-860 

170 

8(» 
244> 

1(15 

491  > 


Hr.  Rud.  Virchow:  Aus  den  Angaben  des  Hm.  Ramsay  ergiebt  sich,  dass 
unter  den  24  gemessenen  Personen  nur  2  Wdiber  waren,  von  denen  die  eine  eine 
Hdjidji,  die  andere  eine  Mrundi  war.  Von  den  22  Männern  waren  6  Salzkocher 
von  dem  Stamme  Mwinsa,  9  Fischer,  bezw.  Träger  oder  Bootsleute  aus  dem 
Stamme  Mbwari;  ein  Fischer  war  seines  Stammes  ein  Marungu,  6  Leute,  ron 
denen  nur  bei  einem  die  Beschäftigung  (Händler)  angegeben  ist,  gehörten  nach 
Udjidji.  Ueber  die  etwaigen  Beziehungen  der  Stämme  unter  einander  ist  nichts 
gesagt  " 

Ich  habe  nach  den  Ton  Hm.  Ramsay  angeführten  Zahlen  fär  Länge  und 
Breite  des  Kopfes  die  Indices  nochmals  berechnet: 

.    81,6      Nr.  18.    Mbwari,  Fischer mß 


Nr.  1.  Mwinsa,  Salzkocher 

»  2.          „                 „ 

B  ^»                 »                              » 

n  ^»               1t                           n 

»«  "•               »                          n 

„  7.  Mbwari,  Fischer 

»  8.          „             „ 

«10. 


7«,I 

88,8 

76,9 

77,1 
74,9 

80,0 
76,3 
89,1 
82,9 
85,2 
75,7 


14. 
16. 
16. 
17. 
18. 
19. 
20. 
21. 
22. 
28. 


Träger TM 

„        Bootsmann 80^ 

Fischer 80,0 

M^jidji,  $ 71,0 

n            Z «W 

Händler 7%B 


2 


24.    Mrandi   ^ 


11.  Marungu,  Fischer, 

12.  Mbwari,  Fischer 

Damach  wären: 

brachycephal 9  Männer,  1  Weib  (Mdjidji) 

mesocephal 7        ^  — 

dolichocephal 6        .,  1  Weib  (Mrundi). 


7%» 
693 

9iß 


(571) 


Mbwari 


CS 


12. 


c8cS 
S  " 

13. 


§Ä 


14.    I      15. 


(](h       &5 


60 


70 


cn  0 


1080     1126   '    1070       1060       1070 


740 
380 
870 
160 

240 
100 

520 
:«o 


810    I      730         7.T0 

:^55   j     340        370 

890-860  850-806  860-840! 


180 

80 
260 
lOO 

480 
320 


160 

80 

240 

90 

440 

880 


160 

85 
250 
100 

580 
310 


710 

:uo 

880-8001 
160 

80 
220 
1(K) 

450 
295 


70 


Mdjidji 

Ma- 

rungu 

Kitoe  od. 
Kiboboa 

Sse- 
kanoa 

Nairola 

B 

es 

Rugarri 
Tschuba 

1 

03 
'VS   et 

1  18. 

19. 1  2t. 

21. 

1*     ^1 

11. 

Mrun- 
di 


ff 

OS  0) 

24. 


60i     65'     70 


60     80)     60 


1100       1125illl5ll0Ho!ll«0 1180 1066 


810  770 

410  420 

926  890 

180r./170lj  180 


800   770|  810 

mi  400:  890 


800|  791 
460!  370 


810|  840   870   90O'  760  880-8801 
18o'  170,  180    1*K)    175 


95 
260 

470 

aso 


90 
270 

100 

480 


90     HO     90.     95!     85 


240   270,  270;  285 


70 


1050 


260 


100     90    KX)    KXV     95 


4öOi  4401  450;  475 


495 


3lOi  .310'  800   320!  :MK) 


60 


1020 


740 

730 

370 

860 

0-880 

810 

160 

160 

«0 

75 

280 

230 

100 

90 

460 

450 

300 

80O 

Dieses  Ergebniss  stimmt  mit  dem  des  Hrn.  Hose  mann  (8.  426)  einigermaasen 
überein.  Freilich  hat  Hr.  Ramsay  über  den  von  ihm  verwendeten  Maassstab 
nichts  gesagt,  indess  liegt  kein  Omnd  vor,  die  Richtigkeit  seiner  Rechnung  zu  be- 
zweifehi.  Darnach  wäre  auch  das  Urtheil  über  die  Resultate  des  Hm.  Hösemann 
zu  corrigiren. 

Hier  erhalten  wir  aber  eine  wichtige  Erklärung  in  der  Staromesverschiedenheit. 
Sämmtliche  Dolichocephalen  des  Hrn.  Ramsay,  mit  Ausnahme  eines  Mwinsa 
(Nr.  6)  und  einer  Mrundi  (Nr.  24),  waren  ans  üdjidji  selbst;  unter  den  Mbwari 
dagegen  sind  6  Brachy-  und  3  Mesocephalen ;  unter  den  Mwinsa  zähle  ich 
2  Brachy-,  3  Meso-  und  1  Dolichocephalen.  Es  würde  also  Gegenstand  weiterer 
Ermittelung  sein  müssen,  diese  Angelegenheit  weiter  zu  verfolgen. 

Ich  bemerke  noch,  dass  8  Männer  als  beschnitten  aufgeführt  werden, 
darunter  7  Mbwan  und  1  Marungn;  sämmtliche  Mwinsa-  und  Udjidji-Männer  waren 
nicht  beschnitten. 

Die  Feilung  der  oberen  mittleren  Schneidezähne  ist  bei  11  Männern  und 
den  beiden  Mädchen  erwähnt  Als  nicht  gefeilt  werden  aufgeführt  2  Mwinsa, 
5  Mbwari,  1  Marungn  und  3  Wadjidji. 

Hieraus  dürften  sich  weitere  Anhaltspunkte  für  die  Abstammung  ableiten 
lassen,  znmal  wenn  die  Tättowirungen  in  nähere  Betrachtung  genommen 
werden.  — 


(30)   Neu  eingegangene  und  erworbene  Schriften: 

1.  Conwentz,  H.,  Die  Moorbrücken  im  Thal  der  Sorge.  Mit  10  Tafeln  und 
26  Textfiguren.  Danzig  1897.  (Abhandlungen  zur  Landeskunde  der  Pro- 
vinz Westpreussen  X.)    Gesch.  d.  Verf. 


(572) 

2.  May,  M.,  Sind  die  fremdartigen  Ortsnamen  in  der  Provinz  Brandenburg  und 

in  Ostdeutschland  slavisch  oder  germanisch?  Frankfurt  a.  II.  1897.    G^esch. 
d.  Verf. 

3.  Preuss,  R.  Th.,  Künstlerische  Darstellungen  aus  Kaiser -Wilhelms -Land  in 

ihrer  Bedeutung  für  die  Ethnologie.     Berlin  1897.    (Zeitschr.  f.  Ethnol.) 
Gesch.  d.  Verf. 

4.  Buschan,  G.,  Metopismus.     Wien  1897.     (Real-Bncyclopädie  der  gesammten 

Heilkunde.) 

5.  Derselbe,  Die  28.  allgemeine  Versammlung  d.  Deutschen  Anthropol.  Gesellsch. 

in  Lübeck  vom  3.  bis  6.  August  1897.     (Gentralbl.  für  Anthrop.,    Ethnol. 
und  Urgeschichte.) 

Nr.  4  u.  5  Gesch.  d.  Verf. 

6.  Pantussow,   N.  N.,   Mittheilungen  über  das  Territorium  von  Kuldscha  tou 

1871—1877.    Kasan  1881.    (Russisch.)    Gesch.  d.  Verf. 

7.  Weber,    F.,    Germanische    Reihengräber   in    Oberbayem.     München    1897. 

(Correspondenzbl.  d.  Deutsch.  Anthrop.  Ges.) 

8.  Derselbe,    Bericht   über   neue   vorgeschichtliche   Funde   in  Bayern.     Für  die 

Jahre  1894 — 1896  zusammengestellt    München  1897.    (Beiträge  z.  Anthr. 
und  Urgesch.  Bayerns.) 

9.  Derselbe,   Die  Hügelgräber  auf  dem   bayerischen  Lechfeld.    München  1897. 

(Beitr.  zur  Anthrop.  und  Urgesch.  Bayerns. 
Nr.  7—9  Gesch.  d.  Verf. 

10.  Treichel,  A.,   Vier  Aufsätze  zur  Volkskunde  aus  den  Verhandl.  d.  Berliner 

Anthrop.  Ges.,  den  „Blättern  fUr  Pommerische  Volkskunde^,  dem  „Urquell*^ 
und  der  Altpr.  Monatsschrift    Gesch.  d.  Verf. 

11.  Giuffrida-Ruggeri,  V.,  Un  osso  zigomatico  tripartito  e  altre  rare  anomalie. 

Reggio-Emilia  1897.     (Estr.  Rivista  Sperimentale  di  Freniatria.)    Gesch. 
d.  Verf. 

12.  Hirth,  F.,  Ueber  die  einheimischen  Quellen  zur  Geschichte  der  Chinefidschen 

Malerei  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zum  14.  Jahrhundert    München  1897. 
(XI.  Internat  Orientalisten-Congress,  Paris«)    Gesch.  d.  Verf. 

13.  Mies,   J.,    Quelques  points  sur  la  longueur,  1e  poids  absolu,  le  volome  et  le 

poids  speciftque  du  corps  humain.    o.  O.  u.  J.     (Congres  international  de 
Moscou  1897.) 

14.  Derselbe,  Ueber  das  Verhältniss  des  Hirn-  zum  Rückenmarkgewicht,  ein  Unter- 

scheidungsmerkmal zwischen  Mensch  und  Thier.    Berlin  1897.    Deutsche 
Medicinische  Wochenschrift.) 
Nr.  13  u.  14  Gesch.  d.  Verf. 

15.  Berg,    C,   Memoria  del  Museo  Nacional  correspondiente  al  ano  1894.    Das- 

selbe ftir  1895  und  1896.    Buenos  Aires  1897.    Gesch.  d.  Verf. 

16.  V.  Schulenburg,    W.,    Alterthümer   aus   dem  Kreise  Teltow.     Beriin  1H97. 

(Brandenburgia  4.)    Gesch.  d.  Verf- 

17.  Kossinna,   G.,   Die   ethnologische   Stellung   der  Ostgermanen.    Bonn  18^6. 

(Indogermanische  Forschungen  VU.) 

18.  Derselbe,   Referat  über:    Bericht  über  die  Erforschung  des  obergemumisch- 

rhätischen  Limes  von  F.  Hettner.    Berlin  1897.    (Anzeiger  f.  deutsches 
Alterthum  und  deutsche  Litteratur  XXIII.) 
Nr.  17  u.  18  Gesch.  d.  Verf. 

19.  Krzywicki,   L.,    Kurs  systeroatyczny  Antropologü     1.  Rasy  fizyczne.     War- 

szawa  1897.     Gesch.  d.  Verf. 


(573) 

20.  Bartels,  P.,  Ueber  Geschlechtsunterschiede  am  Schädel.    Berlin  1897.    Gesch. 

d.  Verf. 

21.  Ploss-Bartels,   Das  Weib.    5.  Auflage.     16.  und  17.  (Schluss-)  Lieferung. 

Berlin  1897.    Gesch.  d.  Verf. 

22.  Li  vi,  R.,  Dello  sviluppo  del  Corpo  in  rapporto  colla  professione  e  colla  con- 

dizione  sociale.     Roma  1897.     Gesch.  d.  Verf. 

23.  Grossi,  V.,  Nel  paese  delle  Amazzoni.  Roma  1897.    Gesch.  d.  Hm.  Virchow. 

24.  Eine  moderne  Feuerbestattung.    Berlin  1897.     Gesch.  d.  Vereins  für  Feuer- 

bestattung in  Berlin. 

25.  Observaciones  meteorologicas  de  San  Salvador.    Febrero  y  Marzo  1897.    San 

Salvador  (o.  J.).     Gesch.  des  Observatoriums  in  San  Salvador. 

26.  Festschrift  zur  XXVIII.  Versammlung  der  Deutschen  Anthropologischen  Ge- 

sellschaft.   Lübeck  1897.    Gesch.  d.  Lokal-Geschäftsführung. 

27.  Deininger,  J.  W.,  Das  Bauernhaus  in  Tirol  und  Vorarlberg.   Abth.  I.    Heft  6. 

Wien  0.  J.    Angekauft. 

28.  Cooper,   J.,    Informe   del  Museo  Nacional  de  Costa  Rica.     San  Jose  1897. 

Gesch.  d.  Museums  in  Costa  Rica. 

29.  Relaciones  geogrdficas  de  Indias.   Publicaeas  el  Ministerio  de  Fomento.    Peru. 

Tomo  IIL    Madrid  1897.    Gesch.  d.  Hm.  M.  Murillo  in  Madrid. 

30.  Hamy,    B.  T.,    Galerie   am^ricaine   du  Musee  d'ethnographie   du  Trocadero. 

Choix  de  pieces  arch^ologiques  et  ethnographiques.    1 .  partie.   Paris  1 897. 
Gesch.  Sr.  Excel  lenz  des  Duc  de  Loubat  in  Paris. 

31.  Compte-rendu    de   la  Commission  Imperiale  Archeologique  pour  1891 — 1894. 

St.  Petersbourg  1894—95.     4«.     (Russisch.) 

32.  Materiaux  pour  servir  ä  Tarcheologie  de  la  Russie,  publies  par  la  Commission 

Imperiale  Archeologique.    Nr.  20.    St.  Petersbourg  1896.    (Russisch.) 
Nr.  31  u.  32  Gesch.  d.  k.  archäol.  Commission  in  St.  Petersburg. 

33.  1866  bis  1896  Trei-deci  de  ani  de  domnie  ai  regelui  Carol  I.    Vol.  I  u.  II. 

Bucuresci  1897.    Gesch.  d.  Rumänischen  Akademie. 

34.  Deutschland   und   seine   Colonien   im   Jahre  1S96.*     Berlin  1897.     Gesch.  d. 

Arbeitsausschusses  der  Deutschen  Colonial-Ausstellung. 

35.  Bibliotheca  geographica    III.  Jahrg.      1894.      Berlin    1897.     Gesch.    d.    Hm. 

Lissauer. 

36.  Lenz,  R.,  EstudioH  Araucanos  IX.    Santiago  de  Chile  1897.   (Anal.  Universidad 

de  Chile.)    Gesch.  d.  Verf. 

37.  Virchow,    R.,   Die  Stellung  der  Lepra  unter  den  Infectionskrankheiten  und 

die  pathologisch-anatomische  Erfahrung.    Berlin  181)7.    (Lepra-Conferenz. 
I.  Bd.)    Gesch.  d.  Verf. 

38.  Mako  WS  ky,   A.,   Der  Löss  von  Brunn  und  seine  Einschlüsse  an  diluvialen 

Thieren  und  Menschen.    Brunn  1897.    (Verhandl.   d.    naturf.  Vereins  in 
Brunn.) 

39.  Derselbe,  Der  diluviale  Mensch  im  Löss  von  Brunn.    Wien  1892.    (Mitth.  d. 

Wiener  Anthropol.  Gesellschaft) 

40.  Derselbe,  Beiträge  zur  Urgeschichte  Mährens.    Wien  1896.    (Mitth.  d.  Wiener 

anthropol.  Gesellschaft.) 

41.  Derselbe,  Das  Rlünoceros  der  Diluvialzeit  Mährens  als  Jagdthier  des  paläo- 

lithischen  Menschen.    Wien  1897.    (Mitth.  d.  Wiener  Anthropol.  Gesellsch.) 

42.  Derselbe,  Die  Excursion  der  Anthropol.  Gesellschaft  nach  Brunn  vom  27.  bia 

29.  Mai  1897.     Wien  1897.    (Mitth.  d.  Wiener  Anthropol.  GesellschafL) 
Nr.  38—42  Gesch.  d.  Verf. 


(574) 

43.  Behla,  R.,  Die  Amöben,  insbesondere  vom  parasitären  und  calturellen  Stand- 

punkte.   Berlin  1898.    Oesch.  d.  Verf. 

44.  Moore,  A.  W.,  and  J.  Beddoe,  Physical  Anthropology  of  the  Isle  of  Man. 

London  1897.    (Joum.  Anthrop.  Institute.)    Gesch.  d.  Verf. 

45.  Seidel,  H.,    Der  Yew'e-Dienst  im  Togolande.    Berlin  1897.    (Zeitschrift  für 

afrikanische  und  oceanische  Sprachen.   III.) 

46.  Derselbe,  Instruction  für  ethnographische  Beobachtungen  und  Sammlungen  in 

Togo.    Berlin  1897.    (Mitth.  aus  den  deutschen  Schutzgebieten.   X.) 

47.  Derselbe,  Krankheit,  Tod  und  Begräbniss  bei  den  Togo-Negern.    Braunschweig 

1897.    (Globus.   LXXII.) 
Nr.  45—47  Gesch.  d.  Verf. 

48.  Stieda,   L.,   Referate   aus   der  Russischen   Literatur.    (Abhandlungen,    den 

Raukasus  betreffend.)    Braunschweig  1897.    (Arch.  f.  Anthropol.)    Gesch. 
d.  Verf. 

49.  y.  Andrian,  F.,  Die  kosmologischen  und  kosmogonischen  Vorstellungen  primi- 

tiver Völker.    München  1897.   (CJorresp.  d.  Deutsch.  Anthropol.  Gesellsch.) 
Gesch.  d.  Verf. 

50.  Dorsey,  G.  A.,  A  sexual  study  of  the  size  of  the  articular  surfaces  of  the 

long  bones  in  Aboriginal  American  Skeletons.  —  A  rare  form  of  Occipito- 
Atlantical  articulation.     Boston  1897.     (Boston  Medic.  and  Surg.  Journal.) 

51.  Derselbe,    A   Peruvian   cranium    with    suppressed   upper   lateral   incisors.  — 

Notes  on  the  numerical  variations  of  the  teeth  in  fifteen  Peruvian  skulls. 
0.  0.  1897.     (Dental  Cosmos.) 

52.  Derselbe,    Observations  on   the  Scapulae   of  Northwest  Coast  Indians.    o.  O. 

1897.     (American  Naturalist.) 

53    Derselbe,  Physical  Antbropology.    o.  O.  1897.    (Science.) 
Nr.  50—53  Gesch.  d.  Verf. 

54.  Fiala,  F.,  Die  Ergebnisse  der  Untersuchung  prähistorischer  Grabhügel  auf 
dem  Glasinac  im  Jahre  1895.  —  Ausgrabungen  auf  dem  Debelo  Bi^do  bei 
Serajevo  im  Jahre  1894.  —  Beiträge  zur  römischen  Archäologie  der  Herce- 
govina,  —  Viola  Beckiana  N.  Sp.  —  Römische  Brandgräber  bei  Rogatica. 
Wien  1897.  (Wissensch.  Mitth.  aus  Bosnien  und  der  üercegovina.  V.  Bd.) 
Gesch.  d.  Verf. 


i 


f575) 

El  ultüno  adios 

von  Don  Jos^  Rizal. 

Adios,  patria  adorada,  region  del  sol  qaerida, 
Perla  del  mar  de  Oriente,  nuestro  perdido  Eden 
A  darie  voy  alegre  la  triste  mustia  vida; 
Si  fnera  mas  brillante,  mas  fresca,  mas  florida, 
Tambien  por  ti  la  diera,  la  diera  por  tu  bien. 

En  campos  de  batalla  Incbando  con  delirio 
Otros  te  dan  sos  yidas,  sin  dudar,  sin  pensar; 
El  sitio  nada  importa:    cipres,  laurel  6  lirio, 
Cadalso  6  campo  abierto,  combate  ö  cruel  martirio, 
Lo  mismo  es,  si  lo  piden  la  patria  y  el  bogar. 

Yo  muero  cuando  veo  que  ei  cielo  se  colora, 

Y  al  fin  anoncia  el  dia  tras  löbrego  cariz. 
Si  grana  neeesitas  para  tenir  tu  aurora, 
Vierte  la  sangre  mia,  derramala  en  baen  bora, 

Y  dasela  un  reflejo  de  tu  naciente  luz. 

Mis  suenos,  cuando  apenas  mucbacho  adolescente, 
Mis  suenos,  cuando  joven  ya  Ueno  de  vigor, 
Fueron  al  verte  un  dia,  joya  del  mar  de  Oriente, 
Secos  los  negros  ojos,  alte  la  tersa  frente, 
Sin  ceno,  sin  arrugas,  sin  mancbas  de  rubor. 

Ensueüo  de  mi  vida,  mi  ardiente  vivo  anhelo, 
Saludl    te  grita  el  alma,  que  pronto  va  ä  partir. 
Salud,  eb!    que  es  bermoso  caer  por  darte  vuelo, 
Morir  por  darte  yida,  morir  bajo  tu  cielo, 

Y  en  tu  encantada  tierra  la  eternidad  dormir. 

Si  sobre  mi  sepulcro  yieras  brotar  un  dia 
Entre  la  espe^a  yerba  sencilla  humilde  flor, 
Acercala  a  tus  labios,  que  es  flor  del  alma  mia, 

Y  sienta  yo  en  mi  frente,  bajo  la  tumba  fria 
De  tu  temura  el  soplo,  de  tu  bälito  el  calor. 

Deja  a  la  luna  verme  con  luz  tranquila  y  suave, 
Deja  que  e\  alba  enrie  su  resplandor  fugaz, 
Deja  gemir  al  viento  con  su  mormullo  grave, 

Y  si  desciende,  y  posa  sobre  mi  cruz  un  ave, 
Deja  que  el^ave  entone  un  cäntico  de  paz. 

Deja  que  el  sol  ardiendo  las  lluvias  evapore, 

Y  al  cielo  tornen  puras  con  mi  clamor  en  pös. 
Deja  que  un  ser  amigo  mi  fln  temprano  llore, 

Y  en  las  serenas  tardes  cuando  por  mi  alguien  ore, 
Ora  tambien,  oh  Patria,  por  mi  descanso  d  Dios. 


(576) 

Ora  por  todos  caantos  murieron  sin  Ventura, 

Por  caantos  padecieron  tormento  sin  igual, 

Por  nnestras  pobres  madres,  que  gimen  sa  amargnra, 

Por  hnerfanos  y  vindas,  por  presos  en  tortora, 

Y  ora  por  ti,  que  veas  tu  redencion  ftnal! 

Y  cuando  en  noche  oscura  se  envnelve  el  cementerio 

Y  solo  los  muertos  quedan  velando  alli, 
No  tarbes  su  reposo,  no  torbes  el  misterio, 
Tal?ez  acordes  oigas,  citaras  6  salterio: 
Soy  yo,  querida  patria,  yo  que  canto  d  ti! 

Y  cuando  ya  mi  tumba,  de  todos  olridada, 

No  tenga  cruz  ni  piedra,  que  marquen  su  lugar, 
Deja  que  la  are  el  hombre,  la  esparza  con  la  azada; 

Y  mis  cenizas,  antes  que  7uel?an  d  la  nada, 
El  polvo  de  tu  alfombra  que  vengan  d  formar. 

Entonces  nada  importa  me  pongan  en  olvido, 
Tu  atmosfera,  tu  espacio,  tus  valles  cruzar^, 
Vibrante  y  limpia  nota  sere  para  tu  oido, 
Aroma,  luz,  colores,  rumor,  canto,  gemido 
Constante  repitiendo  la  creencia  de  mi  fei 

Mi  patria  idolatrada,  dolor  de  mis  dolores, 

Querida  Filipinas,  oye  el  postrer  adios 

Ahi  te  dejo  todo,  mis  padres,  mis  amores, 

Voy  ä  dö  no  hay  esclavos,  verdugos,  ni  opresores, 

Donde  la  fe  no  mata,  donde  el  que  reina  es  Dios. 

Adios,  padres  y  hermanos,  trozos  del  alma  mia, 
Amigos  de  la  infancia  en  el  perdido  hogar, 
Dad  gracias  que  descanso  del  fatigoso  dia. 
Adios,  dulce  estrangera,  mi  esposa,  mi  alegria, 
Adios,  queridos  seres,  morir  es  descansar. 


(577) 

Das  letzte  LebewoM 

von  Don  Jos^  Rizal. 
Uebersetzung  von  Dr.  Eduard  Seier. 

Leb  wohl,  geliebte  Heimath,  Du  Reich  der  goldnen  Sonne, 

Des  Ostmeers  leuchtende  Perle,  Torlornes  Paradies! 

Filr  Dich  das  traurige  Leben,  ich  gebe  es  mit  Wonne, 

Und  war  es  frisch  und  glanzToll,  ein  Blüthenquell,  roll  Wonne, 

Auch  dann  gab  ich  es  gerne,  für  die  Heimath  gern  ich's  Hess. 

Im  Rausch  entbrannter  Schlachten,  auf  blutgetränkten  Haiden, 
Sie  opfern  Dir  ihr  Leben,  ohn*  Zaudern,  ohne  Wahl. 
Der  Platz  thut  nichts  zur  Sache:   Lorbeer  und  Trauerweiden, 
Schlachtfeld  und  Blutgerüste,  im  Kampf,  im  Folterleiden, 
Pür's  Vaterland  wir  sterben,  da,  wo  es  uns  befahl. 

Ich  sterbe,  wenn  am  Moi^n  aus  dunklen  Wolkensälen, 
Nach  bangem  nächtigem  Grauen,  der  erste  Schimmer  bricht. 
Und  sollt'  der  Morgenröthe  ein  wenig  Purpur  fehlen, 
Giess  hin  mein  Blut  das  rothe,  lass  ihr  es  sich  yermählen, 
Dass  blutig  Widerscheine  des  jungen  Tages  Licht. 

Des  Knaben  erstes  Träumen,  des  Jünglings  heisses  Sehnen, 
Auf  Dich  war  es  gerichtet,  des  Ostmeers  heller  Stern! 
Dich  hoffte  ich  zu  schauen,  getrocknet  Deine  Thränen, 
Erhabenen  Hauptes  schreitend,  vorbei  gramvolles  Sehnen, 
Verscheucht  des  Kummers  Falten,  der  Schmach  für  immer  fem. 

Traum  meines  jungen  Lebens,  mein  heisses,  trunknes  Werben, 
Es  grüsset  Dich  die  Seele,  die  bald  nun  ruht  vom  Thun. 
Ja,  schön  ist  es  zu  fallen.  Dir  Freiheit  zu  vererben. 
Dir  Leben  gebend  scheiden,  unter  Deinem  Himmel  sterben. 
In  Deinem  Zauberlande  in  Ewigkeit  dann  ruh'n. 

Siehst  auf  dem  grünen  Hügel  Du  lieblich  sich  erschliessen, 
Versteckt  in  dichtem  Grase,  ein  kleines  Blümelein, 
So  drück's  an  Deine  Lippe,  mein  Herz  Hess  auf  es  spriessen, 
Lass  in  dem  kühlen  Grabe  ein  Weilchen  mich  geniessen 
Den  Hauch  mitleidiger  Liebe,  den  warmen  Athem  Dein. 

Der  Mond  mit  stillem  Lichte  in's  Angesicht  mir  scheine, 
Der  helle  Morgen  sende  den  flüchtigen  Strahl  mir  zu. 
Des  Windes  sanftes  Wehen  den  Hügel  leis  umweine. 
Und  lässt  ein  kleines  Vöglein  sich  nieder  auf  dem  Steine, 
Lass  Frieden  es  mir  singen  in  meine  Grabesruh' ! 

Im  heissen  Strahl  der  Sonne  geläutert  aufwärts  wende 

Sich  feuchter  Dunst  und  trage  mein  Flehen  dem  Himmel  zu! 

Eine  mitleidsvolle  Seele  bewein'  mein  frühes  Ende, 

Und  wenn  am  stillen  Abend  Gebet  erhebt  die  Hände, 

0  Vaterland,  so  bete  auch  Du  für  meine  RuhM 

VerhiiBdL  der  Berl.  Anthropoi.  Ge!»ellschait  lt)i«7.  87 


(578) 

Für  all'  die  Armen  bete,  die  sie  zq  Tode  brachten, 

Für  alle,  die  da  starben  in  Martern  unerhört, 

Für  unsere  armen  Mütter,  die  ihr  bitteres  Leid  betrachten, 

Für  Wittwen  und  für  Waisen,  für  die  in  Banden  schmachten. 

Und  auch  für  Dich,  dass  endlich  auch  Dir  Erlösung  werdM 

Wenn  um  den  stiUen  Friedhof  sich  Nacht  und  Dunkel  breiten 
Und  nur  die  Todten  wachen,  von  Finstemiss  umringt, 
0  stör'  nicht  ihre  Buhe,  was  heimlich  sie  bereiten. 
Vielleicht  hörst  Du  Accorde,  hörst  klingen  Harfensaiten, 
Ich  bin's,  geliebte  Heimath,  ich  bin's,  der  Dich  besingt 

Und  wenn  schon  längst  vergessen  mein  Grab  in  späten  Tagen, 
Rein  Stein  mehr  zeigt  die  Stätte,  kein  Kreuz  auf  ihm  zu  seh'n. 
Der  Pflug  mag  es  zerwühlen,  das  Grabscheit  es  zerschlagen. 
Die  Asche,  die  geblieben,  vom  Wind  herausgetragen. 
Als  Staub  in  Deinem  Teppich,  so  möge  sie  verweh'nl 

Dann  werd'  ich  .unbekümmert,  ob  alle  mich  yergassen, 
In  Deinem  Luftraum  schweben,  in  Deinen  Thälem  mild, 
Und  rein  u\id  hell  erklingen  werd'  ich  auf  allen  Strassen, 
In  Duft,  in  Licht,  in  Farbe,  in  Lied,  in  Seufzer  fassen 
Das,  was  als  heiliger  Glaube  mein  Innerstes  erfüllt 

0  Vaterland,  Du  theures.  Du  schmerzlichster  der  Schmerzen, 
Geliebte  Filippine,  leb'  wohl  zum  letzten  Mal! 
Dir  lass'  ich  Eltern,  Freunde,  was  theuer  meinem  Herzen, 
In's  Land  der  Freiheit  zieh'  ich,  wo  keine  Retten  schmerzen, 
Wo  Glaube  nicht  den  Tod  bringt,  wo  Gott  herrscht  allzumal. 

Lebt  wohl,  Eltern  und  Brüder,  Bruchstücke  meiner  Seele, 
Ihr  Freunde  meiner  Rindheit,  den  Herd  ihr  verödet  seht, 
Dankt  Gott,  dass  ruh'n  ich  werde,  der  im  Staub  so  lang  mich  quäle! 
Leb'  wohl,  Du  süsse  Fremde,  mein  Weib,  Da  meine  Seele, 
Lebt  wohl,  geliebte  Wesen!    Wer  stirbt,  zur  Ruhe  geht! 


Sitzung  vom  18.  December  1897 

Vorsitzender:    Hr.  R.  Virchow. 

(1)  Als  Gäste  sind  anwesend  die  HHm.  Prof.  Emil  Ornnmach  and  Dr.  Rieh. 
Bethge  von  Berlin,  Dr.  R.  Raatzsch  von  Halle  a.  S.  — 

(2)  Der  Vorsitzende  erstattet  statatengemäss  den 

Verwaltungsbericht  für  das  Jahr  1897. 

■ 

Der  Personalbestand  der  OesellschaTt  hat  im  Laufe  des  Jahres  zahlreiche  und 
zum  Theil  recht  schmerzliche  Aenderungen  erfahren. 

Von  unseren  5  Ehrenmitgliedern  ist  Oberstudienrath  Prof.  Dr.  Fraas  in  Statt- 
gart am  22.  November  im  74.  Lebensjahre  nach  kurzem  Leiden  gestorben.  Er  war 
einer  der  hervorragendsten  Repräsentanten  jenes  alten  Stammes  von  deutschen 
Alterthumsforschem,  die  schon  vor  der  Gründung  der  Deutschen  Anthropologischen 
Gesellschaft  an  der  Arbeit  standen  und  der  späteren  glänzenden .  Entwicklung 
derselben  den  Boden  geebnet  haben.  Seine  Höhlenforschung  in  der  schwäbischen 
Alp  und  seine  schönen  Entdeckungen  an  der  Schussenquelle  werden  dauernde 
Marksteine  in  unserer  Prähistorie  bleiben.  —  Die  4  anderen  Ehrenmitglieder  haben 
wir  in  voller  Thätigkeit  unter  uns  gesehen.  Gräfin  Uwarow,  die  inzwischen  einen 
schweren  Typhus  durchgemacht  hat,  wird  demnächst  auf  ihrer  Rückreise  von  der 
Riviera,  wo  sie  Erfrischung  gesucht  und  gefunden  hat,  einige  Tage  in  Berlin  ver- 
weilen: sie  lässt  der  Gesellschaft  im  Voraus  die  herzlichsten  Grüsse  bestellen. 
Frl.  Mestorf  sahen  wir  neben  den  Herren  Baron  v.  Andrian  und  Johannes 
Ranke  auf  unserm  Congress;  die  erfolgreiche  Thätigkeit  der  ersteren  konnten  wir 
in  Kiel  direct  bewundem. 

Aus  der  Zahl  unserer  correspondirenden  Mitglieder  haben  wir  leider  6, 
und  darunter  die  besten  Männer  verloren:  Bahnson,  Galori,  Sir  A.  Wollaston 
Franks,  Franz  v.  Pulszky,  Jap.  Steenstrup  und  H.  Wankel.  Ihre  Namen 
erinnern  uns  an  die  Blüthezeit  der  internationalen  prähistorischen  Congresse, 
auf  denen  sie  ihre  wichtigen  Beobachtangen  über  die  Entwickelang  der  ältesten 
Oultur  in  Europa  uns  vortragen.  —  Neu  gewählt  wurden  die  HHm.  Delorme, 
Makowsky,  de  Morgan,  Munro,  Flinders  Petrie  und  Graf  Eugen  Zichy. 
Der  letztere  wur  eben  in  Berlin,  eifrig  beschäftigt  mit  den  Vorbereitungen  zu  einer 
neuen  grossen  wissenschaftlichen  Forschungsreise,  die  quer  durch  Gentralasien  bis 
nach  China  gehen  soll.  Er  hat  mich  beauftragt,  der  Gesellschaft  seinen  warmen 
Dank  für  die  ihm  gewordene  Ehrenbezeugung  auszusprechen.  —  Somit  ist  die  Zahl 
unserer  correspondirenden  Mitglieder  unverändert  geblieben;  sie  beträgt,  wie  am 
Schlüsse  des  Vorjahres,  117. 

Auch  bei  den  ordentlichen  Mitgliedern  ist  die  Zahl  der  immerwährenden, 
5,  unverändert  geblieben.  Dagegen  haben  wir  von  den  zahlenden  Mitgliedern  18 
durch  den  Tod  verloren:  Arons,  Berlin,  Boer,  Eyrich,R.  Fischer,  L^  Fischer, 

37* 


(580) 

Gttterbock,  Heimann,  A.  v.  Heyden,  Rärnbach,  Marimon  y  Tudö,  Menger, 
Schweitzer,  Palm  Siemsen,  Strassmann,  Wattenbach,  Herrn.  Weiss  und 
Zintgraff,  lauter  zuverlässige  und  anhängliche  Männer,  nicht  wenige  von  weit 
umfassendem  Wissen,  manche  yon  ganz  ungewöhnlicher  Energie  und  ThatkrafL 
Wir  werden  ihrer  in  treuer  Erinnerung  gedenken.  Dafür  sind  neu  aufgenommen  30. 
Da  jedoch  ausgetreten  oder  wegen  Zahlungsverweigerung  23  gestrichen  worden  sind, 
so  beträgt  die  jetzige  Zahl  517  und  mit  Zurechnung  der  immerwährenden  Mit- 
glieder 522.  Gegen  das  Vorjahr,  in  welchem  wir  am  Schlüsse  533  ordentliche 
Mitglieder  hatten,  ein  Verlast  von  11  Mitgliedern. 

Sie  wissen,  welche  Ansprüche  an  unsere  Mittel  durch  die  laufenden  Leistungen 
der  Gesellschaft,  insbesondere  durch  die  Publication  der  ^Zeitschrift  für  Ethnologie*^, 
der  ^Verhandlungen'^  und  der  „Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfande^ 
gemacht  werden.  Sowohl  der  Umfang  dieser  Veröffentlichungen,  als  ihr  Reichthum 
an  Illustrationen,  welche  uns  in  dem  Wettstreite  der  Nationen  einen  so  ehrenvollen 
Platz  gewonnen  haben,  waren  nur  möglich,  indem  wir  unsere  Jahreskasse  fast  ganz 
erschöpften.  Wir  bedürfen  also  nach  wie  yor  einer  grossen  Hülfe  durch  zahlende 
Mitglieder.  Die  Staatszuschüsse,  welche  uns  der  Herr  Unterrichts-Minister  in 
liberaler  Weise  fortbewUligt  hat  und  welche  in  Wirklichkeit  eine  stete  Voraus- 
aussetzung  für  die  Fortsetzung  unserer  literarischen  Thätigkeit  sind,  reichen  bei 
Weitem  nicht  aus,  um  eine  nennenswerthe  Erweiterung  unserer  Sammlungen  oder 
gar  die  Unternehmung  besonderer  Forschungsreisen  zu  ermöglichen.  Wir  mtissen 
uns  auf  das  Notb wendigste  beschränken  und  zufrieden  sein,  wenn  wir  den  Platz 
behaupten,  auf  den  wir  uns  gestellt  haben.  Mögen  unsere  Freunde  daher  in  der 
Erfllllung  ihrer  Aufgabe,  uns  neue  arbeitende  und  zahlende  Mitglieder  zuzufahren, 
nicht  erlahmen!  * 

Auch  für  solche  Gollegen,  welche,  obwohl  nicht  zur  Gesellschaft  gehörig,  ihr 
doch,  wenigstens  in  den  Zielen,  nahestanden,  ist  das  ablaufende  Jahr  vielfach  ver- 
derblich gewesen.  Ich  erinnere  an  den  Tod  von  Emil  du  Bois-Reymond,  der 
zu  den  Mitbegründern  unserer  Gesellschaft  gehörte,  von  H.  Welcker,  Joliua 
Schmidt,  Ossowski,  Boye,  v.  Sallet  Ganz  besonders  hart  hat  uns  der  Ver- 
lust unseres  Malacca-Reisenden,  Hrolf  Vaughan  Stevens,  getroffen. 

Eine  grössere  Zahl  unserer  Mitglieder  ist  wieder  oder  noch  immer  auf  Reisen, 
um  neues  Material  zu  sammeln.  Auch  unter  ihnen  hat  der  Tod  einen  der  schein- 
bar festesten  erfasst:  ich  meine  Eugen  Zintgraff,  der  schon  am  Gongo,  dann 
aber  namentlich  im  Hinterlande  von  Kamerun  so  manches  Jahr  auf  gefahrvollen 
Bahnen  gewandelt  ist  und  dem  wir  besonders  aus  der  ersten  Zeit  seiner  afrika- 
nischen Forschungen  wichtiges  Material  verdanken.  Er  hielt  sich  für  gefeit  gegen 
Malaria;  nichtsdestoweniger  hat  sie  ihn  diesmal  in  Kamerun  bewältigt  Er  gin^ 
scheinbar  gebessert  von  da  nach  Teneriffe,  ist  aber  dort  am  3.  December  sanft 
entschlafen.   Er  hat  nur  ein  Alter  von  40  Jahren  erreicht. 

Mit  Betiübniss  sehen  wir  Hm.  Adolf  Bastian  immer  noch  fem  von  uns  in 
Batavia.  Hätte  er  uns  nicht  seine  ^indischen  Studien"  geschickt,  so  würden  wir 
nicht  einmal  den  Gegenstand  seiner  Forschungen  kennen.  Seine  Marmorbüste,  die 
jetzt  in  diesem  Saale  aufgestellt  ist,  mahnt  uns  immer  von  Neuem  an  die  Lücke, 
die  seine  lange  Abwesenheit  in  unserer  Mitte  geschaffen  hat.  —  Hr.  Georg  Scbwein- 
furth  dürfte  gegenwärtig  wieder  in  Aegypten  sein,  um  den  Faden  seiner  scharf- 
sinnigen Beobachtungen  aufzunehmen.  Hr.  Bässler,  der  neulich  auf  Moorea  (Verh. 
8.  313)  durch  Sturz  verauglückte,  hat  sich  wieder  erholt;  nach  dem  mündlichen 
Bericht  des  eben  von  einer  nordamerikanischen  Reise  zurückgekehrten  Hm.  Paul 
Magnus  war  er  in  Arizona  und  gedachte  nach  Südamerica  zu  gehen.    Hr.  Joeat 


J  k^ 


(581) 

war  zuletzt  in  Australien  und  beabsichtigte  Neu-Seeland  zu  besuchen.  Hr.  Carl 
von  den  Steinen  weilt  noch  auf  den  Marquesas.  Hr.  Wilhelm  Krause  ist  so- 
eben von  seiner  australischen  Reise  heimgekehrt  Hr.  Lehmann-Nitzsche  hat 
die  ihm  verliehene  Stelle  am  Museum  von  La  Plata  angetreten.  Hr.  Dieseldorff 
war  im  Sommer  hier,  ist  aber  trotz  der  schlimmen  politischen  und  commerciellen 
Zustände  nach  Guatemala  zurückgegangen.  Hr.  Boas  befindet  sich  mit  der  grossen 
amerikanischen  ethnologischen  Expedition  an  der  Nord  Westküste,  um  später  nach 
Nordost-Asien  hinüberzugehen. 

Wir  haben  inzwischen  unsere  Thätigkeit  in  gewohnter  Weise  fortgesetzt.  Die 
Sitzungen  sind  stets  von  zahlreichen  Mitgliedern  besucht  gewesen.  Die  Reich- 
haltigkeit der  Vorträge  und  die  rege  Betheiligung  an  den  Verhandlungen  wird 
dargelegt  durch  den  Umfang  der  gedruckten  Berichte,  deren  Ausstattung  unter 
grossen  Opfern  in  der  herkömmlichen  Freigebigkeit  hergestellt  wird.  Der  Tod 
unseres  bewährten  Zeichners,  des  Hrn.  Eyrich,  hat  uns  leider  eines  stets  bereiten 
und  höchst  erfahrenen  Helfers  beraubt,  aber  es  ist  gelungen,  in  Hrn.  Hei  big  einen 
zuverlässigen  Ersatz  zu  finden. 

Unsere  Beziehungen  zu  der  Deutschen  Anthropologischen  Oeselischaft  sind 
ungetrübt.  Die  General- Versammlungen  derselben  haben  mit  jedem  Jahre  sich 
mehr  zu  volksthümlichen  Einrichtungen  entwickelt.  Sie  tragen  dazu  bei,  das  Ver- 
ständniss  für  anthropologische  und  ethnologische  Dinge  in  immer  grössere  Kreise 
zu  verpflanzen  und  die  Verbindung  mit  den  ausländischen  Gesellschaften  zu  stärken. 
Die  Zahl  der  Provincial-  und  Local -Museen  mehrt  sich  in  dem  Maasse,  als  neue 
Local-Gesellschaften  gebildet  werden.  Nicht  wenige  von  diesen  haben  ihre  beson- 
deren Publicationen  fortgesetzt  oder  neue  Berichte  herauszugeben  begonnen.  Unter 
ihnen  zeichnen  sich,  wie  bisher,  die  beiden  Lausitzer  Gesellschaften  durch  die 
2jahl  ihrer  Mitglieder  und  durch  die  Energie  in  der  Ergründung  der  heimischen 
Alterthümer  aus. 

Die  einst  so  glanzvollen  internationalen  Congresse  für  prähistorische  Archäo- 
logie und  Anthropologie  sind  seit  Jahren  eingestellt  worden,  seitdem  die  von  ihnen 
verfolgten  Aufgaben  in  die  Hand  der  vielen  Landes-  und  Ortsvereine  übergegangen 
sind  und  auch  andere  Congresse,  z.  B.  die  deutsche  Naturforscher -Versammlung, 
der  internationale  medicinische  Congress  u.  s.  w.,  in  erhöhtem  Maasse  neben  ihren 
eigentlichen  Zielen  auch  die  Anthropologie  mehr  in  den  Kreis  ihrer  Verhandlungen 
gezogen  haben.  Ich  erinnere  nur  an  die  bedeutenden  Leistungen  der  Russischen 
Archäologischen  Gesellschaft,  welche  unter  der  Leitung  ihres  vortrefflichen  Prä- 
sidenten, der  Gräfin  Uwarow,  eine  bedeutende  Stellung  eingenommen  hat.  Seitdem 
unsere  Deutsche  Gesellschaft  zu  wiederholten  Malen  neben  ihrer  eigentlichen 
Generalversammlung  auch  Einladungen  von  Nachbarstädten,  welche  sich  durch 
lehrreiche  Sammlungen  und  durch  erfolgreiche  Forschungen  sachverständiger  Bürger 
auszeichnen,  angenommen  hat,  und  so  gewissermaassen  Wandercongresse 
begonnen  worden  sind,  war  der  Gedanke  aufgekommen,  eine  solche  Einrichtung 
auch  auf  internationale  Gebiete  zu  übertragen,  und  es  war  für  die  nächste  2jeit 
ein  grosser  Wandercongress  für  die  Schweiz  geplant.  Leider  hat  sich  diese 
Hoffnung  zerschlagen;  vielleicht  wird  die  2jeit  nicht  mehr  fem  sein,  wo  darauf 
zurückgekommen  werden  kann.  Nur  die  Wiener  Anthropologische  Gesellschaft  hat 
mit  Erfolg  solche  Unternehmungen,  freilich  in  kleinerem  Maasse,  zur  Durchführung 
gebracht;  so  im  vorigen  Jahre  nach  Bosnien,  im  gegenwärtigen  nach  Mähren.  Wir 
sind  ihr  dafür  um  so  mehr  verbunden,  als  das  freundliche  Verhältniss  der  Mit- 
glieder beider  Gesellschaften,  welches  wir  als  eine  theure  Errungenschaft  bewahren, 
dadurch  neu  gekräftigt  und  erweitert  worden  ist. 


(582) 

üeber  die  CoDgresse  des  Jahres  ist,  soweit  unsere  Mitglieder  daran  betheiligt 
waren,  bereits  in  früheren  Sitzungen  berichtet  worden.  Auch  sind  die  zahlreichen 
Ausstellungen,  welche  namentlich  in  unserer  Stadt  stattgeftinden  und  uns  nicht 
bloss  ethnographische  Erzeugnisse,  sondern  auch  eine  Ftille  lebender  Menschen 
aus  fremden  Hassen  zur  Anschaung  gebracht  haben,  erwähnt  worden.  Eine  der- 
selben, die  Golonial- Ausstellung  in  Treptow,  hat  einem  unserer  Mitglieder,  Hm.  F. 
y.  Luschan,  das  Material  zu  einer  umfassenden  wissenschaftlichen  Arbeit  geboten. 

Unser  Museum  für  deutsche  Volkstrachten  und  Erzeugnisse  der  Handarbeit 
hat  sich  an  einer  Reihe  der  Ausstellungen  betheiligt  und  seine  Vorführungen  sind 
mit  grossem  Beifall  aufgenommen  worden.  Leider  ist  es  nicht  gelungen,  die  Ein- 
nahmen oder  Zuwendungen  für  diese  wichtige  Anstalt  so  zu  steigern,  dass  es  mög- 
lich geworden  wäre,  bedeutende  neue  Erwerbungen  zu  machen.  Nur  hat  der  Vor- 
stand ein  erstes  Heft  von  „Mittheilungen"  herausgegeben  und  bald  weitere  in  Aus- 
sicht gestellt,  von  denen  erwartet  wird,  dass  sie  dem  Museum  neue  Helfer  und  zahl- 
reicheren Besuch  zuführen  werden.  Die  Hoffnung,  dass  die  königliche  Staatsregiemng, 
in  deren  Besitz  der  gegenwärtige  Verein  das  ganze  Trachten-Museum  überzuleiten 
versprochen  hat,  ein  nach  Lage  und  Bäumlichkeiten  mehr  genügendes  Gebäude 
für  die  Aufstellung  desselben  hergeben  werde,  ist  ihrer  Erfüllung  noch  nicht  näher 
gerückt,  und  unser  Vorschlag,  ein  besonderes  deutsches  National -Museum  zu 
grtlnden,  ist,  wie  schon  im  vorigen  Jahre  (1896,  S.  579)  mitgetheilt  wurde,  von 
dem  Herrn  ünterrichtsminister  geradezu  abgewiesen  worden.  Damit  ist  auch  die 
Arbeits-  und  Opferfreudigkeit  der  berufenen  Classen  stark  beeinträchtigt. 

In  einer  fast  noch  schwierigeren  Lage  befindet  sich  das  Orient-Comite.  Ob- 
wohl dasselbe  durch  die  Einziehung  seiner  Vorschüsse  nach  und  nach  wieder 
grössere  Mittel  gesammelt,  auch  unter  einem  neuen  Vorstande  sich  neu  constituirt 
hat,  so  sind  ihm  durch  die  politischen  Vorgänge  in  Vorderasten  und  den  Wett- 
betrieb anderer  Genossenschaften  Enttäuschungen  mannichfaltiger  Art  bereitet 
worden.  Eine  schon  beschlossene  Expedition  nach  Mesopotamien  musste  aufgegeben 
werden,  und  die  Fortführung  der  mit  beispiellosem  Erfolge  begonnenen  und  trotz 
mancher  Widerstände  glücklich  fortgeführten  Ausgrabungen  in  Sendschirli  ist  noch 
nicht  ermöglicht  worden.  Selbst  die  Publication  des  zweiten  Heftes  des  Sendschirii- 
Berichts  lässt  auf  sich  warten. 

Sehr  viel  glücklicher  hat  sich  seit  der  festen  Oiganisation  unter  Leitung  des 
Hrn.  Lindenschmit  (Sohn)  das  Mainzer  römisch -germanische  Central-Mnseam 
entwickelt.  Der  Ausbau  der  alten  Halle  hat  Fortschritte  gemacht  und  die  Sammlung 
der  heimischen  Funde  ist  über  deutsche  Provinzen,  besonders  des  Nordens  und  des 
Ostens,  ausgedehnt  worden,  welche  bis  dahin  etwas  bei  Seite  geschoben  waren.  Die 
Berliner  Ausstellung  bot  die  Gelegenheit,  dem  Museum  nach  einer  anderen  Rich- 
tung zu  helfen.  Aus  der  grossen  Sammlung  Cjrprischer  Alterthümer,  weiche 
Hr.  Ohnefalsch-Richter  daselbst  vorgeführt  hatte,  wurde  ein  werthvolier  Theil 
ausgesondert  und  angekauft  Die  Rudolf  Virchow-Stiftung  und  der  stets  hülfreiche 
Vorsitzende  unseres  ethnologischen  Comites,  Hr.  Valentin  Weisbach,  steuerten  zxl 
gleichen  Theilen  dazu  bei.  Der  Mainzer  Vorstand  nahm  das  Anerbieten,  ihm 
diese  Sammlung  zu  überlassen,  mit  grossem  Danke  an,  und  hat  jetzt,  nachdem  die 
Aufstellung  in  Mainz  vollendet  ist,  seine  Würdigung  dieser  Sammlung  in  beredten 
Worten  ausgesprochen. 

In  dem  vorjährigen  Bericht  (S.  579)  sind  die  Verhandlungen  über  die  Durch- 
querung des  alten  Schlossberges  im  Spreewalde  durch  eine  Vicinalbahn 
ausführlich  mitgetheilt  worden.  Wie  heuer  in  früheren  Sitzungen  (S.  314  u.  489)  aus- 
geführt worden  ist,  hat  der  Vorstand  und  Ausschuss  der  Gesellschaft,  in  Erwägaoj^ 


(583) 

des  öffentliehen  Nutzens  einer  solchen  Bahn,  meinem  Vorschlag,  den  Durchstich 
mitten  durch  den  Berg  an  seiner  tiefeten  Stelle  anzulegen  und  das  ganze  Aeussere 
intact  zu  erhalten,  zugestimmt,  und  auf  dieser  Basis  ist  denn  auch  die  Verstän- 
digung mit  den  Bauunternehmern  und  die  Genehmigung  der  Rönigl.  Staatsregierung 
erreicht  worden.  Der  Durchschnitt  ist  seitdem  ausgefOhrt.  Ein  genauerer  Schlüsse 
bericht  wird  der  Gesellschaft  erstattet  werden.  Mir  persönlich  ist  mit  dieser 
Entscheidung  die  Last  der  Verantwortlichkeit  abgenommen  worden,  welche  mir 
durch  den  Aufkrag  der  General-Versammlung  der  Deutschen  Anthropologischen 
Gesellschaft  in  Speyer  zugewiesen  war.  Es  wird  jetzt  die  Aufgabe  der  Staats-  und 
Proyincial -Behörden,  sowie  der  Localvereine  und  aller  Freunde  der  heimischen 
Alterthumskunde  und  Geschichte  sein,  darüber  zu  wachen,  dass  der  noch  erhaltene 
Rest  des  alten  Burgwalles  vor  Zerstörung  durch  unberufene  Hände  geschützt  und 
dass,  wenn  möglich,  dieser  Wall  ganz  in  öffentlichen  Besitz  übernommen  werde.  — 

Der  von  den  Statuten   geforderte  Bericht  über  die  Sammlungen  der  Ge- 
sellschaft kann  in  Kürze  dahin  gegeben  werden: 

Bericht  des  Hm.  Lissauer: 

1.  Die  Bibliothek  ist  vornehmlich  durch  Ankauf  und  Tauschverkehr  um 
257  Bände  (davon  170  Zeitschriften)  und  71  Broschüren  vermehrt  worden, 
so  dass  der  Gesammtbestand  sich  jetzt  auf  7740  Bände  und  1150  Broschüren 
beläua 

2.  Die  Sammlung  der  Gypse  wurde  durch  5  Abgüsse  vermehrt. 

3.  Die  anthropologische  Sammlung  konnte  durch  Einreihung  von  12  Schädeln, 
1  Skelet  und  2  Haut-Präparaten  vergrössert  werden.  — 

Bericht  des  Hm.  M.  Bartels: 

Die  Zahl  der  Photographien  hat  sich  um  51  Nummem  vermehrt.  Sie  be- 
trägt jetzt  3560  Nummem. 

(3)   Der  Schatzmeister  Hr.  W.  Ritter  legt  die 

Rechnung  fttr  das  Jahr  1897. 

Bestand  aus  dem  Jahre  1896 605  Mk.  76  Pfg. 

Einnahmen: 

Jahres-Beiträge  der  MitgUeder    ....     10695  Mk.  —  Pfg. 
Staatszuschuss  für  1897/98 1 500    ,,     —    „ 


Zahlung  des  Hrn.  Ünterrichts-Ministers  für 

die  Nachrichten  über  deutsche  Alter- 

thumsfunde  für  1897 1  000  Mk.  —Pfg. 

Capital-  und  Depositen-Zinsen     ....         803    „     55    ^ 


12  195    ,     -    , 


1803    ^     55   ^ 


Bestand  und  Einnahmen  zusammen  14  604  Mk.  31  Pfg. 

Ausgaben: 

Miethe  an  das  Museum  für  Völkerkunde 600  Mk.  —  Pfg. 

Hitglieder-Beiträge  an  die  Deutsche  Anthropol.  Gesellschaft    .  1 590    „     —    „ 
Ankauf  von  Exemplaren  der  Zeitschrift  für  die  ordentlichen  Mit- 
glieder   2  793    „     —    ^ 

Latus  4  983  Mk.  —  Pfg. 


(584) 

Transport  4  983  Mk.  —  ?(g. 
Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfnnde  (Jahii^ang  1897), 

einschliesslich  der  Remoneration  für  die  Bibliographie,  aber 

ausschliesslich  der  Abbildungen lOllMk.  15  Pig. 

Einladungen  zu  den  Sitzungen 115    ^  75    ^ 

Index  der  Verhandlungen  für  1896 150    „  —    ^ 

Porti  und  Frachten 1  202    ^  06    „ 

BibUothek  (Ankauf  von  Werken,  Einbände  u.  s.  w.)   .    .     •    .  408    „  90    „ 

Remunerationen 173    ^  05    „ 

Bureau-  und  Schreib-Materialien 49    „  55    , 

Ankauf  wissenschaftlicher  Gegenstände: 

a)  Zeichnungen 21 1  Mk.  25  Pfg. 

b)  Schädel 105    ^     —    ^ 

c)  verschiedene  Ausgaben 113    „     —    „ 


An  die  Verlags-Buchhandlung  Asher&Co. 

für  überzählige  Bogen  und  Abbildungen 

zu  der  Zeitschrift  uod  den  Verhandlungen 

für  1896 2  233  Mk.  60  Pfg. 

Abschlagszahlung  für  1897  an  As  her  &  Co.    2  500    „     ~ 


429    „     25    , 


—      4  733    .     60 


Ankauf  von  3V,proc.  Berliner  Stadt-Anleihe       600  Mk.  —  Pfg. 


V 


612    ,     40    , 


Gesammt-Ausgaben   .    .     13  868  Mk.  71  Pljg, 
Bleibt  Bestand  für  1898         735  Mk.  60  ?fg. 

Der  Capitalbesitz  besteht  aus: 

1.  den  verfügbaren  Beträgen  von 

a)  Preussischen  3  y,  procentigen  Consols ...      8  000  Mk. 

b)  „  3Ygproc.  Consols,  convertirten         900   ^ 

c)  Berliner  S'/iprocentiger  Stadt-Anleihe    .    .     11600   ^ 

2.  dem  eisernen  Fonds,  gebildet  aus  den  ein- 
maligen Zahlungen  von  je  300  Mk.  Seitens 
5  lebenslänglicher  Mitglieder,  angelegt  in  Preuss. 

3  7,  procentigen  Consols,  convertirten  ...       1  500   ^ 

Summa    22  000Mk. 

Der  Vorsitzende  erinnert  daran,  dass  in  der  Jahresrecbnung  noch  nicht  die 
Verpflichtungen  der  Gesellschaft  zu  voller  Erscheinung  kommen.  Dies  wird  erst 
in  der  nächsten  Rechnung  geschehen,  da  der  Druck  der  Verhandlungen  vor  dem 
Februar  nicht  beendet  sein  kann  und  dann  erst  das  Register  zu  fertigen  ist  Die 
Gesellschaft  beginnt  daher  ihr  Etatsjahr  stets  mit  einer  nicht  geringen  schwebenden 
Schuld,  deren  Höhe  nur  nach  den  Ei^bnissen  des  Vorjahres  vermuthungsweiae 
veranschlagt  werden  kann.  Um  diesen  Betrag  nicht  zu  hoch  anwachsen  zu  lassen, 
ist  vorläufig  eine  Abschlagszahlung  von  2500  Mk.  an  die  Verlagshandlung  gemacht 
worden. 

Da  die  ganze  in  das  neue  Verwaltungsjahr  zu  übertragende  Summe  nur  735  Mk. 
beträgt,  so  müssen  wir  nicht  bloss  auf  die  Treue  unserer  zahlenden  Mitglieder, 
sondern  auch  auf  das  fortdauernde  Wohlwollen  des  Herrn  Ünterrichts-Ministers 
rechnen,  wenn  wir  unsere  Veröffentlichungen  auf  der  bisherigen  Höhe  erhalten 
sollen. 


(585) 

Die  Rechnung  ist  statntenmässig  (§  36)  dem  Aasscbusse  durch  den  Vorstand 
vorgelegt  worden.  Derselbe  hat  durch  die  HHrn.  Friedel  und  Lissauer  eine 
Prüfung  stattfinden  lassen  und  dem  Vorstande  Decharge  ertheilt. 

Namens  der  Gesellschaft  spreche  ich  dem  Herrn  Schatzmeister  für  seine  ge- 
wissenhafte Geschäftsführung  den  Dank  aus.  — 

(4)  Hr.  Rud.  Virchow  macht  Mittheilung  über  die 

Rechnung  der  Rudolf  Virchow- Stiftung  für  das  Jahr  1897. 

Bei   der  Reichsbank  waren  deponirt  Ende  des  Jahres  1896 

(vei^l.  Verhandl.  1896,  S.  582)  nominell 120  600  Mk.  —  Pfg. 

Dazu  sind  hinzagetreten  im  Laufe  des  Jahres  1897  nominell 

an  4procentigen  Consols lOOOOMk.  — Pfg. 

„  3Vjprocentiger  Berliner  Stadt-Anleihe 5  000    ^    —    ^ 

so  dass  gegenwärtig  zusammen     1 35  600  Mk.  —  Pfg. 
den  Effecten-Bestand  der  Stiftung  bilden. 

Der  schon  im  vorigen  Jahre  angekündigte  Ankauf  neuer  Effecten  ist  vor- 
genommen worden,  um  die  Verminderung  der  Einnahmen  in  Folge  von  Conver- 
tirungen  auszugleichen. 

Der  flüssige  Bestand  betrug  am  Schlüsse  des  Jahres  1896      17  531  Mk.  05  Pfg. 

Aus  demselben  sind  folgende  Ausgaben  geleistet  worden: 
für  Ankauf  von  10000  Mk.  4proc.  Consols  10  445  Mk.  —  Pfg. 
„  „  „  5000  „  Berlin.  St.-Anl.  5  129  „  20  „ 
an  Dr.  Mies  in  Cöln  für  anthr.  Apparate  263  ,  —  „ 
^  den  Bildhauer  Rolbow  f.  Oypsabgüsse  192  „  —  „ 
^  ^  2ieichner  Heibig  für  Zeichnungen  338  „  —  „ 
„  das  Frl.  R.  duBois  „  ,  500  „  —  „ 
„  Spesen  und  Provision ^ 27     ^     30    ^ 

zusammen    16  894  Mk.  50  Pfg. 

An  Zinsen  sind  vereinnahmt  worden    .      4  984    ^     10    „ 

bleibt  ein  Ueberschuss  an  Ausgaben  von 11  910  Mk.  40  Pfg. 

somit  hat  sich  der  flüssige  Bestand  reducirt  auf       5  620  Mk.  65  Pfg. 

Auf  die  bevorstehende  Noth wendigkeit,  gegenüber  den  fortschreitenden  Con- 
versionen  der  Staatsanleihen  und  der  Verminderung  der  Zinserträge  eine  Erhöhung 
des  Capitalstockes  herbeizuführen,  ist  schon  im  vorigen  Jahre  (S.  583)  vorbereitet 
worden. 

Für  neue  Ausgaben,  insbesondere  fQr  die  schon  lange  in  Aussicht  genommene, 
aber  durch  die  schwierigen  Zeitverhältnisse  immer  noch  verhinderte  armenische 
Expedition,  musste  dagegen  eine  genügende  Sicherheit  in  Rücklagen  geschaffen 
werden.  — 

(5)  Es  folgt  die 

Neuwahl  des  Vorstandes  für  das  Jahr  1898. 

Auf  Vorschlag  des  Hm.  Friedel  wird  der  alte  Vorstand  durch  widerspruchs- 
lose Acclamation  wiedergewählt. 

Derselbe  besteht  somit  aus  den  Herren 
Rud.  Virchow  als  Vorsitzendem, 


(586) 

TO-'  o  u        X      }  als  Stellvertretern  desselben, 
W.  Schwartz    J  ' 

A.  Voss  I 

M.  Bartels        >  als  Schriftführern, 

B.  Neuhanss    | 

W,  Bitter  als  Schatzmeister. 

(6)  Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet: 

Hr.  M.  Milchner  in  Berlin. 
^     Stabsarzt  Dr.  Friedr.  Lippelt  in  Braunschweig. 
„    Dr.  med.  F.  Gattel  in  Berlin. 
„    Dr.  Richard  Bethge  in  Berlin. 
„    Freiherr  Rdlmdn  v.  Miske  in  Röszeg  (Giinz),  Ungarn. 
„    Director  Hermann  Seide  in  Berlin. 

(7)  Graf  Eugen  Zichy  tibersendet  aas  Budapest,  26.  November;  einen  Dank- 
brief für  seine  Ernennung  zum  correspondirenden  Mitgliede  und  verspricht,  die 
Interessen  der  Gesellschaft  nach  besten  Kräften  zu  fördern.  — 

Der  Vorsitzende  überreicht  ein  ihm  gtltigst  überschicktes  photographisches 
Bild  des  Grafen  für  die  Sammlung  der  Gesellschaft.  — 

(8)  Die  deutsche  Colonial-Gesellschaft,  Abtheilung  Berlin,  hat  zu 
einem  Vortrage  des  Hrn.  Arning  über  ühehe  als  Ansiedelungsgebiet  fttr 
deutsche  Landwirthe,  der  am  2.  December  stattOnden  sollte,  eine  Einladung  ge- 
schickt, von  der  nachträglich  Renntniss  gegeben  wird.  — 

Die  Verlagshandlung  Wilh.  Buchholz  übersendet  ein  Exemplar  des  deutschen 
Colonial-Abreiss-Ralenders  für  1898,   herausgegeben  von  F.  Hessener.  — 

(9)  Die  centraleExecutiv-Commission  der  portugiesischen  Centenar- 
feier  (Amaral,  Cordeiro,  Vasconcellos)  in  Lissabon  übermittelt  das  General- 
Programm,  welches  sich  dem  früher  (1896,  S.  462,  533;  mitgetheilten  in  den  Haupt- 
sachen anschliesst,  jedoch  als  Termin  für  die  Feier  den  Jahrestag  der  Ankunft  Vasco's 
da  Gama  in  dem  Hafen  von  Calicut  wählt  Der  17.  bis  20.  Mai  sollen  in  allen 
portugiesischen  Besitzungen  festlich  begangen  werden.  Dabei  sollen  wissenschaft- 
liche Conferenzen,  eine  grosse  Ausstellung,  eine  Flotten-Revue  u.  A.  stattfinden.  — 

(10)  Hr.  Blanchard  zeigt  unter  dem  Datum  Paris,  20.  November,  an,  daas 
als  Präsident  des  nächsten,  4.  internationalen  Congresses  ftir  Zoologie  Sir  John 
Lnbbock  (an  Stelle  des  zurückgetretenen  Sir  William  Fl o wer)  fungiren  wird.  — 

(11)  Aus  Livorno  ist  im  November  die  Anzeige  von  der  Gründung  eines 
Istituto  Antropologico  Italiano  durch  Prof.  Giuseppe  Marina  eingegangen.  — 

(12)  Die  Verlagshandlung  A.  Pichler's  Wittwe  &  Sohn  überschickt  aus 
Wien,  1.  December,  5  Probeblätter  von 

Umlauft -Trent in,  WandbUder  der  Völker  Oesterrelch-Ungams. 

Die  vortrefflich  ausgeführten,  farbigen  Tafeln  sind  im  Sitzungssaale  ausgehängt 
und  erregen  allgemeine  Bewunderung. 

Der  Vorsitzende  erklärt,  dass  er  einigen  Neid  empfinde,  dass  gleich  gut« 
Bilder  der  Volkstypen  und  Volkstrachten  in  Deutschland  nicht  existiren.    HofTentltcli 


(587) 

werde  das  trefTliche  Vorbild  bei  ans  und  andereu  Völkern  eine  Nachfol^  finden. 
I  Mittel,  die  Renntniss  dea  eigenen  Volkes  und  seiner  rerscbiedenen 
I  in  das  Bewnsstsein  der  Lebenden  einzuführen,  könne  nicht  erdacht  «erden. 
Er  vünacht  daher  dem  schönen  Ontemehmen  einen  nngestörten  Fortgang.  — 

Die  Oesellschalt  schliesst  sich  dem  Danke  des  Vorsitzenden  an  and  überweist 
die  Blätter  dem  Huseum  fOr  deutsche  Trachten.  — 


(13)  Hr.  P.  Reinecke  abersendet  aus  Mainz,  16.  December,  als  Geschenk 
des  Römisch -Germanischen  Central -Musen  ms  einige  Photographien  von 

Antiken  (ierinanen-Daratellnnfcen  in  Bronze. 

Diese  Bronzen  befinden  sich  imCabinetdesÄntiqueset  Mcd»iIleaderBibliotheqne 
Nationale  zu  Paris  (Rabelon-Blanchet,  Cataloguc  des  bronzes  antiqaes  etc.  1895, 
No-Slä,  913,  915),  wo  wir  sie,  da  keine  GypsabgUssc  hergestellt  werden  konnten, 
photographiren  Messen.    Nr.  912— 13  sind  Rundflgurcn,  915  ist  Flachreücr;  unsere 


etw»  */i  d.  natürl.  Gr. 


ptwa  ",  d   natörl.  Gr. 


Aufnahmen  sind  in  natürl.  Grösse  gemacht  Der  Germiine  'Mi  silzt  mit  gebundenen 
Händen  auf  einem  Felsblock;  er  ist  bärtig  und  mit  Hosen  und  einem  Mantel  be- 
kleidet Hinter  ihm  (nicht  sichtbar)  ist  ein  hexagonaler  Schild  imgebracht.  Auf 
seiner  linken  Schulter  ruht  der  Fusa  einer  grösseren  Figur,  etwa  einer  Victoria 
oder  eines  siegreichen  Fcldherrn.  Nr.  9l'i  ist  ähnlich,  nur  kniet  hier  der  Ger- 
mane,  auch  ist  er  nur  mit  Hosen  bekleidet:  seine  linke  Schulter  trügt  die  Basis 
tür  einen  Fuss.  Derartige  Darstet Inngen,  ein  geresselter  Barbar,  anf  welchen  eine 
Victoria  oder  ein  Feldherr  den  Fuss  setzt,  kehren  in  lömiachcr  Zeit  öfter  wieder; 
auf  MfiDzen,  allerdings  erst  des  IV.  Jahrb.,  kommen  sie  gelegentlich  vor,  doch 
fehlen  sie  auch  nicht  in  ülterer  Zeit,  wie  diese  Bronzen,  sowie  das  bekannte  Silber- 
Relief  ron  Nieder-Biber  bei  Neuwied  (Allcrth.  uns.  heidn.  Vorz.  I,  vii,  5,  1)  be- 
weisen. Besprochen  wurden  diese  beiden  Statuetten  bereits  in  der  Revue  archeo- 
logique  1893,  Mai-Juin,  p.  292—295. 


(588) 

Nr.  915  stammt  von  einem  fferde-Brostschmnck  und  ^hörte  za  einer  Kampf- 
Bcene  zwischen  Römern  nnd  Germanen.  Der  nnbärtige  Germane  ist  mit  Hosen 
und  daKQ  mit  einem  Mantel  bekleidet.     Der  sueviBch-bastaroische  Haarknoten,  auf 


etw»  '/.  d.  natfiil.  Gr. 

dessen  Darstellunt;  man  erst  durch  Adamküssi  uaTmerksara  wurde,  ist  hier  sehr 
deutticb  zu  sehen.  —  Germanen  -  FigU rohen  der  gleichen  Art  befinden  sieb  auch 
noch  in  anderen  Maseen;  Ich  bin  gerade  damit  bescbafUgt,  GypsabgUsse  oder  Photo- 
graphien derselben  für  das  Rüm.-Germ.  Central'Mnsenm  zu  beschaffen.  — 

(14)  Hr.  L.  Schneider  schickt  ans  SmiHc,  1&.  December,  verBchiedene 
Mittheilangen  znr  Kenntnis»  der 

VertfaeilDDg  der  Schwarrhaarigen  io  Böhmen. 

Die  nPalaeethnoIogischen  Aphorismen"  des  Verrassers,  die  von  einer  gröasercn 
Anzahl  von  Karten  begleitet  sind,  werden  später  besprochen  werden.  Ans  dem 
jetzt  vorliegenden  Hriere  werden  folgende  Abschnitte  Interesse  erregen: 

,In  Bezog  auf  die  Schwarzhaarigen,  die  ich  mit  der  Terramare-Kensiik  ver- 
binde, kann  ich  nunmehr  berichten,  dass  heuer  im  Sommer  in  der  NAfae  ron 
Pardubic  bei  Bahnarbeiten  mehrere  Geraase  und  darunter  eine  sogenannte 
Thüringer  Amphora,    wie  sie  bei  uns  gewöhnlich  mit  dem  Schnoromamente  vor> 


(5«9) 

kommen,  —  später  im  Herbste  aber  neben  dem  Heierfaofe  von  Lipa,  also  aof 
der  seit  dem  Jahre  1866  berühmten  Anhöhe  „Chlnm",  eine  AnBiedelimg  mit 
Ten-amare-Keramik  und  anderen  einschläglgien  Artefakten  gefunden  wnrden.  Oe- 
tSsse  Tom  Typne  „l'netice"  (s.  Fig.  1)  wurden  wohl  schon  i.  J.  1845  aoT  einer 
anderen  Anhöhe  südlich  von  Ghlam  bei  dem  Pfarr- 
dorfe  Libfiany  in  Skeictgräbern  mit  Stein-  and 
Bronzegeiäth  entdeckt  Von  ungarischen  Kupfer- 
beilen mit  iwei  Schneiden  kam  vor  einigen  Jahren 
angeblich  ein  ganzes  Depot  (zwei  sind  im  König- 
grätaer  Museum)  in  dem  neben  Libüany  gelegenen  Dorfe 
Kondnice  zum  Vorschein,  ein  kupfernes  Flachbeil 
auch  zu  Rosnice,  welches  mit  Lipa  in  demselben 
Pfairaprengel  Viestary,  also  nahe  an  Chlum  liegt 
Aeltere  Terramare-Keramik  wai  ans  der  Gegend  von 
Königgrätz  bisher  nicht  bekannt.  Wir  hatten  hier  wohl  mehrere  Ansiedelungen 
(SmiHce,  Holohlavy,  Trotina  und  Pfedmt'fice,  Plotistö,  Öemoiice,  Semoniceu.S.w.) 
mit  typischen  Scherben  der  frllbneolit bischen  Zeit  vom  Typus  der  GefSase  ans 
mährischen  Höhlen,  z.  B.  Vypostek  (halbkuglig,  als  Ornament  durch  Spiralen 
oder  gerade  Linien  rerbundene  Grübchen),  dann  die  becherförmigen  Getässe  mit 
pnnktirten  Bändern  nnd  Sparren,  aber  weiter  nur  die  Keramik  der  Lansitzer 
ümenfelder  und  diejenige  der  La-Tene-Gräber. 

„Von  Hrn.  Jira  habe  ich  Photographien  des  Terrasigillata-Scherbens  von 
Podbaba  bei  Prag  erhalten  (s.  Fig.  2).   Ans  einem  neuen  Berichte  des  Hm.  Ji'ra 


entnehme  ich,  daas  derselbe  dieser  Tage  bei  Grabungen  in  der  betreßenden  An- 
siedelung noch  weitere  Scherben  von  demselben  Gefässe  gefunden  hat.  Die  Fries- 
verzierung  stimmt  mit  der  Verzierung  des  römischen  Getässcs  von  Stockstadt  im 
Aschaffenbnrger  Mnseam  (Album  der  Berliner  Ausstellung  Vlll,  Tab.  I)  Uberein. 

„Ich  habe  die  Absicht,  ihnen  auch  drei,  zu  Gefässcn  verarbeitete  Stücke 
Ton   Schädeln   aus   der   Tcrramare -  Cultnrschlcht  auf  dem   Berge   Velii   bei 


(590) 

Jicin  Toraalegea,  am  deren  üntersachnng  ich  bei  anseren  Prager  Anthropolo^n 
bereits  Tor  3  Jahren  vergeblich  angeaacht  habe. 

„Aach  habe  ich  einen  karzen  Bericht  rorbereitet  über  BronEekealen  ans 
Bjjhmen,  ron  welchen  bei  nna  lanf^  Zeit  bloss  eine  einzige,  gefunden  1863  m 
Taus,  welche  aber  mit  dem  dortigen  Depdtrande  (Kicbly,  Bronzezeit  in  Böhmen) 
nichts  gemein  hat,  bekannt  war.  In  den  letzten  Jahren  worden  aber  in  meüwai 
Rayon  4  oder  5  solche  Bronzekeulen  gefunden;  es  fehlen  mir  noch  die  Abbildnngsn 
von  zwei  derselben,  welche  das  städtische  Mnseum  zu  Jaromis  besilct;  darnm  lege 
ich  vorlänflg  bloss  die  Photographien  des  einen  za  Ktlniggrätz  (s.  Pig.  3  a  and  h) 
bei  OraodgrabtiDgcn  zum  Adalbertinnm  getondenen  bei. 


Fig.3o.    V. 


Fig.SA.     '/, 


„In  Bezug  aaf  die  Schwarzhaarigen  in  Böhmen  citirc  ich  noch  eine  von  mir 
früher  übersehene  Nachricht  (Pamdtky,  TI,  p.  235),  wonach  Im  Jahre  1863  bei 
Ober-Cerekve  (an  der  mährischen  Grenze)  anter  einem  Buume  eine  Menge  roa 
Thonfigürchcn,  ägyptische  Mumien  darstellend,  gefunden  wurde,  von  denen 
ein  Maschinenschlosser  eine  dem  Landesmaseum  schenkte.  Prof.  Wocel  bemerkte 
bei  diesem  Anlasse,  eine  ägyptische  Bronzefigur  sei  vor  einigen  Jahren  in  den 
Grubeni  von  Svilno  bei  Skalsko  (Skelette  mit  Stein-  und  Bronzegerälh ,  Oold- 
gewinden  und  Um'-ticer  Gefässen,  wie  das  von  Lib^'an)  gefunden  and  von  dem 
Pfarrer  H.  Maryska  dem  Landcsmuseam  tibergeben  worden. 

„Später  werden  diese  beiden  Funde  nirgends  mehr  erwähnt;  dieselben  sind 
wohl  in  der  kleinen  ägyptischen  Sammlnog  des  Landesmnseuma  verschollen. 
Skalsko  liegt  im  Gebiete  der  laer  ganz  nahe  an  der  Terramare-Ansiedelang  von 
Horky  (Gross-Horka). 

„Interesairt  hat  mich  in  den  'Lübecker  Verhandlangen  die  Schilderung  der 
Oldenburg  von  Uadeby,  welche  mich  sogleich  an  den  Bericht  des  Tacitaa: 
„Cataalda  inrumpit  (Marbodi)  regiam  castellumque  juxta  situm"  erinnerte.  Diese 
Worte  passen  darchans  nicht  auf  das  Hradistc  ron  Stradonice,  wohl  aber  anf 
solche  Anlagen,  wie  der  Geburtsort  des  hl.  Adalbert  —  Libice  —  eine  dantellL*'  — 

Der  Vorsitzende  erinnert  in  Betreff  der  Stachelkcolen  an  die  sogenanoleo 
Hotgensteme  der  deutschen  Museen.  Ür.  H.  Schamann  hat  noch  kürzlich  über 
solche  Keulcnköpfe  einen  interessanten,  wenngleich  lange  nicht  Tollständigeo 
Bericht  erstattet  (S.  241).  — 


(591) 

(15)  Hr.  H.  Jentsch,  Gaben,  bespricht  in  einer  Mittheiltmg  die 

archäologische  Stellnng  der  Schale  mit  Yogelflgar  von  Barg 

im  Spreewalde. 

Zwischen  die  in  der  Pete rmann 'sehen  Sammlung  zu  Burg  befindliche,  in 
ihrer  Umgebung  isoUrt  erscheinende  Thonschale  mit  eingesteckter  schlanker  Vogel- 
ftgor  aus  Thon  (siehe  diese  Verhandl.  1897,  S.  362)  und  das  durchaus  ähnliche 
Seitenstuck  aus  dem  grossen,  bronzearmen  Gräberfelde  bei  Bucz,  Rr.  Schmiege!, 
im  Proyipcial- Museum  zu  Posen  tritt  als  ein  von  beiden  Fundorten  ziemlich 
gleich  weit  entferntes  Mittelglied  ein  ähnliches  Stück,  das  in  diesem  Zusammen- 
hange in  anderem  Lichte  als  frtlher  erscheint:  eine  nach  Abstossung  des  Randes 
als  Gefössdeckel  verwendete  Schale  von  Trettin,  östlich  von  der  Oder,  6  km 
nördlich  von  Frankfurt,  abgebildet  in  diesen  Verhandl.  1886,  8.  655,  Fig.  5.  Auch 
bei  ihr  hat  der  flache  Mittelknopf  eine  senkrechte  Einbohrung  zur  Aufnahme  eines 
Zapfens.  Dasselbe  ist  der  Fall  bei  einer  gleichfalls  im  Posener  Provincial-Museum 
aufbewahrten  Schale  von  Samter.  Bei  diesen  beiden  Stücken  ist  der  aufzusetzende 
Glegenstand  nicht  erhalten.  Diese  Schalen  haben  eine  grössere  Standfläche,  als 
die  kleineren  in  Gestalt  einer  Rugelmütze  mit  centralem  Bodeneindruck:  sie  waren 
wohl  auch  nicht  zu  Schöpf-  oder  Trinkgefössen,  sondern  zur  Aufstellung  bestimmt; 
falls  sie  zur  Aufnahme  von  Flüssigkeiten  dienten,  war  die  aus  ihrer  Mitte 
aufstrebende  Gestalt  eines  langbeinigen  Wasservogels  eine  ganz  natürliche  De- 
coration. Der  Fund  von  Burg  wird  durch  seine  Seitenstücke  jener  unter  öst- 
lichem Einflüsse  aus  der  Provinz  Posen  stehenden  Gruppe  von  Thon- 
gefässen  angeschlossen,  die  sich,  der  westlichen  Biegung  der  Oder  von 
Tschicherzig,  Kreis  Züllichau,  bis  Schiedlo  folgend,  durch  die  Kreise  Ost- 
und  Weststemberg,  Crossen  und  Lebus,  den  nördlichen  Theil  der  Kreise  Guben 
und  Lübben  streifend  (vergl.  diese  Verhandl.  1890,  S.  490),  bis  in  den  Beeskow- 
Storkower  Kreis,  —  indessen,  so  viel  bis  jetzt  zu  erkennen  ist,  nicht  nördlich  von 
der  Storkow-Zossener  Seenreihe  —  hinzieht  und  durch  die  Verzierungsart  charakte- 
risirte  Ausläufer  nach  Süden  aussendet.  In  dieser  ganzen  Gruppe  finden  sich 
auch  hin  und  wieder  ähnliche  Schalen,  bei  denen  auf  die  mittlere  Bodenerhebung 
ein  oben  ebener  Thonzapfen,  jedoch  ohne  Einstich,  aufgesetzt  ist,  z.  B.  im  Gräber- 
felde bei  Weissig,  Kr.  Crossen  (siehe  diese  Verhandl.  18?^6,  S.  656),  das  gerade 
mit  dem  bei  Bucz  auch  anderweitige  Aehnlichkeit  zeigt,  bei  Seh önf Hess  unweit 
Pttrstenbeig  a.  0.  (ebd.  1893,  8.564),  bei  Pfeiferhahn,  Kr.  Crossen.  Dass  diese 
östliche  Einwirkung  die  Stelle  erreichte,  die  als  geeigneter  Uebergang  über  das 
hier,  vor  dem  alten  Seebecken  des  jetzigen  Spreewaldes,  schmalere  Flussbett,  —  an 
einem  Punkte,  der  durch  den  umninglichen  Wall  des  Schlossbergs  jederzeit  ge- 
sicherte Unterkunft  gewährte,  —  den  Verkehr  besonders  anziehen  musste,  kann  wohl 
nicht  auffallend  erscheinen :  liegen  dafür  doch  auch  in  anderen  Einfohrgegenständen 
für  die  Zeit  der  alten  Lausitzer  Gräberfelder  —  allerdings  nicht  mehr  für  die 
La  Tene-  und  provincialrömische  Periode  —  Beweise  vor.  — 

(16)  Hr.  Friedel  bespricht  ein 

vorgeschichtliches  Gefäss  ans  dem  salzigen  See, 

12  km  südöstlich  von  Eisleben,  welches  der  Sammlung  des  Vereins  für  Geschichte 
und  Alterthümer  der  Grafschaft  Mansfeld  gehört  und  welches  der  eifrige  Alter- 
thumsforscher  Prof.  Dr.  H.  Grössler  in  Eisleben  eingesendet  hat.  Es  ist  ein 
Thongeföss  von  etwa  5^0  g   Schwere,    11  bis  1 2  cm   hoch ;   der  Durchmesser   der 


(592) 

Oeffnnng  beträgt,  wie  der  grösste  Banchdorchmesser,  11,5  cm;  letzterer  befindet  sich 
3,5  cm  unter  der  Kante  des  Randes.  Dieser  ist  etwas  nach  Aassen  gebogen  und 
mit  einem  Werkzeng  glatt  gestrichen.  Das  vasenartige  Gefäss  ist  äusserst  plump 
und  obAe  völlige  Symmetrie,  henkellos,  gearbeitet,  unverhältnissmässig  und  un- 
gleich dick  in  der  Wandung,  daher  die  erhebliche  Schwere.  Die  Farbe  ist  durch 
Schmockfeuerang  aussen  schwarz  gerathen,  innen  fahl  schwärzlich  und  gelblich. 
Die  Thonmasse  ist  sehr  grob,  mit  grossen  Stein  bisschen  gemengt  Auf  der  Aussen- 
seite  zieht  sich  bald  wagerecht,  bald  gewellt  ein  aus  drei  gleichsinnigen  Linien 
mit  einem  Strichler  gezogenes  Band  von  etwa  ^/,  cm  Breite  ringa  herum,  das  zick- 
zackformig  verläuft. 

Das  gut  erhaltene  Gefäss  wurde  in  einer  merkwürdigen  Steinpackung  (künst- 
licher Insel)  des  salzigen  Sees  gefanden,  welche,  Badenden  und  Schwimmenden 
längst  bekannt,  nach  dem  Zurückgehen  des  Sees  L  J.  1S96  abgetragen  ward. 
Dieser  Steinhorst  bestand  aus  Buntsandstein-Blöcken,  aus  einem  (}efels,  das  u.  A. 
in  dem  am  Ostgestade  des  Sees  gelegenen  Flegelsberg  ansteht  Der  Steinhorst 
beschrieb  ein  Eirund,  in  der  grössten  Länge  53  m,  in  der  grössten  Breite  16  «. 
Die  Höhe  mochte  2,10  m  betragen,  wovon  etwa  die  Hälfte  in  dem  weichen  See- 
boden allmählich  versackt  war.  Beim  Abtragen  dieser  grossen  künstlichen  Stein- 
packung fand  sich  nur  wenig  Bemerkenswerthes,  nehmlich  ausser  Hinf  grösseren 
Kohlensandsteinen,  an  denen  man  Spuren  von  Bearbeitung  mit  der  Zweispitze  tu 
entdecken  glaubte,  nur  noch  am  Südende  nahe  der  Aussenwandung  das  beschriebene 
thöneme  Gefäss,  welches,  wie  Hr.  Grössler  in  seinem  ^Bericht  über  einen  im 
Winter  1896  abgetragenen  Steinhorst  im  Salzigen  See^  (Mansfelder  Blätter,  XI.  Jahr- 
gang 1897,  S.  134—140)  sagt,  mit  Erde  gefüllt  war  und  in  dessen  Nähe  kleinere 
Bruchstücke  von  allerhand  Knochen  bemerkt  wurden.  Leider  ist  nicht  festgestellt 
worden,  ob  die  Erde  in  der  Urne  aschen-  oder  knochenhaltig  war,  und  auch  nicht» 
ob  die  Knochen  solche  von  Menschen  oder  Thieren,  ob  sie  verbrannt  oder  nicfat 
verbrannt  waren. 

Prof.  Grössler  möchte  nun  wissen,  in  welche  Zeit  das  von  ihm  als  ^Ume^ 
bezeichnete  Gefäss  gehöre.  Trotz  des  ausgesprochenen  Wellenomaments  hat  er 
Zweifel,  ob  das  Gefäss  altslavisch  sei,  und  er  führt  eine  Reihe  von  Fällen  anf^ 
wo  wellenartige  Zierathe  an  nicht  slavischen  Gefässen  gefunden  seien;  u.a.  bezieht 
er  sich  auf  das  ponmierische  Gefäss  von  Schwennenz,  welches  mit  archaistischen 
Bronzen  (Hängebecken)  zusammen  gefunden  wurde  und  das  Hr.  Schumann  in 
unseren  Verhandlungen  1894,  S.  437  abgebildet  hat  ^Angesichts  dieser  Funde 
(sagt  Prof.  Grössler)  dürfte  es  nicht  zulässig  sein,  ThongefUsse,  welche  das 
Wellenornament  tragen,  und  im  Besonderen  auch  unsere  in  dem  Steinhorste  des 
salzigen  Sees  gefundene  Urne,  ohne  Weiteres  für  slavisch  zu  erklären.  Ehe  das 
geschehen  kann,  müssen  erst  sicherere  Kennzeichen  des  slavischen  Ursprunges, 
als  bis  jetzt  geltend  gemacht  sind,  ermittelt  werden.^ 

Hr.  Friedel  ist  trotzdem  der  Meinung,  dass  es  sich  um  ein  zweifellos  alt- 
slavisches  (sorbisches)  Gefäss  handle;  allerdings  fehlt  die  Bearbeitung  aof  der 
Drehscheibe,  aber  dies  Fehlen  ist  auf  wendischen  Gefässen  wiederholt  beobarhtet 
Man  könnte  geneigt  sein,  anzunehmen,  dass,  als  die  Slaven  in  Germanien  ein- 
wanderten, sie  die  Drehscheibe  überhaupt  noch  nicht  oder  doch  nicht  alb^mein 
anwendeten.  Es  ist  aber  auch  denkbar,  dass  man  in  späterer  wendischer  Zeit 
sich  gelegentlich  in  primitiver  Weise  ohne  Töpferdrehscheibe  behalf. 

Bei  der  Anwendung  des  Wortes  Wellenlinie  laufen  ersichtlich  oft  Missverttänd- 
nisse  unter.  Unter  Wellenlinie  ist  das  mit  einem  mehrzinkigen  Geräth  gesogene, 
aus  verschiedenen  Parallel-Riefen  bestehende,  mitunter  in  seiner  jähen  Bewegtiog 


(593) 

wirklich  an  Wellen  erinnernde  Ornament  zu  verstehen.  Jene  Schwennenzer  Urne 
bat  gar  kein  Wellenomaiueut,  vielmehr  ein  deutliches  SchlangenornamüLit. 
Wellenornament  und  dag  bei  Niohlslaven  vielfach  vorkommende  ScIiUngen- 
ornament  werden  häufl(f  verwechselt.  Das  Wellenorniiraent  mögen  die  Staven 
von  den  Römern  der  späteren  Kaiserzeit,  bei  denen  es  —  auch  auf  Ziegeln  — 
häufig  ist,  übernommen  haben;  auch  auf  spStgermanischen  Gefüssen  kommt  es, 
wiewohl  in  charakteris  lisch  er  Variante,  und  sehr  verschieden  von  dem  slavischen 
Wellen  Ornament  behandelt,  vor'). 

Sehr  interessant  wäre  es  gewesen,  wenn  sich  dies  altwendische  Gefües  als 
Todtenarne  mit  I.eichenbrand  feststellen  licssc.  l-'s  witre  damit  die  Zahl  der 
noch  immer  einigermaassen  seltenen  Fülle  vermehrt,  wo  die  Wenden  —  vielleicht  zur 
Zeit  der  Einwanderung,  also  in  ihrer  frühesten  Ausbreitung  auf  vormals  germanischem 
Boden  —  die  Leichenverbrennung  uusliblen.  Leider  lässt  der  Fund  vom  Salzsee 
uns  hier  im  Stich.  — 

Hr.  Rad.  Virchow:  Ich  kannte  den 
Bericht   des   Hrn.   Grüssler   schon   ans 
einem  mir  Übersandten  Sonderab druck  aus 
den  „Mansfeldor  Bliittern"  1897,  XI,  Seite 
1Ö4.     In  Bezug   auf  das    fragliche  Thon- 
fiefiiss,     von    dem    ich    nach    der    eben 
genannten     Abhandlung     hier     eine     um 
die    Hälfte    verkleinerte    Autotypie  gebe, 
war    ich   zu    demselben    Ergebniss    ge- 
kommen,   wie    CS    Hr.    Friedel    soeben 
ansgesprochon  hat.  Es  ist  meiner  Meinung 
nach    zweifellos   slavisch.     Die   Ausfüh- 
rnngen    des    Hrn.    Grössler    über   das 
Wellenornament  habe  ich  nicht  ohne  Er- 
staunen gelesen;  da  er  so  viel  MUhe  auf 
die  Sammlung  von  Nachrichten  über  das 
Vorkommen    des    Wellenornamenla    ver- 
wendet hat,   so  ist  es  einigermaassen  zu 
verwundern,  dass  er  auf  keine   der  zahl- 
reichen Stellen  gestosaen  ist,  an  denen  ich  Über  dieses  Ornament,  das  von  mir  seinen 
Namen  erhalten  hat,  gehandelt  habe.    Ich  bemerke  dabei,  dass  es  ein  Irrthum  des 
Hm.  Grösaler  ist,  wenn  er  sagt,  es  sei  bisher  angenommen,  dass  dieses  Omameni 
der    slaTischen    Zeit    ausBchlicsslich    cigcnthUmlich    sei.      Es    giebt    immer    viele 
Menschen,  welche  übertreiben;  ich  selbst  habe  gut  bestimmte  Beispiele,  nicht  wie 
Hr.  Gröasler  ans  der  Literatar,  sondern  aus  der  Wirklichkeit  gesammelt,  welche 
den  Beweis  lieferten,  dass  dieses  Ornament  bis  in  die  Gegenwart,  z.  B.  in  Aegypten, 
sich  erhalten  hat.    Die  Warnung  des  Hm.  Friedel  vor  einer  falschen  Anwendung 
des  Wortes  ^  Wellenlinie"  ist  Übrigens  sehr  beherzigenswerth ;   ich  habe  schon  in 

1)  Tgl.  schlangen  förmige  Ornamente  (bochrolierortig)  auf  den  Uruen  bei  Hostmann: 
Der  Cmenfrieilhof  bei  Darian,  Braunschweig  1874,  Tafel  V,  Fig.  :!9,  4-i,  45,  48,  welche  H. 
tnr  slavischen  Ursprungs  (S.  18)  erkUrt,  obirobl  er  die  mittlere  Zeit  dieses  Umenlagers 
in  du  2.  Jahih.  n.  Chr.  (S.  31}  versetit  Selbst  wenn  man  mit  ihm  (S.  6)  die  Benntinng  des 
Friedhofes  auf  180 — 200  Jahre  sch&tat,  bleibt  die  jüngste  Zeit  desselben  noch  hinter  der 
slavischen  Einwandenmg  zurück.  Der  Schlangeniieratb  bei  Daraau  hat  eben  mit  den 
Wenden  nichts  in  thun. 


(594) 

meinem  ersten  Vortrage  in  dieser  Gesellschaft;  (2ieitschr.  f.  Ethnol.  1869  I,  über 
die  nördlichen  Pfahlbauten  nnd  Burgwälle)  eine  genaue  Beschreibung  geliefert. 
Aber  die  Gewohnheit,  die  Originalartikel  nicht  zu  lesen,  nimmt  so  sehr  zu,  dass 
ich  an  ähnliche  Vorkommnisse  ganz  gewöhnt  bin.  — 

(17)   Hr.  Priedel  zeigt  einen 

silbernen  Finger-Bing  von  Brüssow,  Uckermark. 

Derselbe  ist  an  der  inneren  Fingerfläche  kantig  und  erweitert  sich  nach  dem 
Kingkasten  zu,  dreifach  gefältelt,  mit  schwachen  Volutenansätzen.  Der  Ringkasten 
ist  aus  Gold  mit  einem  rundlich  absetzenden  Falz,  der  einen,  einen  Sardonyx  nach- 
ahmenden Stein  umschliesst,  welcher  aber  nach  der  Feststellung  unseres  Hit- 
gliedes Hofjuwelier  Paul  Teige,  dem  Hr.  Friedel  beitritt,  eine  Glasfritte  ist 
Der  untere  Theil  ist  schwarzblau,  die  Kingplatte  hellbläulich.  Dieselbe  weist  das 
Figürchen  eines  vor  einem  Baumstamm  stehenden  Merkurs  auf,  der  in  der  Rechten 
einen  gefüllten  Geldbeutel,  in  der  Linken  den  Flügelstab  hält.  Die  innere  hellere 
Ringplatte  ist  oval,  die  Längsachse  etwa  11  mm.  Dazu  kommt  von  der  dunkeln 
Unterplatte  oben  und  unten  je  1  mm  hinzu,  so  dass  die  gesammte  Ringplatte  in 
der  Längsaxe  etwa  13  mm^  in  der  Querachse  bezw.  etwa  8  und  2  mm,  zusammen 
nicht  ganz  11  mm  misst.  Nach  einer  Mittheilung  des  Königlichen  Antiquariums 
hierselbst  ist  diese  Merkur-Darstellung  eine  in  der  spätrömischen  Raiserzeit  ge- 
läufige. Die  Ausführung  ist  keine  besonders  kunstfeine,  wenn  man  auch  berück- 
sichtigt, dass  der  Glasfluss  trotz  seiner  relativen  Härte  etwas  von  der  Witterung 
gelitten  hat.  Man  geht  vielleicht  nicht  fehl,  in  dieser  Gemme  eine  römische 
Provincialarbeit  des  4.  Jahrhunderts  zu  sehen.  Auf  dem  vormals  römischen 
Besitzthum  innerhalb  des  alten  Germaniens  sind  ähnliche  Ringe  nicht  eben  selten; 
so  bildet  L.  Lindenschmit  (Die  AI terthtlmer  unserer  heidnischen  Vorzeit,  Bd.  IV, 
Taf.  15)  einen  ähnlichen,  allerdings  in  der  Fassung  ganz  goldenen  Fingerring  mit 
einem  ähnlichen  bläulichen  Stein  ab,  in  den  ein  Mars  eingravirt  ist;  er  wurde  im 
Rhein  bei  Mainz  gefunden,  während  der  heut  vorgezeigte  Ring  ohne  bemerisens- 
werthe  weitere  Umstände  im  Sande  bei  Brüssow,  Kreis  Prenzlau,  Provinz  Branden- 
burg, ausgegraben  und  vom  Märkischen  Museum  (Kat.  B.  H.  Nr.  21  247)  erwort>en 
worden  ist.    Die  Linden  seh  mit'sche  Abbildung  wurde  vorgezeigt. 

Nicht  unerheblich  dürfte  —  wie  Hr.  Friedel  bemerkt  —  es  sein,  schliesslich 
daran  zu  erinnern,  dass  das  Material  der  Gemmen  vom  Alsener  Typus  mit  den 
bekannten  barbarisirten  fratzenhaften  Figuren  dem  des  Brüssower  Ringes  gleicht, 
so  dass  die  Platte  in  der  Entfernung  gleich  einer  der  kleinen  derartigen  Dar- 
stellungen, wie  sie  sich  z.  B.  im  Museum  zu  Darmstadt  befinden,  aussieht.  Schon 
im  Jahre  1874  erwähnte  unser  Mitglied  Hr.  Bartels,  dass  George  Stephens  (Tre 
barbariske-classiske  Gemmer,  fundne  i  Danmark)  durch  altnordische  Goldbracteateo, 
welche  römischen  Münzen  nachgebildet  sind,  beweisen  zu  können  glaube, 
diese  Gemmen  seien  etwa  in  das  vierte  oder  fünfte  Jahrhundert  n.  Chr.  zu  setzen. 
Die  Brüssower  Gemme  hätte  ganz  wohl  zu  einem  derartigen  Nachahmungsversach 
seitens  nordischer  Künstler  anreizen  können.  Vgl.  Nachrichtsblatt  FV,  S.  91 
Der  Typus  des  Hermes  mit  Geldbeutel  und  Rerykeion  ist  im  hiesigen  Königlichen 
Antiquarium  vielfach  vertreten,  vgl.  Nr.  2379,  2539,  2566,  2696  ff.  der  Beschreibung 
der  geschnittenen  Steine  im  Antiquarium  1896.  Der  Sandberg,  in  welchem  der 
Ring  gefunden  wurde,  gehört  zu  der  Ortschaft  Hammelstall  bei  Brüssow;  in  der 
Nähe  befinden  sich  Hünengräber.  — 


(595) 

(18)  Der  „Berliner  Herold^  vom  8.  December  bringt  einen  kurzen  nnd  wenig 
ergiebigen  Bericht  über  eine  Ausgrabung,  welche  Hr.  Adersberg  aus  Mühl- 
hausen i.  Eis.  auf  dem 

Oberkietz  bei  Oderber^  in  der  Mark 

gemacht  hat.    Dabei  wurde  eine  Steinkammer  von  etwa  15  m  Höhe,  8  m  Länge  und 
4  m  Breite  aufgedeckt,  in  welcher  40—50  Thonumen  von  0,5 — 1,0  m  Höhe  aufgestellt 
waren.    Unter  denselben  sollen  Waffen  (nach  Hrn.  Heintze  Bronzeschwerter  und 
Steinäxte),  Steintruhen  u.  s.  w.  gefunden  sein.    Kein  Skelet.  — 
Genauerer  Bericht  wird  abzuwarten  sein.  — 

(19)  Die  „lllustrirte  Zeitung^  vom  9.  December  (Nr.  2841)  bringt  einen  mit 
zahlreichen  Abbildungen  ausgestatteten  Bericht  des  Hrn.  Karl  Wiegand  über  neu- 
entdeckte 

vorgeschichtliche  Lehmgräber  in  Sandhügeln  des  Königreichs  Sachsen. 

Der  Verf.  bezeichnet  das  Flachland  zu  beiden  Seiten  der  Elbe  unterhalb 
Meissens  als  ein  Hauptgebiet  vorgeschichtlicher  Ansiedelungsplätze  und  Urnen- 
Friedhöfe.  Am  rechten  Ufer  entdeckte  er  52,  am  linken  nur  12  solcher  Plätze. 
Soviel  sich  aus  der  vorliegenden  Schilderung  ersehen  lässt,  handelt  es  sich  aus- 
schliesslich um  flache  Brandgräber  mit  einem  reichen  Liventar  an  Thongefässen 
jeder  Art  und  Grösse.  Der  Verf.  rechnet  sie  wesentlich  zur  Hallstatt-  und  T^ne- 
Zeit.  Am  meisten  bemerkenswerth  darunter  sind  die  von  ihm  sogenannten  Lehm- 
gräber,  von  denen  er  namentlich  bei  Köderau  gute  Beispiele  antraf.  Der  Lehm 
ist  in  den  sandigen  Boden  eingebracht  und  lässt  sich  durch  einen  eingestossenen 
Spiess  leicht  entdecken.  Beim  Nachgraben  findet  man  1 — 2,5  m  tiefe,  cylindrische 
oder  trichterförmige  Gruben,  deren  Hals  durch  einen  vortretenden  ^ Glockenhügel ^ 
aus  Lehm,  der  sich  über  das  Niveau  des  Mutterbodens  erhebt,  verschlossen  ist. 
Am  Grunde  des  Cylinders  oder  Trichters  stehen  die  Thongefässe,  zuweilen  in 
grösserer  Zahl;  in  einer  Grube  traf  man  2  Haupt-  und  46  Nebengefässe  in  3  Gruppen 
(einer  mit  Haupt-,  zwei  mit  Nebengefässen).  Darunter  werden  Käuchergefässe  mit 
Fenstern  erwähnt,  die  auf  einer  tellerartigen  Schale  standen.  Manche  Gefässe 
trugen  einen  Graphit-Ueberzug.  Ihre  Formen  stimmen  mit  denen  anderer  nord- 
deutschen und  böhmischen  Gräberfelder,  namentlich  des  Lausitzer  Typus,  vielfach 
überein.  Von  Bronzen  wurde  nur  wenig  gefunden:  einige  Nadeln  und  Ringe,  üeber 
die  chronologische  Stellung  der  Gräber  behält  der  Verf.  sich  das  ürtheil  vor. 

Es  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  auch  Wohnplätze,  sogen.  Mardellen  oder  Trichter- 
gruben aus  der  Eisenzeit  aufgedeckt  wurden,  in  denen  Reste  von  Eisenschmelze, 
auch  einzelne  Schmelzöfen  und  „4  Stätten  der  ältesten  Eisengewinnung  mittelst  des 
sogen.  Renn feuer- Verfahrens**  nachzuweisen  waren.  Verf.  beruft  sich  auf  das 
Zeugniss  des  Hrn.  A.  Voss.  Einzelne  Blöcke  von  Eisenschlacke  waren  sehr  gross: 
ein  100  kg  schwerer  Block  soll  „noch  ganz  deutlich  die  Spuren  einer  Gussform^ 
zeigen.  — 

Eine  ausführliche  Monographie  wird  in  Aussicht  gestellt.  — 

(20)  Hr.  W.  V.  Schulen  bürg  schickt  aus  Baden-Baden,  9.  December,  eine 
Abhandlung  über  den 

Dnngkeller  des  Tacitns. 

In  den  Verhandlungen  (1893,  S.  148)  wurde  von  mir  in  Hinsicht  auf  das 
Spinnen  in  Ställen  in  Ober-Italien  hingewiesen  auf  die  Berichte  des  Plinius  und 

88* 


(596) 

des  Tacitus  über  Webe-  und  Vorrathskeller  der  Germanen,  und  in  den  Niederlausitzer 
Mittheilungen  (I,  S.  145)  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass  sie  gleichfalls  als 
Spinnstuben  gedient  haben  dürften.  Wie  ich  später  ersehen,  hat  schon  Jacob 
Grimm  (im  deutschen  Wörterbuch)  eine  reichhaltige  Zusammenstellung  ent- 
sprechender Nachrichten  gegeben  und  damit  den  Zusammenhang  der  Webekeller 
des  I.Jahrhunderts  n.  Chr.  mit  „der"  Dunk  des  Mittelalters  und  der  Neuzeit  dar- 
gethan.  Grimm  sagt  u.  A.:  „so  hat  das  altnordische  dyngia  auch  die  bedentung 
von  webegemach  der  frauen:  in  einer  solchen  dyngia  singen  die  Walküren  das 
schicksalslied  zu  ihrem  grausenhaften  gewebe  (Nialssa^a  c.  158)  .  .  die  arbeits- 
stuben  der  frauen  werden  in  der  lex  salica,  der  lex  Frisionum  und  dem  capitulare 
de  villis  screona  genannt  .  .  wovon  das  französische  ecraigne  escregne  abstammt 
.  .  kleine  unterirdische,  mit  mist  bedeckte  gemacher,  wo  die  mädchen  im  winter 
zur  abendzeit  zusammen  sitzen"  .  .  und  jedenfalls  auch  spannen,  wie  ich  hinzufüge, 
denn  das  war  dann  ihre  Hauptbeschäftigung. 

Schiller  und  Lübben*)  haben:  „dunk,  m.  (also  männlich),  unterirdisches 
Gemach,  welches  zum  Weben,  zur  Winterwohnung  und  zur  Aufbewahrung  von 
Getreide  diente",  und  aus  dem  Zeitbuch  des  Eike  van  Repgow,  215:  „De  keiserinne 
sande  ok  to  Home  eren  bref  unde  umbot  dar,  se  wolde  dat  de  utgesnedene 
(eunuchus)  Narses  mit  eren  wiwen  in  erer  düng  spunne."  Wenn  das  Spinnen  im 
Dung  damals  eine  bekannte  Sache  war,  so  dürfte  damit,  bei  der  vormaligen  An- 
dauer  der  Sitten,  auch  wohl  das  Spinnen  im  vorgeschichtlichen  Dung  erwiesen  sein. 

In  üebereinstimmung  mit  Tacitus  erklärt  auch  Pischart^):  „er  hab  dann 
glaubt,  was  gut  sei  für  Hitz,  sey  auch  gut  für  Frost,  wie  die  Bronnen,  wie  der 
Weber  Dunckkeller»)  . ." 

Es  bestätigen  demnach  spätere  Zeugnisse  die  Angabe  des  Tacitus  von  den 
Dungkellern  der  Germanen  (solent  et  subterraneos  specus  aperire  eosque  mnlto 
insuper  fimo^)  onerant),  nur  dass  man  die  ungefüge  Bezeichnung  „unterirdische 
Höhlen"  fallen  lassen  muss^).    Zu  bemerken  wäre  indessen,  dass  solche  Dnngkeller 


1)  Mittelniederdeutsches  Wörterbuch,  1876. 

2)  Geschichtklitterung,  1570—1590,  Neuausgabe  v.  Alslebon,  Halle  1891,  S.  ITS. 

8)  Schmeller  (Bayerisches  Wörterbuch,  1827—1887;  neu  von  Fromann,  18271  ver- 
merkt: ^dic  Dunk  (augsb.).** 

4)  A.  Baumstark  bemerkt  in  einer  Ausgabe  der  Germania  (Leipzig,  Weigel,  187*^« 
S.  61):  „FimuB,  Mist  (von  stercus  verschieden,  als  ein  weniger  widerlicher  Ausdruck)  ist 
nicht  Dünger.'^  Da  hier  Dünger  doch  wohl  gleich  Dung  gesetzt  ist,  so  wäre  zu  erwähnen, 
dass  in  Norddeutschland  östlich  von  der  Elbe,  soweit  ich  weiss,  bei  den  Landleut«n  Mist  das 
gebräuchliche  und  das  derbere  Wort  ist  Dung  gilt  mehr  als  feinerer  Ausdruck,  ist  ab^r 
völlig  dasselbe,  und  ebenso  in  Oberbayem,  Wurtemberg  (^d'Mischtena*)  und  Baden  ^au^h 
Mischtel,  Viscum  albnm),  soweit  mir  mehr  vereinzelt  bekannt  geworden.  Mistgrube,  Mistwagen. 
Mistbeet  u.  dergL  m.  sind  allgemeine  Ausdrücke;  misten,  ein  Fachausdruck  bei  Pferde* 
besitzen!  und  Stallwärtem:  den  Stall  ausmisten,  die  Thätigkeit,  die  der  nachmals  zum  Gt>^t 
erhobene  Herkules  der  alten  Griechen  in  seiner  Zeit  als  Arbeitsmann  oder  Knecht  mit  Eifer 
vollführte  (dem  in  sonstigen  ländlichen  Kraftstücken  der  starke  Hans  der  Deutschen  eben- 
bürtig ist,  nur  dass  seine  Landsleut«,  frühzeitig  durch  fremden  Geist  entvolkt,  Um  nicht 
zu  solcher  Höhe  brachten) ;  „das  ist  nicht  auf  deutschem  Mist  gewachsen*,  eine  Terbreiftet^ 
Redensart  Mist  ist  auch  bildlich  bei  gebildeten  jungen  Leuten  ein  nicht  seltener  AotdriKk 
für  gewisse  geistige  Arbeiten,  entsprechend  den  Zeitwörtern  büffeln  und  ochsen.  Es  d&HW 
sich  verlohnen  zu  erfahren,  wo  in  Deutschland  die  Bauern  von  jeher  Dung  sagen. 

5)  Schreibt  doch  auch,  nach  Zeitungsberichten,  der  Afrikaner  Amur  bin  Kasnr  tos 
den  Kellerwohnungen  in  Berlin:  ^ unten  in  den  Häusern  sind  Gruben,  darin  wobneo  die 
armen  Leute.'' 


(597) 

in  nassen  Niederungen  wegen  des  Grundwassers  wohl  weniger  üblich  sein  konnten 
als  in  trockenem  und  bergigem  Gelände,  unbeschadet  der  Thatsache,  dass  in  der 
Mark  und  auch  sonst  in  Norddentschland  im  vorgeschichtlichen  Alterthnm,  zeitweise 
wenigstens,  hier  und  da  der  Grundwasserstand  ein  anderer  gewesen  sein  muss,  als 
heute,  dass  trockenes  Land  war,  wo  heute  nasser  Grund  ist,  woför  deutliche  Merk- 

« 

male  vorliegen^). 

Erdgaden  als  Vorrathsräume  erwähnt  Wilmar'):  „Gaden,  masc,  jetzt  nur 
noch  in  der  Obergrafschafl  Hanau  und  zwar  in  der  ursprünglichen  Bedeutung 
üblicher  Ausdruck:  kleiner  einstöckiger,  meist  nur  aus  einem  einzigen  Raum 
bestehender  Nebenbau*).  In  früherer  Zeit  muss  das  Wort,  auch  in  dem  angegebenen 
uralten  Sinn,  ziemlich  überall  in  Hessen  verbreitet  gewesen  sein;  so  ist  in  Dörfern 
der  Umgegend  von  Kassel  (|Heckershausen  u.  a.)  von  Erdgaden  die  Rede,  welche 
übrigens  zum  Theil  zu  Wohnungen*)  gedient  zu  haben  scheinen.  In  dem  Sinn 
von  Yorrathsraum,  Vorrathshaus  kommt  Gaden  bis  in  das  17.  Jahr.(hundert)  oft  vor." 
Aus  dem  Worte  Erdgaden  dürfte  doch  wohl  hervorgehen,  dass  diese  Gaden  sich 
ursprünglich  mehr  oder  weniger  in  der  Erde  befanden. 

Frl.  M.  Lehmann-Pilhes  theilte  mir  freundlichst  brieflich  mit:  „Dr.  Valtyr 
Gutfmundsson  spricht  in  seinem  Buche  ^Privatboligen  paa  Island  i  Sagatiden^ 
von  dem  Yorrathshause,  der  skemma,  einem  einzeln  stehenden  Gebäude  und  sagt, 
sie  sei  in  Island  selten,  in  Dänemark,  Schweden  und  Norwegen  in  der  Regel  als 
Schlafraum,  sowohl  für  die  Familienglieder,  als  für  angesehene  Gäste  benutzt  worden. 
In  den  letztgenannten  Ländern  habe  sie  gewöhnlich  2  Stockwerke  gehabt,  von 
denen  aber  das  untere  zuweilen  nur  ein  in  die  Erde  gegrabener  Keller  gewesen 
sei.  Yon  Island  sei  dies  nur  einmal  erwähnt  (Sturlunga  saga)  und  nie  zwei  Stock- 
werke über  der  Erde.  Es  gab  hier  aber  unterirdische  Gänge  (jarrt"hus  =  Erdhaus), 
die  zum  Entfliehen^),  und  unterirdische  Stuben  (jariJ'stofa),  die  als  Gefangniss 
dienten.'* 

Betreffs  der  von  Grimm  erwähnten  nordischen  „dyngia"  hatte  Frl.  Lehmann- 
Filhes  die  Güte  mir  mitzutheilen:  „Dr.  Yaltvr  GuiJmundsson  sagt  (S.  245),  nach- 
dem er  Lage  und  Zweck  des  Prauengemachs  (dyngja)  nach  einigen  Sagastcllen 
erläutert  hat,  von  dem  Worte  an  sich:  ^Was  den  Namen  dyngja  und  seinen 
Ursprung  betrifft,  so  bedeutet  es  eigentlich  nur  einen  Haufen  (dänisch:  djmge), 
welche  Bedeutung  das  Wort  im  Isländischen  noch  jetzt  hat  (vergl.  ösku  dyngja  = 


1)  Vergl.  Brandenburgia,  1897,  S.  1:50,  181. 

2)  Idiotikon  von  Kurhessen,  Marburg,  1868. 

3)  Im  Schwarzwald,  in  der  Gegend  von  Tribcrg,  heisst  in  den  Bauemhäusem  die 
Schlafstube  für  Bauer  und  Bäuerin,  Vater  nnd  Mutter:  Gade;  in  Oberbayem  dieselbe: 
Stubenkammer,  Stumkomma. 

4)  Der  volkskundige  Schulze  Hantscho-Hano  in  Schleife  bemerkt  (Nicdorlausitzer 
Mittheilungen,  I.,  1890,  S.  78) :  „In  der  hiesigen  Schleifer  Sandgegend  (Kreis  Rothenburg, 
Schlesien)  waren  ehedem  die  alten  Ansiedlungen  Erd Wohnungen.  Die  Wände  wurden  von 
Kiefemstangcn  über  Kreuz  gelegt,  etwa  ein  Meter  tief  in  die  Erde  hinein.  Was  oberhalb 
der  Erde  war,  wurde  mit  Lehm  und  Sand  bestrichen  und  die  Wohnung  war  fertig.**  Wenn 
dies*!  Angabe  auch  nur  auf  mündlicher  Ueberlieferung  beruht,  so  verdient  sie  doch  wegen 
der  früheren  Abgeschiedenheit  jener  wendischen  Dörfer  einige  Beachtung.  Vergleiche  die 
Lutchen  in  der  Brandenburgia. 

ö;  Auch  Tacitus  denkt  bei  den  Dungkellem  an  feindliche  Bedrohung.  Germania,  K»: 
^Solent  et  subterraneos  specns  aperire  .  .  qnia  .  .  ot,  si  quando  hostis  advenit,  aperta 
populatur,  abdita  antem  et  defossa  aut  ignorantnr  aut  eo  ipso  faUunt  quod  quaerenda 
sunt." 


(598) 

Aschenhaufen,  und  das  Verbum  alT  dyngja  saman  =  Zusammenbau fen),  während  die 
andere  Bedeutung  (Frauenstube)  in  der  jetzigen  Sprache  verloren  ist,  da  man  keine 
besondere  Frauenstube  mehr  hat.  Das  Wort  steht  in  Verbindung  mit  dem  englischen 
^dung^,  d.  h.  Mist  (angels.  düng,  dyng,  dtsch.  düng,  dünger;  ahd.  tunc,  d.  i.  unter- 
irdische Webestube,  (Kluge,  Etymol.  Wörterbuch),  da  dieses  Haus  ursprünglich 
grösstentheils  in  die  Erde  gegraben  war,  woher  nur  das  Dach  oder  dessen  oberster 
Theil,  das  zum  Schutz  gegen  die  Winterkälte  ursprünglich  mit  Dtinger  bedeckt 
war  (Tac.  Germ.  16),  sich  über  die  Erdoberfläche  erhob.  Das  Wort  tunc  wird 
infolge  alter  Glossen  (Fritzner's  Wörterb.,  2.  Ausg.)  mit  lat.  hypogeum,  textrina, 
geneceum  (Graff  V,  433  u.  IV.  217;  Mhd.  Wörterb.  III,  130)  d.  h.  gynaeceum 
übersetzt  und  in  Süddeutschland  und  der  Schweiz  noch  für  unterirdische  Webestube 
gebraucht.  Hiermit  kann  verglichen  werden,  was  Plinius  berichtet  .  ."  Fräulein 
Lehmann-Filhes  fügt  dem  noch  hinzu:  „Ich  denke  mir  auch,  das  es  angenehm 
ist,  im  Keller  zu  weben,  weil  die  Fäden,  wenigstens  Flachsfäden,  in  feuchter  Luft 
weniger  leicht  reissen.  —  Als  Name  von  vulcanischen  Bergen  kommt  dyngja  jetzt 
in  Island  häufig  vor:  Trölladyngja  =  Trollenfrauengemach,  KoUötta  dyngja,  wohl 
„ein  runder  Haufen^,  denn  kollottur  heisst  „ungehömt^,  rundköpfig.  Dünger  oder 
Mist  heisst  im  Isländischen  jetzt  „myki  oder  mykja  und  tad*,  pl.  tötT'. 

Diese  altnordische  dyngja  dürfte  auch  ihrerseits,  besonders  in  Hinsicht  auf 
eigenthümliche  Sitten,  den  Zusammenhang  der  skandinavischen  Nordgermanen  mit 
den  von  Tacitus  eingehend  geschilderten  deutschen  Südgermanen  erweisen.  Wahr- 
scheinlich ist  doch  auch,  dass  zur  Zeit  des  Tacitus  die  germanischen  Webekeller 
ähnlich  hiesseUf  wie  der  neuere  und  mitteralterliche  Dunk. 

Baumstark^)  bemerkt,  dabei  wohl  in  Uebereinstimmung  mit  vielen  an- 
deren Gelehrten,  zur  Angabe  des  Tacitus  „solent  et  snbterraneos  specus  aperire 
eosque  multo  insuper  fimo  onerant^:  „Solent  bezeichnet  die  Allgemeinheit  der 
Sache,  welche  dem  germanischen  Culturbilde  äusserst  uni^ünstig  erscheint.*^  Dieser 
Schlussfolgerung  wird  man  nicht  beitreten  können.  Bei  der  Beurtheilung  der 
„Cultur"  eines  Volkes  muss  dessen  Gesittung  wesentlich  maassgebend  sein.  Eine 
höher  entwickelte  Gesittung  hängt  aber  nicht  ausschliesslich  von  der  reichen  Ent- 
wicklung äusserer  Lebenseinrichtungen  ab.  In  Island  z.  B.  war  eine  hohe  Ge- 
sittung und  auch  Bildung^)  herrschend.  Trotzdem  heisst  es  in  isländischen  Be- 
richten von  den  Wohnungen  der  ärmeren  Bevölkerung  im  Bezirk  SkagaQördur  im 
Nordland  (auf  Island),  und  zwar  von  solchen  aus  der  ersten  Hälfte  unseres  Jahr- 
hunderts, nach  M.  Lehmann-Filhes:  „Die  bekkabadstofur')  (Wohn-  und  Schlaf- 

1)  A.a.O.  S.61. 

2)  M.  Lehmann-Filhes,  Colturgeschichtliches  aus  Island,  nach  dem  Ifiländis4?h<^a, 
in  der  Zeitschrift  des  Vereins  f&r  Volkskunde,  Berlin  189<),  S.  2:^.  Auf  dem  badstofulopt 
ausserhalb  der  Kammer,  die  das  Gemach  („herbergi")  des  Ehepaares  bildete  (wie  das  von 
mir  erwähnte  Gade  und  die  Stubenkammer  im  Schwarzwald  und  in  Oberbajem),  ,5t«iid 
eine  mit  einer  zusammengefalteten  Decke  belegte  Truhe;  das  war  der  Sitz  des  Knechtes 
Thorsteinn,  der  Abends  dort  sass  und  allerlei  ausbesserte  und  schnitzte  und  daxwischen  die 
Aulgabe  hatte,  Geschichten  (sögur)  vorzulesen  und  lange  Gedichte  (rfmur)  aufzusagen.  Die 
drei  M&gde  sitzen  auf  ihren  Betten  und  spinnen*'  u.  s.  w. 

^i)  Badstofa  biess  ursprünglich  Badstube  und  bezeichnete  (^nach  Lehmann-Filhos) 
in  alter  Zeit  den  auf  jedem  islindischen  Gehöft  befindlichen,  mit  einem  grossen  steinemeo 
Ofen  versehenen  Raum  zum  Baden.  Ebenso  ist  noch  heute  in  Oberbajem  das  Wort  Bad* 
Stube,  Bodstum,  erhalten  geblieben.  Es  weist  ebenfalls  zurück  auf  die  ehemalige  Bad- 
stube zum  Baden  und  bezeichnet  jetzt  Gebäude  (insoweit  ich  sie  kennen  lemte\  die  al« 


(599) 

Stuben)  hatten  fast  immer  das  Erdreich  zum  Fussboden;  an  beiden  Längswänden 
standen  die  Betten,  die  nackten  Erdwände  hinter  ihnen  waren  grauweiss  von 
Schimmel  nnd  Feuchtigkeit').^  ^Die  Giebelwände  der  Badstofur  waren  damals 
gleich  den  übrigen  stets  von  Rasen  und  so  dick,  dass  die  Fenster  im  Dache  sein 
mussten  ')^  „In  den  ärmlichsten  Badstofur  war  das  Torfdach  zwischen  dem  Latten- 
werk sichtbar').  Ausserdem,  was  den  Isländern  zur  besseren  Ausstattung  doch 
mehr  fehlte,  Holz,  hatten  die  deutschen  Germanen  in  Fülle.  Zudem  hatten  sie 
ausser  jenen  „Tungen^  noch  die  eigentlichen  Wohnhäuser,  die  nach  der  Beschreibung 
des  Tacitus  Blockbauten  waren,  wie  sie  noch  heate  in  Deutschland,  aber  auch  in 
Norwegen  u.  a.  vorkommen. 

Der  dunkle  Raum  der  Tungkeller  lässt  zumal  für  lange  Winterabende  eine 
künstliche  Beleuchtung  voraussetzen.  Vom  Standpunkte  der  Neuzeit  oder  des 
Mitteiters  könnte  man  dabei  an  Lampe,  Unschlittkerze  oder  Span  denken.  Das 
Spanlicht  hat  sich  bis  in  unsere  Zeit  erhalten.  Rienspähne  der  Kiefer  wurden  ver- 
einzelt in  der  weitereu  Umgegend  von  Berlin  (auf  dem  Lande)  in  einem  mir 
bekannten  Hause  noch  vor  10  Jahren,  mehrfach  bis  vor  20  Jahren,  allgemeiner  in 
Dörfern  der  Moskauer  Gegend  noch  vor  15 — 20  Jahren,  vielleicht  noch  jetzt, 
gebrannt.  Noch  in  den  letzten  Jahren  sah  ich  in  Oberbayem,  höher  im  Gebirge, 
im  Hause  zu  allerhand  Verrichtungen  mit  Fichtenspähnen  leuchten^). 

Ob  für  das  Tageslicht  irgendwie  eine  Luke  im  Dach  des  Tung  oder  sonstwie 
vorhanden  war,  wird  nicht  weiter  von  Tacitus  berichtet,  ebensowenig  von  den 
Wohnhäusern.  Aber  es  wäre  denkbar,  dass  man  sich  in  beiden  irgendwie  statt  mit  den 
heutigen  Fenstern  anderweitig  beholfen  hätte.  Aus  Island  heisst  es  denkwürdig^): 
^In  dem  Rasendache,  das  man  überall  durch  die  Dachlatten  hindurch  sah,  war 
eines  jener  oft  nur  handgrossen  Fenster  ( sk jag luggi);  ein  hölzernes  Band  wurde 
zu  einem  Ringe  zusammengebogen  (oder  auch  wohl  ein  länglicher  oder  viereckiger 
Rahmen  angefertigt),  mit  der  Eihaut  eines  Kalbes  bespannt  und  in  die  zu  diesem 
Zwecke  hergestellte  Dachöffnung  gepasst.  Diese  dünne  Haut  wurde  oft  zerstört,  bald 
durch  den  Wind,  bald  durch  die  Katze  .  . ;  man  musste  daher  stets  Vorrath  an  solchen 
Häuten  haben  .  .^  „Junge  Mädchen,  die  auf  sich  hielten,  haben  den  liknarbelgur 
so  gut  als  möglich  gewaschen  und  geschabt,  bevor  sie  ihn  in  das  Fensterchen  über, 
ihrem  Bette  brachten,  und  dann  mit  ihrer  Handarbeit  oben  auf  dem  Bette  möglichst 
nahe  an  dieser  Lichtquelle  gesessen^.  „Eine  Frau,  die  1811  geboren  war,  erinnerte 
sich  aus  ihrer  Jugend  keiner  anderen  Fenster^).^ 

Für  einzelne  Gegenden  wenigstens  (in  Niederdeutschland,  auch  in  Norwegen, 
Schweden  und  England)  kann  das  Vorhandensein  von  Lichtluken  an  Häusern  vor- 
geschichtlicher Zeit  als  erwiesen  gelten  seit  Auffindung  der  Fensterurnen  aus 
Gräbern.  Die  Todtenume,  wie  sonst  das  Grab,  galt,  sicherlich  für  eine  gewisse 
Zeitdauer,  als  Wohnung  des  Todten.     Das   beweist  der  Volksglaube  der   letzten 


Dörrkammem  für  den  Flachs  dienen  und  um  darin  den  Flachs  zu  brechen.  Vergleiche  diese 
Verhandlungen  1889,  8.22,  nnd  Mittheilungon  der  Wiener  Anthropologischen  Gesellschaft, 
26  (16),  8.79.  Auch  Tacitus  erw&hnt,  dass  die  alten  Deutschen  B&der  nahmen.  Ger- 
mania, 22:  „Statim  e  somoo,  quem  plernmque  in  diem  cxtrahunt,  lavantnr,  sacpius  calida 
ut  apud  quos  plurimum  hiems  occupaf 

1)  M.  Lebmann-Filh6s,  a.a.O.,  8.237. 

2)  Ebenda,  8.239. 

3)  Ebenda,  8. 289. 

4)  VergL  Brandenburgia,  Berlin  1896,  8. 151. 
5}  M.  Lehmann-Filhes,  a.a.O.,  8.230. 

6)  Ebenda,  8.239. 


(600; 

Jahrhunderte,  in  dem  der  Glaube  der  alten  Deutschen  mehr  oder  weniger  gebrochen 
sich  abspiegelt,  und  die  Auffindung  der  Hausurnen.  In  ihnen  hat  man  Häuser  der 
Lebendigen  nachgebildet  oder  angedeutet.  Dazu  kommt  die  Auffindung  der  Fenster- 
urnen.  Wenn  unten  am  Boden  derselben  durchsichtige  Glasstücke  eingesetzt 
wurden,  so  sollten  sie  vermuthlich  ein  Fenster  am  Hause  des  Todten  vorstellen, 
wie  man  ein  solches  „Fenster"  oder  solche  „Fenster"  gekannt  hatte  an  seinem 
Hause  zu  seinen  Lebzeiten,  oder  sonst  an  Häusern  von  Lebenden.  Denn  Brauch 
und  Sitte  sind  immer  der  Ausdruck  einer  bestimmten  Anschauungsweise. 

In  Hinsicht  auf  das  Spinnen  in  Ställen  zur  Winterzeit  in  Oberitalien  möchte 
ich  erwähnen,  dass  der  italienische  Maler  Hr.  Segantini  im  vorigen  Winter  in 
Berlin  bei  Schulte  unter  anderen  zwei  grosse  Gemälde  ausgestellt  hatte,  von 
denen  das  eine  bei  Laternenlicht  im  Kuhstall  (wohl  in  den  Alpen  Italiens  oder  der 
Schweiz?)  eine  Mutter  mit  einem  Kinde  sitzend  zeigte,  das  andere  ebenso  eine 
Spinnerin.  — 

(21)    Hr.  W.  V.  Schulen  bürg  überschickt  ferner  einen  Artikel  über  den 

Tradenfüss  bei  Wilshofen  in  Bayern. 

Als  Drudenfuss  gilt  allgemein  das  verschränkte  Dreieck.  Wolf*^  theilt 
darüber  (aus  Keysslers  Antiquit.  selectae  septent.  et  celticae  p.  jOI)  bemerkens- 
werth  mit:  „Druden  etiam  in  Franconia  et  Helvetia  adpellantur  sagae,  Drütner, 
incantatores,  magi.  Figura  pentagona,  olim  '>/€:«*;,  sive  salutis  Signum  ^  (quod 
multis  superstitiouibus  commaculant  et  nocte  Stae.  Walburgae  sacra  creta  inscri- 
bunt  stabulorum  portis,  ne  Sagae  et  Druidae  ad  armenta  et  pecora  penetrent)  ad- 
pellatur  Drudenfuss,  pes  Dioiidum "'•').  „Diesem  Drudenfusse')  entspricht  genau 
der  niederdeutsche  Familienname  Marevoet",  setzt  Wolf  hinzu. 

Eine  andere  Art  von  „Trudenfuss"  als  das  Pentangulum,  und  zwar  aus  Weiden- 
rinde hergestellt,  ist  mir,  während  meines  früheren  Aufenthalts  in  Bayern,  aus 
Xiederbayern  bekannt  geworden.  Es  herrscht  beim  Landvolk,  so  in  der  Gegend 
von  Wilshofen  bei  Passau  u.  a.  die  Sitte,  wie  mir  seiner  Zeit  Hr.  Klostermejer, 
von  dort  gebürtig,  mündlich  mittheilte,  „dass  man  am  Charfreitag  auf  einem  freien 
Platze  zwischen  den  Gräbern  des  Kirchhofs  ein  Feuer  anmacht,  in  dieses  geweihte 
Feuer  Stöcke  oder  stärkere  Ruthen  von  einer  Weide  steckt  und  sie  an  den  Enden 
verkohlen  lässt.  Aus  der  Rinde  derselben  verfertigt  man  Trudenfüsslein. 
Die   angekohlten  Stöcke    werden   oben  gespalten  und  ein  Trudenfüsslein  hinein- 

1)  Niederländische  Sagen.    Leipzig  1843,  S.  190. 

2)  Carus  Sterne  (Sommerblumen,  Leipzig  1884,  S.  IHI  — 1S4)  bespricht  gewisse  Eijren- 
thümlichkeiteu  der  5  Kelchblätter  der  Rose  und  giebt  ;^S.  182)  eine  Zeichnung  ,von  der 
Knosponlage  der  Kclchzipfel  der  Moosrose  mit  eingezeichnetem  Pentagramm*,  das  man 
erhalte,  wenn  man  bei  Verfolgung  des  ..kurzen  Weges"  die  Kelchzipfel  in  einem  Haudxiigp 
mit  geraden  Linien  verbindet:  er  weist  zugleich  darauf  hin,  dass  „schliesslich  die  Rose  selbst 
statt  des  Drudenfusses"  gesetzt  wurde.  Das  Yolksräthsel  von  den  6  Brüdern  (bei  Wossidlo 
die  Kelchblätter  der  •Hundsrose'*),  das  Carns  Sterne  als  Uebersetznng  eines  Thefles  eines 
lateinischen  Epigramms  eines  16.')0  gedruckten  Buches  erklärt,  findet  sich  nach  Wossidlo 
(Meklenburgischo  Volksübcrlicferungen  I.  Wismar  1897,  S.  75,  290)  vielfach  beim  Land- 
volke verbreitet. 

:>}  In  der  Gegend  von  Bühl  in  Baden  wurde  noch  vor  .50— (X)  Jahren  in  die  Pfosten 
des  Kuhstalls  mit  dem  Messer  ein  Zeichen  eingeschnitten,  dass  keine  Hexen  in  den  St^U 
kämen  und  die  Kühe  melkten:  doch  war  jetzt  nicht  mehr  genau  festzustellen,  wie  diese« 
Zeichen  ausgesehen  hat. 


(601) 

geklemmt  und  dann  der  Stock  in  den  Acker  gesteckt,  damit  die  Erde  vor  allem 
bösen  Einfluss  gesichert  sei.  Auch  im  Hause  wird  der  Trudenfuss  verwendet. 
So  gegen  Alpdrücken,  das  man  den  Truden  und  Hexen  zuschreibt,  die  sich  Nachts 
dem  Bauer  auf  die  Brust  setzen  und  ihn  nach  Herzenslust  drücken.  Dagegen 
nagelt  der  Bauer  3  Trudenfüsse  an  die  Bettlade  und  drückt  dann  Nachts  im  Ge- 
fühle der  Sicherheit  seine  müden  Augen  zu.'^ 

Zu  weiterer  Bestätigung  wandte  ich  mich  neuerdings  (1896),  auf  Empfehlung 
des  Hrn.  Prof.  Sepp  in  München,  an  den  volkskundigen  Hrn.  Pfarrer  Kitzinger 
in  Osterhofen  bei  Passau.    Hr.  Kitzinger  hatte  die  Güte,   mir  die  nebenstehend 


A.    »A 


B. 


i 


abgebildeten  Trudenfüsse  zu  übersenden  und  bemerkte  freundlichst,  wegen  des 
Pentangulum  hinweisend  auf  Armamentarium  ecclesiasticum  von  P.  Fr.  Ubaldus 
Stoiber  vom  Jahre  1726  (H.  S.  60  und  folg.):  „Alte  Amulette  tragen  nicht 
nur  die  Zeichen  des  Pentangulum,  sondern  auch  ^^einen  Schwan*',  zum  Capitel 
„Wallküren*  oder  Alfenfuss  gehörig,  weil  sich  die  Wallküren  nach  der  Mythe  in 
einen  Schwan  verwandeln  konnten.  Im  christlichen  Zeitalter  haben  die  mystischen 
Zeichen  der  Gnostiker  eine  christliche  Form  angenommen;  dahin  gehören  auch 
die  Druden  kreuzchen  oder  Trudenfüsse.  Auffallenderweise  finde  ich  bei  der 
Volksschilderang  in  Müller's  „Der  bayrische  Wald"  S.  64  und  Heinrich  Reder's 
„Bayerwald'',  S.  113  hiervon  nichts  erwähnt,  obwohl  besonders  der  Waldler  auch 
die  geweihten  Sachen  häufig  abergläubisch  gebraucht.  In  hie-siger  Gegend  ist 
hiervon  Nichts  bekannt;  ich  war  2  Jahre  in  Wilshofen,  habe  nie  etwas  gehört. 
Ich  fragte  Personen  aus  dem  Wils-  und  Roththale,  Priester  und  Laien,  keiner 
wusste  Aufschluss  zu  geben.  Ein  Mann  ans  der  Gegend  von  Wiechtach  weiss, 
dass  man  in  seiner  Heimath  das  Hexenzeichen  (Pentangulum)  mit  Kreide  auf 
Bettladen  und  Stallthüren  zeichnet.  Ein  pensionirter  Lehrer  aus  der  Oberpfalz 
saicte  mir,  dass  man  „in  der  Pfalz  hinten''  Druden -Kreuze  ^egen  den  „Bömess- 
Schnitf*  (in  anderen  Orten  „Durchschnitt**  geheissen)  in  die  Getreidefelder  steckt, 
um  die  schadenden  Eleiuentar-Geister  abzuhalten.  Auf  meine  weitere  Frage,  was 
denn  dieser  sogenannte  „Bömess"  sei,  sagte  er:  „ein  böser  Mensch  thut  es  mit 
Hülfe  eines  bösen  Wesens  (Trude)."  In  der  Gegend  von  Pfatter  besteht  auch 
vielfach  der  Glaube  an  die  Wirksamkeit  des  „Trudenfusses." 

In  Hinsicht  auf  das  von  mir  erwähnte  Feuer  u.  s.  w.  bemerkt  Hr.  Kitzinger: 
„Jeder  Katholik  weiss,  dass  am  Palmsonntage  Palmen  geweiht  werden,  die  man 
im  Hause  bewahrt  und  ehrt.  Uebers  Jahr  werden  diese  Palmen  gesammelt  und  ver- 
brannt, und  mit  dieser  Asche  wird  jene  ernste  Ceremonie  der  Einäscherung  vor- 


(602) 

genommen  mit  den  Worten:  ^Memento,  homo,  qoia  pulvis  es  et  in  pulrerem 
reverteris."  Die  Stange  (Stock),  an  welche  das  Palmenbüschlein  gebunden  wird, 
ist  eine  Weide.  Im  Frühjahre  ist  diese  Rinde  leicht  löslich,  und  davon  werden 
die  sogenannten  Drudenfttsse  gemacht,  grösser  oder  kleiner,  wie  man  eben  will. 
Die  Verschlingung  erinnert  an  die  Tephilim  oder  Phylacteria  Judaeorura  (vide 
Commeni  in  Calmet.  V.  Test.  Tom.  I,  pag.  773).  Am  Charsamstage  wird  be- 
kanntlich das  „Feuer^  geweiht.  Die  Leute  stecken  Prügel,  Stecken  u.  dgl.  in  das 
geweihte  Feuer  und  stecken  diese  „Brände*'  dann  auf  die  Felder.  In  Pfarrdörfem 
wird  das  Feuer  gewöhnlich  im  Friedhofe  an  einem  freien  Platze  geweiht.  Als 
solche  „Brände^  benutzt  man  entweder  den  Palmbaum-Stecken ^)  selbst,  oder  einen 
Theil  desselben.  Ist  er  angebrannt,  so  spaltet  man  ihn  oben,  steckt  ein  anderes 
„ Brandhölzchen  ^  überquer  ein  und  formirt  so  ein  Kreuz.  Wer  einen  ^Truden- 
fuss^  hat,  steckt  diesen  hinein,  er  hat  ja  die  Rreuzesform.  Gewöhnlich  am  3.  Mai 
(Rreuzerfindung)  oder  bald  nach  der  Oster-Feuer-  und  Wasser- Weihe  werden  diese 
Kreuze  auf  die  Felder  gesteckt,  diese  unter  Gebeten  mit  geweihtem  Wasser  be- 
sprengt und  das  Gedeihen  der  Feldfrüchte  und  Abwendung  alles  Schädlichen  Gott 
empfohlen."  — 

(22)  Freiherr  v.  Stein,  Premier-Lieutenant  in  der  Kaiserlichen  Schutztruppe 
und  Stationschef  der  Kaiserlichen  Keg.-Station  Lolodorf  in  Kamerun,  hat  unter 
dem  6.  October  Hm.  Rud.  Virchow  folgende  Mittheilung  übersendet,  betreffend 

Anthropologisches,  namentlich  auch  Zwerge  in  Kamemn. 

Als  einen  Beweis  meines  Interesses  an  der  Anthropologie  bin  ich  in  der  glück- 
lichen Lage,  Ihnen  das  annähernd  vollständige  Skelet  eines  Ndogunbuea  (süd- 
östlicher Bakoko-Unterstamm)  zu  übersenden.  Es  wird  allerdings  wohl  erst  mit 
nächster  Post  eintreffen.  Der  betreffende  Mann  soll  vor  etwa  Jahresfrist  als  Ge- 
fangener hier  auf  der  Station  umgekommen  sein.  —  Ich  war  damals  noch  nicht 
hier,  aber  es  zeigte  mir  ein  Schwarzer  den  Beerdignngsplatz.  Wenn  ich  nicht  mehr 
sende,  so  liegt  dies  an  den  Ihnen  wohl  bekannten  Umständen,  dass  es  nehmlich 
äusserst  schwer  hält,  die  Leute  zu  dem  ZiCigen  oder  gar  der  Oeffnung  eines  Grabes 
zu  vermögen.  Das  Glück  unterstützte  mich  diesmal  insofern,  als  gerade  die 
Ndogunbuea  in  ihrer  gebirgigsten  Bakoko-Landschafl  bei  dem  Feldzuge  gegen  die 
Bakoko  im  Frühjahr  1895  der  Truppe  empfindliche  Verluste  beibrachten  und  das 
wohl  ein  Grund  für  meinen  schwarzen  Unterofßzier  war,  mir  aus  eigenem  An- 
triebe das  Grab  zu  zeigen.  Wie  der  Mann  um's  liCben  kam,  ist  mir  unbekannt 
geblieben. 

Wenn  ich  im  Uebrigen  auf  den  Schlusspassus  Ihres  so  interessanten  Vortrages 
(S.  158)  eingehen  darf,  so  möchte  ich  bemerken,  dass  ich  bereits,  im  Gegensatz 
zu  Hm.  Hauptmann  Morgen,  überall  im  Schutzgebiet  herumgekommen  bin,  und 
dass,  meines  Erachtens,  den  Sprachverschiedenheiten  nach  3  oder  4  ganz  verschiedene 
Völker  den  bis  jetzt  zugänglichen  Theil  des  Schutzgebietes  bewohnen.    Während 

1)  Vergleiche  daiu  meine  Mittheilongen  in  den  Yerhandlimgen  1896,  S.  'M>\  und  S40, 
841.  Hinsichtlich  der  dort  erwähnten  Palmschw&nchen,  Scbwinen  ans  Backwerk,  und 
der  Schwine  an  vorgeschichtlichen  Bronxewagen  wäre  hiniaznfogen,  dass  auf  dem  Berge 
hinter  dem  Dorfe  Burg  im  Spreewald  (Kreis  Cottbus,  Provini  Brandenburg)  eine  kleine 
Thonschale  mit  einem  langhalsigen  Schwan  ans  Thon  (aufbewahrt  in  der  Sammlung  <les 
Hrn.  Apothekers  Petermann  im  Dorfe  Burg)  nebst  Broniestücken  in  der  Erde  vor- 
gefunden  wurde  (S.  862).  Es  ist  ersichtlich ,  dass  es  sich  bei  diesem  hOehst  denkwünlig^D 
Funde  um  keinen  Qebrauchsgegenstand  handelt. 


(603) 

die  Bakwiri  (oder  Bakwili),  die  Dualla,  alle  ausserordentlich  volkreichen  und 
ausgedehnten  Bakoko  (Bassa,  Lungale,  Babimbi,  Ndogohem,  Ndogohega,  Ndogun- 
kumak,  Ndoghende,  Ndogadkhe,  Ndogunbuea,  Ndokupe,  Bekok,  Mangalle,  Ndokök, 
£dea,  Ndogsean,  Ndogschok,  Badjöb,  Ndosuelle,  Ndogobella,  Ndögohek,  Ndaga- 
bessol,  Jabbi  u.  s.  w.),  die  Jaunde-Buley-Pangwe-Untergruppe,  schliesslich 
mit  Genoa,  Janda,  Mpongete  mehr  oder  weniger  verwandt  sind,  bifden  die 
Bakundu,  Ngolo,  Barombi,  Bayong  u.  s.  w.  im  Norden  einen  in  Sitten, 
Gewohnheiten,  Tättowirung,  Sprache  u.  s.  w.  absolut  davon  verschiedenen  Stamm, 
der  aber  sehr  wohl  von  den  um  Ngilla,  Wüte,  Balong  u.  s.  w.  sitzenden  Völkern  zu 
unterscheiden  ist.  Eine  absolut  unterschiedene,  wenn  auch  kleine  Sprachinsel,  die 
sich  auch  durch  den  äusseren  Habitus  der  Bevölkerung  geltend  macht,  sind  die 
Ngomba,  Mabea  u.  s.  w.  im  Waldlande  östlich  von  Rribi.  Eine  schliesslich  in 
Sprache  u.  s.  w ,  auch  von  den  ans  Gabun  stets  weiter  nach  Norden  dringenden 
Buleystämmen  (wozu  auch  Jaunde,  Bane  u.  s.  w.  zu  rechnen  sind) 
wiederum  ganz  verschiedene  Gegend  ist  weiter  nach  Osten  im  Süd  bezirk  gelegen 
und  beginnt  etwa  14  Tugemärsche  (zu  25 — 40  hn)  östlich  von  Kribi  mit  den  Jengone. 
Diese  Stämme  sind  aber  noch  so  gut  wie  unbekannt.  Meine  Hauptgegner  sind  die 
Bane  (Zwischenstamm  zwischen  Jaunde  und  Buley). 

Nun  das  Beste  zuletzt:  Das  seiner  Zeit  von  mir  so  skeptisch  beurtheilte  Vor- 
kommen einer  Zwergrasse  ohne  festen  Wohnsitz  zwischen  hier  und  der  Rüste 
scheint  mir  doch  einen  thatsächlichen  Untergrund  zu  haben,  und  ich  habe  sogar 
gegründete  Hoffnung,  genaue  Maasse,  Haarproben  u.  s.  w.  demnächst  zu  erwerben. 
Einen  Mann,  den  ich  als  Kreuzung  dieser  z  werghaften  Easse  und  der  Ngomba  ansprechen 
möchte,  werde  ich  jedenfalls  dieser  Tage  anthropologisch  untersuchen  können,  und 
ein  ganz  reines,  richtiges  Mitglied  der  Zwergrasse,  die  offenbar  nur  wenige  hundert 
Leute  höchstens  stark  ist,  ist  mir  in  Aussicht  gestellt.  — 

Hr.  R.  Virchow  spricht  seinen  besonderen  Dank  für  die  Mittheilungen  des 
Freiherm  v.  Stein  aus.  Ganz  besonders  freut  er  sich  darüber,  dass  nun  endlich 
positive  Nachrichten  über  Zwerge  unter  den  Buschvölkem  in  Kamerun  gewonnen 
sind.  Schon  seitdem  Hr.  du  Chaillu  unter  den  Gabun -Stämmen  Zwerge  auf- 
gefunden hatte,  ist  die  Aufmerksamkeit  auf  das  Vorkommen  weiterer  Pygmäen  in 
den  Waldgegenden  von  Westafrica  gerichtet  geblieben  und  manche  vereinzelte 
Nachricht  hat  ihren  Weg  zu  uns  gefunden.  Hr.  Bastian  (Die  deutsche  Expedition 
an  der  Loango-Küste,  Jena  1874,  [.,  S.  135)  hatte  über  die  ßabongo  ausführliche 
Nachrichten  niedergeschrieben,  aber  der  Widerspruch  des  Hrn.  Falkenstein 
(Verhandl.  1877,  S.  177)  hat  alle  diese  Nachrichten  discreditirt.  Trotzdem  habe  ich 
den  Glauben  nicht  verloren,  dass  es  doch  westafrikanische  Zwerge  gebe.  Man  lese 
nur  die  Erörterungen  des  Hrn.  Schweinfurth  (Im  Herzen  von  Africa.  Leipzig  und 
London  1884,  H.,  S.  143),  der  die  älteren  und  neueren  Angaben  gesammelt  hat, 
und  man  wird  nicht  umhinkönnen,  ihm  beizutreten,  dass  seine  Akka  und  die  Obongo 
von  du  Chaillu  in  eine  gewisse  Verbindung  zu  bringen  sind.  Nun  sind  auch  noch 
die  centralafrikanischen  Länder  hinzugekommen  und  der  Gedanke,  dass  Reste  einer 
primitiven  Urbevölkerung  sich  durch  das  ganze  Waldgebiet  von  Africa  erhalten 
haben,  ist  mit  neuer  Stärke  erwacht.  Dazu  kommt,  dass  Hr.  Hauptmann  Kund 
(Mitth.  aus  den  deutschen  Schutzgebieten,  IL,  S.  1  (^9)  auch  in  Kamerun  Leute  „von 
niedrigem  Wuchs,  gelblicher  Hautfarbe  und  fremdartigem  Gesichtsausdruck^  gesehen 
hat,  von  denen  er  in  seiner  vorsichtigen  Weise  sagt,  er  könne  sie  nicht  Zwerge 
nennen,  die  er  aber  doch  von  den  anderen  Stämmen  unterscheidet.  Möge  es  Frei- 
herm V.  Stein  gelingen,  in  dieses  Dunkel  Licht  zu  verbreiten  und  positive  Merk- 
male, wenn  möglich  Messungen  zu  geben!  — 


(604) 

(23)    Hr.  Rud.  Virchow  bespricht 

6  Schädel  von  Jaunde  aus  Kamenm. 

Diese  Schädel  sind  mir  mit  einem  Begleitschreiben  des  Directors  des  Kaiser- 
lichen Gesundheits-Amtes  vom  8.  Mai  zugegangen.  Damach  sind  sie  von  dem 
Lieutenant  der  Schntztrappe,  Hrn.. Dominik  zu  Jaunde,  für  mich  bestimmt  und 
Seitens  der  Colonial-Abtheilung  des  Auswärtigen  Amtes  tibermittelt  worden.  Ein 
beigefügtes  Blatt,  welches  die  Unterschrift  des  Dr.  Döring,  21.  Juni  1896  trägt, 
hat  den  Zusatz  „Wogobetschi?".  üeber  die  Art  der  Gewinnung  ist  nichts  be- 
merkt. 

Für  unsere  Kenntniss  der  Ramerun-Stämme  ist  die  Sendung  von  grosser  Wichtig- 
keit. Noch  in  der  Sitzung  vom  20.  März  (Verhandl.  1897,  S.  158)  hob  ich  die  Un- 
sicherheit der  bisherigen  Thatsachen  über  die  Rraniologie  unserer  Colonie  und 
die  Noth wendigkeit  weiterer  Ermittelungen  hervor,  und  zwar  mit  besonderer  Hervor- 
hebung der  von  Hrn.  Morgen  angegebenen  Verschiedenheit  der  nördlichen  und 
der  südlichen  Stämme.  Jetzt  habe  ich  zum  ersten  Mal  brauchbares  Material  fUr 
das  südliche  Gebiet.  Freilich  ist  dies  Material  kein  so  gleichartiges,  dass  es  genügt, 
um  zu  erkennen,  ob  alle  diese  Schädel  demselben  Stamme  angehört  haben,  und 
es  entsteht  die  schwer  zu  behandelnde  Frage,  ob  ihre  Verschiedenheit  auf  bloss 
individuelle  Variation  oder  auf  eine  Mischung  verschiedener  Stämme  zu  beziehen 
ist.  Dabei  tritt  erschwerend  der  Umstand  hervor,  dass  überhaupt  bei  diesen 
Stämmen  die  Geschlechts-Unterschiede  der  Schädel  nicht  mit  genügender  Sicher- 
heit bekannt  sind  (vergl.  a.  a.  0.  S.  154). 

Ich  bemerke  daher  unter  aller  Reserve,  dass  ich  einen  der  vorliegenden 
Schädel  (Nr.  6)  für  einen  weiblichen,  die  übrij^en  für  männliche  halte.  Einer  der- 
selben, der  weibliche  (Nr.  6),  der  zugleich  zahlreiche  noch  anhaftende,  ziemlich 
feste  Weichtheil-Reste  trägt,  also  sehr  frisch  sein  muss,  und  niemals  in  einem 
Grabe  gewesen  sein  kann,  ist  offenbar  gewaltsam  abgetrennt  worden;  erzeigt  einen 
grossen  Defect  mit  unregelmässigem,  durch  eine  Reihe  von  Hieben  zerfetztem 
Rande,  der  sich  vom  Hinterhauptsloche  aus  weit  in  die  Squama  occip.  erstreckt 
Von  hinten  her  geführte  Schnitte  sind  auch  an  den  Gelenkhöckem  bemerkbar. 
Von  den  anderen  sind  zwei  Schädel  (Nr.  2  u.  3),  die  ausgedehnte  Laterit-Färbung 
tragen  und  offenbar  aus  Gräbern  stammen,  ohne  Spuren  äusserer  Gewalt-Einwirkung. 
Dagegen  sind  «grössere  Verletzungen  sichtbar  an  Nr.  1 ,  4  und  5.  Von  diesen 
dürften  die  von  Nr,  1  und  5  posthumer  Art  sein:  es  sind  grössere,  gebrochene 
Löcher  an  der  Basis  cranii  (vergl.  Fig.  3),  wie  sie  bei  dem  explorativen  Suchen 
nach  Gräbern  mittelst  in  die  Erde  eingestossener  Stangen  leicht  erzeugt  werden. 
Als  während  des  Lebens  durch  scharfe  Geräthe  hervorgebiacht  ist  aber  wenigstens 
die  Mehrzahl  der  zahlreichen  Verletzungen  anzusehen,  welche  Nr.  4  erlitten  hat. 
Hier  ist  durch  einen  scharfen  Hieb  der  Stirnfortsatz  des  Wangenbeins  auf  der 
linken  Seite  zerschlagen  und  die  ganze  orbitale  Partie  dieses  Knochens  bis  in  den 
Joehbogen  hin  weggenommen,  so  dass  die  Augenhöhle  nach  links  ganz  offen  ist 
Nahe  daran  findet  sich,  gleichfalls  auf  der  linken  Seite,  ein  Loch,  welches  die 
Spitze  des  Felsenbeins  und  des  Proc.  spinosus  des  Reilbeins  umfasst  und  so  gross 
ist,  dass  man  einen  Daumen  hindurchstecken  kann.  Endlich  befindet  sich,  an  der 
unteren  Fläche  der  Apoph.  basil.,  kurz  vor  ihrem  vorderen  Ende  mehr  nach  rechts, 
ein  von  unten  her  kommender  Eindruck  mit  Splitterung,  der  aussieht,  als  sei  er 
durch  das  Anprallen  einer  kleinen  Rugel  hervorgebracht.  Auch  trägt  das  rechte 
Parietale,  nahe  hinter  der  Coronaria,  eine  offenbar  alte  Grube,  die  ein  narben* 
artiges  Aussehen  hat.    Dieser  Schädel  hat  manche  Eigenschaften,  die  ihn  als  einen 


CÜ05) 

weiblichen  charaktcrisiren  könnten;  weDn  ich  ihn  trotzdem  als  männlichen  aulTUhrc, 
so  flndc  ich  in  seiner  Orässe  (1590  ccm)  and  in  den  zahlreichen  und  grossen  Zer- 
stoningen  traumatischer  Art,  die  auf  einen  Kampf  hinweisen,  starke  HUITsmomente 
für  die  Diagnose. 

Bei  2  Schädeln  ist  das  Schädeldach  durch  pathologische  Proccsse,  namentlich 
darch  Verdickung  und  stärkere  Gefussentnickelun^,  ausgezeichnet:  bei  Xr.  1  ßnden 
sich  zahlreiche,  fast  wie  Emissarien  gestellte  Löcher  an  der  miiskelfreien  Partie, 
namentlich  hinten  und  zu  beiden  Seiten  der  Pfeilnaht  (Fig.  2);  bei  Nr.  4  sind  die 
Parietalia  und  die  Oberschnppe  in  einem  grob-poroti sehen  Zustande.  Eine  be- 
stimmte Einwirkung  dieser  Veränderungen  riuf  die  Schädelform  ist  nicht  erkennbar. 
Dagegen  bestehen  bei  zwei  anderen  Schädeln  Synostosen  der  Schädeldach- 
Knochen,  denen  wohl  eine  Bedeutung  für  die  Schädelfonn  zuzuschreiben  sein 
dürfte:  bei  dem  mesocephalen  Schädel  Nr.  3  eine  Verwachsung  der  unteren  lateralen 
Enden  der  Coronaria;  bei  dem  stark  dolichocephalen  Schädel  Nr.  5  eine  prämature 
Synostose  der  Pfeil-  und  der  oberen  Lambdanaht,  sowie  der  unteren  lateralen  Thcile 
der  Coronaria.  Nach  den  wenig  abgenutzten  Zähnen  des  Oberkiefers  zu  urtheüen, 
waren  sämmtliche  Individuen  roll  erwachsen  und  von  einem  massigen  Aller. 

Sehr  ungewöhnlich  ist  der  Schädel  Nr,  1  (Fig.  1^3}.  Derselbe  macht  bei  der 
äusseren  Betrachtung  den  Eindruck  bedeutender  Grösse,  und  doch  hat  eine  wieder- 
holte Messung  nur  eine  Capucität  von  1322  ccui  ergeben.  Nahezu  dasselbe  Maass 
(1329  rem')  fand  ich  bei  dem  von  mir  als  männlich  gedeuteten  Schädel  eines 
Bakwiri  (a.  a.  0.  S.  lüä,  Fig.  I),  mit  dem  er  auch  sonst  einige  Aehnlichkeit  hat. 
Der  falsche  Eindruck  der  Grösse  erklärt  sich  durch  die  beträchtliche  Länge  (195  iiim) 
des  Jaunde-Schädels,  welche  noch  um  1 1  mm  über  die  des  Bakwiri  hinausgeht.  Da 
auch  sein  Horizontalumfang  (520  mm)  um  ~20  tum  den  Umfang  des  Bnkwtri  Über- 
trifft, und  die  grösste  Breite  (140u»mi)  um  II  mm  grösser  ist,  so  war  ich  versucht, 
den  Jaunde-Schädel  als  den  absolut  grösseren  zu  schätzen.  Doss  trotzdem  die 
Capacität  desselben  nicht  nur  nicht  grösser,  sondern  sogar  nm  7  ccm  kleiner  ist, 
als  die  des  Bakwiri,  wird  nur  erklärlich  aus  der  Nieilrigkeit  des  Jaunde-Schädels 
(Fig.  1):  sein  Längen  höhen  in  des  ist  ausgemacht  chamaecephal  (fi8,7).  Da  dies 
ein   ganz   solitärcr   Fall   ist,   so 

darf  wohl  als  sicher  angenommen  '^" 

werden^  dass  seine  Chamae- 
cephalie  keine  Stam  mes  eigen - 
thümlichkeit  ist,  sondern  eine 
individuelle  Variation.  Immerhin 
gestattet  die  Vei^lcichungmit  dem 
Bakwiri,  dessen  langgestreckter 
Schädel  mir  besonders  auffiel,  die 
Vermuthung,  dass  unser  Jaunde 
die  extreme  individuelle  Aas- 
gestal tu  ng  der  gleichen  Grund- 
form darstellt.  Daraus  Hesse  sich 
aoreinVera-andtschartsverhältDiss 
beider  Stämme  schliessen. 

Die   vergleichende  Messung 
der   einzelnen   Schädel  abschnitte 

bei  den  Jaunde  lehrt,  dass  die  Grösseoznnahme  in  der  Länge  am  meisten  der 
Stirn,  demnächst  dem  Hinterhaupt  zulKIlt.  Denn  der  frontale  Abschnitt  der  Scheilel- 
curve  beträgt  34,8,  der  occipitale  33,7,';_der  parietale  nur  31,3  pCt.  des  Gesammt- 


(606) 

Sogittalmaasses  (367  »iin).  Die  Grösse  des  Stirnum fange b  ist  wiederum  bedingt 
durch  die  starke  Estwickelong  der  Stirnhöhlen,  velche  eine  beträchtliche 
Prominenz  der  ganzen  Stimaasen- Gegend  herrorgebracht  bat  (Fig.  1).  Es  kann 
dabei  zugleich  erwähnt  werden,  dass  die  Plana  temporalia  eine  colossale  Grösse  er- 
reicht haben  (Fig.  2),  so  dass  sie  nach  hinten  bis  über  die  Seitentheile  der  Lambda- 
naht  hinüb eingreifen  nnd  diese  mit  einer  dicken  Knochenplatte  überdecken  (Fig.  3). 

Pig.  2.     .  Pig.  3. 


Kehren  vir  jetzt  zu  einer  allgemeinen  Cbarakterisirang  der  Jannde-Schädel 
zurück,  so  stossen  wir  zunächst  auf  die  grosse  Verschiedenheit  in  der  Capacität: 

Nr.  1 1822  ccn  Nr.  4 1590  et«. 

„2 UG8    ,  „6 1275?  , 

,3 14Ö5    ,  .6 1,252?  , 

Obwohl  die  beiden  letzten,  insbesondere  der  weibliche  Schädel  Nr.  6,  recht 
klein  sind,  so  überschreitet  ihre  Capacität  doch  die  von  mir  angenommen^  Grenze 
der  Nannocephalie  (1200  ccm).  Drei  andere  sind  von  müssiger  Grösse,  darnnter 
der  schon  besprochene  Schädel  Nr.  1 ;  am  meisten  geräumig  ist  Nr.  4  mit  der  fUr 
die  schwarze  Rasse  nicht  gewöhnlichen  Cupacitat  von  15U0  icm.  Pilr  die  Ver- 
gleichung  stehen  uns  aus  der  kürzlich  (S.  409)  mitgetheilten  Liste  des  Hm. 
Waruschk.in  A  Ngnmba-Schädel  zur  Verfügung,  aus  einem  Stamme,  der  den 
Jaunde  benachbart  ist.  Darunter  ist  ein  weiblicher  nannocephal  (h)  mit  llTl  crm 
Capacität  nnd  ein  als  zweifelhaft  bezeichneter  männlicher  Schädel  (f)  von  nor 
1228  can;  die  3  anderen  männlichen  hatten  13Ü0,  1335  und  1437  ccm,  also  mittlere 
Grössen,  wie  die  Mehrzahl  der  Jaunde. 

Die  Scbädelform  der  letzteren  ist,  wenn  wir  von  dem  schon  erwähnten 
Nr.  1,  der  chamaedolichocephal  ist,  absehen,  hauptsächlich  bezeichnet  durch 
Hypsicephalie.    Es  beträgt  der 


^ 

Höhen- 

Ohrhölifln 

Indoi 

iDdct 

bei  Nr.  2  .    .    .   . 

....     72,6 

61 ',2 

-     .    4.   .   .   . 

.   .   .   .     78,:( 

,     .    6.    .   .   . 

.   .    .   .     78,7 

64,6 

.  .   .   .     81,2 

66,1 

(607) 

Da  nan  4  von  diesen  Schädeln  (Nr.  2,  3,  4  und  6)  mesocephal  sind,  so 
ergiebt  sich  für  die  Mehrzahl  em  hypsimesocephaler  Typus.  Dabei  ist  be- 
merkenswerth,  dass  auch  der  dolichocephale  (Index  70,9)  Schädel  Nr.  5  aus- 
gemacht hypsicephal  ist. 

Ich  füge  hinzu,  dass  nach  Hrn.  Waruschkin  2  seiner  Ngumba- Schädel 
dolicho-,  3  mesocephal  und  nach  ihrem  Höhenindex  2  hypsi-,  2  ortho-  und 
1  chamaecephal  befunden  sind.  Dabei  würde  freilich  erst  auszumachen  sein,  ob 
das  Messverfahren,  um  völlig  vergleichbare  Resultate  zu  liefern,  nicht  noch  einmal 
controlirt  werden  sollte. 

Von  grösserer  Bedeutung,  zumal  wegen  der  Einheitlichkeit  des  Messverfahrens, 
sind  meine  eigenen  Beobachtungen  über  die  Kamerun-Schädel.  Schon  aus  meiner 
früheren  üebersicht  (Verh.  1891,  S.  282)  zog  ich  den  Schluss,  dass  man  die 
Dualla  nicht  zu  den  Dolichocephalen  werde  rechnen  können,  dass  aber  Hypsi- 
cephalie  bei  ihnen  Regel  zu  sein  scheine.  Dafür  sprachen  nicht  bloss  die  zwei 
von  Hrn.  Zintgraff  eingesandten  Dualla-Schädel,  welche  hypsimesocephal  waren, 
sondern  auch  die  von  mir  und  von  Zintgraff  an  Lebenden  gewonnenen  Resultate. 
Später  fand  ich  (Verh.  1895,  S.  294)  dasselbe  bei  2  Schädeln  von  Mbome,  während 
bei  neuerlichen  Messungen  an  2  Schädeln  von  Bakwiri  (Verh.  1897,  S.  155)  der 
männliche  sich  als  orthodolichocephal,  der  weibliche  als  chamaemesocephal  erwies. 
Die  Verschiedenheiten  dieser  beiden  Schädel  unter  einander  waren  so  gross,  dass 
ich  Bedenken  trug  (ebendaselbst  S.  158)  sie  als  bloss  individuelle  Variationen  an- 
zuerkennen. Die  Jaunde  scheinen  sich  im  Ganzen  den  Bantustämmen  mehr  zu  nähern. 

Die  Verhältnisse  des  Gesichtsskelets  bei  den  jetzt  vorliegenden  Schädeln  sind 
je  nach  den  einzelnen  Regionen  verschieden  zu  beurtheilen.  Am  wenigsten 
Differenzen  zeigen  die  Nasen-,  sehr  grosse  die  Augenhöhlen: 

Nasen-  Orbital- 

Index  Index 

Nr.  1  .   .   .     49,1  86,7 


Nasen- 

Orbital- 

Index 

Index 

Nr.  4. 

.   .     60,0 

89,7 

»    5. 

.   .    5^,0 

80,0 

n     6. 

.  4     48,0 

86,0 

„    2  .   .   .     58,0  85,8 

,    :i  .   .   .     52,0  78,8 

Es  waren  also  darunter: 

mesorrhin 2  (Nr.  1  und  6)  hypsikonch 1  (Nr.  2) 

platyrrbin 8  (  „   2,  3  o.  6)  mesokonch 1  (  „   6) 

hyperplatyrrhin  ...  1(^4)  cbamaekonch  ....  1  (  „   5) 

ultrahypsikoncb.   .   .  2  (  „    1  und  4)  altrachamaekoncb  .   .  1  (  „   8) 

Es  ist  demnach  kein  einziger  leptorrhiner  Schädel  vorhanden ;  dagegen  zeigen 
auch  die  mesorrhinen  eine  starke  Abplattung  und  Verbreiterung  der  Nase,  so  dass 
ihre  Form  der  platyrrhinen  recht  nahe  kommt.  Damit  verbindet  sich  eine  starke 
Prognathie  des  Oberkiefers,  die  nicht  bloss  dental  ist. 

Anders  verhält  es  sich  mit  den  Augenhöhlen,  auf  deren  häufige  Incongruenz 
mit  den  übrigen  Bestandtheilen  des  Gesichts  ich  wiederholt  aufmerksam  gemacht 
habe.  Hier  treffen  wir  unter  den  6  Schädeln  nur  einen  mesokonchen,  dagegen 
3  hypsi-,  ja  ultrahypsikonche  und  andererseits  2  ausgemacht  chamaekonche.  Von 
letzteren  gehört  einer  zu  den  hypsidolichocephalen,  einer  zu  den  hypsimesocephalen. 
Der  chamaedolichocephale  Schädel  Nr.  1  hat  einen  hyperhypsikonchen  Orbital- 
index. —  Der  Gaumen  lässt  sich  nur  einigemal  bestimmen:  er  ist  durchweg 
leptostaphylin.    Seine  Platte  liegt  tief.    Die  Zahncurvc  steht  weit  vor. 

Da  leider  sänmitliche  Unterkiefer  fehlen,  so  lässt  sich  der  Gesichtsindex  nicht 
berechnen.  Berechnet  man  den  „Jochbreiten  -  Obergesichtshöhen  -  Index**  nach 
Roll  mann  und  setzt  man  die  Zahl  50  als  Grenze  zwischen  Chamae-  und  Lepto- 


(608) 


prosopie,  so  wären  4  Schädel  (Nr.  1,  2,  4  und  6)  lepto-,  2  (Nr.  3  und  4)  chamae- 
prosop. 

Besondere  Anomalien  des  Schädeldaches  (Proc.  frontalis,  Epiptericum  u.  s.  w.) 
sind  nicht  vorhanden.  Mehrmals,  wie  schon  bei  Nr.  1  erwähnt,  fällt  die  grosse 
Längen-Entwickelung  der  Plana  temporalia  auf,  die  bis  an  oder  gar  bis  über  die 
Seiten  der  Lambdanaht  reichen;  damit  scheint  einigen  Znsammenhang  zu  haben 
die  Verschmälerung  und  Erhöhung  der  Hinterhauptsschuppe,  z.  B.  bei 
Nr.  3,  4  und  5.  Die  stärkste  Verschmälerung  erstreckt  sich  von  der  stark  ver- 
tieften hinteren  Seitenfontanelle  aus  oberhalb  der  Protuberanz  quer  über  die  Schuppe 
nach  der  anderen  Seite.  Gleichzeitig  ist  in  der  Kegel  die  Facies  muscularis  der 
Hinterhauptsschuppe  tief  eingedrückt  und  die  Linea  semicircularis  inferior  bildet 
einen  scharfen  Absatz  (Fig.  1  und  3).  Das  Foramen  magnum  occip.  ist  verhält- 
nissmässig  klein.  Bei  Nr.  4,  wo  das  Loch  länger  und  grösser  ist,  finden  sich  vor 
demselben  an  der  Apophysis  basilaris  zwei  ungleich  grosse,  starke  Processus 
papilläres,  von  denen  der  linke  mit  der  Gelenkfläche  des  benachbarten  Proc. 
condyloides  verschmolzen  ist.  Ausserdem  liegt  jederscits  an  der  inneren  Seite  des 
Gelenkfortsatzes  eine  kleine,  abgesonderte,  senkrecht  gestellte  Gelenkfläche;  durch 
sie  wird  der  vordere  Abschnitt  des  Foramen  magnum  stark  verengt  Die  Apo- 
physis ist  vor  diesen  Fortsätzen  bei  Nr.  4  durch  eine  tiefe  Einfurchung,  welche 
quer  über  die  Apophysis  verläuft,  abgetheilt.  — 

In  nachstehenden  Tabellen  sind  die  zahlenraässigen  Ergebnisse  zusammen- 
gestellt: 

L  Absolate  Messzahlen. 


Jaunde 


1. 


2. 


3. 


4. 


ö. 


Capacität ccm 

Horizontale  Länge mm 

Breite , 

Gerade  Höhe „ 

Ohrhöhe ^ 

Horizontalumfang „ 

Sagittalumfang „ 

Stimbreite ^ 

Gesicht,  Höhe  B „ 

,      ,  Breite  a „ 

Orbita,  Höhe 

.,     ,  Breite „ 

Nase,  Höhe „ 

»    ,  Breite „ 

Gaumen,  Länge ^ 

n      ,  Breite „ 


Längenbreitenindex 
Längenhöhenindex . 


1 

- 

1 

1 

—  — -. 

- 

1822 

1468 

1455 

1590 

1275? 

1262? 

195 

186 

1 

186 

184 

182 

178 

140t  ' 

142 1> 

141p. 

145  ' 

129 

l:Wr 

184 

135 

151 

144 

141 

140 

118 

112 

123 

120 

117 

115 

520  . 

518 

515 

524 

498 

497 

%7 

379 

375 

375 

368 

— 

104 

101  1 

%  j 

99  ' 

% 

S3 

79 

69 

65 

65 

72 

6B 

142 

1.^*^ 

137 

132 

129 

vx\ 

100 

95 

94 

90 

95 

98 

86 

l\b 

31 

35 

32 

M 

42 

41 

42 

.39 

40 

40 

67 

50 

50 

45 

50 

5(1 

28 

29 

26 

27 

26 

24 

58 

58? 

53? 

1 

64 

89 

? 

35 

32 

37 

:« 

uiete 

Indices. 

71,8 

76,3 

75,4 

78,8 

70,9 

76,4 

68,7 

72,6 

81,2 

78,3 

77,0 

78,7 

(609) 


Jaunde 


Ohrhöhenindex   . 
Obergesichtsindex 
Orbitalindex    .   . 
Nasenindex  .   .   . 
Gaumenindex  .   . 


1. 

S 

57,6 
55,6 
85,7 
49,1 
78,5 


2. 

c5 


3. 

s 


60,2 

66,1 

51,8 

47,4 

85,3 

78,8 

58,0 

52,0 

— 

66,0? 

4. 

s? 

66,2 
49,2 

89,7 
60,0 


5. 

s 

63,9 
56,1 
80,0 
52,0 


6. 

64,6 
55,2 
85,0 
48,0 
70,3 


in.  Die  sa^ttalen  Umfangsmaasse  und  deren  procentnale  Yertheilnng. 


Stirnbein 


Parietalia. 


Hinterhaupt , 


Ganzer  Sagittalumfang . 


84,8 
126 

'  37,7  1 
143 

34,6 
130 

34,6 
130 

34,5 
127 

120 

31,8 
115 

34,8 
132  ! 

33,0 
124 

84,4 
129 

35,3 
130 

116 

33,7 
124 

27,4 
104 

32,2 
121 

30,9 
116 

30,1 
111 

^^^, 

867 

379 

375 

375 

368 

— 

(24)  Hr.  Ed.  Seier  übergiebt  folgende 

Nachrichten  über  den  Aassatz  in  alten  mexikanischen  Quellen. 

Dass  der  Aussatz,  die  Lepra,  die  Krankheit  des  heiligen  Lazarus,  um  die  Mitte 
des  16.  Jahrhunderts  in  Mexico  bekannt  ivar,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Die  Mexikaner 
nannten  sie  teococoiiztli,  „die  göttliche,  d.  h.  die  ächte,  die  wahre,  die  unheil- 
bare Rrankheif^,  den  Aussätzigen  selbst  entsprechend  teococoxqui,  und  in  den 
weiter  Torgeschrittenen  Stadien,  wo  die  Wucherungen  zu  Geschwürbildungen  und 
Eiterungen  führen,  teococoxcapapalanqui  („leproso  de  lepra  pestUencial  y 
espantable^.    Molina,  Vocabulario). 

Der  P.  Sahagun,  dessen  Aufzeichnungen  aus  dem  7.  Jahrzehnt  des  16.  Jahr- 
hunderts stammen^),  und  der  seine  Nachrichten  unmittelbar  aus  dem  Munde  der 
Eingebornen  erhielt  und  sie  in  der  Sprache  der  Eingebomen  niederschrieb,  beschreibt 
(Buch  10,  cap.  28  §  5)  den  Aussatz  folgendermaassen : 

„Denen,  welche  an  der  Krankheit  des  Aussatzes  leiden,  pflegt  es  zu  ge- 
schehen, dass  ihnen  die  Augenbrauen  ausfallen,  und  dass  sie  grossen  Hunger 
haben.  Um  diese  Krankheit  zu  heilen,  wird  es  noth wendig  sein,  zwei  oder 
drei  Mal  ein  Bad  zu  nehmen  und  nach  Verlassen  desselben  sich  mit  den  oben 
genannten  zerriebenen  Kräutern  und  Wurzeln  einzuschmieren^  — 

gemeint  sind  die  vorher  bei  Besprechung  der  gegen  Hautflechten  anzuwendenden 
Heilmittel  genannten  Kräuter  acocotli,  atlepatli  und  die  Wurzel  tlalamatl  — 

„und   ausserdem    das  Wasser    einer  gewissen  Wurzel    zu   trinken,   die   man 
tecpatli  nennt.^ 

„Und  wenn  diese  Heilmittel  nicht  helfen,  so  soll  man  die  Kranken  Yon 
dem  Umgang  mit  andern  Leuten  fern  halten,  damit  diese  sich  nicht 
anstecken." 


1)  Schon  um  das  Jahr  1562  muss   der  Pater  mit  seinen  Aufzeichnungen  begonnen 
haben.    Im  Jahre  1569  war  das  Werk  in  der  Reinschrift  vollendet. 

VerhandL  der  B«rl.  Antbropol.  Gesellschaft  1897.  39 


(610) 

Wenn  demnach  an  der  Existenz  der  Krankheit  in  dieser  Zeit  absolut  nicht 
gezweifelt  werden  darf,  so  könnten  einige  andere  Nachrichten  vielleicht  auch  dafür 
sprechen,  dass  die  Krankheit  schon  in  heidnischer  Zeit  den  Mexikanern  bekannt 
gewesen  sei. 

Nach  der  Vorstellung  der  alten  Mexikaner  kamen  die  Seelen  der  Verstorbenen 
nicht  alle  an  einen  Ort,  sondern  je  nach  der  Art  des  Todes  waren  drei  verschiedene 
Oerter  für  sie  vorgesehen.  Die  auf  dem  Schlachtfeld  erschlagenen  oder  als  Ge- 
fangene auf  dem  Opferstein  geschlachteten  Krieger  und  die  im  Kindbett  verstor- 
benen Frauen  kamen  in  den  Himmel,  in  das  Haus  der  Sonne,  und  hatten  mit 
Freudentänzen,  die  ersteren  die  Sonne  vom  Aufgang  bis  zum  2ienith  zu  begleiten, 
die  letzteren  sie  am  Zenith  in  Empfang  zu  nehmen  und  zum  Sonnenuntergang  hinab- 
zuführen. Die  Masse  der  in  ihrem  Bett,  an  verschiedenen  Krankheiten,  Gestorbenen 
ging  zur  ewigen  Kühe  ein  in  das  Todtenreich  Mictlan,  das  Reich  der  Finsternis« 
und  des  Dunkels,  das  man  sich  tief  in  der  Erde  und  im  Norden  gelegen  dachte, 
und  aus  dem  es  kein  Entrinnen  und  keine  Wiederkehr  mehr  gab.  Diejenigen  aber, 
die  durch  Tlaloc,  den  Gott  der  Berge,  der  Gewitterstürme  und  des  Regens,  zu 
Tode  gekommen  waren,  die  gingen  in  sein  Reich  ein,  das  hoch  auf  dem  Berge 
gelegen  gedacht  war,  ein  Reich  der  ewigen  Feuchte,  wo  Alles  wuchs  und  sprosste, 
und  an  Feldfrüchten  jeder  Art  ein  Ueberfluss  herrschte,  eine  Art  irdischen  Para- 
dieses. Sie  wurden  auch  nicht  verbrannt,  wie  die  andern  Verstorbenen,  sondern 
in  der  Erde  vergraben.  Als  solche,  die  durch  Tlaloc  umgekommen  waren,  galten 
aber  nicht  nur  die  vom  Blitz  Erschlagenen  und  die  Ertrunkenen,  sondern  auch  die 
an  gichtischen,  rheumatischen  oder  fieberhaften  Krankheiten,  und  die  an  ansteckenden 
Hautkrankheiten  gestorben  waren.  Es  werden  im  Einzelnen  genannt  (Sabagun, 
Buch  3,  Appendix,  cap.  2): 

iehoantin  in  teococoxque 

yoan  in  nanavati  yoan  in  xochicivi 

yoan  in  xixiioti  yoan  in  papalani 

yoan  in  coacivi  yoan  in  popo^avaliztli  quinvica 

in  tepanoacivi  ic  miqui 

„Die  Aussätzigen 

und  die  Syphilitischen,  die  Lustkranken, 

die   an  der  Hautkrankheit  jiote  leiden,   und  die  an  offenen  Geschwtiren 

leiden, 
die  Gichtkranken  und,  die  die  Anschwellung  (Wassersucht)  dahinrafft 
und  die  an  ansteckenden  Krankheiten  starben^  — 

vom  P.  Sahagun  ganz  richtig  folgendermaassen  ¥riBdergegeben:  —  „los  leproses, 
bubosos,  sarnosos,  golosos  e  hidröpicos,  .  .  que  se  raorian  de  enfermedades  con- 
tagiosas  e  incurables. 

Dem  Regengott,  von  dessen  günstiger  oder  ungünstiger  Gresinnung  so  Vieles 
für  die  armen,  die  Scholle  bebauenden  und  von  den  Früchten  des  Feldes  sich 
ernährenden  Eingebomen  abhing,  wurde  im  Laufe  des  Jahres  eine  ganze  Reihe  von 
Festen  gefeiert  und  Opfer  gebracht,  die  alle  den  Zweck  hatten,  günstige  Regen- 
verhältnisse für  das  Gedeihen  der  Feldfrüchte  zu  erzielen.  Ausserdem  aber  wurde 
in  jedem  achten  Jahre  im  Herbst,  an  einem  jedes  Mal  besonders  bestimmten  Tage, 
ein  Fest  gefeiert,  das  atamalqualiztli,  „das  Essen  von  Wasserkrapfen ^  auch 
ixnextiuay  a,  „wo  man  sich  Mittel  verschafft^,  atecocoltiuaya,  ,wo  das  Muschel- 
hom  geblasen  wird",  teoitotiloya,  ^wo  die  Götter  tanzen*^,  genannt  wurde,  UDd 
dessen  Mittelpunkt  ebenfalls  Tlaloc,  der  Regengott,  war.   Es  wurde  dabei  streng 


(611) 

gefastet,  nur  Wasserkrapfen  gegessen,  die  aas  der  mit  Wasser  angerührten  Mais- 
masse, ohne  Zasatz  von  Salz  und  Gapsicnm-PfelTer,  und  ohne  dass  der  Mais  vorher 
durch  Rochen  mit  Aetzkalk  erweicht  worden  wäre,  hergestellt  wurden.  Und  man  sagte, 
dass  man  durch  dieses  Fest  die'Lebensroittel,  d.  h.  die  Feldfrüchte,  die  in  den  acht 
Jahren  durch  das  Behandeln  mit  Salz,  mit  dem  scharfen  Pfeffer,  mit  Sodasalzerde  und 
durch  das  Kochen  mit  Aetzkalk  gequält  worden  seien,  ausruhen  lassen  und  sie 
neu  beleben  wolle.  Den  Mittelpunkt  eines  solchen  Festes  bildete  mit  Recht 
Tlaloc.  Es  traten  an  ihm  aber  nicht  nur  er  allein,  sondern  sämmtliche  Götter, 
d.  h.  Personen  in  die  Tracht  der  Götter  gekleidet,  auf,  die  einen  Tanz  aufführten. 
Ausserdem  traten  verschiedene  Gharaktermasken  auf,  die  mehr  oder  minder  in 
Beziehung  zu  Tlaloc  stehen.  Und  die  merkwürdigste  Rolle  bei  diesem  Feste  spielten 
gewisse  Acteurs,  Artisten  —  so  zu  sagen  — ,  die,  wie  es  scheint,  einem  besonderen 
Volke  angehörten  oder  aus  einem  besonderen  Dorfe  stammten,  —  denn  sie  werden 
mit  dem  besondern  Namen  Mac^ateca  „die  aus  dem  Hirschland^  genannt,  —  und 
die  aus  einem  Wasseigefäss  lebende  Schlangen  und  andere  Reptilien  mit  den  Zähnen 
ergriffen,  damit  herumtanzten  und  sie  dann  lebend  herunterwürgten.  Dieses  mexi- 
kanische Fest  bildet  daher  eine  merkwürdige  Parallele  zu  dem  berühmten  Schlangen- 
tanz der  Hopi  oder  Moqui-Indianer  von  Arizona.  Unter  den  Gharaktermasken  nun, 
die  an  dem  atamalqualitzli  auftraten,  werden  zunächst  allerhand  Thiere  genannt: 
Kolibri,  Schmetterlinge,  Bienen,  Mücken,  Vögel,  Käfer,  die  essbaren  Fliegenlarven 
des  mexikanischen  Salzsees,  Eulen,  Käuzchen.  Ferner  Esswaaren,  Fruchtkrapfen 
in  Schnüren,  Truthahnfleischkrapfen  u.  a.  Endlich  aber  auch  Bettler,  grob  und 
ärmlich  gekleidete  Leute  und  Aussätzige: 

No  ioan  valnecia  in  teucucuxqui  inipan  moquixtiaya 
„und  ferner  traten  auf  Leute,    welche   die  Gestalt  von  Aussätzigen  nach- 
ahmten^)". 

Die  Erwähnung  der  Aussätzigen  an  diesem  altheidnischen  Fest,  in  dem  Bericht 
über  die  ältheidnischen  Bestattungsgebräuche  und  mit  Beziehung  auf  den  alten  Gott 
des  Regens,  legt  es  in  der  That  nahe,  anzunehmen,  dass  den  Mexikanern  der  Aus- 
satz schon  in  alter  heidnischer  Zeit  bekannt  gewesen  sei;  denn  die  Gewährsleute  des 
Pater  Sahagun  waren  ja  alte  vornehme  Indianer,  Gemeindeälteste  von  Tepepolco, 
Tlateloleo  und  verschiedener  Barrios  der  Hauptstadt,  die  die  altheidnischen  Zeiten 
alle  noch  reichlich  miterlebt  hatten  und  in  der  altheidnischen  überlieferten  Wissen- 
schaft wohl  erfahren  waren  (diez,  6  doce  principales  ancianos,  —  hasta  ocho  6 
diez  principales,  escogidos  entre  todos  muy  hdbiles  en  su  lengua,  y  en  las  cosas 
de  sus  antiguallas').  Es  ist  kaum  denkbar,  dass  diese,  wenn  ihnen  die  schreck- 
liche Krankheit  des  Aussatzes  als  neue  Krankheit  bekannt  geworden  wäre,  in  der 
oben  angegebenen  Weise  hätten  berichten  können.  Eine  andere  Möglichkeit  aber 
darf  man  nicht  aus  dem  Auge  lassen,  dasa  mit  teococolitzli  in  alter  Zeit  viel- 
leicht eine  andere  Hantkrankheit,  etwa  der  jiote,  bezeichnet  worden  sei,  und  dass  man 
nachher  diesen  Namen  auf  den  Aussatz  übertragen  und  so  fälschlicher  Weise  auch 
mit  Rücksicht  auf  die  alten  Zeiten  von  Aussätzigen  gesprochen  habe.   — 


1)  S ab agun,  Buch  2,  Appendix,  Abschnitt  2.  —  Der  ganze  Abschnitt,  Urtext  und  deutsche 
von  mir  angefertigte  Uebersetzung,  und  das  grosse  Bild,  das  in  der  Handschrift  der  Biblioteca 
del  Palacio  in  Madrid  dem  Texte  beigegeben  ist,  ist  von  meinem  Freunde  Dr.  Fewkes 
im  American  Anthropologist,  VoL  VI,  Nr.  3,  July  1893,  veröffentlicht  worden. 

2)  Sahagun,  Prologo.   Edit.  Bustamante,  pag.  II. 

39* 


(612) 

(25)    Fortsetzung  der  Discussion  über 

präcolambischen  Aussatz  und  yerstttmmelte  pemanische  Thonfignu^n. 

Hr.  Polakowsky:  Ich  fahre  in  meinen  Aasfiihrongen  da  fort,  wo  ich  in  der 
vorigen  Sitzung  abbrechen  musste,  und  bringe  zunächst  einen  Auszug  aus  dem 
Briefe  des  Hm.  Dr.  Marcos  Jimenez  de  la  Espada  (aus  Madrid)  zur  Verlesung. 
Genannter  Gelehrter  schreibt  mir  unter  dem  14.  October  1897: 

1.  „Ich  glaube  nicht,  dass  die  Lepra  und  ihre  Varietät,  die  Elephantiasis, 
praecolumbisch  oder  praehispanisch  in  Peru  gewesen  sind.  Ich  kenne  kein  Docu- 
ment,  welches  diese  Annahme  beweist  oder  nur  wahrscheinlich  macht.  Die  Ge- 
schwülste der  Arme,  Hände,  Füsse  und  Beine  mit  Atrophien  der  Finger  stellen 
an  einigen  Vasen  oder  besser  Votivbildern  nach  meiner  Ansicht  Personen  mit 
Symptomen  anderer  Krankheiten  dar." 

2.  „Die  schreckliche  und  abschreckende  Abwesenheit  der  Nase  und  Ober- 
lippen, welche  die  alten  peruanischen  Gefässe  mit  bewunderungswürdiger  Genauig- 
keit und  fast  mit  Kunst  copiren  (besonders  die  kostbare  Sammlung  im  Museum 
des  Trocadero),  sind  eine  Folge,  nach  meiner  Ansicht  weder  der  Lepra,  noch  der 
Syphilis  (wenn  auch  dieses  Virus  acht  amerikanisch  wäre),  sondern  einer  speciellen 
Krankheit,  an  der  man  in  alter  Zeit  litt  und  an  der  man  noch  heute  in  den  heissen, 
feuchten  und  tiefen  Thälern  Perus  leidet,  besonders  in  denen,  wo  die  Coca  ge- 
wonnen wird.  Der  Name  dieses  Leidens  lautet  unter  den  Hispano- Peruanern 
Uaga  und  unter  den  Quichuas  oder  Kechuas  uta  oder  hutta,  Ton  welcher  Wurzel 
das  Verbum  huttuni,  „das  Zernagen  des  Mais  in  s.einem  Halme  durch  die  Made,^ 
kommt.  Und  in  der  That,  die  Krankheit  zernagt,  zerfrisst  die  Gewebe  der  Ober- 
lippe und  Nase  und  die  des  Schlundes  und  Gaumens.  Deshalb  ist  die  hutta  ein 
wahrer  Lupus  oder  Tuberculosis". 

„Das  Document,  welches  zum  Beweise  dafür  angezogen  werden  kann,  dass 
der  grösste  Theil  der  Verstümmelungen  oder  Krankheitstulle,  welche  die  peru- 
anischen Thongetässe  ohne  Nase  und  Lippen  mit  hasenartigem  Anblicke  ge- 
währen, auf  Lupus  zurückzuführen  sei,  ist  folgende  Stelle,  die  ich  copire  aus  „Viaje 
ä  Antamarca  y  Pangöa"  des  Mr.  Barraillier  (Bolet.  de  la  Socied.  geogr.  de  Lima, 
TomoII*)  nüm.  4,  5  y  6).    Die  Reise  ist  im  Jahre  1891  ausgeführt." 

Der  genannte  Reisende  beschreibt  die  für  Pangoa  charakteristische  und  eigen- 
thüra liehe  Krankheit,  die  Uaga  oder  uta.  Er  sagt,  die  meisten  Personen  glauben, 
dass  sie  vom  Stiche  einer  giftigen  Fliege  herrühre.  Die  ün reinlich keit  und  die 
Unmässigkcit  der  Arbeiter  in  jenen  Ortschaften  des  sehr  feuchten  Gebietes  unter- 
stützen wesentlich  die  Wirkung  des  Giftes  jener  Insecten, 

Die  Llaga  kündigt  sich  durch  eine  starke  Hitze  in  dem  befallenen  Theile 
an,  welcher  gewöhnlich  die  Nase  ist.  Darauf  entzündet  sich  dieser  Theil,  wird 
roth,  dann  braun  und  zuletzt  schwarz.  Die  Stelle  erscheint  dann  wie  ron  einem 
aschgrauen  Pulver  bestreut,  und  nun  beginnt  der  heisse  Brand  (gangraena)  des 
Fleisches,  welches  nach  und  nach  abPällt;  zuletzt  verschwindet  der  befalleiHf 
Theil  vollständig  und  lässt  ein  schreckliches  Loch  zurück,  welches  täglich  grösser 
wird.  Von  der  Nase  springt  die  Krankheit  regelmässig  auf  den  Kehlkopf  über 
und  tödtet  den  Kranken  langsam  unter  furchtbaren  Schmerzen. 


1)  Dieser  Band  fehlt  in  der  BibL  reg.  berol.  und  in  der  Bibliothek   der  GesellschsiY 
für  Erdkunde  in  Berlin;  war  überhaupt  in  Berlin  nicht  aufzutreiben. 


(613) 

In  einigen  Fällen  beobachtete  der  genannte  Reisende  die  Llaga  auch  ati  der 
Hand  and  am  Fasse,  wo  eine  Wade  vollständig  yerschwunden  war.  ,,Diese  Krank- 
heit bat  den  grossen  Vortheil,  nicht  ansteckend  zn  sein.'^  ^Kcine  nach  den  Yor- 
scbriften  der  Reinlichkeit  lebende  Person  in  Pangoa  litt  an  dieser  Krankheit.^ 

Hr.  Jimenez  de  la  Espada  schreibt  weiter: 

„Mit  Aasnahme  der  Bemerk ang  über  die  Fliege  glaube  ich  an  die  Richtigkeit 
der  Angaben  des  Hm  B.,  und  wenn  es  wahr  ist,  dass  die  Llaga  der  Nase  and 
Lippen  dieselbe  ist,  wie  die  der  Hände  und  Beine,  so  würde  sich  die  Krankheit 
aaf  den  fraglichen  peruanischen  Oefässen  genugsam  erklären,  sowie  auf  denen, 
welche  Olieder  darstellen,  die  zum  Theil  angefressen  oder  krankhaft  geschwollen 
sind.  Aber  in  diesem  Falle,  und  wenn  dieses  S3^ptom  zusammen  vorkäme  mit 
denen  der  Nase  und  des  Mundes,  wäre  es  nothwendig,  eine  Verschieden- 
heit oder  endemische  Varietät  der  Tuberculosis,  welche  ei^enthümlich 
für  Peru  wäre,  anzunehmen.  Denn  soweit  meine  Kenntnisse  in  diesem  Falle 
reichen,  glaube  ich  nicht,  dass  Lupus  oder  Tuberculosis  auf  die  ßeine  and 
Hände  1)  übergeht** 

„Auch  glaube  ich  nicht,  dass  die  uta  oder  llaga  ausschliesslich  auf  die 
Gtebiige  von  Pangoa  beschränkt  sei  oder  war,  sondern  dass  sie  sich  ausdehnte 
auf  die  Localitäten  von  derselben  Beschaffenheit.  Sonst  würden  nicht  so  viele 
Oefasse  mit  Darstellungen  dieser  Krankheit  existiren,  welche  unzweifelhaft  (?  H.  P.) 
praehispanischen  Ursprunges  sind.^ 

3.  ,,Ich  bedaure,  nicht  mit  den  Ansichten  des  Dr.  Carrasquilla  und 
meines  gütigen  und  verehrten  Freundes,  des  Hrn.  Bastian,  übereinzustimmen. 
Ich  kenne  eingehende  und  officielle  Berichte  über  die  Strafgesetze  und  die  von 
den  Jncas  den  Verbrechern  auferlegten  Strafen,  welche  der  Padre  Bemarbe  Cobo 
in  seiner  Historia  del  Nuevo  Mundo  im  zwölften  Buch,  Gap.  26,  zusammen fasst, 
und  in  keinem  von  ihnen  handelt  es  sich  um  Verstümmelungen,  die  als  Strafe  zu- 
dictirt  wurden.  Ob  einer  der  genannten  Souveraine  bei  besonderen  Umständen 
diese  Strafe  auferlegte,  weiss  ich  nicht;  aber  dies  schafft  keine  allgemeine  Regel. 
Die  Idee  des  Dr.  Carrasquilla  aus  Bogota,  die  Verstümmelten  auf  diese  Weise  zum 
Bettlerthum  zu  verurtheilen,  sieht  in  vollständigem  Widerspruche  mit  der  socialen 
Ordnung  und  den  Grundgesetzen  des  Inca- Reiches,  wo  es  nicht  möglich  war, 
dass  Bettler  oder  Arme  existirten,  welche  die  Mildthätigkeit  (die  dort  nicht  exi- 
stirte)  durch  ihr  schmerzvolles  und  elendes  Aussehen  anrufen  mussten,  wie  es  bei 
uns  vorkommt.  Das  Einzige,  was  über  Verstümmelungen  der  Lippen  und  Nase 
erzählt  wird,  ist  das,  was  die  kleinen  Könige  oder  Curacas  der  Isla  de  la  Puna 
mit  ihren  Eunuchen  ausführten,  nachdem  sie  castrirt  waren,  damit  zu  der  materiellen 
Unmöglichkeit,  den  Goncubinen  illegaler  Weise  gefällig  zu  sein,  noch  hinzukomme, 
die  weibliche  Begierde  nicht  zu  reizen.  Ausserdem  entsprechen  die  unregel- 
mässigen und  zerfressenen  Ränder,  welche  an  den  peruanischen  Oefässen  die 
Stellen  zeigen,  welche  die  Nase  und  der  mittlere  Theil  der  Oberlippe  einnahmen^), 
nicht  den  Rändern,  welche  sich  ergeben  hätten  bei  Verstümmelung  durch  ein 
Messer  oder  ein  ähnliches  Instrument.^ 

In  einer  Nachschrift  bemerkt  noch  Hr.  Jimenez  de  la  Espada,  dass  er  noch 
einen  Bericht  des  Vicckönigs  Dr.  Martin  Henri quez  aus  dem  Jahre  1582  ge- 
funden habe,  worin  über  die  Regierung,    die  Sitten  und  Gebräuche  der  Incas  ge- 


1)  An   den   ausgestellten  Gefässen   des  Museums  f&r  Völkerkunde  in  Berlin  sind  die 
Hindo  durchweg  intact,  normaL 

2)  Nicht  bei  aUen! 


(614) 

handelt  und  in  allgemeinen  Ausdrücken  gesagt  wird,  dass  die  Amputation  Ton 
Gliedern  als  Bestrafung  der  Verbrecher  üblich  war.  Er  fährt  fort:  ^Aber  nach 
meiner  Ansicht  waren  derartige  Amputationen  keine  einfachen  Körperstrafen,  welche 
dem  Deliquenten  das  Leben  Hessen,  sondern  eine  Todesart,  wie  der  Galgen  und 
andere.  Der  Text,  auf  den  ich  mich  beziehe,  sagt  wörtlich:  „Die  Todesstrafen 
wurden  öffentlich  ausgeführt  und  waren  sehr  grausam;  einige  wurden  von  Felsen 
herabgestürzt,  anderen  schnitten  sie  die  Glieder  ab  oder  vollzogen  ähnliche 
grausame  Strafen.'^  Zur  Bestätigung  seiner  obigen  Angaben  über  die  uta  des 
Hm.  Barraillier  führt  Hr.  Jimenez  noch  folgende  Stelle  aus  einer  Relacion  des 
berühmten  Santillan')  an,  welche  lautet:  ^Und  da  diese  Provinzen  der  Anden, 
Wo  die  Goca  wächst,  im  Gebiete  der  Städte  Gusco  und  la  Paz  und  Gharchas,  wo 
die  Witterang  sehr  kalt  ist,  liegen  und  sie  die  Leute  von  hier  hernehmen  und 
nach  den  Andes  bringen,  um  die  Goca  einzuernten,  wo  deshalb  viele  an  dem 
Witterangsunterschiede  gestorben  sind  und  andere  an  einer  Krankheit,  die  sie 
befiel,  welche  „Krankheit  der  Andes^  (Mal  de  los  Andes)  genannt  wird  und  welche 
eine  Art  von  Krebs  ist,  so  dass  bereits  nach  2  Tagen  keine  Hülfe  mehr  ist,  und 
andere  durch  Hunger  und  Arbeit^ 

Indem  ich  den  Hrn.  Stübel,  Middendorf  und  Jimenez  de  la  Espada  auch 
an  dieser  Stelle  besten  Dank  für  ihre  Briefe  sage,  spreche  ich  die  Hoffnung,  ja 
die  Ueberzeugung  aus,  dass  besonders  der  Bericht  des  Hrn.  Jimenez  de  laEspada 
nicht  unwesentlich  zu  der  Lösung  der  von  den  Hm.  As  hm  e  ad  und  Yirchow 
angeregten  Frage  beitragen  wird.  Hr.  Ashmead  hat  die  Frage  1895  angeregt, 
und  Hr.  Virchow  hat  sie  in  dieser  Gesellschaft  zur  Sprache  gebracht  Hr. 
Ashmead  hat  dann  zur  Intemationalen  Lepra-Gonferenz  einen  kleinen  Aufsatz 
eingesandt'),  dem  die  Abbildungen  von  10  Giefässen  beigegeben  sind,  welche  den 
hier  ausgestellten  meist  sehr  ähnlich  sind.  Ganz  gleich  ist  aber  nur  ein  Gefass, 
welches  Hr.  Wilhelm  v.  d.  Steinen  mit  einem  Kreuze  markirt  hat 

Hr.  Ashmead  schreibt:  „Die  altperuanischen  Thongefässe  mit  deformirten  Ge- 
siebtem, wie  Fingern  oder  Zehen,  zeigen  die  allergeringste  Aehnlichkeit  mit  Lepra. ^ 
Die  Füsse  bezeichnet  er  als  amputirt,  auch  bei  den  Figuren  mit  unförmig  dicken 
Beinen,  was  ich  nicht  für  richtig  halte.  „Die  Nase  ist  in  ihrem  knorpeligen  Theüe 
abgefressen,  dieses  Abfressen  zeigt  aber  keinerlei  Aehnlichkeit  mit  der  Deformation 
durch  Lepra.  Die  Oberlippe  ist  fortgefressen,  nicht  durch  Veraarbung  geschwunden. 
Auch  das  kommt  nicht  bei  Lepra  vor.^  Hr.  A.  erklärt  weiter:  „Es  kann  Lupus 
sein,  es  kann  auch  Syphilis  sein,  aber  niemals  Lepra.**  —  Nach  dieser  langen 
Einleitung  wende  ich  mich  zur  näheren  Betrachtang  der  hier  nochmals  ausgestellten 
Gefässe. 

Zur  besseren  Uebersicht  habe  ich  sie  in  Grappen  geordnet  Die  Eintheilang 
geschah  nach  der  Beschaffenheit  der  Nase.  Die  erste,  grosse  Gruppe  umfasst 
die  Gefässe,  wo  die  Verstümmelungen  der  Nase  unzweifelhaft  pathologischer 
Natur  sind;  die  zweite  Grappe  die,  wo  man  zweifelhaft  sein  kann,  ob  es  sich  um 
Darstellung  einer  Krankheit  oder  um  die  operativen  Eingriffe  handelt  Diese 
Grappe  ist  hier  nur  durch  ein  Gefäss  vertreten,  obgleich  im  Museum  mehrere  dieser 
Art  vorhanden  sind,  auch  in  der  vorigen  Sitzung  2  oder  3  Stück  ausgestellt  waren. 
Die  dritte  Grappe,  die  gleichfalls  nur  durch  ein  Specimen,  ein  Unicum,    vertreten 


1)  M.  Jimenez  de  la  Espada:   Tres  relaciones  de  antignedades  peruanas.    Uadrid 
1872,  p.  117. 

2)  Mittheilungen   und  Verhandlungen   der  Intemationalen  wissenschafUichen  L«pr»> 
Conferenz.    Berlin,  October  1897.    L   4.  Abth.  8.71  ff.  —  Berlin,  A,  Hirsch wald,  1897. 


(615) 

ist,  zeigt  eine  durch  gewaltsamen  Eingriff  deformirte  Nase.  Das  Septum  ist  ge- 
spalten und  so  eine  Doppelnase  gebildet  Man  findet  eine  Abbildung  dieses  Oe- 
fässes,  welches  einea  Iscaicinga-Indianer  darstellt,  in  einer  Broschüre^),  die  mir 
Hr.  Jimenez  de  la  Espada  kürzlich  zuschickte.  Diese  ganze  Figur  eines  Iscaicinga 
findet  sich  im  Museum  des  Trocadero.  Iscaicinga  bedeutet  aus  der  Quetschua- 
Sprache  in  das  Spanische  und  Deutsche  übersetzt:  Indios  de  dos  narices,  Indianer 
mit  zwei  Nasen.  Dieser  halb  sagenhafte  Stamm  soll  am  Amazonas  in  der  Nähe 
der  Mündung  der  Huallaga  gewohnt  haben  und  sich  durch  Körpergrösse,  Tapfer- 
keit und  Gk>ldreichtbum  ausgezeichnet  haben.  Ein  altperuanischcr  Schriftsteller 
berichtet,  dass  die  Incas  vor  Ankunft  der  Spanier  mit  diesen  Indianern  im  Kriege 
lagen.  Auf  den  Inhalt  der  Broschüre,  die  ich  vorlege,  kann  ich  nicht  weiter  ein- 
gehen, und  wende  mich  nun  zur  ersten  grossen  Gruppe,  die  wieder  in  vier  Unter- 
gruppen zerfällt 

Die  erste  besteht  aus  zwei  gleichen,  sehr  sorgfältig  gearbeiteten  kleinen  Figuren 
einer  ganzen  Gestalt  Hr.  Virchow  lenkte  bereits  die  Aufmerksamkeit  der  Lepra- 
Gonferenz  auf  diese  Figuren  und  sagte'):  ^Das  bemerkenswertheste  Stück  ist  hier 
eine  kleine,  knieende  Figur,  die  anscheinend  einen  Bettler,  einen  Aussätzigen  dar- 
stellt —  wenigstens  können  wir  wohl  vorläufig  sagen:  einen  Aussätzigen  — ,  der 
die  Mildthätigkeit  der  Vorübergehenden  anspricht  Er  hat  eine  Art  Trommel,  mit 
der  er  klappert,  und  hat  ein  sehr  bittendes  und  demüthiges  Gesicht  angenommen. '^ 
Ich  habe  diese  Figur  genau  in  der  gleichen  Weise  aufgefasst  und  ich  bin  über- 
zeugt, wer  sich  in  ihre  Betrachtung  versenkt,  wird  unserer  Ansicht  zustimmen :  es 
handelt  sich  um  einen  Bettler.  Nun  erfahren  wir  aber  durch  Hm.  Jimenez  de  la 
Espada,  dass  es  im  alten  Peru  keine  Bettler  gab,  geben  konnte,  was  alle 
Historiker  und  alle  namhaften  Amerikanisten,  die  über  Peru  geschrieben  haben, 
bestätigen.  —  Um  aus  diesem  Dilemma  herauszukommen,  giebt  es  zwei  Wege. 
Der  erste  ist  der  von  Hrn.  Garrasquilla  gewiesene.  Danach  handelt  es  sich 
um  bestrafte,  verstümmelte  Verbrecher,  für  welche  die  Familie  oder  Gemeinde 
nicht  zu  soigen  brauchte,  ja  vielleicht  nicht  sorgen  durfte,  und  die  zur  andauernden 
Strafe  auf  die  Bettelei  angewiesen  waren.  Dieser  Weg  ist  aber  durch  die  An- 
gaben des  Hm.  Jimenez  de  la  Espada  verschlossen,  und  wir,  die  wir  hier  in  den 
letzten  Monaten  eifrig  in  den  alten  Historikern  gesucht  haben,  konnten  gleich- 
falls keine  Stelle  finden,  die  von  derartigen  barbarischem  Strafen  berichtet  Die 
Idee,  dass  es  sich  hier  um  bestrafte  Verbrecher  handle,  ist  also  definitiv  aufzu- 
geben, wenigstens  bis  Hr.  Garrasquilladie  Beweise  für  seine  Erklärang  geliefert 
hat.  —  Es  bleibt  also  nur  noch  ein  Ausweg,  und  dieser  scheint  mir  der  unbedingt 
richtige  zu  sein.  Meine  Herren!  Dieses  Gefäss  ist  gar  nicht  praecolumbischen  Ur- 
sprangs,  sondern,  als  die  Macht  der  Incas  gebrochen  war,  zerfiel  das  ganze  altpemanische 
Reich,  dessen  vorzügliche  sociale  und  wirthschaftliche  Organisation  noch  bis  heute 
die  Bewunderung  vieler  National-Oekonomen  erregt  hat,  sehr  schnell,  und  da  gab 
es  denn  auch  bald  Bettler.  Und  diese  kamen,  da  die  Peraaner  eine  Vorliebe  für 
die  Nachbildung  hässlicher,  abschreckender  Gestalten  hatten,  sehr  bald  zur  künst- 
lerischen Darstellung.  Diese  Annahme  wird  durch  folgende  Thatsache  bestätigt. 
Als  ich  beschlossen  hatte,  mich  näher  mit  diesen  Gefässen  zu  beschäftigen,  ging 
ich  wenige  Tage  nach  der  Lepra-Conferenz  nach  dem  hiesigen  Museum  für  Völker- 


1)  La  Jornada  del  Capitan  Alonso  Mercadillo  ä  los  Indios  Chopachos  e  Iscaicingas 
por  M.  Jimenez  de  la  Espada.    Madrid,  Impr.  Fortanet.    Jahreszahl  fehlt. 

2)  MittheiloDgen   und  Yerhandlungen   der  Internationalen  wissenschaftlichen  Lepra- 
Confereni  zu  Berlin,  October  1897.   11.   8.  80. 


(616) 

künde  und  richtete  an  Hrn.  Dr.  Seier  die  Vorfrage:  Sind  diese  sämmtlichen  in 
Frage  kommenden  Gtefösse,  oder  wenigstens  ihre  grosse  Mehrzahl,  sicher  prae- 
colamhischen  Ursprunges?  Hr.  Seier  verneinte  diese  Frage  karz  und  bestimmt. 
Damit  ist  nach  meiner  Ansicht  jede  Möglichkeit,  ans  der  Beschaffenheit  dieser 
Gelasse  Schlösse  auf  die  Existenz  einer  praecolumbischen  Lepra  zu  ziehen,  aus- 
geschlossen. —  Noch  mache  ich  darauf  aufmerksam,  dass  der  hier  dargestellte 
Mann  erblindet  ist  und  durchaus  nicht  wie  ein  Lepröser  aussieht  Obgleich 
Nasenspitze  und  Oberlippe  fehlen,  zeigt  der  Kopf  keine  Anzeichen  von  Leontiasis 
oder  Tuberkeln,  und  obgleich  die  Füsse  abgefallen  oder  amputirt  sind,  sind  die 
Finger  yöllig  normal,  haben  ihre  Bewegungsfreiheit  behalten.  Der  Mann  hält  das 
Tamburin  mit  einer  Hand  und  mit  der  anderen  entlockt  er  ihm  Töne. 

Die  zweite  Untergruppe  ist  durch  3  Exemplare  repräsentirt.  Wir  sind  wohl 
alle  darüber  einig,  dass  diese  Gefasse  keine  Phantasie  -  Gebilde  oder  Gari- 
caturen  darstellen,  sondern  lebende  Vorbilder  veranschaulichen  sollen.  Der  Künstler 
hat  aber  sein  ganzes  Können  und  Wissen  auf  die  Darstellung  des  Hauptes  con- 
centrirt  und  den  Kumpf  und  die  unteren  Extremitäten  vernachlässigt,  nur  schemu- 
tisch  dargestellt.  Dies  gilt  für  die  grosse  Mehrzahl  der  altperuanischen  Gefässt' 
und  besonders  für  die  Glieder  dieser  Unteigruppe.  Die  Oberschenkel  sind  unförmlich 
dick,  die  Unterschenkel  fehlen  oder  sind  nur  schwach  angedeutet,  die  Füsse  fehlen. 
Hier  ist  es  schwer  zu  sagen,  ob  mangelhafte  Ausführung  vorliegt,  oder  ob  Krank- 
heiten der  unteren  Extremitäten  daigestellt  werden  sollten.  Jedenfalls  halte  ich  e^ 
für  sehr  gewagt,  ja  unmöglich,  nach  dieser  iTaTstaUjing  der  Beine  eine  Diagnose 
zu  bilden. 

Die  dritte  Untergruppe  bilden  3  Getässe  aus  der  Sammlung  Macedo  (Nr.  30i 
304  und  306),   die  im  Kataloge^)  als  an  Syphilis  leidende  Personen    bezeichnet 
sind.     Ob  dies  richtig   ist,    oder   ob  es  sich  um  die  Darstellung\von  der  llaga 
befallener  Personen   handelt,    was  wohl  wahrscheinlicher  ist,    mögeW  die  Herren 
Aerzte    entscheiden,    denen   ich    das    nähere   Studium   der    uta    oder\llaga  em- 
pfehle.   Jedenfalls   sprechen   die  Verstümmelungen    der   Nase   bei    dies€^r  Unter- 
gruppe  und    überhaupt   bei  der  ganzen  ersten  Gruppe   entschiedet  gogi'n 
Lepra.     Wird  die  Nase  von  der  Lepra  befallen,    so  wird  sie  breiter,    schwillt  an, 
bedeckt   sich   mit  Knoten  (Tuberkeln),   am  Septum  bilden  sich  Geschwüre«  da:: 
Septum  wird  bald  angegriffen  und  perforirt.    Selten  und  viel  später  geht  die  f-^pr» 
auf  die  Oberlippe  über.     Sie  finden  3  Aufsätze  über  die  Lepra  der  Nase  in  dem 
L  Bande    der  Mittheilungen   der  Lepra -Conferenz.     Darunter  befindet    sich    aKh 
eine   grosse    Arbeit    des    Hrn.    Dr.    Glück,    Chef- Arztes    des    Lepra  -  Hospi»^* 
in  Serajevo.    Dieser  Herr  sagte  mir   nach   der  October- Sitzung:    Ich  hätte  gtf' 
richtig  geurtheilt,  diese  Gefasse  stellten  keine  Leprösen  dar.   Er  forderte  mich  J^* 
bei  nächster  Gelegenheit  zu  sagen  (mit  Berufung  auf  ihn),  das  die  Nasen  Leprt>^l' 
anders  aussähen.     Der  Nasenrücken  senke  sich,    die  Nasenöffnungen  würden   vei 
schlössen,  die  Nasenflügel  schwöllen  gewaltig  an,  ähnelten  einem  Operngucker.    K> 
sind  dies  ipsissima  verba  des  Hrn.  Dr.  Glück.      Uebrigens  gebraucht  einer  der 
ersten  Lepraärzte,  der  leider  früh  verstorbene  H.  Leloir,  die  gleiche  Bezeichnung. 
Vom  Rande  dieses  Opernguckers  beginnt  dann  die  Zerstörung  der  fleischigen  und 
knorpeligen  Theile  der  Nase.  —  Keines  dieser  Symptome  findet  sich  bei  den  vor- 
liegenden Figuren.  —  Sei  es  nun  Syphilis  oder  uta,  der  Irrthum  bliebe  in  der 
Familie.     Hat  doch  unser  Vorsitzender  bereits  vor  etwa  35  Jahren  und  —  wenn 
ich  nicht  irre  —   zuerst  eingehend  auf  die  nahe  Verwandtschnft  zwischen  Lepm. 

1)  Catalogne  d'objets  archeologiques  du  P^rou.    Paris,  Impr.  hisp.-americ.  1881. 


(617) 

Sypbilia  und  Taberculosis,  zu  der  auch  Lnpas  und  LIaga  gehören,  hingewiesen,  und 
erklärte  doch  auf  der  Lepni-Conferenz  Hr.  Dr.  Ehlers  (Copenhagen),  dass  diese 
3  Krankheiten  so  verwandt  seien,  wie  es  in  der  Chemie  die  Elemente  Chlor,  Brom 
nnd  Jod  sind. 

Heine  Herren!  Die  mir  bewilligte  Zeit  ist  abgelanfen,  ich  roass  schliessen. 
Ich  bin  der  Anfforderung  unseres  verehrten  Herrn  Vorsitzenden,  sich  mit  der 
Erklärung  dieser  alt- peruanischen  GePässe  zu  beschälligen,  nachgekommen,  so  weit 
dies  in  meinen  Rr&fleo  stand,  und  habe  vorgetragen,  was  ich  ermitteln  konnte 
und  das  Wichtigste  von  dem,  was  ich  selbst  tlber  verschiedene  dieser  GePässe 
denke.  — 

Hr.  Wilhelm  von  den  Steinen:  Im  künigl.  Museum  für  Völkerkunde  be- 
finden sich  zur  Zeit  17  Thongerässe  (HenkelOaschen),  welche  Darstellungen  von 
Verstümmelungen  aurweisen.  Die  Gefasse  stellen  zum  Theil  Köpfe  dar,  zum  Tbeil 
ganze  Figuren,  eine  von  diesen  in  liegender,  die  übrigen  in  knieender  Stellung  oder 
mit  untergeschlagenen  Beinen.  Bei  allen  ist  eine  Verstümmelung  der  Nasenspitze, 
zum  grössten  Theil  zugleich  der  Oberlippe  bemerkbar;  bei  den  in  ganzer  Figur 
dargestellten  Fehlen  bei  vieren  beide  Fttsse.  Bei  den  anderen  bedeckt  ein  um  die 
Hüften  geachlongenea  Tuch  die  unteren  Extremitäten,  doch  ist  die  Darstellung  so, 
dass  man  das  Fehlen  der  Füsse  vermuthen  muss. 

Von  den  KopF- Henkel  Haschen  ist  die  in  Figur  1  abgebildete  von  Chimbote, 


Fiff.  1".     '/. 


Fig.  1/..    V. 


was  genaue  Wiedergabe  anbelangt,  wohl  die  am  meisten  vollendete.  Nasenspitze 
und  Oberlippe  sind  zerstört,  die  Wangen  verquollen  nnd  von  Falten  oder  Narben 
dorchzogen.  In  ähnlicher  Weise  aufgerasst,  wenn  auch  mehr  schematisch  dar- 
gestellt, weist  die  Sammlung  noch  weitere  drei  Exemplare  auf. 


(618) 

Ein  Fehlen  der  Nasenspitze  zeigt  auch  Fig.  2;  die  Oberiippe  ist  erhalten,  jedoch 
in  geschwollenem,  Tortretendem  Zustande  wiedergegeben;  an  der  Oberlippe  and 
anr  beiden  Qesichtsseiten  befinden  sich  narbenartige  Einschnitte.  Ein  anderes  Gefksa 
im  Mnseam  enthält  die  gleichen  Merkmale- 

Pig.  2a.    V, 


(819) 

Eine  ebenrallB  sehr  getreue  nod  künstlerische  Wiedenjabe  sehen  wir  nn  dem 
Kopr  (Fig.  3)  einer  tböneraen  UenkelOasche:  die  Verstammelnng  der  Nase  mit 
heraastretendem  Septam,  die  in  nti regelmässigen  Linien  zerrressene  Oberlippe,  das 
HeiTortreten  von  itlnr  Zühnen  des  Oberkiefers. 

Fig.  4  Teranschaulicbt  ans  einen  aaf  der  Seite  liegenden  Menschen  mit  den- 
selben Merkmalen  im  Gesicht,  zugleich  aber  fehlen  den  Beinen  die  Fttsse;  der 
Unterachenkel  endigt  in  einem  eingekerbten  Stumpf. 

Dieselben  Erscheinungen  weisen  die  fol- 
genden (Fig.  5  and  6)  Oefässe  auf,  beide  in  Fig.  6.  V, 
knicender  Stellung.  Bei  Fig.  5  fallt  noch  der 
geschwollene  und  vortretende  Untertheil  des 
Gesichts  auf.  Bei  Fig.  6,  einem  Trommel- 
schläger, fehlen  ausserdem  die  Augäpfel,  so 
daas  wir  hier  wohl  einen  Blinden  vor  ans 
haben. 

Die  übrigen  Thonkrflge  zeigen,  wie  er- 
wähnt, ebenfalls  Zerstömngen  an  Nase  nnd 
Oberlippe;  die  unteren  Gliedmaassen  sind 
entweder  antergeschtagcn  oder  dnrch  ein  Tuch 
bedeckt. 

Die  in  Fig.  1,  2  und  3  wiedergegebenen 
Köpfe  scheinen  pathologische  Zustände  aus- 
zudrücken; dasselbe  niuss  man  auch  wohl 
von  den  anderen  Durstellungen  sagen.  Der 
Auffassung  des  Hrn.  Prof.  Oarrasqui.lla, 
dass  es  sich  um  Verbrecher,  welche  durch 
Abschneiden  von  Nase  und  Oberlippe  und 
durch  Abhacken  der  Füssc  bestraft  waren, 
handelt,   kann  ich  mich  nicht  anschliessen, 

um  so  weniger,  als  in  den  hinteriassenen  Nachrichten  über  die  Oesctzespflege 
und  Strafen  bei  den  Inca  (Cieza  de  Leon,  Herrera,  Garcilaso  de  laVega, 
Cobo  u.  A-)  nichts  davon  erwähnt  wird. 

Fig.  C-2.    '/,  Fig.  G/..    '/, 


(620) 

Was  die  VerstUmmeiung  der  Beine  anlangt,  möge  es  sich  dabei  um  AmpatatioQ 
oder  um  Krankheit  handeln,  keinenfalls  haben  wir  hier  eine  skizzenhafte  oder  an- 
vollendete  Darstellung  der  Füsse.  Bei  allen  peruanischen  Gelassen,  wo  Füsse  ab- 
gebildet werden,  sind  diese  als  solche  gut  erkennbar.  Die  Genauigkeit  in  der  Wieder- 
gabe geht  sogar  so  weit,  dass  bei  einigen  Nachbildungen  von  Personen  mit  unter- 
geschlagenen Beinen  die  Form  der  Füsse  auf  der  Unterseite  des  Gefösses  in  den 
Thon  eingeritzt  ist.  Dass  die  alten  Peruaner  gern  Darstellungen  von  mit  auf- 
fälligen Krankheits-Erscheinungen  behafteten  Personen  in  ihren  Gefässen  wieder- 
gaben, zeigt  in  der  Berliner  Sammlung  auch  die  grosse  Anzahl  von  Nachbildungen 
von  Blinden,  Einäugigen,  Schiefmäuligen  u.  a. 

Was  die  Herkunft  der  Gefässe  anbelangt,  so  sind  die  Fundorte  unserer  Stücke 
leider  nicht  sicher  bestimmt;  der  grösste  Theil  hat  die  Angabe  Chimbote,  ausserdem 
noch  Trujillo  und  Chancay.  — 

Hr.  R.  Yirchow:  Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  die  von  Hm.  Garras- 
qnilla  aufgestellte  Behauptung,  es  handle  sich  nicht  um  die  Folgen  einer  Krank- 
heit, sondern  um  eine  Art  der  Bestrafung,  geeignet  ist,  Eindruck  zu  machen.  Der 
dargestellte  Defect  der  Unterextremitäten  gleicht  in  der  That  demjenigen  nach  einer 
Amputation  der  Unterschenkel  und  nicht  dem  nach  einer  leprösen  Mutilation.  Auch 
das  Verhalten  der  Nase  lässt  sich  recht  gut  mit  der  Vemarbung  nach  Abhauen 
oder  Abschneiden  der  Nasenspitze  vergleichen.  Schwierigkeit  bereitet  nur  der 
grosse,  zuweilen  mit  Blosslegung  der  mittleren  Oberkieferzähne  verbundene 
Defect  der  Oberlippe,  der  bei  gewöhnlichen  Verwundungen  wohl  kaum  vorkommen, 
jedenfalls  dann  nur  unter  ganz  besonderer  und  absichtlicher  Haltung  des  schnei- 
denden Werkzeuges  zu  erzeugen  sein  dürfte.  Immerhin  liesse  sich  darauf  zurück- 
kommen, sobald  die  behauptete  Art  der  Bestrafung  historisch  nachgewiesen  würde. 

Das  Citat  des  Hrn.  Carrasquilla  hat  sich  bisher  nicht  auffinden  lassen. 
Alle  Nachforschungen  in  den  spanischen  Geschichtsschreibern  der  Conquista  sind 
ergebnisslos  geblieben.  Dagegen  lässt  sich  ein  anderes  negirendes  Argument  vor^ 
bringen.  Gefangene  mit  einem  Strick  um  den  Hals  sind  gleichfalls  in  Thon  nach- 
gebildet worden  und  unser  Museum  besitzt  deren,  aber  alle  sind  ohne  Verstüm- 
melung. Ein  sehr  sonderbares  Stück  habe  ich  in  der  Sitzung  vom  18.  Oct  1873 
(Verhandl.  S.  153,  Taf.  XV,  Fig.  1)  beschrieben.  Es  ist  eine  im  Hamburger  Museum 
befindliche  Holzfigur,  die  im  Guano  einer  der  Ghincha-Inseln  aufgefunden  ist  Sie 
trägt  den  dicken,  um  den  Hals  gelegten  Strick  mit  weit  herabhangendem  Ende, 
aber  ihre  Nase  zeigt  nicht  nur  keine  Verstümmelung,  sondern,  wie  ich  es  damals 
ausdrückte,  die  Form  einer  „Adler-  oder  Getemase  mit  herabhangender  Spitze**, 
ganz  so  wie  die  Nasen  an  unversehrten  peruanischen  Thonfiguren  dargestellt 
werden.  Ich  konnte  nachträglich  (a.  a.  0.  Anm.)  hinzufügen,  dass  zwei  der  besten 
englischen  Kenner,  David  Forbes  und  A.  W.  Franks,  die  im  Guano  gefundenen 
Holzfiguren  als  Abbildungen  von  Gefangenen  ansehen.  Ihre  weitere  Vermuthung, 
dass  die  Darstellung  irgend  eine  Beziehung  auf  Syphilis  habe,  konnte  ich  schon 
damals  widerlegen. 

Die  Frage  nach  einer  absichtlichen  Verstümmelung  wird  dadurch  weit  hinaus- 
gerückt.  Anders  verhält  es  sich  mit  der  Frage  nacli  einer  mutilirenden  Krankheit 
welche  nicht  Lepra  war.  In  dieser  Beziehung  können  die  durch  Hm.  Polakowskj 
beigebrachten  Nachrichten  des  Hm.  Jimenez  de  la  Espada  von  grossem  Wcrthe 
sein.  Leider  ist  mir  über  die  von  ihm  gemeldete  Krankheit  der  Gebii^gsgegenden 
sonst  nichts  bekannt  Es  wird  vielmehr  Aufgabe  weiterer  Forschung  sein,  die 
Natur  und  die  Verbreitung  der  Llaga  sicher  festzustellen. 


I 


v 


(621) 

Eine  andere  Frage,  die  bis  jetzt  nicht  genügend  geklärt  ist,  betrifft  die  prae- 
col  um  bische  Herstellung  der  verstümmelten  Thonflguren.  Nicht  ohne  Grund  ist 
der  Zweifel  angeregt  worden,  ob  diese  Figuren  nicht  erst  nach  der  Ankunft  der 
Spanier  angefertigt  worden  sind.  Hr.  Ashmead  erklärt  freilich  auf  das  Zuver- 
sichtlichste, die  Figuren  seien  zweifellos  praecolumbisch,  indess  hat  er  beweisendes 
Detail  über  die  Funde,  soweit  ich  sehe,  nicht  beigebracht.  Das  müsste  also 
noch  geschehen.  Vorläufig  sehe  ich  noch  keinen  Grund,  diese  Figuren  als  spätere 
aus  der  grossen  Zahl  ganz  analoger  Darstellungen  aus  altperuanischer  Zeit  aus- 
zusondern. 

In  Beziehung  auf  die  Frage  der  Lepra  ist  ein  Einwand  des  Hrn.  Polakowsky 
bemerkenswerth.  Er  weist  auf  den  Widerspruch  hin,  dass  die  Hände  vollständig 
dargestellt  sind,  während  die  Füsse  so  grosse  Defecte  zeigen.  Dieser  Einwand  würde 
eine  grössere  Bedeutung  haben,  wenn  angenonimen  werden  müsste,  dass  die  Verstüm- 
melung der  Unterextremitäten  ganz  und  gar  durch  Lepra  hervorgebracht  und  darauf 
vollständig  vernarbt  wäre.  Diese  Annahme  wäre  wenig  zutreffend.  In  der  That  haben 
die  meisten  Beschreibungen  der  fraglichen  Verstümmelung  sich  auf  eine  Amputation 
bezogen.  Diese  könnte  auch  bei  Leprösen  vorgenommen  sein,  und  es  würde  dann 
nur  zu  erklären  sein,  wieso  die  Hände  so  wenig  ergriffen  seien.  Hierzu  möchte 
ich  bemerken,  dass  nach  meiner  auf  das  Studium  norwegischer  Aussätziger  begrün- 
deten Darstellung  (vgl.  meine  Onkologie,  Berlin  1864—65,  H.  S.  528)  die  sogenannte 
Lepra  mutilans  keine  direct  lepröse  Erkrankung  ist;  ^die  Ulcerationen  gehen  nicht 
aus  Knoten  hervor,  sondern  aus  maligner  Entzündung,  welche  sich  ganz  nach 
Art  der  sogenannten  neuroparaly tischen  Entzündung  in  Folge  der  Anästhesie 
entwickelt.*^  Am  häufigsten  ist  die  nächste  Ursache  dieser  Veränderungen  eine 
äussere:  Erfrierung,  Verbrennung,  stumpfe  mechanische  Einwirkungen  u.  s.  w.  Je 
nach  Ort  und  Klima,  nach  Lebensweise  und  Gebräuchen  können  solchen  Einwirkungen 
bald  mehr  die  oberen,  bald  mehr  die  unteren  Extremitäten  ausgesetzt  sein.  So 
hat  die  Geschichte  der  letzten  Pestepidemie  auf  die  Erklärung  geführt,  warum 
die  Japaner  häufiger  an  den  unteren  Extremitäten,  die  Chinesen  mehr  an  den 
oberen  erkranken:  jene  gehen  vielfach  barfuss,  diese  tragen  die  Füsse  beständig 
bedeckt. 

Wir  werden  daher  vorläufig  darauf  verzichten  müssen,  ein  bestimmtes  Urtheil 
über  die  Mutilation  der  alten  Peruaner  abzugeben.  Bis  jetzt  ist  keine  andere 
Erklärung  für  dieselbe  gefunden,  als  eine  pathologische.  Noch  immer  ist  die  An- 
nahme einer  leprösen  Affection  nicht  ganz  auszuschliessen.  Ob  irgend  eine  andere 
Krankheit,  wie  die  von  Hrn.  Jimenez  de  la  Espada  angeführte  Llaga,  be- 
schuldigt werden  darf,  wird  später  zu  untersuchen  sein.  — 

(26)    Hr.  Maass  bespricht  das  anwesende 

Bärenweib. 

Bereits  in  der  Sitzung  vom  18.  Mai  1895  habe  ich  hier  das  „ Bären weib^  vor- 
gestellt. Dasselbe  zeigte  sich  damals  unter  diesem  Namen  in  Castan^s  Panopticum, 
weil  es,  mit  einem  Bärenfell  bekleidet  und  auf  allen  Vieren  gehend,  auftrat,  wie 
es  schon  zuvor  in  Newyork  bei  Barnum  und  in  andern  grossen  Städten  oft 
gethan  hatte.  Ich  sagte  damals,  dass  dieses  Weib  die  Tochter  einer  Mestize 
und  eines  Negers  aus  Mount  pleasant  in  Texas  sei;  dass  seine  Mutter  eine  ganz 
ähnliche  Verkrüppelung  der  Extremitäten  habe,  dass  aber  seine,  des  Bärenweibes, 
damals  zweijährige  Tochter  ganz  normal  gebaut  sein  solle.  Ich  habe  bei  der  Vor- 
stellung wörtlich  gesagt:    „Ihre  4  Extremitäten  sind  seit  ihrer  Geburt  in  der  Art 


(622) 

verkrüppelt,  dass  an  den  Beinen  die  Rniee  und  Unterschenkel  fehlen  und  die  Füsse 
unmittelbar  mit  den  Oberschenkeln  articuliren;  ebenso  an  den  Armen,  an  welchen 
die  Unterarme  nur  rudimentär  Yorhanden  sind.  Hände  und  Füsse  sind  ebenfalls 
verkrüppelt,  doch  ist  ein  Greifen  mit  den  Händen,  selbst  Schreiben,  Nähen  u.  s.  w. 
wohl  möglich,  ebenso  das  Aufrechtgehen  auf  den  Füssen,  jedoch  nur  mit  Hülfe 
besonders  dazu  gefertigter  Schuhe,  da  die  Frau  nicht  mit  der  Sohle,  sondern  nur 
mit  dem  äusseren  Rande  derselben  auftritt  Grosse  Geschicklichkeit  hat  sie  aber 
in  dem  Gehen  auf  allen  Vieren  erlangt,  und  ihr  Gang  dabei  erinnert  allerdings  an 
den  Gang  eines  Bären,  was  sie  bei  ihren  Vor^llungen  im  Panopticum  noch  da- 
durch unterstützt,  dass  sie,  mit  einem  Bärenfell  bekleidet,  aus  einer,  natürlich 
künstlichen.  Höhle  hervorkommt.^ 

So  habe  ich  damals  gesagt,  und  so  ist  es  abgedruckt  in  dem  Sitzungsbericht 
vom  18.  Mai  1895. 

In  der  Sitzung  vom  15.  Juni  1895  legte  der  Vorsitzende,  Hr.  Rud.  Virchow, 
eine  Mittheilung  des  Hrn.  Louis  Henning  aus  Antwerpen  vor.    Darin  hiess  es: 

„Auf  der  letztjährigen  (1894er)  Antwerpener  Welt -Ausstellung  waren  in  dem 
an  ^Pawnee  Bills  Wild  West^  sich  anschliessenden  „Museum^  zwei  Menschen  zu 
sehen,  welche,  angeblich  zum  ersten  Male  in  Europa,  die  Beachtung  Wissenschaft- 
lieber  Kreise  wohl  verdienen.  Ich  meine  den  mit  ungeheuer  vergrösserten  Füssen 
ausgestatteten  Eugen  Berry  und  die  verkrüppelte  Alice  Wance. 

„Die  Negerin  Alice  Wance  ist  28  Jahre  alt  und  geboren  in  Texas.  Ihr 
Vater  war  normal,  dagegen  ihre  Mutter  in  gleicher  Weise  verunstaltet,  wie  sie. 
Sie  giebt  an,  niemals  krank  gewesen  zu  sein  und  keine  Geschwister  zu  haben. 
Ihre  Mutter  lebt  in  Newyork,  wo  sie  sich  ebenfalls  für  Geld  sehen  lässt.  Alice 
Wance  spricht  sehr  gut  englisch,  näht  und  stickt,  und  macht  überhaupt  den  Ein- 
druck von  Intelligenz.  Alle  an  sie  gerichteten  Fragen  beantwortet  sie  klar  und 
deutlich.  Die  nähere  Untersuchung,  welche  ich  an  diesem  unglücklichen  Wesen 
vornahm,  ergab  folgendes  Resultat.  Beide  Oberarme  sind  normal  gebildet;  erst 
unterhalb  des  Ellbogengelenks  ist  an  beiden  Seiten  eine  starke  Geschwulst  bemerkbar, 
an  welche  sich  die  Hände  unmittelbar  anschliessen;  wir  haben  es  hier  mit  einem 
Beispiele  der  „Klumphand^  zu  thun.  Beide  Hände  sind  nicht  gerade  verkrüppelt  zu 
nennen,  indessen  sind  die  einzelnen  Finger  doch  nicht  vollkommen  streckbar.  An 
jeder  Hand  sind  5  Finger. 

„In  Betreff  der  Unterschenkel  ist  zu  constatiren,  dass  solche  in  Wahrheit  nicht 
vorhanden,  sondern  die  Füsse  unmittelbar  an  dem  Knie  angewachsen  sind.  Beide 
Füsse  erscheinen  stark  geschwollen;  die  Geschwulst  verjüngt  sich  nur  gegen 
die  Zehen  hin.  Die  Wance  geht  zwar  aufrecht,  doch  nur  sehr  schwer,  liebt  es 
vielmehr,  auf  allen  Vieren  zu  kriechen,  wobei  sie,  aus  der  Feme  gesehen,  den  Elin- 
druck  eines  sich  bewegenden  Thieres  macht. " 

Dies  Alles  ist  über  2  Jahre  her.  Hr.  Castan  hatte  nun  im  Herbst  vorigen 
Jahres  in  seinem  Panopticum  in  Dresden  die  Frau  vorgeführt,  als  ihm  plötzlich 
daselbst  im  November  1896  die  weitere  Schaustellung  des  Bärenweibes  polizeilich 
untersagt  wurde.  Der  Grund  dieser  polizeilichen  Maassregel,  die  ich  hier  durchmos 
nicht  kritisiren  kann  und  will,  war  ihm  unbekannt,  aber  die  Dresdner  Presse 
brachte  einige  Tage  darauf  Folgendes.  Der  „Dresdner  Anzeiger**  vom  18.  Novbr. 
1896  sagt:  „Die  Königliche  Polizei-Direction  hat  die  weitere  Schaustellung  des  im 
hiesigen  Castan' sehen  Panopticum  —  Stadtwaldschlösschen  —  ausgestellten  so- 
genannten „Bärenweibes^  untersagt  Eine  behördlich  angeordnete  Untersuchong 
hat  nchmlich  ergeben,  dass  das  zur  Schau  gestellte  Wesen  keinesweges,  wie  nach 
den  hier  veröffentlichten  Placaten,  sowie  nach  dem  bei  der  Vorftihrung  gehaltenen 


(623) 

Vortrage  angenommen  werden  muss,  eine  unerklärliche  Abnormität,  sondern  ledig- 
lich eine  in  Folge  einer  früheren  Erkrankung  —  wahrscheinlich  der  sogenannten 
englischen  Krankheit  —  an  Armen  und  Beinen  rerkrttppelte,  übrigens  aber  durchaus 
normale  Frauensperson  ist  —  —  —  Seltsamer  Weise  hat  man  das  Bärenweib 
mehrere  Monate  lang  in  Berlin  unbeanstandet  gezeigt  und  weder  Polizei  noch  die 
Aerzte,  deren  Namen  man  zu  Reclamen  benutzte,  haben  Notiz  davon  genommen,  so 
dass  es  erst  der  Dresdner  Behörde  vorbehalten  blieb,  die  Täuschung 
aufzudecken.^ 

Femer  schreiben  die  „Dresdner  Nachrichten**  vom  18.  Novbr.  1896: 

Zuerst  derselbe  Anfang  wie  im  „Dresdner  Anzeiger^,  dann  folgt  aber: 

„Die  ganze  Schaustellung  erweist  sich  also  als  ein  frecher  Schwindel,  der  um  so 
widerwärtiger  ist,  als  man  sich  dabei  eines  krankhaft  verunstalteten  Menschen 
bedient  hat.  Derselbe  konnte  natürlich  nur  durch  eine  genaue  Untersuchung  auf- 
gedeckt werden  u.  s.  w.** 

Diese  beiden  Artikel  sind  erst  im  vorigen  Monat  zu  meiner  Kenntnis  gekommen, 
und  da  nun  das  „Bärenweib^  oder,  wie  sie  eigentlich  heisst,  Frau  Alice  Wance, 
geb.  Reed,  seit  einigen  Wochen  wieder  hier  im  Castan^schen  Panopticam  zu 
sehen  ist,  so  habe  ich  Gelegenheit  genommen,  sie  wiederholt  genau  zu  untersuchen, 
um  diese  Beschuldigung  der  Dresdner  Presse,  als  seien  die  Berliner  ärztlichen 
Kreise  nicht  im  Stande,  angeborene  Abnormitäten  richtig  zu  taxiren,  und  müssten 
sie  erst  von  Dresden  aus  darüber  belehrt  werden,  von  dieser  Stelle  aus  energisch 
zurückzuweisen. 

Hr.  Castan  hat  die  hier  vorliegenden  Gypsabgüsse  eines  Beines  und  Fusses, 
sowie  eines  Armes  mit  Hand  gemacht.  Da  diese  aber  zur  richtigen  Würdigung 
des  Falles  doch  nicht  ausreichen,  so  ist  in  dem  hiesigen  Staats -Institut  für 
Untersuchung  mit  Röntgen -Strahlen  eine  Reihe  von  Durchleuchtungen  gemacht 
worden,  welche  alle  ergeben  haben,  dass  meine  im  Jahre  1895  gemachten  An- 
gaben richtig  waren,  und  dass  von  einer  auf  rachitischer  Basis  beruhenden  Ver- 
unstaltung keine  Rede  sein  kann.  Die  Frau  tritt  mit  dem  Gelenkende  des  Ober- 
schenkels beim  aufrechten  Gehen  auf;  Kniee  und  Unterschenkel  sind  nicht  vor- 
handen; die  beiden  Füsse  haben  zwar  sämmtliche  Knochen  des  Mittel  fusses  und 
der  Zehen,  dieselben  sind  aber  derartig  verkümmert,  dass  sie  nicht  zum  Gehen 
benutzt  werden  können,  denn  nur  der  äussere  Rand  des  Fusess  berührt  den  Boden. 
Bei  den  beiden  Armen  ist  es  so,  dass  die  Unterarmknochen  zwar  rudimentär  vor- 
handen, aber  nur  einige  Centimeter  lang  sind;  dann  kommen  sogleich  die  Metacarpal- 
knochen  und  die  stark  verkrümmten  Finger.  Beweglichkeit  der  Hand  ist  vorhanden, 
auch  immerhin  die  Möglichkeit,  mit  den  Fingern  leichte  Arbeiten,  als  Nähen, 
Schreiben  u.  s.  w.,  zu  verrichten. 

Ich  habe  es  nicht  für  unwichtig  gehalten,  dies  hier  zur  Sprache  zu  bringen, 
um  festzustellen,  dass  es  sich  in  diesem  Falle  um  eine  angeborene  Anomalie  der 
Körperbildung  handelt,  und  nicht  um  einen  frechen  Schwindel,  den  maü  in 
Berlin  nicht  aufzudecken  verstanden  hätte,  wie  die  Dresdner  Presse  sich  auszu- 
drücken beliebt  — 

Hr.  EL  6  runmach  berichtet  über  seine  im  August  d.  J.  an  dem  Bären  weihe 
angestellten  Untersuchungen  mit  Hülfe  der  Röntgenstrahlen  und  hebt  hervor, 
dass  vor  der  Aufnahme  der  Aktinogramme  von  den  einzelnen  Körpertheilen  diese 
zunächst  von  ihm  mit  dem  Fluorescenzschirm,  sowohl  in  ihrer  Ruhelage,  als  auch 
bei  Bewegungen,  genau  beobachtet  wurden.  —  Das  Ei^ebniss  dieser  Beobachtungen 
stinunte  im  Wesentlichen  mit  den  Befunden  in  den  Aktinogrammen  überein. 


(624) 

Was  zunächst  den  Thorax  anbetrifft,  so  Hessen  sich  weder  an  dem  Schulter- 
gUrtel,  noch  an  den  Rippen,  dem  Brustbein  und  der  Wirbelsäule  irgend  welche 
Abnormitäten  aus  dem  gewonnenen  Röntgengebilde  nachweisen;  ebensowenig  zeigten 
die  im  Brustkorbe  befindlichen  Organe  ein  abnormes  Verhalten.  —  Dagegen  fand 
Hr.  Grün  mach  in  den  Aktinogrammen  der  oberen  Extremitäten  zwar  einen  gut 
entwickelten  Humerus.  aber  statt  des  Radius  und  der  Ulnae  zwei  kurze  Rudimente 
(2 — 3  cm  lang,  breit  und  dick);  ausserdem  einen  rudimentären  Carpus,  während 
die  Metacarpal-  und  Phalangenknochen  vollzählig  vorhanden  waren,  letztere  jedoch 
einen  etwas  krallenaKigen  Eindruck  machten. 

Dem  Bau  der  oberen  Extremitäten  entsprach  auch  das  Verhalten  der  unteren. 
Während  hier  wieder  der  Oberschenkel  gut  entwickelt  erschien,  zeigten  sich  im 
Aktinogramme  die  Unterschenkelknochen  als  Rudimente  (4—5  cm  lang,  breit  und 
dick):  daran  schloss  sich  der  rudimentäre  Tarsus,  während  sich  die  Metatarsal- 
und  Fusszehenknochen  vollständig  ausgebildet  darboten. 

Endlich  ergab  sich  noch  aus  dieser  Untersuchung  des  Bärenweibes,  dass  beim 
Stehen  und  Gehen  desselben  sich  die  Hände  und  Filsse  dorsalwärts  spitzwinklig 
zum  Verlauf  der  Oberarme,  bezw.  Oberschenkel  stellten,  so  dass  also  das  Bären- 
weib in  Wirklichkeit  auf  den  Condylen  dieser  letzteren  Knochen  einherschreitet 

In  anschaulicher  Weise  konnte  Hr.  Orunmach  dieses  eigenthttmliche  Lage- 
verhältniss  der  rudimentären  Unterarm-  und  Handwurzelknochen  zum  Oberannbein 
einerseits,  sowie  der  rudimentären  Unterschenkel-  und  Pusswurzelknochen  zum 
Oberschenkelbein  andererseits  an  verkleinerten  Diapositiven  seiner  Aktinogramme 
verständlich  machen.  — 

Hr.  Rud.  Virchow  bestätigt  die  Angaben  der  HHrn.  Maass  und  Grunmach 
und  bemerkt,  dass  ihm  schon  nach  den  Untersuchungen  des  Jahres  1895  über  die 
Natur  des  Falles  kein  Zweifel  geblieben  sei.  Derselbe  gehöre  in  die  Gruppe  der 
Phokomelen  und  stelle  eine  der  beroerkenswerthesten  angebornen  Miasbil- 
du^i^en  dar.  Er  behalte  sich  vor,  in  der  nächsten  Sitzung  diese  Gruppe  genauer 
zu  erläutern.  Dass  man  in  Dresden  geglaubt  habe,  das  Product  einer  erworbenen 
Krankheit  vor  sich  zu  haben,  sei  schwer  verständlich;  noch  weniger,  dass  eine  so 
schlecht  unterrichtete  Zeitung  einen  so  unhöflichen  Ton  angeschlagen  habe.  — 

(27)    Hr.  Maass  zeigt  ein 

armloses  Mädchen. 

Dasselbe  ist  ohne  Arme  und  mit  einem  verkrüppelten  Thorax  geboren,  hat  aber 
gelernt,  mit  den  Fusszehen  das  zu  verrichten,  wozu  Andere  die  Hände  gebrauchen» 
als  Essen,  Trinken,  Schreiben,  Nähen  u.  s.  w. 

Die  jetzt  19  jährige  Hargarethe  Ger  mann  ist  in  Mainz  geboren  als  erstes 
Kind  einer  sehr  wohlgebildeten  Mutter.  Sie  hat  noch  mehrere  Brfider  und 
Schwestern,  die  alle  körperlich  und  geistig  normal  heranwachsen.  Sie  selbst  ist 
geistig  recht  gut  begabt  und  hat  einen  intelligenten  Gesichtsausdruck.  Bei  ihrer 
Vorstellung  vor  der  Gesellschaft  musste  ihre  Mutter  ihr  behülflich  sein,  ihr,  als 
sie  auf  den  Tisch  gestiegen  war,  die  Schuhe  auszuziehen,  um  die  Zehen  zu  ent- 
blossen.  Sie  trägt  sehr  hoch  hinaufgehende  schwarze  Strümpfe,  welche  aber  die 
vordere  Hälfte  der  Füsse  unbedeckt  lassen.  Sie  setzt  sich  in  hockender  Stellimg 
auf  die  Tischplatte  und  schreibt  mit  einem,  zwischen  die  grosse  und  zweite  Zehe 
des  rechten  Fusses  geklemmten  Bleistift  ihren  Namen  in  deutlicher  Schrift  auf  ein 
Blatt  Papier. 


(625) 

Ihr  entblösster  Oberkörper  zeigt  eine  höchst  merkwürdige  Verkrüppelang.  Das 
Becken  ist  derart  verschoben,  dass  der  rechte  Hüflknochen  fast  zwei  Hände  breit 
höher  hinauf  reicht,  als  der  Unke.  Die  Wirbelsäule  ist  in  der  Magengegend 
lordotisch  stark  verkrümmt  und  biegt  dann  nach  rechts  über.  Die  rechte  Seite  der 
Bmst  ist  tlberhaupt  viel  stärker  entwickelt  und  hervoigewölbt,  als  die  linke;  auch 
die  rechte  Mamma  ist  ziemlich  voll  vorhanden,  während  die  linke  nur  durch  einen 
massigen  Hautlappen  angedeutet  ist,  unter  dem  man  in  einer  Art  von  Höhlung  die 
verkümmerten  linken  Rippen  fühlen  kann.  Das  Herz  ist  ebenfalls  nach  rechts 
dislocirt,  wie  tlberhaupt  die  ganze  linke  Thoraxhälfte  verkümmert  ist. 

An  beiden  Schultern  fehlen  die  Armknochen  vollständig,  doch  sind  die  Schlüssel- 
beine und  die  Schulterblätter  vorhanden;  nur  liegt  das  rechte  Schulterblatt  in 
natürlicher  Grösse,  statt  auf  der  hinteren,  auf  der  vorderen  Seite;  das  linke  dagegen 
befindet  steh  auf  der  Rückenseite  und  ist  sehr  verkleinert.  Beide  Schulterblätter  sind 
willkürlich  beweglich.  Die  Körperlänge  der  bemitleidenswerthen  Person  ist  ungefähr 
1  m,  dabei  ist  sie  äusserst  mager,  soll  aber  mit  gutem  Appetit  essen.'  — 

(;2S)  Hr.  Rud.  Virchow  giebt  Aufschluss  über  eine  von  Hrn.  L.  Gas  tan 
ausgestellte 

Gyps-Nachbildung  eines  gleichsam  verhärteten  Menschen. 

Nicht  ohne  üeberraschung  sehe  ich  die  lebensgrosse  Nachbildung  eines  Mannes 
vor  mir,  der  sich  im  Sommer  mir  vorstellen  Hess  und  der  mir  merkwürdig  genug 
schien,  um  ihm  den  Vorschlag  zu  machen,  sich  auf  der  Naturforscher-Versamm- 
lung in  Braunschweig  einzufinden^  wo  ich  ihn  den  versammelten  Aerzten  demon- 
striren  wollte.  Meine  lange  Abwesenheit  verhinderte  mich,  mich  um  den  Mann  zu 
bekümmern.  Auch  kam  er  nicht  nach  Braunschweig.  Zum  ersten  Male  sehe  ich 
jetzt  die  Gypsfigur,  der  ich  nachrühmen  kann,  dass  sie  alle  Hauptveränderungen 
gut  wiedergiebt 

Soweit  ich  mich  erinnere,  war  der  betrefl'ende  Mann  seinen  Ausweisen  nach 
aus  Südfrankreich  und  26  Jahre  alt.  Aber  seine  Entwickelung  war  zurückgeblieben, 
80  dass  er  dem  Knabenalter  kaum  entwachsen  zu  sein  schien.  Sein  Leiden  war 
eine  allgemeine  Sklerodermie,  d.  h.  eine  chronische,  schleichende,  mit  Ver- 
härtung und  Schrumpfung  verbundene,  sehr  gleichmässige  Entartung  der  Haut  und 
Unterhaut.  Theoretisch  betrachtet  würde  das  eine  chronische  Entzündung  zu  nennen 
sein;  praktisch  dagegen  scheinen  entzündliche  Symptome  (Hitze,  Röthe,  Schmerz 
u.  s.  w.)  niemals  in  erheblichem  Maasse  vorhanden  gewesen  zu  sein.  Eine  bestimmte 
Ursache  ist  ebensowenig  erkennbar;  im  Gegentheil,  es  scheint,  als  sei  der  Anfang 
des  Ucbels  schon  in  die  Fötalzeit  zurückzuverlegen.  Dies  haben  verschiedene 
Aerzte  in  Frankreich  und  Oesterreich  angenommen,  und  es  lässt  sich  nicht  bestreiten, 
dass  der  ganze  Habitus  des  leidenden  Körpers  für  eine  solche  Annahme  spricht. 
Fast  alle  Oberflächen  sind  glatt,  ohne  irgend  welche  Knotenbildung,  und  fühlen  sich 
ganz  hart  an;  an  den  meisten  Stellen  ist  die  Haut  von  den  unterliegenden  Theilen 
(Knochen,  Muskeln  und  Fascien)  nicht  abzuziehen,  und  diese  Weichtheile  fühlen 
sich  ihrerseits  ganz  fest  an.  Die  Extremitäten  sind  nicht  verkrümmt,  aber  ganz 
dünn,  wie  „Stöcke**.  Die  Knochen  sind  schwer  durchzufühlen,  lassen  aber  keine 
Pormveränderung  erkennen.  Eine  lebensgrosse  Pariser  Röntgen -Photographie, 
welche  der  Mann  bei  sich  führt,  bestätigt  dieses:  es  ist  weder  ein  rachitisches 
Symptom,  noch  eine  auffällige  Atrophie  der  Knochen  hervorgetreten. 

Es  handelt  sich  also,  trotz  der  Tiefe,  in  welche  die  Induration  hinabreicht, 
um  eine  mehr  flächen  hafte  Schrumpfung,    wie   sie  z.  B.  ein   durch  Wasser 

Verbaodl.  üer  Bert.  Anthropol.  Oesellse^taft  l»)H.  40 


(626) 

und  nachfolgende  Eintrocknung  zusammenschrumpfender  Stiefel  erzeugen  wQrde. 
Weitergehende  Störungen  sind  an  den  Orificien,  namentlieh  des  Gesichtes,  ein- 
getreten. Die  Schrumpfung  der  Weichtheile  hat  Starrheit  und  Retraction  der  Lippen, 
der  Nasenflügel  und  der  Augenlider  heryorgebracht  Die  Folge  davon  ist  die 
Erschwerung  im  Schliessen  der  Oeffhungen  und  Exposition  der  nächsten  inneren 
Theile  gegen  äussere  Einwirkungen  (Kälte  und  Wärme,  Staub  u.  dergL).  Insbeson- 
dere die  Augen  leiden,  wie  bei  Ektropion,  an  chronischer  Entztindung  der  Cornea 
und  der  Conjunctiva.  Ein  durch  die  Ereignisse  des  Tages  aufgeregter  Beobachter 
könnte  an  die  Augen  eines  Aussätzigen  erinnert  werden.  Von  ii^nd  welchen  Be- 
ziehungen zu  Lepra  kann  jedoch  keine  Rede  sein.  Der  sehr  intelligente  und  zu- 
gleich liebenswürdig  duldsame  Mann  giebt  tlber  seine  Empfindungen  so  genaa 
Auskunft,  dass  man  ihre  Wahrheit  nicht  bezweifeln  darf.  — 

(29)   Neu  eingegangene  Schriften: 

1.  Davenport,   C.   B.,   The   role   of  water  in   growth.    Boston  1897.     (Proc. 

Boston  Soc.  N.  H.)    Gesch.  d.  Verf. 

2.  Davis,   W.  M.,   The  Harvard  geographical   modeis.     Boston    1897.    (Proc. 

Boston  Soc.  N.  H.)    Gesch.  d.  Verf. 

3.  Lewis,   M.,   Glymene   producta  Sp.  nov.    Boston  1897.    (Proc.  Boston  Soc. 

N.  H.)    Gesch.  d.  Verf. 

4.  Miller,   G.   S.,   Notes   on   the   mammals   of  Ontario.    Boston  1897.    (Proc. 

Boston  Soc.  N.  H.)    Gesch.  d.  Verf. 

5.  Polakowsky,  H.,  Die  Lepra  in  Columbien.    Leipzig  1897.    (Deutsche  med. 

Wochenschrift.)    Gesch.  d.  Verf. 

6.  Schwartz,    W.,    Der   Schimmelreiter    und    die    weisse    Frau.     Ein    Stfick 

deutscher  Mythologie.    Berlin  1897.    (Zeitsch.  d.  V.  f.  Volkskunde.) 

7.  Derselbe,  Die  altgriechischen  Schlangengottheiten.  Neuer  Abdruck  derProgramm- 

Abh.  des  Friedr.-Werd.  Gymnasiums  zu  Berlin  vom  Jahre  1858.    Berlin  1897. 
Nr.  6  u.  7  Gesch.  d.  Verf. 

8.  Louw,  P.  J.  F.,   De  Java-oorlog  van  1825—30.    IL  Deel    Text  en  Kaarien. 

Batavia  1897. 

9.  Jahresbericht  des  Directors  des  Königl.  Geodätischen  Instituts  fUr  die  Zeit  vom 

AprU  1896  bis  April  1897.    Potsdam  1897. 

10.  v.Hellwald-üle,  Die  Erde  und  ihre  Völker.  4.  Aufl.  Liefr.  20— 29.  BerUn  1897. 

1 1 .  Rozprawy  Akademii  umiej^tnoäci.  Wydzial  matematyczno-przyrodniczy.  Serie  II. 

Tom  11  u.  12.    W  Krakowie  1896/97. 

12.  Nehring,  A.,  Ueber  Herberstain  und  Hirsfogel.    Berlin  1897. 

13.  Tageblatt  der  69.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Braun- 

schweig  vom  20.  bis  25.  September  1897.    Braunschweig  1897. 

14.  Bulletin   de   la  Societö  Imperiale  des  Naturalistes  de  Moscou.    Ann^  1897. 

No.  1.    Moscou  1897. 

Nr.  8 — 14  durch  Hm.  R.  Virchow. 

15.  Fritsch,  G.,  Süd-Africa  bis  zum  Sambesi.   L   Leipzig  1885.    (Der  Weltüieä 

Africa  in  Einzel-Darstellungen.) 

16.  Bastian,  A.,  Inselgruppen  in  Oceanien.     Berlin  1883. 

17.  Derselbe,  Zur  Kenntniss  Hawaii's.    Berlin  1883. 

18.  Derselbe,  Einiges  aus  Samoa  und  anderen  Inseln  der  Sttdsee.    Berlin  1889. 

19.  Derselbe,    Indonesien    oder   die    Inseln    des   Malayischen  Archipels.     1 — 4. 

Berün  1884—89. 

Nr.  15 — 19  sind  angekauft 


(627) 

20.  Schweinfurth,   6.,   Einiges  über  die  Ornamentik  der  ältesten  Gulturepoche 

Aegyptens.    Wien  1897.    (Oesterr.  Monatsschr.  f.  d.  Orient.)    Gesch.  d. 
Oesterr.  Handeb-Museoms  in  Wien. 

21.  Proceedings  of  the  annual  meeting  of  the  Boston  Society  of  Natural  History. 

May  5,  1897.    Boston  1897.    Gesch.  d.  Gesellsch. 

22.  Olympia.    Textband  1,  nebst  einer  Mappe  mit  Karten  und  Plänen.    Berlin  1897. 

Gesch.  d.  HHm.  Asher  &  Co. 

23.  Deininger,  J.  W.,  Das  Bauernhaus  in  Tirol  und  Vorarlberg.   Abth.  I.   Heft  7. 

Wien  1897.    Angekauft. 

24.  Strömberg,  J.  D.,  Undersökningtir  i  läran  om  själ  och  kropp  enligt  identitets- 

hypotesen  eller  parallelteorien.    Lund  1897.    (Akad.  Afhandl.) 

25.  Almgren,    0.,    Studien  über  nordeuropäische  Fibelformen  der  ersten  nach- 

christlichen Jahrhunderte    mit  Berücksichtigung   der  provincialrömischen 
und  südrussischen  Formen.    Stockholm  1897.    (Akad.  Dissertation.) 

26.  Nordlindh,  A.,  Descartes'  lära  om  känslan.    Upsala  1897.    (Akad.  Afhandl.) 

Nr.  24—26  Gesch.  d.  Königl.  Üniv.-Bibl.  in  Upsala. 

27.  Krause,  W.,  Australien,    o.  O.  1897.    (Internat.  Monatschr.  für  Anatom,  und 

Physiologie.)    Gesch.  d.  Verf. 

28.  Marina,  G.,  LMstituto  antropologico  italiano  di  Livorno.  Livorno  1897.    Gesch. 

d.  Verf. 

29.  Rinsta  italiana  di  Sociologia.   I.   3.    Roma  1897. 

30.  Apostolides,  B.,  La  statue  dlrenee  et  la  ville  de  Soknopee.   Alexandrie  1894. 

(L':^gypte.) 

31.  Prietze,   R.,    Beiträge  zur  Erforschung  von  Sprache  und  Volksgeist  in  der 

Togo-Colonie.    Berlin  1897.    (Zeitschr.  f.  afrik.  u.  oceanische  Sprachen.) 
Nr.  29—31  Gesch.  d.  Hm.  Rud.  Virchow. 

32.  Giuffrida-Ruggeri,  V.,  L'ubicazione  delPapertura  pyriformis.    Firenze  1897. 

(Arch.  per  TAntropoIogia  e  TEtnologia.) 

33.  Dieselben,  Asimmetrie  nella  norma  facciale  (Gavitä  orbitarie)  Reggio-Emilia  1897. 

(Rivista  Speriment.     di  Freniatria.) 
Nr.  32  u.  33  Gesch.  d.  Verf. 

34.  Hantschel,    F.,    Prähistorische    Fund-Chronik    für   das    Gebiet    des   Nord- 

böhmischen Excursions-Glubs  und  die  angrenzenden  Landstriche.  Leipal897. 
(Mitth.  d.  Nordböhm.  Excursions-Clubs.)    Gesch.  d.  Verf. 

35.  Blasius,  W.,  Megalithische  Grabdenkmäler  des  nordwestlichen  Deutschlands 

Braunschweig  1897.     (Jahresbericht  d.  V.  f.  Naturw.  zu  Braunschweig  f. 
1895/96  u.  1896  97.)    Gesch.  d.  Verf. 

36.  Fewkes,  J.  W.,  Morphology  of  Tusayan  altars.    Washington  1897.    (Amer. 

Anthrop.) 

37.  Derselbe,   The  sacri^cial  dement  in  Hopi  worship.    o.  O.  u.  J.    (Journal  of 

Amer.  Folk-Lore.) 

Nr  36  u.  37  Gesch.  d.  Verf. 

38.  Observaciones    meteorolögicas   de   San  Salvador.    Abril  1897.    San  Salvador, 

0.  A.  1897.    Gesch.  d.  Observatoriums  in  San  Salvador. 

39.  Perrot,  G.,  et  Gh.  Chipiez,  Histoire  de  l'art  dans  Fantiquite.    No.  346—349. 

Paris  1898.    Angekauft. 


40 


Chronologisches  Inhaltsverzeichniss 

der 

Verhandlungen   der   Berliner   Gesellschaft 
für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte.   1897. 


Verzeichniss  des  Vorstandes,  des  Ausschusses  und  der  Ehren -Mitglieder  S.  3,  der 
eorrespondirenden  Mitglieder  S.  4,  der  ordentlichen  Mitglieder  (einschliesslich 
der  immerwährenden)  8.  7. 

üebersicht  der  durch  Tausch  oder  als  Geschenk  zugehenden  periodischen  Publi- 
cationen  S.  16. 

Sitzung  vom  IG.  Januar  1897.  Wahl  des  Ausschusses  für  1897  S.  25.  —  Gäste 
S.  25.  —  Galori  f  S.  25,  Bahnsen,  E.  du  Bois-Reymond,  Don  Jose 
Rizal,  J.  V.  Gerlach  und  P.  Krauss  f  S-  26.  —  Neue  Mitglieder  S.  27.  — 
Ohina  in  ethischer,  industrieller  und  politischer  Beziehung,  v.  Brandt  S.  27.  — 
Zoologische  Station  in  Neapel,  25 jähriges  Jubiläum  S.  27.  —  Intematiooaie 
Ausstellung  in  Brüssel  S.  27.  —  Vormenesische  Alterthümer  in  Aegypten. 
e.  Sohwefnfurth  8.  27;  R.  Virchow  S.  81;  SafkowsM  S.  32.  —  Frage  der  partiellen 
Zerstörung  des  Schlossberges  bei  Burg  a.  d.  Spree.  R.  Virchow  S.  34.  —  Lapp- 
länder im  Costüm.  E.  Krause  S.  34.  —  Angriffe  auf  E.  Jacob  sc  n  S.  34.  — 
Der  europäische  Mensch  und  die  Tiroler.  F.  Tappeiner  S.  35.  —  Weisse  Sub- 
stanz in  Örnamentritzen  vorgeschichtlicher  Thongefässe  Westpreussens.  0.  Hetai, 
R.  Virchow  S.  35.  —  Neu  au^fundene  Bronze-Urne  von  Topolno,  Kreis  Schweiz 
(2  Autotypien  und  1  Karte).  Anger  S.  36.  —  Neue  Funde  auf  der  Lösskuppe 
bei  Lobositz  an  der  Elbe  (4  Situationsskizzen  und  1  Zinkogr).  R-  v.  Weiazterf 
S.  42.  —  Drachenfels  bei  Dürkheim  a.  d.  H.  C.  Hehlis  S.  51.  —  Hungersnoth 
in  Transvaal.  C.  Beuster  S.  52.  —  Antiker  Mutterkranz  von  Duna  Szekcsü, 
Ungarn.  H.  Bartels  S.  52.  —  Die  australische  Mission  auf  den  Bismarck-Inseln, 
Herensky  S.  53;  R.  Virchow  S.  54.  —  Metrologische  Nova.  C.  F.  Lehmann  S.  54.  - 
Märkische  Alterthümer.  H.  Busse:  1.  Umenfelder  von  Leibsch,  Spreewald 
(3  Zinkogr.)  S.  54.  2.  Rundwall  bei  Leibsch  S.  56.  3.  und  4.  Umenfelder 
bei  Diensdorf  und  Hügelgräber  bei  Theresienhof,  Kreis  Beeskow-Storkow  S.  M. 
5.  Urnenfeld  bei  Buchholz,  Ober-Barnim  S.  57.  —  Schlossberg  von  Mehlkon. 
Kreis  Carthaus,  Westpr.  (1  Sitnationsskizze  und  8  Zinkogr.).  A.  Treichel  S.  »v^. 
SchifiTsanker  von  dort  S.  65.  Eisenmoor  S.  ^6.  —  Tapfenstein  von  Mehlken 
und  Steine  mit  Fussspuren  im  Allgemeinen  (2  Zinkogr.).  A.  Treichel  S.  1^8.  — 
Geheimgemach.  A.  Treichel  S.  80.  —  Neue  Schriften  S.  82.  —  Berichtigunij^vn 
S.  82. 

Sitzung  vom  20.  Februar  1 897.  Gäste  S.  83,  —  Ausschuss  S.  83.  —  Kärnbach. 
Heimann,  Arons,  Eyrich  f  S.  83.  —  Kubary,  Hirschberger,  Wiepken* 
Ferraris  f  S.  84.  —  Neue  Mitglieder  S.  84.  —  A.  Bastian's  Reise  S,  85.  — 
Demission  von  Serrurier  S.  85.  —  Comite  für  ein  Grab-Monuroent  in  West- 
Africa  für  L.  Wolf,  Kling  und  Bugslag  S.  85.  —  Deutsches  Colonial-Moseom 
in  Berlin  S.  85.  —  Orient-Comite  S.  85.  —  Loubat- Stiftung  S.  85.  —  NetHrr 
Landesverein  für  sächsische  Volkskunde.  R.  Virchow  S.  85.  —  GeneraURegtsttfr 
für  die  Serie  II  der  Verhandlungen  (1889—1899)  S.  86.  —  Schweizersbild  bei 
Schaffhausen.  J.  Nüesch  S.  86.  -  Römische  und  neolithische  Gräberfelder  bei 
Worms.     C.  K6hi  S.  87.  —  Die  Milseburg  in  der  Rhön.    Sclmelder,  R, 


(629) 

S.  87.  —  Steinzeitgrab  von  Retzin,  Pommern.  H.  Sohuoiann  8.  87.  —  Brand- 
gräber der  Volk  er  Wanderungszeit  von  Messdorf,  Kreis  Osterburg.  A.  G5tze 
§.  87.  —  Römische  Villa  auf  dem  Weilberge  bei  Üngstein,  Rheinpfalz. 
C.  Mehlls  S.  88.  —  Männer  mit  Elephantiasis  scroti  von  Samoa.  B.  Fränkel 
S.  88.  —  Photographien  und  Schädel  aus  Australien.  Baron  v.  Korff  S.  88.  — 
Anmerkungen  zu  Bartels-Ploss:  „Das  Weib".  F.  W.  K.  Müller  S.  88.  -  Das 
Vorkommen  von  Zwergen  neben  grossen  Leuten  in  demselben  Volk.  A.  Nehring 
S.  91:  R  VIrchow  S.  94.  —  Zwergrassen.  R.  G.  Hatiburton  S.  95.  —  Steingeräthe 
der  Ababde,  Africa.  G.  Schweinfurth  S.  95.  —  Spinnen  mit  Spindel  und  Wirtel, 
Sökeland,  W.  Schwartz  S.  95.  —  Carneol-,  bezw.  Achatperlen  aus  Mossi  (Moschi). 
P.  Staudinger  8.  91).  —  Zinnvorkommen  im  tropischen  Africa  und  Zinn-Industrie 
der  dortigen  Eingebornen.  P.  Staudinger  S.  97.  —  Hausgewerbliche  Gegenstände 
aus  Bosnien  (16  Zinkogr.).  M.  Bartels  S.  98.  —  Metall-Einlagen  in  Holz,  Hörn 
und  Bein  (14  Zinkogr. \  E.  Jacobsthal  S.  104.  —  Vorlagen  aus  dem  Museum 
für  Völkerkunde.  F.  v.  Luschan  S.  110.  Lagos-Masken.  P.  Staudinger  S.  110.  — 
Neue  Schriften  S.  110. 

Sitzung  vom  20.  März  1897.  Neue  correspondirende  und  ordentliche  Mitglieder 
S.  111.  —  Schiaparelli  •}•  S.  111.  —  General -Versammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  zu  Lübeck,  Schwerin  und  Kiel  S.  1 11.  —  Nansen- 
Festfeier  in  Berlin  S.  1 1 1 .  —  Deutscher  Geographentag  zu  Jena  S.  111.  — 
Centenarfeier  für  Rosmini  in  Rovereto  S.  111.  —  Russischer  Archäologischer 
Congress  in  Kiew  1>S99  und  internationaler  medicinischer  Congress  in  Moskau  1897 
S.  112.  —  Grabfund  in  der  Fides-Kirche  zu  Schlettstadt.  Elsass.  A.  v.  Heyden 
S.  112.  —  Neuseeländische  Altcrthümer.  A.  Bässler  S.  112.  —  La  Tene-Gräber 
in  Böhmen.  H.  Matiegka  S.  115.  —  Lappische  Geräthe  (4  Zinkogr.).  E.Krause 
iS.  115.  —  Sagen,  welche  an  vorgeschichtliche  Gräber  anknüpfen.  E.  Krause 
S.  117.  —  Drachen-Sage  von  Seddin,  West-Friegnitz.  E.  Krause  S.  119.  — 
Sagen  von  Trebichow,  Kreis  Crossen.  H.  v.  Schierstädt  S.  120.  —  Bronze- 
Depotfund  von  Clempenow,  Pommern.  H.  Schumann  S.  122.  —  Durchschneidung 
des  Schlossberges  von  Burg  im  Spreewalde.  R.  VIrchow  S.  122.  —  Märkische 
Alterthümer.  H.  Busse  S.  123.  —  Chemische  Untersuchung  vorgeschichtlicher 
Bronzen  in  Elbing  (5  Zinkogr.).  0.  Helm  S.  123.  —  Mehlken,  Kreis  Carthaus. 
A.  Treichel  S.  1 29.  —  Neue  Forschungen  in  Aegypten  und  Einbalsamirung  von 
Köpfen  im  Alterthum.  G.  Schweinfurth  (1  Zinkogr.)  S.  131;  Fouquet  S.  134; 
R.  VIrchow  (4  gr.  Zinkogr.)  S.  13);  E.  Satliowslii  S.  138.  —  Ausgrabungen  auf 
der  Moorschanze  bei  Quedlinburg  (12  Zinkogr.,  3  Situationsskizzen  und  2  Auto- 
typien). Brecht  S.  140;  R.  VIrchow  (6  Zinkogr.)  S.  146.  —  Schädel  der  Bakwiri, 
Kamerun  (2  Zinkogr.).  R.  VIrchow  S.  154.  —  Künstlerische  Darstellungen  aus 
Kaiser  Wilhelms-Land  und  deren  Beziehungen  zur  Ethnologie.  Preuss  S.  159.  — 
Neu  eingegangene  Schriften  S.  159.  —  Berichtigung  S.  160. 

Sitzung  vom  24.  April  1897.  Gäste  S.  161.  —  Heinrich  Wanke  1,  Hermann  Weiss, 
Frank  (Schussenried)  7  S.  161.  —  Sachverständigen -Commissionen  für  die 
Abtheilungen  des  Königl.  Museums  für  Völkerkunde  S.  162.  —  Staatszuschuss 
für  die  Gesellschaft  S.  162.  —  Correspondirende  und  ordentliche  Mitglieder. 
Lehmann-Nitsche  und  JoestS.  162.  —  Nordamerikanische  Expedition  nach 
der  Nordwest -Küste  und  den  benachbarten  asiatischen  Ländern  S.  162.  — 
Hauptversammlung  der  Niederlausitzer  anthropologischen  Gesellschaft  in  Pinater- 
walae  S.  163.  —  Congres  international  colonial  in  Brüssel  S.  163,  —  Aus- 
stellung bosnischer  hausgewerblicher  Erzeugnisse  in  Berlin  S.  163.  —  Grund- 
.steinlegung  für  das  neue  Museum  in  Cairo  S.  163.  -^  Denkmal  für  Johannes 
Müller  in  Coblenz  S.  164.  —  Darstellungen  assyrischer  Ruhebetten  (Zinkogr.). 
C.  F.  Lehmann  S.  164.  —  Neue  Gräberfunde  bei  Worms.  Kohl  S.  165.  —  Freysnes 
im  östlichen  Island.  M.  Lehmann -Fithes  S.  165.  —  Die  Harpa  auf  Island  und 
die  Harfe  in  der  Mark.  W.  v.  Schulenburg  S.  168.  —  Wollespinnen  mit  Spindel 
und  Wirtel  (3  Zinkogr.).  W.  v.  Schutenburg  S.  168.  —  Skarabäen- Gemme  von 
Sadersdorf,  Kreis  Guben  (3  Zinkogr.).  H.  Jentsch  S.  169.  —  Burgwall  und  vor- 
älavischer  Urnen-Friedhof  von  Königsbrunn,  Cujavien  (2  Situationsskizzen  und 
^)  Zinkogr.).  Lehmann-Nitsche  S.  171.  —  Photographie  des  Marktes  in  Lyck. 
M.  Bartels  S.  175.  —  Photographien  von  Dayaks,    West-Borneo.     F.  Schnitze 


(630) 

S.  175.  —  Zeitschrift  für  Criminal -Anthropologie,  Gefangniss -Wissenschaft 
und  Prostitutionswesen.  S.  176.  —  Doppelaxt  aus  Kupfer  von  Börssum. 
Th.  Voges  S.  176.  —  Gewellte  Bronze -Urnen  (Zinkogr.).  Ussawer  S.  17fi.  — 
Ausfüllungs-Material  der  yeHieften  Ornamente  an  Thongeräth.    Olshauseii  S.  IHO. 

—  Technisches  aus  Troja.  A.  G5tze  S.  183.  —  Raphael's  Adam  und  Eva  im 
Ori^nal  und  Kupferstich.  G.  Fritsch  S.  183.  —  Skizze  aber  Kaschmir  (7  Auto- 
typien). 6.  Oppert  S.  188.  —  Neue  Form  der  Armbrust  bei  den  Bakwiri, 
itamerun  (Zinkogr.)    F.  v.  Luschan  S.  204.  —  Neu  eingegangene  Schriften  S.  205. 

Sitzung  vom  15.  Mai  1897.    Menger,  Strassmann,  Mariraon  yTudö  f  S.  *i07. 

—  Ordentliches  Mitglied  S.  207.  —  Auffindung  eines  Rönigsgrabes  in  Negada. 
J.  de  Morgan  S.  207.  —  Australische  Reise.  W.  Krause  S.  208.  -  Anthro- 
pologische Excursion  nach  Brunn  und  Umgegend  S.  208.  —  Niederlausitzer 
anthropologische  Hauptversammlung  S.  'i08.  —  Congres  archeologique  de 
Malines,  Exposition  internationale  in  Brüssel  und  internationaler  Congress  für 
Nerven-Pathologie  ebendaselbst  S.  208.  —  Verein  ftir  sächsische  Volkskunde 
S.  208.  —  Ausschuss  fUr  die  Erhaltung  der  deutschen  Spracheninsel  Hohen- 
stadt,  Mähren  S.  208.  —  Photographien  kaukasischer  Typen,    v.  Erckert  S.  20i^. 

—  Archäologische  Funde  in  Transkaukasien:  1.  Prähistorische  Thongefässe 
von  Dshawat,  Gouvernement  Baku  (Zinkogr.).  2.  Durchbohrter  Steinhammer 
von  Horadies,  Gouv.  Elisabethpol  (Zinkogr.).  E.  Rösler  S.  20*J;  Rad.  Vircbow 
S.  212.  —  Japanisches  Schädel-Artefakt.  J.  D.  E.  Schmeltz.  Sermrfer  R.  Vircho« 
S.  213.  —  Eiserne  Dolchklinge  mit  Inschrift  aus  dem  Bieler  See.  V.  Grott. 
E.  Frledel  S.  2i:i  —  Das  Wort  Kurkel.  J.  A.  Jentsch  S.  213.  —  Geflügelte 
Lanzenspitzen  (2  Zinkogr.).  Köhler  S.  214.  Bronze -Schwert  aus  der  Peene 
(3  Zinkogr.).  H.  Schumann  S.  221 ;  Rud.  Virohow  8.  222.  —  Photographien  von 
Javanerinnen.  M.  Bartels,  F.  Schultze  S.  222.  —  Photographien  von  Javanero. 
Beyfuss  S.  222.  —  Pflanzenreste  in  vorgeschichtlichen  Gefässen  der  Mark 
(5  Zinkogr.).  H.  Busse  S.  223;  Rud.  Virchow  S.  225.  —  Besuch  der  Höhlen  von 
St.  Canzian  bei  Triest  (1  Situationsskizze  und   1  Zinkogr.).     R.  Viroliow  S.  225, 

—  Tättowirte  Hautstücke  des  Menschen.  G.  Fritsch  S.  231;  F.  v.  LMCbu. 
R.  Virchow  S.  232.  -  Monströse  Pflanzen wurzel.  6.  Fritsch  S.  232.  —  Neu  ein- 
gegangene Schriften  S.  233. 

Sitzung  vom  13.  Juni  1897.  Gäste  und  zurückgekehrte  Reisende  S.  235.  —  Hrolf 
Yaughan  Stevens  ^  S.  235.  —  Sir  Aug.  Wollaston  Franks,  August  v.  Heyden, 
Carl  Fischer  f  S.  236.  —  Ossowski,  Berger,  Boye,  v.  Falcke.  Sahl  t 
S.  237.  ~  Neues  correspondirendes  Mitglied  S.  237.  —  Neue  ordentliche  Mit- 
glieder S.  237.  —  Abreise  von  Karl  von  den  Steinen  S.  237.  —  70jähnger 
Geburtstag  von  Carl  Günther  S  237.  —  Brief  von  A.  Bastian  S.  237.  - 
Reise  von  W.  Joest  S.  238.  —  Transvaal-Ausstellung  und  Vorstellung  von 
Tuaregs  S.  238.  —  Anthropologische  Excursion  nach  Brandenburg  n.  H.  S.  23X. 

—  Conferenz  von  Polizei-  und  Gefängniss-Beamten  in  Bezug  auf  die  Körper- 
messung S.  238.  —  Rivista  italiana  di  Sociologia  S.  238.  —  Trachten-Museum 
in  Berlin,  Beschaffung  von  Mitteln  zur  Erweiterung  desselben  S.  238.  — 
Neues  Planimetor.  F.  v.  Loschan  S.  238.  —  Kupferbeil  von  Augustenhof.  Kreis 
AVirsitz,  Posen  (2  Autotypien).  Lehmann-Nitsche  S.  239.  —  Bronzekenle  (Morgen- 
stem)  von  Butzke,  Pommern  (5  Zinkographien).  H.  SchHmanR  S.  241.  ~  Prä- 
historische plastische  Thonfiguren  aus  Böhmen  (7  Autotypien).  R.  v.  WeluicH 
S.  240.  —  Ausgrabungen  von  Gesichtsurnon  in  Hinterpommem.  Ed.  Krasit 
S.  260.  —  Thöneme  Kinderklapper  von  Luckau,  Niederlausitz  (3  Zinko^"- 
Ed.  Krause  S.  261.  —  Alte  Gräber  in  Ober-  und  Nieder-Bamim,  Provinz  Branden- 
burg (4  Zinkogr.).  H.  Busse  S.  261.  —  Rechts  und  links  arbeiten.  W.  RInp« 
S.  263.  —  Photographie  eines  Maquamba -Weibes  mit  Knopfnase.  OliMftiltob> 
Richter  S.  263.  —  Ursprung  der  Aegvpter  (4  Zinkogr.).     6.  Sehwei«ftrtii  S.  2tkv 

—  Frührömische  Fibel  mit  der  Aufschrift  AVC^ISSA  aus  Rheinh<»8«tm  (^  Zinko- 
graphien). 0.  Otshausen  S.  2S6.  —  Bronze-Depotfunde  von  CzemowiU,  Kreu 
Thom  (4  Abbildungen).  Semrau  S.  290.  —  Das  Dorf  Lietzow  auf  Rügen  und 
seine  vorgeschichtliche  Feuerstein -Werkstätte.  A.  Haas  S.  291.  —  Chiüdifche 
Forschungen.  Zur  FVage  nach  dem  ursprünglichen  Standort  der  l>ciden 
assyrischen    Inschriften  Sardur's,    Sohnes    des  Lutipris.     W,   Betok  S.  ^U^2-   - 


(631) 

Ausffrabung  von  Hügelgräbern  in  der  Haarstorfer  Feldmark.     H.  Weyer  S.  308. 

—  Funde  auf  dem  langobardisch-sächsischen  Friedhofe  bei  Nienbüttel,    Kreis 
Uelzen.    H.  Meyer  S.  308.  —  Neuere  japanische  Sachen.    F.  W.  K.  Müller  8.  308. 

—  Neu  eingegangene  Schriften  S.  308. 

Sitzung  vom  17.  Juli  1897.  Gast  S.  311.  —  Japetus  Steenstrup,  Boer, 
Schweitzer,  Karl  Groos  sen.,  Will.  Th.  Preyer  f  S.  311.  —  Neue  Mit- 
glieder S.  312.  —  Neues  correspondirendes  Mitglied  S.  312.  —  Congres  d'hygiene 
et  de  climatologie  medicale  de  la  Belgique  et  du  Congo  in  Brüssel  S.  312.  — 
General- Versammlung  der  Deutschen  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Lübeck, 
Schwerin  und  Kiel  S.  312.  —  Orient-Comite  in  Berlin  S.  312.  —  Anthro- 
pologische Excursion  nach  Brandenbui]g  a.  H.  und  Butzow.  G.  Stimming, 
M.  Bartels,  E.  Müller  Kränkel  S.  312.  —  Trunsvaal-Ausstellnng  in  Berlin.  Ohne- 
falsch-Richter,  M.  Bartels  S.  312.  —  Kinder  der  Wüste  Sahara  in  Berlin.  M.  Bartels 
S.  313.  —  Folynesische  Reise.  A.  Bässler  S.  313.  —  Weitere  Reise  im  Osten. 
W.  Krause  S.  313.  —  Photographie  von  Eyrich  S.  314.  —  Neue  Arbeiten  über 
die  Urbeschäftigungen  in  Ungarn.  Otto  Hermann,  M.  Bartels  S.  314.  —  Alt- 
türkische Inschriften.  W.  RadlofT  S.  314.  —  Schlossberg  bei  Burg  im  Spree- 
walde und  darauf  bezügliche  Ministerial-Verfügungen.  Rud.  VIrchow  S.  314.  — 
Bernde  aus  römischen  Wohnstätten  unter  dem  Zwiesel  in  Ober-Bayern  (4  Zinko- 
graphien). Jos.  Maurer,  H.  Jentsch  S.  316.  —  Neolithisches  von  Au  bei  Hammerau, 
Bez.  Traunstein,  Ober-Bayern  (14  Zinkogr.).  Liohtenecker,  H.  Jentsch  S.  319.  — 
Deformirte  Gräberschädel  von  Guatemala  [Chajcar  und  Papa]  (2  Zinkogr.). 
E.  DieseldorfT,  R.  VIrchow  S.  324.  —  Europäische  Tätto wirungen  (4  Zinkogr.). 
Rud.  Vlrohow  S.  328.  —  Photographien  von  Verbrecher- Physiognomien  und 
Tätto  wirungen.  Minovicl  S.  331.  —  Anthropologische  Excursion  nach  Mähren 
(1  Kartenskizze).  R.  VIrchow  S.  331,  —  Gesichts-Thürumen  von  Eilsdorf,  Kreis 
Oschersleben,  Provinz  Sachsen.  Vasel,  A.  Voss  S.  343.  —  Chemische  Unter- 
suchungen des  Hrn.  Kröhnke  an  vorgeschichtlichen  Bronzen  Schleswig-Hol- 
steins. 0.  Olshausen  S.  344.  —  Steingefässe  der  Ababde  und  andere  Stein- 
fferäthe  aus  Aegypten.  G.  Schweinfurth,  A.  Voss,  R.  VIrchow,  M.  Bartels  S.  355.  — 
Neu  eingegangene  Schriften  S.  356. 

Sitzung  vom  16.  Oktober  1897.  Gäste  S.  357.  —  Franz  Pulszky,  W.  Wattenbach, 
fl.  Welcker  f  S.357,  R.  Berlin  f  S.  358.  —  Neues  correspondirendes Mit- 

flied  und  neue  ordentliche  Mitglieder  S.  358. — R.  A.Philipp  i,  J.  D.  E.  Schmeltz 
.  358.  —  Reise  nach  den  Marquesas.  Karl  von  den  Steinen  S.  358.  —  Erinne- 
rungsfeier für  Paulus  Diaconus  in  Cividale  1^>99.  Aufruf  S.  358.  —  Gedenk- 
feier der  Danziger  Anthropologischen  Gesellschaft  S.  359.  —  Jahresvcrsanmi- 
lung  des  Voigtlündischen  alterthumsforschenden  Vereins  S.  359.  —  Nahrungs- 
mittel-Ausstellung in  Berlin,  Betheiligung  des  Trachten -Museums  S.  359.  — 
Sternwarte  in  Treptow  bei  Berlin  S.  360.  —  Stockholmer  Araerikanisten-Congress 
von  1^94  und  Ausgrabungen  von  Costa  Rica.  HJalmar  Stolpe,  Hartmann  S.  360. 
—  Zwei  Nekropolen  bei  S.  Canzian,  Triest  (Situationsskizze).  C.  de  Marchesetti 
S.  360;  R.  VIrchow  S.  361.  —  Eiserne  Schwerter  auf  dem  Wesenberge  bei 
Brandenburg  a.  H.  G.  Stimming  S.  361.  —  Fund  eines  Vorrathes  von  Leinsamen 
in  einer  primistorischen  Wohnstätte  bei  Frehnc,  Ostpriegnitz.  Buchholz  S.  361.  — 
Thönemer  Schwan  von  Burg  a.  Spree.  Petermann,  Behta  S.  362.  —  Photogra- 
phien von  Thongefässen  aus  bayrischen  Grabhügeln  der  Bronzezeit.  P.  Reinecke 
S.  362.  —  Slavische  Gräberfunde  im  krontiscnen  und  slovenischen  Gebiete. 
P.  Reinecke  S.  363.  —  Phantastisches  Bild  eines  Bicyclanthropus  cnrvatus. 
Gessner  S.  367.  —  Schädelmasken  aus  Neu-Britannien.  B.  Scheppig.  M.  Bartels 
S.  367.  —  Südrussische  Amulette.  S.  Weissenherg  S.  368;  Bartels  S.  369.  — 
Ausgrabung  der  Hünen-  oder  Frankenburg  an  der  Langen  Wand  bei  Rinteln  a.W. 
Plath  S.  369.  —  Küstenfund  bei  Lietzow,  Rügen.  R.  Baler  S.  372.  —  Araber 
von  Nordafrica.  Paula  Karsten  S.  372.  —  Der  Vorabend  des  niuselnianischen 
Sabbaths  bei  den  'Aisawa.  P.  Karsten  S.  37(>.  —  Urnen feld  bei  Schlepzig, 
N.-Lausitz.  Weineck  S.  379.  —  Herberstains  Angaben  über  die  Samogiten. 
A.  Nehring  S.  379;  R.  VIrchow  S.  385.  —  Vorgeschichte  Aegyptens:  I.  Inhalt 
eines  Schädels  vom  Gebel  Silsileh.  E.  Salkowski  S.  389.  2.  Ornamentik  der 
ältesten  Cultur-Epoche  Aegyptens  (2  zinkogr.  Gruppen  und  3  kleinere  Zinkogr.). 


(632) 

G.  Sohweinfurth  S.  391;  R.  Virchow  S.  401.  3.  Kopfhaare  aus  prähistorischen 
Gräbern  Ober-Aegyptens.  R.  Virchow  S.  401.  —  Beschreibung  von  5  Ngumba- 
Schädeln  aus  Kamerun.  A.  Wiarosohkln  S.  405.  —  Anthropologische  Aufnahmen 
«  von  Eingebornen  aus  Udjidji  (13  Zinkogr.).  F.  Hdsemann  S.  410;  R.  VirdMW 
S.  426.  —  Schädel  eines  Mtussi  (2  Zinkogr.).  F.  Hösemann,  R.  Virchow  S.  426.  — 
Märkische  Alterthümer  und  Gebräuche.  W.  v.  Schulenhorf :  1.  Schwedenschanze 
bei  Görbitzsch  (Situationssk.),  Neuroark  S.  429.  2.  Farbenstein  von  Görbitzsch 
S.  432.  3.  Borchwald  bei  Klauswalde,  West-Sternbei>?  S.  434.  4.  Das  alte 
Haus  bei  Stemberg  S.  435.  5.  Der  Beelitzer  Heiden -Kirchhof  bei  Stemberg 
S.  435.  G,  Feuerstein- Werkstätten  und  Gräber  am  Küchenteich  bei  Stemberg 
(I  Zinkogr.)  S.  436.  7.  Gräber  am  Ost- Ausgange  voi^  Görbitzsch  S.  457. 
J^.  Gräber  beim  Neuen  Vorwerk  bei  Görbitzsch  S.  438.  9.  Vorgeschichtliche 
Funde  bei  Kemnath-Theerofen,  W.-Sternberg  S.  438.  10.  u.  11.  Fundstellen 
auf  der  Landzunge  an  der  Eilang  S.  438.  i2.  Gesichtsurnen  bei  Stern berg 
(4G  Zinkogr.)  S.  439.  13— HJ.  Steine  bei  Tornow  (I  Zinkogr.),  Klauswalde, 
Breesen  und  Biberteich  S.  441.'  —  Fundstätten  im  Kreise  West -Stemberg. 
Wiliich  S.442.—  Angebohrtes  Steinbeil  vomüraenfelde  bei  Görbitzsch  (1  Zinkogr.). 
W.  V.  Schutenhurg  S.  443.  —  Der  Lindenhörst  bei  Lüdersdorf,  Kr.  Teltow 
(8  Zinkogr.)  W.  v.'  SchuJenburg  S.  443.  —  Grosse  Scheibenfibel  aus  Bronze  von 
Wustrow,  Kr.  W.-Priegnitz  (1  Zinkogr.)  Paschlie,  W.  v.  Schulenhorg  S.  447.  — 
Voi||^schichtliche  Funde  von  Gandow,  Kr.  W.-Priegnitz  (Grappenbild  mit 
'2(\  Zinkogr.)  W.  v.  Schulenhorg  S.  447.  —  Frau  Harke  in  der  Neumark.  W.  v. 
Schulenhorg  S.  449.  —  Ornamente  von  Kaiser-Wilhelmsland,  N.- Guinea.  Preiiss 
•S.  449;  R.  Virchow  S.  450.  —  Gewellte  Bronze-Urne  von  Nijmegen  (Holland) 
(I  Zinkogr.)  Lissauer  S.  450. —  Die  anthropologischen  Versammlungen  des  Spät- 
sommers. R.  Virchow  S.  452:  1.  General- Versaramlnng  der  Deutschen  Anthro- 
pologischen Gesellschaft  in  Lübeck,  Schwerin,  Kiel  S.  452.  Neolithische  An- 
siedlung  und  alte  Holzarbeiten  von  Flensbui^  S.  458.  2.  Anthropologische 
Section  des  internationalen  medicinischen  Congresses  in  Moskau  S.  459.  Schädel 
der  älteren  Steinzeit  von  Wolosowo,  Gouv.  Wladimir  S.  460.  3.  Ethnographische 
und  archäologische  Sammlungen  in  Hamburg  S.  462.  4.  Abtheilung  für  An- 
thropologie und  Ethnologie  auf  der  Naturforscher -Versammlung  in  Braun- 
schweig S.  463.  —  Eröffnung  prähistorischer  und  römischer  Gräber  in  Worms. 
R.  Virchow  S.  464.  —  Thierreste  aus  dem  Gräberfelde  der  jüngeren  Steinzeit 
bei  Worms.  0.  Schötensack  S.  470.  —  Die  internationale  Lepra -Conferenz  in 
Berlin  und  die  verstümmelten  pemanischen  Thonfiguren.  R.  Virchow  S.  474; 
Polaliowsliy  S.  476.   —  Neue  eingegangene  Schriften  S.  477. 

Sitzung  vom  20.  November  1897.  Ansprache  des  Hrn.  Wald  eye  r  und  Antwort  des  Hm. 
R.  Virchow  S.  479.  —  Gäste  S.  480.  —  Güterbock,  L.  Fischer,  Palm- 
Siemsen,J.  Schmidt-j-S.  480. —  Correspondirende  Mitglieder  S.  480.  —  Neues 
ordentliches  Mitglied  S.  480.  —  Erinnerung  an  Don  Jose  Rizal  f  S.  480.  —  Neue 
Gesellschaft  für  Völker-  und  Erdkunde  in  SteUin  S.  481.  —  Deutsche  Colonial- 
Gesellschaft  S.  481.  —  Verein  „Neue  Menschheit*'  S.  481.  —  Fortsetzung  des 
Stammbaums  von  J.  L.  Härtens  in  Batavia.  F.  Schulze  S.481.  —  Niederiändiscber 
Natur-  und  Heilkundigen -Congress  in  Delft;  Untersuchung  der  Schulkinder  in 
Niederland.  Bos  S.  483.  —  Kalmücken-Karawane.  Gehrinq  S.  483.  —  Ausstellung 
für  Frauen-  und  Kinderpflege.  Frau  v.  BurchanI,  Trachten-Museum  S.  483.  — 
Anthropologische  Bemerkungen  über  die  Eingebornen  von  Malacca.  H.  VanjiM 
Stevens,  M.  Bartels  S.  483.  —  Querschnittform  des  Kopfhaares  der  Kaukasier 
J  Pohl  (Pincus)  und  A.  Pohl  (1  Zinkogr.)  S.  483.  —  Sicilianische  Flora.  6.  Sdmeiii- 
furth  S.  488.  —  Bronze- Arm  band  von  Serrieres  bei  Neuchätel  (1  Aut)  V.  Otmo 
S.  -189.  —  Durchschneidung  des  Schlossberges  bei  Burg  a.  Spree.  R.  Virchow 
S.  489.  —  Bauopfer.  Sartori  8.  491.  —  v.  Schulenhorf :  1.  Knotenzeichen  der  Müller 
in  Baden  (12  Zinkogr.)  S.  491.  2.  Feuersprung  zu  Johanni  in  Baden  S.  4^4. 
3.  Die  Howölfel,  ein  Neujahrsgebäck  in  Baden  S.  496.  4.  Bauopfer  im  Badischen : 
der  erste  Nagel  im  Hause  u.  s.  w.  S.  496.  5.  Gewellte  Strichverzierung  an  Tbon- 
scherben  des  Kr.  Teltow  (2 Zinkogr.)  S.  497.  —  Giebelverzierungen  in  Ostpreussen 
(o8  Zinkogr.).  E.  Lemhe  S.  498.  —  Drei  angebliche  Eisenobjecte  aus  di»r 
zweituntersten  Ruinenschicht  von  Hissarlik.  0.  Olobasseo  8.  500;  A. 
S.  504.  —  Peruanischer  Thurmkopf  aus  Arica  (3  Zinkogr.).    Beoloodorf,  R. 


(633) 

S.  506.  —  Nachbildungen  ethnologischer  Schädel  in  Gyps.  F.  Kolzow,  R.  Virchow 
S.508.  —  Australische  Schädel.  W.  Krause  S.  508;  R.  Virchow  S.  558.  —  Ver- 
stttmmelte  Thonfiguren  aus  Peru.  R.  Virchow,  W.  von  den  Steinen  S.  558: 
Polalcowsliy  8.  559.  —  Kaukasische  Projectionsbilder  und  scheinbare  Bron^^ 
Idole.  Katz,  R.  Virchow  8.  561.  ~  Anthropologische  Aufnahmen  in  Udjidji 
(18  Zinkogr.).  Ramsay  S.  561;  R.  Virchow  S.  570.  —  Neu  eingegangene  Schriften 
S.  571.  — , Anhang:  El  ultimo  adios  von  Don  Jose  Rizat  S.  575,  übersetzt  von 
E.  Seier  S.  577. 


Sitzung  vom  18.  December  1897.  Gäste  S.  579.  —  Verwaltungsbericht  ftir  das 
Jahr  1897.  Rud.  Virchow  S.  579.  —  Rechnung  der  Gesellschaft  für  1897. 
W.  Ritter  S.  583;  R.  Virchow  S.  584.  —  Rechnung  der  Rudolf  Virchow -Stiftung 
für  das  Jahr  1897.  R.  Virchow  S.  585.  —  Neuwahl  des  Vorstandes  für  das  Jahr  1898 
S.  585.  —  Neue  Mitglieder  S.  586.  —  Graf  Eugen  Zichy  S.  586.  —  Deutsche 
Colonial-Gesellschaft,  Besicdelung  von  Uhehe  S.  586.  —  Centenarfeier  in 
Portugal  zur  Erinnerung  an  die  Fahrt  Vasco's  da  Gama  nach  Indien  S.  586. — 
Internationaler  Congress  für  Zoologie  S.  586.  —  Istituto  Antropologico  Italiano 
in  Livorno  S.  586.  —  Wandbilder  der  Völker  Oesterreich-üng-arns.  Umlauft- 
Trentln  S.  586.  —  Antike  Germanen-Darstellungen  in  Bronze  (3  Aut ).  P.  Reinecke 
S.  587.  —  Vertheilung  der  Schwarzhaarigen  in  Böhmen,  neolithische  und 
römische  Funde  daselbst  (I  Zinkogr.  und  3  Aut).  L.  Schneider  S.  588,  R.  Virchow 
S.  590.  —  Archäologische  Stellung  der  Schale  mit  Vogelfigur  von  Burg  im 
Spreewalde.  H.  Jentsch  592.  Vorgeschichtliches  Gefäss  aus  dem  salzigen  See 
bei  Eisleben  (1  Aut.).  Grössler,  Friedel  S.  591;  R.  Virchow  S.  593.  —  Silberner 
römischer  Finfferring  von  Brüssow,  Kr.  Prenzlau.  Friede!  S.  594.  —  Grabfund 
auf  dem  Oberkietz  bei  Oderberg  i.  d.  Mark.  Adersberg  S.  595.  —  Vorgeschicht- 
liche Lehmgräber  in  Sandhügcln  des  Königreichs  Sachsen.  K.  Wiegand  S.  595.  — 
Dungkeller  des  Tacitus.  v.  Schulenburg  S.  595.  —  Trudenfuss  bei  Wilshofen 
in  Bayern  (2  Zinkogr.).  v.  Scholenburg  S.  600.  —  Ethnologisches,  namentlich 
Zweite  in  Kamerun.  Freiherr  v.  Stein,  R.  Virchow  S.  602.  —  Sechs  Schädel 
von  tfaunde  in  Kamerun  (3  Zinkogr.).  Dominik,  R.  Virchow  S.  604.  —  Nach- 
richten über  den  Aussatz  in  altmexikanischen  Quellen.  Ed.  Seier  S.  609.  — 
Discussion  über  präcolumbischen  Aussatz  und  verstümmelte  peruanische  Thon- 
figuren. Polakowsky  S.  612;  W.  von  den  Steinen  (9  Zinkogr.)  S.  617;  R.  Virchow 
8  620.  —  Bärenweib.  Maass  S.  621;  E.  Grunmach  S.  623;  R.  Virchow  S.  624.  — 
Armloses  Mädchen.  Maass  S.  624.  —  Gypsnachbildung  eines  Mannes  mit  all- 
gemeiner Sklerodermie.  L.  Castan,  R.  Virchow  S.  625.  —  Neu  eingegangene 
Schriften  S.  6-26. 

Chronologisches  Inhaltsverzeichniss  der  Sitzungen  von  1897  S.  628. 
Alphabetisches  Namen-Register  S.  634. 
Sachregister  zu  den  Verhandlungen  S.  635. 


(634) 


Autoren  -Verzeichniss. 


Andree,  Eichard,  Brannschweig  263. 

Attger,  Graudenz  36. 

Ashmead,  Albert  8.,  New  York  475,  614. 

iässl^r,  A.,  z.  Z.  aaf  Reisen  112,  318. 

iabrTeldt,  213. 

Baler,  Rnd.,  Stralsund  .'(72. 

Barrailller  612. 

BiHels,  Max,  Berlin  52,  89,  98,  161,  175,  222, 

237,  312,  :nn,  314,  :555,  .S67,  ^69,  48.%  58:5. 
Bastian,  Ad.,  z.  Z.  auf  Reisen  85,  2:^7. 
Behia,  Rob.,  Luckau  :^2. 
Bfick,  Waldemar,  Frankfurt  a.  M.  :W)2. 
Beuster,  C,  Ha  Tschewasse,  Nord-Transvaal  52. 
Beyfoss,  Gustav,  Berlin  222. 
Brecht,  Gustav,  Quedlinburg  140. 
Buchholi,  Rudolf,  Berlin  a61. 
Bnschan,  G.,  Stettin  481. 
Busse,  Hermann,  Berlin  54,  12:i,  22:i,  261. 
Biesfldiffr,  Erwin  P.,  Guatemala  ^24. 
Btmlnlk,  Jaunde  (Kamerun)  604. 
f.  Erckert,  R.,  Berlin  209. 
Espada,   Marcos  Jimenez  de  la,   Madrid  560, 

612. 
Fliedner,  Karl,  Monshcim  286. 
Frinkel,  B.,  Berlin  88. 
Friedel,  E.,  Berlin  591,  594. 
Frllscfc,  Gust.,  Berlin  183,  231,  232. 
Fonqoet,  Cairo  IM,  IM. 
(ifssoff,  Berlin  :167. 
«itse,  A.,  Berlin  87,  18a,  504. 
Grisslff,  H.,  Eisleben  591. 
«ross,  Victor,  Neuveville  2V\  489. 
«runmacb,  E.,  Berlin  62:t. 
Baas,  A.,  Stettin  291. 
flalibarton,  R.  G.,  Boston,  Mass.  95. 
flantscho-flan»,  Schleife  168. 
flaasmann,  R.,  Dorpat  112. 
V.  flajdfu,  A.,  Berlin  112. 
fleliii,  Otto,  Danzig  35,  12:i. 
flennlng,  Louis,  Antwerpen  163. 
BrnuaDii,  Otto,  Budapest  314. 
flaseniaBii,  F.,  Udjidji  410,  426. 
Jacobstbal,  E.,  Berlin  104. 
JfBtsch,  H.,  Guben  163,  169,  208,  316,  591. 
— ,  J.  A.,  Dresden  213. 
Jofst,  W.,  z.  Z.  auf  Reisen  162. 
Jonssan,  Jon,  Island  165. 
Karsten,  Paula,  Berlin  372,  376. 
Kati,  0.,  Berlin  561. 


:  KihI,  C,  Worms  87,  165. 

Kahler,  Posen  214. 
I  Kfibtw,  Fritz,  Berlin  508. 
i  Kvrff,  Baron  v.,  Berlin  88. 

Krinkel,  Brandenburg  a.  H.  312. 
.  Krause,  Eduard,  BerUn  34,  115,  117,  119,  120, 
175,  260,  261. 

—,  Wilh.,  Berlin  208,  313,  508,  558. 
1  KflJ,  Steinitz  :m9. 

Lehmann,  C.  F.,  Berlin  54,  164,  :X)2. 

Lehmann-Fllbes,  Fräul.  Marg.,  Berlin  165,  597. 

Uhuann-Nltsche,  La  Plata  171,  2^9. 

Lemke,  Fräul.  E.,  Berlin  49a 

Ussaaer,  Berlin  176,  450,  583. 

f.  Luschaii,  F.,  Berlin  110,  204,  2:^2,  2:iS. 

Haass,  K.,  BerUn  621,  624. 

de  Marchesettl,  G.,  Triest  360. 

üatlei^a,  H.,  Prag  115. 

IHaarer,  Jos.,  Reicbenhall  316. 

HehUs,  C,  Neustadt  a.  d.  H.  51,  88. 

lerenskj,  Berlin  5^^. 

Meyer,  H.,  Haarstorf  bei  Ebstorf  (Hannover) 
808. 

IHintflci,  Bukarest  :^1. 

de  Marfan,  J.,  Cairo  207. 

Maller,  F.  W.  K.,  Berlin  88,  808. 

Mnnro,  Edinburgh  162. 

Nehring,  A.,  Berlin  91,  ^79. 

Neamann,  R.,  Berlin  238,  318. 

Nuesch,  Jacob,  Schaffhausen  86. 

Ohnefalsch-RIchter,  Max.  Berlin  288,  268,  312. 

Olshaasen,  0.,  BerUn  180,  286,  344,  500. 

Op^rt,  G.,  Berlin  188. 

Pelrle,  Flinders,  London  162. 

Phlllppl,  R.  A..  Santiago  858. 

Platk,  BerUn  369. 

Plebn,  A.,  Kamerun  154. 

Pabi,  Alfred,  BerUn  483. 

Paiaawskj,  H.,  Berlin  476,  558,  612. 

Prenss,  K.  Tb.,  BerUn  159,  449. 

RadUff,  W.,  Martyschkino  bei  Oranienbaum  :tl4. 

Ramsav,  Udjidji  561. 

Reinecke,  Paul,  Mainz  :(62,  363,  587. 

Rebs,  W.,  Schloss  Könitz  559. 

Rimpan,  W.,  Schlanstedt  263. 

Ritter,  W.,  Berlin  5S3. 

Riial,  Don  Jose,  Manila  480,  575. 

Risler,  Emil,  Schuscha  209. 

Salkanskl,  E..  BcrUn  32.  138,  389. 


(635) 


Strterl,  Paul,  Dortmund  491. 

Scbepplg,  B.,  Kiel  367. 

f.  Schfentidt,  H.,  Frankfurt  a.  0.  120,  121. 

Sckmelti,  J.  D.  £.,  Leiden  21B. 

Sehieider,  Fulda  87. 

SehltcMack,  Otto,  Heidelberg  470. 

f.  Schnlenbarg,  W.,   Charlottenburg  168,   429, 

491,  595,  600. 
Schabe,  Fedor,  Batavia  481. 
Schinaan,  H.,  Löcknitz  87,  122,  221,  241. 
SchwaHi,  W ,  Berlin  95,  161. 
SchwfliAirth,  Georg,  z.  Z.  in  Aegjpten  27,  95, 

181,  263,  355,  889,  :^9I,  488. 
Seler,  Eduard,  Berlin-Steglitz  609. 
Semuiler,  F.  W.,  Greifswald  242. 
SemriQ,  Thom  290. 
Semrier,  Bataria  85. 
Sikelaad,  H.,  Berlin  95. 
Stao4liiger,  Faul  Berlin  96,  97,  HO. 
Stell,  Freiherr  y.,  Kamerun  154,  602. 
fon  itn  Steinen,  K.,  z.  Z.  auf  Reisen  287. 
— ,  W.,  Gross-Lichterfelde  b.  Berlin  475,  558, 

617. 
Stlmnini:,  Gustav,  Brandenburg  a.  H.  312,  861 


Stflpe,  Hjalmar,  Tjrstorp  360. 

Stfibel,  Alfons,  Dresden  559. 

Tap^lner,  Franz,  Meran  35. 

Treichel,  A.,  Hoch-Paleschken  58,  68,  80,  129. 

Vasel,  Braunschweig  343. 

Vlrcfcow,  Rud.,  Berlin  25,  27,  31,  34,  35,  54,  88, 
85,  87,  94,  95,  111,  122,  134,  135,  140, 
146,  154,  207,  212,  213,  222,  225,  232, 
235,  2H8,  311,  313,  314,  324,  328,  331, 
355,  357,  359,  361,  :;85,  :;89,  401,  426, 
450,  452,  464,  474,  489,  506,  508,  558, 
561,  570,  579,  584,  585,  590,  593,  603, 
604,  620,  624,  625. 

Vages,  Th.,  Wolfenbüttel  176, 

Voss,  A.,  Berlin  343,  :J55,  369. 

Wilderer,  Berlin  479. 

Waruschklii,  Alexander,  Manchen  405. 

Weineck,  Lübben  379. 

▼.  Wflnilerl,  R.,  Prag  42,  246. 

Welssenberg,  S.,  Elisabethgrad  367,  369. 

Wiegand,  Karl,  Röderau  595. 

Willlch,  Paul,  Stemberg  431. 

WIttnack,  Berlin  224. 

ZIchj,  Eugen,  Graf,  Budapest  586. 


Sach-Kegister. 


A. 

AUhit,  Steingeräthe  von  95,  272,  355. 

Akerglanbf  in  der  Mark  117,  bei  Geburt  eines 
Pferdes  im  hannöv.  Wcndlande  119,  beim 
Schutz  des  Feldes  ebendaselbst  119,  in 
Bayern  601, 

Afbatperlen  ans  Mossi  96. 

Adam  und  Kra  Raphaels  183. 

Afgjptea,  s.  Ababde,  Bischarin,  Einbalsaniirung, 
Feuerstoingeräthe,  Forschungen,  Gehim- 
substanz,  Getreide,  Grabbeigaben,  Ha- 
miten,  Hocker,  Inschriften,  Kieselmesser, 
Königsgräber,  Kopfhaare,  Negada,  Orna- 
mente, Ornamentik,  MPriester  umien, 
Rasse,  Steingefasse,  Stein- Inschrift,  l'nter- 
suchnngen,  Urbewohncr. 

— ,  Amulette  277,  Altorthumer,  vormenesische 
27,  Funde  aus,  in  Böhmen  590,  Schuler- 
Photographien  355,  Steingefasse  und  -Ge- 


räthe  355,  Steinzeitfunde  260,  Vorge- 
schichte 389,  Weichtheile  135. 

Aegypter,  Ursprung  der  268. 

Aftica  siehe  Achatperlen,  Aegypten,  Algier, 
Bronzen ,  Derwische ,  Einbalsamirung, 
Hungersnoth,  Kamerun,  Knopfnase,  Lagos- 
Masken,  Marocco,  Metall-Einlagen,  Mossi, 
Mquamba,  Ngumba,  Ornamentik,  Poly- 
dactylie,  Reisebilder,  Rinderiiest,  Sabbath- 
foier,  Schädel,  Steingefasse,  Steingerätho, 
Steinzeit,  Tättowirung,  Udjidji,  Wander- 
Heuschrecken,   Zinnvorkommen,  Zwerge. 

'AiMWi  in  Nord-Africa  370,  376. 

Alabaster  «Ciefisse  in  altägyptischon  Königs- 
gräbem  279. 

Algler,  Dolmengr&ber  278. 

Alnlua,  altassyrische  Stadt  303. 

AlMn-Geninirn  594. 

Allerthfimer,  märkische,  aus  der  Umgogen<l  von 
Brandenburg  a.  H.  312,  aus  den  Kreisen 


(636) 


Nieder-  und  Ober-Banjim,  Beeskow- 
Storkow,  Ost-Havelland  12B. 

Iltertlifinier,  neuseeländische  112,  vonnenesische, 
in  Aegypten  27. 

Alt-Lfibeck,  Burgwall  452. 

America,  s.  Aussatz,  Costa  Kica,  Expedition, 
Gräberschädel,  Guatemala,  La  Plata, 
Lepra,  Lupus,  Peru,  Thurmkopf,  Tubercu- 
losis. 

Amtiti,  Kr.  Guben,  Skarabäen-Gemme  170. 

Amulettf,  sudrussische  367. 

Anaivsf  der  Bronzekeule  von  Butzke  244. 
westpreussischer  Bronzen  123,  des  Kupfer- 
beiles von  Augustenhof  238. 

Aiithropvlogrnfabrt  nacli  Kiel  und  Schwerin  45b. 

Anthriipologrn-VcrsiiiumiuiigeN  des  Spätsommers 
452. 

Antbropalagle  der  Eingeborenen  von  Malacca 
483i. 

.4ntbr»polfflscbe  Aufiiabiiirn  von  Eingebomen  aus 
üdjidji  410,  561. 

Aiilbrapolagiscbes,  namentlich  auch  Zwerge  in 
Kamerun  602. 

An(hr»popbagle  in  der  prähistorischen  Ansiede- 
lung bei  Knovize  und  in  der  pr&histo- 
rischon  Zeit  überhaupt  115,  scheinbare,  in 
Böhmen  61. 

.4n(iiii«u  in  westpreussischen  Bronzen  124. 

—  -Geritbe.  russische  462. 

Antwfrpfn,  Schädel  im  Museum  du  Steen  und 
der  zoolog.  (iarten  208. 

Araber  von  Nord-Africa  372. 

ArckaoloKen-Congress,  russischer  112. 

Arie«,  Chile  (Peru),  Thurmkopf  506. 

Aruibrnst  der  Bakwiri,  neue  Form  204. 

Arons  f  88,  579. 

4rtefactf  aus  dem  Löss  von  Predmost  337. 

AsebeBgrobfn  bei  Wehinitz,  Böhmen  115. 

Asiea  s.  Anthropologie  von  Malacca,  Damas- 
cus,  Dayaken,  Eisenobjecte,  Java,  Japan, 
Indien,  Kaschmir,  Kaukasus,  Metall -Ein- 
lagen. Reise,  Ruhebetten,  Technisches, 
Transkaukasien. 

AsjuiRirtrlr  der  Extremitäten  115. 

Ass.>rifii,  Ruhebetten  164. 

Au,  bei  Hammerau,  Bezirk  Traunstein,  Ober- 
Bayeni:  neolitlnsche  Funde  3U). 

Angttsteibtf,  Kr.  Wirsitz,  Kupferbeil  239. 

Aanetiti,  Typus  von  44. 

Ausf&lliDgs- Material  der  vertieften  Ornamente 
an  Thoogeräth  180. 

Aiisgrabaiifieii  s.  Udgelgräber. 

—  in   Costa  Rica  360,  im  Danewerk  458,   in 

Hinterponunem  260,  die  Hünen-  oder 
Frankenburg    an    der   Langen  Wand  bei 


Rinteln  a.  W.  369,  auf  der  Moorschanze 
bei  Quedlinburg  140,  bei  Oberkieti  bei 
Oderberg  L  d.  Mark  595,  russische  44)2, 
bei  Worms  468. 

Aassitiige  bei  altmexikanischen  Festen  611. 

Aasstti,  Nachrichten  über  den,  in  alten  ameri- 
kanischen Quellen  609  s.  Lepra. 

Aasscbnss-WabI  25,  83. 

Attsstellniif  in  Brüssel  27,  für  Frauen-  und  Kinder- 
pflege in  Berlin  483,  der  bosnischen  In- 
dustrie-Schulen 163. 

Aastrallen  s.  Bemalung,  Erdbeben,  Mischlinge, 
Myositis,  Photographien,  Reise. 

Anstniler-Scbädfl  88,  528. 

AVCISS4,  Inschrift  auf  frührömischen  Bronze- 
Übeln  286. 

Aitbainiufr  aus  Stein  von  Görbitzsch  443. 

B. 

Baden    s.    Hausbau,    Howölfel,    Feuersprung, 

Knotenzeichen,  Zigeuner. 
Bireiscbide!   aus   dem  Schlossberge  bei  Bui^ 

490. 
Birenwfib  621. 

Bännie  beschenken  in  Salzwedel  119. 
Babns»!!,  Kristian,  Kopenhagen  f  26,  579. 
Bakwiri,  Kamerun,  Armbrust  der  204,  Schädel 

154. 
Balkfw,  Kr.  Cottbus,  Drachen-Sage  121. 
Balsamlmiii;  altägyptischer  Leichen  30. 
Banat,  Metall-Einlege-Arbeiten  108. 
Barnim,  Nieder-  und  Ober-,  Alterthömer  123. 
BasQtf  in  Berlin  312. 
Bancblanz  der  Afrikanerinnen  313. 
Bauopfer  491. 

Baareste  aus  der  Hünenburg  bei  Rinteln  370. 
Bauwerke    des    Mittelalters    in    Braunschweig 

464. 
Bawfuda  in  Berlin  312. 

Bayern  s.  An,  Drachenfels,  Neolithisches^  Photo- 
graphien, Trudenfuss,  Ungsteio,  Wachen- 

heim,  Wohnstätten,  Zwiesel. 
— ,  Sekundär-Bestattungen  278. 
Beduinen  in  Berlin  813. 
Beellli,   Kr.  West-Stemberg,   Heiden-Kirchhof 

485. 
Beesktw-StorLow,  Alterthümer  123. 
Belgien  s.  Antwerpen,  Brüssel,  Congres,  Congre^. 
Bemalung,  rothe,   von  menschlichen  Skeletten 

337,  ö:I5,  542,  548,  645,  552. 
Benin,  Africa,  s.  Bronzen. 
Berger,  Stephan,  Prägt  237. 
Berlin  s.  Kinder  der  Wüste,  Lepra,  TransaVAl- 

Ausstellung. 
Berlin,  Rudolf  f  358,  579. 


(637) 


Berutdnstraflse  382.  |  IrauileBburg  a.  I.,   Anthropolog:i8che  Excursion 

BerUlltB-SjBtem  zur  Messnog  and  Feststellung  j         238. 

Ton  Personen  238.  — ,  Schwertfund  am  Wesenberg  861. 

BMpreefcen  und  Verhexen  119,  498.  '  Braadgrab,  neolithisches,  in  Böhmen  42. 

BlUlttbek  der  Gesellschaft  588.  !  — ,  der  I.aTene-Zeit  bei  Wachenheim,  Rhein- 

BicjdaithrtpQS  eonatus  867.  pfalz  165. 

Bieler  See,  Dolchklinge  213.  |  Brandgriber     der    Yölkenifanderungszeit     von 

BId«  Br4«,   Slayonien,  slavischo  Skeletgr&ber  >         Messdorf,  Kr.  Osterburg  87. 


862. 
Bieseatbal,  Kr.  Ober-Barnim,  alt-germanische 

Gräher  261. 
— ,  Rundwall  262. 
Blscbarin  in  Aegjrpten  131. 
Blswarck-Inseln  s.  Mission. 
Blei  in  westpreussischen  Bronzen  124. 
Blitzrihren  aus  gefrittetem  Sand  436. 
Bl«ii4e   in  Altägypten   bisher  nicht  bewiesen 

404. 
Bibiuea   siehe  Anthropophagie,  Aschengrube, 

Bronzekeulen,  Öaslau,   Öemy  vül,  Feuer- 
bestattung, Harrau,  Lobositz,  Lössfunde, 

Podbaba,   Schädel  als  Gefässe,   Schlauer 

Berg,    Schwarzhaarige,    Skelet -  Gräber, 

Steinzeit,  Stierköpfe,  La  Tene- Gräber, 

Urnen  -  Gräber,      Yölkerwanderungszeit, 

Wiessen. 
— ,  Beginn  der  historischen  Zeit  258. 
— ,  Funde  ägyptischer  Gegenstände  590. 
— ,  vorgeschichtliche  Thonfiguren  246,  258. 
Btmess- Schnitt,    Schutz    gegen    den  —  böser 

Geister  auf  Feldern  601. 
Btert  311,  579. 
Beeren  in  Berlin  312. 
Birssuin,  Kupfer-Doppelazt  176. 
Bisfl,  Kr.  Lüchow,  Aberglaube  118. 
Btls-Rf  jintnd,  da,  l^iiill,  BerUn  f  26,  580. 
Bm  piiiulgenlHs  in  prähist.  Gräbern,  Worms  471. 
— ,  tanras  brachyceros  in  Worms  472. 
Btsnlen  s.  Metall-Einlagen. 
— ,  Hausgewerb liehe  Gegenstände  U8. 
— ,  Industrie- Schulen  163. 
B»jf,  V.,  Kopenhagen  f  237,  580. 
Brachjcfpbalie  von  Mbwari-Leuten  571. 
Braknianen-(Pandit-)  Schule  in  Vemag,  Kasch- 
mir 190. 
Brandenburg  siehe  Alt^rthümer,  Beelitz,  Biesen-   Briist«w,  Uckermark,  silberner  Fingerring  594. 

thal,  Brüssow,  Burg,  Burgwall,  Diensdorf, ,  Briiite  der  Mwinsa,  Udjidji  561. 

Drachensage,    Fingerring,    Finsterwalde,  i  Brnstlati  mit  Ringen,  Brautschmuck  der  Lappen 

Frau  Harke,  Frehne,  Fundstätten,  Gadsdorf,  i      117. 

Gesichtsnmen,   Görbitzsch,  Gräberfelder,   Bnckelnrnen   von   Wilmersdorf,    Kr.   Beeskow- 

Kinderklapper,  Klanswalde,  Leibsch,  Lind-  Storkow  223. 

hörst.  Luckau,  Lüdersdorf,  Oberkietz,  Rund- ^  Bnea,  Kamerun,  Schädel  154. 

wall.  Sagen,  Schlossberg,  Schwert,  Skara-   Bnkofac,  Kroatien,  slayische  Gräberfunde  364. 

bäen-Gemme,  Stemberg,Tomow,  Wenden-  Borg  a.  Spree,  Schlossberg,  Dnrchschneidung 

reste.  34,  814,  489,  582,  thönemer  Schwan  362. 


Braunscbwelg  s.  Bauwerke,  General -Versamm- 
lung, Naturforscher- Versammlung.  . 

Brantscbmock  der  Lappen  117. 

Bregma  -  Gegend ,  gefaltete,  an  deformirten 
Schädeln  231. 

Brief  A.  Bastian's  237. 

Briefe  von  W.  Joest  162. 

Branie- Armband  von  Serrieres  bei  Neuchatel, 
489,  -Cisto  mit  Inschrift  von  Panstorf 
455,  -Depotfund  von  Clempenow,  Pom- 
mern 122,  von  Czernowitz,  Kr.  Thom  290, 
-Dolche,  ganz  kurze,  von  Lnndenburg, 
Obran  343,  -Gefäss  von  Mnnsterwalde, 
Westproussen  39,  -Gürtelblech  mit  Thier- 
Omamenten  aus  Transkaukasien  462, 
-Guss,  heimischer,  447,  -Helm  aus  einer 
Höhle  bei  St.  Canzian  230,  -Idole,  schein- 
bare, aus  Tiilis  561,  -Keule  (Morgen- 
stern) von  Butzke,  Pommern  241,  -Keulen 
aus  Böhmen  599,  -Pferd  von  Brunn  343, 
-Sachen  von  Wilmersdorf,  Kr.  Beeskow- 
Storkow  223,  -Schwert  aus  der  Peene  231, 
-Skeletgräber  in  dem  slavischen  Gräber- 
feld bei  Bielo  Brdo  363,  -Stier  aus  der 
B^öiskala-Höhle  342,  -Urne  von  Nijm- 
egen  450,  von  Topolno,  Kr.  Schwetz  36, 
-Urnen,  gewellte  176,  -Zeit  in  Böhmen  44, 
-  und  Steinfunde  vom  grossen  Werder  im 
Liepnitz-See,  Kr.  Nieder-Bamim  262. 

Bronzen  von  Benin,  Westafrica  463,  Her- 
stellung der  alten,  aus  Erzen  127,  in 
Mähren  342,  s.  Untersuchung. 

Bränn,  s.  Bronzepferd,  Skeletfund. 

— ,  anthropologische  Excursion  208. 

Brüssel,  (Jongr^s  international  colonial  163, 
Internationale  Ausstellung,  Classe  für 
Anthropologie  27. 


(638) 


Burg  wall  bei  Görbitzsch  429,  yorslayiscber,  bei 

Klanswalde  483,  bei  Mehlken,  Er.  Gart- 

hang  129,  -Scherben  von  Görbitzsch  481, 

und    vorslavischer   Urnen  -  Friedhof   yon 

Eönigsbmnn  in  Ci^'avien  171. 
Butike  bei  Beigard,  Pommern,  Bronzekenle  241. 
Batittw,  Kreis  Westhavelland,  s.  Excnrsion. 
B;^(iskäla-Höhle,  Mähren  841. 

C. 

faire,  das  neue  Mnseum  168. 

Calori,  Lulgl,  Bologna  f  25,  579. 

Canis  famlllarls  in  neolithischen  Gräbern  472. 

Caniian,  St.  bei  Triest,  s.  Bronzehelm,  Kupfer- 

fnnde,   Nekropole,   Thierknochen,  Thon- 

getäss, 

— ,  Höhlen  225,  die  beiden  Kekropolen  bei  860.   Derwlscke  in  Nord-Africa  878. 
fapaclfat  aostraliscber  Schädel  518.  '  Dlensilorf,  Kr.  Beeskow-Storkow,  Umenfeld  57. 

(ap-nadchen  in  Berlin  812.  |  Dllaflum,  Thiere  des,  in  Mähren  888. 

farne«!-  bezw.  Achat-Perlen  ans  Mossi,  West-  '  Dollchacepballe  von  Anstralier-Schädeln  509,  der 

Africa  %.  Steinzeit -Schädel  von  Worms  467,   46M, 

iaslan,  Böhmen,  Gefäss  mit  Widderkopf  256.  von  Udjidji-Lenter  571. 

^ernjf  val,  Böhmen,  Stierkopf  ans  Thon  251.      Dolnengriker  in  Algier  278,  283. 
Cervas   elaphns   in   neolithischen    Gräbern    bei  I  Dtppelazt  ans  Kupfer  von  Börssum  176. 


Dainasciia,  Metall-Einlege-Arbeiten  107. 

Danewerk,  Ausgrabungen  458. 

Danilf,  Gedenkfeier  der  Anthropol  Gesell- 
schaft 359. 

Oajakeo-Pkfttgraphleii  175. 

Deformallon  der  Gräberschädel  von  Guatemala 
324. 

—  eines  Peruaner-Schädels  von  Arica  507. 

—  eines  prähistorischen  Schädels  v.  St.Caniian 

861. 
Delft  s.  Congress. 

Denmlo,  Pommern,  Bronze-Schwert  221. 
Denknal  für  Johannes  Möller  164. 

—  für  Dr.  Ludwig  Wolff  85. 


Worms  472. 
Cfjlan  BIB. 

Cki^car,  Guatemala,  Gräberschädel  325. 
Ckaldisebe  Forsckaugeii  302. 
Ckamaedolicbecepbale  von  Quedlinburg  150. 
Cbamaemesopkalle  eines  Bakwiri-Schädels  156. 


Diffllnde  und  Johannisfeuer  495. 
Drackcnfek,  bei  Dnrkheim  a.  H.  51. 
DracbeB«age  von  Balkow,  Kr.  Cottbus  121,  von 

Seddm,  West-Priegnitz  119. 
Dsbawat,  Transkankasien,  vorgeschichtl.  Thon- 

gefässe  209. 


rblcago-Saittnilunf   des  Museums  für  deutsche   Dnugkeller  des  Tacitus  595. 


Djnasllr,  Königsgräber  der  ersten,  in  Aegyptea 
276. 


Eigentbnaisoiarkeii  in  Bosnien  99. 
Elbdarf,  Kr.  Oschersleben,  Gesichts-Thnrunien 
348. 


Volkstrachten  238. 
Ckina  in  ethischer,  industrieUer  und  politischer 

Beziehung  27. 
Civldalf  im  Friaul,  Erinnerungsfeier  für  Paulns 

:\bH. 
Clenipenow,  Pommern,  Bronze-Depotfund  122. 
iolonlal-AbtbeUang  des  Auswärtigen  Amtes  561. 
C«laDlal-6esell$cbaft,  Deutsche,  Abtheilnng  Berlin  I  Elnbalsanlraif  von  Köpfen  im  Altertfaoni  181. 

27,  481,  586.  BlBiraBderoB|;en,  alte,  in  Aegypten  266. 

C«ngres  archeologique  de  Malines,  Belgien  208.   Elsen-Flbeja  in  Mähren  342. 

—  international  colonial  in  Brüssel  163.  —  -Funde  in  der  Hfinenburg  bei  Rinteln  370. 

—  d'hygiene  et  de  climatologie  medicale  de  —  -Matr  im  Stolpe-Thale,  WestprensMo  66. 

la  Belgiqne  et  du  Congo  in  Br&ssel  312.   —  -Objecte  angebliche  aus  der  zweitmiiersten 
iengress,  internationaler,  f.  Nervenheilkunde,  Buinenstadt  von  Uissarlik  500. 

Brüssel  208.  ScbiaelieD,  vorgeschichtliche,  bei  Böderan, 


—  6.  Niederländischer  Natur-   und  Heilkun- 
digen- in  Delffc  483. 
•—  für  Zoologie,  internationaler  586. 
Caagresse  111,  112,  581. 
Catk-Inaeli,  Besuch  der  818. 
Ctsta  Rica,  Ausgrabungen  860. 
Ceiriisanea,  japanische  89. 
€rinilaal-.4Btbrtp«lHie  176,  238. 


Königreich  Sachsen  595. 
Eisleben,  prähistorisches  Gefäss  vom  sahugen 

See  592. 
EiepbaBtIasis  scrtü  8a 
EireabHa-FlgireB   in  einem   altägjpt  Kdnigs- 

grabe  207. 
ElfnibeiatchnltiereleB  in  altägjptischen  Qribeni 

479. 


Cieniowiti,  Kr.  Thom,  Bronze-Depotfunde  290. '  EnaiDea  in  slavischen  Gräbern  868  iL 


(639J 


EnifMuBf,  posthome,  der  Haare  altägji)t]8cher 
Leichen  403. 

EatbMpfBBg  an  ägyptischen  Miimienll87. 

EHbeben  in  Adelaide  814. 

ErBihniig  Erwachsener  mit  Frauenmilch  89. 

Erpel  hei  Schneidemfihl  s.  Goldfund. 

Ear«pa,  Tättowimngen  328. 

EicirsloB,  anthropologische,  nach  Branden- 
hnrg  a.  H.  und  Butzow  238,  812;  nach 
Brunn  und  Umgegend  208,  831. 

EifftMen  an  Australiersch&deln  515. 

Eipetfitlfo,  nordamerikanische,  nach  der  Nord- 
west-Küste und  nach  den  asiatischen  Nach- 
harländem  162. 

Eiptsltltn  iBlemaUtnale  in  Brüssel  208. 

Ejrick,  Emil,  Berlin,  f  88,  579. 

F. 

FMeB  der  Haare  hei  den  Somal  und  anf  Neu- 
guinea 277. 

Flicke,  Jacob  v.,  Wien  t  237. 

Ftrke  der  prähistorischen  Bevölkerung  Aegyp- 
tens  404. 

FarkeB  im  Löss  von  Pfedmost  387. 

FtrkeBftste  an  altägyptischen  Grabbeigaben  277. 

FirkeastelB  bei  Görbitzsch  482. 

FauBi,  praeglaciale  in  Mähren  839. 

FeM-Besprechen  119. 

FellBBf  der  Zähne  in  üdjidji  418,  419,  422,  561. 

Feaster  der  Basenhütten  in  Island  599. 

Feste,  altheidnische,  im  alten  Mexico  610. 

Feiff-BestattaBf  in  der  Steinzeit  51. 

^'efcropolen,  königliche  von  Negada,  Aegyp- 

ten  264,  in  Aegypten  276. 

—  SpriH»  der,  zu  Johanni  494. 
Feaerstela-Aexte  und  -Keile  von  Lietzow,  Rügen 

300. 

Btbrer  von  Lietzow  801. 

Gtritke  in  einem  ägyptischen  Königsgrabe 

207,  in  Mähren  842,  -Lanzenspitzen  801, 

-Messer  und  -Schaber  300,  -Sichelmesser 

301,  -  Werkstätte  bei  Lietzow  auf  Bügen 

291. 
WerkstiUeB  und  Gräber  am  Küchenteich, 

Kr.  W.  Stemberg  486. 
FIkel,  frührömische,  mit  der  Inschrift  AV CISSA, 

aus  Rheinhessen  286. 
FfkflB,  Art  ihres  Tragens  zu  römischer  Zeit 

288. 

—  aus  dem  Hradisko  von  Obfan  842. 
Flgires,  Thon-,  verstümmelte,  aus  Peru  474,  s. 

Lepra. 
FUlgrtMrkelteB,  vorgeschichtliche,  vom  Jahde- 

busen  462. 
FlUgnuMckaBck  von  Bielo  Brdo  868. 


FlBfer-RIng,  silberner,  von  Brüssow,  Ucker- 
mark 594. 

Fiscker  in  Udjidji,  anthropologische  Aufnahmen 
568. 

Fiscker,  Carl,  Lenzen  a.  £.  f  236,  579. 

Fiscker,  Louis  t  480,  579. 

Flackeelt  aus  Kupfer,  Tominz-Höhle  bei  St.  Can- 
zian  228. 

FleBskarg,  neolithische  Funde  458. 

Fl«ra,  sicilianische  488. 

FIbss,  unterirdischer,  bei  St.  Canzian  22G. 

Fraas,  Stuttgart  f  579. 

Fraak,  Eugen  f  161. 

FraBkeakoff  s.  Ausgrabung. 

Freakreick  s.  St  Germain  cn  Laye,  Germanen- 
Darstellungen. 

Fraaks,  Sir  Augustus  W.,  London  f  286,  579. 

FraneBarkdt  in  Nord-Africa  373. 

Frau  Harke  in  der  Neumark  449. 

Frekae,  Kr.  Ostpriegnitz,  Leinsamenfund  361. 

FrejsBes  im  östlichen  Island  165. 

Frledköfe,  vor-  und  frühgeschichtliche,  bei 
Worms  464. 

FossspareB  in  Steinen  68. 

G. 

Ciadsdorf,  Kr.  Teltow,  Gräber  vorslavischer  Zeit 
497. 

tÜBse-Eier,  bemalte,  in  einem  römischen  Kinder- 
sarge von  Worms  165. 

fiaadow,  Kr.  West-Priegnitz,  vorgeschichtliche 
Funde  447. 

Ciekelae,  menschliche,  in  der  Tominzhöhle  bei 
St  Gantian  230. 

«ekfl-SUstlek,  Inhalt  eines  Schädels  389. 

Gefiss,  slavischos,  aus  dem  salzigen  See  bei 
Eisleben  591. 

Ciekeimgeuiack  80. 

GekirasukstaBi  einer  altägyptischen  Leiche  30, 
eines  Schädels  aus  Peru  82,  Entfernung 
der,  aus  Mumien  185. 

GelsseluBgeii  der  Alssäwa  877. 

GeM,  Urgeschichte  desselben  500. 

General -VersauiBiluBf  der  Deutschen  Anthro- 
pologischen Gesellschaft  111,  812,  452. 

GetgrapkeBtaf,  deutscher  111. 

Gerltke,  lappische  115. 

Gerippe  und  Schädel  mehrerer  Menschen  in 
der  Moorschanze  bei  Quedlinburg  142,  145, 
146. 

T.  Gerlack,  Joseph;  Erlangen  f  26. 

St.  Gernuln  ea  Laje,  Fibel  mit  Inschrift  287. 

GeraMBeB-DarsfellBBgeB,  antike,  in  Bronze  587. 

GerflMBB,  Margarethe,  das  armlose  Mädchen 
624. 


(642) 


KrrbsckBitt-Yerilening  ans  Bosnien  99. 

Kesithclj-Calfor  866. 

Eettlacktypiis  866. 

EeilenUpfe  ans  Bronze  248,  mit  Stacheln  248, 

ans  Stein  242. 
Kiefer,  menschliche,   im  Löss  von  Pi^edmost 

336. 
Kiel  s.  Anthropologenfahrt^  General-Yersamm- 

lung,  Museum. 
Kiniler  der  Wüste  in  Berlin  818. 
Klnderklappcr  von  Luckau,  Nieder-Lausits  261. 
Klesclmesser,  altägjptische  188. 
Kiew,  Archäologen-Congress  112. 
Klaaswalde  belReppen,  Kreis  West-Stemberg, 

Burgwall  483. 
KlrMang,  altgermanische  586. 
Klcln-Kensau,  Kreis  Tuchel,   Steinkisten-Grab 

88. 
KDecben-Gerithe  von  Au,  Ober-Bayern  822. 

libleo  auf  Neu-Seeland  112. 

Kotpfbase  eines  Mquamba- Weibes  268. 
Kniten-Scliriri  der  Zigeuner  498. 

—  -Zeicbfn  der  Müller  491. 

Köntpbroiiii,  Kr.  Strelno,  Burgwall  und  Urnen- 
Friedhof  171. 

Kfnlfsgriber  bei  Abydos  und  Negada  in  Aegjpten 
207,  276. 

Kipfc,  Einbalsamirung  der,  in  Aegypten  181. 

Kirper-Abgass  einer  Frauenleiehe  des  12.  Jahr- 
hunderts 112. 

Kfpfhaar  der  Kaukasier,  Querschnitt  488. 

Ktpfhaare  aus  prfthistorischen  Or&bem  Ober- 
Aegyptens  401. 

Ktpf-  und  Körpermaasse  von  Afrikanern  in 
üdjidji  410,  Ö66. 

Korangesetir,  Umgehung  der  874. 

Kralo,  slavische  Gräber  868. 

Krams,  Ost-Priegnitz,  Wiesenkönig  118. 

Kraass,  Franz,  Wien  f  26. 

KrtaticD,  slavische  Gräberfunde  864. 

KrMDmaii,  Mähren,  vorgeschichtL  Funde  842. 

Kobarj  f  84. 

Kfichen-Iifritbf,  steinerne,  der  Ababde  272.  • 

Kestenfünd  auf  Rügen  872. 

Kapfer-Axt  von  Börssum  176. 

—  -Icll  von  Augustenhof,  Kr.  Wirsitz,  Provinz  1 

Posen  289.  ! 
Beilf  in  Böhmen  589. 

—  u.  Bronze-Geräthe  in  altägyptischen  KOnigs- 

gräbem  279. 
Cdt  von  St.  Canzian  228. 

—  -Dticbe  von  St.  Canzian  229. 

—  -^fgfBsttnde  von  Abydos,  Aegypten  188. 

Verlast  bei  Verwitterung  von  Bronzen  844. 

Knrkel,  das  Wort,  =  Pantoffel  218. 


110. 

Landesfereio  für  sächsische  Volkskunde  86. 
Laage  Wand  s.  Hfinenborg. 
Lanieoipidcii,  eiserne,  der  Karolingerzeit  214. 
Lappiäoder  im  Gostum  84. 
— ,  Qeräihe  115. 
Lebensmittel -Ascbei  aus  ägyptischen  prähisto* 

rischen  Gräbern  182. 
Lebingrlber,  vorgesehiehtliche,  in  Sandhfigeln 

des  Königreichs  Sachsen  596. 
Leibscb,  Unter-Spreeirald,  Umen-Griberfelder 

54. 
Ldcbenbraofl  in  der  Steinzeit  182. 
Leicbiam ,  Einzwänzung  in  einen  beschränkten 

Raum  278. 
LeMen,  National-Museum  85. 
LelDsaraeD-Ytrratb  in  einer  prähistorischen  Wohn- 
stätte bei  Frehne,  Kr.  Ost-Priegnits  861. 
Lepra,  präcolumblsche,  in  America  569,  609, 

612. 

Conferens,  internationale,  in  Berlin  474« 

LIböany,  Böhmen,  Skeletgräber  mit  Steine  und 

Bronze-Geräth  589. 
Liebsbanseo,  Böhmen,  Skeletgräber  der  La  Tene- 

Zeit  115. 
Llepnlts-8pf,  Bronze-  und  Steinfonde  262. 
LIelaew  (Rügen),  vorgeschichtliche  Feaentein- 

Werkstätte  291. 
Lindenblr»!,  der,  bei  Lüdersdorf  448^ 
Llpa,  Böhmen,  Steinzeit- Gef&sse  589. 
LIaga  oder  Uta,  aussatsähnliehe  Krankheit  i« 

Peru  612. 
Lebfsits  a.  d.  Elbe,  Funde  auf  der  LSsakappt 

42. 
LMTel,  durchbrochen  geschnitzter  und  gimvirter, 

der  Lappen  117. 
LIssfHade  b.  Lobositz  in  Böhmen  42,  in  M4hr«a 

882. 
Lembok,  Reise  nach  der  Insel  85. 
Uabat-8(lftu«  85. 

Laekau,  thöneme  Kinderklapper  261. 
Lfibeek,  Anthropologen-Versammlung  452,  Stein- 
zeit 455. 
Udersdtrf,  Kreis  Teltow,  vorgeschichtd.  Funde 

445. 
Lapis  in  Peru  612. 
LnsQs  nattrae  282. 
Ljck,  Mssuren,  Marktscenen  176. 


Haassf,  alte,  in  der  Müllerei  492. 
MUnder  Omatteat,  Entstehong  des  460. 
nidchen,  armloses  624. 


(643) 

Hlkrrii  s.  Brfinn,  DilaTium,  Höhlen,  üöhleD-|  Hlucklliife  in  Australien  514. 

b&r,  Hradisko,  Mammathknochen,  Mensch,  <  Mlailva,  aostralische,  auf  den  Bismarek-Inseln 

Obran,   Pi^edmost,   Schoschuwka,  Slonp,  |         58. 

Steingeräthe.  ,  lllglleder-yenekkatet  3. 

— ,  B^«iBkiUa-Höhle  341,  Anthropologische  Ex-   Hlttel-Eurtp«,  MeUll-Einlage- Arbeiten  108. 

corsion  331.  Monasav  (Melasgert),  altassjrische  Stadt  307. 

■Aaierarkvit  in  Nord-Africa  378.  '  Iftret  s.  Uöhlengr&ber. 

Halicca  s.  Anthropologie.  Hmf-    und    Wokiiplalifiiii4e    der   Steinzeit    in 

MaauMtk  in  den  Höhlen  bei  Slonp,  Mähren  840. ,        Meklenbnrg  457. 
lannatkkatckcH  mit  Fenerstein-Splittem  nnd  i  ÜAtrsckaiu  bei  Quedlinburg  140. 

menschlichem  Unterkiefer  bei  Plredmost  Mmeastemc  aus  Bronze  241,  590. 

886.  Mtsckee  in  Srinagar,  Kaschmir  202. 

Ht«ri-Allertk Aller  112.  Mtskai  s.  Medicinischer  Congress,  Museen. 

laquMka-lMtc  in  Berlin  312.  Mtssi,  W.-Africa,  Achatperlen  96. 

lariBMi  j  Ti4«,  Sevilla  f  207,  580.  Mqaanka-Weib  mit  sog.  Knopfnase  268. 

■arMc«,  Metall-Einlage-Arbeiten  lOa  Mroniii-Frau,  Udjidji  567. 

Marqaesat-lBscia/pteise  nach  den  858.  Mtonl-Schftdel,  Udjidji  426. 

Hartent,  Jacobus  Leonardus,  Stammbaum  481.   ■iasterwalde,  Westpreussen,  Bronze-GefiUs  39, 
■aniagi,  Mann,  Udjidji  564.  176. 

Mkwari  in  Udji4}i  568.  HnaieB   aus  dem  Burgwall  bei   Mehlken  60, 

■4141  in  Udjicyi  565.  römische,  in  Slayengrftbem  368,  römische, 

■•dldBltcker  Ctugms,  |inteniationaler,  Moskau  vom  Zwiesel  819. 

112,  Anthropologische  Section  459.  !IIA(seii4eckel  von  Königsbrunn,  Kr.  Stirelno  173. 

IcgaUtkgrlker  des  nordwestlichen  Deutschlands ,  lokaninc4aBcr  aus  Kaschmir  208. 

468.  ffasckebckalea  als  Verzierung  aufThonscherben 

■f kikea.  Kr.  Carthans,  Burgwall  58,  Historisches  ,         180. 

129.  .  Moscbelseknoek  von  Krommau,  Mfthren  342. 

Meister  Haas,  der  Drache  122.  Miseum,  in  Agram,  Slaven-Gr&berlunde  363, 

IMIeakiirK  s.  Hünengräber,  Museum,  Paläo-  deutsches  Colonial-  85,  fir  Kunst  und  6e- 

lithisches,  Schwerin,  Steinzeit.  werbe  in  Hamburg  468,  in  Kiel  458,  in 


r,  Berlin  f  207,  580.  Laibach,  Slavengräberfunde  865,  in  La  PlaU 

■easck,  der  europäische,  und   der  Tiroler  35,  162,  in  Leiden  358,  in  Lübeck  452,  in 

in  mährischen  Höhlen  340.  Moskau  462,  römisch-germanisches  Gen- 

MtMckeircttr  im  Löss  von  Pjredmost  336.  tral- in  Mainz  582,  in  Schwerin  456,  in  Triest 

lcrevliscfielt,|Funde  der,  in  Worms  464.  Slavengräberfunde  865,  für  Völkerkunde 

Xeseceipkalle,*^  der  ^Schädel  aus  der  Römer-  und  [  in   Hamburg  462,    für   deutsche  Volks- 


Frankenzeit  von  Worms. 469,  vonMwinsa- 
Leuten  571. 


trachten  in  Berlin  238,  359,  582,  in  Worms 
464. 


■rssdtrf,  Kr.^Osterburg,  Brandgräber  87.  ■■slk-Iaitraneate  aus  Nord-Africa  874. 

HcMiag  nnd  Feststellung  von  Personen  nach   ■■tterkrais,  antiker  von  Duna  Szekscö,  Ungarn 

Bertillon's  System  238.  52. 

XHail-Eiolsgfa  in  Holz,  Hom  und  Bein  104,   Mwiosa-Lente  in  Udjidji  561. 

auf  bosnischen  Holzgeräthen*104.  ;  lljtslUs  tssificans,  Skelet  mit,  in  Adelaide  314. 

Melalltaäe   aus   römischen   Wohnstätten    am 

Zwiesel  319,  der  transkaukasischen  Gräber  ,  ^• 

210.  Nackkll4uof;eo  ethnologischer  Schädel  in  Gjps 

lrtaU-ttcgeaslia4e  in  einem  ägyptischen  Königs- '         508. 

grabe  207.  j  .\ackgekort  von  Thieren  119. 

IHaV-latarsisoIrMtcB  in  Bosnien  99,  indische  j  NackUlger  auf  dem  Beelitzer  Heidenkirchhofe 

107.  435,  im  Burgwall  von  Klauswalde  483. 

iHaUvKle  in  Altägypten  284.  Nacktreiter  am  Teufelssee  120. 

ans  Troja  183.  ^Hl^K  ^^i*  erste,  im  Hause,  Baden  496. 


■rtwisite,  Nova  54.  ^akriigsMlttel-Attsstellug  in  Berlin  859. 

die  Perle  der  Khön  87.  Kakmigsteffe  aus  der  Hünenburg  bei  Rinteln 


liiMrr,  Unterrichts-,  Staatszuschuss  1G2.         I         371. 

41 


(642) 


Krrhftcknitf-Yenlerang  ans  Bosnien  99. 

KesitMj-Coltar  866. 

lettlachtypiis  366. 

letleikjpfe  ans  Bronze  248,  mit  Stacheln  248, 

ans  Stein  242. 
Kiefer,  menschliche,  im  Löss  von  Pi^edmost 

336. 
KIfl  s.  Anthropologenfahit,  Qeneral-Yenarom- 

long,  Mnseum. 
Klniler  der  Wüste  in  Berlin  318. 
Rlnderkltpiifr  von  Luckan,  Nieder-Laositz  261. 
KleteliueMer,  altftgjptische  188. 
Kiew,  Arch&ologen-Congress  112. 
Klaaswtldc  bei  Reppen,  Kreis  West-Stemberg, 

Bnrgwall  483. 
Klrlding,  altgermanische  586. 
KlelD-Kensaa,   Kreis  Tuchel,  Steinkisten-Grab 

88. 
Kotcbeo-fierithe  von  An,  Ober-Bayern  822. 

l«hleD  anf  Nen-Seeland  112. 

Kitpfbase  eines  Mquamba- Weibes  263. 
Kottea-Scbrlft  der  Zigeuner  498. 

—  -SeIckfB  der  MüUer  491. 

KJnlpbmap,  Kr.  Strelno,  Bnrgwall  und  Urnen- 
Friedhof  171. 

Kfalgsgriber  bei  Abydos  und  Negada  in  Aegypten 
207,  276. 

KifUy  Einbalsamirung  der,  in  Aegypten  181. 

Klrpff-Abfoss  einer  Franenleiche  des  12.  Jahr- 
hunderts 112. 

K«pfbaar  der  Kaukasier,  Querschnitt  488. 

Ktpfhaare  aus  pr&historischen  Gr&bem  Ober- 
Aegyptens  401. 

Ktpf-  und  Körpermaasse  von  Afrikanern  in 
üdjidji  410,  666. 

Karangnetsf,  Umgehung  der  874. 

KrtlD,  slavische  Grftber  868. 

KnuM,  Ost-Priegnitz,  Wiesenkönig  118. 

Krauts,  Franz,  Wien  f  26. 

Krtatlea,  slavische  Gräberfunde  864. 

KrMnnaH,  M&hren,  vorgeschichtL  Funde  842. 

Knbary  f  84. 

Kicbea-fterltbf,  steinerne,  der  Ababde  272. 

Kistenfünil  auf  RQgen  872.  ! 

Kopffr-Azt  von  Börssum  176.  j 

—  -IHI  von  Augustenhof,  Kr.  Wirsitx,  Provinz 

Posen  289. 
Beilf  in  Böhmen  589. 

—  u.  Bronze-Ger&the  in  alt&gyptischen  Königs-  \ 

gribem  279.  ' 
Cfit  von  St.  Canzian  228. 

—  -ielcbe  von  St  Canzian  229. 

—  -SifeBstlnde  von  Abydos,  Aegypten  188»      | 

—  -Verhut  bei  Verwitterung  von  Bronzen  844. 
Karkel,  das  Wort,  =  Pantoffel  218. 


LiSW-lukea  110. 

LindesverHo  f&r  s&chsisehe  Volkskunde  85. 

Laage  Wand  s.  Hfinenborg. 

Lanieasplizen,  eiserne,  der  Karolingerzeit  214. 

Lai^rllii^  im  Costüm  84. 

— ,  Geräihe  115. 

Lfbensmfttel-ABckeo  aus  ägyptischen  prähisto- 
rischen Gräbern  182. 

Lekoigrlker,  vorgeschichtliche,  in  Sandhögehi 
des  Königreichs  Sachsen  596. 

Leibscb,  Unter-Spreeirald,  ümen-GräbeifeUer 
54. 

Ukkeakraail  in  der  Steinzeit  182. 

Lelcbnam,  Einzwänzung  in  einen  beschränkten 
Raum  27a 

LeiäfB,  National-Museum  85. 

Lelasamea-ytrratk  in  einer  prähistorischen  Wohn- 
stätte bei  Frehne,  Kr.  Ost-Priegnüi  86L 

U^n,  präcolumbische,  in  America  659,  609^ 
612. 

Ctofereas,  internationale,  in  Berlin  474. 

Liböaay,  Böhmen,  Skeletgräber  mit  Stein-  vaä 
Bronze-Geräth  589. 

Lieksbaasea,  Böhmen,  Skeletgräber  der  La  Teno- 
Zeit  115. 

Llfpnlts-8ff,  Bronze-  und  Steinfosde  263. 

Lldzew  (Rftgen),  vorgeschichtliche  Fenenteiii* 
Werkstätte  291. 

Uodenkir»!,  der,  bei  Lüdersdorf  448. 

Ups,  Böhmen,  Steinzeit- Geflsse  589. 

LIaga  oder  Uta,  anssatzähnliche  Krankheit  in 
Peru  612. 

Lobtsits  a.  d.  Elbe,  Funde  auf  der  Löaskapft 
42. 

LMTel,  durchbrochen  geschnititer  und  gimvütet; 
der  Lappen  117. 

UstfHS^e  b.  Lobositz  in  Böhmen  42,  in  Mihr« 
382. 

Uflib«k,  Reise  nach  der  Insel  86. 

LMbii-8(lftaag  85. 

Lickaa,  thöneme  Kinderklapper  261. 

Ubeck,  Anthropologen-Versammlung  452,  Stein- 
zeit 455. 

Udfrs^trf,  Kreis  Teltow,  vorgeschicfalL  Fmde 
445. 

Ufm  in  Peru  612. 

Ums  aatme  282. 

Ljck,  Mfsuren,  Marktseenen  175^ 


S  alte,  in  der  Müllerei  492. 
■laa^cr  OrMUMat,  Entstefausg  dea  46a 
Hl^ckea,  armloses  624. 


(643) 


■ährfR  8.  Brunn,  Diluvium,  Höhlen,  Höhlen- 
bär, Hradisko,  Manunuthknochen,  Mensch, 

Obiran,  Predmost,   Schoschuwka,  Sloup, 

Steingeräthe. 
— ,  B/öiskila-Höhlo  841,  Anthropologische  Ex- 

cursion  8dl. 
■ABMfirbvIt  in  Nord-Africa  878. 
■alacca  s.  Anthropologie. 
.Vannith  in  den  Höhlen  bei  Sloup,  Mähren  340. 
MammatbkRtchen  mit  Feuerstein-Splittern  und 

menschlichem  Unterkiefer  bei  Piedmost 

886. 
■atrl-AheHkumer  112. 
Ha^Hanka-liMte  in  Berlin  812. 
narimto  j  Todt,  Sevilla  f  207,  580. 
■arMco,  Metall-Einlage-Arbeiten  108. 
lar|tfsat-lB8€la,'ptei8e  nach  den  858. 
MarteM,  Jacobus  Leonardns,  Stammbaum  481. 
Mamagi,  Mann,  Ui^ic^i  564. 
Ikwari  in  Udji4ji  568. 
HdJI^I  in  Ucyicyi  565. 
■edkinltcker  Ctugms,  ^internationaler,  Moskau 

112,  Anthropologische  Section  459. 
■egalitkgriker  des  nordwestlichen  Deutschlands 

468. 
Meklkea,  Kr.Carthans,  Bnrgwall  58,  Historisches 

129. 
Heister  Haas,  der  Drache  122. 
HeklcBktirK  s.  Hünengräber,  Museum,  Paläo- 

lithisches,  Schwerin,  Steinzeit. 
■ei«0r,  Berlin  f  207,  580. 
Heaaeb,  der  europäische,  und   der  Tiroler  85, 

in  mährischen  Höhlen  340. 
MMsckfirettr  im  Löss  von  Piredmost  886. 
lertvlBgeneit,tFunde  der,  in  Worms  464. 
Het«€e|pkalle,'' der  ^Schädel  ans  der  Bömer-  und 

Frankenzeit  von, Worms. 469,  vonMwinsa- 

Leuten  571. 
■ets^erf,  Kr.^Osterburg,  Brandgräber  87. 
Hestaag  und  Feststellung  von  Personen  nach 

Bertillon's  System  288. 
Netall -Einlaici  in  Holz,  Hom  und  Bein  104, 

anf  bosnischen  Holzgeräthen^l04. 
lelallAui4e   ans   römischen    Wohnstätten    am 

Zwiesel  819,  der  transkaukasischen  Gräber 

210. 
Ne(aU-lkcgeBslia4e  in  einem  ägyptischen  Königs- 

grabe  207. 
HHaU-Intarsia-ArMtea  in  Bosnien  99,  indische 

107. 
HHdlvgie  in  Altägypten  284. 
letaHargisckei  aus  Troja  188. 
■Hrtlsgie,  Nova  54. 
Mlbclwg,  die  Perle  dw  Rhön  87. 
■laMer,  Unterrichts-,  Staatsznschnss  162. 


Hlscklioff  in  Australien  514. 

Mission,  australische,  auf  den  Bismarck-Inseln 
58. 

nitglleder-Yerzelcbnlsfi  3. 

Mittel-Europa,  Metall-Einlage-Arbeiten  108. 

MonaMT  (Melasgert),  altassyrische  Stadt  807. 

Motrea  s.  Höhlengräber. 

Mfor-  und  Wohuplatifüiide  der  Steinzeit  in 
Meklenburg  457. 

Motrschaase  bei  Quedlinburg  140. 

Mfrgensterne  aus  Bronze  241,  590. 

Mtsckee  in  Srinagar,  Kaschmir  202. 

Mtskai  s.  Medicinischer  Congress,  Museen. 

Mfssl,  W.-Africa,  Achatperlen  %. 

Mqoanika-Weib  mit  sog.  Knopfnase  268. 

Mraadl-Frau,  Udjidji  567. 

Mtassl-Schädel,  Udji(yi  426. 

H&nstffwaMe,  Westpreussen,  Bronze-Oefäss  89, 
176. 

MfiiWi  aus  dem  Burgwall  bei  Mehlken  60, 
römische,  in  Slavengräbem  868,  römische, 
vom  Zwiesel  819. 

Mfitiendeckel  von  Königsbrunn,  Kr.  Stirelno  173. 

MakaBimetoer  aus  Kaschmir  208. 

Musckelscbalen  als  Verzierung  auf  Thonscherben 
180. 

Musckebckmack  von  Krommau,  Mähren  842. 

MoseiiBi,  in  Agram,  Slaven-Gräberfunde  368, 
deutsches  Colonial-  85,  fir  Kunst  und  Ge- 
werbe in  Hamburg  468,  in  Kiel  458,  in 
Laibach,  Slavengräberf  unde  865,  in  La  Plata 
162,  in  Leiden  358,  in  Lübeck  452,  in 
Moskau  462,  römisch-germanisches  Cen- 
tral- in  Mainz  582,  in  Schwerin  456,  in  Triest 
Slavengräberfunde  365,  für  Völkerkunde 
in  Hamburg  462,  für  deutsche  Volks- 
trachten in  Berlin  288,  859,  582,  in  Worms 
464. 

MasIk-lastrumeBie  aus  Nord-Africa  874. 

Hatterkrans,  antiker  von  Duna  Ssekscö,  Ungarn 
52. 

MwiBsa-Leute  in  Udjidji  561. 

Mjtaitls  tsslficaas,  Skelet  mit,  in  Adelaide  314. 

NachbilduBf^eB  ethnologischer  Schädel  in  Gyps 

508. 
^•chgebart  von  Thieren  119. 
NackUlser  auf  dem  Beelitzer  Heidenkirchhofe 

435,  im  Burgwall  von  Klauswalde  488. 
Nachtreiter  am  Teufelssee  120. 
^a^el,  der  erste,  im  Hause,  Baden  496. 
.^akrangsBrittd-Attsstellanf  in  Berlin  859. 
KaliniBSstaip  ans  der  Hünenburg  bei  Rinteln 

371. 

41* 


(644) 


Narben,  bei  Arabem,  als  Erinnenmgszeichen 
gebrannt  875. 

Nase  der  Mbwari,  üdjidji  568,  der  Mwinsa,561. 

Nasen  von  ostafrikanischen  Vdlkerstämmen  561. 

Natlfnal-Ctstlm  in  Bosnien  99. 

Natarfirscber-Versammlung  in  Braunschweig  463. 

Natarspiele  282. 

Natur-  nnd  letlkiinillgeu  -  Congress ,  Niederlän- 
discher 488. 

Ndfgunbn^a,  Bakoko-Unterstanim  in  Kamerun 
602. 

Nea^l,  Fibel  mit  Inschrift  287,  zoolog.  Sta- 
tion, Jubiläum  27. 

Nega^,  Aegypten,  Auffindung  eines  Königs- 
grabes 207,  Menschenhaar  und  Getreide- 
kömer  404. 

Nekreptlen  bei  St  Canzian,  Triest  230,  360. 

Neolltkiscke  Funde  aus  Au,  Bez.  Traunstcin  819, 
in  Mähren  843,  bei  Worms  87. 

Neu-fiulnea,  Kaiser- Wilhelmsland,  Ornamente 
159. 

Neu-Seeland,  Alterthümer  112. 

NenwakI  des  Vorstandes  585. 

Ngunba-SckUel  405. 

NiederlansHi  s.  Gesellschaft 

NIenbfittel,  Kr.  Uelzen,  langobardisch-sächsi- 
scher  Friedhof  808. 

NUmegen,  Holland,  gewellt-e  Bronze-Urne  450. 

Neda  i\  Salemtne  494. 

Nerdwesikfiste  Nord-Americas  und  benachbarte 
asiatische  Länder,  Expedition  162. 

0. 

Oberkleti  in  der  Mark,  Ansgabung  595. 

Okamlky  Posen,  eiserne  Lanzenspitzen  der  Karo- 
lingerzeit 214. 

OUran,  Mähren,  Hradisko  832,  342. 

Oeeaalen  s.  Alterthfimer,  Cook-Inseln,  Darstel- 
lungen, Elephantiasis,  Höhlengräber,  Mis- 
sion,  Ornamente,  Photographien  Ton 
Schädelmasken,  Samoa. 

— ,  Reisen  813,  358. 

Oetterrelck,  Böhmen,  Bosnien,  Brunn,  St  Can- 
zian, Excursion,  Hohenstadt,  Kroatien, 
Mähren,  Mensch,  Slavonien,  Thonfiguren 
Triest,  Wandbüder. 

Okrringe  von  Königsbmnn,  Kr.  Strelno  175. 

Orakel,  der  Aissäwa  877. 

Orient- €tailU,  Auflösung  85,  Reconstruction 
812,  582. 

Ornamente  ans  Kaiser-Wilhelmsland  449. 

OrnauMutik,  altägyptische  264,  280,  der  ältesten 
Cultnr-Epoehe  Aegjptens  391. 

Ortkfdolkkvcefkalie  eines  Bakwiri-Schädels  von 
Kamerun  155. 


OssowskI,  Q.,  Tomsk  f  237,  580. 
Ost-Havelland,  Alterthümer  128. 
Ostpreussen  s.  Giebelyerzierungen,  LycL 
Ostsee  s.  Seeverkehr. 

Ovis  arles  in  neolithischen  Gr&bem  bei  Worms 
472. 

F. 

Palitlltkisckes  in  Aegypten  266,  in  Meklen- 
burg  457. 

Paln-Slemsen,  f  480. 

Pauken,  5-Steinchenspiel  446. 

Pansttrf  bei  Lübeck,  Bronzeciste  455. 

Parduklc,  Böhmen,  Steinzeitfnnde  588. 

Papü,  Guatemala,  Gräberschädel  327. 

Paulus  DIaeenus,  Erinnerungsfeier  in  Cividale  856. 

Peene,  Bronzeschwert  aus  der  221. 

Perforatlen  des  Schädelgrondes  in  ägyptischen 
Mumienscäädeln  135. 

Persien,  Metall-Einlege-Arbeiien  105. 

Peru,  Thon-Figuren  mit  verstanmielten  Nasen 
und  Beinen  474,  528,  Inhalt  eines  Schä- 
dels 82. 

Pfkkikan  von  Alt-Lfibeck  454,  von  Sehosseft- 
ried  161. 

Pferd  In  mährischen  Höhlen  840. 

Pferde-Ilefer  in  der  Moorschanze  bei  Quedlin- 
burg 142. 

Pfellerkluscken  auf  der  Nahe-Brftcke  in  Kreuz- 
nach 81. 

Pflanien  als  Urbilder  von  ägyptischen  Hiero- 
glyphen 893,  -Ornamente  auf  altägypti- 
schen Thongefässen  282,  -Reste  in  vor- 
geschichtlichen Gräbern  228. 

Pflanienwnrzel,  monströse  282. 

Piugsckar  in  Altägypten  284. 

PkekfUMle,  das  Bärenweib  als  624. 

PkotHrapkle-Alban  der  Gesellschaft  314,  666. 

Pkilegrapklen  ägyptischer  Schüler  855,  von  Be- 
duinen, Tuaregs,  Marokkanern  818,  tob 
Dayaken,  West-Bomeo  175 1  einor  eiser- 
nen Dolchklinge  aus  dem  BieWSee  913, 
von  Elephantiasis  scroti  ans  Samoa  88, 
von  der  Excursion  nach  Brandenburg  a.  H. 
312,  antiker  Germanen-Darstellungen  587, 
von  Javanern  und  Javanerinnen  222,  ans 
dem  Kaukasus  561,  von  Lyck,  MasoreB, 
Marktscenen  175,  eines  Mqnambaweibee 
mit  sog.  Knopfoase  263,  von  Port  Darwin, 
Australien  88,  des  romanischen  Capitalls 
in  der  Krypta  des  Domes  in  Braodett- 
bürg  a.  H.  312,  von  Schädelmaskan  aof 
Neu-Britannien  367,  prähistorischer  Tboe* 
gefässe  von  Dschawat,  Gouv.  Baku  9n8, 
kaukasischer  Typen  209,  von  Thongefi«sn 


(645) 


aus  bayrischen  (hmbhdgeln  der  Bronze- 
zeit 362,  aas  U<yidji  661,  von  Veitrechei^ 
Physiognomien  und  T&ttowinmgen  331, 
Ton  Weddahs  314,  -Sammlung  der  Gesell- 
schaft 583. 

Piagaeate,  Istrien,  Siayengr&ber  865. 

Pfauilneter,  neues  288. 

PltfjknfiBle  an  Yorgeschichtlichen  Skeletten 
von  Worms  465. 

Pktjrrhlnle  eines  Mtussi-Sch&dels  428. 

Pe4kate,  Böhmen,  Stierkopf  aus  Thon  250, 
TerrasigiUata-Scherben  589. 

Plppeadorf  bei  Lfibeck,  Bingwall  454. 

Pelydadjlie  eines  Mwinsa  in  Udjidji  561. 

Ptlyaetkii,  Reise  813. 

Ptnneni,  Ausgrabungen,  Bronzekeule,  Butske, 
Clempenow,  Gesichtsamen,  Küstenfund, 
lietiow,  Rügen,  Stein-Depotfunde,  Stein- 
leitgrab. 

~,  Bronieschirert  aus  der  Peene  221. 

Pttei  8.  Augustenhof,  Goldfund,  Kupferbeil, 
ObomÜL 

PMntst,  M&hren,  Artefakte  und  Menschen- 
schfldel  im  Löss  887,  menschliche  und 
thierische  Beste  der  Diluyialzeit  386, 
Mammuthknochen  mit  Pfeilspitze  886. 

Preyer,  Will,  Thieny  t  811. 

Prleiter-Miaüea  von  Deir-el-Bahri  185. 

Prtcessos  fronlalis  squamae  temporalis  am 
Bakwiri-Schädel  156. 

—  lemurianuB  an  Gräberschfldeln  ron  Gua- 
temala 826. 

Prillwlnkel  australischer  Sch&del  518. 

Prepathic  der  Bakwiri-Schftdel  156,  von  Ja- 
unde-Sch&deln  607. 

PrtJecUtasUMer  kaukasischer  Gegenden  und 
Menschen  561. 

Pnkskj,  Franz  v.  f  857,  579. 

PjgMiM  s.  Zwerge  91. 


QaedUnbarg  s.  Moorsehanze. 

B. 

fUdeiitckcl,  Kr.  Cottbus,  Schimmel-Spuk  120. 

RiacbergefiiM  von  Röderau  595. 

lUpkaeTi  Adan  und  Era  im  Original  und  Kupfer- 
stich 188. 

Ente  der  in  alt&gyptischen  Gräbern  Bestatteten 
288,  402,404. 

ReWatterf,  Kreis  Lüchow,  Ungererdschken  und 
anderer  Aberglaube  118. 

lUckaaog  der  Gesellschaft  für  das  Jahr  1897 
588,  der  Rudolf  Yirchow-Stiftung  für  das 
Jahr  1897  585. 


Reckts  und  links  arbeiten  268. 

Rflcheakall  s.  Funde,  Hausst&tten. 

ReikerWrg  b.  Biesenthal,  Rundwall  262. 

Reise  in  Aegypten  182,  anthropologische,  nach 
Australien  207,  313,  508,  nach  Neu-Guinea 
288,  nach  der  Insel  Lombok  85,  poly- 
nesische  813,  858. 

RelseMder  aus  Deutsch-Südwest- Africa  481. 

ReligIfBeQ  Kaschmir's  200. 

Renfklerreste  in  mährischen  Höhlen  840. 

Retsln,  Ponunem,  Steinzeitgrab  87. 

RkHigewaaa  bei  Worms,  neolithische  Skelet- 
gräber  465. 

RkHiprtftns  s.  Trier. 

Rklntcerw-KiecbeB,  bearbeitete  834. 

Rln^trklefer  aus  der  Moorschanze  bei  Quedlin- 
burg 158. 

Rinilerpesi  in  Süd-Africa  52. 

Rlngwall  Milseburg  in  der  Rhön  87,  bei  Obran, 
Mähren  382,  842,  die  Schanze  von  Pöppen- 
dorf  454. 

Rlntelo  a.  W.,  Ausgrabung  der  Hünen-  oder 
Frankenburg  869. 

Rlvlsta  ItallaBa  di  sociologia  288. 

Rliil,  Don  Jose,  Luzon  f  26,  480. 

—  Letztes  Lebewohl  575. 
RMeran,  Lehmgräber  595. 

Riacndt,  Funde  der,  in  Worms  464,  468. 
Ritbel  im  Löss  von  Pfedmost  887. 
Reaalcc,  Böhmen,  Kupferbeil  589. 
Retkfiuiaiig  von  Skelettheilen  im  Löss  334. 

—  8.  Bemalung. 

Retkkatrige  bei  den  Somal  und  auf  Neu-Guinea 

277. 
RiiilBke,  Böhmen,  Kupferbeile  589. 
Rfifen,  Küstenfnnd  872. 

—  8.  Lietzow,  Stein-Depotfunde. 
Rakekettra,  assyrische  164. 

Riidwali  bei  Biesenthal  262,  bei  Leibsch,  Spree- 
wald 56. 

Roitlaid  s.  Amulette,  Antimongeräthe,  Bronze- 
Gürtelblech,  Gräberfunde,  Kalmücken, 
Kaukasus,  Kephalonie,  Mediciner-Congress 
Museen,  Schädel,  Transkaukasien,  Wolo- 
sowo. 

S. 

Stbkftkfelcr  der'ATsawa  376,  der  NordaMkaner 

893. 
Sacksen  s.  Aberglaube,  Eilsdorf,  Gesichts-Thür- 

Umen,  Gründung,  Lehmgräber,  Messdorf. 
Sackferstinillge   für  das  Königl.  Museum  für 

Völkerkunde  162. 
Stdert^orf,  Kr.  Guben,  Skarabäen-Gemme  169. 
Sirge,  goldene,  in  Hügelgräbern  117. 


(646) 


Sage  vom  Farbensteio  bei  Görbitzsch  432. 

Sagen  vom  Schlossberge  Mehlken  68,  der  Um- 
gegend von  Trebichow,  Kr.  Cottbus  120, 
welche  an  vorgeschichtliche  Grftber  an- 
knüpfen und  anderer  Aberglaube  117. 

Sakara-Bewfbner  in  Berlin  288. 

SabI,  Sidney  f  287. 

Sallet,  V.  t  580. 

Salikacker  in  Udjidji  561. 

Saliwedel,  Bäume  beschenken  119. 

Saiaea  s.  Elephantiasis. 

SantglteD  379. 

SaMtgHiea,  Zwerge  92. 

Sammlung  Petermann  in  Burg  a.  Spree  49  t. 

Sammlungen*,  ethnographische  und  archäolo- 
gische in  Hamburg  462,  der  Gesellschaft 
588. 

Scbädel  s.  Nachbildungen. 

—  aus  algerischen  Dolmen  288,  australische 

88,  506,  mit  pathologischen  Zuständen 
514,  der  Bakwiri,  Kamerun  154,  von  den 
Cook -Inseln  818,  deformirter  von  Arica 
506,  vom  Gebel  Silsileh,  Inhalt  889,  zu 
Gef&ssen  verarbeitete  aus  Böhmen  589, 
von  Jaunde  aus  Kamerun  604,  mensch- 
licher, im  Löss  von  Piredmost  887,  in  der 
Moorschanze  bei  Quedlinburg  144,  eines 
Mtussi  von  Udjidji  amTanganyika-See  426, 
aus  einer  neolithischen  Ansiedelung  in 
Böhmen  46,  von  Ngumba,  Kamerun  405, 
von  Neu -Seeland  114,  der  Römerteit 
in  Worms  468,  der  Steinzeit,  älteste,  von 
Wolosowo,  Russland  459,  ans  der  Tominz- 
höhle  bei  St  Canzian  230,  deformirter 
281. 
Artefakt,  japanisches  218. 

—  -Inhalt  (harzartige  Masse)  aus  einem  alt- 

ägjptischen  Schädel  und  ans  peruanischen 
Mumienköpfen  32,  188. 

NasLen  aus  Neu-Britannien  867. 

Sammlung  der  Gesellschaft  588. 

Schaffkansen  s.  Schweizersbild. 

Sckale  mit  Vogelfigur  von  Burg  im  Spree- 
walde 591. 

Schauiammlung  von  ethnologischen  Schädeln 
508. 

Sckerken,  vorslavische,  vom  Lindhörst  445. 

SehlDianker  von  Mehlken  65. 

Schlmmel-Spnk  120. 

Sckläfenrlnge  von  Bielo  Brdo  368,  in  Istrien 
865,  in  Krain  365,  in  KroaHen  864. 

Scblagenlhln,  Kr.  Tuehel,  Hügelgräber  88. 

Scklaner  Berg,  Böhmen,  Stiertiguren  254. 

ScklangenbeKkwJrer,  marokkanische,  in  Berlin 
813. 


Scblangen-Oraament  in  Mähren  842,  der  Urne 

von  Schwennenz  593. 
ScUappanHz,  Mähren,  neolithische  Gefässe  848. 
Schleife,   Kr.   Rothenburg,  Schlesien,  Wolle- 

spinnen  168. 
ScUepzIg  im  Spreewald,  Umenfeld  379. 
Schlesien  8.  Schleife. 
Schletwlg-Halsteln  s.  Danewerk,  Flensburg,  HoU- 

arbeiten,  Kiel. 
— ,  Bronze-Analysen  344. 
SchletUUdt,   Grabfund   in    der  Fides -Kirche 

112. 
Schllemann-Biste  in  Schwerin  456. 
Scbllttkntcben  von  Obiran,  Mähren  342,  aus  dem 

Schlossberg  bei  Burg  a.  Spree  490. 
SeUtssherg  von  Burg,  s.  Burg. 

—  von  Mehlken,  Kreis  Carthans  58. 
Schmdztlrgel  von  Au,  Ober-Bachern  822. 
Schmidt,  Julius,  HaUe  f  480,  580. 
SrhmiickMcken  aus  röm.  Wohnstätt«n  am  Zwieitcl 

319. 
Scheschnwka,  Mähren,  Höhlen  840. 
Schrifl,  Kunst  der,  in  Altägypten  284. 
Gelinder  in  einem  ägyptischen  Königagrabe 

207. 
Schrinen-Aottansch  16. 
Schnlklnder-Untenucbung  in  Niederland  488. 

—  in  Aegypten,  s.  Photographien. 
Schnsaenried,  Pfahlbau  von  161. 
Schutamitlel  gegen  Viehseuche  und  Blit«  469. 
Schwan,  thönemer,  vom  Lüttgenberge  bei  Burg 

im  Spreewald  862. 
Sehwarihaarlge  in  Böhmen  588. 
Schweden  s.  Lappländer. 
Schwedenschanze,  die,  bei  Görbitzsch  429. 
SchwHnefcntchen  in  der  Moonchanze  bei  QaedUii- 

bürg  158. 
Schweitzer  t  311,  580. 
Schweiz  s.  Gesellschaft,  SchwetzersbildfSeniexWK 

Zeitalter. 
— ,  Dolchklinge  aus  dem  Bieler  See  213. 
— ,  mährische  336. 
SchwHzershlld  bei  Schaffhausen  86. 
Schwerin  s.  General- Versammlung. 
— ,  Anthropologen-Fahrt  nnd  Museum  466. 
Schwerter,  eiserne,  vom  Wesenberg  bei  Bn»- 

denburg  a.H.  861. 
SfcnndIr-BfstaUnngen  in  Aegypten  277. 
Seddln,  Westpriegnitx, Drachensage  ll9,GTftbn^ 

sage  117. 
Seeverkehr,  alter,  auf  der  Ostsee  457. 
Senieres,  Schweiz,  Bronze- Armband  4A9 
Sicillen  s.  Flora. 

SiehbHn,  Perforation  des,  in  Mumien  186 
SHherharren  von  Troja  500. 


(647) 


SltteriDiiiieii,  angarische,  in  Slavengr&bern  368, 
in  vorgeschtl.  Zeit(?)  in  Transkankasien 
210.  ^ 

Sinefc,  Kroatien,  slansohe  Alterthümer  865. 

SkarabiMi-CftemBe  von  Amtitz,  Kreia  Gaben  170, 
von  Sadersdorf,  Kreis  Gaben  169,  von 
Tammendorf,  Kreis  Crossen  170. 

Skfift  eines  Ndogunbaea,  Kamemn  602. 

—  -Bestattoag  in  Holzsftrgen  der  röm.  Kaiser- 

zeit in  Worms  165. 

—  -Fand  im  Löss  von  Bronn  884. 

—  -(iriker  mit  ägyptischen  Beigaben  in  Böh- 

men 590,   der  Bronzezeit  zwischen  sla- 

vischen  868,  bei  Gross-Czemossek-Czalo- 

sitz,  Böhmen  115,  aaf  Neu-Seeland  118, 

slavische  in  Tstrien  865,  in  Krain  865,  bei 

Stemberg  489. 
-FHd,   slavisches  bei  Svinjarevce,   Sla- 

vonien  364. 
•—  •latchen,  roth  bemalte,  von  Neu -Seeland 

118,  von  Brdnn  887,  s.  Bemalang. 
SkelHtr,  vorgeschichtliche  von  Worms  465. 
SkHeUhflle  in   der  Moorschanze   bei  Qaedlin- 

barg  145. 
Sklertdermle,  allgemeine  625. 
SlaThckes  fiefist  aas   dem    salzigen   See    bei 

Eisleben  591. 
Slaflsckes  aas   dem  Schlossberg  bei  Borg   an 

der  Spree  490. 
Slavonlea,  slavische  Skeletgrftber  362. 
SItap,  M&hren,  Höhlen  889. 
Spina  trtcblearls  an  Australier-Schädeln  515. 
SfhM  aas  Bosnien  102. 
Spinn»  mit  Spindel  und  Wirtel  95,   168,   in 

St&Uen  595. 
Spinnrocken  (Kankeln)  aus  Bosnien  100. 
Sprachen  derBismarck-Insulaner58,  inKamenm 

608. 
Staate-Beihilfe  för  die  Gesellschaft  162. 
Stachelkenlen  aas  Bronze  s.  Morgenstern. 
Stanrnbaum  s.  Martens. 
Stetnstmp,  Joh.  Japetus  Smith  f  811,  579. 
Stein,  der,  bei  Biberteich,  Breesen,  Klaaswalde, 

Tomow  441. 
.4eite  in  Meklenbarg  467. 

—  -.innlelte  in  altftgyptischen  Gräbern  277. 

—  -Ban  in  der  Moorschanze  bei  Qaedlinbnrg 

141. 

—  -BelftahHi  in  altägyptischen  Gräbern  i>77, 279. 

—  -Bell  vom  grossen  Werder  im  Liepnite-See 

268. 

—  -BepftAin4f  aaf  Rügen  and  in  Vorpommern 

458. 

—  -^flise  der  Ababde  und  andere  ans  Aegyp- 

ten  272y  855,  in  einem  ägyptischen  Königs- 


grabe  207,  aas  altägyptischen  Gräbern  188, 
275,  279. 
StHn-Geritbe  der  Ababde  95,  von  An,  Ober- 
Bayern  820,  in  Mähren  888,  in  der  Metall- 
zeit 456. 

—  -Hiinmer,  durchbohrter,  von  Horadies,  Gouv. 

Elisabethpol,  Transkaukasien  210. 

—  -Inschrift  der  XVIII.  ägyptischen  Dynastie 

184. 

Kininifr  von  Oberkietz  595. 

Rl»tf  bei  Klein-Kensau,  Kreis  Tuchel  88. 

KIsteniriher  in  Costa  Rica  360,  b.  Görbitzch 

487. 

Sarkophigf,  römische,  in  Worms  165,  468. 

Tmhen  von  Oberkietz  595. 

Stelnielt  in  Aegypten  28,  plastische  Figuren 

der,  aus  Böhmen  258,  im  Lübecker  Museum 

455,  in  Meklenburg  457. 

—  -Funde  aus  Aegypten  268,  von  Au,  Ober- 

Bayern  320,  in  ßöhmen  588,  bei  Flens- 
burg 458,  aus  den  Höhlen  von  St.  Ganzian 
228,  aus  der  Gegend  von  Homburg  463, 
in  Mähren  348,  von  Waldhusen  455,  in 
Worms  464. 

~  -Grah  bei  Retzin,  Pommern  87. 

(SriherfeM,  neues,  bei  Worms  165. 

Skelette  von  der  Rheingewann  bei  Worms 

465. 

Scherhen  vom  Burgwall  Königsbrunn  172, 

aus  der  Moorschanze  bei  Quedlinburg  140. 

Stfliftass,  selbstgefertigter,  eines  Lappländers 
84,  117. 

Stempel  für  Brot  99,  auf  mährischen  erfassen 
843,  auf  Terra -sigillata- Scherben  vom 
Zwiesel  318. 

Sternhf  rf ,  Kreis  West-Stemberg,  das  alte  Haus 
I         435,  Feuerstein -Werkstätten  und  Gräber 

436,  Fundstätten  442. 
{ Sternwarte   auf  dem   Treptower  Ausstellungs- 
I         platze  360. 
!  Stettin  s.  Gesellschaft. 

Stefent,  Hrolf  Vaughan,  Aneberg,  Sarawak  f 
235,  580. 

Stier-Figuren  aus  Böhmen  254. 

—  -Kffpf^  aus  Thon,  Böhmen  250. 
Stiftnng  für  amerikanistische  Studien  85. 
Stirnhöhlen,  starke,  von  Jaunde-Schädeln  606. 
Strassatnn,  Berlin  f  207. 

Snhftani,  weisse,  in  den  Ornament-Ritzen  vor- 

geschichtlicherThongefässeWestpreussens 

35. 
Satnra  frenlalls  persistens  an  Australier-Schädeln 

515,  an  Peruaner-Schädel  507. 
Svinjarrvce,     Slavonien,     slavisches     Skelet- 

Gräberfeld  364. 


(648) 


Swail-HanB  in  Berlin  812. 
SjQfsttseo  an  Jannde-Schädeln  605. 

T. 

TtUkpfelfen,  steinerae,  der  Ababde  und  der 
Begarölker,  Ostafrica  274. 

Ttbu-W6rter  in  der  Hochzeitsnacbt  der  Ja- 
paner 91. 

TtDier  von  Shangus,  Kaschmir  199. 

Tittf wirang ,  eorop&ische  ron  Menschenhant 
281,  828,  in  Kamerun  608,  eines  Mwinsa 
ans  Kassenga  (Udjidji)  561,  in  U^jidji  414, 
418. 

Tahiti  8.  Höhlengräber. 

TalkMhiefer  als  l£aterial  für  Töpfe  278. 

Tamllea  und  Singhalesen  auf  Ceylon  818. 

TanoMadirf,  Kreis  Crossen,  Skarabäengemme 
170. 

Taii  der  'Ais&ira  877. 

TapfeDstdD  von  Mehlken  und  Steine  mit  Fuss- 
spuren  überhaupt  68. 

Tir-kascbl,  Draht-Einlege-Arbeit  105. 

TaakB-FIM  vom  Zwiesel  819. 

Tauf,  Böhmen,  Bronzekeulen  590. 

Teckotk  einer  yorgeschichtlichen  thönemen 
Kinderklapper  261. 

Teckniscbes  aus  Troja  188. 

Tem^  auf  Island  166. 

Tempdralaen  yon  Martand,  Kaschmir  199. 

Teae-fiefiss,  aus  der  Moorschanze  bei  Quedlin- 
burg 140. 

ftrlkr  in  Böhmen  115. 

Te^^k -Weberei  in  Bosnien  99. 

TerrasigUlafa-ScherkeB  von  Podbaba,  Böhmen 
589. 

ThtBwaare  vom  Zwiesel  bei  Reichenhall  818, 

Therealenkof  s.  Hügelgriber. 

Thiergestalteo  aus  Stein  in  altägyptischen  Or&- 
bem  277,  ab  Vorbilder  für  Hieroglyphen 
399. 

Thlerkntchei  in  der  Moorschanie  bei  Quedlin- 
burg 142,  aus  den  neolithischen  Gräbern 
Yon  Worms  470,  aus  der  Tominihöhle  von 
St  Canzian  bei  Triest  229. 

mer-OmameDle  auf  altägjptischenThongefässen 
281. 

Tkler-Reste,  Diluviale,  in  Mähren  388. 

Thtnerde,  phosphorsäurehaltige,  als  Material  von 
Pseudomorphosen  des  Grab-Inhalts  853. 

Thtafigarea,  vorgeschichtliche  plastische,  aus 
Böhmen  246. 

Tbeagefiit  der  Steinzeit  ans  der  Tominihöhle 
bei  St  Caniian  228. 

ThtagcdMe  in  altägjptischen  Gräbern  277,  mit 
Darstellungen  Verstümmelter,   Peru  528, 


614,  römische,  in  Worms  165,  slaviicbe, 

aus  dem  Burgwall  Alt-Lübeck  458. 
Thfogerllh  aus  einer  neolithischen  Ansiedelong 

von  Lobosita,   Böhnfen  46,  vom  Zwiesel 

bei  Reichenhall  317. 
Tbengeschlrr  von  Au,  Ober-Bajem  822. 
ThiDscberbeB,   bemalte,    von   Obhm,   Mähren 

342. 
Tbormkff f,  peruanischer,  aus  Arica  506. 
Tlkl= Zwerg,  weite  Verbreitung  des  Wortes  95. 
Tlrtler  s.  Mensch. 
Tipferel  in  Troja  188,  prähistor.,  in  Trans- 

kaukasien  210. 
Ttf  (iKberbea  vom  Schlossberge  bei  Mehlken  72. 
Ttpelat,  Kreis  Schwetz,  Bronie-Ume  86,  176. 
Tfifrind,  Knochen  in  Worms  472. 
Toraew,  Kreis  West-Stemberg,  grosser  Stein 

441. 
Trarbtea-Haseam  in  Berlin  288,  859,  582. 
Traatkaakasica,  archäologische  Funde  209,  s. 

Metallfnnde,  Silber-Münien,  Steinhammer. 
Transvaal  s.  Hungersnoth. 
Traatvaal-ABsstellaBis  in  Berlin  288,  812. 
Trebicbf  w,  Kreis  Cottbus,  Sagen  120. 
Trichter  der  Lappen  116. 
Trier,  Fibel  mit  Inschrift  287. 
Troja  8.  EÜsenobjecte,  Silberbarren,  Techni- 
sches. 
Tradenftass  bei  Wilshofen,  Bayern  600. 
Taarfgs  in  Berlin  288,  818. 
Tubereeltas  mailllt-nialarit  und  malarer  Gesichts- 

durchmesser  462. 
Tirkel,  alte  Dischriften  814. 
TjBBs,  Aunötitier  44. 

ü. 

Uebergaagsielt-ttriber  in  Böhmen  44. 

Dbebe    als   Ansiedelungsgebiet    für   deutsche 

Landwirthe  586. 
UJUi  =  U^idji,  Anthropologie  von  Eingebonen 

410,  561. 
D4JI4JI  s.  Tättowimngen. 
PwfiiagiBiaasse  von  Jaonde-Sehädeln  609. 
Darracbtbarfcell  der  Frauen  au  eri[ennen  88. 
Ungarn  s.  Mutterkrani,  Urbeschäftigungen. 
tJagstdn,  Rheinpfali,  römische  Villa  88. 
Unterklefer-llälfle  eines  Menschen  im  Löaa  von 

Pi^edmost,  Mähren  386. 
Vntcrsacbang,    chemische,    vorgeschichtlkher 

Bronien  123,  aus  Schleswig-HolstdB  SR 
IJnTerwBBdbarkHt(?)  der  'Aisäwa  87& 
VrbcschifUgnngen  in  Ungarn,  Forachimgen  814. 
Drbewobner  von  Aegypten  270. 
Dme  s.  Bronie. 
Imen  von  Königsbrunn  178. 


(649) 


UnwifeM  bei  Buchhols,  Kr.  Ober-Barnim  57, 
bei  Diensdorf,  Kr.  Beeskow-Storkow  57, 
bei  Schlepiig,  Kr.  Nieder-Laositi  B79. 

VineDgriber  der  Bronzeieit  in  Böhmen  45,  bei 
Görbitzsch  488. 

Dineohan-AasfBllaDgen  auf  Gef&ssacherben  180. 

Drepiniig  der  Aegypter  268. 

y. 

Yanc«,  Fraa  Alice,  geb.  Reed,  das  Bftrenweib 

621. 
YarleUten  an  Anstralier-Sch&deln  515. 
YeMes,  Kndn,  slavische  Skeletgr&berfonde  365. 
Yerbreeker  •  Phjslfgneiiilen    und   Tftttowirongen 

881. 
Yereln  f&r   sftchsische   Volkskunde   s.  Yclks- 

knnde. 

—  8.  Trachten-Moseom. 

Yergletsckeraiif  M&hrens  Yon  Norden  her  882. 
YentiniMeling,  angeborene,   des  Bftrenweibes 

621. 
— ,  als  Strafe  (?)  in  Fem  559. 
— ,  an  Thonfiguren  aus  Peru  558,  614. 
YerwallvagsWricht  der  Gesellschaft  für  das  Jahr 

1897  579. 
YiUa,  römische,  auf  dem  Weilberge  bei  Ung- 

stein,  Rheinpfalz  88. 
Yirckew-Stlftaag,  Jahresrechnung  585. 
YÜUntiane  Kameruns  608. 
YilkerwaDdeniDisiell,   Brandgräber  87,   Thier- 

figuren  aus  Böhmen  258. 
Yfg«l^nteltang  Yon  Hayrau,  Böhmen  257. 
Ytgelfigir  Yon  Burg  a.  Spree  591. 
Tfflkskande,  sftchsische,  Verein  f&r  208. 
YtraWid  des  muselmannischen   Sabbaths  bei 

den  'Aisawa  876. 
Yergttchldite  Aegypt^ns  389. 

W. 

Waclieabeini  in  der  Rheinpfalz,  La  Tene-Grab 

165. 
WlsckeUepfer  aus  Bosnien  100. 
Waffen  der  Bosniaken  98,   aus  der  Hfinenburg 

bei  Rinteln  871. 
WaykaseB  bei  Lübeck,  Hünengrab  454. 
Wall,  prähistorischer  s.  Königsbrunn,  Milse- 

bürg,  Moorschanze. 
— ,  YorslaTischer,  bei  Burg  a.  d.  Spree  490. 
Walpargitaadit  im  hannöYer.  Wendlande  119. 
WandMMer    der   Völker   Gestenreich  -  Ungarns 

586. 
WaB4cr-€fii|reste  581. 

—  -leMckrecken  in  Transvaal  52. 
Wankel,  Heinrich  f  161,  579. 
Wafpeaf laaie,  altftgyptische  895. 


Wattenkack,  Wilhelm  f  857. 

WedM-Pket«grapkleD  814. 

Weklnltz,  Böhmen,  Aschengrube  115. 

Wdcktkelle,  Entfernung  der,  aus  ägyptischen 
Mumien  185. 

WelknacktskraBck  im  hannÖY.  Wendlande  119. 

Weiss,  Hermann  f  161. 

Wdcker,  Hermann  f  857,  580. 

Wellenllnlen-Oroaiiient  Yon  Gadsdorf,  Kr.  Teltow 
497,  römisches  818. 

Wellen-Ornameat  und  Schlangen-Ornament  598. 

Wenden  bei  Lüdersdorf  445. 

Weudland,  Weihnachtsbrauch  im  Hannoverschen 
119. 

Weslprenssen  s.  Analysen,  Antimon,  Blei,  Bronze- 
Depot -Funde,  Bronze -Urnen,  Burgwall, 
Gedenkfeier,  Hügelgräber,  Kalk,  Klein- 
Kensau,  Mehlken,  Münsterwalde,  Sagen, 
Schlagenthin ,  Schlossberg ,  Steinkiste, 
Tapfenstein,  Untersuchung. 

Wetterkexen  498. 

Welzstein-Ificksen  aus  Bosnien  102. 

Widderkepf  an  einem  Gefäss  Yon  Öaslau,  Böhmen 
256. 

Wiege,  goldene,  sagenhafte,  im  Hügelgrabe  Yon 
Gross-Chüden,  Altmark  119. 

Wle|»ken,  0.  F.  f  84. 

WIessen  bei  Saaz,  Böhmen,  Stierkopf  aus  Thon 
258. 

Wllmersderf,  Kreis  Beeskow-Storkow,  Urnen- 
Gräberfeld  228. 

Wllskefen,  Bayern,  Trudenfuss  600. 

Wirterkicker  und  Literatur  der  Sprachen  im 
Bismarck-Archipel  54. 

Weknst&ttea,  neolithische,  bei  Iiobositz  45, 
römische,  bei  Reichenhall  816. 

Wellespinnen  mit  Spindel  und  Wirtel  95,  168. 

Welfstwe,  GouY.  Wladimir,  älteste  Steinzeit- 
Schädel  459. 

Wemifl  s.  Gräberfeld,  MeroYingerzeit,  Museum, 
Platyknemie,  Römerzeit,  Skelet-Gräber, 
i         Steinzeit,  Thierknochen. 

- ,  römische  und  neolithische  Gräberfelder  87, 
464. 

Wfirttenkerg  s.  Schussenried. 

Z. 

laknfentinuaelang  in  Udjidji  418,  419,  422. 

lankerftfimeln,  japanische  89. 

lankerknetea  498. 

Zaakerwelker  498. 

leLe,  längste,  bei  Afrikanern  561. 

leldien  des  Südens  in  ägyptischen  Hieroglyphen 

282. 
XeHalter,  Dauer  der  Yorgeschichtlichen  86 


(G50) 


fOr    Criminftl-Anthiopologie ,    Ge- 
ss-WisseDschaft  und  FrostitutioDB- 

176. 

der   gewellten  Bronie- Urnen  178, 

esJchts-Umen    260,    der   amerika- 

D   ThongefiUtte    mit   Darstellungen 

mmelter  615,  621. 

Dze-llnen  176. 

f,  Angebliche,  der  Lolchen  bei  der 

tnng  278. 

D  Udjidji  436. 

Knotenechrift. 

lUachee,  in  Qr&bern  362. 

lei  verwitterten  Bronzen  348. 


Zlitt-TerkHUMa  ini  tropischen  Afnca  ud  Zinn- 
Indoatrie  der  Eingebomon  t>T. 

ZiBipir,  Engen  t  &t<0. 

XmIhI»,  internationaler  Congress  586. 

ZaIg-lUchtn  in  Berlin  312. 

Ewtrge  in  Kamemu  602,  und  grosse  Leute  in 
demselben  Volke   91,    379,   bei  Thieren 


Kamenin  603. 
X*cfErauei  in  Marocco  95. 
IwicMl  bei  Beichenhall,  Ober-Bayern,  rOmiache 
Wohnst&tten  und  Griberfeld  816. 

Eduard  Kraase. 


Naehriehten 


über 


deutsehe  Alterthumsfunde 

1897. 


Mit  Unterstützung 
des  Königlich  Preussischen  Ministeriums  der  geistlichen,  Unterrichts- 
und Medicinal- Angelegenheiten 

herausgegeben  von  der 

Berliner  Gesellschaft  fOr  Anthropologie,  Ethnologie 

und  Urgeschichte 

unter  Redaction  von 

R.  VIrchow  und  A.  Voss. 


Erg&niungsbl&tter  rar  Zeitsehrift  Ar  Ethnologie. 


BERLIN. 

Verlag  von  A.  Asher&Co. 

1898. 


Inhalts  -Verzeicimiss. 


Seite 

1)  Brandgräber  der  Yölkerwandernngs-Zeit  Ton  Messdorf,  Kr.  Osterburg 1 

2)  Germanische  Begr&bnissstätten  am  Niederrhein: 

I.  Ausgrabungen  in  Heumar 2 

II.           ,              bei  Duisburg 6 

8)  Bronze-Depotfund  von  Clempenow,  Pommern  (ö  Zinkogr.) 7 

4)  Ein  römischer  Meierhof  bei  Ungstein  in  der  Pfalz 11 

5)  Neue  Funde  von  der  Feuerstein- Werkst&tte  bei  Guschter-Holländer,  Kr.  Friodoberg  11 

6)  Halbfertige  Steinh&nuner  von  der  Bremsdorfer  Mühle,  Kr.  Guben 12 

7)  Otterfallen  von  Gross-Lichterfelde,  Kr.  Teltow 12 

8)  Steingerftthe  auf  Rügen 18 

9)  Thongefftss  der  Völkerwanderungs-Zeit  von  Behlo,  Posen  (8  Zinkogr.) 15 

10)  MeroTingische  Emailperlen  von  Dollgen,  Kr.  Prenzlau  (2  Zinkogr.) 16 

11)  Hügelgräber  auf  dem  Brommbarge,  Wessenstedt,  Kr.  Uelzen  (8  Sitnationsskizzen, 

2  Autotypien  und  1  Holzschnitt) 17 

12)  Hügelgräber  bei  Schlagenthin,  Kr.  Tuchel  (4  Situationsskizzen) 88 

13)  Steinkiste  bei  Kl.  Kensau,  Kr.  Tuchel  (1  Autogr.) 85 

14)  YorgeschichÜicho  Funde  aus  der  Umgegend  von  Grandenz  (1  Autogr.) 86 

16)  Märkische  Alterthümer  (8  Zinkogr.) 86 

16)  Kupferne  Doppelaxt  von  Börssum  (1  Zinkogr.) 41 

17)  Bronzefund  von  Lekow,  Kr.  Schivelbein,  Pommern 42 

18)  Fundstelle  bei  Bornim,  Kr.  Ost-Havelland 44 

19)  Zwei  Bronzefnnde  aus  Pommern  (Rügen  und  Usedom^  (12  Zinkogr.)    ....    44.  96 

20)  Römische  Fingerringe  von  Hammelstall  bei  Brüssow,  Uckermark  (1  Zinkogr.)  .   .  48 

21)  Bericht  über  das  Provincialmuscum  in  Bonn  18%/9T 69 

22)  Bericht  über  das  Provincialmuseum  in  Trier  18%/97 78 

28)  Langobardisch- sächsischer  Friedhof  bei  Nienbüttcl,  Kr.  Uelzen  (9  Abbild.)  ....  77 

24)  Nene  Funde  von  S.  Lucia  bei  Tolmein -  80 

25)  Hügelgräber  am  Losenmeere  bei  Haarstorf,  Kreis  Uelzen  (1  Situationsskizze  und 

18  Abbüd.) 81 

26)  Umenfeld  bei  Schlopzig,  Kr.  Lübben,  Niederlausitz  (6  Abbild.) 88 

27)  £in  Küstenfund  bei  Lietzow,  Rügen 94 

28)  Bronzeschwert  von  Felchow,  Kr.  Angermünde 95 


Geographische  Uebersicht  nach  Lindern  nnd  Provinzen 

(nach  den  Niimmem  do8  Inhalts- Verzeichnisses}. 

Preussen;  Nr. 

Brandenburg 1,  5,  6,  7,  10,  15,  18,  20,  26 

Hannover 11,  23,  25 

Pommern * 3,  8,  17,  19,  27,  28 

Posen 9 

Rheinprovinz 2,  21,  22 

Westpreussen 12,  18,  14 


1 


Nr. 
16 


htsche  Uebersicbt  über  deatscbe  (and  iiaolib>rlIclie)  AlterthntBBftuda 
fttr  das  Jahr  189«. 

r  AbkünnngeD Ü 

agen,  tDS&mmeafasseiide  Berichte  und  nene  Hittheilungen  über  Sitete 

60 

und  Mittheilnngen  über  nene  Funde 5T 

e  Uebereicht 66 

der  Schriftsteller  nud  der  Seobachter 67 


Ergänzangablätter  znr  Zeitschrift  fttr  Ethnologie. 

Nachrichten  über  deutsche  Alterthnmsfimde. 

Mit  Unterstützung  des  Konisch  Preuss.  Ministeriums 
der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinal- Angelegenheiten 

herausgegeben  von  der 

Berliner  Cfesellsehaft  fflr  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgesehlchte 

unter  Bedaction  von 

R.  Virchow  und  A.  Voss. 


Achter  Jahrg.  1897.      Verlag  Yon  A.  ASHER  &  Co.  in  Berlin. 


Heft  L 


Brandgräber  der  Völkerwanderungszeit  von  Messdorf, 

Osterburg. 


Dicht  bei  Messdorf  erhebt  sich  ein  Sandrücken  mit  ziemlich  steilen  Abhängen, 
wo  Artther  Urnen  gefunden  sein  sollen.  Ueber  eine  Untersuchung  der  Fundstelle 
seitens  des  Verfassers  sei  Folgendes  berichtet: 

Das  Gräberfeld  befindet  sich  nordwestlich  von  der  auf  dem  Abhänge  liegenden 
Kirche  auf  einer  noch  höheren  Stelle  desselben  SandhUgels.  Ein  tiefer  Hohlweg 
trennt  Kirchhof  und  Fundstelle;  die  an  der  Seite  der  letzteren  gelegene  Wand 
wird  zur  Sandgewinnung  abgebrochen,  wobei  die  Urnen  herabfallen.  Eine  von 
diesen  hatte  der  Schmiedemeister  Bob  lecke  in  Messdorf  aufbewahrt  und  schenkte 
sie  dem  Kgl.  Museum  für  Völkerkunde.  Es  ist  eine  verhältnissmässig  hohe 
Schalenume  ohne  Ornament  ßemerkenswerth  ist  die  Angabe  des  dortigen  Pfarrers 
Hm.  Lamprecht,  dass  die  Kirche  eine  alte  Anlage  des  Klosters  Corvey  ist 
und  einen  der  ältesten  Mittelpunkte  des  christlichen  Lebens  in  dortiger  Gegend 
darstellt. 

An  der  Fundstelle  sondirte  ich  in  etwa  80  cm  Tiefe  ein  Steinlager.  Die  Aus- 
grabung ergab  eine  pflasterartige  Steinpackung,  in  der  die  Urnen  theils  dicht  an 
den  Steinen,  theils  in  Sandnestem  zwischen  diesen  standen.  Ueber  dem  Steinlager 
zog  sich  eine  durchgehende  sepiabraune  sehr  feste  Sandschicht  von  1  — 2  cm  Stärke 
hin,  wie  sie  dann  auch  in  den  Urnen  am  Boden  gefunden  wurde.  Eine  aus  den 
letzteren  entnommene  Probe  enthielt  —  abgesehen  von  den  darin  steckenden 
Brand knochen  —  keine  organischen  Substanzen. 

Urne  1  stand  dicht  am  Rande  des  Abhanges  in  1  m  Tiefe  im  Sand.  Sie  ist 
nicht  verziert  und  enthält  nur  Brandknochen.  Urne  2  befand  sich  1  m  NW.  von 
Urne  1  in  und  unter  dem  Packlager,  sie  ist  mit  einer  Reihe  schräger  Kerben, 
altemirend  schrägen  Strichgruppen  und  Festons  verziert;  zwischen  den  Brand- 
knochen fanden  sich  spärliche  Bronzefragmente.  An  dritter  Stelle  lag  0,30  m  W. 
Ton  Urne  2  ein  Haufen  von  Brandknochen  und  eine  Thonscherbe  frei  zwischen  Sand 
und  Steinen.    Die  letzte  Urne  wurde  '/«  m  NW.  von  Urne  2  geftmden,  sie  ist  mit 

1 


—    2    — 

vertikalen  Strichgrappen  nod  Fisch^ten  -  Ornament  yeraehen.  Bei  der  Unter- 
sachung  des  Inhaltes  der  Urne  zeigt  sich,  dass  die  nicht  sehr  zerkleinerten  Brand- 
knochen nicht  hineingeschttttet,  sondern  gelegt  worden  waren,  so  dass  die  längeren 
Stücke  häutig  parallel  zu  einander  in  Bündeln  liegen. 

Die  Anlage  gehört  der  Völkerwandenings-Zeit  an. 

Die  Urnen  schliessen  sich  den  sonst  ans  dieser  Zeit  und  Qegend  bekannten 
Fanden  an.  A.  Oötze. 


Germanische  Begräbnissstätten  am  Niederrhein. 

I.  Ausgrabungen  in  Heumar. 

Der  Begräbnissplatz,  welchen  ich  im  April  1896  untersuchte,  bildet  die  Fort- 
setzung des  in  den  „Nachrichten'^  bereits  mehrfach  erwähnten  prähistonachen 
Friedhofes  in  der  Nähe  des  Forsthanses  zu  Ueumar.  Tannenwald  besteht  den 
letzteren  Theil,  während  Gestrüpp  und  Gehölz  den  erstgenannten  stets  bedeckte 
und  unkenntlich  machte.  Dieses  Kleinholz  war  nun  im  yergangenen  Winter  be- 
seitigt und  der  Platz  zu  einer  Neubesäung  vorbereitei  Er  hat  eine  Ausdehnung 
Ton  etwa  100  Schritt  nach  Süden,  dortbin  sich  abdachend.  Im  Westen  grenzt  die 
Stelle  ebenfalls  an  eine  Bodensenkung,  im  Osten  bildet  er  mit  dem  dort  sich  fort- 
setzenden Walde  dieselbe  Höhe.  Der  Boden  ist  Sand  mit  reichlichem  Quarz  yer- 
mischt;  aus  demselben  Material  bestehen  auch  die  Hügel.  Nur  Bnndhflgel 
koDunen  vor,  meistens  kleinere  ?on  10  Schritt  Durchmesser,  die  sich  aUmählicb 
sehr  abgeflacht  haben,  so  dass  sie  sich  nur  Vi — ^  ^  erheben.  Etwa  6  grössere 
Hügel  giebt  es  hier  Ton  2  m  Höhe  und  20—30  Schritt  Durchmesser.  Die  Hügel 
liegen  sehr  nahe  zusammen,  10  Schritt  beträgt  der  Abstand.  Ein  System  für  die 
Gräberanlage  konnte  auch  hier  nicht  festgestellt  werden,  obschon  es  mir  scheinea 
will,  als  ob  die  Grabstätten  nicht  regellos,  nach  Willkür,  angelegt  seien. 

Von  den  25  Hügeln  wurden  iO  geöffnet  Die  Ausbeute  an  erhaltenen  Ge- 
lassen und  Beigaben  war  äusserst  gering.    Das  Resultat  ist  folgendes: 

J.  Hügel.  Flacher  Bundhügel,  9  Schritt  Durchmesser.  60  em  tief  eine  Unra 
mit  Deckel  in  der  Mitte  auf  dem  gewachsenen  Boden.  Zur  Seite  des  Deckels  in 
der  Brandschicht  lagen  zerstreut  Bronzereste  in  Gestalt  ?on  Klümpchen,  die  durch 
das  Feuer  sich  gebildet  hatten.  Ein  grösseres,  blechartiges  Stück  besass  einen  n 
einer  Oehse  umgebogenen  Band;  kleinere,  dünne  Bronzeblechstflckcben  ähnelten 
einem  plattgedrückten  Löffel  ron  2  cm  Durchmesser.  Der  überiiängende  Deckel 
hatte  die  gewöhnliche  (Gestalt  mit  leicht  umgebogenem  Bande.  Er  war  stark  ge- 
schwärzt, innen  und  aussen  geglättet,  innen  mit  7  parallelen  Zickzacklinien,  die 
Spitze  der  7.  Linie  traf  die  Kuppe  des  Deckels.  Durch  Graphitstriche  waren  Linien 
hergestellt  Die  rermorschte  Urne  konnte  nicht  gerettet  werden.  Gestalt:  gewöhnlioli, 
bauchig,  mit  senkrechtem,  2Vs  cm  hohem  Bande  ohne  Verzierungen,  ebenfaUs 
schwarz  geglättet  Unterer  Theil  der  Urne  rauh.  In  der  Urne  ein  Beigettas, 
geglättet,  röthlich,  sehr  gut  erhalten,  schön  gearbeitet,  einzebe  schwarze  Braod- 
spuren.  Der  kleine  Fuss  des  kelchf^rmigen  Gefässes  war  nach  innen  eingebogen. 
Höhe  desselben  5  cm^  oberer  Durchmesser  7  om^  Fuss  3,3  cm.  Zwischen  den 
Knochen  fand  sich  noch  ein  kleines  Bronzekügelchen. 

n.  Hügel.  Flacher  Bundhügel,  12  SchriU  Durchmesser.  Urne  mit  Dedul, 
90  cm  tief.    Deckel  überhängend,  Urne  bauchig  mit  3  parallelen  Billen  an  Habe. 


—     3    — 

Deckel  lehmgelb,  geglättet,  mit  grosser  (10,2  cm  Darebmesser)  Kuppe,  Rand  ohne 
EinbiegQDg.  Urne  aussen  lehmgelb,  oben  geglättet,  unten  rauh,  innen  geglättet 
und  geschwärzt.    Inhalt:   Knochen  und  Sand. 

m.  Hügel.  Urne  mit  Deckel  40  cm  tief  in  der  Brandschichi  Deckel  hoch, 
aussen  geglättet,  geschwärzt,  innen  ebenfalls  geglättet  Höhe  10  cn?,  grösster  Durch- 
messer 13  cm,  oberer  Durchmesser  7  cm,  Urne  röthlich,  geglättet,  hoch.  Höhe 
20  cm,  Fuss  9  cm,  grösste  Weite  1 1  cm.  Der  Deckel  lag  fest  auf  der  mit  Sand 
hoch  angeftillten  Urne.  Durch  Wurzeln  war  der  Deckel  gesprengt,  beim  Abheben 
der  Stücke  hatte  sich  jedoch  genau  in  dem  darunter  liegenden  Sande  die  Gestalt 
des  Deckels  erhalten  und  durch  Wurzelwerk  Festigkeit  erlangt  Deshalb  wurde 
die  Urne  nicht  ausgenommen,  da  sie  einen  guten  Beweis  liefert,  wie  sorgföltig  die 
Germanen  dieses  Gefäss  über  den  Knochen  mit  Sand  gefüllt  halten. 

IV.  Hügel.  Knochen  und  Kohle,  sowie  einzelne  Gefässscherben  ohne  Be- 
deutung. 

y.  Hügel.  25  Schritt  Durchmesser.  1 V,  m  tief  die  Urne  mit  Deckel,  letzterer 
umgekehrt  aufgelegt.    Alles  gänzlich  zerstört. 

VI.  Hügel.  Urne  mit  aufliegendem  Deckel.  Deckel  innen  und  aussen  schwarz, 
geglättet;  Urne  desgleichen,  unten  rauh.  In  der  Urne  ein  Bronzeblech,  nach  Tom 
löifelartig  zulaufend;  Länge  desselben  4  cm, 

Vn.  Hügel.    Kein  Resultat 

VIU.  Hügel.  Grosser,  gewölbter  Rundhügel  am  Eingange  des  Begräbniss- 
platzes. Die  umfangreichen  Nachgrabungen  hatten  wenig  Erfolg.  Auf  dem  ge- 
wachsenen Boden  fand  sich  eine  dünne  Aschenschicht  und  röthlich  angebrannter 
Sand.  Ein  Haufen  Knochen  und  Kohle,  sowie  Stücke  des  Deckels  und  etliche 
Gefässscherben  wurden  zu  Tage  gefördert 

IX.  Hügel.  12  Schritt  Durchmesser;  1,30  cm  tief  stand  die  dickwandige  Urne 
ohne  Deckel,  ohne  Verzierungen,  aussen  oben  geglättet,  schwarz,  unten  rauh. 
Fuss  vermodert,  Bauch  ziemlich  spitz,  weitester  Durchmesser  in  der  Mitte.  Höhe 
26  cm,  oberer  Durchmesser  25,5  cm,  grösster  Durchmesser  32  cm,  Wanddicke  1  cm, 

X.  Hügel.  In  einer  Tiefe  von  80  cm  eine  Urne  ohne  Deckel,  gewöhnlich,  ohne 
Verzierung,  zerstört. 

XI.  Hügel.  50  cm  tief  eine  sehr  bauchige,  am  Halse  ziemlich  eingeschnürte 
Urne  mit  überhängendem  Deckel.  Letzterer  gewöhnlich,  geglättet.  Urne  oben 
geschwärzt,  glatt,  unten  rauh.  Halsweite  16  cm,  Bauchweite  48  cm.  Inhalt: 
Knochen  und  Sand. 

XII.  Hügel.  70  cm  tief  eine  Urne  ohne  Deckel.  Urnenhals  konisch,  Rand 
sehr  schräge,  fast  wagerecht  zu  dem  konischen  Halse.  Urne  bauchig,  innen  und 
aussen  geglättet,  geschwärzt,  unterer  Theil  rauh.  In  der  Urne  der  Deckel,  mit 
der  OeSnung  nach  oben.  Deckelweite  25  cm,  Höhe  9  cm,  Kuppe  10  cm.  Deckel 
dickwandig,  röthlich,  wenig  geglättet 

XUI.  Hügel.  80  cm  tief  eine  Urne  ohne  Deckel.  In  der  Brandschicht  über  der 
Urne  eine  Anzahl  Ton  Bronzostücken,  einzelne  zu  Klümpchen  geschmolzen,  formlos, 
andere  flach,  blechähnlich,  einer  mit  Schnuröhse.  Auf  einigen  fanden  sich  parallele 
Strichrerzierungen,  welche  die  ganze  Oberfläche  einnahmen.  Ein  Stück  war  der 
Ueberrest  eines  yiereckigen,  massiven  Ringes.  Die  dickwandige  (1  cm)  Urne  war 
lehmgelb,  schlecht  gebrannt,  oben  wenig  geglättet,  unten  sehr  rauh,  Hals  wenig 
eingeschntirt,  Bauch  nur  wenig  vorspringend,  innen  schwach  geglättet  Der  auf- 
rechtstehende Rand  zeigte  oben  als  Verzierungen  unregelmässige,  halbkugelförmige 
Eindrücke  im  Durchmesser  von  Va — 1  c^»  Aehnliche  Verzierungen  kommen  in 
Goch  vor  (siehe  „Nachrichten^  1896  Heftl);  diese  waren  jedoch  mit  dem  Finger 


—    4    — 

hergestellt,  da  man  den  Nageleindrack  noch  deutlich  erkennt.  Die  Eindracke  stehen 
in  Abständen  von  1—2  cm.  Gleiche  Eindrücke  laufen  anch  um  den  Hals  der  Urne 
in  denselben  Abständen.  Trotz  der  vielen  Bisse  konnte  die  Urne  gehoben  werden, 
da  die  Wurzeln  das  Gefäss  im  Innern  vollständig  zusammenhalten.  In  der  Urne 
steckte  ein  Beigefass  mit  der  Oeffnung  nach  unten,  nahe  am  Umenrande.  Eb 
gleicht  einer  Obertasse;  der  Henkel  war  abgeschlagen,  die  Enden  konnten  deutlich 
erkannt  werden.  Das  lehmgelbe,  dickwandige  Beigeföss  passte  im  Aeussem  genau 
zu  der  Urne.  Höhe  derselben  26  ei«,  oberer  Durchmesser  20  cm,  grösster  Durch- 
messer in  der  Höhe  von  17  cm,  Fuss  11  cm.  Höhe  des  Beigefösses  4,5  cm,  obere 
Weite  8,5  cm^  Puss  4,5  cm, 

XIY.  Htlgel.  Kleiner,  kaum  tlber  den  Boden  sich  erhebender  Htlgel.  In  der 
Brandschicht  über  der  Urne  unter  Kohlen  und  Knochen  lag  ein  ziemlich  erhaltener, 
dünner,  gedrehter  Bronzoring  von  2  cm  Durchmesser.  Urne  klein,  bauchig,  roth- 
schwarz, geglättet,  mit  Deckel  von  derselben  Farbe.  Die  Urne  war  bis  dicht  unter 
den  Deckel  mit  Sand  gefüllt,  der  durch  Wurzeln  wiederum  Festigkeit  erlangt  hatte, 
so  dass  trotz  aller  Bisse  Deckel  und  Urne  fest  zusammenhielten.  Deshalb  wurde 
beides  in  dem  Zustande  gelassen.  Höhe  der  Urne  mit  Deckel  16,5  cm,  Deckel* 
kuppe  5  cm,  grösster  Durchmesser  in  der  Höhe  von  8  cm  betrug  25  cm, 

XY.  Hügel.  Urne  ohne  Deckel,  ohne  Halseinschntlrung,  innen  geschwant, 
geglättet,  aussen  ebenso,  unten  rauh.  Fast  ganz  verfault  Inhalt:  Knochen  und 
Sand. 

XVI.  Hügel.  1  m  tief  eine  bauchige  Urne  mit  überhängendem  Deckel.  Beide 
gänzlich  zerstört,  nur  Bruchstücke  konnten  gehoben  werden.  Der  Deckel  hotte 
die  gewöhnliche  Gestalt,  war  aussen  schwarz  geglättet;  die  Urne  besass  einen  senk- 
rechten Band  von  3  cm;  sie  war  innen  und  aussen  schwarz,  geglättet.  Im  Innern 
zeigten  sich  deutliche  Spuren  einer  weissen  Incrustation,  wie  ich  sie  in  Siegbuig 
(vergl.  „Nachrichten*^  1895  Heft  2)  beobachtet  habe.  Unterer  Theil  rauh,  Fass 
ein  wenig  vorspringend.  Der  eingeschnürte  Hals  war  mit  drei  parallelen  Billen 
verziert,  daran  schlössen  sich  nach  unten  zu  je  drei  parallele,  nach  oben  sich  ver- 
jüngende, halbkreisförmige  Billen.  Zwischen  diesen  befand  sich  wieder  je  eine 
senkrechte  Bille,  nach  unten  laufend  und  in  3  Spitzen  endigend.  Die  Entfernung 
der  senkrechten  Billen  beträgt  5  cm.    Der  Deckel  hatte  keine  Incrustation. 

XVn.  Hügel.  Urne  mit  Deckel.  Urne  bauchig,  innen  und  aussen  geschwant, 
geglättet,  gewöhnliches  Format.  Untertheil  rauh.  Verzierungen  fehlten  auf  der 
Urne.  Deckel  aussen  glänzend  schwarz  polirt,  ebenso  innen.  Spuren  des  alten 
Glanzes  sind  noch  deutlich  erkennbar.  Die  Kuppe  des  Deckels  bildet  eine  halb- 
kugelförmige Höhlung.  Das  Innere  des  Deckels  ist  bemerkenswerth.  Die  vorhin 
besprochene  Höhlung,  im  Innern  als  eine  erhabene  Halbkugel  sich  darstellend,  ist 
mit  einer  Bille  eingefasst.  Von  diesem  Kreise  aus  ist  der  ganze  Baum  in  i  2  Felder 
eingetheilt  durch  je  zwei  nach  dem  Bande  hin  diveiigirende  Billen,  die  soigftltig 
mit  Hülfe  eines  Instrumentes  gezogen  sind.  6  Felder  sind  ganz  frei,  6  jedoch 
dmrch  je  eine  Bille  in  zwei  Theile  getheilt,  und  von  dieser  MittelriQe  ziehen  sidi 
nach  Art  der  Kielfederomamente  Qncrrillen,  ebenfalls  genau  hergestellt.  Wir 
haben  hier  ein  schönes  Beispiel  des  bekannten  Ornamentes  vor  uns,  welches  ich 
bisher  auf  rheinischen  Begräbnissplätzen  in  dieser  Vollkommenheit  noch  nicht  ge- 
funden habe.  Leider  war  die  Urne  zertrümmert;  auch  von  dem  sehr  beschädigten 
Deckel  konnten  nicht  alle  Stücke  aufgefunden  werden.  Er  war  ganz  zerdrfi^ 
und  steckte  zum  grössten  Theil  in  der  Urne. 

XVIII.  Hügel  Sehr  beschädigte  Urne  mit  Deckel.  Urne  bauchig,  innen 
geschwärzt  und  geglättet,  ebenso  aussen;  Untertheil  rauh.    Deckel  aussen  glftniend 


—    5    — 

schwarz,  ebenfalls  im  Innern,  dort  durch  Rillen  verziert  Je  vier  parallele  Rillen 
zogen  sich  Ton  der  Kuppe  bis  zum  Rande,  Ton  diesen  zweigten  sich  in  der  Mitte 
Rillenbündel  ab,  so  dass  das  Ganze  einem  Spinngewebe  nicht  unähnlich  sieht  Von 
dem  Deckel  wurden  leider  nur  wenige  ßruchstttcke  gefunden. 

XIX.  Httgel.  Zerstörte,  dickwandige,  bauchige  Urne  mit  Deckel;  letzterer 
tiberhängend.  Spuren  von  schwarzer  Politur;  Urne  unten  rauh.  l!\iss  sehr  dick, 
schwarze  Bruchfläche.  In  der  Urne  stand  ein  Beigeföss,  konisch,  nach  unten  sich 
yerjttngend.  Inhalt  der  Urne:  Knochen  und  Sand,  sowie  ein  kleines  Bronzering- 
stilck.    Höhe  des  Beigefässes:   6  cm^  obere  Weite  10,2  cm^  Fuss  6  cm. 

XX.  Hügel.    Bruchstücke  einer  bauchigen  Urne  mit  Deckel. 

II.  Ausgrabungen  bei  Duisburg. 

Bei  Duisbuig  befinden  sich  ausgedehnte  Gräberfelder,  über  welche  Wilms 
im  Anfange  der  70er  Jahre  in  den  Bonner  Jahrbüchern  und  Qenthe  in  dem 
GynmasialprogrammTonDuisburg  im  Jahre  1881  ausführlich  berichtet  haben.  Genthe 
schätzte  damals  die  Anzahl  der  noch  vorhandenen  Hügel  auf  etwa  120;  sie  seien 
aber  fast  alle  schon  ausgegraben. 

Da  hat  nun  im  Jahre  1895  Hr.  Ingenieur  Bonnet  zu  Duisbuig,  jetzt  zu  Karls- 
ruhe, derselbe,  welcher  die  neolithischen  Funde  auf  dem  Michelsberge  bei  Unter- 
Grombach,  A.  Bruchsal,  zu  Tage  gefördert  hat,  über  welche  auf  der  Versammlung 
in  Speyer  Hr.  Geheimrath  Wagner  berichtete,  weit  über  100  Gräber  geöffnet  und 
eine  reiche  Ausbeute  erhalten.  Ich  habe  die  Sammlung  im  Jahre  189.>  besichtigt 
und  will  in  Ktlrze  die  Resultate  der  Ausgrabungen  nach  den  mir  gütigst  zur  Ver- 
fügung gestellten  Angaben  an  dieser  Stelle  vorführen,  weil  durch  die  Ausgrabungen 
des  Hm.  Bonnet  unsere  Kentniss  der  rheinischen  Begräbnissstätten  sehr  ge- 
fördert worden  ist.  In  hochherziger  Weise  hat  der  Herr  die  rorztigliche  Sammlung 
Tor  seinem  Scheiden  von  Duisburg  dieser  Stadt  zum  Geschenk  gemacht.  Es  würde 
zu  weit  führen,  jedes  einzelne  Grab  besonders  zu  behandeln;  darum  soll  das 
Folgende  nur  eine  Uebersicht  über  die  Funde  und  ihre  Bedeutung  bieten. 

1.   Orte  der  Ausgrabungen. 

a)  Grabhügel  bei  Grossenbaum.  Es  giebt  daselbst  ein  „Heidenhäuschen^  in 
der  Nähe,  links  vom  Rodweg  (Vgl.  Köln.  Ztg.  1890). 

b)  Das  Buchholz. 

c)  Das  Neudorfer  Feld. 

d)  Auf  dem  Friedhofe  bei  Duisburg  wurden  immer  Urnen  gefunden,  aber  sie 
fielen  stets  der  Vernichtung  anheiro.  In  der  Schonung  am  Kirchhofe  sind 
Hügel. 

e)  Gefässscherben  finden  sich  in  der  obersten  Sandschicht  auf  dem  Terrain, 
wo  gegenwärtig  in  der  Wedau  für  den  Bagger  abgeräumt  wird.  Die 
Scherben  sehen  alle  aus,  als  ob  sie  im  Wasser  gelegen  hätten;  sie  sind 
sogar  theilweise  abgerollt  und  zeigen  vielfach  Verzierungen,  wie  sie  an 
den  Urnen  nicht  vorkommen. 

2.   Gestalt  der  Hügel. 
Es  sind  grössere  und  kleinere  Rundhügel,  die  einen  stärker  gewölbt,  bis  2,50  m 
hoch,  die  anderen  flach.    Für  die  Anordnung  der  Hügel  fehlen  auch  hier  leitende 
Gesichtspunkte  zur  Beurtheilung. 

3.   Inhalt  der  Hügel. 
In   den  meisten  Fällen  steht  die  Urne  in  der  Mitte  des  Hügels  auf  dem  ge- 
wachsenen Boden,   von  der  Brandschicht  umgeben.    Eine  Steinsetzung  wurde  nur 
einmal  beobachtet   Rund  um  die  Urne  standen  Kiesel,  die  bis  zur  Bauchweite  des 


—    6    ^ 

Gefösses  reichten,  kleinere  und  grössere.  Der  Deckel  war  ebenfalls  mit  Stauen 
beschwert.  Unter  den  120  Fällen  gab  es  zwei,  in  welchen  ein  einzelner  Stein  aaf^ 
und  5  Fälle,  in  denen  er  neben  dem  Oefösse  sich  befand.  In  2  Grabhügeln  standen 
2  Urnen  über  einander,  in  zweien  wiederum  neben  einander,  doch  so,  dass  die 
Oefässe  sich  berührten;  in  5  Fällen  wurde  noch  eine  Urne  mit  ToUstftndigem 
Inhalte  gehoben,  sie  stand  nach  dem  Rande  zu,  während  der  Aschenkrug  in  der 
Mitte  bereits  gehoben  war,  was  die  Vertiefung  auf  dem  Hügel  bewies. 

Was  nun  die  Gestalt  der  Urnen  angeht,  so  lassen  sich  4  Hauptgruppen  unter- 
scheiden: Flachumen,  Eimenimen,  bauchige  und  konische  Urnen. 

Der  Urnenrand  ist  wieder  sehr  verschieden.  Einige  sind  ohne  Band,  andere 
besitzen  einen  sehr  niedrigen  (bis  2  cm)y  andere  einen  sehr  hohen  (bis  G  cm). 
Bald  ist  der  Rand  nach  aussen  geschrägt,  bald  nach  aussen  gewölbt,  bald  steht 
er  senkrecht. 

Auch  das  äussere  Aussehen  der  Urnen  ist  mannichfadi.  Bald  sind  sie  hart,  roth 
gebrannt,  bald  schwarz  gebrannt,  bald  gelbroth  und  weich;  einige  Urnen  besitzen 
einen  schmalen,  andere  einen  profilirten  Fuss.  Nicht  wenige  sind  hart  gebrannt 
und  glatt  poliri 

Verzierungen  bedecken  entweder  die  ganze  Urne  (selten),  oder  den  unteren, 
bezw.  den  oberen  Theil  bis  zum  Halse.  Es  sind  Linien  und  Funkte.  Die  Linien  sind 
entweder  gerade,  bogenförmige  oder  Zickzacklinien.  Die  geraden  Linien  sind  am  Halse 
meistens  Rillen,  eine,  zwei  oder  drei,  parallellaufend.  Vielfach  kommen  Ramm- 
strichrerzierungen  vor,  an  der  Urne  sowohl,  wie  auf  dem  Deckel.  Diese  kreuzen 
sich  vom  Halse  anfangend  so,  dass  Rauten  freibleiben,  oder  rom  Bauche  anfang^id 
sind  die  einen  senkrecht,  die  anderen  wagerecht  gezogen,  so  dass  Trapeze  ftei- 
bleiben.  Die  Verbindung  von  geraden  und  krummen  Linien  ist  ebenfalls  nicht 
selten.  An  die  Halsrillen  setzen  sich  parallele  Halbkreise,  oder  der  Zwischenraum 
zwischen  senkrechten  und  wagerechten  Kammstrichen  ist  mit  parallelen  Bogen- 
linien  ausgefüllt.  Oft  zieren  den  Hals  Zickzacklinien,  von  denen  je  eine  durch 
drei  parallele  Striche,  und  zwar  abwechselnd,  verstärkt  ist  Doppelzickzack  kommt 
ebenfalls  vor  mit  meistens  je  drei  Linien.  Die  Striche  sind  in  den  allermeisten 
Fällen  vertieft,  entweder  mit  dem  Fingernagel  oder  mit  einem  Stein  oder  einem  Rund- 
holz helgestellt;  doch  finden  sich  auch  farbige  Streifen  (Gr^hit).  Punkte  sind  stets 
zu  Punktgruppen  vereinigt;  5  Urnen  hatten  4  X  je  3  Punkte,  1  Urne  5X2« 
1  Urne  6X6  und  endlich  wieder  eine  7  X  je  6  Punkte.  Die  Urnen  haben 
im  Allgemeinen  keine  Henkel.  Nur  eine  wurde  gefunden,  die  4  Henkel  hatte, 
ebenso  ein  Deckel  mit  einem  Henkel.  Mehrere  Urnen  haben  Ansätze^),  die  theUs 
durchbohrt,  theils  glatt  sind;  ebenso  die  Deckel.  Ein  Deckel  hatte  2  Bchnurdhsen 
ohne  Ansatz.  Was  die  Arbeit  anlangt,  so  sind  die  Urnen  entweder  roh  bearbeitet,  oder 
zierlicher,  mit  Sorgfalt  hergestellt.  Der  Untertheil  ist  mit  Vorliebe  rauh,  entwedtf 
beworfen,  oder  erst  geglättet,  dann  mit  Streifen  rauh  gemacht  und  endlich  beworfen. 
Eine  Urne  war  innen  und  aussen  rauh. 

Die  Urnen  sind  entweder  mit  oder  ohne  Deckel.  Von  den  120  waren  li 
ganz  ohne  Deckel.  Eine  Urne  hatte  3  über  einander  liegende  Deckel.  Der  Deckel 
ist  entweder  abgepasst,  oder  ein  schüsselartiges  Gefäss  wird  als  Deckel  gebraucht 
In  drei  Fällen  diente  ein  Umenstück  als  Deckel.  30  Urnen  hatten  ein  grösseres 
oder  kleineres  Beigeföss,  das  in,  auf  oder  neben  der  Urne  sich  befand.  Nicht  sehen 
sind  es  nur  Reste  anderer  Gefässe,  die  als  BeigefÜsse  verwendet  worden  sind.    Die 


1)  Die  Ans&tse  der  Urnen  und  Deekel  sind  nioht  angeklebt,  sondem  meistens 
artig  angesetst 


—     7    — 

Beigefässe  sind  in  allen  Gestalten,  ron  der  flachen  Schale  bis  zur  Kelchform; 
eines  besass  drei  FOsse. 

Beigaben.  Die  Ansbente  an  Beigaben  ist  äusserst  gering,  was  auf  Rechnung  des 
Leichenbrandes  £u  setzen  ist.  In  1 1  Gräbern  fanden  sich  Bronzespuren,  in  1 9  weiteren 
kleinere  oder  grössere  Bronzereste,  entweder  in  oder  neben  der  Urne:  Stücke  ron 
4  mm  dicken,  gedrehten  Bronzeringen,  gewundene  Bronzestttcke,  Bruchstücke  von 
Bronzenadeln  mit  Knöpfen  mit  Strich  Verzierungen;  meistens  ist  es  eine  formlose 
Masse.  Nur  in  vier  Hügeln  kamen  zum  Theil  schwache  Eisenspuren  vor.  Ein 
Gegenstand,  der  pincettenähnlich  ist,  hat  sich  erkennbar  erhalten.  Bechnen  wir 
noch  dazu  ein  durchbohrtes  Steinscheibchen,  das  zerbrochen  in  dem  oberen  Theile 
einer  Urne  lag  uud  das  als  Schmuckgegenstand  aufgefasst  werden  kann,  sowie 
ein  kleines,  cylinderförmiges  Geräth  aus  Thon,  von  1  cm  Durchmesser  und  1  cm 
Höhe,  so  haben  wir  sämmtliche  Beigaben  angeführt. 

Die  Zähne  waren  yielfach  gut  erbalten;  in  einer  Urne  befanden  sich  vier 
Backenzähne,  noch  nicht  entwickelt,  die  einer  jugendlichen  Leiche  angehört  haben. 
Geschmolzene  Bronzekügelchen  auf  Knochen  sind  nicht  selten.  Die  Knochen  sind 
alle  zerkleinert,  was  die  Enge  des  Gefässes  bedingte.  Die  Tordere  Hälfte  eines 
Unterkiefers  wurde,  ziemlich  erbalten,  aufgefunden. 

Wie  wir  sehen,  bieten  die  Begräbnissstätten  bei  Duisburg  uns  im  Grossen 
und  Qwazen  dasselbe  Bild,  wie  die  übrigen  niederrheinischen  Friedhöfe.  Neue 
Formen,  neue  Verzierungen  kommen  nicht  Tor,  nur  die  Henkel  an  der  einen 
Urne  sind  neu;  sie  sind  bisher  an  den  Urnen  selbst  noch  nicht  gelinden  worden, 
wohl  an  Beigefässen.  Auch  die  Durchbohrungen  und  Schnuröhsen  sind  eine 
Eigenthttmlichkeit  dieses  Begräbnissfeldes.  0.  Rademacher. 


Bronze-Depotfund  von  Clempenow,  Pommern. 

(Vorgelegt  in  der  Sitsung  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft  am  20.  Man  1897). 

Etwa  12  km  nördlich  ron  Treptow  a.  T.  im  Kreise  Demmin  ist  die  Domäne 
Clempenow  gelegen.  Hier  fand  man  in  einem  nahe  beim  Oute  befindlichen  Moore 
beim  Torfstechen  im  vergangenen  Jahre  eine  Anzahl  von  Bronzen,  die  ohne  Zweifel 
einen  der  bekannten,  in  Pommern  häufigen,  Depotfunde  gebildet  haben.  Der  Fund 
besteht  aus  sieben  Stücken  und  enthält  wiederum  eine  für  uns  neue  Form.  Es 
sind  4  Spiralen,  eine  grosse  Nadel,  ein  diademartiger  Halsschmuck,  ein  Armring 
und  Fragmente  von  Spiralen.  Das  Aussehen  der  Bronzen  ist,  wie  dies  bei  Torf- 
funden zu  sein  pflegt,  bräunlich,  ohne  Patina,  der  Erhaltungszustand  ziemlich  gut. 

1.  Der  diademartige  Halsschmuck  (Fig.  1)  besteht  aus  einem  halbrund 
gebogenen  Bronzeblech  von  44  mm  Breite,  nach  den  Enden  zu  sich  verschmälemd ; 
an  einem  Ende  ist  noch  die  Andeutung  einer  Oehse  vorhanden.  Omamentirt  ist 
derselbe  durch  7  horizontale  erhabene  Rippen.  Er  stellt  eine  Form  dar,  die 
unserer  älteren  Bronzezeit  angehört  (Periode  II)  und  kommt  in  Pommern  mehr- 
fach vor,  so  in  Crüssow,  Babbin,  lüsdroy  und  Sparrenfelde.  Ausser  Pommern 
findet  sich  dieser  Halsschmuck  vielfach  im  ganzen  Gebiet  der  nordischen  Bronze- 
zeit von  Westpreussen  bis  Hannover  und  von  Brandenburg  bis  Scandinavien,  wenn 
auch  vielfach  in  der  Omamentirung  wechselnd.  Die  besonders  in  Meklenburg 
häufige,  mit  Spiralen  verzierte,  Form  ist  in  Pommern  noch  nicht  beobachtet,  sondern 
nur  die  mit  (meist  sieben)  Bippen  verzierte  Form. 


2.  Armepirale  (Fig.  3),  aas  27  mm  breitem  Bronzeblech  iii  2'/,  Viadun^n 
hergestellt.  LäDge  179  mtn,  Durchmesser  110  min,  nach  den  Enden  z&  in  modea 
Bronzedraht  Bnalanfend,  der  wabrscheinitch  ursprünglich  noch  zu  kleinen  8piral- 
scheibchen  aufgewickelt  war,  die  aber  jetzt  verloren  sind.  Oniamentirt  i§t  die 
breite    Spirale    durch    eine    Mittelrippe,    die    unterhalb   durch   eine   Reibe   ein- 


geschlagener  Punkte  begrenzt  ist,  während  über  derselben  diese  Ponkte  in  Zick- 
zacklinien angeordnet  sind. 

3.  Armspirale  von  gleicher  Grösse,  Form  ond  Omamenürang  wie  die 
vorige. 

Derartige  breite  Spiralen  mit  Mittelrippc  finden  sich  in  Pommern  sonst  noch 
in  Babbiii  and  Bruchhaosen  mit  scböucn  Endspiralen;  sie  gehären  gleichfalls 
unserer  älteren  Bronzezeit  an  (Periode  II).  In  den  Depotfnnden  der  jtlngeren 
Bronzezeit  (Periode  III)  wurden  sie  noch  nie  beobachtet.  Auch  anster  Pommern 
kommen  diese  breiten  Spiralcy linder   vor.    So  sind   solche  ans  Westprenasen  be- 


—    9    — 

kannt  von  Ruzoice  (Lissaner,  Bronzezeit  in  Westprenssen  Taf.  lY.  6  und  7).  Ans 
Meklenbnrg  kennt  man  solche  von  Ketzow,  Schwasdorf  und  Rlink  (Beltz  Jahr« 
bticher  d.  Ver.  f.  roekl.  Gesch.  61  S.  233).  Aus  Brandenburg  sind  solche  be- 
kannt Ton  Lichterfelde  (Berliner  Museum)  und  Blankenburg,  Kreis  Prenzlau,  wo 
die  breiten  Endspiralen  zum  Theil  noch  erhalten  sind  (Phoi  Album,  von  Voss 
und  Günther.  Seci  III.  Taf.  1,  im  Stettiner  Museum).  Aus  Schlesien  sind  solche 
bekannt  von  Pscheidel  bei  Rosel  (Phoi  Alb.  v.  Voss  und  Günther  Sect.  IV. 
Taf.  V.  Fig.  23,  und  Katalog  von  Voss  S.  561).  Besonders  verbreitet  sind  diese 
Spiralen  im  Gebiete  der  ungarischen  Bronzezeit  (Hampel,  Bronzezeit  in  Ungarn 
Taf.  44  und  45),  vro  sich  ganz  gleiche  Formen  finden.  Wir  werden  auch 
unsere  nordischen  Exemplare  auf  derartige  südliche  Vorbilder  zurückführen  dürfen. 

4.  Arm  Spirale  (Fig.  3).  Spiralcylinder  von  285  mm  Länge,  in  17  Windungen 
aus  6  mm  breitem  Bronzeblechstreifen  hergestellt,  an  einer  Seite  75,  an  der  anderen 
^  mm  Durchmesser.  Der  Blechstreifen  selbst  ist  an  der  Innenseite  eben,  an  der 
Aussenseite  mit  etwas  hervorstehender  Mitte  versehen,  also  nahezu  dreikantig. 
Die  Enden  besassen  wohl  keine  Endspirale,  denn  an  einem  unverletzten  Ende 
läuft  der  Draht  allmählig  zugespitzt  aus. 

5.  Armspirale,  der  vorigen  ähnlich,  von  250  mm  Länge,  12  Windungen  aus 
7,5  mm  breitem  Bronzeblechstreifen  hergestellt,  an  beiden  Seiten  etwa  65  vtm  Durch- 
messer, gleichfalls  mit  etwas  vorstehender  Mitte;  hier  waren  aber,  nach  den  Enden 
der  Spirale  zu  urtheilen,  möglicherweise  Endspiralscheibeh  vorhanden. 

Schmale  Spiralcylinder,  wie  die  vorliegenden,  kommen  in  Pommern  gleichfalls 
schon  in  der  älteren  Bronzezeit  (Periode  II)  vor  in  Bonin,  Rösow,  Crüssow,  Bruch- 
hausen, doch  sind  dieselben  zählebiger,  als  die  vorigen,  und  haben  sich  noch  in 
der  jüngeren  Bronzezeit  erhalten  (Schönfeld,  Treptow  a.  R.,  Depot  von  Schwennenz). 
Doch  ist  zu  beachten,  dass  neb^n  diesen  schmalen  Spiralcylindem  der  jüngeren 
Bronzezeit  mit  deutlich  hervorgewölbter  Mittellinie  auch  eine  ganz  flache,  fast 
ebene  Form  vorkommt,  bei  der  die  Mittelkante  gar  nicht  mehr  hervortritt  (Stein- 
kiste von  Schwennenz,  Depot  von  Hökendorf)* 

In  Brandenburg  ist  das  Verhältniss  ähnlich.  Auch  im  Funde  von  Blanken- 
burg, der  der  ältesten  Bronzezeit  angehört,  kommen  die  breiten  und  schmalen 
Spiralcylinder  neben  einander  vor.  Aus  Westprenssen  werden  schmale,  jüngere 
Spiralcylinder  angeführt  von  Stegers  und  Gzersk  (Lis sauer,  Bronzezeit  in  West- 
prenssen, Taf.  V  u.  VI).  Aus  Meklenbnrg  sind  solche  ältere  bekannt  von 
Blücherhof,  Sarmsdorf,  Retzow,  Teterow  (Beltz,  Meklenburger  Jahrb.  54, 
S.  106).  Besonders  zahlreich  finden  sich  diese  Spiralen  wiederum  in  Ungarn, 
wo  Hampel,  Bronzezeit  in  Ungarn  Taf.  36  u.  113  deren  abbildet,  so  dass  wir 
auch  für  diesen  Typus  eine  Abstammung  von  dort  annehmen  dürfen.  *  Uebrigens 
kommen  auch  ganz  ähnliche  Spiralcylinder  mit  Endspiralen  schon  in  der  IV.  Periode 
der  oberitalischen  Bronzezeit  vor,  z.  B.  in  den  Gräbern  mit  Leichenbrand  von 
Bismantova;  doch  sind  dieselben  ziemlich  flach,  ohne  dreikantigen  Querschnitt  und 
wtlrden  unseren  jüngeren  Formen  entsprechen,  während  die  Elndspinilen  konisch 
gewickelt  sind,  wie  bei  vielen  ungarischen  Spiralcylindem.  Sie  finden  sich  dort 
neben  der  einfachen  Bogenfibel,  dem  halbmondförmigen  gestielten  Messer  (Undset, 
Eisen.  Taf.  IV,  Fig.  4)  und  gedrehten  Halsringen  mit  Endöhsen,  die  bei  uns  so 
häufig  vorkommen  (Morgenitz,  Hannsdorf,  Glowitz,  Neides,  Mohratz  u.  s.  w.), 
die  gleichfalls  der  jüngeren  Bronzezeit  entsprechen  und  für  die  auch  ungarische 
Provenienz  angenommen  wird  (Montelius,  La  civiüsation  primitive  en  Italic 
depnis  l'introdaction  des  metaux.  PI.  41,  Fig.  6.)  In  diesem  Falle  wird  man 
eher  eine  Beinflnssung  Oberitaliens  durch  Ungarn  annehmen  müssen,  wie  umgekehrt 


—    10    — 

6.  Scheibennadel  (Fig.  4).  Die  grosse  Nadel  hat  eine  Länge  ron  26,5 
die  Ropfplatte  einen  Durchmesser  yon  90  mm.  Oben  hat  die  Kq>fplatte  eineii 
Fortsatz,  der  wohl  eine  Art  Oehse  gebildet  hat,  aber  znm  Theil  abgebrochen  ial 
Omamentirt  ist  die  Nadel  durch  grössere  Bnckel,  die  mit  Punzen  eingeschlagen 
sind.  Ein  solcher  befindet  sich  in  der  Mitte,  um  ihn  herum  ein  Kranz,  gleich  groaa; 
weiter  nach  der  Peripherie  hin  kommen  noch  drei  Reihen  ebenfalls  mit  Pansen 
eingeschlagener  kleiner  Buckelchen.  Bei  yerschiedcnen  derselben  ist  der  Schlag 
mit  der  Punze  zu  stark  ausgefallen  und  durch  das  dünne  Bronzeblech  durch- 
gedrungen, so  dass  kleinere  Löcher  entstanden  sind.  Scheibennadeln,  wie  die  Tor- 
liegende,  waren  bisher  in  Pommern  nicht  gefunden. 

Was  den  Verbreitungsbezirk  dieser  Nadeln  betriCrt,  so  sind  solche  bekannt  ans 
Meklenburg  aus  Kegelgräbern  von  Sparow  bei  Plan,  von  Lüssow  bei  Gttstrow 
und  von  Zierzow  bei  Grabow  (nach  gütiger  Mittheilung  Ton  Dr.  Beltz).  Femer 
aus  einem  Depotfund  von  Heinrichswalde  in  Meklenburg-Strelitz,  zusammen  mit 
,,Diadem^,  Lanzenspitze,  Armspiralen,  Tutuli  (Verhandl.  der  BerL  Oes.  f.  Anthr. 
1886,  S.  613  und  Baier,  Die  vorgeschichtlichen  Alterthtimer  des  Proviniialmus. 
zu  Stralsund  S.  40).  Femer  aus  einem  Funde  von  Lemmersdorf,  Kreis  Prenzlao, 
mit  Oürtelblech,  „Diadem^  u.  s.  w.,  und  von  Schabernack  (Ostpriegnitz)  mit  grosser 
Nadel  und  Messer  (Verhandl.  1874,  11.  Juli).  Die  Nadeln  kommen  bei  uns  also 
sowohl  in  Hügelgräbem,  wie  in  Depotfunden  vor.  Weiterhin  wird  über  eine  der- 
artige Nadel  berichtet  von  Fritzen  in  Ostpreussen  (Verhandl.  1886,  S.  383).  Anf 
eine  gleiche  Nadel,  wahrscheinlich  aus  dem  Eibgebiet  (Estorffsche  Sammlung) 
und  eine  solche  aus  Nieder-Oesterreich  weist  Baier  hin  (Alterthümer  des 
Provinzialmuseums  von  Vorpommem  und  Rügen  in  Stralsund  S.  41  Note'). 

Es  ist  bemerkenswerth,  dass  bei  uns  die  Fundstellen  auf  ein  enger  Gebiet  be- 
schränkt sind  und  zum  Theil  in  Mecklenburg  selbst,  zum  Theil  dicht  an  den 
Grenzen  dieses  Landes  liegen.  Es  kommen  somit  von  10  Fundstellen  8  auf  diesen 
engen  Bezirk.  Weiter  nach  Westen  und  Süden  werden  unsere  Nadeln  dordi  die 
dort  häufigen  Badnadeln  ersetzt  Auffallend  oft  kommen  unsere  Nadeln  bü 
Spiralen  und  „Diademen^  zusammen  vor. 

7.  Armring  (Fig.  5)  von  60  mm  Durchmesser  (also  nur  für  eine  Kinderhand 
passend),  aus  vierkantigem  Bronzedraht  beigestellt,  so  dass  nach  aussen  und  innen 
eine  Rippe  vortritt.  Armringe  dieser  Art  finden  sich  gleichfalls  häufig  im  Norden; 
besonders  verbreitet  sind  dieselben  aber  im  Gebiet  der  ungarischen  Bronieseil 
(Hampel,  Bronzezeit  in  Ungam,  Taf.  48  u.  50.). 

Unser  neuer  Depotfund  ist  also  unzweifelhaft  der  älteren  Bronzezeit,  Periode  II, 
(Montelius  II — III)  zuzuweisen  und  zeigt  ganz  verschiedene  Formen.  Erstens 
solche,  die'  der  ganzen  nordischen  Bronzezeit  gemeinsam  sind:  diademartiger  Hals* 
schmuck;  femer  solche,  die  auf  ungarische  Einflüsse  hinweisen:  breite  und  schmale 
Spiralen  und  Armring,  und  endlich  solche,  die,  wie  es  scheint,  eine  Localfonn 
bilden:  die  Scheibennadel'). —  Hugo  Schumann  (Löckniti). 

1)  Nadeln  von  ähnlicher  Form  kommen  nach  Yirchow  auch  in  ansserenropliscb«« 
Ländern  vor.  So  von  Silber  bei  den  Araukanem  S&damerica's  und  von  Brom«  in  den 
alten  Gräbern  von  Peru  und  Ecuador  (Verhandl.  1882,  8.  471).  Ebenso  in  dem  Gräberfeld 
von  Kobsn  im  Kaukasus:  Yirchow,  das  Gräberfeld  von  Koban  8.  84  und  Yeriiaadl. 
1890,  S.  418. 

2)  Nachträglich  ersehe  ich,  dass  diese  grossen  Seheibennadeln  auch  in  dem  Depeiftoid 
von  Mellenau  an  der  Meklenburgischen  Grenze  (Yerh.  1888  8.  607)  vorkommen,  wodardi 
noch  ein  neuer  Fundort  in  derselben  Gegend  hinzukommt 


—   11   — 


Ein  römischer  Meierliof  bei  Ungstein  in  der  Pfalz. 

Die  Rndera  der  auf  dem  Weilberge  (=  Villa  -  Berge)  bei  Ungstein  entdeckten 
römischen  Villa  —  Meierhof  —  wurden  am  6.  Febraar  vom  Dürkheimer  Alter- 
thamsverein  besichtigt;  Hr.  Philipp  Zumstein,  Besitzer  des  Terrains,  erklärte  die 
Reste.  Letzte  Woche  besuchten  den  Platz  die  HHm.  Rektoren  Ohlenschlager 
und  Roth.  —  Die  Reste  bestehen  in  den  zwei  Aussenmauern  eines  grösseren 
Gebäudes  von  12  und  8  m  Länge,  welche  nach  innen  und  aussen  zu  Ton  mehreren 
Quermauem,  deren  Stärke  zwischen  0,50  bis  0,75  m  wechselt,  geschnitten  werden, 
so  dass  hier  mindestens  5  Räume  anzunehmen  sind.  Die  Höhe  der  Mauer  über 
dem  Betonboden  beträgt  0,73  m.  Li  einer  Tiefe  von  0,70  m  liegt  ein  horizontaler 
Beton-Estrich  von  20  cm  Dicke.  Die  Wände  waren  mit  einem  1  cm  starken  Ver- 
putz versehen,  dessen  weisse  Oberfläche  mit  rothen,  parallelen  Streifen  vendfrt 
war.  An  diesen  Bau  schliesst  sich  im  Westen  und  Nordwesten  ein  weiteres  Bau- 
werk an.  Der  Boden  bestand  hier  grössten  Theiles  aus  Platten  weissen  Sand- 
steines aus  dem  nahen  Rallstadter  Thälchen.  Diese  sind  zum  Theil  mit  Rinnen 
für  Brettereinlagen,  zum  Theil  mit  Höhlungen  für  das  Spielen  von  Thüren  ver- 
sehen. In  der  Mitte  dieses  viereckigen  Raumes  (Atrium  ?)  befand  sich  eine  kleinere, 
viereckige  Orube,  die  wahrscheinlich  zur  Aufnahme  des  Regen wassers  bestimmt 
war  (Jmpluvium?).  —  An  kleineren  Gegenständen  eingaben  sich:  1.  2  Bronzemünzen 
aus  der  Zeit  der  Konstantine;  2.  viele  Dachziegel  verschiedener  Form  (tegulae 
hamatae  und  tegalae  imbrices);  3.  grössere  Bodenplättchen  (3  Stück);  4.  zahl- 
reiche Reste  von  Amphoren,  Tellern,  Bechern,  zum  Theil  aus  Terra  sigillata 
(Terra  Arretina)  von  glänzend  rother  und  schwarzer  Farbe.  Besonderes  Interesse 
erregt  unter  ihnen  die  schwarze  Glasur.  Die  hellblaue  und  gelbe  Glasur 
ist  den  Besuchern  des  Trierer  Museums  bekannt  Ein  Geföss,  das  Prof. 
Mehlis  zu  finden  das  Glück  hatte,  trägt  den  Stempel:  A.  ATA  (Bruch)  =  A.  Atta, 
ein  Töpfer,  dessen  Officin  auf  sonst  bekannten  Stempeln  erscheint;  5.  Klumpen 
geschmolzenen  Bleies  (Dachrinnen?);  6.  ein  eiserner  Striegel;  7.  Thierknochen  u.  A. 
—  Die  Villa  ging  nach  zahlreichen  Spuren  durch  Brand  zu  Grunde,  etwa  um 
400  n.  Chr.  —  Die  Ausgrabungen  werden  mit  Mitteln  des  Altert humsvereins 
nach  Thunlichkeit  fortgesetzt.  —  Die  Hauptfunde  gelangen  als  Geschenk  des 
Hm.  Gutsbesitzers  Ph.  Zumstein  in  das  Dürkheimer  Gantonalmuseum;  einige 
andere  Fundgegenstände  wurden  dem  Gymnasium  zu  Neustadt  zum  Geschenke 
gemacht.  —  Mehlis. 


Neue  Funde  von  der  Feuerstein-Werkstätte  bei  Gusciiter-Holiänder, 

Kreis  Friedeberg. 

Von  der  bereits  bekannten  Feuerstein -Werkstätte  bei  Guschter-Holländer  er- 
hielt das  Kgt.  Museum  für  Völkerkunde  als  Geschenk  des  Hm.  Prem.-Lieut  d.  L. 
Voigt  in  Guscht  eine  grössere  Anzahl  von  Fundstücken:  runde  und  lange  Schaber, 
Messer,  massive  dreikantige  Bohrer,  Nuclei,  eine  grosse  Menge  von  Abfallsplittern, 
Bruchstücke  von  geschliffenen  Feuersteinbeilen,  die  Schneidehälfte  eines  ge- 
schliffenen Beiles  aus  dioritartigem  Gestein,  sowie  mehrere  Scherben  von  Thon- 
gefässen.     Einer  der  letzteren,  ein  sehr  roh  gearbeitetes  Bwidstück,   verdient 


-    12    - 

wegen  des  Ornamentes  Beachtung;  dieses  besteht  ans  einer  Reihe  von  Gh-übchen, 
die  iVt  cm  nnter  dem  Rande  in  Abständen  von  ca.  1  cm  mittelst  eines  etwa 
meisselartigen  Instrumentes  in  der  Weise  ausgehoben  wurden,  dass  die  FOhning 
des  Instrumentes  in  horizontaler  Richtung  erfolgte;  die  „Schneide^  des  Instrumentes 
hat  deutlich  sichtbare  Furchen  hinterlassen,  sie  war  also  uneben.  Es  liegt  hier 
offenbar  ein  Beispiel  des  von  Voss')  beschriebenen  Gruben-  und  Loch-Ornamentes 
vor,  welches,  allerdings  selten,  bereits  aus  der  Neumark  bekannt  ist*). 

A.  Oötze. 


Halbfertige  Steinhämmer  von  der  Bremsdorfer  Mühle, 

Kreis  Guben. 

In  den  Besitz  des  Kgl.  Museuros  (tlr  Völkerkunde  gelangten  zwei  Stein- 
hämmer, deren  Querschnitt  in  der  rechtwinklig  zum  SchafÜoch  stehenden  Ebene 
ein  Fünfeck  bildet,  während  der  Querschnitt  parallel  zum  Schaflloch  rechteckig 
ist.  Es  ist  dies  ein  Typus,  welcher  in  neolithischen  Funden  meines  Wissens 
noch  nicht,  dagegen  zuweilen  in  Niederlausitzer  Gräberfeldern  beobachtet  wurde, 
er  scheint  sich  also  erst  nach  der  Steinzeit  gebildet  zu  haben  Deshalb  ist  es 
nun  wichtig,  dass  das  grössere  Exemplar  (Länge  14  c/it)  eine  unrollendete  Bohrung 
mittelst  eines  cylindrischen  Hohlbohrers  aufweist;  die  Bohrung  reicht  etwa  bis 
zur  Mitte  des  Stückes,  der  Bohrzapfen  ist  bis  auf  eine  geringe  Erhöhung  ab- 
geschliffen. Man  kann  hieraus  sehen,  dass  der  neolithische  Hohlbohrer  auch  noch 
in  der  Zeit  der  Lausitzer  Gräberfelder  in  Gebrauch  war.  Das  zweite  kleinere 
Stück  ist  nur  roh  behauen,  die  Bohrung  hat  noch  nicht  begonnen.  Die  Fundstelle 
liegt  an  einer  Anhöhe  auf  dem  rechten  Ufer  der  Schlaube  zwischen  der  Brems- 
dorfer Mühle  und  dem  Gr.  Treppelsee.  A.  Götze. 


Otterfallen  von  Gross-Lichterfelde,  Kreis  Teltow. 

Im  yergangenen  Jahre  wurden  auf  dem  Grundstücke  des  Hm  F.  Bluth  in 
Gross -Lichterfelde  fünf  sogen,  hölzerne  Ottcrfallen  und  Bruchstücke  ron  einer 
sechsten  bei  Erdarbeiten  im  Moor  in  einer  Tiefe  von  ca.  l'/t — ^  ni  gefunden  und 
von  Hrn.  Bluth  dem  Kgl.  Museum  für  Völkerkunde  geschenkt.  Die  Fundstelle 
liegt  dicht  neben  der  Bake,  einem  kleinen  Fliess,  welches  einige  100  Schritt  zu- 
vor am  Fusse  des  Fichteberges  bei  Steglitz  entspringt  und  sich  in  sumpfigen 
Wiesen  zwischen  Steglitz  und  Gross-Lichterfelde,  dann  im  Bogen  durch  letzteren 
Ort  nach  dem  Teltower  See  schlängelt.  Die  Otterfallen  lagen  zusammen  über 
einander  geschichtet,  in  der  Nähe  wurde  ein  anscheinend  moderner  Bronzering 
gefunden,  der  mit  den  Fallen  wohl  in  keinem  Zusammenhange  steht  Die  Länge 
der  Fallen  beträgt  57,  61,  62,  65  und  68  cm  bei  verhältnissmässig  geringer  Breite. 
Leider  bringt  auch  dieser  Fund  kein  neues  Material  zur  Datirung  jener  eigen- 
thümlichen  Geräthe.  A.  Götze. 


1)  Yerh.  der  Berl.  Anthrop.  Oesellsehaft  1891,  S.  71. 

2)  A.  QOtie,  Die  Vorgeschichte  der  NeomarL    WOnburg  1897,  S.  9. 


—  13  — 


Funde  von  Steingeräthen  auf  RQgen. 

Das  Kgl.  Museum  für  Völkerkunde  besitzt  eine  Anzahl  zusammengehöriger 
Funde  von  Steingcrätheif,  deren  Mittheilung  zur  Venrollständigung  der  Liste  der 
bisher  bekannten  Depot-  und  Gräber-Funde  erwünscht  sein  dürfte.  Das  Museom 
erwarb  vor  mehreren  Jahren  die  Sammlung  des  Hm.  Juwelier  Sie  wert  in  Bergen, 
und  damit  eine  Anzahl  yon  Steingeräthen,  welche  sich  nicht  nur  wegen  der  diesbezüg- 
lichen Notizen  in  dem  Originalyerzeichniss  dieser  Sammlung,  sondern  auch  wegen 
der  Zusammensetzung  und  der  Patinirung  als  Theile  zusammengehöriger  Funde 
erwiesen.    Es  sind  folgende  (Nr.  1—13): 

1.  Ftinf  Feuersteinbeile  „zusammen  gefanden  in  einem  Hünengrabe  beim 
Dorfe  Hagen  auf  Jasmund^.  Ein  Stück  ist  verhältnissmässig  dick  (ähnlich  Mes- 
torf,  Voigesch.  Alterthümer  aus  Schleswig-Holstein,  Fig.  24)  und  an  den  Breit- 
seiten geschlififen;  von  den  4  andern  von  flachem  Typus  (Mestorf  a.  a.  0.  Fig.  34) 
sind  zwei  behauen  und  nur  ganz  vom  an  der  Schneide  ein  wenig  geschliffen,  die 
beiden  letzten  auf  den  Breitseiten  geschliffen.  Das  Matenal  ist  ziemlich  einheitlich 
grau,  nur  bei  einem  Stück  etwas  dunkler.  —  Kat.  I.  c.  1168—1172. 

2.  Acht  Feuersteinbeile  und  ein  Beil  aus  schwärzlichem  Gestein,  „zusammen 
gefunden  im  Hünengrabe  beim  Dorfe  Hagen ^.  Dieser  Fund  hat  ganz  das 
Aeussere  eine  Depotfandes.  Die  8  Feuersteinbeile  sind  wie  aas  einer  Form,  sie 
gehören  dem  Typus  mit  spitz  zulaufendem  Bahnende  und  mandelförmigem  Quer- 
schnitte an  (S.  Müller,  Ordning  af  Danmarks  Oldsager,  Stenalderen  Fig.  46). 
Die  Bearbeitung  erfolgte  nur  durch  Behauen,  aber  obgleich  die  einzelnen  Ab- 
muschelungen  bedeutend  grössere  Dimensionen,  als  z.  B.  bei  den  Dolchen  und 
Lanzenspitzen,  haben,  hat  man  doch  in  geschickter  Weise  eine  zierliche  und  ge- 
fällige Form  erreicht.  Ihre  Länge  beträgt  12-15,5,  ihre  Breite  3,8—4,7  cm.  Sie 
besitzen  eine  schöne  gleichmässigc  hellgraue  Patina  mit  einem  Stich  ins  Bläuliche. 
Das  Beil  aus  schwärzlichem  Gestein  ist  geschliffen,  aber  nicht  polirt,  es  ist  im 
Querschnitt  vierkantig,  am  Bahnende  ziemlich  dick  und  erinnert  an  den  ent- 
sprechenden Typus  aus  Feuerstein  (etwa  S.  Müller  a.  a.  0.  Fig.  59);  Länge  13,2, 
Breite  4,4  cm.   -  Rat  L  c.  1174—1182. 

3.  Verschiedene  Feuersteingeräthe,  ^zusammen  gefunden  in  einem  Hünengrabe^ 
bei  Buddenhagen:  ein  ziemlich  fertig  behauenes  Beil  von  dem  gleichen  Typus, 
wie  diejenigen  des  vorigen  Fundes,  mit  spitzem  Bahnende  und  mandelförmigem 
Querschnitt  (Länge  12,  Breite  4,2  cm);  ein  roher  Entwurf  zu  einem  solchen  Beil 
(Länge  13,5,  Breite  5  cm);  drei  rohe  Entwürfe  zu  ovalen  Geräthen  (Länge  16,5; 
20,2;  32,3  cm);  zwei  rohe  Entwürfe  zu  grossen  Aexten  (Länge  18,5  und  23  cm, 
Brette  10,2  und  7,8  cm);  ein  grosser  regelmässiger  Nucleus  (Länge  12  cm).  Das 
Material  ist  Feuerstein  mit  rothbrauner  Patina  von  ziemlich  gleichmässigem  Aus- 
sehen  —  Kai  L  c.  1199-1206. 

.4.  „In  einem  Hünengrabe  bei  der  Oberförsterei  Werder"  wurden  fünf  derbe 
prismatische  Messer  und  ein  roher  Entwurf  etwa  zu  einem  meisselartigen  Geräthe 
aus  grauem  Feaerstein  gefunden.  —  Kat.  L  c.  133*s. 

5.  Aus  „einem  Hünengrabe  in  der  Stubnitz"  stammen  ein  rundlicher  und 
zwei  sehr  schöne  grosse  ovale  Schaber,  sowie  ein  sehr  rohes  (beilartiges?)  Geräth, 
alles  aus  grauem  Feuerstein.  —  Kat  I.  c    1339. 

6.  „Zusammen  gefunden  in  einem  Hünengrabe  bei  der  Waldhalle  Stubnitz" 
wurden  zwei  rohe  Entwürfe  etwa  zu  sichelförmigen  Messern  (Länge  13,2  und 
13,3  cm),  die  Hälfte  eines  sehr  grossen  sichelförmigen  Messers  (Länge  des  Bruch- 


—    u   — 

Stückes  13,8  cm\   und  ein  grosser  ovaler  Schaber  (Länge  9,7  cm)  ans  Feaerstein 
mit  ziemlich  gleichmässiger  hellgrauer  Patina.  —  Kai  I.  c.  1347 — 1360. 

7.  Acht  runde  Rlopfsteine,  sieben  aus  Feuerstein,  der  achte  aus  Granit, 
wurden  „zusammen  gefunden  im  Acker  bei  Nen-Muckrau^.  —  Kai  I.  c  1384. 

8.  Von  den  ^zusammen  auf  dem  Acker  zu  Nardevitz^  gefundenen  Gegen- 
ständen gehören  wegen  der  gleichmässig  dunkelgranen  Farbe  sicher  zusammen 
ein  Schaber  mit  Griff-Fortsatz  und  zwei  kleine  zierliche  Beile  oder  Meissel  rom 
Kjökkenmöddinger-Typus.  Angeblich  gehört  noch  zum  Funde  ein  gleiches  Beilcben 
mit  graublauer  Patina  und  zwei  derbe  prismatische  Messer  mit  grauer,  besw. 
graugelber  Patina.  —  Kat  I.  c.  1328—1329. 

9.  „Zusammen  gefunden  in  den  Lankener  Bei^n^  wurden  zwei  rohe  Ent- 
würfe zu  grossen  Beilen  aus  Feuerstein  mit  gleichmässiger  hellgrauer  Patina.  Der 
eine  ist  vierkantig  (Länge  18,8,  Breite  6,1  cm),  der  andere  au  dem  schmaleren 
Ende  ebenfalls  vierkantig,  am  anderen  unregelmässig  gestaltet  (Länge  14,3  cm).  — 
Kat.  L  c.  1216—1217. 

10.  Zwei  schöne  lange  in  Form  und  Farbe  ziemlich  gleichartige  Nudei  mit 
brauner  Patina,  „zusammen  gefunden  in  dem  Lankener  Torfmoor^.  Länge  10,7  cm, 
—  Rat.  L  c.  1281. 

11.  Von  Posewald  stammen  ein  sehr  rohes  Beil  ohne  ausgeprägten  Typus 
(Länge  13  cm)  und  ein  prismatisches  zweischneidiges  Messer  (Länge  9,1  cm)  ans 
grauem  Feuerstein,  „zusammen  gefunden  auf  dem  Acker^.  —  Kat.  L  c  1306 — 1307. 

12.  Zwei  mondsichelförmige  Messer  oder  Sägen  mit  brauner  Patina,  „zusammen 
gefunden  in  Sabitz"".    Länge  13,5  und  15,2  cm.  —  Kat.  L  c.  1236—1237. 

13.  Zwei  rohe  Entwürfe  zu  Schmalmeisseln  aus  grauem  Feuerstein,  „zusammen 
gefunden  im  Acker  zu  Mönkendorf^.  Länge  14,2  und  16,7  cm.  —  Kai  I.  a 
1268—1269. 

Aus  der  im  Jahre  1891  erworbenen  Sanmilnng  Paulsdorff  stammen  die  beiden 
folgenden  Funde: 

14.  Zwei  schön  geschliffene  Hohläxte  mit  grauer  Patina,  bei  Neuenkirchen 
zusammen  gefunden.    Länge  10,8  und  12,2  cm,  —  Kat.  1.  c.  1456 — 1457. 

15.  Bei  Dumsevitz  wurden  zusammen  gefunden:  ein  ziemlich  dickes  Beü, 
welches  nur  an  der  Schneide  geschliffen,  im  übrigen  behauen  ist,  ähnlich  Mestorf 
a.  a.  0.  Fig.  24  (Länge  13,5,  Breite  5  cm\  ein  dünneres,  auf  allen  Seiten  ge- 
schliffenes Beil,  ähnlich  Mestorf  a.  a.  0.  Fig.  36  (Länge  12,7,  Breite  6  cm\  und 
ein  kleines  behauenes,  nur  an  der  Schneide  geschliffenes  Beil  von  ziemlich  platter 
Form,  änlich  Mestorf  a.  a.  0.  Fig.  49  (Länge  10,1,  Breite  4  cm).  Das  Material 
ist  bei  allen  drei  Stücken  ein  gelbbraun  patinirter  Feuerstein.  —  Kat  L  c  1449 
bis  1451. 

Die  im  Jahre  1893  erworbene  Sammlung  Borgmeyer  enthält  u.  A.  swet 
DepotAinde: 

16.  Depotfund  von  Mariendorf,  bestehend  aus  einem  behauenen  Beile  «n 
hell-  und  dunkelgrau  geflecktem  Feuerstein,  ähnlich  S.  Müller  a.  a.  O.  Fig.  59 
(Länge  20,  Breite  4,7  cm)^  einem  kleinen  Beile  aus  ebenfalls  grau  geflecktem 
Feuerstein,  der  allseitig  begonnene  Schliff  ist  nicht  überall  durchgeführt,  ähnlich 
S.  Müller  a.  a.  0.  Fig.  55  (Länge  14,  Breite  4,3  cm);  einem  ganz  ähnlichen  braun 
patinirten  Stück  (Länge  14,6,  Breite  4  cm)\  einem  allseitig  geschliffenen,  helign« 
patinirten  Beile  von  ziemlich  platter  Form,  ähnlich  S.  Müller  a.  a.  O.  Fig.  6i 
(Länge  24,  Breite  6,3  cm)  und  einem  dicken,  nur  an  den  Breitseiten  geschliffaieB 
Beile  mit  hellgrauer  Patina,  ähnlich  Mestorf  a.  a.  O.  Fig.  24  (Unge  21, 
5,5  cm).  —  Kat.  L  c  2142—2146. 


—     15     — 

17,  Depotfand  von  KI«iD-Hagen  enthttlt  di«i  Sttlcke  ans  gnaem  Peuer- 
stein  Ton  dem  Typus  mJi  dickem  Bahnende,  und  zwar  swei  Hohläxte,  von  denen 
die  eine  behanen  (Länge  36,  Breite  5,1  em),  die  andere  an  der  Bchneidehällle  ge- 
schliffen ist  (Länge  13,3,  Breite  5,6  cm),  sowie  ein  kleines  nur  aa  der  Schneide- 
hJütie  geschliffenes  Beil  (Länge  11,1,  Breite  5,1  cm).  Sie  entsprechen  etwa  den 
Typen  61,  66  und  65  bei  8.  Maller.  —  Kat.  I.  c.  2147—2149.       A.  Götze. 


Ein  Thongenss  der  Völkerwandeningszelt  aus  der  Provinz  Posen. 

Ein  änsserlich  anscheinbarer,  we^n  der  Lage  des  Fundortes  aber  nicht  nnin- 
teressanter  Gegenstand  wurde  vor  einiger  Zeit  dem  Kgl.  Hnsenm  fUr  Völkerkunde 
von  Hm.  Oekonom  Manske  in  Behle  geschenkt.  Der  Fandort  ist  Behle,  Kreis 
Czamikau,  Prorinz  Posen.  Es  ist  ein  beim  Brennen  TernngiackteB  Thongefass, 
welches  in  mehrere  Stücke  zerbrochen  und  so  sehr  verbogen  ist,  dass  die  Stücke 
sich  nicht  zusammensetzen  lassen.  Es  ist  offenbar  eine  Schale  mit  weiter  Oeffnong 
und  einem  abgesetzten,  etwas  hohlen  Fuss;  auf  der  Schulter  sind  in  geringen  Ab- 
ständen vertikale  Furchen,  sowie  3  oder  4  warzenliirmige  Knöpfe  angebracht. 
Darüber  läuft  eine  horizontale  hcrausroodellirte  Kante  mit  seichten  Einstichen 
(Fig.  1),  Wenn  man  das  ProBl  des  Gelasses,  so  gut  es  geht,  rekonstmirt,  so 
Fig.  1. 


erhält  man  eine  Form,  welche  mit  einem  Gefässc  von  Butzow,  Kr.  Wealhavelland 
(Kgl.  Museom  t.  Völkerkunde  I,  f,  1699)  die  grösste  Aebnlicbkeit  hat  (Fig.  3). 
Das  letztere  Gefäss  entstammt  einem  grossen  Graberfelde  der  Völkerwanderungs- 
zeit,  dessen  Funde  zum  Theil  von  Voss  und  Stimraing  (Vo^escbichtl.  Alter- 
tbOmer  ans  der  Hark  Brandenburg)  publicirt  sind.  Wenn  das  Bntzower  Geläss 
sich  auch  von  allen  anderen  Urnen  dieses  Feldes  durch  die  Fassbildung  unter- 
scheidet, so  ist  es  doch  wegen  der  Uebereinstimmung  in  allen  anderen  Elementen 
(Profil,  Ornament,  Technik)  in  dieselbe  Zeit  and  Kultur  zu  setzen,  d.  h.  in  die 
Völkerwanderungszeit.  Das  Gefass  von  Behle  nnn  ist  nicht  nnr  hinsichtlich  der 
Form  ein  Seitenstflck  zu  der  genannten  Butzower  Urne,  sondern  auch  die  Or- 
namente finden  sich  in  gleicher  Weise  an  mehreren  anderen  Urnen  des  Butzower 
Feldes  wieder,   es  gehört  also  zweifellos  ebenfalls  der  Völkerwanderungszeit  an. 


—     16    — 

Sehr  auffällig  ist  daa  östliche  Vorkommen  einer  solchen  Schalenume'),  deren 
nächste  Verwandten  bisher  im  Wesentlichen  auf  westlichere  Gebiete,  insbesondere 
die  Gegenden  anf  beiden  Ufern  der  untered  Elbe  (im  weiterem  Umkreise),  be- 
schränkt sind.  Um  ein  zufällig  verschlepptes  Sttlck  kann  es  sich  nicht  handeln, 
weil  es  eben  beim  Brennen  yerunglückt  ist,  es  muss  also  in  der  Nähe  des  Fund- 
ortes helgestellt  sein.  Wenn  nicht  noch  grössere  Mengen  solcher  Schalennmen 
im  östlichen  Deutschland  zum  Vorschein  kommen,  was  freilich  nach  den  bis- 
herigen Erfahrungen  kaum  zu  erwarten  ist,  so  muss  man  annehmen,  dass  das 
Gefass  von  einem  auf  der  Wanderschaft  begriffenen  germanischen  Stamme,  dessen 
Heimath  in  dem  Verbreitungsgebiete  der  Schalennmen  lag,  unterwegs  hergestellt 
wurde.  A.  Götze. 


Merovingische  Emailperlen  aus  der  Mark  Brandenburg. 

Vor  mehreren  Jahren  wurde  auf  dem  Vorwerk  Dollgen,  Kr.  Prenzlau,  2  Fuss 
tief  im  gelben  Lehm  ein  Skelet  gefunden,  auf  welchem  ein  massig  grosser  Feld- 
stein gelegen  haben  soll.  Die  Länge  des  Skelets  Mrurde  nach  einem  Unterarm- 
knochen  Ton  einem  Arzte  auf  etwa  5  Fuss  geschätzt.  In  der  Gegend  der  Hals- 
wirbel lagen  mehrere  Email-  und  Glasperlen,  die  durch  gütige  Vermittelung  des 
Hm.  Prem-Lieut.  a.  D.  H.  v.  Schierstädt  als  Geschenk  des  Hm.  t.  Wedelt 
auf  Kutzerow  an  das  Kgl.  Museum  für  Völkerkunde  gelangten.    Es  sind: 


CD 


1.  eine  cylindnsche  Perle  aus  rothem  Email  mit  gelb  eingelegten  Streifen, 
ähnlich  Fig.  1,  aber  dicker; 

2.  eine  und  eine  halbe  Perle  von  ovalem  Querschnitt  aus  rothem  Email  mit 
gelb  eingelegten  Streifen;  ähnlich  Fig.  2; 

3.  vier  cylindrische  Perlen   aus  gelbem  Email   mit  roth  eingelegten  Streifen 

(Pig.  1); 

4.  zwei  Perlen  Yon  oralem  Querschnitt  aus  gelbem  Email  mit  roth  eingelegten 
Streifen  (Fig.  2); 

5.  eine  Perle  aus  gelbem  Email,  kleiner  als  Fig.  2; 

6.  eine  kleine  rundliche  Perle  aus  schwarzem  Email,  in  roher  Weise  lu- 
sammengedreht; 

7.  eine  grössere  ringförmige  Perle  aus  blauem  Glas. 

Der  Typus  dieser  Perlen,  besonders  der  unter  Nr.  1—5  aufgeführten,  weicht 
erheblich  von  den  sonst  in  Ost-Deutschland  Torkommenden  Typen  ab,  ist  jedoch 
eine  ganz  gewöhnliche  Erscheinung  auf  dem  Gebiete  des  meroringischen  Cultar- 
kreises.  A.  Götze, 


1)  Vgl  Weigel,  Das  Gräberfeld  von  Dahlhausen,  Arohiv  f.  Anthrop.  XXII,  8.  347. 


AbgMehJoMM  im  Min  1S97. 


Ergäaraaggblätter  gar  Zeitschrift  fttr  Ethnologie. 

Nachrichten  Aber  deutsche  Alterthnmsfimde. 

Mit  Unterstützung  des  Königlich  Preuss.  Ministeriums 
der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinal- Angelegenheiten 

herausgegeben  Yon  der 

Berliner  fiesellsebaft  Ar  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgescbicbte 

unter  Redaction  Yon 

R.  Virchow  und  A.  Voss. 


Hügelgräber  auf  dem  Brommbarge')  in  der  Heide  des  Hofbesitzers 
Gross-Hahn,  Wessenstedt,  Kreis  Uelzen,  Hannover. 


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Sitnationsskizze  der  Hügelgräber  auf  dem  Brommbarge  in  der  Wessenstedter  Heide. 

Fund -Protokolle. 
(Abkürzungen:   h  =  Höbe;  d  -  Durchmesser.) 
Grab  1.     Hügel:    h  =  0,20  m;  d  =  5  iw. 
In  der  Mitte  befand  sich  40  cm  tief  die  durch  Wurzeln  des  Heidekrautes  zer- 
sprengte deckellose  Urne  97  *).    Sie  war  etwa  zu  V4  niit  den  verbrannten  Knochen 
eines  Erwachsenen  gefüllt  und  mit  weissem  Sande,  der  mit  sehr  wenigen  Kohien- 
stücken  von  durchschnittlich  3  mm  Durchmesser  yermischt  war,  bis  zu  einer  Ent- 


1)  Der  Brommbarg  wird  erwähnt  in  J.  Taube,  Beiträge  zur  Naturkunde  des  Herzog- 
thums  Zelle  I,  112,  113:    Freudenthal  —  Heidefahrten. 

2)  Die  Nummern  hinter  den  Fundsachen  beziehen  sich  auf  den  Katalog. 

2 


—     18    — 

fernong  von  0,40  m  umgeben.  Die  Uroe  besteht,  wie  alle  Gefösse  dieses  Fried- 
hofes, aas  Thon  und  hat,  wie  die  meisten,  eine  gelbbraune  bis  graubraune  Farbe. 
Vom  Humus  war  unter  der  Orundfläche  des  Hügels  hier,  wie  in  allen  übrigen 
Gh*äbem,  nichts  zu  finden. 

Grab  2.    Hügel:   h  =  0,70  wi;  d  =  8  iw. 

Mitten  im  Hügel  lagen  15  cm  unter  der  Erde  —  also  oberhalb  der  Grrund- 
fläche  des  Hügels  —  die  ersten  G^fässscherben  und  zwischen  ihnen  die  zwei 
Eisenstücke  114,  deren  Bestimmung  nicht  mehr  zu  erkennen  ist,  da  sie  sehr  ron 
Rost  zerfressen  sind.  Dann  folgten,  ron  Scherben  umgeben,  die  verbrannten 
Knochen  eines  Erwachsenen.  Die  oberen  Scherben  gehörten  hauptsächlich  dem 
durch  Streifen  um  Hals  und  Bauch  verzierten,  einhenkeligen  Beigefässe  115b  und 
dem  am  unteren  Theile  spärlich  durch  Striche  verzierten,  einhenkeligen  Deckel 
115  c  der  Urne  115ad  an,  deren  Scherben  nicht  verziert  waren  und  zu  unterst 
lagen.  Alle  drei  Oefässe  waren  durch  Frost  und  Wurzeln  des  Heidekrautes  zer- 
sprengt. Unter  den  Scherben  lag  ein  flacher  Feldstein  von  25  cm  Länge,  18  cm 
Breite  und  11  cm  Dicke,  welcher  der  Urne  als  Unterlage  diente.  Kohlen  fanden 
sich,  wie  in  dem  vorigen  Grabe,  vor. 

Grab  3.    Hügel:   h  =  etwa  0,20  m;  d  =  3  w. 

Der  Hügel  war  uneben  und  durch  einen  Fuchs,  der  hier  seinen  Bau  hatte, 
zerstört.  In  der  Mitte  lagen  34  cm  tief  —  also  unter  der  Grundfläche  des  Hügels 
—  die  Scherben  der  Urne  145  und  ihres  durch  Bandkerben  verzierten,  ein- 
henkeligen Deckels  144,  welcher  aussen  rothbraun  und  bis  einige  Centimeter  unter 
dem  Bande  rauh  beworfen  ist  und  innen  eine  fast  schwarze  Färbung  hat.  Zwischen 
Deckel  und  Urne  lagen  die  verbrannten  Knochen  eines  Erwachsenen.  Kohlen  wie 
in  Grab  1. 

Grab  4.    Hügel:   h  =  etwa  0,15  m;  d  =  5  m. 

In  der  Mitte  lagen  fast  an  der  Oberfläche  die  Scherben  der  Urne  158  und 
ihres  einhenkeligen  Deckels  159,  jedoch  so  zerstört,  dass  eine  Form  nicht  mehr 
zu  erkennen  war.  Verbrannte  Knochen  wurden  nur  wenige  gefunden;  sie  ge- 
hörten wahrscheinlich  einem  Erwachsenen  an.    Kohlen  wie  in  Grab  1. 

Grab  5.    Hügel:   h  =  0,50  m;  d  =  8  m. 

In  der  Mitte  befand  sich  die  Urne  83  mit  ihrem  Rande  40  cm  unter  der 
Grundfläche  des  Hügels.  Sie  war  mit  dem  einhenkeligen  Deckel  84  (Fig.  9)  be- 
deckt. Neben  ihr  und  zwar  an  ihrer  Südwest-Seite  stand  das  einhenkelige  und 
durch  Streifen  verzierte  Beigefäss  82,  welches  reinen  Sand  enthielt  Die  Urne 
aber  war  zu  etwa  */^  mit  den  verbrannten  Knochen  eines  Erwachsenen  angefüllt, 
und  zwischen  diesen  steckte  die  bronzene  Nadel  85  (Fig.  13)  so,  dass  sie  mit  dem 
Knopfende  aus  den  Knochen  herausragte.    Kohlen  wie  in  Grab  1. 

Grab  6.    Hügel:    h  =  0,15  m;  d  =  3  m. 

Fast  an  der  Oberfläche  stand  in  der  Mitte  die  zweibenkelige  Urne  140  (Fig.  4), 
von  der  ein  Henkel  abgebrochen  ist  und  nicht  zu  finden  war.  10  cm  von  ihr  nach 
Süden  hin  entfernt  und  mit  dem  Rande  20  cm  unter  dem  der  Urne  140  stand  die 
zweite  Urne  141  (Fig.  5),  welche  mit  dem  einhenkeligen  Deckel  142  zugedeckt 
war.  Beide  Urnen  waren  mit  den  verbrannten  Knochen  von  Erwachsenen  an- 
gefüllt, —  140  zu  etwa  '/,  und  141  fast  bis  an  den  Rand.  Dicht  unter  der  Urne  141 
lag  eine  Kohlenschicht  (HS)  von  40  cm  Durchmesser  und  10 — 20  cm  Dicke, 
Knochen  waren  zwischen  den  Kohlen  nicht  zu  finden.  Uro  die  Urnen  lagen  die 
Kohlen  wie  in  Grab  1. 

Grab  7.     Hügel:  h  =  0,50  m;  d  =  6,30  wi. 

Mitten  im  Hügel  befanden    sich,  mit  ihren  Rändern  14,  bez.  80  cm  unter  der 


—    29    — 

mit  einem  Stabe  gemacht  sind,  nnregelmässig  yertheili  An  dem  Beigeföss  82  laafen 
3  parallele  Streifen,  die  mit  3  breiten  Stäben  gemacht  sind,  horizontal  in  Höhe 
des  unteren  Henkelansatzes  um  das  Gefass.  SiS  sind  yon  gleicher  Breite  und 
Tiefe,  wie  die  vorigen,  und  haben  2 — 3  mm  Abstand  yon  einander.  Gleiche 
Streifen  befinden  sich  in  gleicher  Höhe  um  das  Gefass  115b.  Unter  diesen 
verzieren  aber  noch  andere  den  Bauch  des  Gelasses.  Ihre  Richtung  ist  aber 
leider  nicht  mehr  festzustellen,  da  das  Gefass  vollkommen  zerbrochen  ist.  Auch 
das  diesem  an  Verzierung  ähnliche  Gefass  221  ist  leider  zerbrochen.  In  Höhe 
der  Henkel  befinden  sich  aber  6  den  vorigen  ähnliche  Streifen  um  das  Gefass. 
Ausser  diesen  laufen  senkrecht  über  jeden  Henkel  3  Streifen,  die  von  hier  aus 
unter  den  horizontalen  den  oberen  Theil  des  Bauches  im  Zickzack  verzieren. 
Drückte  man  nun  mit  dem  Stabe  etwas  fester  in  den  Thon  hinein,  so  entstanden 
Furchen,  wie  sie  die  Scheibe  des  Beigefässes  152  zeigt. 

Diese  Verzierungen,  die  Form  und  das  Material  der  Grefässe,   sowie  der  Bau 
der  Gräber  geben  uns  aber  nur  sehr  wenig  Aufklärung  über  ihre  Hersteller.    Eher 
schon    geschieht    dies    durch    die    Beigaben.      Denn    ausser    den    Kohlen    des 
Scheiterhaufens,   die   sich   in   allen   Gräbern   vorfanden,   legte   man    dem  Todten 
noch   andere  Beigaben  mit   ins  Grab.     Vor  allen  Dingen    das    einhenkelige   Bei* 
gefass.    Es   findet   sich   in  11  von  35  Gräbern  und   war,   wo   es   sich  noch  fest- 
stellen Hess,   immer  mit  weissem,   reinem  Sande   gefüllt.    Nur  das  Beigefäss  13G 
enthielt  die  verbrannten  Knochen  eines  Kindes;  es  ist  das  grösste  der  Beigefasse. 
Die  Lage  dieser  Gefässe  ist  theils  in  der  Urne  (Grab  16  und  21)  oder  Steinkiste 
(Grab  15,   18  und  24),   theils    neben   der   Urne   (Grab  5  und  8)   oder   Steinkiste 
(Grab  12  und  14),  und  dann  in  2  Fällen  östlich  und  in  4  Fällen  westlich  von  der 
Urne  oder  Steinkiste.    Als   weitere  Beigaben   finden   sich  zwei   bronzene  Nadeln, 
die  beide  senkrecht  zwischen  den  Knochen  der  Urnen  83  und  88  steckten,  so  dass 
sie  mit  ihren  Knöpfen  aus  den  Knochen  herausragten.    Die  11,5  cm  lange  Nadel  85 
(Fig.  13)'),  welche  oben  schwanenhalsartig  gebogen  ist,   hat  einen  kleinen  Knopf, 
der  einem  abgestumpften  Kegel  von  3  mm  Höhe  gleicht.    Seine  obere  Fläche  misst 
3  mm    im    Durchmesser,    seine    Grundfläche    5  mm.      An    diese    setzt    sich    die 
Nadel  an.    In  einer  Entfernung  von  3  mm  vom  Knopfe   hat  sie   noch  eine  flache, 
um   den  Hals   laufende  Vertiefung.    Ihr   Gewicht   beträgt  47s  g*     Die    Nadel  87 
(Fig.  12)  ist  wie  Nadel  85  gebogen,  10,4  cm  lang  und  hat  einen  flachen,  scheiben- 
förmigen Knopf  von  6  mm  Durchmesser  und  1  mm  Dicke.    2  mm  unter  dem  Knopfe 
läuft  ein  erhabener,  l'/a  ^"^  breiter  Streifen  um  die  Nadel.    Ihr  Gewicht  beträgt 
374  ff'    Beide  Nadeln    sind   mit   schöner  Patina  überzogen   und  haben  picht  vom 
Feuer  gelitten.     In  Urne  70  dagegen  befand  sich  geschmolzene  Bronze  (135),  die 
ihrer  Menge  und  ihrem  Gewichte   nach  zu  urtheilen   von  einer  den  beiden  ersten 
ähnlichen  Nadel  herrühren  mag.    Ausser   diesen    3  Beigaben   von  Bronze  wurden 
noch  2  Stücke  eines   bronzenen  Halsringes  gefunden.     Dieselben  lagen  direct  auf 
der  zerbrochenen  Urne  104.    Sie  bestehen  aus  4  bronzenen  Streifen  von  ungefähr 
1  cm  Breite,    die  sich   um  eine  Achse   schraubenförmig   winden.    Man  sollte  an- 
nehmen,  dass    sich  auch    noch  andere  Theile   des  Ringes   hätten  finden  müssen. 
Das  war    aber    nicht   der  Fall,    obwohl   der  Hügel  unverletzt  war.    Die  wenigen 
Stücke  waren  also  wohl  schon  grosse  Kostbarkeiten;   denn  Minderwerthiges  hätte 


1}  Aehnliche  Nadeln  (Akademie  der  Wissenschaften,  Manchen):  Kcsselbrnnn,  Kirchen- 
birlich,  Mandlan,  Lesau,  Yor^endorf,  Wittcnhofen,  Staufersbuch.  Fast  gleiche  Nadeln  wie 
Flg.  18  im  Bayerischen  National-Mnseuni  No.  541;  Naue,  Hfigelgr&ber  XXII.  Fig.  II; 
V.  Estorf,  Heidnische  Alterthümer  Taf.  VIII.  Fig.  23. 


Grab  10.    Hügel:   h  ==0,25m;  d  =  4  m. 

Im  Norden  begrenzt  den  Hügel  ein  2,30  m  langer  Steinbogen  aus  unbearbeiteten 
Feldsteinen,  deren  Länge  0,25—0,45  m.  Breite  0,20—0,30  m  und  Dicke  0,14—0,28  ™ 
beträgt.  Im  Süden  ist  der  Hflgel  nnd  wahrscheinlich  anch  die  Fortsetznng  des 
Steinbogens  durch  einen  Torbeigelegten  Graben  zerstört.  In  der  Mitte  lagen 
5 — ^5  cm  tief  die  Scherben  der  Urne  157  nnd  ihres  einhenkeligen  Deckels. 
Zwischen  ihnen  die  rcrbrunnten  Knochen  eines  Erwachsenen.  Kohlen  wie  in 
Grab  1. 

Grab  1 1.    Hügel :   h  =  0,15  m;  d  =  5  tn. 

Der  Hügel  ist  wahrscheinlich  durch  einen  Steinkranz  begrenzt  gewesen,  denn 
es  befinden  sich  noch  anr  der  Südost  -  Seite  drei  Steine,  die  bogenTörmig  gelegt 
sind;  ihnen  entsprechende  Löcher  nm  den  Hügel  lassen  auf  Wegnahme  der 
Übrigen  Steine  schliessen.  Ihre  Grösse  ist  dieselbe,  wie  die  in  Grab  10.  Mitten 
auf  der  Grundfläche  des  Hügels  stand  die  Urne  221.  Sie  ist  durch  Streifen  nm 
Fig.  14-20. 


Gi>r&SBC  aus  Hügelgräbern  anf  dem  Brommbarge,  Wessenatedt. ' 
Hals  und  Baach  verziert  und  besitzt  zwei  gleichmässig  rerzierte  Henkel,  welche 
znm  Durchziehen  einer  Schnur  bestimmt  sind.  Im  Boden  hat  die  Urne  ein  Loch, 
welches  durch  eine  daranfgelegte  Scheibe  verdeckt  ist.  Ihr  einhenkeliger  Deckel 
223  war  an  der  Oberfluche  sichtbar  nnd.  wie  auch  die  Urne  selbst,  durch 
Frost  nnd  Wurzeln  des  Hvidekraules  zersprengt  In  der  Urne  lagen  die  ver* 
brannten  Knochen  eines  Erwachsenen,  welche  sie  zn  etwa  -i,  anlllllten,  nnd  die 
eiserne  Nadel  i£2.    Kohlen  fanden  sich  wie  in  Grab  1. 

Grab  12.     Hügel:   h  =  U,30"i;  d  =  4,50  m. 

Um  den  Hügel  befindet  sich  ein  kreisförmig  gelegter  Steinring,  dessen  Steine 

denen    des    vorigen  HUkcIs    ähneln.     Mitten    auf  dem  Hügel    war   der    Deckstein 

einer   Steinkiste   sichtbar.     Er   war   40  cm   lang,   36  cm   breit,    15  cm  dick,   und 

ruhte  auf  4  ihm  ähnlichen  Steinen,  welche  auf  ihre  schmale,   kurze  Seite  gestellt. 


—    21    — 


einen  viereckigen  Raum  einschlössen.  Zur  Stütze  von  aussen  dienten  ihnen  9 
mehr  rundliche  Sieine.  Den  Boden  bildete  ein  31  cm  langer,  26  cm  breiter  und 
20  cm  dicker  Stein,  welcher  etwas  unter  der  Orundfläche  des  Hügels  lag.  Sämmt- 
liche  Steine  waren  unbearbeitete  Pel(f8teine.  In  der  so  gebildeten  Steinkiste 
(Fig.  21)   stand  die  mit  dem  einhenkeligen  Deckel  71   yerschlossene,   am  unteren 


Fig.  21. 


^mfrmfmfmr/7T/mi77T77777m 


Senkrechter  Durchschnitt  durch  die  Mitte  des  Grabes  12. 
a)  Heide-Narbe,    b)  Gelber  Sand,    c)  Gerdllschicht,    d)  Grober  weisser  Sand. 

Theil  des  Bauches  durch  Striche  (wie  Urne  93)  verzierte  Urne  66,  welche  bis  zu 
etwa  V4  ixiit  den  verbrannten  Knochen  eines  Erwachsenen  gefüllt  war.  Der  übrige 
Kaum  der  Steinkiste  war  mit  weissem  Sande,  welchem  Kohlen,  wie  in  Grab  1,  bei- 
gemengt waren,  ausgefüllt  Ausserhalb  der  Steinkiste  —  aber  unmittelbar  an  ihr 
—  stand  im  Osten  auf  der  Stütze  eines  Setzsteines  das  einhenkelige  und  aus 
freier  Hand  gearbeitete  Beigefass  67  (Fig.  10);  dasselbe  war  mit  reinem  Sande 
gefüllt,  ist  aussen  und  innen  gelb  und  hat  einen  hohlen  Fuss.  Ausserhalb  der 
Steinkiste  befanden  sich  keine  Kohlen  mehr. 

Grab  13.  Hügel;  h  =  etwa  0,60  wi;  d  =  7  w. 
Ein  regelmässiges  Sechseck  aus  unbearbeiteten  Feldsteinen  von  gleicher  Grösse, 
wie  um  voriges  Grab,  begrenzte  den  Hügel.  Eine  Ecke  des  Sechsecks  zeigte  nach 
Osten.  Mitten  auf  dem  Hügel  lag  ein  30  cm  langer,  27  cm  breiter  und  8  cm  dicker 
Feldstein.  Unter  diesem  lagen  bis  zu  einer  Tiefe  von  40  cm  Scherben  der  rauh 
beworfenen  Urne  156,  ihres  einhenkeligen  Deckels  231  und  verbrannte  Knochen 
eines  Erwachsenen  in  regellosem  Durcheinander.  Das  Grab  ist  schon  früher  ge- 
öffnet;  der   Stein    diente   wohl   als   Bodenstein   einer   Steinkiste.     Kohlen  wie  in 

Grab  1. 

Grab  14.    Hügel:  h  =  0,60  m;  d  =  7  w. 

Mitten  im  Hügel  lag  20  cm  tief  der  Deckstein  einer  Steinkiste,  welche  wie 
in  Grab  12  gebaut  war,  und  deren  Steine  denen  in  12  an  Form  und  Grösse 
glichen.  Die  bis  zur  grössten  Weite  rauh  beworfene  Urne  63  (Fig.  S),  welche 
mit  dem  einhenkeligen  Deckel  64  bedeckt  war,  sowie  auch  das  mit  reinem  Sande 
gefüllte  und  durch  parallele  Striche  um  den  Hals  verzierie  einhenkelige  Beigefass 
65  hatten  dieselbe  Stellung  inne,  wie  die  Gefasse  in  Grab  12.  Die  verbrannten 
Knochen,  welche  die  Urne  zu  etwa  Vs  anfüllten,  gehören  einem  Erwachsenen  an. 
Kohlen  ebenfalls  wie  in  Grab  12. 

Grab  15.    Hügel:  h  =  0,40  m\  d  =  6  m. 

In  der  Mitte  lagen  30  cm  tief  2  flache  Decksteine,  welche  auf  3  Setzsteinen 
ruhten  und  mit  einem  Bodenstein  zusammen  eine  dreieckige  Steinkiste  bildeten, 
die  aber  an  ihren  Ecken  nicht  ganz  geschlossen  war.  Sie  stand  fast  unter  der 
Grundfläche  des  Hügels,  und  ihre  Steine  waren  an  Grösse  denen  der  vorigen 
Gräber  etwas  überlegen,  an  Form  aber  glichen  sie  ihnen.  Die  Steinkiste  ent- 
hielt 3  Gefasse,  die  rauh  beworfene  Urne  137  mit  ihrem  einhenkeligen  Deckel 
138  und  das  einhenkelige  Beigefass  136  (Fig.  7),  welches  bis  an  den  Rand  mit 
den  verbrannten  Knochen  eines  Kindes  gefüllt  war  und  westlich  neben  1 37  stand. 
Die  Urne  enthält  die  verbrannten  Knochen  eines  Erwachsenen,  die  sie  ungefähr 
bis  zu  '/4  anfüllten.    Kohlen  wie  in  Grab  12. 


-     22    — 

Grab  16.  Hügel:  h  =  0,60  m;  d  =  7  m. 
In  der  Mitte  lag  3  cm  tief  der  Deckstein  der  Steinkiste,  welche  aas  einem 
Bodenstein  und  8  Steinen  bestand,  die  theils  als  Setzsteine,  theils  als  ihre  Stützen 
dienten.  Die  Form  und  Grösse  der  Steine  ist  denen  in  Grab  12  ähnlich.  In  der 
Steinkiste  lag  nur  weisser  Sand,  der  mit  Kohlen,  wie  in  Grab  12,  yermischt  war. 
Dicht  unter  dem  Bodenstein  aber  stand  die  deckellose  Urne  89,  welche  die  rer- 
brannten  Knochen  eines  Erwachsenen  und  das  einhenkelige  Beigefäss  133  (Fig.  11) 
barg.  Im  Beigefäss  befanden  sich  unten  Sand,  oben  Knochen,  die  aber  durch 
den  Druck  der  Knochen  in  die  Urne  hineingedrückt  waren.  50  cm  von  dieser 
Urne  nach  Osten  hin  entfernt,  aber  40  cm  höher,  stand  die  Urne  90  frei  in 
der  Erde.  Auch  sie  enthielt  die  yerbrannten  Knochen  eines  Erwachsenen  und  war 
ohne  Deckel.  Beide  Urnen  waren  fast  bis  zum  Bande  mit  den  Knochen  gefüllt 
und  mit  Kohlen,  wie  in  Grab  1,  umgeben. 

Grab  17.  Hügel:  h  =  0,50  w;  d  =  6  m. 
35  cm  unter  der  Erde  befand  sich  in  der  Mitte  der  53  cm  lange,  40  an  breite 
und  15  cm  dicke  Deckstein  der  aus  5  Setzsteinen  bestehenden  Steinkiste.  Der 
Bodenstein  fehlte.  In  dieser  Steinkiste  stand  die  Urne  110,  welche  mit  dem  ein- 
henkeligen Deckel  237  verschlossen  war  und  die  yerbrannten  Knochen  eines  Er- 
wachsenen enthielt.  Urne  und  Deckel  waren  durch  die  zerfallene  Steinkiste  zer- 
stört. 30  cm  westlich  von  der  Urne  stand  fast  an  der  Oberfläche  des  Hügels  die 
zweite  Urne  V^4  ohne  Deckel  und  ohne  Steinkiste.  Sie  ist  fast  bis  an  den  Rand 
rauh  beworfen  und  sehr  zerbrochen.  In  ihr  lagen  ebenfalls  die  yerbrannten 
Knochen  eines  Erwachsenen  und  direct  auf  ihr  zwei  Stücke  eines  bronzenen  Hals- 
ringes 105.  Trotz  eifrigen  Nachsuchens  konnten  keine  weiteren  Stücke  des  Hals- 
ringes gefunden  werden.  Kohlen  fanden  sich  in  der  Steinkiste,  wie  in  Grab  I:?» 
und  um  die  Urne  104,  wie  in  Grab  1. 

Grab  18.  Hügel:  h  =  0,80  m;  d  =  8  m. 
In  der  Mitte  befand  sich  1  m  tief  die  mit  dem  einhenkeligen  Deckel  69 
versehene  Urne  70,  und  westlich  neben  ihr  das  einhenkelige  Beigefäss  68  (Fig.  16), 
welches  mit  reinem  Sande  gefüllt  war.  Die  Urne  enthielt  die  verbrannten  Knochen 
eines  Erwachsenen,  welche  sie  etwa  zu  '/«  anfüllten,  und  zwischen  den  Knochen  — 
fast  auf  dem  Boden  —  die  geschmolzene  Bronze  135.  Um  diese  (befasse,  welche 
unter  der  Grundfläche  des  Htigels  standen,  waren  4  flache  Steine  gestellt,  an  Form 
und  Grösse  den  Setzsteinen  in  Grab  12  gleich.    Kohlen  wie  in  Grab  12. 

Grab  19.  Hügel:  h  -=  1,10  m;  d  =  8  m. 
Dieser  Hügel  war  der  höchste.  6  Steine  bildeten  in  der  Mitte  in  einer  Tiefe 
von  1  m  eine  Steinkiste,  deren  Deckstein  fehlte.  Die  Steine  glichen  denen  der 
vorigen  Gräber.  In  der  Steinkiste  standen  die  beiden  Urnen  79  und  81  (Fig.  \\ 
von  denen  79  einen  einhenkeligen  Deckel  besass  und  die  verbrannten  Knochen 
eines  Erwachsenen  enthielt.  Urne  81,  welche  nördlich  neben  79  stand,  gleicht  mehr 
einem  Beigefässe,  enthält  die  verbrannten  Knochen  eines  Kindes  und  besitzt  Henkel- 
narben, der  Henkel  war  aber  nicht  zu  finden.  50  cm  östlich  von  Urne  79  und 
75  cm  höher  stand  die  dritte  Urne  86  frei  in  der  Erde.  Sie  besitzt  keinen  Deckel, 
hat  aber  Narben  von  2  Henkeln  und  enthielt  die  verbrannten  Knochen  eines  Er- 
wachsenen. Alle  drei  Gefässe  waren  fast  bis  an  den  Rand  mit  Knochen  gefüllt, 
und  um  sie  lagen  Kohlen  wie  in  Grab  1  resp.  12.  In  diesem  Grabe  lagen  auch 
noch  auf  der  Grundfläche  des  Hügels  einige  bis  zu  1  cm  im  Durchmesser  grosse 
Kohlenstücke  zerstreut. 

Grab  20.     Hügel:    h  =  0,35  m;  d  =  5,50  m. 
Die  Steinkiste  war  in    diesem  Hügel  sorgfältiger,  als  in  den  vorigen,  gebaut 


—    23    — 

Mitten  unter  der  Grundfläche  des  Hügels  waren  5  flache  Setzsteine,  denen  noch 
zwei  mehr  rundliche  Steine  als  Stützen  dienten,  um  die  Urnen  gestellt;  7  nicht 
ganz  flache  Steine  lagen  mit  ihrem  einen  Ende  so  auf  den  Setzsteinen,  dass  sie 
die  senkrechten  inneren  Flächen  nur  wenig  überragten.  Auf  diesen  Steinen  ruhte 
der  Deckstein.  Ein  Bodenstein  war  nicht  vorhanden.  In  der  Steinkiste  standen 
die  beiden  rauh  beworfenen  Urnen  108  und  224,  welche  beide  etwa  zu  *U 
mit  den  verbrannten  Knochen  von  Erwachsenen  angefüllt  waren.  Die  Urne  108 
hatte  den  einhenkeligen  Deckel  109  (Fig.  14),  während  Urne  224,  welche  südlich 
neben  108  stand,  keinen  Deckel  hatte.    Kohlen  lagen   auch  hier  wie  in  Grab  12. 

Grab  21.    Hügel:  h  =  0,90  m;  d  =  10  m. 

Mitten  auf  der  Grundfläche  des  Hügels  stand  die  85  cm  hohe,  1,50  m  lange  und 
1  m  breite  Steinkiste,  welche  2  flache  Deckelsteine  und  einen  Bodenstein  hatte, 
errichtet  23  Steine,  welche  durchschnittlich  kleiner  waren,  als  die  der  vorigen 
Gräber,  dienten  als  Setzsteine  und  Stützen  deirselben.  In  der  Steinkiste  stand  die 
Urne  88  (Fig.  3).  Sie  war  mit  dem  einhenkeligen  Deckel  130  zugedeckt  und  ent- 
hielt die  verbrannten  Knochen  eines  Erwachsenen,  die  sie  etwa  bis  zu  Vs  anfüllten. 
Femer  enthielt  sie  das  mit  der  freien  Hand  geformte  und  vollkommen  zerbrochene 
Beigefass  131  und  die  bronzene  Nadel  87  (Fig.  12),  welche  senkrecht  zwischen 
den  Knochen  steckte  und  nur  mit  dem  Knopfe  aus  ihnen  heraussah.  Sie  ist  der 
Nadel  in  Grab  5  ähnlich.    Kohlen  wie  in  Grab  12. 

Grab  22.    Hügel:  h  =  0,30  m;  d  =  4  m. 

Die  zwei  Decksteine  der  Steinkiste  lagen  in  der  Mitte  55  cm  tief,  also  unter 
der  Grundfläche  des  Hügels.  Ein  Bodenstein  war  nicht  vorhanden.  15  Steine 
dienten  als  Setzsteine  und  Stützen.  In  der  Steinkiste  stand  die  Urne  154,  welche 
mit  dem  einhenkeligen  Deckel  155  bedeckt  und  fast  bis  an  den  Rand  mit  den 
Knochen  eines  Erwachsenen  angefüllt  war.    Kohlen  wie  in  Grab  12. 

Grab  23.    Hügel:  h  =  0,40  m;  d  =  7  m. 

55  cm  unter  der  Erde  befand  sich  in  der  Mitte  die  am  unteren  Theile  des 
Bauches  durch  einzelne  bogenförmige  Streifen  verzierte  Urne  91,  welche  mit  dem 
einhenkeligen  Deckel  92  bedeckt  und  von  den  verbrannten  Knochen  eines  Er- 
wachsenen etwa  zu  7»  angefüllt  war.  Neben  der  Urne  lag  im  Süden  und  Norden 
je  ein  Stein  von  10 — 12  cm  Durchmesser.     Kohlen  wie  in  Grab  1. 

Grab  24.    Hügel:  h  =  0,70  m;  d  =  5,20  m. 

Die  Steinkiste  (Fig.  22)  dieses  Hügels  war,  wie  die  in  Grab  20,  gebaut.   Nur 

Fig.  22. 

o.s.o. 


Senkrechter  Durchschnitt  durch  die  Mitte  des  Grabes  24. 

a— d  wie  bei  Fig.  22. 

waren  alle  Steine  durchschnittlich  etwas  grösser,  und  die  6  Setzsteine  schnitten 
mit  ihren  oberen  Kanten  mit  der  Grundfläche  des  Hügels  ab,  so  dass  die  theil weise 
auf  den  Setzsteinen  ruhenden  7  Steine  auch  auf  der  Grundfläche  des  Hügels 
lagen.  In  der  Steinkiste  stand  die  mit  dem  einhenkeligen  Deckel  102  bedeckte 
und  mit  den  verbrannten  Knochen  eines  Erwachsenen  zu  *U  angefüllte  Urne  99 
(Fig.  19).    Sie  hat  oben  am  Bauche  2  Henkel  besessen,    die  aber  nicht  zu  finden 


—    24    - 

waren.    In  der  Höhe  ihres  Randes   stand  15  cm  WNW.  von  ihr  das  einhenkelige 
Beigefäss  101,  welches  nur  mit  reinem  Sande  gefüllt  war.    Kohlen  wie  in  Grab  12. 

Grab  25.  Plachgrab? 
Das  Grab  hatte  keinen  Hügel  und  lag  NO.  am  Fusse  des  Hügels  24.  Es  war 
daher  nicht  festzustellen,  ob  es  ein  besonderes  Grab  war  oder  ob  es  zum  Grabe 
24  gehörte.  Zwischen  6  rundlichen  Steinen  von  6 — 15  cm  Durchmesser  lagen  Ton 
der  Oberfläche  ab  bis  zu  einer  Tiefe  von  30  cm  die  Scherben  152  von  3  Gefässen, 
darunter  eine  Henkelscherbe  und  ein  durch  parallele  Furchen  horizontal  verziertes 
Stück.  Wahrscheinlich  gehören  diese  Scherben  einer  Urne,  einem  Deckel  und 
einem  Beigefasse  an.    Das  Grab  war  schon  zerstört. 

Grab  26.  Hügel:  h  =  0,10  m;  d  =  2,40  m. 
In  der  Mitte  befand  sich  eine,  der  im  Grabe  24  gefundenen  ähnliche  Steinkiste, 
aber  kleiner.  Ihr  Deckstein  war  an  der  Oberfläche  sichtbar,  auch  ein  Boden- 
stein war  vorhanden.  Sie  enthielt  die  mit  dem  Deckel  119  versehene,  bis  an  den 
Hals  rauh  beworfene  Urne  118,  die  fast  bis  an  den  Rand  mit  den  verbrannten 
Knochen  eines  Erwachsenen  gefüllt  war.    Kohlen  wie  in  Grab  12. 

Grab  27.    Hügel:  h  =  ?  m;  d  =  4,40  m. 
Das    Grab    war   schon   zerstört.     Reste   einer   Steinkiste   wurden   gefunden, 
Scherben  und  Knochen  aber  nicht. 

Grab  28.     Hachgrab?    d  =  1  w. 

Ein  Hügel  war  nicht  vorhanden,  aber  über  dem  Grabe  ist  Heide  gehauen, 
wodurch  der  Hügel  vielleicht  verschwimden  ist  15  rundliche  Steine  von  8— iOrm 
Durchmesser  umgaben  die  zweihenkelige  Urne  232,  welche  mit  dem  einhenkeligen 
Deckel  233  bedeckt  war  Unter  der  Urne  lag  ein  etwas  flacher  Stein  als  Boden- 
stein und  auf  ihr  ein  gleicher  als  Deckstein.  Letzterer  war  an  der  Oberfläche 
sichtbar.  Die  Urne  war  zu  etwa  V4  niit  den  verbrannten  Knochen  eines  Kindes  ge- 
füllt Kohlen  wurden  nur  wenige  und  von  geringer  Grösse  zwischen  den  Steinen 
gefunden. 

Grab  29.    Hügel:  h  =  0,25  tw?;  d  =  3  m. 

In  der  Mitte  lagen  sehr  zerstreut  und  ungefähr  25  cm  tief  33  nicht  ganz  so 
grosse  Steine,  wie  im  vorigen  Grabe,  und  zwischen  ihnen  kleine  verbrannte  Knochen- 
stücke und  wenige  Scherben,  aus  denen  man  nicht  mehr  auf  die  Art  und  Form 
der  Gefässe  schliessen  konnte.  Kohlen  wie  in  Grab  28.  Das  Grab  war  schon 
zerstört 

Grab  30.    Hügel:   h  =  0,20  m;  d  =  5  m. 

In  der  Mitte  stand  auf  einem  flachen  Feldsteine  die  Urne  111  (Fig.  2)  (mit 
ihrem  Rande  50  cm  unter  der  Erde).  Sie  war  mit  dem  einhenkeligen  Deckel  129 
zugedeckt  Südöstlich  neben  ihr  stand  in  einer  nach  der  Urne  111  zu  offenen 
Steinkiste  die  Urne  112  ohne  Deckel.  Die  Steinkiste  hatte  2  Decksteine,  aber 
keinen  Bodenstein.  Ihre  Steine  glichen  denen  in  Grab  12.  Nordöstlich  neben 
der  Urne  111  stand  die  mit  dem  einhenkeligen  Deckel  121  bedeckte  und  rauh 
beworfene  Urne  113  frei  in  der  Erde.  Alle  drei  Urnen  standen  unter  der  Grund- 
fläche des  Hügels  und  enthielten  die  verbrannten  Knochen  von  Erwachsenen,  die 
sie  bis  etwa  *U  anfüllten.    Kohlen  lagen  wie  in  Grab  1  resp.  12. 

Grab  31.     Hügel:   h  =  0,10  m?;  d  =  3,50  m. 
In  der  Mitte  lagen  nur  einige  vom  Feuer  beschädigte  Knochen  eines  Elrwachaenen. 
Scherben  waren   aber   nicht  zu  finden.    Das  Grab   war  schon  zerstört    Leichea- 
bestattung  hat  nicht  stattgefunden. 


—    25    — 

Grab   32.     Langgestreckter  Httgel:   h  =  0,50  m?,  Länge  13  m  und  Breite  2,50  m. 

Dieses  Grab  ist  das  einzige  des  Friedhofes,  welches  keinen  Hügel  von  kugel- 
segmenta^iger  Form  besitzt  oder  flach  ist.  Der  Hügel  ist  langgestreckt  and  über- 
all gleich  breit.  ImNW.-Ende  des  Hügels  fanden  sich  auf  Steinen  von  10— 18  cm 
Durchmesser,  welche  auf  der  Grundfläche  des  Hügels  eine  Art  Pflasterung  von 
1,50  m  Länge  und  1,30  m  Breite  bildeten,  einige  gelbbraune  Scherben  von  2  Ge- 
fössen  (Urne  mit  Deckel?)  und  einige  yerbrannte  Menschenknochen  vor.  Am  süd- 
östlichen Ende  befanden  sich  ebenfalls  in  derselben  Lage  und  Höhe  Steine  von 
ähnlicher  Grösse.  Nur  gab  es  hier  keine  Scherben  und  Knochen.  Kohlen  von 
geringer  Grösse  lagen  auf  den  Steinen  beider  Enden  nur  sehr  wenige.  Leichen- 
bestattung hat  nicht  stattgefunden,  auch  war  die  Geröllschicht  unverletzt  Das 
Grab  ist  wahrscheinlich  schon  einmal  geöffnet  worden. 

Grab  33.    Hügel:  h  =  0,20  m;  d  =  2,20  m. 

In  der  Mitte  wurde  in  einer  Tiefe  von  25  cm  eine  Kohlenschicht  von  0,70  cm 
Durchmesser  und  10  cm  Dicke  gefunden.  30  an  südöstlich  von  ihr  befand  sich 
in  derselben  Ebene  eine  zweite  gleich  grosse  und  dicke  Kohlenschicht  Eine  dritte 
Kohlenschicht,  welche  einen  Durchmesser  von  1  m  und  eine  Dicke  von  0,25 — 0,35  cm 
hatte,  lag  5 — 10  cm  südwestlich  von  diesen  beiden  und  0,70  m  unter  der  Erde. 
Knochen  und  Scherben  wurden  nicht  gefunden.  Die  Geröllschicht  war  bei  der 
letzten  Kohlenschicht,  welche  unter  ihr  lag,  etwa  2  m  im  Durchmesser  durchbrochen. 

Grab  34.    Hügel:  h  =  0,05  m;  d  =  3  m. 

In  der  Mitte  befand  sich  die  Urne  478,  welche  mit  einem  einhenkeligen 
Deckel  bedeckt  und  zu  etwa  Vs  ^^^  den  verbrannten  Knochen  eines  Erwachsenen 
gefüllt  war,  mit  ihrem  Rande  0,35  m  tief  frei  in  der  Erde,  also  unter  der 
Grundfläche  des  Hügels.    Kohlen  wie  in  Grab  1. 

Grab  35.    Hügel:   h  =  ?;  d  =  ? 

Das  Grab  befand  sich  auf  dem  Ackerlande  und  war  vollkommen  zerstört,  so 
dass  der  Hügel  fast  verschwunden  war.  In  der  Mitte  lagen  einige  Scherben  und 
verbrannte  Knochen,  aus  denen  man  aber  auf  nichts  Bestimmtes  schliessen  konnte.  — 

Hat  man  auf  dem  Wege  von  Luttmissen  nach  Ebstorf,  welcher  über  den 
höchsten  Punkt  des  Brommbargs  führt,  das  Wegkreuz  Luttmissen  -  Ebstorf  und 
Wessenstedt  -  Oitzfelde  um  381  m  überschritten,  so  sieht  man  WNW.  des  Weges 
—  also  auf  dem  SSW.-Ausläufer  des  Brommbargs  — -  mehrere  kleine  Hügel ')  von 
0 — 1,10  m  Höhe  und  1 — 10  m  Durchmesser.    Es  sind  Hügelgräber. 

Sie  haben  in  der  Regel  eine  kugelsegmentartige  Gestalt.  Nur  Grab  32  hat 
einen  langgestreckten  Hügel,  während  die  Gräber  9,  25  und  28  keinen  Hügel  be- 
sitzen. Jedoch  lässt  sich  annehmen,  dass  auch  diese  Gräber,  deren  Inhalt  nicht 
geringer  war,  als  der  der  übrigen,  einst  Hügel  gehabt  haben,  die  aber  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  durch  Witterungseinflüsse  verschwunden  oder  mit  der  Heidt- 
wicke  öfter  geschält  sind,  wie  man  es  bei  Grab  8  und  über  Grab  28  wahrnehmen 
konnte.  Vielleicht  hatten  sie  auch  andere  Merkmale,  z.  B.  Denksteine,  wie 
sie  auf  den  langobardisch  -  sächsischen  Friedhöfen  standen,  die  dann  aber 
später  zum  Häuser-  und  Strassenbau  verwendet  wurden.  So  lagen  bei  Grab  9  noch 
Splitter  eines  grösseren  gespaltenen  Steines.  Einige  Hügel  sind  auch  mit  Steinen 
ganz  oder  theilweise  umlegt;  so  besitzt  Hügel  12  einen  Steinkranz,  und  die 
Gräber  9,  10  und  11  haben  Steinbogen.  Diese  sind  aber  wohl  nur  Reste  von 
Steinkränzen,  denn  bei  Grab  10  wurde  der  Steinkranz  durch  einen  vorbeigelegten 

1)  Aehnliche  Gräber  siehe  bei  v.  Estorff,   Heidnische  Alterthümer  Taf.  XIV.  Fig.  7, 
Ripdorf;  XVI.  Fig.  7  und  8,  Wellendorf;  Ranke,   Der  Mensch,  IL  Bd.  605,  Ober-Italien. 
Hflgel  14  liegt  133,80  m  vom  Wege  Luttmissen-Ebstorf. 


—    26    — 

Graben  zerstört,  und  bei  Grab  9  und  1 1  Hessen  einige  entsprechende  Vertiefungen 
um  den  Hügel  auf  weggenommene  Steine  schliessen.  Um  Hügel  13  befindet  sieh 
ein  regelmässiges  Sechseck,  dessen  eine  Spitze  nach  Osten  gerichtet  ist  Die 
Steine  hatten  bei  allen  diesen  Gräbern  nur  einen  Durchmesser  von  5 — 45  cm, 
waren  unbehauene  Feldsteine  und  nur  an  ihrer  Oberfläche  sichtbar. 

Alle  Hügel  aber  bestehen  aus  fast  ockergelbem  Sande,  welcher  unter  der  nur 
1 0 — 20  cm  starken  Heidenarbe  auf  dem  ganzen  Friedhofe  ausgebreitet  ist  Dieser 
Sand  hat  unter  der  Grundfläche  der  Hügel  eine  Stärke  von  25—50  cm  und  über- 
deckt eine  Geröllschicht  von  10 — 25  cm  Dicke,  welche  nach  der  Höhe  zu  fester 
und  dicker  ist,  als  am  westlichen  Abhänge.  Unter  dieser  Schicht  liegt  grobkörniger 
weisser  Sand,  der  nur  in  wenigen  Fällen  (Grab  5,  16  und  22)  zur  Aufnahme  der 
hier  Ruhenden  benutzt  wurde. 

Die  Leute  vom  Brommbarge  begnügten  sich  yielmehr  damit,  die  Reste  ihrer 
Todten  nur  wenig  mit  Erde  zu  bedecken.  Es  genügte  ja  auch  vollkommen.  Hatten 
sie  doch  ihre  Todten  sorgfältig  verbrannt,  die  gesammelten  Knochen  in  weite  Oe* 
fasse  gelegt  und  diese  mit  grossen  Schalen  bedeckt.  So  konnte  kein  übler  Geruch 
raublustige  Thiere  anlocken  oder  das  Verweilen  auf  dem  Friedhofe  verleiden. 
Die  Leute  hatten  also  nur  Sorgfalt  darauf  zu  verwenden,  dass  die  Gefässe  nicht  zer- 
drückt wurden,  und  dies  thaten  sie  auch,  so  gut  sie  es  konnten.  Sie  streuten  stets 
auf  die  Knochen  in  der  Urne  noch  Sand  und  Asche,  damit  sie  voll  wurde  und 
so  dem  Drucke  der  Erde  von  aussen  widerstehen  konnte.  Dann  erst  bedeckten 
sie  dieselbe  mit  dem  Deckel.  Nun  stellten  sie  die  Urne  frei  auf  den  Boden 
(Grab  2,  7,  8  und  1 1),  von  dem  sie  wohl  noch  den  Humus  entfernten,  oder  setzten 
sie  in  eine  ungefähr  1  m  im  Durchmesser  haltende,  flachere  oder  tiefere  Grube 
(Grab  1,  3,  5,  9,  6,  34),  umgaben  sie  mit  schönem,  weissem  Sande,  dem  sie  einige 
Kohlen  vom  Scheiterhaufen  beimengten,  und  wölbten  als  Denkmal  einen  Hügel 
darüber.  "Wollten  sie  zum  Schutze  der  Urnen  noch  mehr  thun,  und  dies  ge- 
schah meistens,  so  machten  sie  eine  Grube  von  10 — 90  cm  Tiefe,  legten  unten 
einen  flachen  Stein  hinein,  stellten  um  diesen  mehrere  breite  und  ebenfalls  flache 
Steine,  die  sie  noch  durch  mehr  rundliche  stützten,  indem  sie  diese  zwischen 
erstere  und  die  Wände  der  Grube  schoben  oder  sie,  wenn  die  Grube  sehr  flach 
war,  gegen  die  Setzsteine  lehnten.  In  diese  so  gebaute  Kiste  stellten  sie  nun  die 
Gefässe  und  füllten  den  leeren  Raum  der  Kiste  mit  derselben  Sand-  und  Kohlen- 
Mischung  aus,  mit  der  sie  sonst  die  Gefässe  umgaben.  War  die  Kiste  an- 
gefüllt, so  wurde  ein  grosser  und  flacher  Stein  —  oder  mehrere,  je  nach  Bedarf  — 
darübergedeckt  und  der  Hügel  aufgeworfen. 

Sollten  nun  späterhin  noch  Familienmitglieder  in  dem  Hügel  ruhen,  so  konnte 
man,  ohne  Gefahr  die  Gefässe  zu  verletzen,  den  Hügel  öfitnen  und  die  Urnen  bei- 
setzen. Wir  haben  deshalb  auch  da,  wo  wir  Urnen  in  Steinkisten  und  Urnen  trei 
in  der  Erde  finden,  die  ersteren  für  die  älteren  zu  halten  (Grab  17,  19  und  30). 
Finden  sich  aber  zwei  Urnen  in  der  Steinkiste  oder  in  gleicher  Höhe  unter  der 
Erde,  so  lässt  sich  wohl  nicht  bestimmen,  welches  die  ältere  ist,  —  es  sei  denn, 
dass  die  unverzierte,  aus  weniger  gutem  Thon  gebrannte  die  ältere  wäre,  wie 
z.  B.  Urne  141  in  Grab  6  und  Urne  94  in  Grab  7.  Vielleicht  aber  wurde  auch 
in  der  besseren  Urne  das  angesehenere  Familienmitglied  beerdigt  Auffallend  ist 
wenigstens,  dass  sich  sehr  häufig  eine  Urne  von  gefälligerer  Form  und  ans  besseren 
Thon  neben  einer  geringeren  und  aus  schlechterem  Thon  gearbeiteten  befindet 
Das  Eingraben  zweier  solcher  Urnen  geschah  jedenfalls  gleichzeitig.  Entweder 
trat  der  Tod  bei  den  Betrcfl'enden  zu  gleicher  Zeit  ein,  —  vielleicht  auch  dorch 
Mitverbrennen  — ,    oder  die  Aschenreste   des  verstorbenen   Gatten   (denn   solch«. 


—     27     — 

nehme  ich  an,  ruhen  gewöhnlich  in  zwei  nebeneinander  stehenden  Urnen) 
wurden  bis  zum  Tode  des  noch  Lebenden  in  der  Wohnung  aufbewahrt  Geschah 
dies  nicht,  so  war  es  doch  leicht  möglich,  beim  Eingraben  der  zweiten  Urne  die 
erste  zu  beschädigen.  Eine  sonderbare  Stellung  der  Urnen  befindet  sich  in 
Grab  16.  Hier  steht  die  eine  Urne  fast  an  der  Oberfläche  des  Hügels,  während 
die  andere  dicht  unter  dem  Bodenstein  der  Steinkiste  steht.  Diese  selbst  aber 
enthält  weder  Urnen  noch  Knochen. 

Sie  ist  jedenfalls  gleichzeitig  mit  dem  Eingraben  der  unter  ihr  stehenden  Urne 
gebaut  und  ist  entweder  zur  Aufnahme  eines  anderen  Familienmitgliedes  bestimmt, 
der  aber  hier  seine  Ruhestätte  nicht  finden  sollte  und  vielleicht  in  der  oberen 
Urne  ruht,  —  denn  es  konnte  ja  vergessen  sein,  dass  die  Steinkiste  leer  gelassen 
war  — ,  oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  sie  ist  zur  Erinnerung  dessen  gesetzt, 
der  fem  von  der  Heimath  starb  oder  so  verunglückte,  dass  man  seine  Leiche 
nicht  bergen  konnte;  die  dem  weissen  Sande  beigemengten  Kohlen  in  der 
Steinkiste  sprechen  für  einen  ihm  zu  Ehren  angezündeten  Scheiterhaufen.  Auch 
in  Grab  33,  welches  keine  Spur  von  Zerstörung  aufwies,  fanden  sich  weder 
Knochen  noch  Scherben,  und  doch  lagen  an  drei  verschiedenen  Stellen  Kohlen- 
schichten, die  an  die  Kohlenschicht  im  Grabe  6  erinnerten,  auf  welcher  die 
Urne  141  stand.  Auch  diese  Kohlen  sind  wohl  dem  Scheiterhaufen  entnommen, 
der  zu  dem  Andenken  des  Todten  loderte,  und  statt  der  Asche  beerdigt  worden. 

Sehen  wir  nun  von  diesen  beiden  und  von  den  Gräbern  8,  25,  27,  29,  32,  35 
ab,  so  sind,  wenn  sich  nicht  noch  Gräber  ohne  Hügel  finden,  38  Personen 
(darunter  4  kleine  Kinder)  auf  dem  Friedhofe  beerdigt.  Die  Reste  der  Er- 
wachsenen lagen  alle  in  grossen,  die  der  Kinder  in  kleineren  Urnen. 

Im  Ganzen  wurden  41  Urnen,  29  Deckel  und  11  Beigefässe  gefunden.  Die 
Urnen,  welche  alle  einen  flachen  Boden  haben,  zerfallen  in  3  Gruppen. 

Die  Urnen  der  ersten  sind  aus  schlechtem  Thon  gemacht,  der  mit  sehr  grobem 
Sande  vermischt  ist.  Sie  sind  dickwandig,  aussen  gewöhnlich  rothbraun,  innen 
dunkelgraubraun  bis  schwarz  gefärbt.  Ihre  Oberfläche  ist  aussen  und  innen  durch 
den  groben  Sand  des  Thons  rauh  und  bisweilen  aussen  bis  einige  Gentimeter 
unter  den  Rand  rauh  beworfen.  Von  der  grössten  Weite  an  werden  diese  Ge- 
lasse nach  oben  nur  wenig  enger;  sie  besitzen  niemals  einen  abgegrenzten  Hals 
oder  Rand.  Einige  von  ihnen  haben  zwei  Henkel,  die  zum  Tragen  mit  beiden 
Händen  dienen.    [Urne  141  (Fig.  5);  94  (Fig.  18)]. 

Die  zweite  Gruppe  hat  etwas  dünnere  Wände,  einen  weiten  Bauch,  kurzen 
geschweiften  Hals  und  weite  Oeffnung.  Die  Gefässe  sind  aus  Thon,  dem  grober 
Sand  beigemengt  ist,  angefertigt,  aussen  gelbbraun  und  glatt  (selten  bis  an  den 
Rand  rauh  beworfen),  innen  ebenfalls  glatt,  aber  dunkel  -  graubraun.  Henkel 
fehlen  immer.    [Urnen  88  (Fig.  3);  63  (Fig.  8);  70  (Fig.  15)]. 

Die  dritte  Gruppe  hat  verhältnissmässig  dünnere  Wände  und  ist  aus  feinerem 
Thon,  als  die  vorige,  der  aber  auch  mit  grobem  Sande  vermischt  ist  Aussen  sind 
diese  Urnen  glatt  und  gelbbraun,  innen  ebenfalls  glatt,  aber  oft  dunkel-graubraun. 
Ihr  Bauch  ist  weit  und  bisweilen,  wie  auch  ihr  Hals,  durch  Striche  und  Streifen 
verziert.  An  seinem  oberen  Theile  hat  der  Bauch  in  einigen  Fällen  Henkel,  die 
zum  Durchziehen  einer  Schnur  bestimmt  sind.  [Urnen  93  (Fig.  17);  99  (Fig.  19); 
111  (Fig.  2);  221]. 

Die  Deckel,  die  ebenfalls  einen  flachen  Boden  und  immer  einen  grossen 
breiten  Benkel  haben,  welcher  am  Rande  beginnt  und  etwas  tiefer  befestigt  ist, 
sind  fast  alle  gleich  geformt.  Ihre  grösste  Weite  liegt  am  Rande  oder  einige 
Centimeter  darunter.    Einige  sind  gewölbt  und  besitzen  einen  stark  nach  einwärts 


—    28    — 

gebogenen  Rand.  Die  meisten  aber  haben  sehr  schräge,  gerade  "Wände.  Der 
Thon  ist  theils  mit  sehr  grobem,  theils  mit  feinerem  Sande  yermischt  Die  Farbe 
der  Gefässe  ist  aussen  gelbbraun  bis  brann,  innen  braun  bis  dunkel-graubraun. 
Deckel:   84  (Pig.  9);    109  (Fig.  14). 

Auch  die  Beigefösse  sehen  sich  alle  sehr  ähnlich.  Ihr  Boden  ist  flach;  ihr 
Hals,  vom  Bauche  durch  einen  Absatz  oder  Verzierungen  getrennt,  ist  geschweift 
oder  gerade,  ihr  Rand  wenig  oder  gar  nicht  nach  auswärts  gebogen.  Sie  haben  alle 
einen  grossen  breiten  Henkel,  der  am  Rande  beginnt  und  meistens  auf  der  grössten 
Weite  endigt,  und  sind  aussen  und  innen  gelbbraun  bis  dunkel -graubraun.  Ihr 
Thon  ist  gut  geschlemmt  und  mit  massig  grobem  Sandevermischt.  Beigefäss  Fig.  6, 
7,  11,  16,  20.  Eine  Ausnahme  macht  Beigefäss  67  (Fig.  10).  Dasselbe  besteht  aus 
sehr  feinem  Thon,  ist  aussen  und  innen  gelb  und  besitzt  einen  hohlen  Fuss.  Dies 
Geföss  und  das  Beigefäss  131  sind  mit  der  freien  Hand  gemacht,  während  alle 
übrigen  GefUsse  mit  der  Drehscheibe  oder  einer  ähnlichen  Maschine  angefertigt  sind. 

Aus  diesem  Grunde,  wie  auch  der  verschiedenen  Gruppen  wegen,  können  wir 
wohl  annehmen,  dass  es  schon  Töpfereien  gab,  in  der  die  Gefässe  beigestellt 
wurden,  oder  dass  ihre  Herstellung  in  den  Händen  einzelner  Geübterer  lag. 
Auch  muss  ihr  Preis  nicht  niedrig  gewesen  sein,  denn  sogar  zerbrochene  Ge- 
fässe, wie  Urne  221,  welche  ein  Loch  im  Boden  hatte,  und  wie  Urne  99, 
der  die  Henkel  fehlten,  vmrden  noch  zur  Aufnahme  der  Reste  der  Todten 
benutzt.  Im  Bruch  zeigen  die  grösseren  Gefässe  den  massig  geschlemmten 
Thon  zwecks  besseren  Zusammenhaltens  mit  grobem  Sande  vermischt  und 
nach  aussen  stärker  gebrannt,  als  nach  innen,  so  dass  die  Farbe  im  Innern 
der  Gefässe  immer  dunkler  oder  mehr  naturfarbig  ist,  als  aussen.  Die  kleineren 
Gefässe  sind  gleichmässiger  gebrannt,  und  ihre  Farbe  ist  daher  auch  aussen 
und  innen  fast  dieselbe.  Das  Brennen  geschah  wahrscheinlich  am  offenen 
Feuer,  welches  ringförmig  um  die  zu  brennenden  Gefässe  angezündet  wurde.  Be- 
vor man  aber  ans  Brennnen  ging,  wurden  die  Gefässe  noch  mit  glatten  Stein^i 
oder  Knochen  mehr  oder  weniger  geglättet  oder  bis  fast  an  den  Rand  mit  Lehm 
oder  Thon  beworfen,  so  dass  sie  eine  sehr  rauhe  Oberfläche  erhielten.  Einige 
wurden  auch  durch  Fingemägeleindrücke  auf  den  Rand  (Deckel  144)  oder  einige 
Centimeter  darunter  (Deckel  478)  verziert.  Diese  Eindrücke  laufen  in  1—2  c»- 
Abständen  in  einer  Reihe  horizontal  um  die  Gefässe  und  rühren  von  kleinen 
Daumen  her,  so  dass  man  fast  vermuthen  sollte,  sie  wären  von  einer  Frau  ge- 
macht worden.  Als  weitere  Verzierung  mit  blosser  Hand  findet  sich  nur  noch 
die  des  Randes  der  Urne  478.  Hier  wurde  der  Daumen  oben  in  den  Rand  und 
etwas  nach  aussen  hin  mit  dem  Nagel  eingedrückt,  der  Zeigefinger  mit  dem  zweiten 
oder  ersten  Gliede  an  die  innere  Wand  des  Gefässes  gelegt  und  nun  das  GefSUs 
gedreht.  Hierdurch  entstand  auf  dem  Rande  des  Gefässes  eine  Furche,  deren  innerer 
Rand  höher,  als  der  äussere  wurde.  Die  anderen  Verzierungen  sind  mit  Stäben  ge- 
macht, die  mehr  oder  weniger  zugespitzt  waren,  und  mit  denen  man  den  weichen 
Thon  ritzte  oder  streifte.  Bei  dem  Deckel  115b  finden  sich  unten  am  Bauche  nur 
einige  regellose  Striche  von  1  mm  Breite,  die  mit  einem  Stabe  gemacht  worden  sind. 
Nahm  man  nun  mehrere  derartige  Stäbe  neben  einander,  so  erhielt  man  parallele 
Striche.  So  hat  die  Urne  93  sieben  solcher  parallelen  Striche  von  1  mm  Breite, 
7o  mm  Tiefe  und  2  mm  Entfernung  von  einander,  die  unten  am  Bauche  in  verschiedenen 
Richtungen  laufen,  sich  kreuzen  und  berühren.  Bei  Gefäss  65  befinden  sieb 
nur  5  parallele  und  sehr  schmale  Striche  um  den  Hals.  Waren  die  Stäbe  breiter, 
so  entstanden  Streifen,  wie  sie  bei  Urne  91  zu  finden  sind.  Unten  am  Bauche 
sieht  man  4  mm  breite,  1  mm  tiefe  und  2  cm  lange  bogenförmige  Streifen,  die  nur 


—    29    — 

mit  einem  Stabe  gemacht  sind,  miregelmässig  yertheili  An  dem  Beigefäss  82  laufen 
3  parallele  Streifen,  die  mit  3  breiten  Stäben  gemacht  sind,  horizontal  in  Höhe 
des  imteren  Henkelansatzes  am  das  Gefäss.  Si^  sind  von  gleicher  Breite  und 
Tiefe,  wie  die  vorigen,  und  haben  2 — 3  mm  Abstand  von  einander.  Gleiche 
Streifen  befinden  sich  in  gleicher  Höhe  um  das  Gefäss  115b.  Unter  diesen 
verzieren  aber  noch  andere  den  Bauch  des  Gefasses.  Ihre  Richtung  ist  aber 
leider  nicht  mehr  festzustellen,  da  das  Gefäss  vollkommen  zerbrochen  ist  Auch 
das  diesem  an  Verzierung  ähnliche  Gefäss  221  ist  leider  zerbrochen.  In  Höhe 
der  Henkel  befinden  sich  aber  6  den  vorigen  ähnliche  Streifen  um  das  Gefäss. 
Ausser  diesen  laufen  senkrecht  über  jeden  Henkel  3  Streifen,  die  von  hier  aus 
unter  den  horizontalen  den  oberen  Theil  des  Bauches  im  Zickzack  verzieren. 
Drückte  man  nun  mit  dem  Stabe  etwas  fester  in  den  Thon  hinein,  so  entstanden 
Furchen,  wie  sie  die  Scheibe  des  Beigefässes  152  zeigt. 

Diese  Verzierungen,  die  Form  und  das  Material  der  G^fässe,  sowie  der  Bau 
der  Gräber  geben  uns  aber  nur  sehr  wenig  Aufklärung  über  ihre  Hersteller.  Eher 
schon  geschieht  dies  durch  die  Beigaben.  Denn  ausser  den  Kohlen  des 
Scheiterhaufens,  die  sich  in  allen  Gräbern  vorfanden,  legte  man  dem  Todten 
noch  andere  Beigaben  mit  ins  Grab.  Vor  allen  Dingen  das  einhenkelige  Bei- 
gefäss. Es  findet  sich  in  11  von  35  Gräbern  und  war,  wo  es  sich  noch  fest- 
stellen Hess,  immer  mit  weissem,  reinem  Sande  gefüllt  Nur  das  Beigefäss  136 
enthielt  die  verbrannten  Knochen  eines  Kindes;  es  ist  das  grösste  der  Beigefasse. 
Die  Lage  dieser  Gefässe  ist  theils  in  der  Urne  (Grab  16  und  21)  oder  Steinkiste 
(Grab  15,  18  und  24),  theils  neben  der  Urne  (Grab  5  und  8)  oder  Steinkiste 
(Grab  12  und  14),  und  dann  in  2  Fällen  östlich  und  in  4  Fällen  westlich  von  der 
Urne  oder  Steinkiste.  Als  weitere  Beigaben  finden  sich  zwei  bronzene  Nadeln, 
die  beide  senkrecht  zwischen  den  Knochen  der  Urnen  83  und  88  steckten,  so  dass 
sie  mit  ihren  Knöpfen  aus  den  Knochen  herausragten.  Die  11,5  cm  lange  Nadel  85 
(ß^S-  ^^)'))  welche  oben  schwanenhalsartig  gebogen  ist,  hat  einen  kleinen  Knopf, 
der  einem  abgestumpften  Kegel  von  3  mm  Höhe  gleicht.  Seine  obere  Fläche  misst 
3  mm  im  Durchmesser,  seine  Grundfläche  5  mm.  An  diese  setzt  sich  die 
Nadel  an.  In  einer  Entfernung  von  3  mm  vom  Knopfe  hat  sie  noch  eine  flache, 
um  den  Hals  laufende  Vertiefung.  Ihr  Gewicht  beträgt  4*/»  9-  Die  Nadel  87 
(Fig.  12)  ist  wie  Nadel  85  gebogen,  10,4  cm  lang  und  hat  einen  flachen,  scheiben- 
förmigen Knopf  von  6  mm  Durchmesser  und  1  mm  Dicke.  2  mm  unter  dem  Knopfe 
läuft  ein  erhabener,  l'/s  mm  breiter  Streifen  um  die  Nadel.  Ihr  Gewicht  beträgt 
374  <7.  Beide  Nadeln  sind  mit  schöner  Patina  überzogen  und  haben  picht  vom 
Feuer  gelitten.  In  Urne  70  dagegen  befand  sich  geschmolzene  Bronze  (135),  die 
ihrer  Menge  und  ihrem  Gewichte  nach  zu  urtheilen  von  einer  den  beiden  ersten 
ähnlichen  Nadel  herrühren  mag.  Ausser  diesen  3  Beigaben  von  Bronze  wurden 
noch  2  Stücke  eines  bronzenen  Halsringes  gefunden.  Dieselben  lagen  direct  auf 
der  zerbrochenen  Urne  104.  Sie  bestehen  aus  4  bronzenen  Streifen  von  ungefähr 
1  cm  Breite,  die  sich  um  eine  Achse  schraubenförmig  winden.  Man  sollte  an- 
nehmen, dass  sich  auch  noch  andere  Theile  des  Ringes  hätten  finden  müssen. 
Das  war  aber  nicht  der  Fall,  obwohl  der  Hügel  unverletzt  war.  Die  wenigen 
Stücke  waren  also  wohl  schon  grosse  Kostbarkeiten;   denn  Minderwerthiges  hätte 


1)  Aehnlicbe  Nadeln  (Akademie  der  Wissenschaften,  Mfinchen) :  Kesselbrann,  Kirchen- 
birlich,  Mandlan,  Lesau,  Vorgendorf,  Wittenhofen,  Staufersbach.  Fast  gleiche  Nadeln  wie 
Fig.  18  im  Bajerischen  National-Mosemn  No.  541;  Naue,  Hügelgräber  XXII.  Fig.  11; 
V.  Estorf,  Heidnische  Alterthümer  Taf.  YUl.  Fig.  28. 


—    30    — 

man  doch  dem  Todten  nicht  mitgegeben.  Noch  spärlicher  aber,  als  die  Beigaben 
ans  Bronze,  waren  die  ans  Eisen.  In  der  verzierten  Urne  115  a  d  lagen  die  Eisen- 
stücke  114,  deren  Verwendung  *aber  nicht  mehr  zn  erkennen  ist.  Femer  befand 
sich  in  der  verzierten  Urne  93  die  am  oberen  Ende  U- förmig  gebogene  und  mit 
grossem,  flachem  Knopf  versehene  eiserne  Nadel  103  (Fig.  23).    Sie  ist  etwa  8  cn 

Fig.  28.    Vs. 


Eiserne  Nadel  No.  108  (vgl.  S.  19). 
lang  und  so  sehr  verrostet,  dass  eine  genaue  Form  nicht  mehr  zu  erkennen  ist 
Auch  die  eiserne  Nadel  222,  welche  in  der  verzierten  Urne  221  gefunden  wurde, 
ist  leider  zerbrochen  und  verrostet.  Sie  hat  wahrscheinlich  dieselbe  Grösse  und 
Form,  wie  die  vorige  Nadel,  gehabt  Alle  diese  eisernen  (Gegenstände  wurden  in 
Gräbern  an  der  Seite  des  Friedhofs  gefunden,  also  in  den  jflngeren,  während  die 
Gegenstände  aus  Bronze  mehr  in  der  Mitte  des  Friedhofes  lagen. 

Waffen  wurden  nicht  gefunden,  woraus  wir  aber  nicht  schliessen  dOrfen,  dass 
diese  den  Bestattern  fremd  waren;  denn  WafTen  waren  zu  damaliger  Zeit  unbedingt 
erforderlich  sowohl  zum  Schutze  gegen  wilde  Thiere,  wie  auch  zur  Yertheidigung  in 
Krieg  und  Frieden.  Entweder  war  es  nicht  Brauch,  dem  Todten  Waffen  mit  in's 
Grab  zu  legen,  oder  sie  waren  zu  kostbar  und  zum  Leben  zu  nothwendig.  Sollten 
aber  die  hier  Ruhenden  kein  Volk  gebildet  haben,  sondern  nur  den  ärmeren  Tfaeil 
eines  Volkes,  so  erklärt  es  sich  von  selbst,  dass  die  Waffen  fehlten  und  die  Bei- 
gaben so  gering  waren.  Ich  nehme  aber  an,  dass  dies  Letztere  nicht  der  Fall 
war,  sondern  dass  sie  selbst  Herren  waren.  Denn  diese  Art  der  Beerdigung,  die 
in  allen  Gräbern  die  gleiche  war,  müsste  doch  in  gewisser  Beziehung  auch  der 
in  den  grossen  Gräbern  der  Bronzezeit  —  denn  nur  um  solche  kann  es  sich 
handeln  —  ähneln,  wenn  die  in  den  kleineren  Ruhenden  Hörige  der  in  den 
grösseren  gewesen  wären.  In  den  grösseren  Hügeln  der  Bronzezeit  fehlen  aber 
in  dieser  Gegend  die  gleich  geformten  Deckel,  auch  fast  immer  die  Beigefasse 
und  besonders  das  Eisen.  Es  kann  sich  deshalb  nur  darum  handeln:  Lebte  dieses 
Volk  vor  dem  der  grossen  Gräber  der  Bronzezeit  oder  nachher?  Lebten  die  Leute 
vorher,  so  wären  ihnen  doch  vielleicht  Steinwa£fen  noch  bekannt  gewesen,  und 
diese  hätten  sie  dem  Todten  mit  ins  Grab  legen  können,  ohne  sich  in  zu  grosse 
Unkosten  zu  stürzen.  Auch  hätte  man  dann  wohl  öfter  in  den  grossen  Hügeln 
der  Bron^zeit,  in  denen  man  doch  sehr  reiche  Beigaben  von  Bronze  antrifft  das 
damals  schon  bekannte  Eisen  finden  müssen.  Wir  können  uns  daher  wohl  fUr  das 
Letztere  entschliessen,  dass  nehmlich  dieses  Volk  später,  als  das  der  grossen 
Hügel  der  Bronzezeit,  lebte.  Die  bedeutende  Einfuhr  von  Bronze  hatte  durch 
irgend  welche  Ereignisse  aufgehört,  und  nun  begann  es  an  Waffen  zu  fehlen,  denn 
das  Herstellen  von  Steinwaffen  war  wohl  nicht  mehr  geübt  und  in  Folge  dessen 
verlernt  worden.  Kurz,  die  bronzenen  Waffen  und  Schmuckgegenstände  wurden 
so  theuer,  dass  sie  zu  Grabbeigaben  nicht  mehr  verwendet  werden  konnten. 

In  dieser  Zeit  trat  nun  wohl  zum  ersten  Male  das  Eisen  auf.  Hiernir  spricht 
besonders,  dass  das  Eisen  stets  in  den  oberen  und  verzierten  Urnen  und  in  den 
Gräbern  an  der  Seite  des  Friedhofes  gefunden  wurde,  gleichen  Zwecken  wie  die 
Bronze  diente  und  sogar  nur  einmal  weniger  auftrat 

Die  Leute  vom  Brommbarge  haben  wir  als  Angehörige  eines  germanischen 
Stammes  zu  betrachten,  die  vor  den  Langobarden  lebten  oder  schon  Langobarden 
waren. 


31     — 


Maasse  i 

an  Gefässen. 

Kata- 
log- 

Boden- 
Durch- 

Grösster 
Durch- 

Kleinster 
Durch- 

Band- 
Durch- 

Höhe  des 

grössten 

Durch- 

Höhe  des 

kleinsten 

Durch- 

Höhe  des 
Rand- 
Durch- 

No. 

messer 

messer 

messer 

messer 

messers 

messers 

messers 

cm 

cm 

cm 

cm 

cm 

ctn 

cm 

68 

10 

25,6 

25 

22 

15 

20 

21 

67 

2,6 

6 

— 

5 

8,5 

— 

5,5 

68 

6 

11 

— 

10,5 

5 

— 

10 

70 

12,5 

80,5 

29,5 

26 

18 

22,5 

25 

81 

7 

18,5 

— 

9 

8 

— 

14,5 

82 

8,5 

7,5 

5 

5,7 

2 

4 

6 

84 

11 

26 

— 

25 

10 

— 

12 

88 

18 

82,6 

81 

29,5 

18,5 

19 

21 

98 

12 

28 

— 

19,5 

19 

— 

86 

94 

8,5 

19,5 

— 

15 

10 

— 

20,5 

99 

14 

29,5 

— 

16 

18,5 

— 

29 

101 

6,5 

16 

12 

18 

7 

11 

12,6 

109 

9 

— 

— 

81 

— 

— 

12,5 

111 

9 

25 

— 

17 

10 

— 

18 

112 

12 

25 

— 

17 

14 

— 

20 

120 

7 

11,5 

? 

? 

6,5 

9 

11 

188 

4,5 

7,5 

? 

? 

8,5 

5 

6 

186 

7,6 

16 

15,5 

10,6 

7 

18 

14 

140 

9,5 

28 

18 

18,5 

10 

24 

25 

141 

11 

25,5 

— 

22 

15 

— 

24,5 

154 

9 

26 

— 

17 

11 

— 

25 

üebersicht  der 

Funde. 

No. 
des 
Gra- 
bes 

Urne 

Deckel 

Bei- 
ge- 

fäss 

Ver- 
sierte 
Gefässe 

Beigaben 

in 

Urnen 

In  Urne 

oder 
Beigefäss 
war  be- 
stattet 

In  Stein- 
kisten 
standen 

die 
Gefftsse 

Eine 

Steinnm- 

fassung 

hatte 

Grab 

Schon 
zer- 
stört 
war 
Grab 

No. 
97 

No. 

No. 

No. 

No. 

No. 

No. 

No. 

1 

— . 

._ 

_ 

Erwachsener 

— . 

^ 

•.- 

2 

115a 

115  c 

115b 

115b  u.  c 

114 

» 

— 

— 

— 

8 

145 

144 

— 

144 

— 

n 

— 

— 

8 

4 

158 

159 

— 

— 

— 

,? 

— 

— 

4 

6 

88 

84 

82 

82 

85 

n 

— 

— 

— 

6 

140 

— 

— 

— 

— 

n 

— 

— 

— 

141 

142 

— 

— 

— 

n 

— 

— 

— 

7 

98 

95 

— 

98 

108 

n 

— 

— 

— 

94 

98 

— 

— 

— 

Kind 

— 

— 

— 

—    32    — 


No. 
des 
Gra- 
bes 

In  Urne 

In  Stein- 

Eine 

Schon 

Urne 
No. 

Deckel 
No. 

Bei. 

ge- 
f&ss 

No. 

Ver- 
zierte 
Gef&sse 

No. 

Beigaben 

in 

Urnen 

No. 

oder 
Beigef&ss 
war  be- 
stattet 

kisten 
standen 

die 
Gef&sse 

No. 

Steinnm- 

fassnng 

hatte 

Grab 

No. 

ser- 
stCrt 
war 
Grab 

No. 

8 

ohne 

? 

120 

.i_ 

mmm. 

? 

^ 

_ 

8 

9 

284 

286 

— 

— 



Erwachsener 

— 

9 

— 

10 

167 

167 

— 

— 



n 

— 

10 

— 

11 

221 

228 

— 

221 

222 

n 

221,228 

11 

— 

12 

66 

71 

67 

66 

— 

» 

66,  71 

12 

— 

18 

166 

281 

— 

— 

— 

y» 

? 

18 

18 

14 

68 

64 

65 

65 

— 

»» 

68,  64 

— 

— 

16 

187 

188 

186 

— 

■^ 

186  Kind 

186—188 

— 

^ 

16 

89 

— 

188 

— 

188 

Erwachsener 

— 

— 

— 

90 

— 

— 

— 

— 

» 

— 

— 

— 

17 

110 

287 

— 

— 

— 

w 

110,  287 

— 

— 

104 

— 

— 

— 

105 

n 

— 

— 

— 

18 

70 

69 

68 

— 

186 

n 

68-70 

— 

— 

19 

79 

80 

— 

— 

— 

Erwachsener 

79,  80 

— 

— 

81 

— 

— 

— 

— 

Kind 

81 

— 

— 

86 

— 

— 

— 

— 

Erwachsener 

— 

— 

— 

20 

106 

109 

— 

— 

— 

» 

108,  109 

— 

— 

224 

— 

— 

— 

— 

n 

224 

— 

— 

21 

88 

180 

181 

— 

87,  181 

n 

88,180,181 

— 

— 

22 

164 

165 

— 

— 

— 

» 

164,  155 

— 

— 

23 

91 

92 

^^^ 

91 

"■" 

n 

Zwischen 

2  Steinen 

91,  92 

"^ 

^^ 

24 

99 

102 

101 

— 

— 

« 

99,101,102 

— 

— 

25 

152 

162 

152 

Beigef&ss 

— 

? 

— 

25 

26 

118 

119 

— 

— 

— 

Erwachsener 

118,  119 

— 

— 

27 

? 

? 

? 

? 

? 

? 

— 

27 

28 

282 

288 

— 

— 

— 

Kind 

282,  288 

— 

— 

29 

ohne 

? 

? 

? 

? 

? 

— 

29 

111 

129 

— 

— 

— 

Erwachsener 

— 

— 

— 

80 

112 

— 

— 

— 

— 

Y> 

112 

— 

— 

118 

121 

— 

— 

— 

»1 

— 

— 

— 

81 

? 

? 

? 

? 

? 

Y» 

— 

81 

82 
88 
84 

168 

158 

? 

? 

? 

? 

— 

82 

478 

478 

— 

U.  478 
D.  478 

— 

Erwachsener 

— 

— 

— 

85 

748 

? 

? 

? 

? 

? 

? 

? 

85 

Sa. 

41 

29 

11 

12 

9 

84  Erwach- 
sene, 4  Kinder 

88 

5 

10 

H.  Meyer  in  Haarstorf  bei  Ebatorl^  Hanaorer. 


ErgiBzingsblätter  zur  Zeitschrift  für  Ethnologie. 

Nachrichten  über  deutsche  Alterthnmsfimde. 

Mit  Unterstützung  des  Königlich  Preuss.  Ministerinms 
der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinal- Angelegenheiten 

herausgegeben  Ton  der 

Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte 

anter  Redaction  von 

R.  Virchow  und  A.  Voss.  1 


Aehter  Jahrg.  1897.  it  Verlag  von  A.  A8HEB  &  Co.  in  Berlin.  !,  Heft  8. 


Fundbericht  Über  die  Aufdeclcung  von  zwei  Hügelgräbern  bei 
Schlagenthin,  Kreis  Tuchel,  am  12.  u.  13.  Sept  1896. 

Südlich  von  dem  Wege  Schlagenthin  —  Dtsch.  Czeckzin,  auf  dem  Felde  des  Be- 
sitzers Rnchenbecker-Schlagenthin,  entdeckte  ich  bei  Gelegenheit  der  Tmppen- 
tibungen  zwei  Steinhügel,  die,  nach  der  Regelmässigkeit  der  dieselben  bedeckenden 
grossen  Steine  zu  urtheilen,  vorgeschichtliche  Gräber  zu  bei^n  schienen.  Die  Auf- 
deckung dieser  Hügel  hatte  folgendes  Ergebniss: 

Hügel  I,  hart  an  der  neuen  Scheune.  Der  Umfang  des  Hügels  betrug 
40  Schritt,  die  Höhe  über  dem  gewachsenen  Boden  etwa  1,50  m.  Ein  Theil  der  Steine 
war  Ton  dem  Besitzer  bereits  zu  Bauzwecken  herausgenommen,  bezw.  abgefahren. 

Ungefähr  in  der  Mitte  des  Hügels  stiess  ich  auf  eine  kammerförmige  Stein- 
setzung, in  der  Richtung  von  Ost  nach  West  liegend,  in  der  Art  einer  Steinkiste, 
nur  dass  die  Dimension  der  Steine  viel  grösser  war,  als  solche  bei  Steinkisten 
vorzukommen  pflegt,  ohne  Deckplatte.  Die  30 — 40  cm  breiten,  aufrecht  stehenden 
Steine,  Granit,  standen  mit  ihrem  Fuss  etwa  in  der  Höhe  des  gewachsenen  Bodens. 
Die  Maasse  der  Rammer  waren:  Höhe  1,30  m.  Breite  1  m,  Länge  1,50  m.  Die 
Kammer  war  mit  Sand  angefüllt;  ziemlich  an  ihrem  Boden  stiess  ich  auf  Kohlen- 
reste, and  in  der  Mitte  der  Kammer  etwa,  auf  einen  einzelnen,  unverzierten,  dünn- 
wandigen Scherben,  sowie  auf  einen  bearbeiteten  Feuersteinsplitter.  Der  Boden 
der  Kammer  bestand  aus  pflasterartig  zusammengefügten  Steinplatten,  im  Allgemeinen 
von  geringem  Umfang.  Nur  am  Ostrand  der  Kammer  befand  sich  eine  grössere 
Steinplatte  und  dicht  an  derselben  ein  faustgrosses  Töpfchen,  zerdrückt,  aber  in 
der  Form  noch  zu  erkennen,  mit  zwei  Henkeln  und  beifolgender  Verzierung  (^4); 
Knochenreste  wurden  in  der  ganzen  Steinkammer  keine  angetroffen.  Neben  der 
Kammer  wurde  bis  an  den  gewachsenen  Boden  gegraben,  aber  weder  Scherben 
noch  Knochen  worden  entdeckt. 

Der  übrige  Theil  des  Hügels  bestand  aus  sehr  grossen  Steinen,  welche,  wie 
schon  bemerkt,  zum  Theil  an  die  Seite  gerollt  waren;  der  ganze  Hügel  scheint  nur 
zur  Bergung  der  Steinkammer  aufgeschichtet  worden  zu  sein.  Die  Verzierung 
des  kleinen  Töpfchens  halte  ich  für  steinzeitlich  und  glaube  in  dieser  Steinkammer 
eine  Leichenbestattung  annehmen  zu  dürfen,  von  welcher  allerdings  nur  die  spär- 

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SeblmgcnUiiD.    Hlig«t  U.    ^^  Stellen  mit  Scherben,  Kohlen  ood  Knoehen. 


—    35    — 

liehen  Holzkohlenreate  erhalten  sind.  Bei  der  Lunge  der  Kammer  von  1,50  ni 
würde  auf  ein  Begraben  in  litzfinder  Stellung  tu  achliessen  sein. 

Die  Erhaltang  dieser  Steinkammer  erscheint  mir  wttnschenswerth;  dcrBegitzer, 
Hr.  Rochenbecker,  wSre  dasa  wohl  geneigt 

HUgel  II.  Der  etwa  100  m  öBtlich  von  Hügel  I  gelegene  zweite  Hügel  war 
noch  unberührt 

Bei  einem  Umfang  von  42  Schritt  nnd  einer  Höhe  von  2  m  über  dem  ge- 
wachsenen Boden  betrug  sein  Darchmesser  12  Schritt 

ADDähemd  kreisförmig,  war  er  theils  von  oben  aufliegenden  groBsen  Steinen 
bedeckt,  theils  ragten  die  Steine  ans  der  Erde  herror,  Nach  Fartrttnmeii  der  oberen 
Steine,  welche  Arbeit  das  Anstellen  von  AMann  mit  Hebebänmen  erforderte,  traf 
ich,  meist  an  den  Stellen,  wo  ein  grosser  Stein  gelegen  hatte,  Branderde  and 
Knochenreete,  sowie  einzelne  Umenscherben.  Beim  weiteren  Abtragen  der  Erde 
und  Forträumen  der  kleinen,  zwischen  den  grossen  liegenden  Feldsteine  traten 
Setzungen  von  3 — 4  Steinen  zu  Tage,  zwischen  welchen  bei  tieferem  Graben 
regelmässig  auf  Branderde,  Umenscherben  und  Reste  von  gebrannten  Knochen 
gestesaen  wurde.  Ausserdem  wurden  in  dieser  Schicht  zwei  bearbeitete  Feuer- 
steinsplitter gefunden.  Es  war  zu  erkennen,  dass  in  jeder  derartig  durch  grosse 
Steine  gebildeten  Abteilung  eine  Urne  gestanden  hatte,  aaf  einer  kleinen  Steinplatte 
von  Feldsteinen  umstellt.  Im  Gegensatz  zu  Hügel  I,  woselbst  die  Grabkammer 
auf  dem  gewachsenen  Boden  errichtet  worden  war,  lagen  diese  Stellen  etwa  50  cm 
hoher.  Zur  Orientierung  wnrde  noch  etwa  1  m  tiefer  gegraben,  doch  wurden  weder 
Scherben  noch  Knochen  angetroffen. 

Alle  aufgefundenen  Scherben  waren  sehr  dünnwandig  und  sämmtlich  nicht  ver- 
ziert.   Beigaben  wurden  auch  hier  keine  gefunden.  Schmidt,  Graudenz. 


Fundbericht  Über  die  Aufdeckung  einer  Steinkiste  bei  Kl.  Kensau, 
Kreis  Tuche),  am  8.  Sept  1896. 

Nach  Mittheilung  des  Hm.  Robe,  Kl.  Kensan,  waren  bei  Anlage  der  Trift  nach 
dem  Lonsk  Steinkisten  zerstört  worden. 

Bei  Untersuchung  des  an  die  Trift  grenzenden  Feldes  wnrde  ein,  nur  wenig 
aus   der  Erde   hervorragender,   flacher  Stein   blossgelegt,  —  die  Deckplatte  einer 


k 


Steinkiste.  Die  Kiste  (Abbildung)  enthielt  zwei  Urnen,  von  welchen  die  grössere, 
mit  einer  flachen  Schale  mit  Henkel  bedeckt,  ziemlich  zerdrtickt,  jedoch  der  Form 
noch  erhalten  war. 


—    36    — 

Höhe  dieser  Urne  etwa  35  cm,  Dorchmesser  annähernd  ebenso,  mit  zwei 
kleinen  Henkeln  etwa  10  cm  unterhalb  des  oberen  Randes  versehen.  Der  Hals 
bis  zu  den  Henkeln  geglättet,  der  untere  Theil  rauh.  Die  Urne  war  mit  kleinen 
Feldsteinen  umstellt  und  stand  auf  einer  Steinplatte,  welche  den  Boden  der  Riste 
bildete.    Die  zweite,  etwas  kleinere  Urne  war  in  ihrem  oberen  Theil  zerdrückt 

Beide  Urnen  mit  gebrannten  Knochen  gefüllt    Beigaben:  keine\ 

Schmidt,  Graudenz. 

lieber  einige  urgeschichtliche,  wahrscheinlich  neolithische 
Fundstellen  in  der  Umgegend  von  Graudenz. 

Im  Laufe  des  Jahres  1896  wurden  von  mir  folgende  urgeschichtliche  Fund- 
stellen, aller  Wahrscheinlichkeit  nach  neolithische,  in  der  Umgegend  der  Stadt 
Graudenz  neu  festgestellt: 

1.  Am  Ostufer  des  Flötenauer  Sees;  bei  den  Sandbei^n  des  Dorfes  Flötenau, 
Kreis  Schwetz.  Fundstelle  von  zahlreichen  Feuersteinsplittem  und  Schabern,  — 
solche  von  8  cm  Länge  sind  nicht  selten,  —  sowie  von  unverzierten  Umenscherben. 

2.  Am  Westufer  des  Flötenauer  Sees  gleichfalls  Fundstellen  Ton  zahlreichen 
Splittern  und  Schabern  und  von  unverzierten  Umenscherben. 

3.  Am  Ostufer  des  grossen  Rudnick-Sees,  Kreis  Graudenz. 

Die  ganze  Abdachung  der  Sandberge  nach  dem  Seeufer  zu  zeigt  Feuerstein- 
splitter und  Schaber  in  grosser  Anzahl,  sowie  zahlreiche  Umenscherben,  auch  Reste 
gebrannter  Knochen. 

Die  Umenscherben  liegen  oft  dicht  zusammen,  so  dass  es  den 
Anschein  hat,  als  ob  die  Umen  seiner  Zeit  vom  Winde  blossgelegt 
worden  wären. 

Die  Scherben  meist  nicht  verziert;  jedoch  wurde  ein  Scherben  mit 
Schnur-Ornament  gefunden«  Ein  Steinbeil  aus  dieser  Fundstelle  ist 
im  Besitz  des  Premierlieutenant  Math  es,  Graudenz.  Ich  selbst 
fand  hier  etwas  landeinwärts  eine  schön  gearbeitete  Pfeilspitze  aus 
Feuerstein  (s.  die  Abbildung).  Dieselbe  befindet  sich  in  meiner 
Sammlung.  Schmidt,  Graudenz. 


Märkische  Aitertbainer'). 

Vorgelegt  in  der  Sitsong  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschalt  vom  20.  Man  1897. 

1.   Feuerstein-Hohlmeissel  rom  grossen  Liepnitz-Werder, 

Kreis  Nieder-Barnim  (Fig.  1). 

Derselbe  ist  von  hellgrauer  Farbe,  nur  unten  an  der  Schneide  etwas  scharf 
geschliffen,  sonst  ganz  roh  zugehauen,  die  Oberfläche  muschelig.  Länge  14  rm, 
an  der  Schneide  2,5,  am  Kopf  1,2  cm  breit.  Grösste  Dicke  1,5,  am  Kopf  1»2  cm. 
Gewicht  81  ^.  —  Diesen  Meissel  gab  ich  dem  Königl.  Museum;  er  ist  dort 
unter  No.  4846  eingetragen.  Er  ist  bei  der  Beparatur  des  Pächterhauses  in 
dessen  Fundament  zum  Vorschein  gekommen;  wir  verdanken  ihn  dem  Aber- 
glauben der  alten  Bewohner,  denn  der  Meissel  ist  jedenfalls  dort  absichtlich 
eingemauert  worden,  wahrscheinlich  um  die  Geister  der  früheren  EigenthUmer 
des  Hauses   zu   bannen,   vielleicht   auch  zum  Schutz  des  Hauses  gegen  Blitz  und 

1)  Vgl  Verhandl.  der  Berliner  Anthropolog.  Gesellsch.  1896,  S.  128. 


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—    37    — 


Feuersgefabr.  AehnKches  habe  ich  schon  mehrfach  in  den  benachbarten  Orten 
angetroffen.  Der  alte  Förster  Rosenberg  aus  dem  nahen  Forsthaus  auf  dem 
Woltersdorf  erzählte  mir:  als  in  Uen  yierziger  Jahren  das  alte  Forsthaus  abgerissen 
und  das  heutige  neue  gebaut  wurde,  fanden  sich  im  Lehm  und  zwischen 
Schutt  und  Steinen  mehrere  Meissel  und  Lanzenspitzen  aus  Bronze.  Sem  Sohn, 
jetzt  Förster  in  Berkenbrttck  bei  Fürstenwalde,  hat  mir  die  Sache  bestätigt;  er 
hat  als  Knabe  mit  den  Lanzenspitzen  gespielt.  Die  Leute  glaubten,  dass  sie  aus 
den  Hussiten-Kriegen  stammen.    Leider  sind  die  Sachen  dann  verloren  gegangen. 


Fig.  1.    V. 


e  mittlerer  Querschnitt^ 
d  Querschnitt  in  der 
Nähe  der  Schneide. 


a  Breitseite,  6  Schmalseite. 


Der  Meissel  vom  Liepnitz- Werder  ist  als  ein  sehr  seltener  Fund  aus  unserer  Mark 
zu  betrachten;  das  von  mir  S.  128  der  Verhandlungen  1896  beschriebene  Feuer- 
steinbeil von  Runersdorf  hat  wohl  dieselbe  muschlige  Oberfläche,  ist  aber  bis  zur 
Hälfte  hinauf  geschliffen. 

Der  grosse  Liepnitzwerder,  eine  180  Morgen  grosse  Insel  im  Liepnitz-See,  ist 
bekannt  durch  seine  vorgeschichtlichen  Funde;  der  Reiz  geschichtlicher  Thaten 
und  der  Zauber  der  Sage  umschweben  diese  Lisel.  Meinen  ersten  grösseren  Fund 
von  da,  eine  grosse  bronzene  Platten-Fibula,  gab  ich  dem  Mark.  Museum,  ebenso 
einen  gewundenen  Bronzemeissel.  Ersterer  ist  abgebildet  in  den  Verhandlungen 
der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie  1892,  S.  88,  letzterer  in  den  Nach- 
richten über  deutsche  Alterthumsfunde  1893,  Heft  5,  S.  80  und  von  Buchholz 
besprochen.  Ein  kleineres  Steinbeil  vom  Forstacker  vom  Liepnitz-See  habe  ich 
auf  S.  4  der  „Mittheilungen  des  Berliner  Geschichts-Vereins^  von  1893  beschrieben. 
Dasselbe  ist  gleichfalls  dem  Mark.  Museum  einverleibt,  ebenso  mehrere  grössere 
Gefässstücke  und  Bronzeringe  von  dem  Umenfelde  auf  der  Insel,  das  am  Abhang 
der  sich  südlich  nach  dem  See  hinziehenden  Schlucht  liegt  Auch  Netzsenker  aus 
Thon,  Steinkugeln,  Feuersteinmesser,  Knochen  von  Menschen  und  Thieren  von 
dort  gab  ich  demselben  Museum.  Einige  neuere  Funde  von  der  Insel,  eine  Bronze- 
schnalle, ein  Ring,  eine  schön  verzierte  Fibula  aus  Bronze  und  mehrere  Gefäss- 
stücke sind  noch  in  meiner  Sammlung. 

Die  vorgeschichtliche  Ansiedlung  auf  der  Insel  lag  etwa  100  m  von  der  Süd- 
westecke; hier  ist  der  Boden  metertief  in  grösserem  Umkreise  ganz  mit  Kohle 
durchsetzt,  worin  massenhaft  Gefässscherben  liegen.  Auch  obige  Platten-Fibula 
lag  in  dieser  kohligen  Erde.  —  Auch  der  nordöstlich  vom  grossen  gelegene  kleine 
Werder,  der  vor  3  Jahren  aufgeforstet  wurde,  lieferte  viele  vorgeschichtliche 
Funde.  Schöne  Exemplare  von  Feuerstein-Artefacten  und  von  germanischen  und 
wendischen  Gefässscherben  aus  einer  alten  Ansiedlung  auf  seiner  Nordseite,  nach 
Uetzdorf  zu,  habe  ich  hier  gefunden  und  dem  Mark.  Museum  gegeben. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  nicht  unterlassen,  auf  mehrere  geschicht- 
liche Ungenauigkeiten  über  diese  Gegend  auftnerksam  zu  machen.  Nach  Beck- 
mann soll  das  alte  Dorf  Liepe,  Liepa  oder  Liepnitz  dicht  am  Liepnitzsee  gelegen 


—    38    — 

haben;  noch  1715  seien  Ueberreste  einer  Kirche  8ichU)ar  gewesen.  Ebenso  schreibt 
Berghaus  anf  8.  462, 1.  Theil  seines  ^Landbachs  der Mark^:  Das  alte  Dorf  Liepnitz 
ist  im  SOjähr.  Kriege  zerstört.  Klöden  und  Fidicin  sagen:  j^Aas  Dorf  hat  am  Liepnitt- 
see  gelegen  nnd  hat  später  Woltersdorf  geheissen^.  Alles  das  ist  nicht  richtig. 
Meine  Forschungen  haben  ergeben,  dass  das  Dorf  Liepnitz  etwa  Vs  km  südlich  rom 
Liepnitz,  im  heutigen  Jagen  66  gelegen  hat.  Beim  Bau  der  Bernau -Wandlitzer 
Chaussee  1888 — 1889  wurden  auf  bezeichneter  Stelle  Fundamente  von  Häusern  an- 
getroffen, und  ich  constatirte,  dass  sich  eben  solche  noch  weiter  im  Walde  befanden. 
Dicht  dabei  sah  ich  neben  dem  Mauerwerk  Kohle  und  auch  Klumpen  von  Theer, 
und  hundert  Schritt  südlich  Ton  der  Chaussee  befindet  sich  eine  umwallte  Stelle,  in 
der  ich  viele  Knochen,  wendische  und  frühmittelalterliche  Thonscherben  fand,  die 
ich  sämmtlich  dem  Mark.  Provincialmuseum  übergab.  Diese  Stelle  ist  mit  hoben 
Kiefern  bewachsen  und  wird  heute  noch  im  Volksmund  „der  Kirchhof^  genannt 
Jene  Fundamente  und  den  Kirchhof  betrachte  ich  als  die  Reste  des  alten  Dorfes 
Liepnitz,  das  in  älteren  Schriften  auch  Lubenitz  genannt  wird.  Diese  Feldmark 
gehört  schon  seit  dem  14.  Jahrhundert  zur  Stadt  Bernau,  ist  nie  beackert,  sondern 
stets  bewaldet  gewesen.  Das  Dorf  ist  jedenfalls  schon  in  den  endlosen  Kriegen 
zwischen  Wenden  und  Christen  eingeäschert  worden.  —  Auch  das  Dorf  Wolters- 
dorf hat  nie  am  Liepnitzsee  gelegeu.  sondern  3  km  südöstlich  davon,  da  wo  heat 
an  der  Chaussee  von  Bernau  nach  Lanke  das  Forsthaus  ^auf  dem  Woltersdorf 
steht.  Im  Forstacker  daselbst,  100 — 150  m  westlich  von  der  Chaussee,  auch  im 
Walde  daneben  habe  ich  schon  vor  8  Jahren  mehrere  Hänser-Fundamente  gefunden, 
auch  einen  gemauerten  Heerd  mit  Asche  und  Kohlen  darauf,  ebenso  einen  Brunnen. 
Der  grosse  Wald  rings  herum,  2633  Morgen,  heisst  „der  Woltersdorf";  in  ge- 
schichtlichen Zeiten  kommt  ein  Dorf  Woltersdorf  nii^nds  vor.  In  der  Sage 
jedoch  um  so  mehr.  Die  Glocken  des  Dorfes  Woltersdorf  sollen  in  einem  der 
drei  heiligen  Pfuhle,  die  westlich  zwischen  dem  Liepnitz-  und  Wandlitzsee  liegen, 
versunken  sein. 


2.   Steinbeil  aus  dem  Freigrunde  bei  Wilmersdorf, 
Kreis  Beeskow-Storkow  (Fig.  2). 

Im  Königl.  Museum  unter  Nr.  4847  eingetragen.    Das  Material  des  Beiles  ist 
ein  sehr  hartes,  jedoch  dasselbe,  woraus  die  meisten  Findlinge  der  Mark  bestehen» 

Fig.  2.    V, 


a  obere  Ansicht,  b  seitliche  Ansicht,  c  mittlerer  Querschnitt 

also  jedenfalls  auch  hier  gefertigt.  Die  Länge  betragt  12  cm,  grösste  Breite  4,  am 
abgerundeten  Kopf  2  cm.  Auf  der  Schmalseite,  die  3'/,  cm  hoch  ist,  befindet  sich 
das  l'/jcw   weite   und    T/j  cw   tiefe  Bohrloch.    Dasselbe   ist  jedoch   nicht    gnnz 


—    89    — 

durchgebohrt;  in  demselben  sitzt  noch  der  3  mm  hohe  Bohrzapfen.  Die  Kanten  des 
Steinbeils  sind  abgerundet^  die  Schneide  geschliffen.  Das  Gewicht  beträgt  280  q. 
Der  Freigmnd,  Vs  ^^  nördlich  von  Wilmersdorf,  ist  ein  kleines  )^aldthal,  das  sich 
westlich  bis  zum  Scharmtttzelsee  hinzieht  In  seiner  Nähe  im  Walde  befinden 
sich  einige  Httgelgräber. 

Die  Skizzen  1  und  2  sind  durch  die  Güte  des  Hm.  Directors  Voss  im  Rönigl. 
Museum  angefertigt,  wofUr  besten  Dank  von  dieser  Stelle! 

3.   Feuersteinmesser  aus  einem  Urnengrabe  bei  Vehlefanz, 

Kreis  Ost-Havelland  (Fig.  3  und  4). 

Am  25.  November  1894  besuchte  ich  mit  dem  Supemumerar  Hm.  Zimmer- 
mann das  an  der  Nordostecke  des  Kremerwaldes,  3  km  südlich  von  Vehlefanz 
und  2  km  westlich  von  Eichstedt  gelegene  bekannte  Umenfeld.  Der  genannte  Herr 
hat  hier  bedeutende  Umen-  und  Bronzefunde  gemacht;  mehrere  davon  sind  in 
den  Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfande  1894,  S.  29/30  und  1895,  S.  32 
von  Buchholz  beschrieben  worden.  Die  Gräber  liegen  in  einem  180 — 200  w  im 
Durchschnitt  breiten  Sandhügel,  der  zur  Hälfte  abgefahren  ist.  In  der  abgegrabenen 
Hälfte  befanden  sich  die  schönen  Bronzefunde,  theil weise  auch  solche  ausr  Eisen. 
Die  andere  Hälfte  ist  mit  Kiefem  bewachsen,  und  der  Besitzer  leidet  nicht,  dass 
dieselbe  abgegraben  wird.  Wir  konnten  also  nur  mit  vieler  Mühe  zwischen  den 
Bäimien  arbeiten  und  gingen  an  drei  Stellen  bis  2  m  in  den  sandigen  Boden  hinein, 
was  auch  seine  Schwierigkeiten  hatte,  da  der  Sand  immer  nachfiel,  so  dass  ich 
einmal  bis  zur  Brust  beschüttet  wurde  und  längere  Zeit  brauchte,  mich  wieder 
herauszuarbeiten.  Im  ersten  Loch  wurde  nichts  gefunden;  im  zweiten  kam  eine 
allein  stehende,  mit  einem  Stein  bedeckte,  terrinenförmige,  gut  gebrannte,  bräun- 
liche Urne  ans  Tageslicht,  ohne  weitere  Beigaben.  Hr.  Zimmermann  wollte 
dieselbe  dem  Mark.  Museum  geben.  —  Im  dritten  Loch  fand  ich  eine  auch  mit 
einem  Stein  bedeckte,  aber  zerdrückte  grössere  üme;  die  Thonmasse  war  ganz 
zerbröckelt,  kaum  noch  zu  erkennen,  nur  einige  Bodenstücke  hatten  sich  besser 
erhalten.  Zwischen  den  Knochen  und  der  Asche  lagen  keine  Beigaben.  Aber 
unter  der  Urne,  etwas  seitlich,  fand  ich  zwei  recht  schöne  Feuerstein -Artefacte. 
Das  grössere  Messer  aus  grauem  Feuerstein  ist  recht  spitz  und  auf  beiden  Seiten 

Fig.  8.    V, 

Fig.  4.    V. 


sehr  scharf.  Länge  10  cm,  grösste  Breite  2,8  cm;  das  kleinere  Messer  ist  nur  4  cm 
lang  und  1,2  breit,  aber  aus  demselben  Material.  —  Buchholz  rechnet  das  Gräber- 
feld zur  La  Tene-Periode;  doch  möchte  ich  behaupten,  dass  die  von  mir  geöffneten 
Gräber,  namentlich  das  mit  den  Feuersteinmessera,  einer  älteren  Zeit  angehören. 

In  den  Gräbem  von  Vogelsang  bei  Fürstenberg  a.  0.,  Kreis  Guben,  die  ich 
m  den  „Nieder -Lausitzer  Mittheilungen ^  1894,  S.  404  beschrieben  habe,  traf  ich 
auch  bereits  Feuersteinmesser;  diese  Gräber  werden  zur  Hallstätter  Zeit  gerechnet. 

Im  Uebrigen  empfehle  ich  die  Vehlefanzer  Gräberstelle  angelegentlich  den  Ver- 
waltungen der  Museen;  hier  ist  noch  reiche  Ausbeute  zu  erhoffen,  dazu  muss  man 
sich  nur  mit  dem  Besitzer  des  Hügels,  der  in  Eichstedt  wohnt,  in  Verbindung 
setzen. 

Die  Funde  sind  noch  in  meiner  Sammlung. 


—    40    — 

4.  Rundwail  und  alte  Bargstelle  in  Yehlefanz,   Kreis  Ost-Havelland. 

Am  Südende  des  Dorfes  Yehlefanz  zweigt  sich  westlich  die  Buigstrasse  ab. 
Hier  wohnt  links  in  einem  alten  Herrenhause  der  Amtsrorsteher.  Dahinter  liegen 
auf  erhöhtem  Terrain  Fundamente  und  noch  einige  Wandmauem,  aus  Backsteinen 
der  älteren  Zeit  und  aus  Findlingen  bestehend.  Letztere  Mauertheile  werden  nicht 
mehr  lange  der  Zeit  trotzen.  Hier  soll  eine  Bredow'sche  Burg  gestanden  haben. 
—  Von  dieser  Buigstelle  4<— 500  Schritt  nördlich,  also  hinter  den  westl.  Häusern 
des  Dorfes,  erhebt  sich  ein  sehr  gut  erhaltener,  4  m  hoher,  oben  40  m  breiter,  ganz 
mit  Gras  bewachsener  Kundwall,  der  sich  namentlich  vom  Torliegenden  Luch  ans 
imponirend  ausnimmt.  Ein  Stück  Graben  ist  noch  sichtbar.  Wegen  vorgerückter 
Zeit  konnte  ich  keine  nähere  Untersuchung  vornehmen. 


5.   Vorgeschichtliche  und  mittelalterliche  Funde  vom  Schlossberg 

bei  Biesenthal,  Kreis  Ober-Barnim. 

1.  SteinkeU  (Fig.  5), 

2.  Eiserne  Lanzenspitzc  (Fig.  6), 

3.  Degenknauf  (Fig.  7), 

4.  Zwei  Thonkrüge  (Fig.  8). 

Sämmtliche  Sachen  sind  beim  Ausschachten  der  Erde  zum  Fundament  eines 
neuen  Hauses  in  der  Nähe  des  Schlossberges  gefunden  worden.  Der  Steinkeil 
lag  4  Fuss  tiei^  er  hat  einen  quadratförmigen  Kopf  von  4,5  cm  Durchmesser. 
Grösste  Länge  8  cniy  Breite  der  Schneide  4  cm.    Die  Schneide   ist  wenig   scharf. 


Fig.  5.    V. 


Fig.  6.    V, 


Fg.  8. 


Fig.  7.    V. 


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a  Langfl&che,  b  Breitfl&che. 


Spuren  vom  Anfang  eines  Bohrlochs  sind  zu  erkennen.  Gewicht  320  y.  —  Die 
Lanzenspitze  ist  stark  verrostet  und  jedenfalls  im  Feuer  gewesen.  Viele  kleine 
Steinchen  sitzen  fest  darauf.  Länge  28  cm,  Breite  in  der  Mitte  3  cm,  Dicke  unten  % 
oben  1  Vs  c^  Das  Schaftloch  ist  3,5  cm  weit  Der  Degenknauf,  auch  von  Eisen,  ist 
6  cm  lang,  4  breit,  oben  1,3,  unten  1,5  cm  im  Durchmesser.  —  Die  beiden  Triak- 
kannen,  von  hellbraunem  Thon,  sind  ziemlich  gleich,  beide  mit  Henkeln  versehen. 


-    41- 

Ihre  Höhe  beträgt  29  cm^  die  grösste  Weite  im  Banch  10,  im  Hals  6  cm.  Oeff- 
nimg  6,3  cm.  Der  Fass  ist  gezackt.  Die  Oberfläche  wagerecht  gerippt  200  m 
nördlich  vom  Schlossbei^  liegen  der  Reiherberg,  ein  slavischer,  abgetragener  Rnnd- 
wall,  aber  noch  gut  zu  erkennen,  60  Schritt  im  Durchmesser,  und  500  m  nordöstlich 
der  Wehrmühlenberg,  der  vorgeschichtliche  Gräber  birgt.  —  Der  Schlossberg  ist 
sehr  bekannt  und  mit  vielen  Sagen  umwoben.  Die  Funde  sind  dem  Märkischen 
Museum  übergeben.  Hermann  Busse. 


Kupferne  Doppelaxt  von  Börssum. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft 

vom  24.  April  1897.) 

Vor  einiger  Zeit  ist  in  dem  braunschweigischen  Dorfe  Börssum  ein  Fund 
ans  Tageslicht  getreten,  der  für  die  Vorgeschichte  des  dem  Harze  nördlich  vor- 
gelagerten Hügellandes  von  Wichtigkeit  ist  Der  Ackermann  H.  Botel  wollte 
auf  seinem,  dicht  an  der  Nordseite  des  Ortes  belegenen  Grundstücke  einen  Brunnen 
graben,  und  bei  dem  Ausschachten  desselben  wurde  in  einer  Tiefe  von  2  m  im 
heimathlichen  Diluvialsande  ein  zierliches,  zweischneidiges  Geräth  gefunden.  Es 
ist  eine  jener  in  Deutschland  bisher  seltenen  Doppeläxte.  Sie  ist  29  cm  lang. 
Die   beiden   Schneiden   sind  gleich   gross,   nehmlich  6,2   und   6,4  cm  hoch,   und 


stehen  senkrecht,  also  mit  dem  Stilloche  parallel.  Die  Klingen  werden  nach  der 
Mitte  zu  je  schmaler,  desto  dicker,  so  dass  die  Axt  am  Stilloche  nur  noch  1,5  cm 
hoch  ist,  während  ihre  Breite  hier  3,1  cm  beträgt.  Das  Loch  ist  auch  bei  dieser 
Axt  so  klein,  dass  eine  Schäftung  völlig  ausgeschlossen  erscheint  Es  ist  nicht 
ganz  genau  kreisrund,  sondern  misst  0,9  bis  1,1  c/n  im  Durchmesser.  Die  Axt 
ist  grösstentheils  mit  einem  bräunlichen  Koste  überzogen,  nur  einige  Stellen  sind 
grün  patinirt.    Das  Gewicht  betrug  616 //. 

Das  Metall  ist  in  dem  chemischen  Laboratorium  der  technischen  Hochschule 
zu  Braunschweig  unter  Leitung  des  Hekrn  Professors  Dr.  Max  Müller  analysirt 
worden;  dieser  hatte  die  Güte,  über  das  Ei^bniss  der  Untersuchung  folgende 
Mittheilung  zu  machen:  „Das  Metall  enthielt  95,3  pCt  Rupfer.  (Die  Rupferbestimm- 
ung ist  mehrere  Male  mit  dem  gleichen  Kesultate  ausgeführt  worden.)  Zinn  ist 
nicht  darin  enthalten,  Blei  und  Zink  in  geringen  Spuren,  ebenso  kleine  Mengen 
von  Eisen,  Arsen  und  Antimon.  Demnach  liegt  ein  Schmelzproduct  vor,  welches 
der  heutige  Hüttenmann  als  Schwarzkupfer  bezeichnen  würde.  Es  ist  ein  aus 
Rupfererzen  durch  Röstreduction  hergestelltes  unreines  Rupfer,  welches  in  Folge 
der  geringen  Verunreinigungen  härter  ist,  als  reines  Rupfer***). 


1)  Ich  sage  Herrn  Professor  M&ller  auch  an  dieser  Stelle  nochmals  meinen  Dank. 


—    42    — 

Soweit  sich  bis  jetzt  übersehen  lässt,  gehören  die  in  Deutschland  gefundenen 
Kupferbeile  mit  senkrecht  stehenden  gleichsinnigen  Schneiden  zwei  Oroppen  an. 
Die  östliche  Gruppe  umfasst  Stücke  aus  der  Umgegend  von  Mainz,  Worms  und 
FrankenthaP).  Die  östliche  Gruppe  enthält  die  Funde  ans  dem  Saale-  ond 
UnstrutUiale,  nehmlich  die  Stücke  von  Cölleda,  Weissenfeis,  vom  Petersbei^  bei 
Halle,  von  Calbe  an  der  Saale  (2  Stück)  und  von  Altenburg  bei  Bemboig 
(3  Stück)').  Daran  sehliesst  sich  nordöstlich  der  Fund  von  Retzin  an  der  HareK 
nordwestlich  die  Axt  von  Westeregeln,  nahe  der  Bode,  und  zuletzt  die  Axt  Ton 
Börssum,  schon  im  Okergebiete. 

Bei  der  Wichtigkeit  des  seltenen  Doppelbeiles  mögen  hier  noch  einige  geo- 
logische Mittheilungen  über  die  Fundstätte  desselben  f^gen').  Das  Dorf  Börssum 
liegt  auf  den  oberen  Schichten  des  Gaults  und  dem  Cenomanmergel.  Unmittelbar 
zwischen  dem  Minimusthon  und  dem  Flammenmergel  schiebt  sich,  von  Norden 
nach  Süden  ziehend,  keilartig  ein  Dilumllager,  das  am  östlichen  Rande  grob- 
kömige  Sande,  Granit-,  Gneis-  und  Dioritgerölle,  am  Westrande  dagegen  Block- 
lehme aufweist.  Diese  Blocklehme  sind  nun  in  der  alten  Alluvialzeit  durch  einen 
Bach  ebenfalls  der  Län^re  nach  Ton  Norden  nach  Süden  rillenartig  ausgewaschen. 
Der  Bach  ist  heute  nicht  mehr  vorhanden,  doch  beweisen  die  folgenden  Schiebten 
sein  ehemaliges  Vorhandensein.  Unter  der  Ackerkrume  von  1,10  m  Höhe  lie^ 
in  einer  Stärke  von  l,5ow  ein  Moorboden,  der  sehr  reich  ist  an  Ueberresten  von 
Typha  latifolia  L.  In  derselben  Schicht  wurden  später,  auf  dem  F.  Böterschen 
Grundstücke,  Knochen  des  Zwergrindes  (Bos  taurus  primigenius  Wollemann) 
aufgefunden.  Dann  folgt  sandiger  Lehm  (Aulehm),  0,\0  bis  0,15  m  stark,  und 
darunter  liegt  der  Flusssand,  der  aus  heimathlichem  Materiale  besteht  In  ihm 
lag  die  Doppelaxt.  Th.  Voges. 


Bronzefund  von  Lekow,  Kreis  Schivelbein,  Provinz  Pommern. 

Vor  etwa  30  Jahren  wurden  ungefähr  25  Bronzen  bei  Lekow  gefunden  und 
gelangten  in  den  Besitz  des  Herrn  Rittergutsbesitzers  Cleve  daselbst;  von  da 
gingen  8  Stück  theils  als  Geschenk  des  Herrn  Cleve,  theils  auf  dem  Wege  des 
Antiquitätenhandels  an  das  Königl.  Museum  für  Völkerkunde  über  (L  c.  1763 — 
1768,  1874—1875).  Je  ein  Hals  und  Armring  wurden,  wie  Herr  Conservator 
Stubenrauch  in  Stettin  auf  meine  Anfrage  gefalligst  mittheilt,  vom  Stettiner 
Provincial- Museum  aus  der  nachgelassenen  Sammlung  des  1^93  verstorbenen 
Majors  von  Manteuffel  in  Redel  bei  Schivelbein  erworben,  welchem  sie  seiner 
Zeit  von  Herrn  Cleve  geschenkt  worden  waren.  Obgleich  etwas  Genaueres  über 
die  Fundumstände  jetzt  nicht  mehr  zu  ermitteln  ist,  handelt  es  sich  nach  der 
Zusammensetzung  des  Fundes  und  der  Beschaffenheit  der  einzelnen  Stücke  offen- 
bar um  einen  Depotfund,  welcher  vielleicht  in  einem  Thongefässe  niedei^legt 
war,  da  zugleich  mit  den  Bronzen  seiner  Zeit  auch  „Umenscherben^  an  Herrn 
Cleve  eingeliefert  wurden;   von  diesen  Scherben  ist  jetzt  nichts  mehr  vorhanden. 


1)  Die  Funde  hat  neuerdings  C.  Koehl  susammengestellt:  Neue  prihistorische  Fttnde 
aus  Worms  und  Umgebung.    S.  54  und  57. 

2)  Fischer,   Stein-   und  bronsezeitliche  Beziehungen  des  Orients  zu  dem  Scblenri|r- 
Holsteinschen  Bemsteinlande  u.  s.  w.    Zeitschr.  des  Harzvereins  XXIX  (1896)  8. 669. 

8)  Ich  verdanke  dieselben  dem  Lehrer  L.  Kuoop  in  Börssum,  der  auch  der  Eigen* 
thümer  der  Axt  ist. 


—    43    — 

Der  Fond,   wie   er  jetzt  im  Rönigi.  Moseam  für  Völkerkunde  zu  Berlin  und 
im  Provincial-Maseam  zu  Stettin  liegt,  besteht  ans: 
^  6  ovalen  Armringen, 
3  Halsringen, 
1  Celt. 
lieber  den  Verbleib  der  übrigen  Stücke  ist  nichts  bekannt. 

Beschreibung  der  in  Berlin  befindlichen  Fundstücke. 

Die  ovalen  Ringe,  welche  etwa  die  Grösse  von  Armringen  haben  und  offen 
sind,  gehören  dem  bekannten  Typus  an,  bei  welchem  der  im  Querschnitte  runde 
Körper  sich  nach  den  Enden  zu  verjüngt,  ohne  jedoch  in  eine  Spitze  auszulaufen '). 
Bei  einem  der  Ringe  sind  die  beiden  Enden  mit  je  8  ringförmig  umlaufenden 
Einschnitten  versehen,  bei  einem  anderen  Ringe  sind  in  Folge  Abnutzung  nur 
noch  Spuren  solcher  Einschnitte  Torhanden,  während  bei  den  drei  übrigen  nichts 
deiigleichen  zu  bemerken  ist.  Die  grössere  Breite,  nach  den  Aussenrändem  ge- 
messen, schwankt  zwischen  14,3  und  12,9  cm,  die  kleinere  Breite  zwischen  10,5 
und  9,7  cm.  Wenn  diese  Differenz  auch  hauptsächlich  durch  die  verschiedene 
Biegung  verursacht  ist,  so  ist  doch  auch  die  Länge  der  Stäbe  verschieden. 
Letztere   beträgt   mit   dem  Bandmaass  gemessen  36,1 — 36,6—36,6—36,6 — 36,9  cm. 

Die  offenen  Halsringe  haben  eine  häufig  vorkommende  und  weit  verbreitete 
Form').  Sie  verjüngen  sich  ebenfalls,  aber  nur  wenig  nach  den  Enden,  welche 
flach  gehämmert  und  nach  aussen  umgerollt  sind.  Irgend  welche  Verzierungen 
sind  nicht  bemerkbar. 

Bei  diesem  Typus,  der  über  einen  grossen  Theil  Europas  verbreitet  ist,  kann 
man  zwei  Varietäten  unterscheiden,  eine  sehr  rohe  und  plumpe  und  eine  feiner 
gearbeitete.  Unsere  Ringe  gehören  zur  letzteren.  Grösste  Breite  16,4  und 
17,5  cm,  Länge  des  Stabes  (mit  dem  Bandmaass  gemessen)  43,3  und  46,5  cm.  -^ 

Der  Celt  gehört  zu  jenem  Typus  der  Flachcelte,  bei  welchem  der  Körper  in 
der  Mitte  in  der  Richtung  der  Schmalseiten  vorspringt  und  zwei  mehr  oder  weniger 
scharfkantige  Ausbuchtungen  bildet.  Die  Schneide  ist  abgebrochen,  die  Bruch- 
fläche patinirt.  Das  Bahnende  läuft  in  eine  abgerundete  Kante  aus.  Länge  12,2  cm, 
grösste  Breite  1,9  cm.  — 

Alle  Stücke  des  Fundes  sind  mit  einer  theils  tiefgrünen  glatten  Patina  von 
geringer  Stärke,  theils  mit  hellgrtlner  Mehlpatina  versehen;  letztere  ist  stellenweise 
abgegriffen  und  hat  eine  rauhe  Oberfläche  hinterlassen. 

Was  das  Alter  des  Fundes  anlangt,  so  kommen  ^le  drei  Typen  bereits  in 
der  älteren  Bronzezeit  vor;  so  ist  z.  B.  diese  Celtform  auch  in  dem  bekannten 
Grabfunde  von  Leubingen  in  der  Provinz  Sachsen  vertreten.  — 

Zum  Schluss  sei  noch  bemerkt,  dass  das  Königl.  Museum  für  Völkerkunde 
zwei  ovale  Armringe  von  demselben  Typus  aus  Pommern  kürzlich  erwarb.  Der 
Körper  des  einen  bei  Stolzen  bürg,  Kreis  Uckermünde,  gefundenen  Ringes  ist 
aber  bedeutend  stärker,  die  schmutziggrüne  Patina  zum  Theil  beschädigt.  In  den 
beiden  kleineren  Bogen  des  Ovals  bemerkt  man  starke  Abnutzungsspuren  in  Form 
von  Abflachungen,  die  nach  der  einen  Seite  geneigt  sind.  Nach  der  entgegenge- 
setzten Seite  neigt  sich  eine  Abnutzungsfläche  in  der  Gegend  der  Ringöffnung. 
Breite  13  und  10  cm.  —  Der  andere  Ring  von  Dargitz,  Kreis  Uckermünde,  ist 
ganz  ähnlich,  nur  fehlt  die  Abnatzungsspur  in  dem  einen  kleinen  Bogen  des  Ovals. 
Die  Maasse  sind  dieselben,  wie  die  des  vorigen  Ringes.  A.  Götze. 

1)  Vgl.  Götze,  Die  Vorgeschichte  der  Neuraark,  Würzburg  1897,  S.  19,  Fig.  17. 

2)  Ebenda,  S.  19,  Fig.  16. 


—    44    — 

Fundsteile  bei  Bornim,  Kreis  Osthavelland,  Provinz  Brandenburg. 

Wenn  man  sich  von  Potsdam  über  Bornstedt  in  nordwestlicher  Richtung  weiter 
begiebt,  so  erreicht  man  in  einer  kleinen  Stande  am  Ende  des  Höhenzuges,  welcher 
den  Weg  auf  der  linken  Seite  eine  lange  Strecke  begleitet,  das  Dorf  Bomim. 
Hier  zweigt  sich  nach  links  ein  fast  schlachtartiges,  zam  Theil  sampfigea  Thal  ab, 
in  weiches  der  obere  Theil  des  Dorfes  sich  hinzieht.  Gerade  an  der  darch  dieses 
Thal  gebildeten  Ecke  des  erwähnten  Höhenzages  wurden  durch  den  dort  an- 
sässigen Oastwirt  Berlin  bei  Grartenarbeiten  verschiedene  Alterthttmer  entdeckt, 
welche  die  Veranlassung  zu  einer  Besichtigung  der  Fundstelle  durch  Herrn  Di- 
rector  Dr.  Voss,  Herrn  Sanitätsrat  Lissauer,  Herrn  Brauereibesitzer  Lamm 
aus  Potsdam  und  den  Unterzeichneten  gaben. 

Auf  dem  unteren  Theil  der  Anhöhe,  etwa  4 — 5  m  über  der  Thalsohle,  hatte 
der  Besitzer  den  Boden  1  m  tief  rigolt  and  hierbei  Scherben,  Urnen  and  Stein- 
geräthe  gefunden.  Letztere  bestanden  aus  einem  yierkantigen  Steinbeil  und  einem 
facettirten  Hammer  von  dem  bekannten  Thüringer  I^us.  Es  ist  ein  sicher 
aus  Thüringen  importirtes  Stück  und  liegt  auf  der  Linie,  welche  Verf.  als  einen 
von  Thüringen  durch  die  Mark  nach  Pommern  gehenden  Handelsweg  der  jüngeren 
Steinzeit  erkannt  hat').  Der  jüngeren  Steinzeit  sind  femer  einige  Thonscherben, 
insbesondere  einer  mit  Stichomament,  zuzuweisen.  Aus  späteren  Perioden  worden 
Scherben  gefanden,  welche  zum  Theil  sicher  der  römischen  Kaisereeit  and  der 
Völkerwanderungszeit  angehören.  Von  ganzen  Thongefassen,  die  auf  Grabstätten 
deuten,  wurden  im  Ganzen  drei  Stück  gesanuneli  An  das  erste  erinnerte  man 
sich  erst,  als  die  weiteren  Funde  zam  Vorschein  kamen;  von  ihm  ist  nichts  mehr 
vorhanden.  Das  zweite  ist  auch  gänzlich  in  Trümmer  gegangen.  Das  dritte  end- 
lich liess  sich  aus  den  Scherben  wieder  zusammensetzen  und  ergab  so  eine  Fen- 
sierurne.    Sie  soll  in  einer  länglichen  Packung  aus  Steinen  gestanden  haben. 

Weitere  Funde  sind  an  dieser  Stelle  wegen  des  Rigolens  nicht  zu  erwarten. 
Ueber  diesem  Grundstück  zieht  sich  der  Pfarracker  und  über  diesem  der  Friedhof 
(etwa  in  halber  Höhe  des  Berges)  hin.  Auf  dem  brachliegenden  Pfarracker  stiess 
man  nach  längerem  vergeblichem  Sondiren  in  etwa  1  m  Tiefe  auf  Steine.  Eine 
Nachgrabung  ergab  nur  einige  isolirte  Rollkiesel,  von  denen  der  eine  allerdings 
gespdten  war,  sowie  eine  prähistorische  Scherbe  aus  dunklem  Thon.    A.  Götze. 


Zwei  Bronzefunde  aus  Pommern. 

I.    Depotfund  von  Bergen  auf  Rügen. 

In  der  Nähe  des  Nonnensees  bei  Bergen  stiessen  Arbeiter  beim  Steinegraben 
auf  eine  Art  Mauer  und  fanden  unter  einem  grossen  platten  Steine  eine  Anzahl 

Bronzen  und  eine  Feuerstein-Lanzenspitze 
zusammen  liegend.  Diese  Stücke  gelangten 
an  das  Rönigl.  Museum  für  Völkerkunde 
(Kat  I.  c.  2012-2023). 

1.  Hohlcelt  mit  Oehr.   Abgesehen  von 

der   wulstigen   runden  Mündung   ist   der 

Körper  vierkantig  gestaltet  und  trägt  auf 

Fig.  1.  beiden  Seitenflächen  je  5  erhabene  Kippen, 


1)  A.  Götze,  Ueber  neolithischen  Handel.    Bastian-Feat«chrift  1896. 


—    45    — 

die  an  dem  gegen  die  Schneide  gewandten  Theile  in  Knäpfchen  endigen.    Patina 
Mhwärzlich.    Länge  11,  grösste  Breite  4,7  cm  (Fig.  1). 

2.  Ein  ganz  ähnliches  Stück  mit  nur  3  Rippen  anf  jeder  Seite.  Die  Patina 
ist  ebenfallB  schwänlich.  Länge  10,  gröBSl«  Breite  4,4  cm.  Obgleich  der  Celt 
stark  abgenutzt  zn  sein  scheint,  bat  man  doch  nicht  die  Gnssnaht  aus  dem  Oehr 
entremt,  welches  hierdurch  völlig  geschlossen  ist. 

3.  Hohlcelt  mit  Uehr;  der  Querschnitt  in  der  Mitte  ist  ungelahr  sechseckig, 
die  HUndting  rund.  Auf  den  beiden  Breitseiten  befinden  sich  je  4  kurze  erhabene 
Rippen.  Die  Oberfläche  ist  mit  einer  dicken  grtlnlich-grauen  Patina  überzogen. 
Länge  8,5,  grfisste  Breite  4,5  cm  (Fig.  2). 


"'■'■ 

4.  Bruchstück  (MUndangstbeil)  eines  Hohlceltes  mit  Oehr  und  6  kurzen,  wenig 
erhabenen  Rippen  auf  jeder  Hreitseile.  Das  eine  Ende  des  Oebrs  endigt  in  ein 
nicht  vollständig  erhaltenes,  etwa  blattförmiges  erhabenes  Ornament,  das  eine  ganz 
abgeschwächte  Reminiscenz  an  Schaniappen  zu  sein  scheint;  es  ist  anf  der  ent- 
gegengesetzten Seite  wiederholt,  Das  Stück  igt  dadurch  besonders  interessant,  dass 
an  der  inneren  Wandung  der  Breitseiten  je  eine  erhabene  Rippe  parallel  zur 
Längsase  länrt.  Der  Zweck  solcher  Rippen  ist  nach  Olshansens')  Darl^ongen 
der,  eine  gleichmässige  und  schnelle  Yertheilung  des  geschmolzenen  Metalls  beim 
Gusa  zu  bewirken,  was  besonders  bei  dünnwandigen  Gegenständen  nöthig  ist.  Das 
Stück  ist,  auch  in  der  Bruchfläche,  dunkelgrau  patinirt  (Fig.  3). 

5.  Kleiner  Hohlcelt  mit  Oehr.  Querschnitt  in  der  Mitte  sechseckig.  Auf  der 
einen  Breitseite  ist  ein  hufeisenförmiges  Ornament  in 
Relief  angebracht,  die  andere  Seite  ist  an  der  Oberfläche 
stark  beschädigt,  so  dass  von  einem  etwa  vorhanden  ge- 
wesenen Ornament  nichts  mehr  zu  sehen  ist.  Hellgrüne 
Mehlpatina.    Länge  6,9,  grösste  Breite  4  cm  (Pig.  4). 

6.  Kleiner  Hohlcelt  mit  Oehr  von  ähnlicher  Form. 
Das   Ornament    stellt   sich   als   eine   Nachahmung   von       ^*^'    „. 
Schaftiappen  dar,  eine  an  Bohtcelten  sehr  häufige  Ver- 
zierung.    Das   Stück   ist  durch   die    hellgraue   Mehlpatina    stark    mitgenommen. 
Länge  6,  Breite  3,8  cm. 

7.  Das  merkwürdigste  Stück  ist  eine  sehr  kleine  Hohlaxt  von  eigenthUmI icher 
Form.  Der  Körper  in  der  Mitte  und  die  Mündung  sind  oval,  die  Schneide  nach 
Art  der  Hohläxte  gebogen,  so  dass  sie  nicht  senkrecht,  sondern  quer  gestanden 
haben  mnss.  Demgemäss  sitzt  auch  dos  Oehr  nicht  in  der  Ebene  der  Schneide, 
wie  in  der  Regel  hei  den  Hohlcelten,  sondern  im  rechten  Winkel  zu  ihr.  Am 
SchafUoch  befinden  sich  in  der  Verlängerung  der  längeren  Axe  der  ovalen  Münd- 
ung zwei  nach  aussen  gerichtete  Vorsprünge.    Im  Gegensatz  zu  den  vorhergehen- 


t)  Olshaasen,  Technik  alter  Bronien.    Vcrh.  der  BerL  Anthr.  Gesellsch.  1B85,  S.  410. 


—    46    — 


den  Gelten,  welche  sämmtlich  mittelst  einer  doppelten 
Form  gegossen  sind,  hat  man  hier  den  Gass  nach 
einem  Wachsmodell  in  der  verlorenen  Form  ange- 
wendet, was  bei  der  complicirten  Gestalt  des  Gegen- 
standes auch  nöthig  war.  Helle  grünlich-graue  Mefal- 
patina.  Länge  4,5,  Breite  der  Schneide  2,8,  der  MOnd- 
ung  2,5  und  1,9  cm  (Fig.  5). 

8.  Lanzenspitze.    Die  an  die  Schafitiüle  unmittel- 
bar sich  anschliessende  Mittelrippe  ist  fast  auf  der 
ganzen  Länge  hohl;  in  der  Schaf^le  befinden  sich 
in  der  Ebene  des  Blattes  zwei  Nietlöcher.    Dunkelgraue  Patina.    Länge  19  etn  (Fig.  6). 


Fig.  6. 


Fig.  6. 

9.  Stark  corrodirte  Lanzenspitze  von  ähnlicher  Form,  hellgrüne  Mehlpaüna. 
Länge  15,5  cm. 

10.  Einschneidige  Messerklinge  von  gestreckter,  schmaler  Form,  mit  dickem, 
abgeschrägtem  Rücken.  Längs  des  Rückens  läuft  auf  der  einen  Seitenfläche  zwischen 
zwei  Rippen  eine  Furche;  die  andere  Seitenfläche  ist  glatt.    Trotz  der  abweichen- 


Fig.  7. 

den  Form  schliesst  sich  das  Stück  stilistisch  an  die  bekannten,  auch  nur  auf  einer 
Seite  omamentirten  Sicheln  an.  Hellgraue  Mehlpatina.  Länge  15,5,  grösste 
Breite  1,3,  Dicke  des  Rückens  0,5  cm  (Fig.  7). 

11.  Eine  im  Yerhältniss  zur  Länge  ungewöhnlich  dicke  Nadel  mit  konischem 

Kopf.  Soweit  die  infolge  der  Mehl- 
patina stark  vorgeschrittene  Corrosion 
erkennen  lässt,  scheint  der  Hals  mehr- 
fach gerillt  gewesen  zu  sein.  Länge  13,4, 
Breite  des  Kopfes  1,9  cm  (Fig.  8). 

12.  Ein  kleines  formloses  Bronzefragment  mit  hellgrüner  Mehlpatina.    Läng« 
2,9  cm, 

13.  Lanzenspitze  aus  hellgrauem  Feuerstein,  lanzettförmig.    Die  Muschelung 
ist  nicht  sehr  fein  ausgefähri    Länge  17,2,  grösste  Breite  3,2  cm  (Fig.  9). 


m\m\i\m\r"- ^* 


Fig.  8. 


Fiir.  9. 

n.    Hohlcelte  von  Heringsdorf,  Kr.  Üsedom-Wollin. 

Im  Jahre  1879  fanden  Arbeiter  westlich  von  Heringsdorf  drei  Hohlcelte  und 
das  Bruchstück  eines  vierten.    Etwas  Genaueres  über  di^  Fundumstände  iat 


—     47     — 

nicht  bekttnnt,  doch  stammt  diese  kurze  Notiz  von  glaubwürdiger  Seite.  Die  Fund- 
stücke befinden  sich  seit  Kurzem  im  Kgl.  Museum  lUr  Völkerkunde  unter  Eat.  I' 
c.  2008—2011;  es  sind  folgende: 

1.  Hohlcelt  mit  Oebr  ron  der  gleichen  Gestalt,  wie  der  im  vorigen  Funde 
unter  No.  I  beschriebene,  also  ebenralls  vierkantig  und  insbesondere  mit  5  durch 
Knöpfcheo  abgeschlossenen  Rippen 

auf  jeder  Breitseite  versehen.  Er 
unterscheidet  sich  von  Xo.  1  hinsicht- 
lich der  Länge  und  dadurch,  dass 
das  Terhältnissmässig  breite  band- 
förmige Oehr  mit  dem  einen  Ende 
nicht,  wie  gewöhnlich,  unmittelbar  an 

dem  Bandwuist,    sondern    auf   der  Fig.  10. 

ebenen  Flüche  aufsitzt.  Die  Patina 
ist  ziemlich  abgegrifTcn.    Lange  13,  grösste  Breite  4  cm  (Fig.  10). 

2.  Vierkantiger  Hohlcelt  ohne  Oehr;  auf  den  beiden  Seitenflächen  befindet  sich 
je  eine  parabelförmige  erhabene  Rippe,  deren  Bogen  gegen  die  Schneide  geöffnet 
ist.  Die  Patina  ist  schmnizig-dunkelgrän.   Länge  1 3,3,  gröaste  Breite  4,3  cm  (Fig.  1 1 ). 


Fig.  11.  Fig.  la. 

3.  Vierkantiger  Hohlcelt  ohne  Oehr;  während  die  beiden  vorhergehenden  sich 
□ar  wenig  nach  der  Schneide  zu  verbreitem,  geschieht] dies  hier  in  grosserem 
Maasae.  An  der  Innenwandung  der  beiden  Breitseiten  befindet  sich  je  eine  3  eta 
lange  und  parallel  zur  Längsaxe  laufende  Leiste.  Sie  können  wegen  ihrer  geringen 
Länge  nicht  denselben  metallurgisch-technischen  Zweck  gehabt  haben,  wie  die  oben 
erwähnten  Innenrippen  (vgl.  Fig.  3),  sondern  mögen  zur  besseren  Befestigung  des 
Holzschaltes  beigetragen  haben,  was  um  so  nutbiger  war,  als  ein  Oehr  nicht  vor- 
handen ist.  Die  Patina  ist  ungleich  massig  hell-  und  dunkelgrün.  Länge  13,3,  grösste 
Breite  4,7  cm  (Fig.  12). 

4.  Bruchstück  (Schneidehälfle)  eines  Uohiceltea.  Die  Bruchfläche  ist  frisch. 
Dunkelgrüne  Patina.     Grösste  Breite  4,0  cm.  — 

Diese  beiden  Bronzefunde  sind  in  mehr  als  einem  Punkte  interessant.  Was 
zunächst  die  vierkantigen  Uohicelte  anlangt,  so  kommen  sie  häufig  in  Frankreich 
vor.  Allerdings  sind  sie  auch  von  andern  Fundstellen  aus  Deutschland  bekannt. 
So  besitzt  das  Kgl.  Museum  Exemplare  dieses  Typus  z.  B.  von  Gingst  anf  Rtlgen 
(mit  kurzen  Ornamentrippen  ähnlich  Fig.  3  und  3),  in  dem  grossen  Funde  von 
Plestlin,  Kr.  Demmin,  Prov.  Pommern,  femer  ein  kleines  Exemplar  von  Uelzen, 
Prov.  Hannover.  Andere  Stücke  von  Gülzow,  Kr,  Cammin,  und  von  Beyersdorf, 
Kr.  Pyritz,  beGndcn  sich  nach  |gefl.  Mittheitungen  des  Herrn  Directors  Voss  im 
Stettiuer  Museum.  Wenn  der  vierkantige  Typus  auch  noch  in  andern  Ländern 
Europas  vereinzelt  vorkommt,  so  findet  sich  eine  Analogie  zu  den  mit  einem  Knopf 


—   .48    — 

abschliessenden  Omamentrippen  nur  in  Frankreich.')  Um  der  Frage,  ob  es  sich 
um  directe  Beziehungen  zwischen  Pommern  und  Frankreich  handelt  und  welcher 
Art  dieselben  waren,  näher  zu  treten,  liegt  noch  nicht  genügend  Material  vor. 

Die  kleine  Hohlaxt  Fig.  5  ist  in  dieser  Form  ein  Unicum.  Allerdings  kommen 
Hohlmeissel  mit  gebogener  Schneide  in  den  Schweizer  Pfahlbauten  vor'),  doch 
kann  man  sie  mit  dem  Torlicgenden  Stück  stilistisch  kaum  in  Verbindung  bringen. 
Die  Stellung  der  Schneide  quer  zum  Schaft,  welche  hier  freilich  durch  die  Bieg- 
ung der  Schneide  bedingt  ist,  kommt  auch  sonst  an  Hohlcelten  vor,  ist  aber  ziem- 
lich selten.  Uebrigens  kann  man  hier  deutlich  sehen,  dass  das  Befestigungsoehr 
in  der  Richtung  nach  dem  GrifPende  des  Schaftes  angebracht  ist  Für  den  schon 
oft  geführten,  aber  eben  so  oft  unberücksichtigt  gelassenen  Nachweis,  dass  Stein- 
geräthe  anscheinend  neolithischer  Form  bis  weit  in  die  Bronzezeit  im  Gebrauch 
waren,  bietet  die  Zusammensetzung  des  ersten  Fundes  einen  weiteren  Beleg. 

A.  Götze. 

Römische  Fingerringe  von  Hainmeistali,  Uckermark. 

Etwa  3  Kilometer  südlich  von  dem  Städtchen  Brüssow  liegt  das  Vorwerk 
Hammelstall  und  dicht  daneben  eine  höchst  interessante  Localität,  der  Hammel- 
staller  Berg.  Es  ist  dies  eine  sandige  Anhöhe,  die  zum  Theil  beackert  w^ird,  zum 
Thcil  in  neuerer  Zeit  mit  Riefern  angeschont  ist.  Hier  befindet  sich  eine  ziemlich 
ausgedehnte  Feuersteinschlagstelle,  wo  der  Schreiber  dieser  Zeilen  Mengen 
von  prismatischen  Messerchen  gesammelt  hat;  auch  geschliffene  Meissel  und  be- 
sonders sehr  zierlich  zugehauene  Pfeilspitzen  wurden  daselbst  gefunden,  während 
am  Abhänge  des  Hügels  vor  einigen  Jahren  noch  ein  zerstörtes  steinzeitliches 
Kistcngrab  lag.  Auch  in  der  Bronzezeit  war  die  Localität  besiedelt,  wie  einige 
auf  der  Höhe  gefundene  Steinkisten  mit  kleinen  einhenkligen  GefÜssen  in  Töpfchen- 
form bewiesen. 

Im  vorigen  Jahre  wurden  beim  Pflügen  an  diesem  Hügel  ^  Ringe  gefunden. 

Der  eine  derselben  war  von  Silber,  mit  einer  ziemlich 
roh  geschnittenen  blauen  Gemme  versehen,  welche  eine 
menschliche  Figur  darstellte,  die  einen  Gegenstand,  etwa 
einen  Beutel,  in  der  Hand  hielt.  Leider  wurde  d^r  Ring 
nach  auswärts  an  einen  Sammler  verkauft,  so  dass  eine 
Abbildung  nicht  mehr  gegeben  werden  kann.  —  Der  zweite 
Ring  ist  noch  vorhanden  (s.  Abbild.).  Derselbe  ist  gross, 
massiv  aus  Bronze  gegossen,  von  27,5  g  Gewicht,  leicht 
patinirt.  Der  Umfang  ist  plattrund,  6  mni  dick.  An  der 
~  unteren  schmäleren  Seite,  wo  noch  die  Spur  des  Guss- 

zapfens erkennbar  ist,  7  mm  breit,  oben  9  mm.  An  diesem 
oberen  breiteren  Theile  ist  auch  eine  durch  Guss  imitirte  Ringplatte  vorhanden. 
Die  lichte  Weite  des  Ringes  ist  2ö:23/ww,  er  passte  also  nur  auf  einen  sehr 
dicken  Mannsftnger.  Man  wird  den  Ring  der  späteren  römischen  Raiserzeit  zu- 
rechnen dürfen.  Bei  uns  im  Norden  gehören  römische  Fingerringe  dieser  Form 
noch  zu  den  Seltenheiten.  H.  Schumann. 


1)  Mortui  et,  Musiie  prehistorique,  PI.  75,  Fig.  788,  F.-O.  Bretagne, 

2)  Heierli,  Der  Pfahlbau  Wollishofen,  Taf.  II,  Fig.  23. 


Abgeschlossen  im  Juli  189'. 


i 


ErgänzttPgsblätter  zur  Zeitschrift  fttr  Ethnologie, 

Nachrichten  Aber  deutsche  Alterthnmsfnnde. 

Mit  Unterstfitznng  des  Königlich  Preuss.  Ministeriums 
der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinal- Angelegenheiten 

herausgegeben  Ton  der 

Berliner  Gesellschaft  fBr  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte 

unter  Redaction  von 

R.  Virchow  und  A.  Voss. 


Achter  Jahrg.  1897.    i  Verlag  von  A.  ASHEB  &  Co.  in  Berlin.  Heft  4. 


Bibliographische  Uebersicht  Über  deutsche  Alterthumsftinde 

fUr  das  Jahr  1896. 

Bearbeitet  von  Dr.  F.  Moewes  in  Berlin. 


Abkllrzangen  der  Zeitsehriftentitel. 

Es  bezeichnen  allgemein: 


Alt.  =  Alterthumskonde.  Ann.  =  Annalen. 
Anthr.  =  Anthropologie.  Anz.  =  Anzeiger. 
Arch.  =  Archiv.   Ber.  =  Berichte.    Ethn.  = 


Geschichte.  Jahrb.  =  Jahrbücher.  K.-B.  = 
Eorrespondenzblatt  Mitth.  =  Mittheilnngen. 
Sitzgsb.  =  Sitzungsberichte.  Ver.  =  Verein. 


Ethnologie.    Ges.  =  Gesellschaft    Gesch.  =  i     Verh.  =  Verhandlungen.     Z.  =  Zeitschrift 

Für  die  h&ufiger  vorkommenden  Zeitschriften  sind  folgende  Abkürzungen  benutzt: 

Ann.  Ver.  Nass.  Alt  =  Ann.  d.  Ver.'s  f.  Jahrb.  Ges.  lothr.  Gesch.  =  Jahrb.  d.  Ges.  f 
Nassauische  Alt  u.  Geschichtsforsch.  (Wies-  lothringische  Gesch.  u.  Alt  (MetzX  Jahrg.  VI 
baden).    Bd.  28.  u.  VII  (t). 

Anz.  Schweiz.  Alt.  =  Anz.  f.  Schweizerische  K.-B.  deutsch.  Ges.  Aothr.  =  K.-B.  d.  deutschen 
Alt  (Zürich),  Jahrg.  29.  1     Ges.  f.  Anthr ,  Ethn.  u.  Urgesch.  (München), 

Arch.-ep.  Mitth.  =  Archäologisch-epigraphische       Jahrg.  27. 

Mitth.     aus     Oesterreich  -  Ungarn    (Wien), '  K.-B.  Gesammtver.  =  K.-B.  d.  G^sammtvereins 
Jahrg.  19.  der  deutschen  Geschichts-  und  Alterthums- 

Arch.  L  Anthr.   -   Arch.  f.  Anthr.   (Braun- 1     vereine  (Berlin),  Jahrg.  44. 
schweig),  Bd.  24,  Heft  1/2  u.  8.  J  E.-B.  wd.  Z.  =  K.-B.  d.  westdeutschen  Z.  f. 

Ber.  westpr.  Mus.  =  XVII.  amtlicher  Bericht .     Gesch.  u.  Kunst  (Trier),  Jahrg.  15. 
ü.  d.  Verwaltung  d.  naturhistorischen,  arch&o- ,  Limesbl.  =  Limesblatt.     Mitth.   d.   Strecken- 
logischen und  ethnologischen  Sammlungen       kommissare  bei  d.  Reichslimes-Komnmsion 
d.  Westpreussischen  Provinzialmuseums  in       (Trier),  Nr.  17-20. 
Danzig  für  1896.  ,  Mitth.   anthr.  Ges.  Wien  =  Mitth.  d.  anthro- 

Bonn.  Jahrb.  =  Jahrb.  d.  Ver.'s  v.  Alterthums-  pologischen  Ges.  in  Wien.  Bd.  26.  N.  F. 
freunden  im  Rheinlande  (Bonn),  Heft  99.  Bd.  16. 

Brandenburgia  =  Brandenburgia,  Monatsschrift  Mitth.  Bosn.-Uerceg.  =  Wissenschaftliche  Mit- 
d.  Ges.  f.  Heimatskunde  d.  Prov.  Branden-       theilungen   aus  Bosnien  und  der  Hercego- 
burg    (Berlin),     Jahrg.    IV,    Nr.    10-11,       vina  (Wien).    Bd.  4. 
Jahrg.  V,  Nr.  1—9.  Mitth.  Centr.  Comm.  =  Mitth.  d.  K.  K.  Central- 

4 


—    50    — 

Commission  zur  Erforschung  u.  Erhaltung  der  '  Prahlst.  Bl.  =  Prähistorische  Blätter  (München), 

Kunst-  und  histor.  Denkmale  (Wien),  Bd.  22.  |     Jahrg.  8. 
Mitth.  Ver.  Erfurt  =  Mitth.  d.  Ver.'s  f.  Gesch.  i  Rhein.    Geschhlr.    =   Rheinische    Geschichts- 

u.  Alt.  V.  Erfurt,  Heft  18.  ]     blfitter  (Bonn),   Jahrg.  I,    Nr.   8-12   (f  s 

Mitth.  Ver.  Osnabrück  =  Mitth.  d.  Vereins  f.  I     Jahrg.  II,  Nr.  1—6  (t),  Jahrg.  II,  Nr.  7  u.8. 

Gesch.   und    Landeskunde    von   Osnabrück  i  Sitzgsb.  Prussia  =  Sitzgsb.  d.  Alterthomsges. 

(Historischer  Ver.),  Bd.  21.  |     Prussia   zu  Königsberg  i.  Pr.     Jahrg.  51, 

Mitth.  Schlesw.-Holst.  =  Mitth.  d.  anthropolog.  I     Heft  20. 

Ver.'s  in  Schleswig-Holstein  (Kiel),  Heft  8  (f) '  Verb.  Berl   Ges.  Anthr.  =  Verh.  der  Berliner 


u.  Heft  9. 
Monatsblätter  =  Monatsblätter.  Herausgegeben 

von   d.  Ges.  f.  Pommersche  Gesch.  u.  Alt. 

(Stettin),  Jahrg.  1896. 
Monatsschr.  Oberbay.  =  Monatsschrift  d.  histor. 

Ver.'s  V.  Oberbayem  (München),  Jahrg.  4  (f) 

u.  Jahrg.  6. 
Nachr.  -  Nachrichten  ü.  deutsche  Alterthums- 

fnnde  (Berlin),  Jahrg.  7. 
Niederlaus.    Mitth.    =    Niederlausitzer    Mit- 


Ges.  f.  Anthr.,  Ethn.  u.  Urgesch.  Jahrg.  1896. 
Die  eingeklammerten  Bezeichnungen  weisen 
auf  das  Heft  d.  Z.  f.  Ethn.  (s.  d.)  hin,  in 
dem  die  „Verh.**  enthalten  sind. 

Wd.  Z.  =  Westdeutsche  Z.  f.  Gesch.  u.  Kunst 
(Trier),  Jahrg.  15. 

Württ.  Vierteljahrshefbe  =  Württembergische 
Vierteljahrshefte  für  Landesgesch.  (Stutt- 
gart), Jahrg.  ö. 

Z.  f.  Ethn.  =  Z.  f.  Ethn.  (Berlin),  Jahrg.  28. 


theilungen.    Z.   d.   Niederlausitzer  Ges.   f.  j  Z.  Harzverein  =  Z.  d.  Harzvereins   f.  Gesch. 
Anthr.  u.  Alt.  (Guben),  Bd.  4,  Heft  5/6  u.  7/8.  i     u.  Alt.  (Wernigerode),  Jahrg.  29. 

Nachträge  aus  früheren  Jahren  sind  durch  ein  f  kenntlich  gemacht. 


L  Abhandlungen,  zasammenfassende  Berichte  und  neue  Mittheilnngren 

Aber  ftltere  Funde. 


Achat  s.  Bogenspannring. 

Alemannische  Gräber  b.  Brombach,  A.  Lörrach, 

Württ.    E.  Wagner:    Prähist.  Bl.     Nr.  3, 

S.  43-45.     K.-B.  wd.  Z.    Nr.  6,   8p.  113 

bis  116.    Abb. 
Alsengemme,  neue,  a.   d.  Kirchenschatze   v. 

Säekingen.     Sökeland:    Verh.  Berl.  Ges. 

Anthr.  (H.  4),  S.  288-291.    Abb. 
Alteburg  s.  Feuersteinwerkstätte. 
Ansiedlungen  s.  Debelo  brdo,  Römische  An- 

siedlung. 
Anthropophagie   in    der    prähist.  Ansiedlung 

b.  Knovlze  u.  in  der  prähist.  Zeit  überhaupt 

Matiegka:  Mitth.  anthr.  Ges.  Wien.  S.  129 

bis  140.    Taf. 
f  Argentaria,  Argentovaria,   Castrum  Ai^en- 

tariensc    (Horburg).     Waldner:    Z.   f.   d. 

Gesch.  d.  Oberrheins.    N.  F.  Bd.  10,  H.  3, 

S.  444—447.    Herrenschneider:  Ebenda 

S.  461—467. 


f  Baumaterial  der  Römer  am  Niederrhein. 
J.  Schneider:  Rhein.  Geschhlr.  Jahrg.  I, 
Nr.  11,  S.  351—54.  Baumaterial  im  Legions- 
lager V.  Novaesium.  Koenen:  Ebenda 
S.  366—56. 

Becher  v.  Jerxheim  s.  Braunschweig. 

Befestigungen,     spätröm.,     im     Haardtgeb. 


M  e  h  1  i  s :  K.-B.  deutsch.  G es.  Anthr.  Nr.  10. 
S.  189-142. 

Bielefeld.  Römische  u.  vorröm.  Fundstücke 
a.  Metall  aus  d.  Geg.  v.  B.  Wilbrand: 
K.-B   Gesammtver.    Nr.  4,  S.  41—42. 

Bildwerke  a.  altslav.  Zeit.  Zur  Beurteil,  dors. 
Koehler:  Arch.  f.  Anthr,  H.  1/2,  S.  145 
bis  149. 

Blasen  an  den  Pferdemäulem  der  Bronze- 
Ciste  V.  Moritzing,  Tirol.  M.  Börnes: 
Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  (H.  2),  S.  112-114. 

Bodensee  s.  Pfahlbauten. 

Böhmen.  Allg.  Bemerk,  ü.  urgeschichtl.  Ver- 
hältnisse in  der  südl.  Hälfte  B.^s.  Bichlj: 
Mitth.  Centr.  Comm.  H.  4,  S.  181—185. 

—  Materialien  zur  Vorgesch.  und  Volks- 
kunde B.^s.  Teil  III.  Pleiivec  u.  »eine 
nächste  Umgeb.  in  d.  Vorgesch.  J  e  Hn  e  k : 
Mitth.  anthr.  Ges.  Wien.  8. 195-286.  Abbn. 

Bogenfibeln.  M.  H  ö  r  n  e  s :  Mitth.  Bosn«-Herceg. 
S.  383—385. 

Bogenspannring  a.  Achat  v.  Campi:  Mitth. 
anthr.  Ges.  Wien.    Sitsgsb.    Nr.  2,  S.  90. 

Bohlwegsuntersuchungen  in  dem  Grenzmoor 
zw.  Oldenburg  u.  Preussen  and  in  Melling- 
hausen,  Kr.  Solingen.  Prejawa:  Mitth. 
Ver.  Osnabrück.  8.  98—178.  Tafii.  Abbn. 
—  Eingetretene  Verschiebungen  an  dem 
Bohlwege   im  Dievenmoore   iw.  Damme  n. 


—    51     — 


Huntebnrg.    Plathner:   Mitth.  Ver.  Osna- 
brück.   S.  179-190.   Taf. 

Bodo.  Ber.  ü.  d.  Thätigkeit  d.  Provinsial- 
mns.  1895-96.  Klein:  Nachr.  H.  4,  S.  49 
bis  52.  K.-B.  Gesammtver.   Nr.  8,  S.  97—99. 

Bosnien.  Versch.  prfthist.  u.  röm.  Fände  u. 
Altertümer  von  dort  Fiala:  Mitth.  Bosn.- 
Herceg.  S.  170-184.  Abbn.  Radimsk^: 
Ebenda  S.  185—201.    Abbn. 

Brandwally  ehemaliger,  t.  Koschütz  b.  Dresden. 
Virchow:  Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  (H.  4), 
8.863. 

Braunsehweig.  Beiträge  zur  Vorgesch.  des 
Landes  B.  (Gesch.  d.  Prähistorie,  alt.  Stein- 
zeit, Stoingeräte,  Lübbensteine,  Gräber, 
Becher  t.  Jerxheim,  Bronzefand  am  Regen- 
stein, Höhle  b.  Holzen,  Bronzen).  Voges: 
Braonschweig.  Magazin.  Bd.  1,  Nr.  6,  S.  41 
bis  45.  Nr.  9,  S.  68—71.  Bd.  2,  Nr.  1, 
S.  6-8.  Nr.  25,  8.  195-200.  Nr.  26, 
S.  205—208. 

Brigantinm.  Bauliche  Überreste.  Jenny: 
Mitth.  Centr.  Comm.  H.  8,  S.  128—128. 
Abbn.   Plan. 

Bronzeciste  v.  Moritzing  s.  Blasen. 

Bronze-Depotfand  v.  Riesdorf^  Kr.  Radegast, 
Anhalt    Götze:   Nachr.    H.  5,  8.  75—77. 

Bronzefunde  s.  Brannschweig,  Hohlringe. 

Bronzehelm  a.  Yrankamen  b.  Erupa,  Bosn. 
Trnhelka:  Mitth.  Bosn.-Herceg.  8.  381 
bis  383.    Abbn. 

Bronzemesser  m.  figürl.  Darsteli.  (v.  Borgdorf, 
Holst).  Mestorf:  Mitth.  Schlesw.- Holst. 
S.  9— 18.    Abbn, 

Bronzezeit,  jüngere,  in  Meklenbnrg.  Neue 
Funde  aus  ders.  (Hügelgräber,  ümenfelder, 
Depotfunde,  Einzelfunde).  Beltz:  Jahrb. 
u.  Jahresber.  d.  Ver.^s  f.  mecklenburg.  Gesch. 
u.  Alt  (Schwerin).  Jahrg.  61,  8.  182  bis 
288.    Abbn. 

—  s.Grahhügelfunde,  Handwerkzeug.  Meklen- 
bnrg, Rheinhessen,  Skeletgräber. 

t  Buckelquadem  (röm.).   Piper:  Monatsschr. 

Oberbay.    Nr.  1,  S.  2-8. 
Budweis.    Erwerbungen   d.  Mus.    Lindner: 

Mitth.  anthr.   Ges.  Wien.    Sitzgsb.    Nr.  2, 

8.81-83.    Abbn. 
Burgen.   Römischer  Ursprung  ders.   Segler: 

Monatsschr.  Oberbay.    Nr.  10,  8. 105—109. 
Burgn^rälleT.  Görsdorf  u  Buckow,  Kr.  Beeskow- 

Storkow,  Brand.    Busse:  Verh.  BerL  Ges. 

Anthr.    (H.  2X  S.  129-180.    Pläne. 

—  in  der  Umgeg.  t.  Drambnrg,  Pomm. 
Stubenrauch:  Monatsblätter.  Nr. 9,  S.  137 
bis  139!*  Nr.  11,  S.  168—171. 


Burgwälle  in  Ostpommem  (Kreis  Bütow). 
Treichel:  Verh.  BerL  Ges.  Anthr.  (H.  2), 
S.  180—137.   Pläne.   Abbn. 

—  in  Westpreussen.  Conwentz:  Ber.  westpr. 
Mus.   S.  47-49. 

Burg-  und  Rundwälle  s.  Brandwall,  Gradina 
Öungar,  Heidenmauer,  Rundwall,  Schloss- 
berg, Wallbauten,  Wallburgen. 

Dalmatien.    Arch.-ep.  Untersuch,  z.  Gesch.  d. 

röm.  ProT.  D.  Patsch:  Mitth.  Bosn.-Herceg. 

S.  243—295. 
Debelo  brdo  b.  Sarajevo.    Prähist.  Ansiedlung 

auf  demselb.    Fiala:  Mitth.  Bosn.-Herceg. 

S.  38-72.   Abbn. 
t   Decempagi   (Tarquinpol).     Bericht  ü.   die 

Ausgrabungen  in  der  Römerstation  1892  bis 

1894.     Wichmann:    Jahrb.    Ges.    iothr. 

Gesch.  VIT,  Hälfte  2,  S.  173-194.    Abbn. 
Denarfund  y.  Fiddichow,  Pomm.  (1867).  Bahr- 

feldt:  Monatsblätter  Nr.  3,  S.  33—40. 
Depotfunde   s.  Bronzedepotfunde,  Bronzezeit 
Domavia  b.  Srebrenica.    Ausgrabungen   1892 

u.  1893.    Radimsk^:  Mitth  Bosn.-Herceg. 

S.  202-242.    Tafh.    Abbn. 
Donarkult  in  Bayern.    W.  M.  Schmid:  K.-B. 

deutsch.  Ges.  Anthr.    Nr.  7,  S.  51-52. 


fiinbaumfunde  aus  jüngster  Zeit.  Globus. 
Bd.  69,  Nr.  8,  S.  132. 

Eisen.  Erstes  Auftreten  desselben  im  Nord- 
harzgebiete. Höfer:  K.-B.  Gesammtver. 
Nr.  10/11,  S.  128-  137.    Abbn. 

Eisenalter,  yorgeschichtl.,im  skandinar.Norden. 
Mestorf:  Arch  f.  Anthr.  H.  3,  S.  339-346. 

Eisenfunde  d.  Niederlausitz.   S.  11.   Straupitz. 

Epora  (kelt.  Göttin).  Hang:  Bonn.  Jahrb. 
S.  241-251.    Abb. 


f^ensterurne  t.  Sadersdorf,  Kr.  Guben,  Brand. 

Jfentsch:  Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.    (H.  3), 

S.  240-241.   Abbn. 
Feuerstein- Schlagstätten  im  Posener  Gebiet 

Koehler:   Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  (H.  4), 

8.346-350.   Abbn. 
Feuerstein- Werkstätte  auf  d.  Alteburg  b.  Arn- 
stadt, Thüringen.    Götze:  Verh.  Beri.  Ges. 

Anthr.    (H.  2),  S.  119-122.    Abbn. 
Fibeln  s.  Bogenfibeln. 
Figürliche    Darstellungen    s.    Bronzemesser, 

Körperteile,  Terra  sigillata. 
Fränkische    Kunstweise.      Koenen:    Rhein. 

Geschblr.    Jahrg.  2,  Nr.  7,  S.  219—221. 

4* 


—    52    - 


CUUisches  Oppidum  s.  Herapel. 

Gefäss  der  Steinzeity  m.  Sehnareindräcken, 
V.  Yandsbnrg,  Westpr.  Conwentz:  Ber. 
westpr.  Mas.    S.  88.   Abb. 

Gefässe  m.  vierfach.  Wellenlinie.  Jentsch: 
Niederlans.  Mittli.    H.  7/8,  8.  865. 

-^  s.  Braonschweig,  Goldgefässe,  Neoli- 
thische  Gef&sse,  Neolithische  Keramik, 
Neolithische  Thongefftssreste,  Bheinhessen, 
Terra  sigillata,  Thongefässe,  Urnen. 

t  Gef&sskunde,  rheinische,  Beiträge  dazn. 
Eoenen,  Dragendorff,  F.  Hettner: 
Rhein.  Geschblr.  Jahrg.  2,  Nr.  4,  S.  122 
bis  128. 

Germanische  Begräbnisstätten  am  Niederrhein 
Ausgrabungen  1895.  I.  Zw.  Sieg  n.  Wnpper 
n.  Zw.  Rhein  n.  Niers.  Rademacher: 
Nachr.   H.  1.  S.  6—14. 

—  Waffen  a.  Tonnerovingischer  Zeit  (Kastell 
Osterburken).  Schumacher:  E.-B.  wd.  Z. 
Nr.  4,  Sp.  65—67. 

Gesichtsumen,  neue,  a.  Westpr.  Conwentz: 
Ber.  westpr.  Mus.    S.  86. 

—  moderne.  Schmid:  Oberbajr.  Arch.  f. 
Vaterland.  Gesch.  (München),  Bd.  49,  H.  2, 
S.  687-542.    Abbn. 

—  s.  Urne  m.  Mntzendeckel^  Haus-  u.  Gesichts- 
umen. 

Gigantenreiter  (Saarbrücken).  Lehn  er:  K.-B. 
wd.  Z,    Nr.  8-9,  Sp.  165-178.    Abbn. 

Glasinac.  Ergebnisse  d.  Untersuch,  prähist 
Grabhügel  auf  dem  G.  im  J.  1894.  Fiala: 
Mitth.  Bosn.-Herceg.    S.  8—82.   Abbn. 

Goldgefässe  (Hallstattzeit)  von  Langendorf  b. 
Stralsund.  R.  Baier:  Z.  l  Ethn.  H.  2, 
S.92— 96.    Taf. 

Grabdenkmäler,  röm.,  a  Bonn  u.  Köln.  Ihm: 
K.-B.  wd.  Z.    Nr.  6,  Sp.  123—181. 

Grabhügel  bei  Wengen  in  Mittelfranken. 
Ziegler,  Naue:  Prähist  Bl.  Nr.  1,  S.  9 
bis  12. 

Grabhügelfnnde,  neue,  in  Oberbaj.  (Alt  u. 
jung  Bronzezeit,  alt ,  mittl.  u.  jung.  Hall- 
stattzeit). Naue:  Prahlst  BL  Nr.  1,S.  1— 9. 
Nr.  2,  S.  17  25.  Nr.  8,  S.  88-88.  Nr.  4, 
8. 49-57.  Nr.  5,  S.  67—72.  Nr.  6,  S.  81 
bis  89.   Tafh. 

Gradina  Öungar  bei  Gazin.  Prähist  WaU 
(Neolith.  u.  Uallstattfunde).  Radimsk^: 
Mitth.  Bosn.-Herceg.    S.  78-98.   Abbn. 

Gräber  v.  Gross-Bogendorf^  Kr.  Sagan,  Schles. 
(Gefässe,  Steinbeile),  v.  Schulenburg: 
Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  (H.  8),  S.  190-191. 
Abbn. 

Gräberfeld  (Lausitzer  Typ.)  b.  Gross-Teuplitz, 


Kr.  Sorau.     Jentsch:   Niederlans.  Mitth. 
H.  5/6,  S.  241-248. 
Ghräbeifeld  v.  Rominten  (La  Tene).  Bezien- 
berger:  Sitsgsb.  Prussia.  8.85—66.  Tafn. 
Abbn.   Plan. 

—  V.  Stradonitz  b.  Prag.  Funde  von  dort. 
Heurer,  Yirchow:  K.-B.  deutsch.  Ges. 
Anthr.   Nr.  11/12,  8. 167. 

—  (La  Tene  u.  Spätrömisch)  v.  Vitske  in  der 
Altmark.  Ed.  Krause:  Globus  Bd.  70, 
Nr.  17,  8.  261-266.   Abbn. 

—  V.  Wilkieten,  Kr.  MemeL  Alt  Mitteilung 
darüber  (1842)  n.  neue  Untersuch.  H  o  1 1  a  c  k : 
Sitzgsb.  Prussia.    8.  128—125. 

Gräberfelder,  vorgeschichtl.,  auf  d.  Silberberge 
b.  Lenzen  u.  Serpien,  Ki.  Elbing.  Dorr: 
K.-B.  deutsch.  Ges.  Anthr.  Nr.  8,  8. 66—66. 

(}räber  u.  Gräberfelder  s.  Alemannische  (Mber^ 
Braunschweig,  Bronzezeit,  Germanische  Be- 
gräbnisstätten, Glasinac,  Grabhügel,  Grab- 
hügelfunde,  Haus-  u.  Gesichtsomen,  Hügel- 
gräber, Meklenburg,  Ostprenssen,  Poetovio, 
Römische  Brandgräber,  Rom.  Gräber,  Skelet- 
gräber,  Steinkammergrab,  Steinkistengräber. 

Gräfte  V.  Driburg,  v.  Stoltzenberg:  K.-Bw 
deutsch.  Ges.  Anthr.  Nr.  4,  8. 82—84.  Yeiii. 
Berl.  Ges.  Anthr.   (H.  6),  8.  600-618.   Tat 

Gnbener  Kreis.  VorgeschichtL  Funde  von  dort 
I     Jentsch:  Nachr.   H.  1,  8.  2— 6.   Abbn. 


Hacksilberfunde    v.    Qnlow,      Buch  holz: 

Brandenburgia.    Nr.  8,  S.  298—297.   Abbn. 

Vgl.  n.    Gralow. 
f  —  im  Mus.   zu  KieL     Mestorf:   Mitth. 

Schlesw.-Holst    H.8,  8. 8-12.   Abbn. 
Hallstatt  Ausgrabungen  d.MusealTereins  1896. 

Mitth.  anthr.  Ges.  Wien.    Sitigsb.    Nr.  2, 

S.  26,  28-29.    Abbn. 
Hallstattzeit  s.  Goldgefässe,  Grabhügelftmde, 

Gradina  Öungar,  Schädel. 
Handwerkzeuge  eines  reisenden  Schmiedes  d. 

Bronzezeit  in   Böhmen.     (Bmchenfimd  t. 

Ryde«  [Ritschen]   b.  Leimeritz).    Ricklf: 

Mitth.  Centr.  Comm.     H.  8,  8.  121  — 12S. 

Abbn. 
Hausforschung.    Giebelvenierungen  in  West- 

preussen.  Treichel:  YeriL  Berl.  €re8.ABthr. 

(H.  4),  8.  868.   (H.  6),  8. 869-878.   Abbn. 

—  Friesische  Häuser  auf  den  Hallig«. 
Traeger:  Mitth.  aus  dem  gennan.  National* 
mus.  (Nürnberg).   8. 112—119.    Pliae. 

—  Ein  Bauernhaus  im  Berchtesgadener  Land- 
chen.  V.  Schnlenburg:  Mitth.  anthr.  Ges. 
Wien.    S.  61-86.    Abbn. 


—    53    — 


Hanaforschon^.  Fonchnsgeii  o.  Stadien  über 
das  Haus.  Bancalari:  Mitth.  anthr.  Qes. 
Wien.    8.93-128.   Abbn. 

—  Hans  n.  Hof  bei  den  Hniolen.  Eaindl: 
Mitth.  anthr.  Qes.  Wien.  S.  147— 185.  Abbn. 

Hans-  und  Gesichtsnmen,  Eilsdorfer,  n.  ihr 

Gräberfeld.  Hein r. Becker:  Z. Harzrerein. 

8.265—297.   Tafa. 
Heidenbnrgb.Ereimbach.  Aosgrabnngen  1895. 

Mehlis:  K.-B.  deatseh.  Ges.  Anthr.   Nr.  2, 

8.14— 16.   Plan. 

—  8.  Pfalz. 

Heidenmauer  (Ringwall)  b   Dürkheim.  E.-B. 

deutsch.  Ges.  Anthr.  Nr.  11/12,  8. 168-169. 
Heidentempel,  e.  vermeintlicher,  b.  Soest,  Westf. 

Benkert:    Z.  f.  Taterl&nd.  Gesch.  u.  Alt 

(Münster).    Bd.  54,  8. 108-189.   Tafh. 
t  HerapeL    Oppidum  (gallisch  u.  galloröm., 

später  fränk.  u.  alemannisch)  auf  demHerapel 

bei  Kochern,  Lothr.    Hub  er:   Jahrb.  Ges. 

lothr.  G^esch.  VI,  8.  296—804.    Tafh. 
Höhlen.  Einst  bewohnte  Felshöhlen  des  Karstes 

im  Österreich.   Litorale.    Moser:    Globus. 

Bd.  69,  Nr.  19,  S.  302-806.   Abbn. 

—  s.  Braunschweig,  Runeninschrift. 
Hohlringe    a.  Bronze.     Steinmetz:    K.-B. 

deutsch.  Ges.  Anthr.    Nr.  8,  8.  69—71. 
Hügelgräber  v.  Gapowo,  Westpr.    Lakowitz: 
K.  B.  deutsch.  Ges.  Anthr.    Nr.  8,  S.  64—65. 

—  T.  Brezje  b.  Hönigstein,  Krain.  (Peönik), 
Rutar:  Ifitth.  Centr.  Comm.  H.  4,  8.  225 
bis  227. 

—  s.  Bronzezeit,  Glasinac,  Grabhügel,  Grab- 
hügelfnnde,  Meklenburg,  Tnmuli. 

Istrien  s.  Libumien. 

^adeitaxt,  die  erste  in  Schleswig -Holstein. 
Mestorf:  Nachr.   H.  2,  8.  23. 

Karolingische  Funde  s.  Pfalz. 
Keltische   FlussgotUieiten.     Ihm:   Arch.-ep. 
Mitth.    8.78. 

—  Gottheiten  s.  Epona,  Medros. 
Knochenazt  s.  Rheinhessen. 

Köln.  Römische  Ausgrabungen  an  d.  Luxem- 
burgstrasse  (Gebäude,  omament.  silb.  Be- 
schlagstück etc.).  Kisa:Bonn.  Jahrb.  8.21 
bis  53.    Abbn. 

Körperteile.  Nachbildungen  v.  solchen  als 
Grabbeigaben.  Nowotny:  Mitth.  anthr. 
Ges.  Wien.    Sitzgsb.  Nr.  4,  8.  64—65. 

Kultnsstätten,  vorgeschichtl.,  u.überMardellen. 
Florschütz:  K.-B.  Gesammtrer.  Nr.  12, 
S.  147—150. 


Kupferaxt  v.  Kwieciszewo,  CujaTien.  Analyse 
ders.  u.  die  Bearbeitung  der  Kupfererze. 
Weeren:  Verb.  Berl.  Ges.  Anthr.  (H.  5), 
8.  880-883. 

Knpf erbeile  a.  Böhmen  u.  Mähren.  Richl^: 
Mitth.  Centr.  Comm.   H.  4,  8.  227.  Abbn. 

Kupferbergwerk  d.  Kupferzeit  auf  d.  Mitter- 
berge, Salzburg.  Bartels:  Verb.  Berl.  Ges. 
Anthr.   (tt  4),  8.  292-297.    (H.  6),  8.  584. 

Kupfercelt  m.  wenig  Zinn  im  Braunschweiger 
Mus.  Andre e:  Braunschweig.  Magazin. 
Bd.  2,  Nr.  6,  S.  47. 

—  V.  Neuzelle.   8.  Gubener  Kreis. 
Kupfergeräte  s.  Rheinhessen. 

Kupferzeit.      Neuere    Studien     ü.     dieselb. 

Hampel:  Z.f.Ethn.  H.2,  8.57-91.  Abbn. 
Kurische  Nehrung.    Ältere  Ifitteilung  (1832) 

über   die  steinzeitl.  Fundplätze  b.  Nidden. 

Hol  lack:  Sitzgsb.  Pmssia.   8.  116—128. 

Ija  Tene-Funde,  Nauheimer.  Welchem  Volke 
gehören  sie?  Kossinna,  Kuthe:  K.-B. 
deutsch.  Ges.  Anthr.    Nr.  4,  8.  30-32. 

La  T^ne  s.  Gräberfeld,  Meklenburg,  Umenfeld. 

Lausitzer  Altertümer.  (Behla),  Voss:  Yerh. 
Berl.  Ges.  Anthr.  (H.  5),  8.  406—407. 

—  Typus  s.  Gräberfeld. 

t  Legionsfolge  in  d.  Xantener  Gemarkung. 
Koenen:  Rhein.  Geschblr.  Jahrg.  2,  Nr.  3, 
8.  94-95. 

Libumien  u.  Istrien.  Rom.  Funde  auf  Yeglia 
(Cnrictae)  u.  Umgeb.  Nowotny,  Sticotti: 
Arch.-ep.  Mitth.    8. 159—180.   Abbn. 

Limesforschung.  Kastelle  v.  Würzberg  u.  Eul- 
bach (Odenwaldlinie).  Kofi  er:  Limesbl. 
Nr.  18,  Sp.  497—601. 

—  Die  mutmasslich  ältesten  Kastelle  der 
Odenwaldlinie.  Kofi  er:  Limesbl.  Nr.  19, 
Sp.  527—534. 

—  Untersuch,  am  bad.  Limes.  Schumacher: 
LimesbL    Nr.  20,  Sp.  549—552. 

—  Yerpalissadierte  Blockhäuser  oder  Holz- 
türme am  rätischen  Limes.  Kohl:  Limesbl. 
Nr.  20,  Sp.  663-557.   Pläne. 

—  Flurnamen  am  Limes.  Hamm  er  an:  Wd.Z. 
tt  1,  8.  45—59. 

—  Ergebnisse  d.  Limesforschungen  1895  m. 
bes.  Berücksicht.  d.  Odenwaldlinie.  8  o  1  d  a  n : 
MitÜL  d.  Oberhess.  Geschichtaver.'s  (Giessen). 
N.  F.    Bd.  6,  8.  198—204. 

—  Beziehungen  des  rätischen  Limes  zum  Vor- 
gelände.  Seyler,  Ohlenschlager:  K.-B. 
deutsch.  Ges.  Anthr.   Nr.  10,  8. 135—189. 

—  Bericht  ü.  d.  4.  Ausgrabungsjahr  (1895). 
Hang:  K.-B. Gesammtrer.  Nr. 6/7, 8.69-73. 


54    — 


Limesforschong  s.  Rom.  Meierhöfc,  Schanze  b. 

Imsing. 
Lochornament.  S.u.   Gaben,  Reichersdorf. 
Lübbensteine  s.  Braonschweig. 

Mfthren.     Beitr&ge    zur   Urgeschichte    M.'8. 

Makowsky:  Mitth.  anthr.  Ges.  Wien.   S.  87 

bis  90.   Taf. 
Mainz.    Ber.  ü.  die  Thätigkeit  d.  röm.-germ. 

Centralmus.  f.  1895/96.    Beck:   K.-B.  Ge- 

sammtver.    Nr.  10/11,  S.  123—124. 
MardeUen  s.  Kultusstätten. 
Medros,  gallischer  Gott.  Kenne*.  K.-B.  wd.  Z. 

Nr.  1,  Sp.  18—19.   Christ:  Nr.  12,  Sp.  244 

bis  245. 
Meklenburg.    Neuere  Ausgrab.  (Hügelgräber, 

Flachgrab  d.  alt.  Bronzezeit,   Umenfeld  d. 

La  Tene-Zeit).   Beltz:  Prähist  Bl.   Nr.  3, 

S.  39-43.    Nr.  4,  8.60-61.. 
Mensch,  der  fossile,   u.  die  Menschenrassen. 

Ranke:  K.-B.  deutsch. Ges. Anthr.  Nr.  11/12, 

S.  151-156. 
Mithraeum  u.  and.  röm.  Funde  y.  Saarburg, 

Lothr.   Kenne:  Wd.  Z.   S.  334— 342.  K.-B. 

wd.  Z.  Nr.  2/8,  Sp.  49—62. 
Moorbrucken,  d.  römischen,  in  Deutschland. 

Knoke:     Z.   f.   Vaterland.   Gesch.    u.   Alt 

(Münster).   Bd.  54,  S.  172-185. 
Mosaikboden  v.  Monastero,  Küstenld.    MittL 

Centr.  Conmi.   H.  3,  S.  162.   Abb. 
Münzen,  bosnische,  serbische  u.  bulgarische, 

d.  Landesmus.  in  Sarajevo.  Verzeichnis  ders. 

Truhelka:    Mitth.   Bosn.-Herceg.    S.  302 

bis  323.    Abbn. 

—  s.  Denarfund,  Römische  Denare,  Römische 
Münzen. 

Museen    s.  Bonn,    Budweis,    Museographie, 
Stralsund,  Trier. 

Museographie  f.  1895  (Erwerbungen,  Unter- 
suchungen u.  s.  w.  der  Museen  in  Aachen, 
Birkenfeld,  Bonn,  Crefeld,  Darmstadt,  Eiber- 
feld,  Frankfurt  a.M.,  Hanau,  Karlsruhe,  Köln, ' 
Konstanz,  Kreuznach,  Mainz,  Mengen,  Metz, 
Rottenburg,  Saarbrücken,  Speyer,  Trier, 
Überlingen,  Yillingen,  Wiesbaden,  Worms, , 
Zürich).    Wd.  Z.    H.  4,  S.  383-384.  | 

I 
! 

Heolithische  Funde,  neuere,  im  Spessart  n.  in 

Baden.    Kanke,  Wagner:   K.-B.  deutsch. 

Ges.  Anthr.    Nr.  10,  8.  133—184.  ' 

—  —  8.  Steinzeit.  ' 

—  Gefässe  v.  d.  Rheingewann  b.  Worms.  Ver- 
gleichung  m.  denen  v.  Albsheim.    Koehl:' 
Nachr.   H.  6,  S.  92-96.   Vgl.  11.  Worms. 


Neolithische  Keramik,  importiert«,  in  Böhmes. 
V.  Weinzierl:  Prähist.BL  Nr. 6, 8. 89-92. 
Tafn. 

—  ThongefiJssreste,  bemalte,  a.M&hr.  n.Nieder- 
öst.  Szombathj:  Mitth.  anthr.  Ges.  Wien. 
Sitzgsb.   Nr.  4,  S.  66. 

Opferstein,  heidnischer  (v.  WQdenan  i.VogtL) 
Mothes:  K.-B.  Gesammtver.  Nr.  5,  S.  57 
bis  58. 

Osterreich.  Forschungen  1895.  Heger:  Mitth. 
anthr.  Ges.  Wien.   Sitzgsb.  Nr.  2,  S.  20— 25. 

Osterberg.  Der  sog.  0.  b.  Nenenhaus  eine  alte 
Kastell-  od.  Wachthnrm- Anlage.  Hacke: 
Mitth.  Ver.  Osnabrück.    S.  190-194.    Abb. 

Ostpreussen.  Y  orgeschichtl.Grabfunde.  Lemke: 
Nachr.   a  2,  S.  17—19.  Abbn. 

Palaeolithische  Funde  s.  Steinzeit 

Pettauer  Antiken.  I.  Die  Nutrices  Augnstae. 
Gurlitt:  Arch.-ep.  Mitth.  S.  1—26.   Abbn. 

Pfahlbauten  d.  Bodensees.  Topograph.  Auf- 
nahme ders.  V.  Tröltsch:  K.-B.  deutsch. 
Ges.  Anthr.   Nr  8,  S.  66—67. 

Pfalz.  Die  P.  in  prähist  Z.  Ohlenschlager: 
K.-B.  deuUch.  Ges.  Anthr.  Nr.  9,  8.  86-90. 
Über  vorröm.  Beziehungen  d.  Pfalz  m.  Italien. 
Harster,  Mehlis,  Virchow,  Ohlen- 
schlager: Ebenda  S.  104—109. 

—  Archäologisches  aus  d.  P.  (Karolingische 
Funde,  Ausgrab,  auf  d.  Heidenburg,  röm. 
Münzfnnde).  Mehlis:  K.-B.  Gesammtver. 
Nr.  1,  S.  10-11. 

Poetovio.  Die  Ausgrabungen  im  Gräberfelde 
d.  Römerstadt  P.  in  Steiermark.  Gurlitt: 
Mitth.  anthr.  Ges.  Wien.  Sitzgsb.  Nr.  2« 
8.80-81. 

—  Vorlauf.  Ber.  u.  d.  Ausgrab.  1889—1896. 
Gurlitt:  Mitth.  Centr.  Comm.  H.  8,  S.  162 
bis  164. 

—  (Ausgrabungen  1893—94).  Jennj:  Mitth. 
Genta-.  Comm.   S.  1—22.  Abbn.  Tafii.  Pläne. 

Pola.  Römische  Altertümer  in  u.  umP.  Weist- 

häupl:  Mitth.  Centr.  Comm.   H.  l,  S.  4—6. 
Pommern.    Die  Kultur  P.*s   in  vorgetchichL 

Zeit  Hugo  Schumann:  Baltische  Stndiem. 

Jahrg.  46.  S.  103-208.    Tafo. 
Provinzialromische   Funde   in   d.  Niederlaas. 

J  e  n  t  s  c  h :  Niederlaus.  Mittth.    8.  867—961. 
Pjxis  a.  Elfenbein  im  Wiesbadener  Alteitnnu- 

mus.    Donner  —  v.  Richter:   Ann.  Ver. 

Nass.  Alt    S.  287-296.    Taf. 

Regenbogenschftsselchen  ans  W&rttemberg. 
Walcker:  Verh.  Bert.  Ges.  Anthr.    (VLT^ 

S.  76. 


—    55    — 


Rheinhessen.  YorgoschichtL  Funde  (Edle  Stein* 
beile,  Hammeraxt  a.  Knoch.,  Becher  m. 
Schniurverzier. ,  Kupfergeräte ,  Bronzezeit- 
fund).   Koehl;  Nachr.    H.  6,  S.  69—74. 

Ringwftllc  8.  Burg-  und  Rundwftlle. 

Römischer  Altar  in  Rorio,  Ct.  Tessin.  A. 
Schneider:  Anz.  Schweiz.  Alt.  Nr.  4,  S.  102 
bis  108. 

Römische  Ansiedlung  r.  Erlstätt  b.  Traimstein. 
If  ajr:  Monatsschr.  Oberbaj.  Nr.  1,  S.  4 
bis  14.    Abb. 

t  —  Bananlage  v.  Blankenheim  i.  d.  Eifel. 
(Klein):  Rhein.  Geschblr.  Jahrg.  I,  Nr.  8, 
S.  257-2Ö8. 

—  Brandgräber  t.  Reichenhall  in  Oberbay. 
Wilser:  Globus.    Bd.  70,  Nr.  8,  S.  40— 42. 

—  Denare.  Gesamtfund  a.  Marienfels,  Reg.- 
Bez.  Wiesbaden.  Ritterling:  Wd.  Z.  H.  8, 
S.  267-274. 

—  Denksteine  zu  Risstissen.  Schmid  (Rin- 
gingen): Württ  Yicrteljahrshefte.  H.  8/4, 
S.  266. 

t  Römisches  Felsrelief  am  „pompösen  Bronn" 

b.  Lemberg,  Ct.  Bitsch,  Lothr.   Michaelis: 

Jahrb.   Ges.   lothr.   Gesch.  VH,   H&lfle    1, 

S.  128— 168.   Abbn.    Tafu. 
Römische  Gebändereste  u.  Kleinfnnde  in  Baden, 

Schweiz.    (Ausgrabungen  1895  und   18%). 

0.   Haus  er:    Anz.   Schweiz.   Alt.     Nr.   1, 

S.  2-5. 
t   —   Gräber   innerhalb    v.    Ummauerungen 

(NoTaesium).     Koenen:    Rhein.   Geschblr. 

Jahrg.  2,  Nr.  8,  S.  95-96. 

—  Inschrift  im  Metzer  Mus.  Kenne:  K.-B. 
wd.  Z.    Nr.  1,  Sp.  16-18. 

—  Inschriften  von  Aquileja  (seit  1898). 
Majonica:  Arch.-ep.  Mitth.  S.  205— 211. 
Abbn. 

—  —  u.  Skulpturen  v.  Bingen  u.  Mainz. 
Körber:  K.-B.  wd.  Z.    Nr.  1,  Sp.  5— 12. 

V.  Mainz  (Steinsärge  (1888),  Altar  (1896), 

SigiUata- Stempel  (1896).    Körber:   K.-B. 

wd.  Z.   Nr.  5,  Sp.  81-89. 
im  Schloss  zu  Fange  b.  Metz.    Kenne: 

K.-B.  wd.  Z.    Nr.  1,  Sp.  1-5. 
in  Württemberg.    Bemerk,  zu  einigen 

Eigennamen  auf  solchen.    Nestle:   Württ. 

Vierjahrshefte.    H.  8/4,  S.  251— 256. 
s.  Grabdenkmäler. 

—  Meierhöfe  im  Limesgebiet  (Baden) 
Schumacher:  Wd.  Z.   H.  1,  S.  1—7.  Plan. 

t  Römischer  Meilenstein  b.  Saarburg,  Lotbr. 
Kenne:  Jahrb.  Ges.  lothr.  Gesch.  VI,  S.  824 
bis  826.    VII,  Hälfte  1,  S.  194-195. 

Rom.  Münzen  a.  Wiesbaden  u.  Cmgeg.  im  Alter- 


tums-Mus. zu  Wiesbaden.  Ritterling:  Ann. 

Ver.  Nass.  Alt.    S.  181-244. 
Rom.  Münzen.   Zwei  Gesamtfunde  a.  Heddem- 

heim  im  Mus.   zu  Wiesbaden.    Quill  in  g: 

Ann.  Ver.  Nass.  Alt.  S.  245 -286.  K.-B.wd.Z. 

Nr.  6,  Sp.  118—119. 
t Massenfund  Tom  Marienplatz  in  Köln. 

Ph.  Braun:  Rhein.  Geschblr.  Jahrg. 2, Nr. 5, 

S.  158-160. 

8.  Römische  Denare. 

Römisches  Mysterienrelief  im   bosnisch -her- 

cegoYinischen Landesmus.  Nowotny:  Mitth. 

Bosn-Herceg.    S.  296— 802. 
t  Römische  Strasse  von  Augsburg  nach  Türk- 
heim u.  Wörishofen.    Schuster:  Z.  d.  bist. 

Ver.^s  f.  Schwaben  u.  Neuburg.    Jahrg.  21, 

S.  169—180. 
t —  —   nach   Krumbach.    Beschreib. 

ders.      Schuster:    Z.    d.    bist.  Ver.'s    f. 

Schwaben  u.  Neuburg.     Jahrg.  22,  S.  212 

bis  228. 
t in  d.  Oberförsterei  St.  Avold,  Lothr. 

Hinrichs:   Jahrb.  Ges.  lothr.  Gesch.   VI, 

S.  804— 809.   Tafh. 
t  —  Thonfiguren  u.  Münzen  Tom  Marxberge 

b.  Saarburg  (1891).    Wichmann:    Jahrb. 

Ges.  lothr.  Gesch.  VI,  8.  317—823. 
t  —  Villa  V.  Sankt  Ulrich,   Lotiir.    Wich- 
mann: Jahrb.  Ges.  lothr.  Gesch.  VI,  S.  818 

bis  816.    Taf. 

—  Funde  und  Altertümer  s.  Argentaria,  Bau- 
material, Befestigungen,  Bielefeld,  Bohl- 
weguntersuchungen, Bosnien,  Brigantium, 
Buckelquadem,  Burgen,  Dalmatien,  Decem- 
pagi,  Domavia,  Gigantenreiter,  Grabdenk- 
mäler, Gräberfeld,  Heidenburg,  Herapel, 
Köln,  Legionsfolge,  Libumien,  Limes- 
forschung, Ifithraeum,  Moorbrücken,  Mosaik- 
boden, Osterberg,  Pettauer  Antiken,  Pfalz, 
Poetorio,  Pola,  Strassen,  Trier,  Tutatio, 
Vetera,  Waadt,  Wallbauton. 

Rundwall  b.  Trebitz,  Kr.  Lübben.    Jentsch: 

Niederlaus.  Mitth.  H.  5/6,  S.  249. 
t  —  m.  Graben  v.  Tincry,  Lothr.,  kein  röm. 

Lager,  sond.  vorgeschichtL   Paulus:  Jahrb. 

Ges.  lothr.  Gesch.  VI,  S.  111— 118.   Tafh. 
Rundwälle  s.  Burg-  und  Rundwälle. 
Runeninschrift  in   d.  Drachenhöhle  b.  Dürk- 

heira  a.d.  Haardt.   Mehlis:  K.-B.  deutsch. 

Ges.  Anthr.    Nr.  5,  S.  86-88.    Nr.  6,  8.  44 

bis  48. 

S^chädel,  vorgeschichtL,  t.  Ochsenfurt  s. 
Skeletgräber. 

—  aus  d.  alt.  Hallstatt-Zeit  vom  Mühlhart  b. 


—    56    — 


Wildenroth, Bay.  (Naue),  Virchow:  Verh. 

Berl.  Ges.  Anthr.    (H.  3),  8.  248-246   Abb. 
Schanze  b.  Irnsing  a.  d.  Donau  nicht  röm. 

Ursprungs.   Fink:  Limesbl.  Nr.  18,  Sp.  619 

bis  520. 
Schl&fenringe.    Fundorte  von  solchen  in  der 

Prov.  Posen.    Eoehler:    Verh.  Berl.  Ges. 

Anthr.   (H.  3),  S.  246-261.  W.  Schwartx: 

Ebenda  (H.  6),  S.  638—640.    Abbn. 
— ,  slav.,  in Dalmatien.  Reinecke:  Yerh.  Berl. 

Ges.  Anthr.   (H.  5),  S.  469—470. 
Schlossberg  y.  Burg  im  Spree wald.  Virchow: 

K.-B.  deutsch.  Ges.  Anthr.    Nr.  10,  S.  134 

bis  186. 
S chulzenhammer.  t.  Schulenburg:  Branden- 

burgia.  Nr.  2,  S.  66—60. 
Segelschiffe    auf  Grabdenkm&lem.     Kenne: 

K.-B.  wd.  Z.    Nr.  2/3,  Sp.  63. 
Skeletgrftber  aus  d.  arab.-nord.  u.  aus  früherer 

Zeit.  Conwentz:  K.-B. deutsch.  Ges.  Anthr. 

Nr.  8,  S.  63. 

—  (neoUth.  od.  frühe  Bronzezeit)  v.  Ochsen- 
furt^Unterfranken.  Beinecke: K.-B. deutsch. 
Ges.  Anthr.   Nr.  8,  S.  69—62. 

Skulpturendenkmäler,  Yorgeschichtl.,  im  Canton 
Wallis.  3.Ber.  Reber:  Arch.f.Anthr.  ai/2, 
S.  91— 116.   Abbn. 

—  s.  Bildwerke. 

Skjthische  Altertümer  in  Mitteleur.  Reinecke' 
Z.  f.  Ethn.  U.  1,  S.  1—43.  Taf.  Nachträgl. 
Bemerk.  Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  (H.  3), 
S.  261—266. 

St^in-Altertümer.  Fundstelle  in  F&hrhof  auf 
Rügen,  y.  Platen-Venz:  K.-B.  deutsch- 
Ges.  Anthr.   Nr.  2,  S.  9-12. 

Steinbeile  s.  Gräber,  Jadeitaxt,  Neolithische 
Funde  etc.,  Rheinhessen. 

Steine  mit  Fussspuren.  Koehler:  K.-B.deutsch. 
Ges.  Anthr.    Nr.  7,  S.  65-58. 

Steingeräte  s.  Feuerstein  werkstätte,  Feuerstein- 
Schlagstätten,  Suiten. 

t  Steinkammergrab  r.  Elisenlund  b.  Apenrade. 
Splieth:  Mitth.  Schlesw.-Holst    S.  81--32. 

Steinkistengräber  im  Kreise  Pr.-Ejlau  (1892). 
Heydeck:  Sitzgsb.Prussia.  8.67—74.  Tafo. 

Steinzeit,  alt.  Eine' Fundstätte  in  Holstein 
(Marienbad  b.  Neustadt).  Brüchmann: 
Mitth.  Schlesw.-Holst.   S.  3— 7.   Abbn. 

—  (alt.  u.  jung.)  s.  Braunschweig,  GefäsS) 
Gradina  Öungar,  Kurische  Nehrung,  Neoli- 
thische Funde  etc.,  Skeletgräber,  Thon- 
gefässe. 

Stralsund.  Neue  vorgeschichtl.  Funde  im 
Provinzialmus.  Bai  er:  Nachr.  H.  2,  S.  24 
bis  20. 


Strassen,  alte,  in  Hessen.  Kofier:  Wd.  Z. 
H.  1,  S.  18-44.   Karte. 

—  8.  Römische  Strassen. 

Suiten  b.  Starenhagen.  Altertümer  t.  dort  im 
Rostocker  Mus.  (Steingeräte,  Spinnwirt«!, 
ümenreste).  L.Krause:  Jahrb.  u.  Jahres- 
her.  d.  Ver.'s  f.  meklenbnrg.  Gesch.  u.  Alt. 
(Schwerin).  Jahrg.  61.  Quartalber.  2,  8.  25 
bis  26. 

Terra  sigillata-Fabrikation.  Scherbe  m.  Imien- 
YerzieruBg.  Quilling:  K.-B.  wd.  Z.  Nr.  18, 
Sp.  286— 289.    Abbn. 

Terra  sigillata  m.  mytholog.  Scenen  im  Frank- 
furter Mus.  Quilling:  K.-B.  wd.  Z.  Nr.  12, 
Sp.  239-244. 

Terra  sigiUata-Gefässe.  Verzeichnis  d.  Stempel 
auf  solchen  (70—260  n.  Chr.).  Dragen- 
dorf f:  Bonn.  Jahrb.    S.  54^163. 

Thongefässe,  YorgeschichtL  Chem.  Unter- 
suchungen solcher.  Helm:  K.-B.  deutsch. 
Ges.  Anthr.   Nr.  8,  8.  62-68. 

—  a.  d.  Steinzeit  auf  d.  Insel  Rügen.  Bai  er: 
Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  (H.  4),  S.  860-361. 
Abbn. 

Thonscherben  a.  Bosnien.     Bartels:    Verfa. 

Berl.  Ges.  Anthr.    (H.  8),  S.  219-290. 
Trier.    Römische  Stadtbefestigung.   Lehser: 

Wd.  Z.   H.  3,  8.  211—266.   Abbn.  Tafii. 

—  Ber.  ü.  d.  Thätigkeit  d.  ProYinzialmus.  1896 
bis  18%.  Lehn  er:  Nachr.  H.4,  S.&2— 66. 
K.-B.  GesammtYer.   Nr.  9,  S.  109—111. 

Tumuli  im  Bez.  Bilek,  Herceg.  Radimsk/: 
Mitth.  Bosn.-Herceg.    S.  88-87.  Abbn. 

—  b.  Sieding  u.  im  Grabensee,  Niederdst 
Szombathy:  Mitth.  Centr.  Comm.  H.  8, 
S.  160. 

TuUtio  (röm.  Station)  b.  Mühldorf,  Nieder6sL 
Straborger:  Mitth.  Centr.  Conun.  H.  % 
S.  94. 

Tutuli  a.  Bronze,  stahl^^ue,  —  Nachbildung 
Yon  Eberzähnen  u.  Aüsgrab.  in  Boseofelde, 
Pomm.  Stubenrauch:  Monatsblätter.  NrJ2, 
S.21— 27.  Abbn.   Vgl  11.  Bosenfelde. 

Urne  m.  Mützendeckel  u.  Ohrringen  t.  Welste»- 
hOhe, Kr. Wirsitz, Pos.  Götze:  Nachr.  H.5, 
S.  80.   Abb. 

—  m.  spitz  zulauL  Boden  y.  Reeehl  b.  Mmatow, 
Kreis  Naugard,  Pomm.  Stnbenrauch: 
Monatsblätter.   Nr.  12,  S.  181—188.  Abb. 

Urnen  m.  Beigab,  a.  Bronze  n.  Bit.  t.  e.  Un«a- 
felde  b.  Heyrothsberge  b.  Magdeburg.  F. 
Bauer:  Nachr.  H.  6,3.81— 88.  Abbn. 


—     57     — 


Urnen  s.  Fensteninie,   Gesichtsornen,  Hans- 

u.  Gesichtsornen. 
Urnenfeld  t.  Bülstringen,  P.  Sachs  (T^a  T^ne). 

Wegener:  K.-B.Ge8ammtTer.  Kr. 2/8,8.27. 
— -  b.  Seebach,  Er.  Ruppin,  Brand.  (Bü  sc  hing 

1780),  W.  Schwarte:   Nachr.    H.  4,  S.  56 

bis  57.    Abb. 
TJmenfelder  s.  Bronzezeit,  Meklenbnrg. 

Taraslager  u.  Leichenhügel  im  Habichtswalde 
b.  Stift  Leoden.  Schnchhardt,  Knoke, 
Hamm:  Mitth.  Ter.  Osnabrück.  S.  195— 229. 

-f  Yetera,  Castra  ülpia  o.  Golonia  Tngana. 
J.  Schneider:  Rhein.  Geschblr.  Jahrg.  2, 
Nr.  8,  S.  84—94. 

Waadt  o.  Wallis.  Archaeol.  Untersuchungen 
in  beiden  Cantonen  im  J.  18%.  (Gallische 
Per.,  röm.  Per.).  Naef:  Anz.  Schweiz.  Alt. 
Nr.  4,  S.  112— 121.  Abbn.   Tafa. 

Waffen  s.  Germanische  Waffen. 

Wallbauten  in  nordwestl.  Bosnien.  Fiala: 
Mitth.  Bo8n.-Herceg.    S.  94—100.  Abbn. 


Wallbauten  im  Bez.  Biha<5.  R  a  d  i  m  s  k  ^ :  Mitth. 
Bosn.-Herceg.    S.  101—112.   Abbn. 

— ,  prähist.,  u.  Überreste  a.  röm.  Zeit  im  Bez. 
2upanjec,  Bosn.  Radimsk^:  Mitth.  Bosn.- 
Herceg.    S.  185—169.   Abbn. 

Wallburgen,  Thüringer.  Götze:  Yerh.  Berl. 
Ges.  Anthr.   (H.  2),  S.  115-119.  Abb.  Plan. 

t  — ,  Burgstalle  u.  Schanzen  in  Oberbajem. 
I.  Herren-Chiemsee  u.  Langeubürgner  See. 
Der  Specker  Turm  am  Ratzinger  Berg.  Das 
Römerkastell  b.  Grünwald.  Popp:  Ober- 
bajr.  Arch.  f.  vaterl&nd.  Gesch.  (München). 
Bd.  49,  H.  1,  S.  161-199.   Abbn. 

Wellenlinien  an  rorslav.  Gefftssen  u.  Deckel- 
dosen. Jentsch:  Yerh.  BerL  Ges.  Anthr. 
(H.8),  S.  241-242.  Abbn. 

Wellenomament  s.  Gef&sse. 

Wikingerschiffe.  Treichel:  Yerh.  Berl.  Ges. 
Anthr.   (H.  4),  S.  882-884. 

ZinkgU8S,vorgeschichtLYermeintl.Yorkommen 
desselb.  in  Siebenbürgen.  Y  i  r  c  h  o  w :  Yerh. 
i     Berl.  QeB,  Anthr.  (H.  4),  S.  888-889. 


II.  Berichte  und  Mitthellongeu  über  neue  Funde. 


JLlbona  u.  Fianona,  Istrien.  Röm.  Skulpturen 
und  Inschrifttafeln.  Weisshänpl:  Mitth. 
Centr.  Conmi.    H.  1,  S.  48—49. 

Alt-Lobitz,  Kr.  Deutsch-Krone,  Westpr.  Stein- 
kisten m.  Urnen  u.  Beigef.,  eis.  Schwanen- 
halsnadel m. Bronzekopf.  Gonwentz:  Ber. 
westpr.  Mus.   S.  48. 

Arnstadt,  Thür.    S.  I,  Feuersteinwerkstfttte. 

Arzheim  s.  Braubach. 

Aschet  b.  Wels,  Oberöst.  Rom.  Mauerreste, 
Bruchstücke  e.  kupf.  Gel,  Theil  e.  Schuppen- 
panzers u.  and.  Funde  a.  Eis.  u.  Bronze, 
Thon-  und  Terrasig.- Scherben,  Münzen. 
V.  Benak:  Mitth.  Centr.  Comm.  H.  8,  S.  161 
bis  162.    Abb. 

Atterwasch,  Kr.  Guben.  Yorslav.  Wohnreste. 
Jentsch:  Niederlaus.  Mitth.  H.5/6,  S.285 
bis  240. 

Attinghausen  s.  Engelberg. 

Arenches,  Ct.  Waadt  Röm.  Brunnen,  Bronze- 
statuotten.  Anz.  Schweiz.  Alt.  Nr.  2,  S.  70 
bis  71. 

lladen,  Schweiz.   Neue  römische  Funde.  S.  I. 

Römische  Geb&udereste  und  Kleinfunde. 
Beierstedt,   Braunschw.     Neue   Funde    vom 

Heeseberg.  Thongef&sse,  Steinger&te  Feuer- 

steinspftne.  Yog es:  Brannschweig.  Magazin. 

Bd.  2,  Nr.  18,  8. 143—144. 


Bendargau,  Kr.  Carthaus,  Westpr.  Doppelwall. 
Treichel:  Yerh.  Berl.  Ges.  Anthr.  (H.  6), 
S.  876-879.    Plan. 

Bern,  Schweiz.  Gräber  der  Früh -La  Tene- 
Zeit;  Skeletreste,  Armringe  a.  Kobaltglas, 
Bronzeketten  u.  and.  Bronzeschmucksach.; 
Kurzschwert,  Armring  a.  Gagat,  verziert 
Fingerring  a.  Silb.  etc.  —  Alemannengr&ber 
mit  Skramasaxen,  Bronzebeschlägen.  — 
Burgundionisches  Grab  m.  Skramasax  u. 
silb.  Gürtelschnalle.  —  Totenfeld  d.  Yölker- 
wanderungszeit ;  Skelette  m.  Skramasaxen, 
Bronzeknöpfen  etc.  —  Alemannengräber  m. 
Skeletten,  Waif.,  Beschlagstücken.  K  a  s  s  e  r : 
Anz.  Schweiz.  Alt.   Nr.  8,  S.  77—79. 

Bihaö  8.  Golubid. 

Birkenfeld  s.  Dienstweiler. 

Bistrzitz,  Mähr.  Bronzearmband  vom  Hosteiner 
Berge.   S.  I.   Mähren. 

Brandenburg  a.  d.  H.  Urnen  d.  spät  Bronze- 
zeit m.  Knoch.,  Bronzespiralen.  —  Urne  m. 
Knoch.,  ohne  Beigab.  (Krenckel):  26.  bis 
28.  Jahresbericht  d.  bist  Yer.^s  zu  Branden- 
burg a.  d.  H.    S.  99-100.    S.  102. 

Braubach,  Oberlahnstein  u.  Arzheim.  Röm. 
Bauanlagen  (zw.  Limes  u.  Rhein).  Sigillata- 
scherb.,  Sichel  u.  Pflugschar.  Bodewig: 
K.-B.  Gesammtver.   Nr.  5,  S.  68—59. 

Breitfeld   b.  St.  Vith,  Rheinpr.    Röm.  YiUen- 


—    58    — 


Niederlass.     PraeforDiam ,   Urnen,    Ziegel,  Dobrichow,  Böhm.    Begrftbnisakügel  Piäion 


Lanzenspitze.  (Schütz), Donsbach:  Bonn. 
Jahrb.    8.264—265.  Plan. 

Brezje,  Erain.  Neue  Funde  in  den  Hügel- 
gräbern.   S.  I.    Hügelgräber. 

Briesen  b.  Teplitz,  Böhm.  Grabhügel  m.  Urnen 
m.  Enoch.  u.  Beigab,  a.  Feuerstein,  Bronze 
u.  Eis.  Steinlagen,  Messer  a.  Cameol,  Urnen- 


Skelette,  Thonumen  m.  Beigab,  a.  Bronze 
(Spangen,  Messer,  Gürteltheile),  Knochen, 
Silber  (Spangen,  eine  m.  Golddraht  rersiert;, 
Gold  (Bing).  (VanSk),Pri§ek:  Yerh.BerL 
Ges.Anthr.  (H.6),S.54I— 542.  Bemerkungen 
dazu.  Yirchow,  Voss:  Ebenda  S.  542 
bis  648. 


scherb.    Yersch.  Steingeräte,  Handmühlen, !  Dobrozkowitz,  Mähr.    Armringe   a.  Gagat  o. 

Bronzeschmucksach.,  Schwert,  Pfeilspitzen,       Bronze,  Bronzefibel.    S.  I.    Mähren. 

Sporen  a.  Eis.,  Räuchergefässe  etc.   Laube:  |  Dolnji-Vrtoce,  Bosn.    Rom.  Gräber,  Skelette, 

Mitth.  Ceutr.  Comm.    H.  4,  S.  227.  |     Münzen,    Schmucksachen    etc.,    Inscbrift- 

Bublitz,  Pomm.   Brandgrubengräber  a.  d.  Zeit  i     fragmente,  Prähist  Ansiedl.  (Wallbau).  S.  L 

röm.  Kultureinflusses.    Urnen ,  Feuerstein- 1     Bosnien. 

Pfeilspitze,  Glasperle,  Bronzeschnalle,  Spinn-  -  DroboYic  b.  Öaslau,  Böhm.    Steinaxt  a.  Amphi- 

wirtel.  Stubeur auch:  Monatsblätter.  Nr. 6,'     bolit,  Henkelgefässe,  d.  eine  mit  Baumpech 

S.  81—88.  '     zusammengeklebt     Öermik:    Verh.  Berl. 

Buckau     bei     Magdeburg.       Nannocephaler  |     Ges.  Anthr.    (H.  4),  S.  881 — 882.    Abbn. 

Menschenschädel.    Nehring:    Verb.   Berl.  Drvar,  Bosn.    Bronzene  Fibeln,  Gürtelhakea. 

Ges.  Anthr.    (H.  5),  S.  405—406.  !     Anhängsel  etc.   a.  e.  Grabe   (Röm.   u.   alt. 

Bühl,  A.  Waldshut,  Württ    Neolith.  Ansiedl. ;  |     Eisenzeit).    S.  I.    Bosnien. 

Scherb.,   Mahl-  u.   Reibsteine,    Steinbeile,  |  Duisburg,  Rheinpr.   Grabhügel  a.  rersch.  Per. 


Pfeilspitzen,  Geräthe  a.  Hirschhorn  u.  Knoch. 
u.  s.  w.  Röm.  Mauer,  Scherb.  u  Ziegelstempel. 
Alemann.  Reihengräber  m.  Eisenwaff.  £. 
Wagner:  Prähist.  BL  Nr.  4,  S.  59-60. 
K.-B.  wd.  Z.  Nr.  7,  Sp.  145—147. 
Busovaöa,  Bosn.  Röm.  Thonlämpchen  m.  Inschr. 
S.  I.  Bosnien. 


m.  Urnen  u.  Beigef.,  Eisen  u.  Bronzesach. 
( B  on  n  e  t ) :  Rhein.  Geschblr.  Jahrg.  II,  Nr.  8, 
S.  255. 


Ciisgrub,  Mähr.   Grab  m.  Skelet,  Thongefäsaen 

u.  Beigab,  a.  Gold  u.  Bronze.  8. 1.    Mähren. 

Eisleben,  P.  Sachs.  Einbaum  aus  dem  salzigen 

See.    S.  I.    Einbaumfunde. 

Caslau,    Böhm.     Phallus    a.  Thon,    Skelet,  |  ^"^«^^^''^  "'  Attinghausen,   Ct  üri.     Born, 

Scherben,  Feuerherde  a.  d.  slav.  Schicht  d.  i     ^^°'«°  C^^^^"«)  ^^«^  «^^^  Surenenalpe.  Ani. 

HrÄdek.    Öermäk:  Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  I  ^  S«*^^«'*-  ^It.   Nr.  2,  8.  70. 

(H.  4),  S.  330-831.   Abbn.  |  Erkner,    Kr.  Nieder-Bamim,  Brand.     Alter 


—  s.  DroboYic. 

Czutellen  u.  Sakuten,  Kr.  Memel,  Ostpr. 
Skeletbestattungen,  Sargreste,  Metallring, 
Münze  vom  ,, Hexenkirchhof''.  Hollack: 
Sitzgsb.  Prussia.    S.  125. 


Friedhof  (viell.  modern)  am  Dämeritzae«*. 
Feuersteinmesser,  German.  Gef&sscherben. 
H.  Busse:  Brandenbugia.  Nr.  12,  S.  87H 
bis  874. 


Dannewitz,  Kr.  Ober -Barnim,  Brand.  Yor- 
geschichtl.  Brunnen.  Frühgerman.  Thon- 
scherb.,  Platten  v.  Steinkisten.  H.  Busse: 
Brandenburgia.    Nr.  12,  S.  872—378. 

Deutsch -Altenburg,   Nioderöst.    Röm.  Stein- 1 
Sarkophag  m.  Resten  e.  Holzsarges,  Knoch., 


Fährhof,  Rügen.    S.  I.    Stein-Altertümer. 
Fall  b.  Wilhering,   Oberöst    Röm.  Ziegel    u. 
Thonscherb.,     vorgeschichtl.     SpinnwirteL 
Straberger:   Mitth.  Centr.  Comm.    H.  :3. 
S.  95. 
Fehraltorf,  Ct.  Zürich.   Röm.  Heizeinriehtang 
in  der  „Speck*".    Terra  tig.- Scherb.    Ani. 
Schweiz.  Alt  Nr.  2,  S.  71. 
Haarzöpfen,   gold.  Schmucksach.  u.  Resten  '  Fersenau  (Abbau),  Kr.  Bereut,  Westpr.   Stein- 
d.   Sandalen-   u.  Korksohlen   (1.  Jahrb.   n.  i     kisten    mit   Urnen,    Beigef.,    Bronzesach. 
Chr).    Nowalski  de  Lilia:  Mitth.  Centr. '     Conwentz:  Ber.  westpr.  Mus.   S.  87. 
Comm.    R  4,  S.  228.  Fianona  s.  Albona. 

Dienstweiler   b.  Birkenfeld.    Röm.  J^andhaus.   Föhr  s.  Gross- Dunsum. 
(f efässe  a.  Thon,  Terrasig.  (Schale  m.  Reliefs)   Frankfurt  a.  M.  Rom.  Strassen  u.  Ansiedlungen 
u.    Bronze.    Back:   K.-B.   wd.   Z.     Nr.  6,       in  d.  Umgebung.   Wolff:  Limeabl.   Nr.  18. 
Sp.  119—121.  Sp.  492-497.    Nr.  19,  8p.  526—527. 


-     59    — 


Frauenbnrg,  Ostpr.  Wikingerschiff  (Pohl, 
Bottiche r):  K.-B.  Gesammtver.  Nr.  6/7, 
S.  80-81. 

Free«dorf,  Kr.  Lnckan.  Durchbohrter  Henkel 
d.  Steinzeit   S.  I.   Lausitzer  Alterthümer. 

Qamehl  s.  Kalsow. 

Gaya,  M&hr.  Skeletgrab  d.  siar.  Heidenzeit 
m.  eis.  Streitaxt,  Messer,  Sporen,  Helm, 
Bronxe  -  Ohrringen ,  Glasperlen ,  Thongel, 
Nadelbüchse  a.  Knoch.  m.  Nähnadeln  a. 
Bronze  u.  Eis,  Spinnwirtel.  Kill:  Mitth. 
Centr.  Comm.    H.  1,  S.  6—10.  Abbn. 

Gehren,  Kr.  Luckau.  Absatzcelt.  S.  I.  Lausitzer 
Alterthümer. 

Geisslingen,  A.  Waldshut,  Württ    Grabhügel 

d.  Hallstattzeit.  Gef&sse,  Armringe  u.  Nadeln 
a.  Bronze,  Eisensach.,  Nadelbüchschen  (?) 
m.  Deckelchen  v.  Eis.,  innen  m.  Bronzeblech. 
E.  Wagner:  Prähist  Bl.   Nr.  4,  S.  60. 

Getzersdorf  b.  Herzogenburg,  Niederdst.  Skelet 

u.  Bronzeringe.   —  Vorgeschichtl.  Ansiedl. 

Gefftssscherben     und     Gebftusbruchstücke. 

Zündel:  Mitth,  Centr.  Comm.    H.  2,  S.  96 

bis  96.    Abbn.   H.  4,  S.  227. 
Gmünd,  Württ.    Reste  von  Eichenpfosten  u. 

e.  Balkens  am  Limesübergang  über  das 
Schiessthal.  Steimle:  Limesbl.  Nr.  18, 
Sp.  616—518. 

Golubid  b.  Biha<5,  Bosn.  Rom.  Bronzeglocke 
u.  Lanienspitzen.    8. 1.   Bosnien. 

Gradac,  Bosn.  Tumulus.  Henkelgef&ss,  Stein- 
kiste m.  Skeletresten  u.  Gefftssbruchstücken. 
S.  L   Bosnien. 

Grahovo,  Bosn.  Rom.  u.  prähist.  Bronzefunde. 
S.  I.   Bosnien. 

Gralow,  Kr.  Landsberg,  Brand.  Hacksilber- 
fund. Wend.  Topf,  Silb.  Barrenstückchen, 
Schmucksachenstückchen ,  zerhackte  arab. 
u.  europ.  Münzen  (870—980;.  S.  I.  Hack- 
silberfünde. 

Gross-Dunsum  auf  Fdhr.  Kjökkenmödding  a. 
d.  Völkerwanderungszeit.  Muscheln  u.  Thier- 
knocb.,  Scherben,  Knochengeräthe,  Schlag- 
u.  Klopfsteine,  weberschifffönn.  Quarzit. 
—  Urnen  mit  Knoch.  u.  Spinnwirteln. 
(Philippsen),  Splieth:  Mitth.  Schlesw.- 
Holst.    S.  15— 19. 

GroBS-Steegen,  Kr.  Pr.-Eylau,  Ostpr.  Kisten- 
grab m.  14  Urnen.  Bezzenberger:  Sitzgsb. 
Prusria.    S.  106. 

Gross-Teuplitz  s.  I.  Gräberfeld. 

Grutschno  und  Topolno,  Kr.  Schwetz.  Gräber- 
felder. SlaT.  Gräber  v.  Grutschno  (800  bis 
1200  n.  Chr.);  Skelette  u.  Schädel,  Schläfen- 


ringe, Bronze -Fingerringe,  silb.  Ring  m. 
Kreuz  u.  Blattverzier.,  Bracteat,  Bronze- 
dolchheft  m.  Dreieckverzier.,  Perlen  et^^ 
—  Glockenumen  u.  Bronzeume  m.  gebr. 
Knoch.  V.  Topolno.  (Anger):  Nachr.  H.  5, 
S.  77-80.    Abbn. 

Guben.  Gräber  d.  provinzialröm.  Per.  Thon- 
gefäss  m.  Knoch.,  eis.  Messer,  Knochenkamm, 
Messerschärfer,  Feuerstein.  —  Flachmeissel 
a.  Feuerstein.  —  Rom.  Münze  (Ant.  Pius). 
Jentsch:  Niederlaus.  Mitth.  H.  7/8,  S.  867 
bis  361.    Abbn. 

—  Dreifächerige  Dose,  vogelart.  Gebilde,. 
Schüssel  m.  radialer  Innenzeichnung,  Bronze- 
ringe, Hohlcelt  a.  Eis.,  Henkeltöpfchen  m. 
Lochomament  v.  d.  Gräberfeld  auf  der 
Chöneflur.  Jentsch:  Niederlaus.  Mitth. 
H.  7/8,  S.  ?61— 363.    Abbn. 

Gumbin,  Kr.  Stolp,  Pomm.  Ausgrabungen  auf 
dem  Brandgruben- Gräberfelde  d.  vorröm. 
Eisenzeit  Urnen  m.  Beigef.  u.  Fibeln  a. 
Eis.  u.  Bronze,  Schwert,  Lanzen  spitze  etc. 
Stubenrauch:  Monatsblätter.  Nr.  5,  S.  69 
bis  71.  Schmidt  (Graudenz):  Ebenda 
Nr.  8,  8. 118-116.   Abbn. 

Gunskirchen  s.  Salling. 

Gunzenhausen,  Bay.  Limes-Uebergang  über  die 
Altmühl  -  Niederung.  Grenzversteinung  n. 
Gräbchen,  Palissaden,  Fundamentpfähle  v. 
Holzthürmen,  Doppelpfahlreihe  von  zuge- 
spitxten  Pfählen  (m.  Flechtwerk?),  Limea- 
mauer  m.  Limesstrasse  u.  Furt,  in  Fels 
gehauene  Gräben  m.  Scherb.,  Bronze-  u. 
Eisensach.  Eidam:  Limesbl.  Nr.  20,  Sp.  667 
bis  668.   Plan.   Abbu. 

Gute  Herberge,  Kr.  Danziger  Höhe,  Westpr. 
Gesichtsurne  m.  Knoch.,  Bronzedraht  u. 
Glasperlen  a.  e.  Steinkiste.  Conwentz: 
Ber.  westpr.  Mus.    S.  87. 

Hanov  b.  Mühlhausen,  Bdhm.  Steingräber, 
Bronzekessel  m.  Asche,  Deckel  a.  Kiefer- 
ringen, Bronzedeckel,  Quarzsteindeckel  (Hall- 
stattzeit). —  Reste  e.  eis.  Gef.  u.  Eisen- 
gürtels, Thongefäss.  HraSe:  Mitth.  Centr. 
Comm.   H.  8,  S.  160. 

Herzogenburg  s.  Getzersdorf. 

Hesselbach-Lützelbach,  Hess.  (Limesstrecke). 
Ausgrab,  auf  d.  Odenwaldlinie.  St«inthürme 
u.  Unterbauten  t  Holzthürme,  Graben, 
Palissadenzaun,  Zwischen-Kastclle.  8  o  1  d  a  n , 
Anthes:  Limesbl.  Nr.  17,  Sp.  464-483. 
Plan. 

Heyrothsberge,  P.  Sachs.    S.  L    Urnen. 

Hofheim  a.  Taunus.    Rom.  Rundschanze  auf 


60    — 


d.  Kapellenberge.    Köm.   u.  vorgeschichtL 
Gefässscherb.,  frühröm.  Bronzefibel,  Jadeit- 
beü.   Wolff:  Limesbl.  Nr.  20,  Sp.  639— 548. 
Plan. 
Horst   b.  Buhnow,  Kr.  Regenwalde,  Poiom. 


solche.  —  Pferdebegr&bniss  (11.-12.  Jahrh. 
n.Chr.).  Hollack:  Sitzgsb. Pmasia.  S.  111 
bis  114. 
Kloin-Czyste,  Kr.  Kulm,  Westpr.  Yierffisa.  Üme 
u.   and.   Urnen  a.   e.   Steinldste.     (Titz), 


Urnen  m.  Branderde  a.  Kohle.  Bernhardt  Conwentz:  Ber.  westpr.  Mus.  S.  42.  Abbn. 
Schmidt:  Monatsbl&tter.  Nr.7,S.  105— 106.  i  Klein-Petcrkau,  Westpr.  Bnrgwall  auf  e. 
Brandgrabengrabm.Umenscherb.  Derselbe  I     Insel  im  Deeper  8ee.    Thonscherb.,  Eisen* 


ebenda  Nr.  8,  8. 118—119. 
HradiStg,  Böhm.    Hügelgräber  m.  Steinsetz. 


stück,   eich.   Pfahlrost.     Gonwentz:    B«r. 

westpr.  Mas.    S.  49. 

Uebergang  zw.  Hallstatt  n.  La  Tene).    Ge-  |  f  Klein-Schöppenstedt,  Braimschw.   Schaftcelt 
fasse,  wen.  Beig.  a.  Eis.  u.  Bronze.    Bichl^:  |     a.  Bronze  (Paalstab).   Grabowskj:  Braun- 
Mitth.   anthr.  Ges.  Wien.    Sitzgsb.    Nr.  2,  {     schweig.  Magazin.  Bd.  1,  Nr.  1,  S.  7. 
S.  34-86.  JKöln.    (Stephanstr.).    Rom.  Münzen   d.  spit 

Hunzel  b.    Miehlen,  P.  Hess.     Rdm.  Kastell  i     Kaiser.    Stedtfeld:   K.-B.  wd.  Z.    Nr.  6, 
und   bürgerl.   Niederlass.     Sigillatascherb.,  i     Sp.  126—128. 

Schleuderkugel^Münze.  Bodewig: Limesbl.  I  —  (Loxemborgerstr.).    S.  I.    Römische   Ana- 
Nr.  20,  Sp.  537—539.  '     grabung«. 


Königgrfttz  s.  Königinbof. 

Jasmond  s.  Lietzow.  j  Königinhof  u.  Königgrfttz,  Böhm.  Funde  yersch. 

I     Per.  a.  d.  Umgeg.    L.  Schneider:  Mitth. 

Kaaso.   Gefftsse  m.  Omam.  d.  Steinzeit.   S.  L       Centr.  Comm.   H.  3,  S.  159. 
Gabener  Kreis.  Krftsem,  Kr.  West-Stemberg,  Brand.    Griber- 

Kabelitz,  Kr.  Jerichow  II,  P.  Sachs.  Burg-  <  feld  m.  Aschenumen  n.  Beigef.  t.  Lausitzer 
wall  m.  slav.  Scherb.  —  Urnen  m.  Knoch.,  Typ.;  Kinderklapper  in  Entenform;  desgL 
Beigef.  u.  Bronzebeigab.  (Hart wich),  in  Flaschenform;  Bronzestüoke,  Bernstein- 
Voss:  Nachr.   H.  6,  S.  85— 89.    Abbn.  scheibe.    Buchholz:  Nachr.    H.  1,  8.  14 

KadinaYoda,     Bosn.     Wallanlage     „Gradina'     bis  16.    Abbn. 
Radmaniöi*.    Mauerwerk,  röm.   u.  prfthist.  |  Kralowitz,  Böhm.  La  T^ne-Schwert.  —  Hügel- 
Funde.    S.  I.    Bosnien.  |     grftber.    1.   M.  Leichenbrand  u.  Gefftsaeo. 

Kfimten.  Röm.  Inschriftsteine  v.  Kamburg,  i  2.  M.  Bestattung,  Gefftsaen,  Ringen,  Messer. 
Maria-Saal  u.  Tom  Magdalenenberg;  Grab-  Haumesser,  Schwert  a.  Eis.  (La  Tene\ 
fund  im  Zollfelde.  Häuser:  Mitth.  Centr.  Bronzefibel  m.  Eisenachse,  Glasperlen  etc. 
Comm.   H.  3,  8.  166.    Tal  Franc:   Mitth.  anthr.  Ges.  Wien.    Sitxgsb. 

Kalsow  b.  Gamehl,  Mekl.  Wend.  Wohngruben.       Nr.  2,  8.  36—38. 
Brandschichten  m.  Steinsetzungen  n.  Gefäss-  Kunersdorf ,    Kr.  Beeskow  -  Storkow,   Brand. 
scherb.    Beltz:  Nachr.    H.  1,  8.  16.  Steinbeil  a.  geschlag.  Feuerstein.    Baase: 

Kaltem  s.  Montiggl.  Yerh.  BerL  Ges.  Anthr.    (H.  2),  8. 128. 

Karlsburg,   Siebenbürg.     Neue  Funde   a.  d. 
röm.    Kolonie    Apulum.     (Legionsstempel,  l^aktaii,   Bosn.     Kupferaxt,  Bronzeannbaod, 
Urnen,  Thongefftss  m.   Zierrat  u.  Inschr.,       Thonwirtel  (prfthist.)  rom  Römerbad.    S.  I. 
Ära   m.   Inschr.,   Marmortafel    m.   Inschr.       Bosnien. 
Jung:  Arch.-ep.  Mitth.   8.69—70.  Abb.       Landau.    Umcn,   Beigef.,  Knochenwerkieoge 

Kartschorina,   Steiemik.    Röm.  Münzen,  Ge-       a.  e.  neolith.  Grabe.  H eur er :  K.-B.  deutsch, 
fftsse    a.   Thon  u.  Terra  sig.,  Stimziegel,       Ges.  Anthr.    Nr.  11/12,  8. 156—157. 
Fibeln  u.  Glöckchen  a.  Bronze  y.  d.  ^ Adels-   Langengrassau, Kr. Schweinitz,  P.Sachs.  Stetn- 
berger  Realität*.    Kohaut:   Mitth.  Centr.       klöppel  m.  Schftftungsrille.    8.1.  Lausitz«>r 
Comm.    H.  2,  S.  96.   Abbn.  Alterthümer. 

Kieselwitz,  Kr.  Guben.  Hügelgrftber  m.  Stein-  Langenhain  in  Taunus.  Hügelgrab  m.  Stein* 
pack.  Brandknochon,  Scherben  y.  Thongef.  setz.  Feuersteinpfeilspitze,  Dolch  (Üt.  Hall- 
(u.  A.  Buckelume),  Kammer  m.  Thongefftss.  stattzeit)  u.  Nadel  a.  Bronze,  Gefftssscherb. 
Götze:  Nachr.   H.  5,  S.  74— 75.   Abbn.  Ritterling:   Ann.  Ter.  Nass.  Alt    S.  810 

Klein-Blumenau,  Kr.  Fischhausen,  Ostpr.  Neue       bis  312. 
Grabungen  auf  d.  Gräberfeld  (2.-3.  Jahrh.   La  Roche,  Ct.  Freiburg,  Schweiz.    Skelet  m. 
n.  Chr.),  Urnen  ni.  Beigab,  a.  Eis.  u.  ohue       Skramasax   u.    Messer.    —   Merowingische 


—    61     — 


Goldmtnze.  —  Barg^d.Schwert.  Reichlen: 

Ans.  Schweiz.  Alt   Nr.  8,  S.  79—81. 
La&ra,  Bosn.   Dolch  n.  Ziencheibe  a.  Bronze. 

Eis.   Lanzenspitze,    Doppelmesser.      S.   I. 

Bosnien. 
Lanbst,  Kr.Calan.  BronzespiralfibeL  Stephan: 

Niederlans.  Mitth.  H.  7/8,  S.  858— 866.  Abbn. 
Leitikan,    P.  Sachs.     Urnen  m.   Beigab,   a. 

Bronze  u.  Eis.,   Glasperlen  etc.  (La  Tene). 

F.  Baner:  Nachr.    H.  6,  S.  88— 86.    Abbn. 
Leohain,   Kr.  Neustadt,  Westpr.    Steingrftber 

(Eopca  od.  Grobe).   Treichel:  Yerh.  Berl. 

Ges.  Anthr.    (H.  6),  S.  874—876.    Abbn. 
f  Los  Bachats  b.  Rodt,  Kr.  Saarbnrg,  Lothr. 

Yorgeschichtl.  Wohnst&tte   (Hütte  r.  Holz- 

stftmmen)   a.  e.  Torfschicht  (Mare).    Rom. 

Doppelgefäss a. Bronze (Tma).  t.  Hammer- 
stein: Jahrb.  Ges.  lothr.  Gesch.  VI,  S.  810 

bis  818. 
Libau  s.  Schönfeld. 
Lietzow  a.  Jasmnnd,  Rügen.   Nene  Feuerstein- 

werkstfttte.  -Haas:  Monatsblättter.   Nr.  12, 

S.  182-1S4. 
Lützelbach  s.  Hesselbach. 

Magdeburg  s.  Buckau. 

Mainz.  Rom.  Soldatengrabsteine  m.  Inschr.  — 

Frühchristi.   Grabschrift.    Körb  er:    K.-B. 

wd.  Z.  Nr.  8/9,  Sp.  161—165.  Meilensteine, 

Kaiserinschrift,     Alt&re,     Sigillatastempel. 

Ders.  ebenda  Nr.  10/11,  Sp.  193—207. 
—  Rom.  Altar  m.  Inschr.  —  Sigillata-Stempel. 

S.  L    Römische  Luschriften. 
Meizza  s.  Pinguente. 
Metz  8.  Sablon. 
Mewe  s.  Warmhot 
Micheldorf,  Ob^röst.    Unfertiger  Steinhammer, 

Bohrzapfen,   Spinnwirtel   a.   Thon.     Stra- 

berger:  Mitth.  Centr.  Comm.    H.  1,  S.  94. 

Abb. 
Miehlen  s.  HunzeL 
Mönchsrot,   Bay.     Pfahlreste   vom  rfttischen 

Limes  im  Wömitzthale.     Kohl:   Limesbl. 

Nr.  17,  Sp.  483-488.    Abb. 
Mona8tero,Küsteuld.  Grabsteine t.  Genturionen. 

Majonica:  Mitth.  Centr.  Comm.  H.  1,  S.46 

bis  48.    Abbn. 
Montiggl   u.   Kaltem,   Tirol.    Untersuch,  d. 

prfthist.  Steinw&lle  am  Hohenbühel  u.  Joben- 

büheL     Tappeiner:  Mitth.  Centr.  Comm. 

H.  1,  S.  10-12. 
Mühlhausen  (Böhm.)  s.  HanoT. 
Muschau   b.    Nikolsburg,    M&hr.     Grab    m. 

Skelet  u.  Thongefässen.    K  r  a  s  s  n  i  g :  Mitth. 

Centr.  Comm.   H.  8,  S.  160—161.  Abbn. 


Neuhaldensleben,  P.  Sachs.  Herdst&tten  m. 
neoUth.  Scherb.,  Knochen-,  Hom-  u.  Stein- 
geräthen.  Weg  euer:  K.-B.  Gesammtver. 
Nr.  2/8,  S.  27. 

Nikolsburg  s.  Muschau. 

Nugla,  Istrien.  Grabungen  in  d.  Höhle  „Pecina 
jamapod  ostriyrh.''  Asche,  Stein- U.Knochen- 
geräthe,  Thierknoch.,  Schneckenschalen, 
Gef&ssreste.  Moser:  Mitth.  Centr.  Comm. 
H.  1,  S.  44—46. 

Oberlahnstein  s.  Branbach. 

Oberscheidenthal,  Bad.  Grabungen  am  Kastell. 
Mauern,  Erdwohnungen,  Baderaum,  Gebftude 
d.  bürgerl.  Ansiedl.  etc.  Schleuderkugeln 
a.  Sandstein.  Schumacher:  Limesbl. 
Nr.  18,  Sp.  501—603. 

Oehringen,  Württ.  Grenzmarkiemng  am  Limes 
u.  röm.  Strasse.  Sixt:  LimesbL  Nr.  18, 
Sp.  503-504. 

Oels,  Schles.  Kelt  Grab  m.  Skelet,  Panzer- 
hemd, Armringen,  Schmucksach.  a.  Gold 
u.  Bronze.  K.-B.  Gesammtrer.  Nr.  6/7,  8. 91. 

Okarben,  Hess.  Neue  Funde  am  Kastell  u. 
Auffind.  d.  Badgebftudes.  Ziegelstempel, 
Thongef. ,  Bronzesichel ,  Lanzenspitzen. 
Wolff:   Limesbl.    Nr.  18.  Sp.  489-492. 

Osterburken,  Bad.  Holzthürme  am  Limes. 
Schumacher:  Limesbl.  Nr.  19,  Sp.  584 
bis  535. 

Papraöa,  Bosn.  Bronzedepotfund  (Hohlcelt, 
Lanzenspitze,  Sicheln  etc.)  v.  d.  Ruin» 
Peringrad.    S.  L    Bosnien. 

Pforzheim.  Grabstfttte  a.  d.  Reihengräberzeit. 
Skeletreste  u.  Waffen.  Bissinger:  K.-B. 
wd.  Z.    Nr.  12,  Sp.  225. 

Pinguente  u.  Meizza,  Küstenld.  Gräber  m. 
Ohrringen  m.  Tropfen  od.  Filigranarb. 
(11.  Jahrii.).  (Gandusio):  Mitth.  Centr. 
Comm.    H.  1,  S.  46.   Abbn. 

Pola,  Küstenld.   S.  I.  Röm.  Alterthümer. 

Polog,  Bosn.  Tumulus  m.  Steinkisten.  S.  L 
Bosnien. 

Postlin,  Kr.  Westpriegnitz,  Brand.  Brand- 
gräberfeld d.  jung,  german.  Zeit.  Urnen, 
wen.  Beigef.,  Eis.  Nadeln,  Ringe  u.  Gürtel- 
haken, Pincette  a.  Bronze,  Bemsteinperle. 
—  Reste  wend.  Thonscherb.  vom  „Burg- 
wall*. Buchholz:  Nachr.  H.  4,  S.  57— 69. 
Abbn. 

Prenzlawitz,  Kr.  Graudenz,  Westpr.  Bronze- 
Depotfund  (Terrinengefäss,  Trinkhömer). 
Conwentz:  Ber.  westpr.  Mus.  S.  88—42». 
Abbn. 


-     62    — 


Pulst,  Kärnten.  Grundmauern  e.  röm.  Tempels, 
Inschriftsteine,  Säulenfragmente.  —  Bruchst. 
e.  Bronzefibel  (La  Tene)  a.  e.  Qrabe. 
Ha  US  er:  Mitth.  Centr.  Comm.  H.  H,  S.  164 
bis  16«.    Abbn.    Taf. 

Raben,   Kr.  Beizig,   Brand.     Gräber   a.   d. 

2.  Jabrh.  n.  Chr.    Urne,  Fibeln  a.  Bronze 

u.   Silb.,   Schlüsselschild,   Schlossfeder   u. 

Beschlagstücke  a.  Eis.,  Knochenkamm  etc. 

L  i  s  s  a u  e  r :  Y erh.  Berl.  Ges.  Anthr.    (EL  6), 

S.  408-411. 
Reichersdorf,   Kr.  Guben.     Henkelgefftss  m. 

Lochomament.  Jentsch:  Niederlaus.  Mitth. 

H.  7/8,  S.  864.    Abb. 
Retzin,  Pomm.    Steinzeitgrab  m.  Steinplatte, 

Skeletten,  Thonscherb.,   Feuersteinmeissel. 

H.  Schumann:   Nachr.    H.  6,  S.  95—%. 

Abbn. 
Rodt  s.  Les  Bachats. 
Rominten,  Ostpr.   Skelet*  u.  Brandgräber  (La 

Tene).    Urnen,  Bronze-  u.  Eisensach.    S.  I. 

Gräberfeld. 
Rosenfelde,  Kr.  Regenwalde,  Pomm.    Kegel- 
grab m.  Urnen,  Bronzegefäss,  Halsschmuck 

Y.  Bronze.    S.  I.   Tutuli. 
Rottenburg,  Württ    Röm.  Befestigungsanlage 

(Steinum Wallung    u.    Erdwall).     Herzog: 

LimesbL    Nr.  18,  Sp.  510-613. 
Rottweil,  Württ.    Ausgrab,   im   rOm.  Lager. 

Gebäude,   Ziegelstempel,    Münzen,  Töpfer- 
stempel, Scherb.  Mettler:  Limesbl.  Nr.  18, 

Sp.  518—516. 
Rügen  s.  Lietzow. 
Ruhnow  s.  Horst. 
Rntzau,  Westpr.    Neue  Funde  aus  d.  Küchen- 

abfaUhaufen  d.  Steinzeit.    Conwentz:  Ber. 

westpr.  Mus.   S.  82. 

iS^aaben,  Kr.  Preuss.-Stargard,  Westpr.  Stein- 
kiste m.  Urnen  m.  Knochenasche,  Resten  v. 
Bronzeringen,  Glasperlen.  Conwentz:  Ber. 
westpr.  Mus.    S.  88. 

Saarburg  s.  Sankt  Ulrich. 

t  Sablon  b.  Metz.  Röm.  Ziegelplattengrab  m. 
Skelet,  Urne  u.  Messer.  Weitere  Platten- 
gräber u.  Steinsärge.  Kenne:  Jahrb.  Ges. 
lothr.  Gesch.  VI,  S.  827.  VII,  Hälfte  1, 
S.  195-196. 

Sadersdorf.  Funde  d.  jung.  La  Tene -Zeit. 
<,Fibeln).    S.  I.    Gubeuer  Kreis. 

Sakuten  s.  Czutellen. 

Siüling  b.  Gunskirchen,  Oberöst  Rom.  Ziegel, 
Thonplattcn,  Gefässe.  S  trab  erger:  Mitth. 
Centr.  Comm.    H.  2,  S.  95. 


San  Canziano  b.  Triest.  Nekropole  a.  d.  Ueber- 
gange  zw.  Bronzezeit  zur  ViUanovaperiode. 
Bronzewaffen,  Bogen-  und  Brillenfibeln. 
(Marchesetti):  Verh.  BerL  Ges.  Anthr. 
(H.  6),  S.  584. 

t  Sankt  Ulrich  b.  Saarburg,  Lothr.  Frink. 
Gräber  m.  Schädeln  u.  Skeletresten,  beinernen 
Kämmen,  Ringen,  Haarnadel,  röm.  Mfinxen 
u.  s.  w.  Wichmann:  Jahrb.  Ges.  lothr. 
Gesch.  VI,  S.  815—816. 

Sankt  Vith  s.  Breitfeld. 

Sanskimo8t(Bez.),Bo6n.  Eisenhohlcelt,Bronie- 
spiralarmbänder.  —  Bronzeschwert  S.  L 
Bosnien. 

Schlatt,  Ct.  Thurgau.  Grabfund  der  Bronze- 
zeit Nadeln,  Doppelspiralhaken,  Spangen. 
Heierli:  Anz.  Schweiz.  Alt  8.87—88.  Taf. 

Schieitheim,  Ct  Schaff  hausen.  Rom.  Gold* 
münze  (Germanicus).  Anz.  Schweift.  AH. 
Nr.  2,  S.  70. 

Schleswig.  Arab.  Münzen  (900  n.  Chr.'. 
Mestorf:  Mikth.  Schlesw.-Holst   S.  14. 

—  s.  Schuby. 

t  Schönfeld  b.  Libau,  Bez.  Bromberg.  Stein- 
kistengräber.  Skelet,  Schale,  Schmucksach.; 
Urnen  m.  Knoch.  Schuckert:  Jahrbuch  d. 
bist  Ges.  f.  d.  Netzedistrikt  zu  Bromber?. 
1895,  S.  51—58. 

Schroda  s.  W^gierskie. 

t  Schuby  b.  Schleswig.  Grabhügel  b.  Decker- 
krug. Schalensteine;  Eicbenholzschicbt 
Bronze  •  Armring;  Skelette,  Steingeritbe, 
Scherb.  —  Grabhügel  an  der  Treeae- 
niederung.  Skeletreste,  Steingeräthe,  Broaie- 
sach.,  Reste  e.  Ledergürtels  m.  Bronzecelt, 
Thongefässe.  Splieth:  Mitth.  Schkw.- 
Holst    S.  18-80.    Abbn. 

Sindlingen,  P.  Hess.  Urnen,  Waff.,  Schmoek- 
sach.  etc.  aus  d.,  Frankengräbem.  Prihiit. 
Bl.   Nr.  8,  S.  45. 

Sitten  8.  TourbiUon. 

Soböice,  Ger.-Bez.  HoHc,  Böhm.  Eis.  Speer- 
spitze u  Fibel  d.Mittel-LaTene-Zeit  Gefätt- 
scherb.  d.  Kultur  d.  schles.  Umenfelder  o.  iUt. 
Scherb.  L.Schneider:  Mitth. Centr. Comm. 
H.  8,  S.  159-160.    Abbn. 

Solothum.  Bronzedelphin  (Henkel)  Ton  dfr 
Scharlmatte  (Röm.  Villa).  Anz.  Schwor. 
Alt.    Nr.  2,  8.  70. 

Stammham  a.  Inn,  Baj.  Halsschmnck  i.  Bronze- 
ringe)  d.  Bronzezeit  Schmid:  Monat— rhr. 
Oberbay.    Nr.  8,  S.  42—44.   AbU 

Stendsitz,  Kr.  Karthaua,  Westpr.  Hügelgrib« 
d.  ftlt  Bronzezeit  Gefissscherb.,  Knochen- 
reste,  Armbänder  u.  Ring  a«  Bronze.   ( Lak  t - 


y 


-     63    — 


witB),  Conwentz:  Ber.  westpr.  Mus.  8.B4 
bis  85.   Abbn. 

Stockheim,  B.-A.  üindelheim,  Baj.  Bronze- 
schwort,  wahrsch.  a.  e.  Hügelgrabe.  A. 
Schröder:  Prähist  BL  Nr.  4,  S.  67— 59. 
Taf. 

Stockstadt,  Baj.  Badgebände  d.  Kastells. 
Ziegelstempel,  Skulpturen,  Funde  a.  Eis., 
Bronze,  Enoch.,  Glas.  Conradj:  Limesbl. 
Nr.  17,  Sp.  457-464.   Plan. 

Stradow,  Kr.  Kalau,  Brand.  Urnen  u.  Bei- 
gefässe  z.  T.  m.  Buckeln,  Bronzenadel,  v.  e. 
Brandgr&berfelde  der  Hallstattzeit.  Söke- 
land:  Yerh.  BerL  Ges.  Anthr.  (H.  4),  S.  291 
bis  292.    Abb. 

Straupitz,  Kr.  Lübben.  Eisenfnnd  d.  proYinzial- 
röm.  Per.  (Scheeren,  Messer,  Messerschftrfer, 
Äxte,  Lanzenspitzen).  Wein  eck:  Nieder- 
laus. Mitth.  H.  7/8,  S.  822-350.  Abbn.  Vor- 
geschichtl. Wohnstätten.  D  e  r s.  ebenda  S.  850 
bis  352. 

Strega.  Gefässe  m.  Omam.  d.  Steinzeit.  S.  I. 
Gubener  Kreis. 

Strellenthin,  Kr.  Lauenburg,  Pomm.  Steinkiste 
m.  Urnen.  Gesichtsume  m.  Bronzeohrringen 
in  den  Ohren;  and.  Urnen  m.  Bronzeringen 
und  Ohrgehänge.  Schmidt  (Graudenz): 
Monatsblätter  Nr.  8,  S.  116—117.   Abbn. 

Suczawa  u.  Uidesci,  Bukowina.  Yorgesch. 
Ansiedlungen ;  Thon-  u.  Glasscherb.  etc. 
Bomstorfer:  Mitth.  Centr.  Comm.  H.  2, 
S.  111—112. 

Sulz,  Württ.  Rom.  Kastell.  Münzen,  GreCässe 
a.  Thon  u.  Terra  sig.,  Stempel.  Herzog: 
Limesbl.    Nr.  19,  Sp.  536—586. 


Tarquinpol  s.  I.  DecempagL 

Teplitz  s.  Briesen. 

Thale  a.  H.  Hügelgrab  m.  Umenscherb.  (Nach- 
bestatt.),  Steinsetz.  m.  Umenscherb.  (Nach- 
bestatt.),  Brandstellen,  lieg.  Hockerskelett 
m.  Beigefäss  unter  Steinpack.  (Ursprüngl. 
Begräbniss).  Nolte:  Z.  Hanverein.  S.  298 
bis  306.    Abbn.    Höfer:  Ebenda  S.  306. 

Tharau,  Ostpr.  Urnen  ra.  Knoch.  u.  Bronze- 
resten (jung.  Bronzezeit),  v.  Gzihak: 
Sitzgsb.  Prussia.    S.  105—106. 

Topolno  s.  Grutschno. 

TourbiUonb.Sitten,  Schweiz.  Kupferinstrument, 
Muschelarmband,  Kohlen-  u.  Aschenreste. 
Reber:  Anz.  Schweiz.  Alt  Nr.  2,  S.  34 
bis  37.    Taf. 

Trier.  Gallo -röm.  Yotivdenkmal.  Lehner: 
K.-B.  wd.  Z.    Nr.  2,  Sp.  33-49. 


Trier.  Weiheinschrift  an  Mars  Intarabus. 
Lehner:  K.-B.  wd.Z.  Nr.  6,  Sp.  121—126. 
Köm.  Steindenkmal  m.  Reliefs.  Christi.  Grab- 
inschriften. Ders.  ebenda  Nr.  12,  Sp.  225 
bis  228. 

Triest  s.  San  Canziano. 


I  Uidesci  s.  Suczawa. 

'Uttenthal,    Oberöst     Skelette;    Kupferplatte 

(Reihengräber  der  Yölkerwanderungszeit?). 

S  trab  erger:   Mitth.  Centr.  Comm.    H.  2, 

S.  94-95. 


Telburg, Oberpfalz.  König-Otto-Höhle:  Thier- 
u.  Menschenknoch.,  Holzkohlen,  Spirale  u. 
Nadel  a.  Bronze.  Felsnische  b.  St.  Wolf- 
gang; Thier-  u.  Menschenknoch.,  Kohlen, 
Topfscherb.,  Feuersteinabfälle,  Bronzenadel, 
Pfriemen  a. Knoch.,  Wetzstein.  Schlosser: 
K.-B.  deutsch.  Ges.  Anthr.   Nr.  8,  S.  19—24. 

Yiehof,  Kr.  Labiau,  Ostpr.  Weitere  Unter- 
such, d.  gemischt-periodischen  Gräberfeldes. 
Eisenwaffen,  Steigbügel,  Trensen,  Bronze- 
schnallen, Bronzeknauf^  Umenscherb.  (11.  bis 
12.  Jahrh.  n.  Chr.).  Hol  lack:  Sitzgsb. 
Prussia.    S.  114—116.   Abb. 


Iirachenzell,  Ifittelfranken.  Untersuch,  d. 
Hügelgräber  I— lY.  Skeletreste,  Urnen, 
Schmucksach.  u.  Dolchklinge  a.  Bronze. 
Prähist.  BL   Nr.  6,  S.  93-94. 

Wandlitz,  Kr.  Nieder-Bamim,  Brand.  Hügel- 
grab. Steinkiste  m.  Gefässscherben.  Grüfte 
m.  Steinpflaster,  darin  Urnen  m.  Leichen- 
brand, Bronzedraht.  H.  B  u  s  s  e :  Yerh.  Berl. 
Ges.  Anthr.   (H.  4),  S.  286-288.   Abbn. 

Warmhof  b.Mewe,  Westpr.  Gemischtes  Gräber- 
feld d.  alt.  Eisenzeit.  Ümengräber  m.  versch. 
Bronzebeigab.;  Brandgruben  m.  Beigab,  a. 
Eis.  u.  Bronze,  Spinn  wirtein,  Knochen- 
kämmen, Glas-  u.  Emailperlen;  Skeletgräber 
m.  Beigab,  a.  Eis.,  Bronze,  Gold  u.  Silb. 
(Kumm;,  Conwentz:  Ber.  westpr.  Mus. 
S.  44-45.    Abb. 

Wattendorf,  Oberfrauk.  Grabstätte  d.  jung. 
Hallstattieit.  Skelette,  Bronze-  u.  Eisenfunde, 
Köberlin:  Prähist  BL   Nr.  3,  S.  88-89. 

W^gierskie  b.  Schroda,  Pos.  Schädel  unbest 
Alters.  Köhler,  Yirchow:  Yerh.BerLGes. 
Anthr.    (H.  6),  S.  691—592. 

Wels,  Oberöst.  Meilenstein  d.  Maximinus 
Thraz.  Nowotny:  Ifitth.  Centr.  Comm. 
H.  1,  S.  1—4.    Abb. 


—    64    - 


Wels,  Oberöst.  (Yorstadtplatz).  Rdm.  Bronze- 
fibel n.  and.  Metallgerätiie,  Scherb.,  Mfrnien, 
Ziegel,  Mauerreste.  t.  B  e  n  a  k :  Mitth.  Centr. 
Comm.   H.  3,  S.  162.    Abb. 

—  8.  Aschet 

Welzheim,  Württ  Wachtthnrm,  Ziegelofen, 
Zwischenkastell  Ebnisee,  Grenzabsteinung 
am  Kastell  Welzheim,  Thürme,  Zwischen- 
kastell Rötelsee.  Sixt:  Limesbl.  Kr.  18, 
Sp.  504—609. 

Wiedikon,  Ct  Zürich.  Kelt  Grab  m.  Schmuck- 
sach, a.  Bronze  u.  violetten  Glasperlen. 
Anz.  Schweiz.  Alt.   Nr.  2,  S.  71. 

Wiesbaden.  Beste  der  Umfassungsmauer  e. 
Yorflay.  Kastells  auf  d.  Heidenberg.  Gefftss- 
scherb.,  Fibel  u.  Sonde  a.  Bronze.  Ritter- 
ling: Limesbl   Nr.  19,  Sp.  521—526. 

—  Neolith.  Wohnplätze  (Mardellen).  Gefäss- 
scherb.,  Bruchstücke  t.  Mahlsteinen  u.  Stein- 
werkzeugen etc.  Pallat:  Ann.  Yer.  Nass. 
Alt.    S.  848-846. 

Wiessen,  Böhm.  Umengr&ber  m.  Leichenbrand 
u.  Thongef.  t.  gemischtem  Typ.  r.  Wein- 
zierl:  Prähist  Bl.    Nr.  2,  S.25— 27.  Abbn. 

Wildenan,  Sachs.  Ueidn.  Opferstein.  S.  I. 
Opferstein. 

Wilhering  s.  FaU. 

Wilkieten,  Kr.  Memel,  Ostpr.  Bronze-  u.  Eisen- 
sach, a.  d.  Gräberfeld.    S.  L    Gräberfeld. 

Willendorf,  Niederöst  PalaeoUth.  Fundstelle 
im  Löss.  Mammnthknoch.,  Schlagsteine, 
Klopfsteine.  L.  H.  Fischer:  Mitth.  anthr. 
Qea,  Wien.  Sitzgsb.  Nr.  1,  S.  18—16.  Abbn. 

Wilmersdorf,  Kr.  Beeskow- Storkow,  Brand. 
Urnen  m.  Beigef.  u.  Beigaben  a.  Bronze 
(Angelhaken,  Armband,  Pfeilspitze,  Ringe, 
Nadel)  u.  Stein  (Dioritbeil)'a.  d.  Umenfelde. 


Busse:  Yerh.  Berl.  Ges.  Anthr.  (H.  2),  8. 126 
bis  128.  Abbn. 
Worms.  Neolith.  Grabfeld  auf  d.  Rhein- 
gewann.  Skeletreste,  Schädel,  Geftsse^ 
Geräthe  u.  Waff.  a.  Stein,  Muschelschmock, 
Armringe  a.  Stein,  Getreidemühlen,  Thier- 
knoch.  Koehl:  Nachr.  H.l,  ai— 2.  Abb. 
H.  4,  S.  69-64.  H.  5,  S.  65-69.  K.-B. 
deutsch.  Ges.  Anthr.  Nr.  10,  S.  127^182. 
Vgl.  L  Neolithische  Gefftsse.  Koenen: 
Rhein.  Geschblr.  Jahrg.  2,  Nr.  8,  8.  250 
bis  255. 

—  Rom.  Gräberfeld  „am  Bollwerk"*  (1897^. 
Steinsarkophage  u.  Holzsärge,  z.  Th.  m. 
Skeletten  in  Gjps,  Gefässen,  Münzen  etc.  — 
Gräber  d.  Grabfeldes  ^am  Schildweg*; 
Kindergrab  m.  Spielsach.  a.  Glas  u.  Thon, 
Franengrab  m.  Gefässen  (Trinkbecher  m. 
Inschr.  etc)  u.  MetaUbeigab.  Koehl:  Nachr. 
H.  6,  S.  89—92. 

—  Neue  Gräberfunde  in  Maria  -  Hfinster. 
(4.  Jahrii.  n.  Chr.).  Stein-  a.  Holsaärge^ 
Skelette,  Schmucksach.  (gold.  Nadel  m. 
herald.  Adler),  Gef&sse  a.  Glas,  Thon  o. 
Terra  sig.,  Münzen.  (Koehl):  K.-B.  wd.  Z. 
Nr.  6,  Sp.  116-118. 

Zeipen-Gerge,  Kr.  Memel,  Ostpr.  Gräberfeld 
(zerstört).  Bezzenberger: Sitzgsb. Pmssia. 
S.  107—108. 

Zermatt,  Schweiz.  YorgeschichtL  Skulpturen- 
steine  auf  dem  Hubelwängen.  Reber:  Ant. 
Schweiz.  Alt    Nr.  3,  S.  74-77.   Abbn. 

Zöschingen,  Baj.  Untersuch,  d.  Hügelgräber 
X-XIII  (vgl.  den  rorjähr.  Bericht).  Hoch- 
äcker. Trichtergruben.  Benz:  Prähist.  BL 
Nr.  6,  S.  72—77.   Tat 


(Schlass  folgt) 


Abgeschlossen  im  Jali  1897. 


Ergäntttügsbiatter  zar  Zeitschrift  fttr  Ethnologie. 

Nachrichten  ttßer  deutsche  Alterthnmsfnnde. 

Mit  Unterstützung  des  Königlich  Preuss.  Ministeriums 
der  geistlichen,  Unterrichts-  nnd  Medicinal- Angelegenheiten 

heraosgegeben  von  der 

Berliner  Gesellschaft  fftr  Anthropologie,  Ethnologie  nnd  Urgeschichte 

unter  Redaction  Ton 

R.  Yirchow  und  A.  Voss. 


Achter  Jahrg.  1897.      Verlag  von  A.  ASHBB  &  Co.  in  Berlin,  i  Heft  5. 


Bibliographische  Uebersicht  Über  deutsche  Alterthumsfiinde 

für  das  Jahr  1896. 

Bearbeitet  von  Dr.  F.  Moewes  in  Berlin. 

(Schluss.) 


Geographische  Uebersicht 

Deutsches  Reich. 

Prenssen.  Kieselwitz,    Kräsem,   Kunersdorf,   Laubst, 

Ostprcussen:    I.  Gräberfeld,  kurische  Nch- .  Postlin,   Raben,  Reichersdorf,   Sadersdorf, 

rung,   Ostprcussen,    Steinkistengräber.     II.  |  Stradow,  Straupitz,  8trega,Wandlitz,Wilmers- 

Czutellen,  Frauenburg,  Gross- Steegen,  Klein-  i  dorf. 


BInmenau,  Rominten,  Tharau,  Viehof,  Wil- 
kieten,  Zoipen-Gerge. 
Westpreussen:    I.   Burgwälle,   Gefäss   der 
Steinzeit,  Gesichtsumen,  Gräberfelder,  Haus- 


Schlesien:    I.  Gräber.    II.  Oels. 

Sachsen:  I.  Eisen,  Gräberfeld,  Haus-  und 
Gesichtiiumen,  Lausitzer  Altertbümer,  Urnen, 
Umenfeld.    II.  Buckau,  Eisleben,  Heyroths- 


forschung,  Hügelgräber,  Skeletgräber.    II.       berge,   Kabelitz,   Langengrassau,  Leitzkau, 
Alt-Lobitz,  Bendargau,  Fersenau,  Grutschno,       Neuhaldensleben,  Thale. 
Gute  Herberge,  Klein  Czyste,  Klein  Peterkau,  Westfalen:  I.  Bielefeld, Gräfte, Heidentempel. 
Lcohain,     Prenzlawitz,     Rutzau,     Saaben,   Rheinprovinz:    I.  Baumaterial,   Bonn,  Ge- 
Stendsitz,  Warmhof.  fässkunde.   Germanische   Begräbnissstätten, 

Posen:    I.  Feuerstein-Schlagstätten,  Kupfer- |     Üigantenreiter, Grabdenkmäler, Legionsfolge, 


axt,  Schläfenringe,  Urne.  II.  Schönfeld, 
Wfgierskie. 

Pommern:  I.  Burgwälle,  Denarfnnd,  Gold- 
gefasse,  Pommern,  Stein-Alterthümer,  Stral- 
sund, Thongefässe,  Tatuli,  Urne.  IL  Bublitz, 
Fährhof,  Gumbin,  Horst,  Lietzow,  Retzin, 
Rosenfelde,  Strellcnthin. 

Brandenburg:  I.  Bargwälle,  Fensterume, 
Gräberfeld,  Gubener  Kreis,  Hacksilberfunde, 
Lansitzer  Alterthümer,  Provinzialrömische 
Funde,  Rundwall,  Schulzenhammcr,  Schloss- 
berg, Urnenfeld.  IL  Atterwasch,  Branden- 
burg, Dannewitz,  Erkner,  Freesdorf,  Gehren, 
Gralow,   Gross-Teuplitz,   Guben,    Kaasow, 


Muscographie,  Römische  Bananlage,  Römi- 
sche Gräber,  Römische  Münzen,  Trier,Vetera. 
IL  Arzheim,  Breitfeld,  Duisburg,  Köln,  Trier. 

Schleswig-Holstein:  I.  Bronzemesser, 
Eiscnalter,  Hacksilberfan  de,  Hausforschung, 
Jadeitaxt,  Steinkammergrab,  Steinzeit  IL 
Gross-Dunsum,  Schleswig,  Schuby. 

Hannover:  I.  Bohlwegsuntersuchungen, 
Osterberg,  Varuslager. 

Hessen:  I.  Museographie,  Pyxis,  Römische 
Denare,  Römische  Münzen,  Terra  sigillata. 
n.  Braubach,  Frankfurt,  Hofheim,  Hunzel, 
Langenhain,  Oberlahnstein,  Sindlingen,  Wies- 
baden. 

5 


—     66     — 


Sactaseo. 
I.  Brandwall,  Opferstein.    II.  Wildenaa. 

Bayern. 

I.  Befestigungen,  Donarkult,  Grabhügel,  Grab- 
hügelfunde, Hausforschung,  Heidenburg, 
Heidenmauer,  Hohlringe,  Limesforschung, 
Museographie, ,  Neolithische  Funde,  Pfalz, 
Komische  Ansiodlung,  Römische  Brand- 
gräber, Romische  Strasse,  Runeninschrift, 
Schädel,  Schanze,  Skeletgräber,  Wallburgen. 
II.  Gunzenhausen,  Landau,  Mönchsrot, 
Stammham,  Stockheim,  Stockstadt,  Yelbnrg, 
Wachenzell,  Wattendorf. 

Württemberg. 

I.  Alemannische  Gräber,  Limesforschung, 
Museographie ,  Regenbogenschüsselchen, 
Römische  Denksteine,  Römische  Inschriften. 
II.  Bühl,  Geisslingen,  Gmünd,  Oehringen, 
Rottenburg,  Rottweil,  Sulz,  Welzheim. 

Baden. 

I.  Alsengemme,  Germanische  Waffen,  Limes- 
forschung,  Museographie,  Neolithische  Funde, 
Römische  Meierhöfe.  II.  Oberscheidenthal, 
Osterbuiken,  Pforzheim. 


Hessen. 

I.  La  Tene-Funde,  Limesforschung,  Mainz. 
Museographie,  Neolithische  Gefässe,  Rhein- 
hessen, Römische  Inschriften,  Strassen.  IL 
Hesselbach,  Mainz,  Okarben,  Worms. 

Meklenbnrg. 

L  Bronzezeit,  Meklenburg,  Suiten.   II.  Ealsow. 

Yersehledene  Staaten- 
Oldenburg:      I.    Bolilwegsuntersuchungen« 

Museographie.    II.  Dienstweiler. 
Thüringische  Staaten:   I.  Feuersteinwerk- 

stättc,  Wallburgen. 
Braunschweig:    I.   Braun  schweig,  Kupfer- 

celt.    II.  Beierstedt,  Elein-Schöppenstcdt. 
Anhalt:    I.  Bronxe*Depotfund. 

Elsass-Lotbringen. 

I.  Argentaria,  Decempagi,  Herapel,  Mithraeunu 
Museographie,  Römisches  Felsrelief,  Rom. 
Inschrift,  Römischer  Meilenstein,  Römischi* 
Strasse,  Römische  Thonfiguren,  Römisch*^ 
Villa,  Rundwall.  II.  Les  Bachats.  Sablon. 
Sankt  Ulrich,  TarquiopoL 


Oesterreich-Ungarn. 


Allgemeines:  I.  Oesterreich. 

Niederösterreich:  I.  Neolithische  Thon- 
gefässreste,  Tumuli,  Tutatio.  IL  Deutsch- 
Altenburg,  Getzersdorf,  Willendorf. 

Oberösterreich:  I.  Hallstatt.  IL  Aschet, 
Fall,   Micheldorf,  Salling,  Uttenthal,  Wels. 

Salzburg:    L  Kupferbergwerk. 

Steiermark:  I.  Pettauer  Antiken,  Poetovio. 
IL  Kartschovina. 

Kärnten.    IL  Kärnten,  Pulst. 

Krain:    I.  Hügelgräber.    IL  Brezje. 

Küstenland:  I.  Höhlen,  Liburaien,  Mosaik- 
brunnen,  Pola,  Römische  Inschriften.  II. 
Albona,  Monastero,  Nugla,  Pinguente,  Pola, 
San  Canziano. 

Tirol  u.  Vorarlberg:  I.  Blasen,  Brigantium. 
IL  Montiggl. 

Böhmen:  I.  Anthropophagie,  Böhmen,  Bud- 
wcis,   Gräberfeld,  Handwerkzeuge,  Kupfor- 


beile,  Neolithische  Keramik.  II.  Brieson« 
Öaslau,  Dobrichow,  Drobovic,  Hanor,  Hra- 
distö,  Königinhof,  Kralowitz,  Sobifi<*o, 
Wiessen. 

Mähren:  I.  Kupferbeile,  Mähren,  Neolithi- 
sche Thongefassreste.  IL  Bistrzits,  Dobr«»!- 
kowitz.  Eisgrub,  Gaya,  Muschau. 

Galizien:    I.  Hansforschnng. 

Bukovina:    IL  Suczawa. 

Dalmatien:    I.  Dulmatien,  Schläfenring«^ 

Ungarn:    I.  Zinkguss.    IL  Karlsbnrg. 

Bosnien  u.  Hercegovina:  I.  Bogcnßbolii. 
Bosnien,  Bronzehehn.  Debelo  brdo,  Domaria. 
(vlasinac,  Gradina  Öungar,  Münzen,  Rötn. 
Mystfrioorelief,  Thonsch<^rben,  Tumuli,  Wal' - 
bauton.  IL  Busova^a,  Dolnji-Vrtoöe,  Drvar, 
Golubir,  Gradar,  Grahovo.  Kadinav«»«l;i. 
Laktasi,  Lasva,  Papra^a,  Polog,  Sanskim< 


Kl« 


Schweiz. 

I.  Museographie,  Römischer  Altar,  Römische  ,  Engelberer,  Fehraltorf,  La  Roche,  Schlatr, 
Gobäudereste,  Skulptureudeiikmäler,  Waadt  Schieitheim, Solothurn,Tourbillon,Wi«»dik<>n . 
und  Wallis.     II.   Avenchos,  Baden,   Bern,  |      Zeriiiatt. 


—    67    — 


Yerzeichniss  der  Schriftsteller  und  der  Beobachter. 


Andree:   L  Eupfercelt 
ADger:   II.  Grutschno. 
Anthes:  II.  Hesselbach. 

Back:  IL  Dienstweil «r. 

Bahrfeldt:   I.  Denarfand. 

Baier:  I.  Goldgeftoe,  Stralsund,  Thongefftsse. 

Bancalari:   I.  Haasforschung. 

Bartels:   ].  Kupferbergwerk,  Thonscherben. 

Bauer:  I.  Urnen.    II.  Leitzkau. 

Beck:   I.  Mainz. 

Becker:   I.  Haus-  und  Gesichtsumen. 

Behla:   I.  Lausitzer  Alterthümer. 

Beltz:  I.  Bronzezeit,  Meklenburg.  IL  Kalsow. 

T.  Benak:  11.  Aschet,  Wels. 

Benkert:   I.  Heidentempel. 

Bezzenberger:  I.   Gräberfeld.     11.   Gross- 

Steegen,  Zeipen-Gerge. 
Bissinger:  IL  Pforzheim. 
Bodewig:   II.  Braubach,  Hunzel. 
Bdtticher:   IL  Frauenburg. 
Bonnet:   II.  Duisburg. 
Braun:   I.  Römische  If&nzen. 
Brnchmann:   I.  Steinzeit. 
Buchholz:   I.  Hacksilberfunde.  IL  Erftsem, 

PostUn. 
Büsching:   I.  Umonfeld. 
Busse:   I.  Burgwälle.  II  Dannewitz, Erkner, 

Kunersdorf,  Wandlitz,  Wihnersdort 

y.  Campi:  I.  Bogenspannring. 

äermäk:   IL  Öaslau,  Drobovic. 

Christ:  L  Medros. 

Gonradj:   IL  Stockstedt. 

Oonwontz:  I.  Burgwälle,  Gef&ss  d.  Steinzeit, 
Gesichtsumen,  Skeletgräber.  IL  Alt-Lobitz, 
Fersenau,  Gute  Herberge,  Klein  -  Czyste, 
Klein  Peterkau,  Prenzlawitz,  Rutzau,  Saaben, 
Stendsitz,  Warmhof. 

T.  Czihak:   IL  Tharan. 

Donner  v.  Richter:   I.  Pyxis. 
Donsbach:   IL  Breitfeld. 
Dorr:   I.  Gräberfelder. 
Dragendorff:  I.  Gefasskunde, Terra sigiUata- 
Gefasse. 

JBidam:   IL  Gunzenhausen. 

Piala:   I.   Bosnien,  Debelo  brdo,   Glasinac, 

Wallbauten. 
Fink:   I.  Schanze. 
Fischer:   IL  Willendorf. 
Florschatz:   I.  Kultusstätten. 
Franc:   11.  Kralowitz. 


C^andusio:   IL  Pinguente. 
Götze:  I.  Bronze-Depotfund,  Feuersteinwerk- 
stätte, Urne,  Wallburgen,  Kieselwitz. 
Grabowskj:   IL  Klein-Schöppenstedt 
Gurlitt:   I.  Pcttauer  Antiken,  Poetoyio. 

Haas:   IL  Lietzow. 

Hacke:   I.  Osterberg. 

Hamm:  Yaruslager. 

Hamm  er  an:   I.  Limesforschung. 

V.  Hammerstein:   U.  Les  Bachats. 

Hampel:   I.  Kupferzeit 

Harster:   I.  Pfalz. 

Hart  wich:   II.  Kabelitz. 

Hang:   I.  Epona,  Limesforschnng. 

Haus  er:   IL  Kärnten,  Pulst 

Haus  er  (Zürich):  I.  Römische  Gebäudereste. 

Heger:  I.  Oesterreich. 

Heierli:   IL  Schlatt. 

Helm:   I.  ThongeHUse. 

Herrenschneider:   I.  Argentaria. 

Herzog:  IL  Rottenburg,  Sulz. 

Hetttter:  I.  Gefasskunde. 

H eurer:   I.  Gräberfeld.    IL  Landau. 

Hejdeck:   I.  Steinkistengräber. 

Hinrichs:   I.  Römische  Strasse. 

Höfer:   L  Eisen.    IL  Thale. 

Hoernes:   I.  Blasen,  Bogenfibeln. 

Hollack:   I.   Gräberfeld,  kurische  Nehrung. 

n.  Czutellen,  Klein  Blumenau,  Viehof. 
Hrase:  IL  Hanov. 
Hub  er:   L  HerapeL 

Ihm:  I.  Grabdenkmäler,  keltische  Flussgott- 
heiten. 

Jelinek:   I.  Böhmen. 

Jenny:   I.  Brigantium,  Poetovio. 

Jentsch:  I.  Fensterume,  Gefässe, Gräberfeld, 
Gubenor  Kreis,  Provinzialrömische  Funde, 
Rundwall,  Wellenlinien.  IL  Att erwasch, 
Guben,  Reichersdorf. 

Jung:   IL  Karlsburg. 

Kaindl:   I.  Hansforschung. 

Kasser:   IL  Bern. 

Keane:  I.  Medros,  Mithraeum,  Römische  In- 
schrift, Römische  Inschriften,  Römischer 
Meilenstein,  Segelschiffe.    IL  Sablon. 

Klein:   I.  Bonn,  Römische  Bauanlagen. 

Knoke:   I.  Moorbrücken,  Yaruslager. 

Köberlin:   IL  Wattendorf. 

Koehl:  I.  Neolithische  Gefässe,  Rheinhessen. 
IL  Worms. 

5* 


—     68    — 

K  0  e  h  1  e  r :  I.  Bildwerke,  Feuerstein  -  Schlag-   Piper;    I.  Buckelquadem. 

Stätten,  Schläfenringe,  Steine  m.  Fussspurcn.  ;  v.  Platen-Venz:   I.  Stein-Altcrtömer. 

II.  Wfgierskie.  j  Plattner:    I.  Bohlwegsuntersachnngen. 

Koenen:   I.  Baumaterial,  Fränkische  Kunst-;  Pohl:   II.  Frauenburg. 

weise,  Gefässkunde,  Legionsfolge,  Römische  j  Popp:   I.  Wallburgen. 

Gräber.    II.  Worms.  IPrägek:   IL  Dobrichow. 

Körb  er:   I.  Römische  Inschriften.   IL  Mainz.   Prejawa:   I.  Bohiwcgsuntersuchnngen. 
Kofier:    I.  Limesforschnng,  Strassen. 

Kohaut:   IL  Kartschovina.  i^uilling:   L  Römische  Münzen,  Terra  sigil- 

Kohl:    L  Limesforschung.    IL  Mönchsrot.  ^^^*'  ^erra  sigillata-Fabrikation. 

Kossinna:    L  La  Tene-Funde.  Bademacher:    L   Germanische   Begräbnis- 

Krassnig:    IL  Muschau.  statten. 

Krause,  E.:    L  Gräberfeld.  Radimsk^:    L   Bosnien,   Domavia,    Gradin* 

Krause,  L.:   L  Suiten.  Öungar,  Tumuli,  Wallbauten. 

Krenckel:   IL  Brandenburg.  |  Ranke:   L  Mensch,  NeoÜthische  Funde. 

KriX:   IL  Gaya.  ,  Reb er:  L Skulpturendenkmäler, IL Tourbillon, 

Kumm:   IL  Warmhof.  Zermatt. 

Kuthe:   L  La  Tene-Funde.  iReichlcn:    IL  La  Roche. 

l.akowitz:  L  Hügelgräber.    IL  Stcndsitz.     1»«^««^^^:     I-    Schläfenringe,    Skcletgräber, 
Laube:   IL  Briescn.  i      Skjthische  Altertümer. 

Lehner:   L  Gigantenreiter,  Trier.    IL  Trier,  j  ^>^'^^^'  ^'  Böhmen,  Handwerkzeuge,  Kupfer- 
Lemke:    L  Ostpreussen  \     ^<^»1«-     "•  Hradi§tö. 

Lindner:    L  Budweis.  Ritterling:   L  Römische  Denare,  Römische 

Lissauer:   IL  Raben.  Münzen.    IL  Langenhain,  Wiesbaden. 

'  Romstorfer:   IL  Suczawa. 
Majonica:    I.    Römische    Inschriften      IL    Rutar:    I.  Hügelgräber. 

Monastero. 
Makowsky:   L  Mähren.  Schütz:   IL  Breitfeld. 

Marchcsetti:   IL  San  Canziano.  Schlosser:    IL  Velburg. 

Matiegka:   L  Anthropophagie.  ,  Schmid,  W.  M.:  L  Donarkult,  Gesichtsnmen. 

Mayr:    I.  Römische  Ansiedlung.  !     IL  SUmmham. 

Mehlis:    L  Befestigungen,  Heidenburg,  Pfalz, '  ^«^"^^^(I^^'i^i"?^"^'  I.  Komische  Denksteine. 

Runeninschrift.  Schmidt,  B:   IL  Horst.  -    •   - 

Mestorf:    L  Bronzemesser,  Eisenalter,  Hack- 1  Schmidt  (Graudenz):   IL  Gumbin,  Strellen- 

silberfunde,  Jadeitaxt.    IL  Schleswig.  '     *"'°' 

Mettler:   IL  Rottweil  Schneider,  A.:    L  Römischer  Altar. 

Michaelis:    L  Römisches  Felsrelief.  -Schneider,  J.:    L  Baumaterial,  Vetera. 

Moser:    L  Höhlen.    IL  Nugla.  Schneider,  L.:   IL  Königinhof,  Sobi^ice. 

Mothes:   L  Opferstein  i  Schröder:    IL  Stockheim. 

I  Schuchhardt:    I.  Varuslager: 
Kaef:    L  Waadt.  ;Schuckert:    IL  Schönfeld. 

Naue:  L  Grabhügel,  Grabhügclfunde, Schädel,  jv.  Schulenburg:  L  Gräber,  Hausforschung, 
Nohring:    IL  Buckau.  ,      Schulzenhammer. 

Nestle:   L  Römische  Inschriften.  Schumacher:    Germanische  Waffen.  Lime.«- 

Nolto:    IL  Thale.  ,     forschung.   Römische  Meierhöfe.    IL  Ober- 

Nowalski  de  Lilia:  IL  Deutsch-Altenburg,  i      scheidenthal,  Osterburken. 
Nowotny:    1.  Körperteile,   Liburnien,   Rom.  I  Schumann:   L  Pommern.     IL  Retzin. 

Mysterienrclief.    IL  Wels.  !  Schuster:    L  Römische  Strasse 


Ohlenschlager:    I.  Limesforschung,  Pfalz. 


Schwartz:    I.  ürnenfeld. 

Seyler:    I.  Burgen,  Limesforschung. 
Pallat:   IL  Wiesbaden.  iSixt:    IL  Oehringen,  Welzheim. 

Patsch:   I.  Dalmaticn.  jSökeland:   I.  Alsengemme.    IL  Stradow. 

Paulus:   I.  Rundwall.  {  Soldan:    I.  Limesforschung.    IL  Hesselbach. 

Peönik:    I.  Hügelgräber.  Splieth:     I.    Steinkammergrab.     IL   Gross- 

Philippsen:   IL  Gross-] )unsum.  [     Dunsum,  Schuby. 


—    69    — 

Stedtfeld:  IL  Köln.  Voges:   I.  Braunschweig.    IL  Beierstedt 

Steimle:   IL  Gmünd.  Voss:  L Lausitzer Alterthümer.  Il.üobrichow, 

Steinmetz:   L  Hohlringe.  Kabelitz. 

Stephan:  IL  Lanbst. 

Sticotti:   1.  Liburnien.  Wagner:  L  Alemannische  Gr&ber,  Neolithi- 

V.  Stoltzenberg:   I.  Gräfte.  sehe  Funde.    IL  Bühl,  Geisslingen. 

Straberger:    L  Tutatio.     IL  Fall,   Michel-    Walcker:   I.  Regenbogenschüsselchen. 

dorf,  SallinjT,  üttenthal.  Waldner:   L  Argentaria. 

Stubenrauch:   I.  Burgwälle,  Tutuli,  Urne.  Woeren:   I.  Kupferait. 

II.  Bublitz,  Gumbin.  Weg  euer:   I.   Umenfeld.      IL   Ncuhaldens- 
Szombathj:  I.  Neolithische  Thongefässreste,       leben 

TumuU.  Wein  eck:   IL  Straupitz. 

T««..^,'«^».   TT   \f««f;.,«i  V.  Weinzier  1:   I.  Neolithische  KeramiL    IL 

appeiner:   IL  Montiggl. 

Titz:   IL  Klein  Czyste.  i  T,r  •     r"'    ,     r  ,>  ,       xr    *,. 

Traeger:   L  Hausforschung.  I  Weisshäupl:   I.  Pola.    n.  Albona. 

Treichel:   L  Burgw&lle,  Hausforschung,  Wi-   Wichmann:   L  Decempagi   Römische  Thon- 

kingerschiffe.    IL  Bendargau,  Leohain.  J?;"'°^^^o^t  ^?^ 

y.  Tröltsch:   I.  Pfahlbauten.  '  Wilbrand:   L  Bielefeld. 

Truhelka:   L  Bronzehelm,  Münzen.  i  Z'\Y/'\1  Römische  Brandgräber 

Wolff:   IL  Prankfurt,  Hof  heim,  Okarben. 

VanSk:   11.  Dobrichow.  1 

Virchow:    L   Brandwall,  Gräberfeld,  Pfalz,  Ziegler:  L  Grabhügel. 

Schädel,   Schlossberg,   Zinkguss.     IL   Do-' Bündel:   IL  Getzersdorf. 

brichow,  W^gierskie, 


Bericht  Über  die  Verwaltung  des  Provincialmuseums  zu  Bonn 
in  der  Zeit  vom  I.  April  1896  bis  31.  März  1897. 

Die  Unternehmungen  des  hiesigen  ProTincialmuseums  coneentrirten  sich  diesmal 
hnoptsächlich  auf  die  Aufdeckung  des  Röraerlagers  bei  Neuss,  welche  dank  der 
reichlichen  Bewilligungen  Seitens  der  Museumscommission  und  des  Provincial- 
Ausschusses  beträchtlich  gefordert  werden  konnte.  Zunächst  wurde  in  dem  nord- 
östlichen Theile  des  Lagers  die  ron  der  via  principalis  zum  Nordthore  führende 
Strasse  auf  deren  ganzer  Länge  ron  etwa  140  m  durch  Querschnitte  untersucht, 
welche  feststellten,  dass  der  mittlere  Damm  der  Strasse  an  der  Sohle  aus  festge- 
stampftem Lehm  bestand,  über  dem  mehrere  Kieslagen  aufgetragen  waren,  und  dass 
ihre  Gesammtbreite  etwa  14  m  betrug.  Eine  zweite,  den  Decimanus  rechtwinklig 
schneidende  Strasse  von  6  m  Breite  wurde  106  m  südlich  von  der  Umfassungsmauer 
festgestellt,  nebst  der  sie  begleitenden,  49  cm  im  Lichten  breiten  Rinne,  deren 
Sohle  aus  Ziegelplatten  und  deren  Wände  aus  Tuff  hergestellt  waren;  alsdann  das 
Intervallum  durch  Quergräben  in  seiner  Breite  von  etwa  29  m  mit  dem  in  seinem 
Rücken  angebrachten,  in  den  früheren  Berichten  erwähnten  Abschlusscanal  ermittelt 
und  die  Umfassungsmauer  der  Nordflanke  auf  eine  Länge  von  79  m  blossgelegt. 
Ein  dabei  gefundenes  Stück  des  Aufbaues  ergab,  dass  derselbe  über  dem  1,20  m 
breiten,  aus  Rheingeächiebe  und  Lehm  bestehenden  Fundamente  aus  behauenen 
Tufifsteinquadem  von  30  t  m  Höhe  und  60  cm  Breite  gebildet  war,  welche  durch 
Eisenklammem  mit  einander  verbunden  waren.  Ebenso  fand  die  Frage,  ob  auch 
an  der  Nordseite  ein  Umfassungsgraben  vorhanden  war  oder  der  Rhein  hier  diesen 
Zweck  erfüllte,  ihre  Lösung,  indem  das  Vorhandensein  eines  solchen  ermittelt 
wurde,   dessen  Profil  jedoch  wegen  der  hier  in  der  französischen  Zeit  angelegten 


—     70    — 

Ziegelöfen  zerstört  war.  Wichtig  war  die  Feststellung  des  Nordthores,  bei 
dem  eine  ältere  und  eine  jüngere  Anlage  beobachtet  wurde.  Die  ältere  Anlage, 
welche  von  den  äusseren  Mauerkanten  gemessen  eine  Breite  von  29  V,  m  bei 
einer  Tiefe  von  etwa  13  V,  m  hatte,  zeigte  einen  von  dem  östlichen  Theil  der 
Umfassungsmauer  nach  innen  gehenden  bogenförmigen,  etwa  1,15  m  starken  Mauer- 
arm,  dem  vielleicht  auf  der  anderen  Seite  ein  gleicher  Arm  entsprach.  Ein  in 
der  Mitte  aufgedecktes  Mauerfundament  bewies,  dass  der  Thordurchgang  getheilt 
war.  Auf  den  fast  bis  zur  Fundamentsohle  ausgebrochenen  Theilen  dieser  älteren 
Thoranlage  war  ohne  Benutzung  ihrer  Mauern  die  jtlngere  von  26'/$  ^  Breite  und 
15  m  Tiefe  errichtet  mit  zwei  2,90  m  breiten,  durch  mächtige  Pfeiler  getrennten 
Thoröffnungen,  die  an  jeder  Seite  durch  einen  Thurm  von  15:9m  Seitenlänge 
flankirt  waren.  Während  die  Fundamente  des  älteren  Thores  aus  Tuff  bestanden, 
bildete  Sandstein  das  Material  bei '  dem  jüngeren  Thore,  an  dessen  Stelle  im  Aufbau 
Tuff  und  in  den  ornamentalen  Theilen  Jurakalk  getreten  zu  sein  scheint  In  einem 
Abstände  von  57]^  ▼or  der  Umfassungsmauer  kam  ein  etwa  8,70m  langes  Fundament 
zum  Vorschein,  mit  rechtwinklig  abgehenden  Seitenmauem,  welche  in  ihrem  Ver- 
laufe durch  die  oben  erwähnten  Ziegeleien  zerstört  waren,  so  dass  der  Grundnss 
unaufgeklärt  bleiben  musste.  Indem  die  Grabungen  nun  sich  dem  Innern  des 
nordöstlichen  Lagertheils  zuwandten,  wurden  zunächst  zwischen  der  zum  Nordthor 
führenden  Strasse  und  dem  Intervallum  die  Fundamente  eines  grossen  Baues  von 
78  y, :  66  m  Seitenlänge  freigelegt,  der  einen  inneren  Hof  mit  einer  Sänlenstellnng 
auf  allen  4  Seiten  umschloss,  um  den  sich  13,32  m  tiefe  Räume  herumzogen.  Die 
Aussenseite  der  Manem  war  mit  60  cm  breiten  Pfeilern  versehen.  Von  der  MiUe 
der  Nordseite  führte  ein  Canal  das  Abflusswasser  des  offenen  Hofes  in  den  grossen 
Canal  des  Intervallums  ab.  Auf  den  Fundamentresten  dieses  Baues,  welcher  nach 
der  Analogie  ähnlicher  Anlagen  als  ein  Horreum  anzusehen  ist,  ist  in  späterer  Zeit 
ein  anderes  Magazin  mit  einem  etwa  64  m  langen  und  21,10  m  breiten,  von  Säulen 
eingefassten  Binnenhofe  errichtet  worden,  den  an  allen  Seiten  Räume  von  7,70  bis 
8,50  m  Tiefe  umgeben.  An  beiden  Seiten  der  Mauern,  welche  1,20  m  stark  waren, 
befanden  sich  in  Abständen  von  3  7« — 4  m  Wandpfeiler  von  1,48  m  Breite  und 
70  cm  Tiefe.  Die  östlichen  Theile  dieses  jüngeren  Baues  bedeckten  ausser  den 
Resten  des  älteren  Horreum  noch  einen  dieses  östlich  begrenzenden  Weg  und  der 
grössten  Theil  von  zwei  an  diesem  Weg  liegenden  Casemen.  Dieselben  gehören 
zu  einer  Gruppe  von  vier  kleineren,  35,20 — 35,70  m  langen  und  18,30  m  breiten 
Casemen,  welche  durchschnittlich  14  Räume  verschiedener  Grösse  enthielten. 
Ihre  schmalen  Grundmauern  waren  aus  Schiefer  und  Grauwacke  errichtet,  während 
für  den  Aufbau  Tuff  verwendet  war.  Beide  Casemen  werden  durch  eine  schmale 
Gasse  getrennt,  während  eine  zweite,  an  ihrer  östlichen  Langseite  vorbeilaufende 
Gasse  sie  von  einer  dritten  Caserne  scheidet,  welche  zwar  die  Beschaffenheit  der 
früher  blossgelegten  Cohorten-Casernen  hatte,  aber  wegen  ihrer  geringen  Dimen- 
sionen nur  Raum  für  eine  Centurie  bot  Dadurch  wurde  das  wichtige  Ei^gebniss 
gewonnen,  dass  in  der  Nordostecke  des  Lagers  bloss  6  Centurien,  also  gerade  eine 
Cohorte,  lagerten.  Südlich  von  dem  späteren  Horreum  wurde  dann  ein  Colossalban 
aufgefunden,  welcher  sich  als  die  Badeanlage  des  Lagers  erwies.  Mit  Rücksicht  auf 
die  grossen  Kosten,  welche  die  Freilegung  der  Fundamente  wegen  ihrer  grosaen 
Tieflage  verarsacht  haben  würde,  beschränkten  sich  die  Grabungen  auf  die  Fest- 
stellung der  Breite  des  Gebäudes,  welche  88,80  m  beträgt,  und  die  Aufdeckung 
einzelner  Theile,  z.  B.  zweier  grosser  Säle  mit  halbkreisförmigen  Anbanleo, 
welche  mit  Ziegel-Estrich  versehen  waren.  In  dem  östlichen  Theile  wurde  &n 
Ofen  von  5,50 : 6  m  Seitenlänge   blossgelegt   mit   dem  Praefurniuro,   über  dem   in 


—     71     — 

höherer  Lage  ein  Heizcana}  von  18  cm  lichter  Breite  und  20  cm  lichter  Höhe  an- 
getroffen wurde.  Die  Wände  desselben  waren  mit  Tuffstein,  die  Sohle  und  die 
Abdeckung  aus  Ziegeln  mit  dem  Stempel  EX6ERINF  hergestellt,  was  für  die 
Zeitbestimmung  der  Badeanlage  von  Bedeutung  ist.  Aus  einem  20  m  langen  und 
^  Va  ^i  breiten  Gemach  der  Südostecke  der  Anlage,  welches  durch  einen  2,90  m 
breiten  Gang  nördlich  von  einem  über  25  m  langen  und  15,30  m  breiten  Saale 
getrennt  wurde,  kam  ein  in  westlicher  Richtung  verlaufender,  sorgfältig  aus  Tuff- 
stein gearbeiteter  Abflusscanal  von  60  cm  lichter  Höhe  und  40  cm  lichter  Breite, 
dessen  Sohle  und  Wände  mit  Ziegelplatten  verkleidet  waren. 

Westlich  von  der  zu  dem  Nordthor  führenden  Strasse  wurden  Theile  von  zwei 
durch  eine  Quergasse  getrennten  Bauten  aufgedeckt:  zunächst  nördlich  von  der  Gasse 
die  Ostseite  eines  78,50  m  langen  Gebäudes,  dessen  Tiefe  bis  zu  20  m  verfolgt 
werden  konnte.  Ein  4,44  m  breiter  Eingang  in  der  Mitte  führte  zu  einem  41  m 
breiten  Mittelraume,  an  den  sich  rechts  und  links  17  m  breite  Räume  anschlössen, 
lieber  die  Eintheilung  dieses,  sowie  eines  zweiten,  südlich  von  der  Quergasse  an- 
getroffenen grösseren  Gebäudes  können  erst  weitere  Grabungen  genaueren  Ab- 
schluss  bringen. 

Die  im  Spätherbst  in  dem  südlich  von  der  Cölner  Chaussee  gelegenen  Lagertheile 
vorgenommenen  Grabungen  stellten  die  Beschaffenheit  der  via  quintana,  des  Inter- 
vallum, der  Umfassungsmauer  auf  dieser  Strecke,  sowie  das  Vorhandensein  eines 
3,20  m  tiefen  und  3  m  breiten  Thurmes  an  derselben  fest  Von  Gebäuden,  welche 
ermittelt  wurden,  sind  zu  nennen  die  Rückseiten  von  6  Casernen  von  11,50  m 
Breite,  deren  Vordertheile  bereits  bei  früheren  Grabungen  blossgelegt  worden  waren, 
femer  nördlich  von  der  via  quintana  und  östlich  von  den  erwähnten  Casernen 
ein  grosser  Bau  von  89,20 :  50  m  Seitenlänge  mit  einem  Hof,  um  den  sich  zwei 
Reihen  durch  5  m  breite  Gänge  geschiedener  Zimmer  gruppiren  Ein  Theil  dieses 
Gebäudes,  über  dessen  Bestimmung  die  Fortsetzung  der  Grabungen  auf  dem 
Nachbargrundstuck  Aufklärung  bringen  kann,  ist  durch  den  Umfassungsgraben  der 
Westecke  des  späteren  Alen-Lagers  zerstört  worden.  Auch  dieser  Graben,  welcher, 
wie  die  Lagerecke  selbst,  abgerundet  war,  wurde  durch  Grabungen  als  ein  doppelter 
Spitzgraben  bestimmt,  während  von  der  Umfassungsmauer  des  Alen-Lagers  geringe 
Spuren  ermittelt  wurden.  Südlich  von  der  via  quintana  wurden  ferner  die  Hinterthcile 
von  vier  Centurien-Casernen  ausgegraben,  welche  dieselbe  Einrichtung,  wie  die 
früher  aufgedeckten  Casernen,  hatten.  Dieselbe  Beschaffenheit  ergaben  auch  drei 
an  der  Südflanke  aufgedeckte  Centurien-Casernen,  deren  völlige  Offenlegung  für  die 
Bestimmung  der  hier  lagernden  Truppenmassc  von  Wichtigkeit  war.  Oestlich  von 
den  eben  genannten  Centurien-Casernen  wurden  an  der  via  quintana  Theile  von 
zwei  grossen,  anscheinend  in  naher  Beziehung  zu  einander  stehenden  Gebäuden 
freigelegt,  von  denen  das  eine  59  tu,  das  andere  77,70  m  Länge  hat.  Die  Fest- 
stellung der  Breite  und  des  Grundrisses  im  Einzelnen  muss  von  weiteren 
Grabungen  erwartet  werden.  Nach  den  aufgefundenen  starken  Brandschichten  und 
Eisenschlacken  dürften  diese  Gebäude  Arbeitszwecken  gedient  haben.  Unter  überaus 
schwierigen  Verhältnissen  erfolgten  endlich  Grabungen  in  den  Gärten  der  an  der  Süd- 
seite der  Cölner  Chaussee  gelegenen  Häuser,  welche  den  Zweck  hatten,  die  Grösse 
des  Praetoriums  festzustellen.  Die  östliche  Abschlussmauer  des  Praetoriums  wurde 
gefunden  und  seine  ganze  Breite  auf  88,80  m,  also  auf  genau  3(K)0  römische  Fuss 
festgestellt,  ferner  die  dasselbe  begrenzende  östliche  Seitenstrasse,  sowie  die  Nord- 
grenze der  hinter  dem  Praetorium  liegenden  Bauten  nebst  der  an  ihr  vorbeiführenden 
Gasse  ermittelt. 


—    72    — 

Das  Ergebniss  der  Grabungen,  welche  Hr.  Geheimrat  Professor  Nissen 
leitete,  war  auch  diesmal  an  Einzelfanden  ein  reiches.  Unter  den  Fundstücken 
(10508—10757.  10789—10883.  10901—10960.  11139—11235.  11326  bis 
11361.  11372—11436),  deren  Zahl  sich  auf  597  Nummern  belauft,  sind  ausser 
vielen  Stirnziegeln,  mit  figürlichen  Darstellungen  gestempelten  Ziegeln,  omamentirten 
Architecturstücken,  Waffen,  Henkeln,  Griffen,  Bcschlagstücken,  chirurgischen  In- 
strumenten und  Münzen  besonders  hervorzuheben:  aus  Bronze  ein  Fint^ning  mit 
Genune,  auf  der  Hercules  mit  der  Keule  dargestellt  ist  (10  612),  zwölf  Zicrkni^pfe 
(11  333),  eine  versilberte  Zierscheibe  (10  882),  eine  emaillirte  Scheibenfibula  (10  881), 
ein  emaillirter  Messergriff  (10  883),  ein  Würfel  mit  Augen  in  gelbem  und  blauem 
Email  (10  613),  eine  hübsche  Pincette  (10  611),  eine  offene  Lampe  (11326),  ein 
Schiebschlüssel  (10  691),  ferner  Gussformen  für  Bronzeornamente  nebst  Schmelz- 
tiegel (11  231—11  234.  11  344— 11  345),  sowie  mehrere  Inschriftfragraente  (10  817 
bis  10  823).  — 

Bei  Weitersburg,  unweit  Bendorf,  wurde  im  Spätherbst  von  der  Reichs- 
Limes-Gommission  ein  grösserer  Gebäudecomplex  entdeckt,  dessen  weitere  Unter- 
suchung von  dem  Museum  auf  seine  Rosten  übernommen  wurde.  Die  bis  Ende 
October,  soweit  die  Felder  zugänglich  wtiren,  fortgesetzten  Ausgrabungen  ergaben 
ein  etwa  62  m  langes  ländliches  Gehöfte  mit  Wohn-  und  Wirthschaftsräumen, 
welches  ausser  einer  Kelleranlage  mit  Nischen  in  allen  vier  Wänden  und  einem 
mit  Hypocaustum  ausgestatteten  B^ume  nichts  Ausserge  wohnliches  bot.  Die  Aus- 
grabung stand  unter  der  örtlichen  Leitung  des  Herrn  Dr.  Ritterling.  Die  Ver- 
öffentlichung der  Resultate  wird  nach  ihrer  Vollendung  erfolgen.  Unter  den 
Fundstücken  sind  ein  Schälchen  (11072)  und  der  Halbdeckel  eines  Gefasses  aus 
Bronze  (11076)  hervorzuheben.  — 

Innerhalb  des  römischen  Lagers  bei  Bonn  wurden  bei  den  Fundamentirungs- 
arbeiten  für  den  Neubau  einer  Brauerei  an  der  Nordstrasse  Theile  eines  bedeutenden 
Bauwerks  gefunden,  welche  deshalb  besonderes  Interesse  erregten,  weil  sie  sich 
unmittelbar  an  bereits  früher  auf  dem  Nachbargrundstück  gefundene  Mauerzüge 
anschliessen.  Der  aufgedeckte  Theil  enthielt  zu  beiden  Seiten  eines  Mittelganges 
eine  Reihe  kleiner  Räume,  von  denen  die  nördlichen  nach  Norden,  die  südlichen 
nach  Süden  sich  öffneten.  Die  Nordseite  der  ganzen  Baugruppe  war  durch  eine 
Stellung  von  abwechselnd  grossen  und  kleinen  Pfeilern  begrenzt,  welche  auf  einen 
ausgedehnten  offenen  Binnenhof  hindeuten.  Die  Ausgrabungen  wurden  vom  Museum 
beobachtet  und  von  Hrn.  Stadtbaurath  Schulze  aulgenommen.  Von  den  ins 
Museum  gelangten  Fundstücken  (10  993 — 11  016)  ist  namentlich  ein  Messergriff  au» 
Bronze  in  Gestalt  eines  Pferdekopfes  (11007)  zu  nennen.  Die  Veröffentlichung 
des  Grundrisses  erfolgt  in  dem  in  Druck  befindlichen  Jahrbuch  101  des  hiesigen 
Alterthumsvereins. 

An  mehreren  Seminarconferenzen  hielt  der  Unterzeichnete  auch  in  dem  ab- 
gelaufenen Jahre  Vorträge  archäologischen  Inhaltes  und  erklärte  mehreren  wissen- 
schaftlichen Vereinen  der  Provinz  die  Alterthümer  des  Provincialmuseums. 

Der  Museumsdireeior 
Klein. 


—    73    — 

Bericht  Über  die  Thätigkeit  des  Provincialmuseums  in  der  2eit 

vom  I.  April  1896  bis  31.  März  1897. 

Im  Terflossenen  Etatsjahre  wurden  nur  in  Trier  selbst  Ausgrabungen  unter- 
nommen, welche  über  yerschiedene  wichtige  Einzelheiten  der  römischen  Topo- 
graphie von  Trier  interessante  Aufschlüsse  brachten. 

Westlich  von  den  Ruinen  des  römischen  Raiserpalastes,  und  zwar  ziemlich 
ge^iau  in  der  Hauptachse  dieses  Gebäudes,  wurde  innerhalb  des  vermuthlich 
ursprünglich  zum  Raiserpalast  gehörigen  Bezirkes  bei  Fundamentarbeiten  für  Neu- 
bauten an  der  Agnetenkaserne  ein  römisches  Badegebäude  aufgefunden.  Dank 
dem  Entgegenkommen  der  Garnison  Verwaltung  konnte  das  Museum  die  Anlage  vor 
der  durch  die  Neubauten  noth wendigen  Zerstörung  genau  untersuchen  und  auf- 
messen. Auch  wurden  wohlgelungene  photographische  Aufnahmen  von  der  Ge- 
sammtanlage und  von  verschiedenen  Einzelheiten  gemacht.  Vollständig  freigelegt 
wurde  der  noch  vortrefflich  erhaltene  Plattenboden  des  Auskleideraumes,  aus 
welchem  man  nach  Norden  und  nach  Süden  durch  kleine  Treppen  in  je  ein  eben- 
falls wohlerhaltenes  Badebassin  gelangte.  Die  beiden  Bassins  waren  rechteckig 
und  von  dicken  Mauern  umschlossen,  die  nach  der  Innenseite  mit  weissen  Marmor- 
platten verkleidet  waren;  auch  der  Boden  zeigte  einen  Belag  theils  aus  Marmor-, 
theils  aus  weissen  Kalksteinplatten.  Die  Platten,  von  denen  sich  noch  eine  Menge 
ansehnlicher  Bruchstücke  fanden,  waren  mit  langen  Bronzestiften  befestigt.  Mehr 
als  ein  Dutzend  dieser  Stifte  werden  im  Museum  aufbewahrt.  Bleiröhren  führten 
das  verbrauchte  Wasser  aus  den  beiden  Bassins  in  zwei  Canäle,  welche  unter  dem 
Boden  des  Auskleideraumes  sich  zu  einem  Canal  vereinigten,  der  in  der  Richtung 
nach  Westen  sich  geradlinig  fortsetzte.  Während  nun  im  Südwesten  des  Aus- 
kleideraumes nur  noch  ein  heizbarer  Raum  festgestellt  werden  konnte,  da  moderne 
Gebäude  dort  der  weiteren  Untersuchung  Halt  geboten,  setzt  sich  die  Anlage  nach 
Osten,  also  nach  dem  Raiserpalast  zu,  noch  weiter  fort.  Aus  dem  Auskleideraum 
nehmlich  trat  man  durch  eine  1,70  m  breite  Thür,  deren  Schwelle  noch  erhalten 
wnr,  in  ein  heizbares  Zimmer  von  7:5m  lichter  Weite,  in  dessen  östlicher 
Wand  zwei  Präfurnien  (Heizcanäle)  angebracht  waren.  Eine  2  m  weite  Thür  führt 
alsdann  in  ein  östlich  anstossendes,  anscheinend  noch  etwas  geräumigeres  Zimmer, 
welches  noch  nicht  untersucht  ist  Besonders  wichtig  ist,  dass  aus  zahlreich  ge- 
fundenen Münzen,  welche  theils  in  den  Abzugscanälen,  theils  in  den  Zimmern 
1^^^")  JA  sogar  in  den  Mörtel  des  einen  Bassins  festgebacken  waren,  und  welche 
sämmtlich  der  Zeit  der  sogenannten  30  Tyrannen  angehören,  sich  mit  Wahr- 
scheinlichkeit die  Erbauungszeit  des  Bades  ergiebt  Bestimmbar  sind  bisher  je 
ein  Rleinerz  des  Pianonius  Yictorinus  und  des  Tetricus,  sowie  drei  Rleinerze  des 
Claudius  Gothicus.  Zu  den  wichtigeren  Einzelfunden  gehört  ein  Ziegel  mit  dem 
Stempel  der  XXII.  Legion,  in  Trier  bekanntlich  eine  grosse  Seltenheit  (21  034). 

Dieses,  allem  Anscheine  nach  der  zweiten  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  angehörige 
Badegebäude  ist  nun  theilweisc  über  und  neben  den  Resten  eines  älteren  Bades 
erbaut,  wie  die  weitere  Untersuchung  im  Südosten  ergab.  Dieses  ältere  B^d,  von 
dem  bisher  nur  ein  ziemlich  kleines  Bassin  und  ein  daran  anstossendes  Zimmer 
gefunden  wurden,  dürfte,  nach  den  darin  gefundenen  Gefässscherben  zu  urtheilen, 
der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Jahrhunderts  n.  Chr.  angehören.  Es  wurde  durch 
Brand  zerstört.  Der  Wasserabzugskanal  des  jüngeren  Bades  läuft  quer  über  die 
beiden  bisher  gefundenen  Räume  des  älteren  Bades  weg  und  ist  auf  dessen  Brand- 
schutt errichtet.  Die  Fortsetzung  der  Ausgrabung  gegen  den  Raiserpalast  hin 
wird   alsbald   beginnen;    man  darf  hoffen,    dass  sich  noch  mit  Sicherheit  ergeben 


—     74     — 

wird,   ob   der  Kaiserpalast  mit   dem  jüngeren  Bade   zasammenhängt   oder  einer 
anderen  Periode  angehört.  — 

Ueber  die  bisherigen  Resultate  der  Ausgrabung  der  römischen  Stadt- 
befestigung von  Trier  ist  durch  den  Unterzeichneten  in  der  Westdeutschen 
Zeitschrift  XV,  1896,  S.  211  ff.  eingehend  berichtet  worden.  Die  Fortsetzung  der 
Grabungen  im  verflossenen  Jahre  hatte  im  Wesentlichen  folgende  Resultate. 
Zunächst  wurde  die  bisher  noch  wenig  untersuchte  Strecke  nördlich  rom  Amphi- 
theater in  Angriff  genommen.  Der  allgemeine  Lauf  der  Mauer  auf  dieser  Strecke« 
die  Bergstrasse  entlang,  war  schon  durch  mehrere  feste  Punkte  bekannt,  doch  war 
hier  namentlich  noch  kein  einziger  Thurm  entdeckt  worden.  Wir  fanden  alsbald 
einen  solchen  etwa  200  m  nördlich  vom  Nordausgange  des  Amphitheaters  in  der 
Nähe  des  Scbtltzenhauses.  Obwohl  nur  im  Fundament  erhalten,  liess  er  sich  noch 
genau  messen ;  es  war  ein  Rundthurm  von  8,63  m  äusserem  Durchmesser.  Elr  stimmt 
also  in  Grösse  imd  Anlage  mit  den  übrigen  schon  entdeckten  Thürmen  überein. 
Die  Versuche,  von  diesem  Thurm  aus  auf  den  im  Süden  der  Stadt  ermittelten 
Distanzen  weitere  Thürnie  zu  finden,  waren  bisher  noch  nicht  erfolgreich;  indessen 
lässt  sich  jetzt  schon  sagen,  dass  die  Thürme  auf  dieser  Strecke  jedenfalls  nicht 
enger  gestanden  haben,  als  auf  der  Südseite  der  Stadt.  Die  Breite  des  Stadt- 
mauerfundamentes beträgt  an  dieser  Stelle  3,63  m.  Reste  des  rothen  Fugenrer- 
putzes  wurden  im  Schutt  gefanden,  auch  "ein  Mörtelbrocken  mit  dem  Abdruck 
einer  genagelten  Schuhsohle  (20  924).  An  einer  Stelle  lagen  etwa  200  römische 
Falschmünzformen  aus  Thon  (20  660—20  852)  haufenweise  im  Schutt  — 

Sehr  wichtig  war  die  Untersuchung  einer  etwa  90  m  südlich  vom  Thunne 
gelegenen  Stelle  der  Stadtmauer,  wo  dieselbe  früheren  Beobachtungen  zufolge 
von  der  aus  dem  Ruwerthal  kommenden  römischen  Wasserleitung  durch- 
schnitten  werden  musste.  In  der  That  fand  sich  auch  der  Schnittpunkt  der  einen 
erhaltenen  Kante  der  Wasserleitung  mit  der  Aussenseite  der  Stadtmauer.  In  sehr 
spitzem  Winkel  trifft  das  Grünsteinmauerwerk  des  Canals  auf  die  Rnlksteinver- 
kleidung  der  Stadtmauer,  deren  Steine  an  der  Schnittstelle  deutlich  mit  Rücksicht 
auf  die  Wasserleitung  abgeschrägt  sind.  Dieser  Umstand  führte  za  der  Vermuthnng, 
dass  mit  dem  Bau  der  Stadtmauer  auf  die  schon  vorhandene  Wasserleitung  Rück- 
sicht genommen  werden  musste,  dass  also  die  Wasserleitung  älter  sei,  als  die 
Stadtmauer  Um  dieser,  für  die  Chronologie  wichtigen  Frage  noch  weiter  nach- 
zugehen, wurde  nunmehr  ein  langes  Stück  der  Wasserleitung  gegen  den  Petersberg 
hin  verfolgt,  da  man  erwarten  durfte,  aus  der  Art,  wie  die  Wasserleitung  den 
römischen  Festungsgraben  durchquerte,  weitere  Anhaltspunkte  für  das  zeitliche 
Verhältniss  der  beiden  Anlagen  zu  einander  zu  bekommen.  Wenn  es  nun  auch 
vorderhand  noch  nicht  gelungen  ist,  zu  einem  abschliessenden  E^rgebniss  zu  ge- 
langen, so  hatte  die  Grabung  doch  wichtige  Resultate.  —  Der  vorzugsweise  ans 
Grünstein  erbaute  Wasserleitungscanal  hat  74  cm  lichte  Weite  und  87  em  lichte 
Höhe.  Im  Innern  mit  dickem  Wasserbeton  verkleidet,  zeigt  er  in  den  Fugen  die 
charakteristischen  Mörtelwulste  (Viertelrundstäbe).  Aussen  reicht  das  Hauerwerk 
vom  Gewölbeansatz  1,37  m  weit  in  die  Tiefe,  die  Dicke  des  Canalbodena  betragt 
also  50  cm.  Oben  ist  der  Ganal  rundbogig  überwölbt.  Das  Fundament  ruht  stellen- 
weise, wo  es  der  weiche,  nasse  Grund  nöthig  machte,  auf  einem  Pfahlrost,  dessen 
Pfostenlöcher  an  einer  Stelle  noch  deutlich  erhalten  sind.  Sehr  merkwürdig  uad 
noch  nicht  genügend  erklärt  ist  die  Erscheinung,  dass  der  Canal  auf  der  einen 
Seite  von  einer  langen  Reihe  mächtiger  Kalk-  und  Sandsteinquadem  begleitet  ist, 
welche   augenscheinlich   den  Zweck   der  Festigung   der   einen  Canalwand   hatten. 


—     75     — 

Da  diese  Festigung  gerade  an  demjenigen  Theile  des  Canals  angebracht  ist, 
welcher  vermuthlich  durch  den  Graben  geführt  hat,  so  ist  es  möglich,  dass  hierin 
die  Erklärung  der  auffallenden  Erscheinung  zu  suchen  ist;  doch  kann,  bevor  ein 
gesichertes  Grabenprofil  an  der  Stelle  ermittelt  ist,  noch  nichts  Bestimmteres  hier- 
über gesagt  werden.  Der  Lauf  der  Wasserleitung  wurde  auf  etwa  100  m  durch 
die  Ausgrabungen  festgestellt;  sie  ist  an  einigen  Stellen  dieser  Strecke  noch  sehr 
gut  erhalten,  an  anderen  dagegen  fast  spurlos  verschwunden.   — 

Ganz  neuerdings  wurde  der  ebenfalls  noch  wenig  untersuchte  Theil  der  Be- 
festigung östlich  von  der  porta  nigra  an  der  Bahnhof-,  bczw.  Cbristophstrasse  in 
Augriff  genommen.  Zunächst  stellte  sich  heraus,  dass  auch  auf  dieser  Strecke  das 
Stadtmauerfundament  die  übliche  Breite  von  etwa  3,50  m  hut.  Dann  gelang  es, 
einen  Theil  des  aufgehenden  Mauerwerks  zu  finden,  welcher,  genau  wie  bei  der 
Südmauer,  eine  vierschichtige  Dossirung,  die  Verkleidung  des  Schieferbruchmauer- 
werks mit  sauber  zugerichteten  Kalksteinen  und  deutliche  Spuren  des  auch  sonst 
beobachteten  rothen  Fugen verputzes  zeigte,  so  dass  die  Gleichartigkeit  dieses 
Mauertheils  mit  den  übrigen  vollständig  gesichert  ist.  Etwa  100  m  von  der  porta 
nigra  fand  sich  in  allerletzter  Zeit  ein  Thurm,  der  allem  Anschein  nach  dieselbe 
Beschaffenheit  hat,  wie  die  übrigen  ThUrme  Mit  seiner  Preilegung  wird  fort- 
gefahren. — 

Eine  günstige  Gelegenheit  zur  weiteren  Untersuchung  des  nördlichen 
römischen  Gräberfeldes  von  Trier  bot  sich  gerade  gegenüber  der  porta  nigra 
auf  der  anderen  Seite  der  Nordallee,  wo  die  Pundamentgrube  für  ein  grosses 
Hotel  ausgeschachtet  wurde.  Es  fanden  sich  31  römische  Urnengräber  des  ersten 
und  zweiten  Jahrhunderts,  welche  sämmtlich  unter  Aufsicht  der  Museumsdirection 
gehoben  und  genau  verzeichnet  wurden.  Dank  dem  Entgegeiikommen  des  Besitzers, 
Hrn.  Kühl  wein,  war  es  möglich,  fünf  von  den  Gräbern,  die'  besonders  wichtig 
sind,  weil  sie  Münzen  enthielten,  für  das  Museum  zu  erwerben.  Es  sind  die 
Nummern  des  Inventars:  21  041  mit  4  Mittelerzen  der  Antonia  Augusta  und  des 
Tiberius;  21  042  mit  2  Mittelerzen  des  Tiberius;  21  043  mit  einem  Kleinerz  des 
Caligula  vom  Jahre  40  (Ch.  7);  21  044  mit  einem  Mittelerz  des  Traian  und  21  045 
mit  einem  Mittelerz  des  Nero.  —  Es  wurde  femer  beobachtet,  dass  das  Gräberfeld 
nur  bis  etwa  60  m  zur  porta  nigra  erhalten  ist,  dagegen  näher  zur  porta  nigra 
immer  tiefer  werdenden  Schuttschichten  Platz  macht:  eine  Erscheinung,  die  man 
mit  Wahrscheinlichkeit  der  Anlage  des  römischen  Pestungsgrabens  zuschreiben  darf. 

üeber  die  auf  der  anderen  Seite  des  Grabens  dicht  an  der  porta  nigra 
gefundene  Portsetzung  des  Gräberfeldes  ist  bereits  im  vorjährigen  Berichte  ge- 
handelt worden.  — 

Unter  den  Erwerbungen  des  Museums,  welche  sich  insgesammt  auf 
038  Nummern  belaufen,  ist  Folgendes  hervorzuheben: 

Römische  Abtheilung. 

I.  Steindenkmäler.  Inschriften:  Weihe-Inschrift  an  den  Gott  Mars  Inta- 
rabus,  gef.  in  Trier-Löwenbrücken  (21  040,  besprochen  im  Correspondenzblatt  der 
Westd.  Zeitschrift  XV,  1896,  Nr.  39).  Abguss  der  berühmten  Ehren-  und  Dank- 
inschrift der  Civitas  Treverornm  an  die  XXII.  Legion,  gef.  in  Mainz  (20483,  s. 
Westd.  Ztschr.  XV,  1896,  S.  260).  Zwei  christliche  Grabinschriften  des  Agricius 
und  der  Rusticula,  gef.  in  Maximin  bei  Trier  (2o446  und  20  544,  besprochen  im 
Corrbl.  XV,  1896,  Nr.  87  b  und  c). 


—     76    — 

Scnlptur-  und  Architectnrstücke:  Wohlerhaltener  Kopf  ans  weissem 
Marmor,  darstellend  einen  lockigen  Knaben  mit  Lorbeerkranz,  gef.  in  Trier  an 
der  Agnetenkaserne  (21  0'<8).  Dreiseitig  sculpirter  Block  von  einem  grösseren 
Denkmal,  darstellend :  Apollo  und  Daphne,  den  delphischen  Dreifossraub  und  einen 
früchtenaschenden  Eros,  gef.  in  Trier  an  der  Agnetenkaserne  (20  616,  s.  Corrbl.  XV, 
1896,  Nr.  87  a);  Kopf  aus  Metzer  Kalkstein,  darstellend  einen  bärtigen,  älteren 
Mann  mit  verhülltem  Hinterhaupt,  vielleicht  einen  Priester'  gef  in  Trier  (20  600). 
Bekränzter  Kopf  eines  bärtigen  Gottes,  aus  Sandstein,  vielleicht  von  einer  Gmppe 
des  Reiters  mit  dem  Giganten,  mit  mehreren  kleinen  Sculpturfragmenten  in  Dud- 
weiler bei  Saarbrücken  gefunden  (20  612).  Abguss  der  Epona-Statue  des  Saarbrücker 
Museums  (20  484,  abgeb.  Westd.  Ztschr.  XIV,  1895,  S.  397).  —  Kleines,  feinver- 
ziertes Capitell  ans  weissem  Marmor  (20  466),  ein  sehr  schön  erhaltenes  Composita- 
Oapitell  aus  Kalkstein  (20  465)  und  mehrere  Bruchstücke  sogenannter  toscanischer 
Säulen  aus  Sandstein  (20  467—20  470),  sämmtlich  in  Trier  gefunden. 

II.  Grabfunde.  Ein  ürnengrab,  bestehend  aus  einer  Urne  mit  Schuppen- 
verzierung, zwei  Sigillataschalen,  einem  Henkelkrug  und  einem  vortrefflich  erhaltenen 
bläulichen  Glasbecher  mit  der  gegossenen  Darstellung  von  vier  Wagenlenkem  mit 
ihren  Quadrigen,  sowie  einer  Uasenhetze;  am  oberen  Rande  des  Glases  stehen 
die  Namen  der  Wagenlcnker  (21  (K)8 — 21013);  gef.  bei  Jacobs-Knopp  an  der 
Strasse  Mürlenbach-Schönecken  (Eifel).  Die  fünf  durch  Münzen  datirten  Urnen- 
Gräber  (21  041 — 45),  welche  schon  oben  erwähnt  sind,  aus  dem  nördl.  Gräberfeld 
von  Trier.  Mehrere  ürnengräber  aus  Gusenburg  (bei  Hermeskeil);  in  einem  befand 
sich  eine  emaillirte  Fibel  (20  631—40).  Der  Inhalt  eines  Sarkophaggrabes,  be- 
stehend aus  drei  vorzüglich  erhaltenen  Henkelflaschen  aus  Glas,  von  denen  eine 
mit  einem  Glasfaden  umsponnen  ist,  zwei  schwarzen  Thonbechem  mit  Aufschriften 
^bibe^  und  ^dos^,   eitiem   schwarzen    und   einem   grauen  Becher  ohne  Aufschrift 

fnd  einem  Sigillatanäpfchen,  gef.  in  Maximin  bei  Trier  (20  545—52,  s.  Corrbl.  XV, 
896,  Nr.  876).  — 

In  der  Woche  nach  Pfingsten  wurde,  wie  alljährlich,  der  archäologische 
Feriencursus  für  westdeutsche  Gymnasiallehrer  durch  Hm.  Professor  Hettner 
und  den  Unterzeichneten  abgehalten.  Ausserdem  hielt  der  Unterzeichnete  archäo- 
logische Vorträge  im  wissenschaftlichen  Verein  und  in  der  Gesellschaft  für  nütz- 
liche Forschungen  und  erklärte  den  Schülern  mehrerer  Oberklassen  hiesiger  und 
auswärtiger  Gymnasien  das  Museum  und  die  römischen  Bauten  von  Trier. 

Der  Museumsdirector. 

I.  V. 

Dr.  Lehner. 


Funde  auf  dem  langobardisch-säohsischen  Friedhofe  bei  NienbOttel 

(Kreis  Uelzen). 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft  vom  19.  Juni  1S97.; 

Ungefähr  300  m  südlich  von  Nienbüttel  liegt  am  Fasse  des  Haarstorfer  Heid* 
bergs,  im  Lande  des  Gutsbesitzers  Meyer- Nienbüttel,  eine  sanfte  Bodenerhebung. 
Auf  dieser  befindet  sich  ein  lango bardisch-sächsischer  Friedhof,  der  von  S.  nach 
N.  etwa  135  Schritt  lang  und  von  0.  nach  W.  etwa  100  Schritt  breit  ist  Jetil 
ist  er  Ackerland.  Früher  war  er  mit  Heide  und  Gras  bewachsen  und  von  einem 
Graben  umgeben.    An  verschiedenen  Stellen  standen  auf  dem  Friedhofe  mächtig« 


—    77    — 

Felsblöcke,  die  aber  im  LaaTe  der  Jahre  su  Bäaser-  und  Strassenbau  verwandt 
worden.  Bin^  um  den  Friedhof  lagen  alte  Feldscbläge  von  8,50  m  Breite  und 
nicht  mehr  featzostellender  Länge  parallel  neben  einander. 

Die  Verbrennung  der  Todten  fand  in  der  Haarstorrer  Feldmark,  etwa  COO  m 
SSW.  vom  Friedhofe,  auf  dem  Baienkampe  (=  Verbrennnngsplatz)  statt  Dieser  Platz 
liegt  auf  einem  Analänfer  des  Baarstorfer  Bergea,  ttn  dessen  Abhänge  sich  ein 
kleiner  Saropf  und  eine  Quelle  befinden.  Noch  vor  einigen  Jahren  lagen  dort 
Holzkohlen  schichten  von  (1,50 — 1,50  m  Dicke,  zwischen  denen  auch  einige  Topf- 
Bcberben,  die  denen  des  Friedbofs  glichen,  gefunden  wurden. 

Die  Urnen  standen  anf  dem  Friedhofe  fast  an  der  Oberfläche  der  Erde  etwa 
1 — 3  ni  von  einander  entfernt,  besassen  keinen  Deckel  und  waren  mit  verbrannten 
Menscbenkoochen  geflillt.  Viele  dieser  Urnen  sind  schon  von  wissenschaftlicher 
Seite  anagegraben,  aber  in  keinem  in  der  Nähe  liegenden  Museum  zu  ßnden.  — 
Der  Rest  ist  vom  Pfluge  zerstört. 

Fast  alle  Urnen  bestanden  ans  gut  geschlemmten  und  gut  gebranntem  Thon, 
der  mit  mehr  oder  weniger  grobem  Sande  vermischt  war;  nur  einige  waren  ans 
Bronze.  Die  Farbe  der  Thonurnen  war  dunkelbraun  oder  schwarz,  die  Oberfläche 
glatt  und  durch  Punkt-,  Strich-,  Streifen-  und  Tupf-Ornamente  verziert  Der  Rand 
war  verdickt  und  etwas  nach  aussen  umgebogen.  Der  Boden  war  klein  und  die 
Oeffnnng  weit.  Die  grösste  Weite  lag  fast  immer  über  der  Mitte  der  Höhe.  Henkel, 
Henkclhuckcl  und  Hcnkelwülste  besassen  nur  wenige.  Die  Henkel  befanden  sieb 
stets  am  Rande,  waren  senkrecht  gestellt  und  sehr  klein,  so  dass  sie  sieb  nur 
zum  Durchziehen  einer  Schnur  oder  zum  Durchstecken  eines  Fingers  eigneten. 

Fiz.  1. 


Im  Jahre  1896  wurde  an  der  Südseite  des  Friedhofs  noch  eine  Schale,  Fig.  I, 
ausgepDUgt.     Sie  war  mit  den  verbrannten  Knochen  eines  grösseren  Kindes  gefüllt 
und  besieht  aus  Bronze,  die  mit  schöner  grtlner  Patina  überzogen  ist  und  an  ver- 
sehiedcncn  Stellen   noch   das  gelbe  Metall  durchschimmern  lüsst.    Der  Boden  ist 
wenig  gewölbt.    Ihre  grösste  Weite  betrügt  24,25  em,  ihre  kleinste  Weite  22,5  cm, 
ihre  Rundweite  24,1  cni,  die  Höhe  der  prösstea  Weite  2,a  ti«,  die         pj_  g     i. 
der  kleinsten  Weite  5,4  ctn  und  die  Randhöhe  5,8  cm.    Der  Rand 
selbst  besteht  aus  einem  14 — I6>n'»  breiten,  horizontalen,  bronzenen 
Blechatreifen.     Fast    an    dessen  Mitte    setzt    sich    die  Wand  des 
Gefässcs   an,   wie  Fig.  2   zeigt.    Auf  dem  Rande  befinden  sich         QucKchuilt 
zu  beiden  Seiten  des  Griffes  eingeschlagene  Verzierungen,  Fig.  3         j^,^  Scbalc" 
a  und  l>.    Der  Griff  ist   oben   hohl,   und   dicht  am  Rande  der 


Schale  mit  einem  Mcissel  itbgGSchlngen,  so  dnss  man  ihn  auf  den  ersten  Blick  für 
einen  Auslas  hält.  Das  Abschlagen  des  GrifTes  geschah  wohl  deshalb,  nm  die 
Schale  besser  mit  einem  Tuche  oder  mit  Leder  zubinden  zu  können. 


Im  Laufe  der  letzten  Jahre  wurden  noch  rol^^cnde  Gegenstände  gefunden: 
Fig.  4.  Eine  auf  der  vorderen  Seite  mit  eingeschlagenen  Figuren  Toriicrtc 
bronzene  Schnnlle.  Sie  besteht  aus  dem  Hügel  a,  dem  Dome  b  und  dem  Beschlag- 
bleche c.  Alle  drei  Theile  lassen  sich  um  den  SchDallenstift  d  drehen.  Die 
Schnalle  selbst  ist  3,5  c»  breit  und  .3,3  cm  lang.  Üas  Besclilagblech  ist  li,6  rm 
lang,  2,5  cm  breit  und  ausserdem  oben  roch  Li  »im  nach  hinten  nm  den  Schnallen- 


79 


atift  umgeschlagen  and  an  drei  Stellen  für  die  Domöhse  und  die  Bligelöhse  dnrcn- 
brochen.  Der  umgeschlagene  Theil  ist  mit  dem  vorderen  durch  zwei  Stitte  ver- 
bunden, so  dasB  zwischen  beiden  Blechen  ein  Biiam  von  1  mm  Tllr  die  Dicke  des 
Leders  bleibt  Die  unteren  beiden  Stifte  —  ein  Still  Tehlt  —  verbanden  hinten 
das  ßescblagblecb  mit  einem  21  mm  langen  und  6  mm  breiten  bronzenen  Blech  e. 
Der  mittlere  Stifl  scheint  das  Beschlagblech  hinten  mit  einer  runden  bronzenen 
Platte  verbunden  zu  haben. 

Fig.  5,  Eine  kleinere,  an  der  vorderen  Seite  durch  eingeschlagene  Fignren 
verzierte,  bronzene  Schnalle.  Ihr  Bchnallenstin  ist  an  der  Aossenseite  des  Bügels 
umgeschlagen,  so  dasa  sich  der  Bügel  nicht  am  den  Stift  drehen  kann.  Das  Be- 
schlagblech  ist  unter  den  beiden  oberen  Stiften  abgebrochen.  Seine  Länge  betrügt 
4,8  cm  und  seine  Breite  1,9  cm.  Nach  hinten  ist  es  1,3  cm  lang  am  den  Schnallen* 
Stift  umgeschlagen   und   durch  die  beiden  oberen  Stifte  mit  dem  vorderen  Tbeilc 


Fi«.  4. 


FiK-  5- 


Fig.  G. 


O  o 


verbunden,  so  dass  hier  ein  Baum  von  1,5  mm  für  die  Dicke  des  Leders  bleibt. 
Die  beiden  unteren  Stifte  des  Beschlagblechs  verbinden  das  Beschlagblech  mit 
einem  1,6  cm  lang:en  und  9  mnt  breiten  Bisenblech.  Der  Raum  für  die  Dicke  des 
Leders  ist  hier  2  »im  gross.  Die  Schnalle  selbst  ist  2,.')  cm  lang  und  %:i  cm  breit. 
Bei  (I  ist  der  Bügel  wie  auch  der  Dom  von  einem  feinen  .Silberdrahte  umgeben. 
Fig.  U.  Eine  S,3  cm  lange,  17,  bezw.  23  twui  breite  Schnalle.  Dieselbe  be- 
steht aus  einem  2,5  mm  breiten  und  ebenso  dicken,  viereckigen,  bronzenen  Draht- 
bOgel,  der  vom  durch  Kreise  mit  je  einem  Punkte  in  der  Mitte  —  wie  sie  Schnalle 
Fig.  4  zwischen  den  beiden  oberen  und  unteren  Stißen  auf  dem  Beschlagbleche 
und  Schnalle  Fig.  5  auf  dem  Bügel  zeigen  —  verziert  ist.  Am  unteren  Ende  ist 
der  Schnatlenbügel  mit  einem  '2,5  mm  dicken,  runden  Stift  vernietet,  um  den  sieh 
ein  4  mm  dickes,  vom  Feuer  beschädigtes  Bronzeblech  drehen  lasst.  Die  Zunge  der 
Schnalle  fehlt,    3  cm  von  dem  Schnallenätifie  ist  der  Bügel  etwas  dicker,  und  hier 


—    80    — 

befinden  sich  an  seiner  inneren  Seite  zwei  einander  gegenüberliegende  Vertiefungen, 
in  denen  sich  eine  Achse  drehte,  an  der  die  Zunge  befestigt  war.  Der  Aufschlag 
der  Zunge  ist  auf  der  Biegung  des  Bügels  durch  eine  kleine  Vertiefung  bezeichnet. 

Fig.  7.  Ein  zerbrochener  Scheidenbeschlag,  auf  der  vorderen  Seite  mit  ein- 
gefeilter Strichverzierung. 

Fig.  8.  Eine  zerbrochene  bronzene  Fibel,  auf  deren  Bogen  sich  in  einer 
Rille  zwei  Paar  gedrehter  Silberdrähte  befinden,  welche  unten  am  Bogen  von  zwei 
nebeneinanderliegenden   geringelten  Silberdräbten   begrenzt  werden.    Diese  letzten 

Fig.  8.  FiR.  9.    V* 

Fig.  7.    »/4  

'  Fig.  8a. 


Y 


Drähte  sind  quer  um  den  Bogen  bis  an  den,  auf  der  Aussenseite  mit  cingefeilter 
Fig.  Ha  verzierten  Nadelhalter  gebogen.    Feder  und  Sehne  der  Nadel  fehlen. 

Fig.  9.  Eine  bronzene  Fibel  von  3  cm  Länge.  Sie  hat  eine  3  an  lange 
gerollte  Feder,  deren  Sehne  über  dem  Bogen  liegt  und  durch  eine  auf  dem  Bogen 
befindliche  Oehse  geht 

Bruchstücke  von  eisernen  Gegenständen  (Speeren,  Framen  (Piken),  Saxen, 
Scheeren,  Messern,  Schildbuckeln  mit  Griffspangen,  Fibeln,  Rasirmessern  und 
Schnallen)  wurden  mehrere  gefunden.  Sie  sind  jedoch  so  verrostet  und  so  stark 
beschädigt,  dass  sich  keine  Form  und  Grösse  erkennen  lässt.  II.  Meyer. 


Neue  Funde  von  S.  Lucia  bei  Tolmein. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  der  BerL  anthrop.  Ges.  v.  16.  Oct  1897.) 

Diesen  Sommer  habe  ich  nach  einer  Unterbrechung  von  zwei  Jahren  die 
Grabungen  in  S.  Lucia  wieder  aufgenommen,  wobei  am  oberen  Bande  der  Nekropole 
weitere  67  Gräber  eröffnet  wurden,  so  dass  die  Zahl  der  von  mir  hier  durchsuchten 
Gräber  auf  3194  gebracht  wurde.  Im  Vergleiche  mit  den  früheren  Grabungen 
waren  heuer  verhältnissmäseig  häufiger  die  grossen  Urnen  (34),  daiVnter  zwei 
prächtig  erhaltene  kolossale  Situlen  aus  Bronze.  Die  eine  derselben  besitzt  eine  Höhe 
von  83  cm  und  einen  Umfang  von  214  an^  so  dass  sie  an  Grösse  alle  früher  jre- 
fundenen  weit  übersteigt  Die  zweite  ist  65  cm  hoch  und  hat  einen  grössten  Um- 
fang von  169  cm.  Auch  die  Zahl  der  beigegebenen  kleinen  Situlen  aus  Bronze  war 
ziemlich  ansehnlich  (14);  aber  leider  waren  nur  3  ganz  unversehrt.  Dagegen  waren 
Töpfe  aus  Thon  sehr  spärlich.  In  einer  Situla  fand  sich  ein  wohlerhaltenes 
hölzernes  Gefäss  in  Form  eines  Näpfchens. 

Wie  gewöhnlich  waren  unter  den  Schmuckgegenständen  am  häufigsten  die 
Fibeln  vertreten  —  gegen  100  Stück  — ,  so  dass  ich  aus  S.  Lucia  deren  bereits 
2200  besitze.  Einige  Exemplare  waren  sehr  reich  mit  Anhängseln  verziert  Weiter 
erhielt  ich  eine  Anzahl  Finger-,  Arm-,  Hals-  und  Ohrringe,  Knöpfe,  Anhängsel, 
Perlen  u.  s.  w.  Erwähnenswerth  ist  ein  schöner,  aus  32  grossen  rothen  Bernstein- 
perlen  bestehender  Halsschmuck.  C.  de  MarchesettL 


Abgeschlossen  im  September  1897. 


Ergänznngsblätter  zur  Zeitschrift  für  Ethnologie. 

Nachrichten  über  deutsche  Alterthnmsfonde. 

Mit  Unterstützimg  des  Eöniglicli  Prenss.  Ministeriums 
der  geistliclien,  Unterrichts-  und  Medicinal- Angelegenheiten 

herausgegeben  von  der 

Berliner  fiesellsehaft  fftr  Anthropologie,  Ethnologie  nnd  Urgeschichte 

unter  Bedactlon  von 

R.  Virchow  und  A.  Voss. 


Achter  Jahrg.  1897»  I  Verlag  von  A.  A8HEB  &  Co.  in  Berlin.  Heft  6. 


HOgelgräber  am  Losenmeere  in  der  Haarstorfer  Feldmark 

(Kreis  Uelzen). 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft  vom  19.  Juni  1897.) 

Das  Losemeer,  welches  in  der  Haarstorfer  Feldmark  zwischen  dem  Voss-  und 
Brommbarge  liegt,  ist  jetzt  ein  Sumpf,  der  im  Sommer  fast  austrocknet  und  seinen 
Abfluss  nach  Süden  —  nach  Ebstorf  —  hin  hat.  Es  geht  Ton  ihm  die  Sage: 
^Das  Losemeer  hat  seinen  Namen  von  einem  Manne  mit  Namen  Lose,  dessen 
Haus  im  Losenmeere  stand  und  dort  unterging."  Vermuthlich  beruht  diese  Sage 
auf  Thatsachen,  denn  es  ist  recht  gut  möglich,  —  obwohl  noch  durch  keine 
Funde  bewiesen,  —  dass  sich  im  Losenmeere  eine  Wohnung  (yielleicht  ein 
Pfahlbau)  befand,  dessen  Besitzer  wirklich  Lose  hiess.  Wenn  dieser  Name  auch 
fast  unwahrscheinlich  klingen  mag,  so  weise  ich  darauf  hin,  dass  sich  in  hiesiger 
Qegend  mehrere  Hügelgräber  befinden,  deren  Namen  ebenfalls  auf  die  dort 
Ruhenden  zu  deuten  scheinen.  Für  die  frühere  EIxistenz  einer  Wohnung 
sprechen  die  an  den  Ufern  des  Losenmeeres  liegenden  Hügelgräber,  auf  denen 
einst  grosse  Steine  standen  und  die  auch  mit  Steinkränzen  umgeben  gewesen  sein 
sollen.  Zwei  Hügel,  Nr.  1  und  2,  liegen  am  östlichen  Ufer,  am  WNW.-Hange  des 
Brommbarges.  Ein  dritter,  Nr.  3,  liegt  am  gegenüberliegenden  Ufer,  am  O.-Hange 
des  Vossbarges.  Ein  vierter  scheint  am  NO.-Ufer  des  Losenmeeres  mit  Nr.  1  und 
2  in  einer  Reihe  gelegen  zu  haben.  Früher  waren  diese  Hügel  mit  Buchen  be- 
wachsen, von  denen  man  noch  Wurzeln  im  Boden  findet;  dann  waren  sie  eine 
Zeit  lang  Ackerland,  und  vor  einigen  Jahren  wurden  sie  mit  Tannen  bepflanzt 
Es  ist  daher  bei  allen  Hügeln  die  genaue  Höhe  und  der  genaue  Durchmesser 
nicht  mehr  festzustellen. 

Hügelgrab  1  ist  noch  ungeöffnet.  ' 

Hügelgrab  2  (Fig.  1)  hatte  ?or  dem  Oeflhen  eine  kugelsegmentartige  Form, 
eine  Höhe  von  1,30  m,  einen  Durchmesser  von  16,70  m.  Der  Hügel  wurde  im  Jahre 
1892  geöffnet  Im  SO.  befanden  sich  ungefähr  0,90  m  von  seiner  Peripherie  vier 
Steine,  die  in  .einem  Bogen  neben  einander  standen,  und  deren  grösster  96  cm  hoch, 
75  cm  breit  und  52  cm  dick  war.  Im  SW.  war  in  einer  Entfernung  von  etwa 
2,20  m  von  der  Peripherie  des  Hügels  eine  bogenförmige  Steinmauer  von  nicht 
ganz  so  grossen  Steinen,  wie  die  im  SO.,  gebaut  Sie  ist  5,95  m  lang  und  besteht 
aus  aufrecht  stehenden  Steinen.  Ihre  Oberfläche  ist  eben;  da,  wo  ein  Stein 
eine  zu  geringe  Höhe   hatte   oder   wo  die  dicht  aneinandergestellten  Steine  oben 

6 


eine  Lücke   Hessen,   waren  Steine  darauf-  oder  dazwischengelegt.    Im  NW.  lagen 

mehrere  kleine  Steine  Ton  angefähr  2(1  cm  Dnrchroesser  und  zwischen  ihnen  einige 

Fig.  1. 


o^ß^^M^^^l 


<£,  Oö 


'oo 


J.- 


cfX) 


»o»  IS. 


\ 


Scherben  eines  dickwandigen  Gefässea,  einige  verbrannte  Knochen  and  sehr  wenig 
Kohlen.  Vcrranthlich  stand  hier  eine  Urne.  Im  ONO.  befand  sich  eine  nngerähr 
ti  m    lange  Steinreihe    ans  ähnlichen  Steinen,    wie  im  NW.     Dieselben  lagen  aber 


—     83     — 

sehr  unregelmässtg,  und  der  Boden  liess  —  wie  auch  im  NW.  —  Spuren  von 
früherer  Zerstörung  erkennen.  Auch  wurden  hier  Steinsplitter  von  gespaltenen  Steinen 
gefunden,  so  dass  anzunehmen  ist,  dass  hier  grössere  Steine,  wie  sie  im  8W.  und 
80.  standen,  gespalten  wurden.  Alle  diese  Steine,  vielleicht  mit  Ausnahme  der 
im  NW.,  scheinen  Theile  eines  ovalen  Steinkranzes  (der  sich  im  Innern  des  Hügels 
befand  und  dessen  Längsaxe  von  SO.  nach  NW.  gerichtet  war)  gewesen  zu  sein, 
2umal  da  an  entsprechenden  Stellen  noch  einzelne  Steine  und  Steinsplitter  gefunden 
wurden.  Im  WSW.  hat  dieser  Steinkranz  eine  Oeffnnng  gehabt,  denn  hier  lagen 
zwei  bronzene  Armringe,  und  von  einer  Zerstörung  war  hier  nichts  zu  bemerken. 
Die  Spuren  der  Zerstörung  Hessen  sich  erst  etwa  2  m  NW.  von  der  Steinmauer  er- 
kennen. 

Zwischen  den  Steinen  im  ONO.  lagen  an  ihrem  Nord  ende  einige  Scherben 
eines  dickwandigen  Gcfasses  und  die  kleine,  stark  beschädigte  Urne  164'),  jedoch 
nicht  in  ihrer  ursprünglichen  Lage.  Sie  hat  wohl  in  der  Nähe  gestanden  und  ist 
beim  Ausheben  der  Steine  hierher  gerathen.  Scherben  von  ihr  wurden  in  der  Nähe 
und  in  verschiedenen  Tiefen  gefunden.  In  der  nördlichen  Hälfte  und  fast  in 
der  Mitte  des  Hügels  befanden  sich  zwei  aus  Feldsteinen  erbaute,  oben  ebene 
Verbrennnngsplätze.  Sie  ragten  beide  ^^O  nn  über  der  Grundfläche  des  Hügels 
hervor  und  waren  sehr  sorgfältig  und  vollkommen  gleicbmässig  gebaut.  Die 
Erbauer  dieser  Brandstellen  hatten  zuerst  zwei  1,20  m  tiefe,  0,90  breite  und  4,40  m 
lange,  rechtwinklige  Gruben  gegraben  und  die  ausgeworfene  Erde  vollkommen 
glcichmässig  bis  ungefähr  zu  einer  Entfernung  von  1,50  tu  um  die  Gruben  aus- 
gebreitet, so  dass  sie  mit  der  über  den  Humus  hervorragenden  Krandstelle  gleich 
hoch  lag.  Unten  in  der  Grube  hatten  sie  auf  den  schön  geebneten  Boden  4 — 6  cm 
dicke,  flache  Steine  von  verschiedener  Grösse  so  eng  aneinandergelegt,  dass  mit 
der  Spitzhacke  kaum  zwischen  sie  zu  kommen  war.  Ueber  diesen  Steinen  lag 
eine  7  cm  dicke  Schicht  weissen  Sandes,  die  mit  huselnussgrossen  Kohlen  wenig 
vermischt  war.  Auf  iliesem  Sande  lagen  Steine  von  ungefähr  \0 — 50  cm  Durch- 
messer und  zwischen  ihnen  reine  Holzkohlen  und  Asche.  Die  nördliche  Ver- 
brennnngsstätte  war  von  Osten  nach  Westen  gerichtet.  Die  südliche  lief  fast  in 
gleicher  Richtung,  divergirte  mit  der  ersteren  aber  etwas  im  Osten. 

Auf  der  nördlichen  Verbrennungsstätte  lag  auf  einem  Steine  des  westlichen 
Endes  die  Nadel  21  (Fig.  2)  mit  der  Spitze  nach  Westen.  35  cm  nördlich  von  derselben 
Verbrennungsstätte   lag  fast  an  ihrem  Ostende  auf  dem  Sande  aus  der  Grube  die 

Fig.  2  Fig.  3. 


HMIlUhti 


Speerspitze  36  (Fig.  3)  mit  der  Spitze  gegen  Osten.  Um  sie  befand  sich  dunkle, 
lehmige,  mit  Kohlen  vermischte  Erde,  die  sich  nach  Westen  (der  Schaftseite)  hin 
in  geringer  Breite  ausdehnte.  Am  Ostende  der  Verbrennungstätte  lagen  in  gleicher 
Höhe,  wie  der  Speer,  einige  Knochen  einer  vom  Feuer  beschädigten  Hirnschale.  Fast 
von  der  SO.-Ecke  dieser  Verbrennungsstätte  zog  sich  bis  zum  westlichen  Drittel 
der  südlichen  Verbrennungsstätte  eine  Steinpflasterung,  die  sich  nach  SO.  hin  aus- 
dehnte und  mit  Kohlen  und  Asche  —  besonders  sehr  stark  im  NW.  —  bestreut 
war.  Sie  wurde  im  NW.  von  einer  nach  dieser  Richtung  hin  convexen  Linie  be- 
grenzt.    Im  80.    war   die  Grenze    etwas   unregelmässig,    da  hier  die  Steine  nicht 

V  Die  Nummern  hinter  den  Funden  beziehen  sich  auf  den  Katalog. 


84 


eng  aneinander) aften.  Ungeßifar  70  em  sddöstlich  von  dieser  SIeinpflastening  lagen  in 
der  gelbUcben  HUgelerde  4  Steine  von  30 — 55  em  DnrchmeaHer  bogenfSnm^  mit 
der  concaTen  Seite  nach  WNIP.,  i&  cm  höher,  ala  die  Pflasterung,  ohne  mit 
Kohlen  und  Asche  bestreut  zn  sein.  56  cm  sttdlicb  von  diesen  Steinen  begann  die  afid- 
liche  Verbrennangsstätte,  die  sich  Ton  hier  aas  in  Tast  westlicher  Kichtnng  erakeckte. 


Fig.  4. 


Fig.  6. 
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O    O03 


Auf  den  Steinen  ihres  östlichen  Endes  lag  der  Hal8nng49  (Fig.4),  mit  derO 
nach  W.,  der  Unterarmring  47  and  die  Perlen  50  (Fig.  5).  50  em  efldlich  von  dieser 
Verbrennnngsstätle  lagen  die  Scherben  der  Urne  4:<,  von  dieser  2,70  m  sOdöstlich  die 
Scherben  der  mit  einem  Deckel  Tcrschen  gewesenen  Urne  75,  und  1,30  m  weiter 
südöstlich  die  Scherben  der  Urne  77.    Alle  drei  Gewisse  beladen  sich  Itut  an  der 


—    85    — 

Oberfläche  des  Hügels  und  waren  mit  dunkler,  lehmiger  Erde  und  vereinzelt 
liegenden  Kohlen  umgeben.  Um  43  und  75  lagen  in  horizontaler  Ebene  ausserdem 
noch  je  5  Steine  von  ungefähr  10 — 20  cm  Durchmesser.  Die  Urne  28  (Fig.  6) 
befand  sich  mit  ihrem  Rande  etwas  unter  der  Grundfläche  des  Hligels  und  stand 
westlich  von  beiden  Yerbrennungsstätten.  Um  sie  lagen  Erde  und  Kohlen,  wie 
um  die  Yorigeu  Urnen,  und  ausserdem  6  Steine  in  horizontaler  Ebene  und  in  Höhe 
ihrer  grössten  Weise.  Betrachten  wir  nun  die  Stellung  dieser  Urnen,  so  standen 
sie  ausser  Urne  164  fast  in  einer  Reihe  von  SO.  nach  NW.  durch  die  Mitte  des 
Hügels.  Dies  macht  es  wahrscheinlich,  dass  bei  den  Steinen  und  Scherben  im 
NW.,  welche  sich  mit  den  Urnen  in  einer  Reihe  befanden,  eine  Urne  ätand. 

Zwischen  der  nördlichen  Verbrennungsstätte  und  der  Steinmauer  im  SW. 
lagen  nun  die  meisten  bronzenen  Gegenstände.  Fast  in  der  Mitte  zwischen  dem 
NW.-Ende  der  Steinmauer  und  der  SW.-Ecke  der  südlichen  Verbrennungsstätte 
lag  der  Oberarmring  40;  2,65  wi  nach  SO.  der  zu  diesem-^gehörige*  Oberarmring  48; 
1,30  w  weiter  südöstlich  der  Unterarmring  54;  19  cm  weiter  die  NaSel  56  (Fig.  8), 
mit  der  Spitze  nach  SW.  gerichtet,  und  30  cm  weiter  nach  SO.  die  mit  vermodertem 
Leder  umgebene  Spange  57  (Fig.  9),  mit  der  Schildseite  nach  OSO.  Von  diesen 
drei  letzten  Funden  lag  der  Unterarmring  55  (Fig.  14),  welcher  dem  Ringe  54 
gleicht,  ungefähr  80  cm  SSW.  Alle  diese  bronzenen  Funde  zwischen  der  südlichen 
Verbrennungsstätte  und  der  Steinmauer  lagen  auf  der  Grundfläche  des  Hügels  und 
waren  mit  dunkler,  lehmiger  Erde  und  einzeln  liegenden  Kohlen  umgeben.  Der 
Ring  48  war  ausserdem  noch  in  horizontaler  Ebene  von  6  Steinen  umlegt.-  Der 
Ring  55  und  die  Spange  57  lagen  zwischen  2  Steinen,  ein  Stein  lag  im  SO.  neben 
Nadel  56.  1,60  m  NW.  von  der  Steinmauer  lagen  der  Oberarmring  39  (Fig.  7)  und  der 
Unterarmring  38  (Fig.  15)  fast  an  der  ObeHläche  des  Hügels  und  mit  gleicher  Erde, 
wie  die  letzten  Bronzen,  umgeben.  Sie  lagen,  die  Oeffnungen  gegen  einander  gekehrt, 
in  NO.-Richtung  neben  einander  und  waren  in  horizontaler  Ebene  von  7  Steinen 
umgeben.  Diese  Steine,  wie  auch  die  um  die  anderen  Bronzen,  hatten  dieselbe 
Grösse,  wie  die  um  die  Urnen. 

Betrachten  wir  nun  die  Lage  der  Funde  zu  den  Yerbrennungsstätten,  so  finden 
wir  bei  der  nördlichen  Verbrennungsstätte  die  Speerspitze  und  eine  Nadel,  bei  der 
südlichen  Halsring,  Armbänder,  Perlen  u.  s.  w.  Auf  der  nördlichen  wurde  also 
ein  Mann,  auf  der  südlichen  eine  oder  mehrere  Frauen  verbrannt.  Die  Erbauung 
dieser  Verbrennungsstätten  ist  wahrscheinlich  gleichzeitig  gewesen,  da  die  Erde 
überall  die  gleiche  Farbe  und  Zu^mmensetzung  hatte. 

Die  Gefässe  bestehen  alle  aus  Thon,  der  mit  Ausnahme  von  Urne  164  mit 
sehr  groben  Sande  und  oft  mit  kleinen  Steinchen  vermischt  ist.  Sie  waren  schon 
alle  bei  ihrem  Biossiegen  durch  den  Pflug  oder  durch  Frost  und  Wurzeln  zerstört. 
Nur  die  Urne  28  (Fig.  6)  ist  noch  verhältnissmässig  heil.  Sie  war  mit  den  sehr  gut 
verbrannten  Knochen  eines  Erwachsenen  bis  zu  etwa  Vs  gefüllt.  Der  obere  Theil  enthielt 
die  dunkle,  lehmige  Erde  ihrer  Umgebung,  die,  nach  der  trichterförmigen  Senkung 
über  der  Urne  zu  urtheilen,  in  sie  hineingefallen  war.  Wir  können  deshalb  wohl 
annehmen,  dass  die  Urne  zuerst  mit  irgend  einem  Gegenstande  zugedeckt  war, 
der  später  vermoderte  und  die  Erde  hineinfallen  Hess.  Der  Bodendurchmesser 
der  Urne  beträgt  12  cm,  die  grösste  Weite  28,3  cm^  die  Rand  weite  21  cm,  die 
Höhe  der  grössten  Weite  13,5  cm,  die  Randhöhe  21  cm^  die  Dicke  ihrer  Wände 
1,2  cm.  Sie  ist  aussen  glatt  und  gelbbraun  bis  schwarzbraun,  innen  ebenfalls  glatt, 
aber  dunkler,  als  aussen.  Die  gleiche  Oberfläche  und  Farbe  hat  Urne  77.  Ihr 
Bodendurchmesser  beträgt  14,5  cm,  die  Dicke  des  Bodens  2,*i  cm,  die  ihrer  Wände 
1,2  cm.    Die  Urnen  43  und  75  sind  aussen  röthlich  braun  und  bis  ungefähr  zu  5  cm 


-     86    — 

unter  dem  Rande  rauh  beworfen,  innen  sind  sie  glatt  und  fast  schwarz.  Der 
Bodendurchmesser  von  75  beträgt  II  c",  die  Dicke  des  Bodens  1,*2  cm,  die  der 
Wände  6 — 10  mm.  Diese  Urne  hat  einen  Deckel  besessen,  von  dem  allerdings 
nur  die  Randscherben  zu  erkennen  waren.  Die  Scherben  sind  aussen  und  innen 
glatt  und  rothbraun.  Sie  sind  nach  einwärts  gebogen  und  lassen  auf  einen  schalen- 
förmigen Deckel  schliessen.  Eine  von  diesen  Scherben  zeigt  eine  Henkelnarbe, 
die  von  einem  kleinen,  senkrechten,  am  Rande  beginnenden  Henkel  herrührt.  Der 
Inhalt  der  drei  letzten  Urnen  bestand  ebenfalls  nur  aus  verbrannten  Knochen  von 
Erwachsenen.  Die  Urne  161  ist  bedeutend  kleiner,  als  die  vorigen.  Sie  besteht 
aus  besser  geschlemmtem  Thon,  der  mit  feinerem  Sande  vermischt  ist,  und  enthielt 
die  verbrannten  Knochen  eines  kleinen  Kindes.  Ihre  Farbe  ist  dunkelbraun  bis 
schwarz,  ihre  Oberfläche  aussen  und  innen  glatt.  Der  Bodendurchmesser  be- 
trägt 6,5  i-ni,  die  grösste  Weite  U,5  cm,  ihre  Randhöhe  8  cw,  die  Dicke  ihrer 
Wände  4mm,  Die  übrigen  Scherben,  welche  sehr  zerstreut  an  verschiedenen 
Stellen  der  Grundfläche  des  Httgels  lagen,  sowie  auch  die,  welche  bei  den  Steinen 
im  NW.  gefunden  wurden,  rühren  von  grösseren  dickwandigen  Gefassen  her,  sind 
fast  alle  aussen  rauh  beworfen  und  haben  eine  braune  bis  dunkelbraune  Farbe. 
Innen  sind  sie  immer  glatt  und  dunkler,  als  aussen,  gefärbt. 

Die  Grabbeigaben*)  bestehen,  mit  Ausnahme  der  Perlen  aus  Glas  und  Bern- 
stein, alle  aus  Bronze.  Dieselbe  ist  aber  schon  so  stark  in  Patina  übenj^egangen, 
dass  kaum  noch  ein  schwacher  Kern  von  Bronze  übrig  geblieben  ist.  Einige  Bei- 
gaben bestehen  nur  noch  aus  Patina  und  wurden  daher  beim  Ausheben  sehr 
beschädigt. 

Die  Speerspitze  36  (Fig.  3)  ist  14,6  cm  lang;  die  grösste  Breite  des  weideo- 
blattartigen  Blattes  beträgt  3,7  cw,  die  Weite  der  Tülle  2,*J  cm;  die  Weiten  der  sich 
gegenüber  liegenden  Nietlöcher,  welche  mit  dem  Blatte  in  einer  Ebene  liegen, 
betragen  5,  bezw.  3  mm.  Die  Schaftröhre  geht  bis  zur  Spitze,  ist  innen  sehr  weit 
hinauf  hohl  und  enthält  noch  einen  Theil  des  hölzernen  Schaftes.  Auf  ihr  befindet 
sich  eine  1  V  ^  bis  '2  mm  breite  Mittelrippe,  die  von  der  Spitze  bis  zum  Ansatz  des 
Blattes  läuft.  Das  Blatt  selbst  hat  nur  eine  geringe  Stärke  und  ist  an  den  Schneiden 
geschliffen.  Was  den  Schaft  anbetrifft,  so  lässt  sich  seine  genaue  Länge  nicht 
mehr  feststellen,  da  er  bis  auf  den  Theil  in  der  Tülle  vollkommen  vermodert  ist. 
Wenn  ich  aber  die  Ausdehnung  der  Kohlen  und  der  dunklen  Erde,  die  um  die 
Speerspitze  lagen  und  sich  in  geringer  Breite  bis  zu  einer  Länge  von  i,Ui  im 
von  0.  nach  W.  hin  ausdehnten  und  wohl  den  Schaft  umgaben,  in  Betracht  ziehe, 
so  mag  der  Speer  mit  der  Spitze,  wenn  die  gleiche  Länge  der  dunklen  Erde, 
die  nach  Osten  hin  über  die  Spitze  hinausragte,  auch  im  Westen  in  Abrechnung 
kommt,  etwa  1,60  m  lang  gewesen  sein. 

Die  Nadel  56  (Fig.  8)  wird  von  der  Spitze  bis  zum  Halse  allmählich  dicker, 
schwillt  dann  bis  zu  5  mm  an,  um  sich  nach  kurzer  Verjüngung  wieder  zu  einem 
umgekehrt  kegelförmigen,  oben  flachen  Kopfe  zu  erweitem.  Ihre  Länge  beträgt 
21,2  cm, 

1)  AehnlJche  und  gleiche  Funde,  wie  die  oben  beschriebenen: 

1.  V.  Estorff,  Heidnische  Alterthümer,  Tafel  Vlf,  Fig.  2  (Todtcnkamp  b.  Heitbnik  . 

2.  Naue,  Bronzcxeit,  S    163,  Fig    l. 

8.   Naue,  Bronzezeit,  S.  155,  Fig.  E;  v.  Estorff,  Heidnische  Alterthümer,  Tafel  VIII, 
Fig.  15  (Hanstedt  b.  Uelzen). 

4.  Naue,  Bronzezeit,  S.  177,  Fig.  A;  v.  Estorff,  Heidnische  Alterthümer,  Tafel  X, 
Fig.  8  (Gross-Liedem). 

5.  v.  Estorff,  Heidnische  Alterthümer,  Tafel  X,  Fig.  13  ^Molzen:,  Fig.  14  (Wellen- 
dorf),  Fig.  19  (Bödden8tedt\ 


—     87     — 

Von  etwa  gleitiber  Lunge  war  auch  die  Nadel  ü  (Fig.  ä).  Sie  ist  leider  fast 
Tollkommen  zerfallen.  Nar  dag  angegchwollene  Stock  des  Halses  ist  erbalten. 
Dieses  ist  geringelt  uod  in  der  Mitte  7  tum  dick. 

Der  Halaring  49  (t^.  4),  welcher  —  wie  alle  anderen  Armringe  —  olfen  ist, 
schwillt  nach  der  lütte  bis  zu  6  mm  an  und  hat  eingekerbte  Windungen,  die  nach 
einer  Bichtnng  laufen  und  3,3  cm  von  den  Enden  beginnen. 

Die  Oberarmringe  40  und  48  (betr.  48  siehe  Fig.  10  und  11)  sind  auf  der 
äuBBeren  conrexen  Seile  durch  3  Zweiecke,  die  durch  Bündel  von  parallelen  hori- 
Eonlalen  und  vertikalen  Strichen  getrennt  sind,  verziert.  Innen  sind  sie  etwas  coacav 
und  nicht  verziert.  Der  Oberarmring  39  (Fig.  7)  ist  den  Bingen  40  und  48  Hbnlioh; 
innen  ist  er  aber  etwas  concaver,  nnd  seine  änssere  convexe  Seite  ist  durch  ?ier 
Zweiecke,  die  durch  drei  Linien,  wie  in  Fig.  I2,  begrenzt  sind,  verziert  Die 
mittler«]  dieser  beiden  Zweiecke  sind  durch  4  senkrechte  Bündel,  die  mit  drei 
horizontalen  abwechseln,  getrennt.  Die  Trennung  der  anderen  Zweiecke  ist,  wie 
bei  40  nnd  -18.  ' 

Fig.  10.    Vonierung  des  OberaimringcB  48.    N»t.  QrOsse. 


Fig.  12.    VenieniDg  des  UnterannriDgea  38.    Nat.  Gröuse. 


D 


Unersehnitt  von  48.     „ 

Nst.  Ürfl^Bo.  Qumchintt  von  a 

Nst.  Grösse. 

Die  Unterarmbänder  54  und  bb  (Fig.  14)  sind  im  Querschnitt  mnd,  aussen 
geringelt,  innen  glatt     Ihre  Dicke  beträgt  7 — 8  mm. 

Das  Unterarmband  38  (Fig.  12,  13  ii.  15)  ist  durch  drei  Zweiecke  verziert, 
die  dorch  Btlschet  senkrechter  paralleler  Linien  und  horizontaler  Winkellinien 
getrennt  sind.    Bs  ist  aussen  conven,  innen  eben  und  nicht  verziert. 

Der  ihm  ähnliche  Unterarmring  47  ist  stark  durch  den  Spaten  beschädigt 
Auch  er  ist  verziert,  jedoch  lässt  sich  von  seiner  Verzierung  nur  wenig  erkennen. 

Die  Spange  bl  (Fig.  9}  ist  sehr  zerbrochen;  an  ihrer  Palina  befanden  und 
befinden  sich  auch  jetzt  noch  Reste  von  vermodertem  Lcder.  Die  Durchmesser 
der  Spiralen  bettagen  7,^  cm,  ihre  Dicke  4,5  mm,  die  Länge  des  Schildes 
7,7  cm,  seine  Breite  3,3  cm.  Die  Nadel,  deren  oberer  Theil  vollkommen  zerfiel, 
ist  von  4,5  mm  Dicke,   etwas  gebogen   und   wird   am  Ende   plötzlich  spitz.    Von 


—    88    — 


1 

4 

Siaasse  an 

Ringen. 

tslog- 
ummer 

Grösste 

Kleinste 

Weite  der 

f     T>            •!. 

Dicke 

Weite 

Weite 

Oeffnong 

t  Breite 

Art 

cm 

cm 

mm 

cm 

fltfA 

38 

7,1 

6,1 

11 

1,9 

2,5 

UnterannriDg 

89 

9,9 

8 

5,5 

1,5 

8,5 

Ober-     „ 

40 

9 

8 

8 

1.6 

4 

W               9 

47 

— • 

— 

2,8 

2,5 

Unter-  „ 

48 

8,8 

7,5 

2,5 

1,6 

4 

Ober-    , 

49 

15 

18 

81 

"^                                       1 

bis  6 

Halsring 

64 

6 

4,9 

2,5 

J 

7—8 

UnterarmriDg 

55 

5,8 

4,7 

0 

1 

1 

( 

7-8 

n. 

Verzierungen  ist  nur  anf  dem  Schilde  etwas  zu  erkennen:  es  laufen  längs  der 
Bänder  desselben  zwei  Reihen  Ton  Strichen;  die  äusseren  sind  parallele  senkrechte 
Bogenstriche. 

Von  den  Perlen  bestehen  15  aus  grünlichblauem  Glase,  eine  aus  schwarzem 
Glase  und  eine  aus  Bernstein.  Letztere  ist  aber  Tollkommen  verwittert  Die 
Glasperlen  sind  grösstentheils  noch  ziemlich  gut  erhalten.  Ihre  Durchmesser 
betragen  9 — 13  mm,  die  ihrer  Löcher  2 — 8  mm,  ihre  Höhen  5 — 6wiwi.  — 

Hügelgrab  3  hatte  vor  dem  Oeffnen  eine  kugelsegmentartige  Form,  eine  Höhe 
Ton  0,70  m  und  einen  Durchmesser  von  12  m.  Der  Hügel  war  schon  vollständig 
zerstört.  Auf  seiner  Oberfläche  lagen  mehrere,  denen  in  Grab  2  ähnliche  Scherben 
von  Gefässen  und  verbrannte  Menschenknochen,  die  wohl  früher  in  den  GefÜssen 
gelegen  haben.  Auf  der  Grundfläche  fanden  sich  noch  Reste  von  zwei  Steinsetzungen 
vor,  die,  1,20  m  von  einander  entfernt,  von  Osten  nach  Westen  parallel  liefen.  Sie 
sind  unten  beide  4,20  m  lang  und  haben  abgerundete  Ecken.  Die  südliche,  fast  in 
der  Mitte  liegende  Steinsetzung  hat  unten  eine  Breite  von  fast  2  m,  in  einer  Höhe 
von  60  cm  eine  Breite  von  1,55  m.  Die  nördliche  war  auf  der  Grundfläche  etwas 
schmäler  als  die  vorige  und  fast  vollständig  zerstört,  so  dass  keine  Maasse  genommen 
werden  konnten.  Die  Steine  beider  Steinsetzungen  sind  unbearbeitete  Feldsteine 
von  etwa  10 — 40  cm  Durchmesser.  Kohlen  wurden  nur  wenig  und  sehr  zerstreut 
liegend  gefunden.  Das  Grab  soll  schon  einmal  von  fachwissenschafllicher  Seite 
untersucht  sein.    Ich  konnte  jedoch  nichts  Näheres  darüber  erfahren. 

H.  Meyer. 


Ein  Urnenfeld  bei  Sclilepzig,  Kr.  Liibben,  in  der  Niederlausitz. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft  vom  16.  Oct  t897.^< 

Schlepzig,  ein  ansehnliches  Dorf,  liegt  12  km  nördlich  von  Lttbben  am  Rande 
des  Unterspreewaldes,  auf  einer  in  den  alten  See  nach  NO.  vorspringenden  Halb- 
insel, mithin  an  einer  Stelle,  die  für  eine  auf  Fischfang  und  Viehzucht  gegründete 
Ansiedlung  in  der  Vorzeit  sehr  günstig  war  und  dieser  guten  Schute  gewährte. 
Und  so  giebt  denn  von  einer  solchen  auch  das  ausgedehnte  Umenfeld  Zeugniss, 
das  der  Lehrer  Hr.  Selling  im  letzten  Frühjahr  aufgedeckt  und  ausgenommen  hat. 


-     89    — 

Es  liegt  etwa  200  Schritt  nordöstlich  von  der  Kirche  am  Rande  der  sumpfigen 
Niederung.  Seine  Ausdehnung  lässt  sich  nicht  mehr  feststellen,  da  es  grosseniheils 
schon  zerstört  war,  wohl  gelegentlich  bei  der  Beackerung;  denn  Ton  einer  früheren 
Ausgrabung  ist  nichts  bekannt,  doch  sollen  einige  Tfaongefaese  und  wohl  auch 
Bronzesachen  im  Dorfe  noch  vorhanden  sein.  Was  ich  gehört  und  zum  Theil 
gesehen  habe,  ist  Folgendes. 

Lückenlos  bei  einander  lagen  noch  6  Gräber,  4—5  m  von  einander,  vom  Mittel- 
punlct  aus  gemessen,  und  zwar  waren  dies  die  jüngsten.  Auf  w^elchem  Theile  des 
ausgedehnten  Umenfeldes  diese  aber  lagen,  kann  ich  nicht  sagen.  Von  diesen  lag 
das  nächste  Grab  wohl  30  m  weit  entfernt  und  das  letzte  noch  aufgefundene  wieder 
20  m  weiter,  so  dass  dazwischen  ohn fraglich  viele  schon  zerstört  waren. 

Die  Grüfte   lagen  7v — 1  m   unter   dem  jetzigen  Ackerboden  und  waren  mi 
Steinen  nur  spärlich  umsetzt,  namentlich  fehlte  gänzlich  eine  Steindecke;  doch  kann 
gerade  diese  sehr  wohl  beim  Beackern  weggeschafTt  sein. 

Indem  zuletzt  bezeichneten,  weit  abliegenden  Grabe  war  die  Leichen- 
urne, so  weit  sich  aus  den  Bruchstücken  erkennen  Hess,  ein  von  unten  weit  aus- 
gebauchter, dann  aber  ziemlich  gerade  aufsteigender  Topf  von  etwa  40  cm  Höhe 
und  30  cm  OefTnung,  der  am  Boden  jenes  räthselhafte  Loch  hatte  —  für  die  Seele? 
—  oder  zu  wirthschaftlichen  Zwecken,  etwa  zum  Ablaufen  des  Molkens?  Aus 
dem  Grabe  ist  früher  schon  ein  diesem  ganz  ähnliches  Beigefäss  herausgekommen, 
aussen  rauh  und  oben  noch  mit  leistenartigen  Ansätzen  versehen.  An  weiteren 
Beigefössen  enthielt  das  Grab  die  Bruchstücke  zweier  (oder  nur  einer?)  Buckelume 
mit  wenig  hervorstehenden  Buckeln,  einen  kleinen,  massig  ausgebauchten  henkel- 
losen Topf  mit  breit  umgeklapptem  Rande  und  einen  nach  oben  eingezogenen 
Pokal  auf  hohem,  stark  verengtem  Standfuss,  über  dem,  wie  wahrscheinlich  auch 
an  dem  fehlenden  oberen  Theile,  er  mit  reifenartigen  Parallel  furchen  umzogen  war; 
also  mit  der  Leichenurne  6  (oder  5)  Gefösse,  die  durch  die  Form  und  die  sehr 
spärliche  Verzierung  in  die  ältere  2jeit  des  Lausitzer  Typus  verweisen,  aber,  da 
die  Buckelurnen  nur  als  Beigefässe  und  nur  klein  und  mit  niedrigen  Buckeln  er- 
scheinen, an  das  Ende  dieser  Zeit,  mithin  ganz  an  den  Ausgang  des  7.  oder  eher 
in  den  Anfang  des  6.  Jahrhunderts  v.  Chr.,  zumal  da  die  Metall  beigaben  kein 
höheres  Alter  verrathen. 

Auf  dem  Leichenbrande  lag  nehmlich  von  Bronze  eine  leider  nur  zerbrochen 
herausgebrachte  Spirale  von  sehr  dünnem,  an  beiden  Enden  zurückgebogenem 
Draht,  etwa  1  cm  hoch  und  2  cm  weit,  und  eine  im  Feuer  des  Leichenbrandes  am 
Kopfende  entstellte,  etwas  abgeschmolzene  kleine  Nadel,  nur  7,7cm  lang  und  3  mm  dick. 
Muthmaasslich  war  das  Kopfende  von  gleichem  Durchmesser,  wie  die  übrige  Nadel, 
kaum  merklich  abgeschnürt  und  lief  vielleicht  in  eine  (abgebrochene)  kleine  Spitze 
aus,  eine  bei  uns  nicht  gerade  seltene,  in  der  Hallstattzeit  in  Deutschland  und  im 
Norden  ziemlich  verbreitete  Art,  bei  der  Sophos  Müller  auf  ursprünglichen  Import 
aus  dem  Süden  schliesst.  Auf  den  Umenfeldem  bei  Beichersdorf,  wo  sie  häufig 
und  zwar  mit  kugelrundem  Knopfe  vorkommt,  bei  Starzeddel  und  Guben-Chöne 
ist  sie  bereits  mit  Eisen  zusammen  (Verhandl.  d.  Berl.  Ges.  f.  Anthr.,  1890,  S.  358; 
Niederl.  Mitthlg.,  H,  S.  396).  Da  somit  diese  Nadeln  erst  in  späterer  Zeit  recht 
verbreitet  waren,  so  ist  die  unsere  in  dieser  älteren  Zeit  ein  seltenes  und  kostbares 
Stück  gewesen,  und  wir  haben  hier  gewiss  das  Grab  einer  vornehmen  Frau.  Auf 
das  höhere  Alter  mag  auch  die  mtlrbe  Beschaffenheit  der  vollständig  schmutzig 
grünen  und  gesprenkelt  oxydirten  Bronze  deuten. 

Das  andere  vereinzelte  Grab  war  schon  arg  durchwühlt,  und  so  fanden 
sich  darin  nur  noch  die  Reste  zweier  Gefasse,  der  grossen  Leichenume  von  ^obem 


—     90     — 

grauschwarzem  Thon,  die  unten  mit  strahligen  oder  durcheinanderlaufenden 
Strichen  bedeckt  war,  und  die  eines  dickwandigen,  sehr  weit  geöffneten  flachen, 
aussen  ganz  rauh  gemachten  Gefässes,  das  unter  dem  stark  eingezogenen  und 
umgelegten  Halse  einen  perlenartig  gegliederten  Wulst  hat,  eine  bei  uns  selten 
Torkommende  und  der  jüngeren  Zeit  angehörende  Verzierung.  —  Metallbeigaben 
fehlten. 

Wieder  andere,  auf  höheres  Alter  deutende  Gefässe  enthielt  das  erste  der 
zusammenliegenden  Gräber.  lieber  dem  fast  kugelig  gerundeten  Untertheil 
erhebt  sich  scharf  abgesetzt  gerade  und  schlicht  der  Hals,  so  viel  ich  mich  erinnere, 
an  allen  ohne  Henkel  oder  Ochsen.  Zwei  von  diesen  vier  Gefässen  waren  ganz 
unverziert,  die  Leichenurne  und  ein  kleines  Beigefäss  hatten  schräg  über  die 
Weitung  herunterlaufende,  weit  von  einander  stehende,  scharf  abgestrichene  Rippen. 
Dazu  kommen  die  Bruchstücke  eines  jedenfalls  über  die  Rnochenurne  gedeckten 
Tellers  mit  mehrfach  abgestrichenem  Rande,  sowie  ein  gehenkeltes  und  zwei  un- 
gehenkelte flache  runde  Schälchen  mit  der  bekannten  mittleren  Bodenerhebung, 
zusammen  8  Gefösse,  eine  nicht  geringe  Zahl.  —  Metall beigab^i  fehlten  auch  in 
dieser  noch  nicht  durchwühlten  Gruft.  —  Die  immer  noch  scharf  gebrochenen 
Dmrisslinien,  der  Mangel  an  Verzierungen  ausser  den  spiralig  yerlaufenden  Rippen 
und  diese  selbst,  die  nicht  mehr  dick  aufgelegt,  aber  auch  noch  nicht  in  der  Art 
der  späteren  Kehlstreifen  dicht  bei  einander  abgestrichen  sind,  verweisen  nach  der 
Aehnlichkeit  anderer  Lausitzer  Urnenfelder,  z.  B.  des  bei  Friedland  und  Skuhlen. 
Kr.  Lübben,  Ratzdorf  und  Roschen,  Rr.  Guben  und  Freiwalde  und  Tröbitz,  Kr. 
Luckau,  das  Grab  in  die  Uebergangszeit  zur  ßlüthe  des  Lausitzer  Typus. 

Dieser  Blüthezeit  gehörte  ohne  Frage  das  Nachbargrab  an,  das  am  besten 
hergerichtet,  ausgestattet  und  auch  erhalten  war,  das  zweite  in  der  zusammen- 
hangenden Reihe.  Ein  loser  Ring  aus  kleineren  und  mittleren  Feldsteinen  von  etwa 
1  Vi  *»  Durchmesser  und  darüber  ein  zweiter  engerer  schlössen  die  in  der  Mitte 
zusammenstehenden  4  Leichengefässe  und  die  15  zugehörigen  Beigefässe  ein,  die 
in  dem  engen  Raum  zum  Theil  schräg  über  einander  standen.  Dass  ein  Grab 
mehrere  Beisetzungen  umschlicsst,  ist  auf  den  Urnenfriedhöfen  unserer  Gegend, 
ganz  abgesehen  von  den  Htigelgräbem,  häufig  beobachtet,  so  am  Kietz  und  Raths- 
Vorwerk  bei  Lübben,  bei  Steinkirchen  —  Ellerborn,  bei  Starzeddel  und  Gnben- 
Chöne  und  namentlich  bei  Freiwalde.  Ja,  unsere  Gruft  scheint  von  vorn  herein 
darauf  eingerichtet  gewesen  zu  sein,  da  die  Leichengefässe  in  der  Mitte  zu- 
sammenstanden und  so  wohl  für  jedes  mit  den  Beigefässen  ein  Kreisausschnitt 
bestimmt  war.  Auch  war  keine  Störung  durch  die  Nachbegräbnisse  wahrzunehmen, 
ausser  etwa  dass  gerade  die  Leichengefässe  zerbrochen  waren.  Drei  von  diesen 
waren  grosse  Terrinen  mit  Oehsen  und  Kehlstrcifen  auf  der  Ausbauchung,  und 
diese  enthielten  reiche  Beigaben  von  Bronze;  die  Rnochen  der  vierten  Leiche  lagen 
in  einer  tiefen  Schüssel,  die  mit  einer  ebensolchen  bedeckt  war,  ohne  Metall- 
beigaben.  An  einer  dieser  Schüsseln  war  der  Rand  schräg  gekerbt,  an  der  andern 
war  die  strickartige  Rerbung  auf  der  Umbiegung  des  nach  innen  umgelegten  Randes 
angebracht  —  An  Beigefässen  standen  dabei  kleinere  Urnen  mit  Kehlstreifen 
oder  dem  bekannten  Bande  ineinandergeschobener  gCvStrichelter  Dreiecke,  eine 
auch  damit  gezierte  mittclgrosse  Flasche,  zwei  etwas  plumpe  hohe  und  weite 
Tassen,  deren  eine  in  ähnlicher  Weise  mit  grossen  Dreiecken  von  rechtwinklig 
zu  einander  gestellton  Gruppen  paralleler  Striche  bedeckt  war,  eine  kleine,  sehr 
zierliche  Tasse  mit  ganz  kleiner  Stehfläche,  weit  und  flach  ausgebaucht,  unter  dem 
stark  eingezogenen  Halse  mit  hohem  Henkel  durch  umlaufende  Parallel  furchen 
verziert    einige   gehenkelte    und    ungehenkelte   fluche,    runde  Schalen  mit  innerer 


_     91     — 

Bodenerhebung  und  Stttcke  von  Decktellern  mit  facettirtero  Rande:  alles  Formen, 
die  dorchnus  der  BlUthezeit  des  Lansitzer  Typus  angehören.  In  den  Anfang  dieses 
Zeitraama  gehären  nach  Masse,  Arbeit  und  Form  auch  zwei  wohl  in  einem  Nach- 
bargrabe  geftuidene  äusserst  seltene  StUcki.',  die  ans  feiaem,  gut  gebranntem, 
gelbem  Thone  dünnwandig  und  sorgfältig  hergestellt  sind,  erstlich  ein  ohne  den 
übrigen  Gelässkörper  beigelegter  mUssig  grosser  Hals  einer  Flasche  oder  eines 
Kruges  mit  einem  aas  zwei  übereinander  geordneten  Oehsen  bestehenden  sogen. 
B-Henkel  (Fig.  1),  deren  bis  jetzt  meines  Wissens  erst  8  bekannt  sind,  in  der 
Niederlauaitz  and  an  deren  Grenzen  einer  Ton  Schlagsdorf.  Kr.  Onben  (Verhandl. 
d.  Berl.  Oesellsch.  f.  Anthr.,  1893,  8.  274  f.),  zwei  von  Wilmersdorf  bei  Bceskow 
(ebenda  1^93,  S.  456),  und  weiter  ab  je  einer  von  GUssreld  bei  Salzwedel,  von 
Königswartha  in  der  Oberlansitz  nnd  von  Beidenstatt  bei  Egenbnrg  in  Nieder- 
üesterreich,  nnd  auoh  im  Königreich  Sachsen  soll  ein  solches  Getäss  gefunden 
sein,  und  dazn  nun  das  von  Schlepzig.  Das  zweite  ist  eine  Verzierung,  die,  so  viel 
ich  weiss,  noch  nicht  beobachtet  ist,  nämlich  an  dem  Obertheil  eines  weitbiiuchigen 
Kruges  unter  dem  scharf  abgesetzten  cylindriscfaen  Halse  ein  herumlaufendes 
Band  schmaler  Parallel  furchen,  das,  an  den  beiden  Oehsen  unterbrochfn,  hier  zu 
jeder  Seite  ein  Stück  hemnterläun  und  dann  mit  4 — i  kurzen  Querstrichen 
abichliesst,  offenbar  die  Nachbildung  eines  an  beiden  Seiten  herabhangenden 
bequasteton  Gürtels.  (Siehe  nachstehende,  ans  dem  Gedächtniss  aafgczeichnete 
Fig.  2.) 

Fie.  1.  Fig.  3.  Fig  3.  Fig.  4. 


Ueber  den  angilbenen  Zeitraum  herunter  weisen  nun  noch  drei,  ich  weiss 
nicht  ob  diesem  oder  einem  Nacbbaigriibe  entnommene  sehr  niedliche  Gefässo, 
die  sich  durch  die  dunklere  Farbe  wie  durch  die  Form  der  erwähnten  feineren 
Tasse  anschliessen :  ein  nur  8  na  hohes  und  ebenso  weit  ausgcbaucbles,  nach  unten 
und  oben  stark  verjüngtes,  mit  reifenartigen  Furchen  Terzierles  Fläschchen  (Fig.  i). 
ein  halbkugeliges  gehenkeltes  Schalchen  von  ti,j  em  Durchmesser  und  ein  nur  b  (»i 
hohes  und  etwa  ebenso  weit  ausgebauchtes  Uemchen  mit  allmählich  etwas  ver- 
engtem Halse  und  mehrfacher  Verzierung,  indem  unten  an  das  die  Oehsen  ver- 
bindende Band  von  t>  Parallelstrichen  ein  solches  aus  gestrichelten,  in  einander 
geschobenen  Dreiecken  angefügt  ist  und  oben  solche  Dreiecke  einzeln  zinnen-  oder 
treppenartig  aulgesetzt  sind;  das  ist  die  Anfläaung  eben  jenes  Ornaments  (Fig.  4). 
Solche  kleine,  danklere  und  weniger  sorgfältig  gearbeitete  Gefusse  sind  in  grosser 
Menge  anf  Umenfeldem,  auf  denen  das  Risen  auch  bei  uns  erscheint  und  die  der 
Aasgangszeit  des  Lausitzer  Typus  angehören,  gefanden  worden,  so  in  der 
Nähe  bei  Steinkircben-Ellerborn  und  weiter  ab  bei  Gut>en-Chöne,  Rcichersdorf, 
Strega  a.  a.,  ohne  Zweifel  meistens  nicht  etwa  Kinders pielzeog,  sondern  verkleinerte 
XachbilduDgeo  von  Gebrauchsgerässen,  die  zu  dem  Zwecke,  an  deren  Stelle  dem 
Todten  mitgegeben  zu  werden,  in  einer  Zeit  angefertigt  wurden,  da  bei  uns  die 
Töpferkunst  sichtbar  im  Rückgang  begrifTen  war. 


—    92    — 

In  Masse  und  Arbeit  sind  sonst  die  meisten  aus  feinerem  Thone  mit  Geschick 
und  Geschmack  hergestellten,  leidlich  bis  scharf  gebrannton,  ziemlich  dünnwandigen, 
lederfarbigen  bis  chokoladenbraunen  oder  schiefer-  und  bläulich-grauen  Thongefösse 
ganz  von  der  Art  der  rühmlichst  bekannten  Lausitzer  Gefösse.  Derart  werden 
auch  die  5  gewesen  sein,  die  in  einem  der  drei  noch  übrigen  Gräber  standen, 
von  denen  ich  sonst  nichts  weiter  habe  erfahren  können.  An  Metall  und  zwar 
an  Bronze  enthielten  die  drei  grossen  Leichenumen  der  zuletzt  beschriebenen 
Familiengruft  folgende  Beigaben: 

1.  Zwei  sehr  gut  erhaltene,  dunkel  oxydirte,  fast  noch  glänzende  Nadeln 
von  etwas  mehr  als  \2  cm  Länge  und  3 — 4  mm  Dicke,  die  8—9  ww  unter  der 
kleinen  flachen  und  unverzierten  Knopfscheibe  eine  doppel kegelförmige  Verdickung 
des  Schaftes  haben,  übrigens  mit  stark  hervorstehender  Gussnaht  und  auch  sonst 
nicht  sauber  abgeputzt,  eine  wohl  als  Entartung  der  Vasen-  oder  Mohnkopfnadel 
zu  bezeichnende  Form,  die  auch  sonst  in  unserer  Gegend  bis  in  die  beginnende 
Eisenzeit  hinein  nicht  allzu  selten  ist,  z.  B.  bei  Steinkirchen,  Freiwalde  und  Haass. 

2.  Die  Reste  zweier  nicht  sehr  breiter  Armbänder,  die  aus  drei  platten; 
3 — 4  mtn  breiten  Bandstreifen  bestanden  und  wohl  spiralig  gewunden  waren. 

3.  Die  Bruchstücke  eines  kleinen  Fingerreifs,  der  aus  dünnstem  Bronze- 
draht  schleifenartig  umgebogen  war,  wie  deren  viele  auf  Gräberfeldern  dieser 
2jeit  gefunden  sind;  ein  wohl  erhaltener,  dunkel  patinirter  Spiralring  von  1,9 — 2  cm 
Durchmesser  aus  starkem,  3 — 4  mm  breitem  Bronzestreifen  anderthalbmal  henim- 
gewunden  und  an  den  Enden  schräg  abgeschnitten  (Fig.  5);  ein  kleinerer,  aus 
dickem  rundem  Draht  zusammengebogener,  aber  an  der  Bertlhrungsstelle  offener 
Fingerring. 

Fig.  6.    V, 
f^g.  6. 


4.  Ein  strickartig  gewundener  Halsring  aus  3— 4  mm  dickem  rundem  Bronse* 
draht  mit  vierkantigen,  zu  Ochsen  zurOckgebogenen  Enden,  nach  Tisch  1er ^s  Be- 
zeichnung ein  ^Bügelring^  (Fig.  6),  ursprünglich  zwischen  den  Oehsen  einige  Genti- 
meter  weit  geöffnet  und,  wenn  kreisförmig  gebogen,  mit  etwa  9  cm^  wenn  mehr  ovaL 
mit  8  und  10  an  Durchmesser,  da  der  Draht  gestreckt  28  cm  lang  ist,  jetst  aber 
zu  einem  Langoval  in  sich  zusammengebogen,  übrigens  in  mehrere  Stücke  r&r^ 
brechen,  mit  schmutzig  grüner,  weiss  gesprenkelter  Patina.  Es  ist  einer  von  den 
dünnen  Wendelringen,  die  mit  Oehsen  oder  mit  petschaftartigen  Enden  an  mehreren 
anderen  Orten  der  Lausitz,  vornehmlich  nach  dem  Südosten  hin  (Straupitz,  Sjauchel. 
Strega,  Sorge,  Alt-Rehfeld;  Frstl.-Drehna)  und  öfter  mit  Eisen  zusammengefunden 
sind  und  hier  wie  an  der  unteren  Havel  (Voss  und  Stimming,  Alterth.  d.  Mark 
Brdbrp.,  Abth.  II,  Taf.  l)  und  in  Ost-Holstein  (Freund,  Die  präh.  Ablhlg.  d.  Mus. 
z.  Lübeck,  S.  11)  der  jüngeren  und  jüngsten  Bronzezeit  angehören,  übrigens  meist 
Depot-Funde  sind  and  nicht  aus  Gräbern  herrühren. 

5.  Mehrere  nicht  bestimmbare  Brocken  von  Schmucksachen. 


—    93    — 

6.  Endlich  —  wieder  eine  grosse  Seltenheit  —  in  einer  Leichenurne  91  sehr 
gut  erhaltene,  ring-  oder  tönnchenfönnige  Bronzeperlen  von  1,5 — 5  mm  Höhe 
und  3 — G  mm  Durchmesser,  an  denen  man  noch  recht  deutlich  sehen  kann,  wie 
das  zusammengebogene  Stück  des  etwas  gerundeten  Bronzestreifens  zugeschweisst 
ist,  ehedem  zu  einer  kostbaren  Halskette  wohl  mit  verbrannten  ZwischenstUckchen 
von  Holz  oder  einem  anderen  vergänglichen  Stoff  verbunden.  Darauf  deutet  auch 
der  Umstand,  dass  öfter  3—5  Perlen  auf  einem  feinen,  mitunter  sogar  hohlen 
Bronzedraht  aufgereiht  und  nun  durch  Feuer  oder  Oxyd  zusammengebacken  sind. 
So  mögen  sie  vielleicht  alle  erst  in  solchen  Gruppen  und  dann  erst  mit  jenen 
Zwischenstücken  zur  Rette  aufgereiht  gewesen  sein. 

Alle  diese  Beigaben  sind  Schmuckstücke;  Waffen  oder  auch  nur  Messer  fehlen 
gänzlich.  Demnach  sind  auch  in  diesen  drei  Leichenurnen  Frauen  begraben. 
Sollten  die  in  dem  vierten  Behältniss,  in  der  bedeckten  Schüssel  ohne  Beigaben 
beigesetzten  Gebeine  etwa  die  des  zugehörigen  Mannes  sein,  zumal  da  in  dieser  Zeit, 
wenigstens  in  der  Lausitz,  die  Mitgabe  bronzener  Waffen  nicht  bräuchlich  gewesen 
zu  sein  scheint?  Dann  hätten  wir,  nach  dem  reichen  Schmuck  und  der  besonders 
sorgfältigen  Herrichtung  der  Grabstätte  zu  schliessen,  hier  die  Gruft  eines  sehr 
vornehmen  Mannes  mit  seinen  Frauen,  etwa  auch  einer  Tochter,  vielleicht  die  des 
Häuptlings  der  Ansiedler,  die  hier  ihre  Todten  bestattet  haben. 

Sämmtliche  Bronzen  gehören,  wie  schon  angedeutet,  der  Hallstattzeit  und 
zwar  meist  der  jüngsten  an,  in  der  auch  in  der  etwas  abgelegenen  Lausitz  das 
Eisen  auftritt,  obgleich  hier  auf  unserem  Umenfelde  sich  keins  gefunden  hat 

Zu  dieser  Zeitbestimmung  passt  auch,  was  uns  die  Gefässe  schon  genauer 
gezeigt  haben;  das  Gräberfeld  reicht  vom  Ausgang  der  älteren  Lausitzer 
Periode  bis  zum  Ausgang  der  Lausitzer  Blüthezeit,  also  etwa  vom  Anfang 
des  6.  vorchristlichen  Jahrhunderts  bis  in  das  4.  hinein,  und  ist  auch  darin  den 
15  hn  wostsüd westlich  entfernten  3  bei  Freiwalde  gelegenen,  von  Degner  in  den 
Verhandl.  d.  Berl.  Ges.  f.  Anthr.,  Jahrg.  1890,  S.  623—635  trefflich  beschriebenen 
Gräberfeldern  besonders  ähnlich.  Und  diese  lange  Zeit  der  Belegung  beweist  auch 
wieder,  dass  leider!  die  meisten  Grüfte  schon  länger  zerstört  sein  müssen. 

Steht  so  das  Umenfeld  mit  allen  seinen  Einschlüssen  in  dem  Lausitzer  Formen- 
kreis, so  weisen  seine  Besonderheiten  —  wie  auch  die  der  Freiwalder  Felder  — 
nach  Osten  und  Südosten  über  die  Lausitz  hinaus.  Die  am  üntertheil  ge- 
musterten Urnen,  die  schrägen^  Rippen,  der  fein  profilirte  Trinkbecher  mit  hohem 
Standfuss,  die  Dreiecksverzierung  der  plumpen  Tasse,  auch  das  verhältnissmässige 
Vorwiegen  der  Tassen  unter  den  Beigefässen,  selbst  der  B-Henkel  (vgl.  die  2  bei 
Wilmersdoif  b.  Beeskow  gefundenen),  namentlich  aber  die  mehrfache  Verzierung 
und  das  sogenannte  Treppenomament  an  dem  kleinen  Uemchen  verknüpfen  es  mit 
den  Gräberfeldern  von  Wittmannsdorf,  Skuhlen,  Friedland  und  Giesensdorf  und 
von  Grunow  und  Ossig,  Rr.  Guben  und  durch  diese  weiter  mit  denen  des  Aurither 
Formenkreises  und  des  benachbarten  Posens,  von  wo  mithin  die  Einflüsse  hier 
am  weitesten  nach  Westen  vorgedrungen  sind  Das  habe  ich  in  der  eingehenderen 
Beschreibung  des  Urnenfeldes  im  5.  Bande  unserer  Niederlausitzer  Mittheilungen 
genauer  nachgewiesen. 

Lübben.  Weineck. 


—    94    — 

Ein  KUstenfund  auf  Rügen. 

•:Vorgelef(t  in  der  Sitzung  der  Anthropologischen  QeselUchalt  in  Berlin  am  16.  Oet.  1897.) 

Im  Jahre  1895  übernahm  der  Maurermeister  Dörfer  in  Sagard  auf  der  Halb- 
insel Jnsmund  die  Lieferung  eines  Theiles  des  zur  Herstellung  der  auf  ROgen  zu 
erbauenden  sogenannten  Kleinbahnen  erforderlichen  Rieses.  Er  fand  diesen  in 
ausreichender  Menge  unmittelbar  neben  dem  auf  dem  genannten  Jasmund  belegenen 
Dorfe  Lietzow. 

Letzteres  Dorf  wird  yon  zwei  mit  einander  in  Verbindung  stehenden  Binnen- 
(^ewässern,  dem  Grossen  und  Kleinen  Jasmunder  Bodden,  bespült  und  in  der  Ver- 
einigung beider  Bodden  ist  vor  einer  Reihe  Ton  Jahren  ein  Damm  gelegt,  welcher 
den  landfesten  Theil  Rügens  mit  der  Halbinsel  Jasmund  verbindet  Dieser  Damm 
trägt  die  von  der  Stadt  Beugen  kommende  Eisenbahn,  die  weiter  nach  Sassnitz 
fahrt.  Dort,  wo  der  Eisenbahndamm  den  Boden  Jasmunds  berührt,  setzt  sich  an 
diesen  in  der  Breite  von  ungefUhr  250  Schritt  eine  Landzunge  an,  die  sich 
südwärts  in  ungefährer  Länge  von  500  Schritt  in  den  Kleinen  Jasmunder  Bodden 
hineinzieht.  Ein  Theil  dieser  Landzunge  hat  sich  nun  als  kieshaltig  erwiesen  und 
ist  zu  dem  oben  angegebenen  Zwecke  in  Benutzung  genommen. 

Schon  im  Jahre  1895  hatten  einzelne  in  Lietzow  sich  aufhaltende  Fremde,  auf 
die  dort  aufgeschütteten  Kieshügel  aufmerksam  geworden,  in  ihnen  Steine  bemerkt 
die  eine,  wenn  auch  sehr  rohe,  Arbeit  der  menschlichen  Hand  verriethen.  Im 
Laufe  des  Sommers  1896  wiederholten  sich  solche  Funde.  So  verbreitete  es  sich, 
dass  dort  zu  Lietzow  der  zum  Transport  aufgeschüttete  Kies  SteinalterthOmer 
zeige.  Im  October  1896  wuitien  die  Arbeiten  zur  Kiesgewinnung,  die  längere  Zeit 
geruht  hatten,  wieder  aufgenommen  und  um  dieselbe  Zeit  wurde  mir  die  Kunde 
von  den  Vorkommnissen  zu  Lietzow  zugetragen.  Da  ich  eine  persönliche  In- 
augenscheinnahme der  dortigen  Sachlage  für  geboten  erachtete,  begab  ich  mich 
ungesäumt  nach  Lietzow  und  fand  —  was  meine  Erwartungen  weit  übertraf. 

Die  Oberfläche  der  1—2  Fuss  über  den  Spiegel  des  Kleinen  Jasmunder 
Boddens  emporragenden  Landzunge  ist  mit  einer  ungefähr  einen  Fuss  starken 
schwarzen  Erdschicht  überdeckt.  Unter  dieser  liegt  —  wenigstens  dort,  wo 
bisher  gegraben  war  —  eine  l  Vs  "*  dicke  Schicht  von  dichtem  grobkörnigem 
Kiese,  meist  aus  Feuersteinbrocken  bestehend,  unter  welchen  sich  in  bedeutender 
Zahl  grössere  Flintstücke  befinden,  die  sich  sofort  öntweder  als  bearbeitet  oder  als 
Abfalle  bei  der  Arbeit  ausweisen.  Die  Arbeit  der  Kiesgewinnung  geht  in  der 
Weise  vor  sich,  dass  die  kieselgemischte  Erde  gesiebt  und  so  eine  Scheidung  der 
gröberen  Bestandtheile  bewirkt  wird.  Unter  diesen  letzteren  braucht  man  nur  zu 
suchen,  um  bald  auf  Spuren  menschlicher  Arbeit  zu  ssossen  Es  sind  die  Findlimre 
sämmtlich  rohe  Arbeiten,  in  grossen  Schlaffen  geschlagen,  wahrscheinlich  die  ersten 
Erzeugnisse  der  Handfertigkeit  unserer  ältesten  Bewohner.  In  gar  manchen  Stücken 
erkennt  nur  das  geübte  Auge  beabsichtigte  menschliche  Einwirkung.  Und  wer 
sich  nicht  von  einem  starken  antiquarischen  Interesse  leiten  lässt,  wird  sich  kaum 
bücken  mögen,  die  formlos  erscheinenden  Steine  vom  Boden  aufzulesen.  Um  so 
mehr  setzt  bei  genauerem  Hinsehen  die  ungeheure  Menge  der  Funde  in  EIrstaunen« 
welche  die  Arbeit  der  menschlichen  Hand  verrathen.  Tausende  und  Tausendr 
solcher  werden  sich  dort  ohne  langes  Suchen  finden  lassen. 

Die  unter  den  Funden  am  häufigsten  vorkommende  Form  ist  die  der  sogenannten 
prismatischen  Messer,  deren  eine  Seite  von  einem  grösseren  Blocke  glatt  abgespalten 
ist,  die  andere  aber  durch  mehrere  in  der  Läni^e  laufende  Spaltflächen  gebildet 
wird.     Dann  folgen  Aexte,  deren  Querdurchschnitt  ein  verschobenes  Viereck  bildet 


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Sophus  Mttller  nennt  sie  „Spalter^.  Eine  Unterart  dieser  Spalter  charakterisirt 
sich  dnrcb  ihre  trianguläre  Form.  Femer  finden  sich  Schaber  und  Bohrer.  Es 
sind  dies  alles  Formen,  wie  sie  sich  in  den  dänischen  Rjökkenmöddinger  finden. 
Hei  der  durchgehenden  Gleichartigkeit  nun  der  in  Lietzow  sich  findenden  Stein- 
^eräthe  mit  den  in  den  dänischen  Abfallhaufen  vorkommenden  darf  man  die  Ent- 
stehung der  ersteren  in  dieselbe  frühe  Zeit  setzen  wie  die  dänischen.  Dabei 
unterscheiden  sich  indess  die  dänischen  Fundorte  in  einem  wesentlichen  Punkte 
von  der  Fundstelle  auf  Jasmund.  Hier  in  Lietzow  sind,  soweit  ich  erfahren, 
Speisereste,  also  etwa  Knochen  und  Gräten  oder  gar  Scherben  Ton  Thongefassen 
nicht  gefunden.  Man  kann  also  die  Zusammenhäufung  hier  nicht  auf  Rüchen- 
abfalle  zurückfahren. 

Wie  aber  erklärt  sich  denn  die  Lagerung  der  Gegenstände  zum  Theil  mehrere 
Fuss  tiefer  als  der  jetzige  Wasserspiegel  des^Boddens?  Bei  Beantwortung  dieser 
Frage  wird  der  Umstand  ins  Gewicht  fallen,  dass  zahlreiche  Stücke  Einwirkung 
des  Wassers  zeigen.  An  solchen  Gegenständen  erkennt  man  deutlich  Schleif- 
stellen; an  einigen  sind  die  Kanten  abgerundet,  Erscheinungen,  die  nur  durch  ein 
Rollen  in  Wasser  hervorgebracht  sein  können.  Dieser  Umstand  muss  Zweifel 
ge^en  die  Vermuthung  erregen,  dass  die  Altsachen  dort  gearbeitet  sind,  wo  sie 
sich  heute  finden.  Wiederum  ist  es  Dänemark,  welches  eine  Erklärung  an  die 
Hand  giebt,  und  zwar  durch  die  dort  vorkommenden  sogenannten  ^Küstenfunde^. 
Es  sind  dies,  um  mit  den  Worten  des  bereits  genannten  Directors  des  National- 
museums zu  Kopenha^icen,  Snphus  Müller,  zu  reden,  reiche  Fundstätten  von  Feuer- 
steinalterthümem  ganz  der  gleichen  Art,  wie  sie  in  den  Muschelhaufen  (Kjökken- 
möddinger)  vorkommen.  Sie  werden  in  Mengen  am  äussersten  Rande  des  Strandes, 
in  seichtem  Wasser  oder  draussen  auf  dem  Vorstrand  aufgelesen.  Besonders  in 
den  Küsten  von  Buchten  und  um  die  vorgelagerten  Inseln  wurden  viele  Küsten- 
funde entdeckt.  An  manchen  Stellen  sind  viele  Hunderte  von  Feuersteingeräthen, 
ganze  und  zerbrochene,  halbfertige  und  misslungene  Abfälle  vom  Behauen  und 
nur  halbbenutztes  Feuersteinmaterial  gesammelt  worden,  alles  ganz  wie  in  den 
Kjökkenmöddinger.  Dass  dies  Culturreste  von  Wohnplätzen  an  der  Küste  sind, 
die  vom  Meere  abgespült  und  möglicherweise  zugleich  in  Folge  einer  Senkung 
des  Landes  weggeführt,  umhergestreut  und  abermals  an  der  neuen  Küste  abgelagert 
worden  sind,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Müller  führt  einige  Küstenfunde  an, 
darunter  solche,  die  2—3,  andere,  die  4  Vs — G  Fuss  unter  dem  gewöhnlichen  Wasser- 
stande des  anstossenden  Meeres  lagen.  Führt  er  diese  tiefe  Lage  auf  eine  Senkung 
der  Küste  zurück,  so  ist  die  gleiche  Ursache  auch  auf  Jasmund  zu  vermuthen, 
denn  wie  sicher  nachweisbar  ist,  hat  für  einzelne  Theile  Rügens  eine  Senkung 
stattgefunden.  Wir  würden  demnach  hier  auf  Jasmund  die  völlig  gleichen  Er- 
scheinungen wie  in  Dänemark  haben. 

Stralsund.  Rudolf  Baier. 


Bronzeschwert  von  Felchow,  Kreis  Angermiinde,  Brandenburg. 

Das  Schwert  befindet  sich  im  Besitze  des  Hm.  Rittmeisters  a.  D.  v.  Arnim 
auf  Felchow,  welcher  es  dem  Kgl.  Museum  für  Völkerkunde  in  zuvorkommender 
Weise  behufs  Untersuchung  und  Anfertigung  einer  Nachbildung  zeitweise  überliess 
und  sich  der  Mühe  unterzog,  den  Unterzeichneten  an  die  Fundstelle  zu  führen. 

Letztere  liegt  auf  einem  schmalen  Sandrücken,  welcher  ursprünglich  zwei  Seen 
von  einander  trennte:  die  (kleinere)  Lanke  und  den  (grösseren)  Felchow-See;  beide