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ZEITSCHRIFT
FÜR
ETHNOLOGIE.
Organ der Berliner Gesellschaft
für
»
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Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redactions-Commission:
A. Bastian, R. Virchow, A. Voss.
Neunundzwaxizigster Jahrgang.
1897.
Mit S Tafeln.
BERLIN.
Verlag von A. Asher & Co.
1897.
Inhalt
Seite
Otto Schoetensack, Vor- und Frühgeschichtliches aus dem italienischen Süden
und aus Tunis (Hierzu Tafel I und II und 41 Zinkographien im Text) 1
S. Weissenborg, Ueber die verschiedenen Gesichtsmaasse und Gesichtsindices,
ihre Eintheilung und Brauchbarkeit 41
Paul Bhrenreich, Materialien zur Sprachenkunde Brasiliens. Vocabulare von
Purus-St&mmen 59
K. Th. Preuss, Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land in ihrer Be-
deutung für die Ethnographie (mit 199 Zinkographien im Text) 77
Paul Reinecke, üeber einige Beziehungen der Alterthümer China's zu denen des
skythisch-sibirischon Völkerkreises (mit 21 Abbildungen im Text) 141
Hrolf Yaughan Stevens, Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen
von Malacca. Bearbeitet von Dr. Max Bartels ' 173
Besprechungen :
Franz Tappeiner, Der europäische Mensch und die Tiroler. Meran 1896. S. 86.
— G. A. J. Hazeu, Bijdrage tot de kennis van het Javaansche tooneel. Leiden 1897.
8.37. — L. Niederlo, 0 puvodu Slovanu. v Prazc 1896. S. 88. — J. Matiegka,
Zkoumäni kosti a lebek Seskych v kostnicfch venkovsk^ch. v Praze 1896. S. 40. —
Derselbe, Nälezv Lateneskö ze severozäpadnich Cech. v Praze 18%. S. 40. —
Fr. V. Hellwald, Die Erde und ihre Völker. 4. Auflage von Dr. W. üle. Stutt-
gart, Berlin, Leipzig S. 72. — Jacob Robin söhn, Psychologie der Naturvölker.
Ethnographische Parallelen. Leipzig. S. 73. — Franz Krön eck er, Von Java's
Feueroergen. 'Oldenburg und Leipzig. 1897. 8. 78. — A. Götze, Die Vorgeschichte
der Neumark. Würzburg 1897. S. 73. — A, Für tw Angler, Intermezzi. Kunst-
geschichtliche Studien. Leipzig und Berlin 1896. 8. 74. -- Mark Lidzbarski, Ge-
schichten und Lieder aus den neuaramäischen Handschriften der Berliner Bibliothek.
Weimar 1896. S. 75. — Rud. Prietzc, Beiträge zur Erforschung von Sprache und
Volksgeist in der Togo - Kolonie. Berlin. S. 76. — Festschrift zur XXVIIL Ver-
sammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Lübeck 1897. S. 139. —
Rud. Virchow. Rassenbildung und Erblichkeit (Bastian -Festschrift). Berlin 1897.
S. 164. — H. Steinthal, Dialekt, Sprache, Volk, Staat, Rasse (ebendaselbst) 1897.
S. 166. — Paul Ehrenreich, Anthropologische Studien über die ürbewohner Bra-
siliens, vomehmlicli des Pnrus - Gebiets. Mit zahlreichen Abbildungen imd Tafeln.
Braunschweig 1897. S. 165. — Moriz Hörn es, Zur prähistorischen Formenlehre.
Zweiter Theil. IV. Italische Bronzefiguren. Wien 1897. S. 1G7. — C. H. Stratz,
Die Frauen auf Java. 41 Abbildungen im Text. Stuttgart 1897. S. 168. — Paul
Schellhas, Die Göttergestalten der May ä- Handschriften. Dresden 1897. S. 168. —
Albert Grünwcdel, Buddhistische Studien. Veröffentlichungen aus dem Kgl. Museum
für Völkerkunde. V. Mit 97 Abbildungen. Berlin 1897. S. 170. — Graf Eugen Zichy,
Voyages en Caucase et en Asie Centrale. T. I — II. Mit 149 Tafeln und 88 Text-
Abbildungen. Budapest 1897. S. 171. — Zeitschrift für Griminal - Anthropologie,
Gefängniss- Wissenschaft und Prostitutionswesen. Berlin 1897. S. 207. — F. v. Luschan,
Beitrl^e zur Völkerkunde der deutschen Schutzgebiete. Erweiterte Sonderansgabe aus
dem „Amtlichen Bericht über die erste deutsche Colonial- Ausstellung" in Treptow 1896.
Berlin 1897. S. 208. — Adolf Heilborn, AUgemeine Völkerkunde in kurzgefasster
Darstellung. Leipzig 1^98. S. 209. — Otto Schell, Bergischo Sagen. Elberfeld 1897.
S. 209. — F. W. K. Müller, Samoanische Texte, üntw Beihülfe von Eingeborenen
gesammelt und übersetzt von 0. Stübel. Berlin 1896. S. 210. — C. R. Häntzschel,
Reisehandbuch für Amateur-Photographen. Halle a. S. 1896. S. 212.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft fQr Anthropologie^ Ethnologie nnd
Urgeschichte
mit besonderer Paginirung.
Ein chronologisches Inhalts-Verzeichniss der Sitzungen, sowie ein alphabetisches Namen*
und Sach - Register befinden sich am Scnlusse der Verhandlungen.
Nachrichten tther deutsche Alterthnmsfnnde 1897
mit besonderer Paginirung und Register.
289389
Verzeichniss der Tafeln.
Tafel I. Ansicht der Felsengräber bei Cassibüe (Sicilien) (Zeitechr. S. 20).
„ II Thongefässe aus den Nekropolen Karthagos (Zeitschr. S. 31-33).
Verzeichniss der Zinkographien, Autotypien und
Holzschnitte im Text.
(A. = Autotypie, H. = Holzschnitt, Z. - Zinkographie.)
1. Zeitsohrift fftr Ethnologie, 1897.
Seite 2. Prähistorische Thongefässe der Falisker ans dem Territorio di Falerii (Moseo
Nazionale, Seziono extranrbana, Rom) (^^)Abb.)«
„ 5. Prähistorische Bronzen und Thongefässe aus Sucssulae. (Sammlung Spinelli
in Cancello, Mitt«Mtalien) (6 Abb ).
6. Prähistorische Thongefässe (wie die vorigen) (3 Abb.).
n 9. Prähistorische Steingeräthe aus Bari und Cotrone (5 Abb.\
j, 12. Omamentirte Kupferaxt von Cosonza; prähistorisches Feuerstoinmcsser von
Policoro in der Basilicata und polirtes grünes Steinbeil aus dem Museum von
Reggio di Galabria (10 Abb.).
„ 14. Prähistorische Steinartefakte aus Gneis und Obsidiau, aus dem Musoum in
Reggio di Galabria (8 Abb.)
M 21. Nephritbeil ans dem Museum in Castrogiovanni (Sicilien) (3 Abb.).
„ 22. Prähistorisches Thongefäss aus dem Museo nazionale in Palermo und Nephrit-
beil von Castrogiovanni aus der mineralogisch - geologischen Universitäten-
Sammlung in Palermo (4 Abb.).
„ 23. Zwei Nephritbeile und ein Basaltbeil von Lipari aus der zuletzt genannten
Sammlung (10 Abb.?.
„ 24. Bronzeschaftcelt aus Qirgenti in dem zuletzt genannten Museum und zwei Stein-
beile in dem Museum in Cefalü (8 Abb.).
^ 26. Prähistorische omamentirte Thonscherben aus der Grotta di San Francesco
(Sicüien) (4 Abb.).
„ 27. Prähistorische omamentirte Thonscherben und Thongefässe in dem Museum
in Palermo (5 Abb.).
n 28. Fenersteinmesser aus dem Bardo-Museum in Tunis (4 Abb.).
, 29. Zwei eiserne Dolche und sechs Kupferbeile aus der Nekropole von Byrsa, in
dem Musee St. Louis in Karthago (HAi>b).
„ :n. Prähistorischem Thongefäss mit eingeritzten Ornamenten aus den Nekropolen
von Karthago: in dem Mu8<^e St Louis in Karthago.
n 105. Künstlerische Darstellungen ans Kaiser- Wilhelms -Land. Monsrhengostaltcn
(10 Abb.).
„ 106. Dasselbe. Gesichtsdarstellungen (7 Abb.).
„ 108. Dasselbe. Nasenomament (7 Abb.).
„ 109. Dasselbe. Augenomament I (12 Abb.).
^ 111. Dasselbe. Augenomament II (li^ Abb.).
„ 113. Dasselbe. Nasen-, Augen* und Mundoraament (10 Abb.).
, 115. Dasselbe. Yogelkopforoaraent I ;10 Abb.).
„ 118. Dasselbe. Omament des Vogelkopfpaares ;17 Abb.).
» 119. Dasselbe. Vogelkopfomament II (U Abb,).
Seite 121. Dasselbe. Spiralornament (d Abb.).
„ 12:?. Dasselbe. Fischoroament (13 Abb.).
^ 124. Dasselbe. Krokodil- mid Eidechsenornament (10 Abb.).
., 125. Dasselbe. Salamander- und Ohrenomament (16 Abb.).
„ 129. Dasselbe. Ornament des fliegenden Vogels (8 Abb.).
^ 131. Dasselbe. Worm- und Yogelkopfomament (8 Abb.).
„ 132. Dasselbe. Ornament dos hangenden Pteropus (15 Abb.).
„ 133. Dasselbe (6 Abb.).
n 134. Dasselbe (6 Abb.).
, 135. Dasselbe. KanuTerzierung.
^ 136. Dasselbe (12 Abb.).
. 138. Dasselbe. Textilo Muster (6 Abb.).
„ 139. Dasselbe. Verzierung eines Holzschwertes.
„ 142. Chinesische Metallspiegel ^2 Abb.).
.. 144. Skythische und sibirische Metallspiegel (4 Abb.).
„ 146. Kaukasischer Metallspiegel, chinesischer Opferkessel und verschiedene Bron'/c
artefakte (32 Abb.).
147. Chinesischer Opferkessel (2 Abb.).
148. Alter chinesischer Dreifiiss (A.).
149. Skythischer Bronzekessel (A.).
150. Metallkessel aus dem Wolgagobiet.
151. Skythische Stangenbekrönung (A.).
151. Chinesisches Klapperinstruroent (2 Abb.).
153. Sibirisches Bronzemesser und chinesische MessermQnzcn (3 Abb.).
154. Chinesisches Bronzeschwert (Z.).
161. Sibirisches und chinesisches Thieromament (2 Abb.).
2. Verhandlungen der Berliner öesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte, 1897.
Seite 36. Bronze-Üme Ton Topolno, Kr. Schwetz (A.).
87. Dieselbe (A.).
„ 41. Situationsplan der Fundstelle von Topolno.
„ 45. Situationsplan der prähistorischen Fundstelle Reiser 'sehe Ziegelei bei
Lobositz a. d. Elbe.
9 46. Neolithischc Wohnstätte daselbst.
„ 4'5. Walzenförmiges, durchbohrtes Thongeräth von dort.
n 48. Grrabstätte daselbst.
„ 49. Urne von dort (2 Abb.).
„ 50. Grabstätte daselbst.
„ 50. Bronzenadel von dort.
r 55. Urnen von Leibsch (Spreewald) (2 Abb.).
„ 56. Ebenfalls.
59. Situationsplan des Schlossbergs von Mehlken, Kr. Carthaus
62. Thonscherben von dort (8 Abb.).
62. Tapfenstein bei Mehlken, Kr. Carthaus.
75. Fussspnren Christi auf dem Oelberge.
99. Bosnischer Holzstempel zum Stempeln des Brodos (2 Abb.).
100. Holzlöffel, Holztasse und Vogelflöte aus Bosnien (3 Abb.).
101. Wäscheklopfer und Spinnrocken aus Bosnien (5 Abb.).
103. Spindel, Wetzsteinbehälter und Rasirmesserkastcn aus Bosnien (5 Abb.).
105. Metalleinlagen in Holz (4 Abb.).
106. Desgleichen (2 Abb.).
107. Desgleichen (3 Abb.).
▼I
Seite 106. Desgleicheii (2 Abb.).
„ 109. Desgleichen (3 Abb.).
^ 116. Holzsieb, HolEtncbter, Löffel und hölierner Steltfuss der Lappl&nder ((> Abb.).
,. 124. Pr&historische Bronzegerfttbe (4 Abb.).
^ 126. BronzefibeL
. 184. Aegyptischer Inschrütstein ans der XVIII. Dynastie.
• 186. Aegjptische Mnmienköpfe mit Dnrcbbohmng detScbftdelgmndes (4 Abb.).
„ 141. Urne und prähistorische Thonscherben von der Moorschanzc bei Qoedlinburg
(6 Abb.).
„ 142. Sitnationsplftne Ton dort (2 Abb.). ^
„ 143. Desgleichen.
„ 143. Verzierter Thonscherben Yon dort.
« 144. FnndsteUe eines menschlichen Schädels daselbst (A.).
„ 145. Desgleichen (A.).
„ 145. Verzierte Thonscherben von dort (4 Abb.).
,» 146. Desgleichen nnd ein Stcininstmment von dort (8 Abb.).
„ 149. Schädel von dort.
„ 160. Ebenfalls (2 Abb.).
, 151. Ebenfalls (3 Abb.).
y 155. Bakwiri-Schädel, Kamenin (2 Abb.).
„ 164. Darstellung alt-assyrischer Rnhebetten (A.).
„ 169. Spinnwirtcl in Thon (8 Abb.).
^ 169. Skarabäen-Gemme von Sadersdorf» Kr. Gnben (3 Abb.).
r, 171. Sitnationsplan des Burgwalls von Königsbrunn, Cujavien (2 Abb.).
„ 172. Prähistorische, omamentirte Thonscherben von Königsbninn, Cujavien (A.).
„ 178. Pr&historische Thongefässe von dort (2 Abb.),
„ 174. Desgleichen (8 Abb.).
, 175. Bronzeanhänger und Schalen von dort (8 Abb.).
r> 177. Gewellte Bronze Urne von Zerbst
« 190. Brahmanen-Schulo in Vemag, Kaschmir (A.).
^ 196. Hindu-Tempel bei Bhavanyar, Kaschmir (A,).
B 199. Tempel-Ruinen von Martand (Kaschmir) und Tänzergruppe von Shangus (2 A.).
„ 202. Blick auf den Jhilam bei Srinagar und die Ali Hamadani-Moschec in Srinagar
(Kaschmir) (2 A.).
M 206. Eingeborene von Kaschmir (A.).
, 204. Armbr&ste der Bakwiri (2 Abb.).
9 209. Thongefässe von Dshawat, Gouv. Baku, Transkankasien (A.).
„ 211. Dnrchlochter Steinhammer von Horadies, Gouv. Eliäabethpol.
„ 214. Geflügelte Lanzenspitzc von Obomik, Prov. Posen.
^ 215. Lanzenspitze ebendaher.
j, 221. Bronzeschwert aus der Peene bei Demmin (3 Abb.).
n 223. Steinbeil, Beibstein und Urnen von Wilmersdorf, Kr. Bceskow-Storkow ^4 Abb.\
„ 227. Karte von Knün und Istrien.
y, 229. Scherben aus der Höhle von St Cantian, Istrien.
„ 289. Kupferboil von Augustenhof, Kr. Wirsitz, Prov. Posen (2 Abb.' (Kyproljr])!«).
y, 242. Bronzekeule von Butzke, Pommern.
„ 245. Bronzekenlen (5 Abb.).
n 247. Prähistorische Thonfigur aus Sabnitz, Bezirk Bruz, Böhmen (3 Abb.).
. 249. Menschlicher Kopf auf Thonschiefer von HororoöHtz bei Prag.
„ 250. Gefässscherben mit Stierkopfhcnkel vcn Podbaba bei Prag.
^ 852. ThOnemer Stierkopf von einem Prunkgefässe von Ccmyvnl, Böhmen.
„ 258. Thönemer Stierkopf- Ansguss von einem Prunkgefäss von Wiesscu boi Saaz,
Böhmen.
• 255. Stierfiguren in Stein vom Schlauer Berge, Böhmen (2 Abb.).
„ 'J.Vi. Thongeflss mit Widderkopf aus dem Hritdek von rnglau.
VII
Seite 257. Vogel von Thon von Havron bei Bröx.
„ 261. Kinderklapper von Thon von Lnckau, I^iederlausitz (3 Abb.).
„ 262. Urne und Bronzering vom Webrmnlilenberg bei Biesenthal, Kr. Ober-Barnim
(3 Abb.).
„ 263. Bronze-Armring vom grossen Werder im Liepnitz-See, Kr. Nieder-Bamim.
„ 273. Kochtöpfe der Ababde aus Talkschiefer, NordostrAMca (8 Abb.).
^ 274. Tabakspfeife der Abäbde und Bischarin ans Talkschiefer.
, 286. Frührdmische Fibel mit Inschrift ans Bheinhessen (8 Abb.).
„ 290. Bronze- Armringe von Czemowitz (4 Abb. A.).
n 818. Römische Thonscherben von dem Zwiesel, Ober-Bayern (2 Abb.).
, 819. Bronzefibeln ebendaher (2 Abb.).
„ 821. Steinartefakte von Au bei Hammerau, Bezirk Traunstein (19 Abb.).
„ 828. Neolithisches Thongefäss ebendaher.
„ 826. Gräber-Schädel von Chajcar, Guatemala (2 Abb.).
„ 330. Europäische Tättowirungen (6 Abb.).
, 831. Desgleichen (4 Abb.).
„ 3.38. Kartenskizze der Gegend der Slouper Höhleo, Mähren.
« 860. Situationsplan der Nekropolen von St Canzian, Istrien.
^ 898. Das Sud- und das Nordzeichen dos alten Aegyptens (2 Abb.).
„ 894. Stilisirte Ornamentik ans Aegyptens neolithischer Zeit an Thongefässen aus
der Zeit bis zur lY. Dynastie (Gruppenbild).
„ 895. . Wappenpflanze von Ober-Aegypten (Gruppenbild).
„ 400. Aegyptische Hieroglyphe des Gesichts (Z.).
„ 414 — 415. Tättowirungen der Wadjidji, Africa (3 Z.).
„ 418—119. Tättowirungen und Zahnfeüungen derselben (8 Z.).
• 422. Zahnfeilung und Tättowirung eines Mgaga, Africa (2 Z.).
„ 427. Geometrische Zeichnungen eines Mtussi-Schädels (2 Z.).
„ 480. Situationsskizze, der Schwedenschanze bei Görbitzsch, W.-Stemberg (Z.)
„ 487. Alte Fundstelle am Küchent«ich bei Stemberg (Z.).
^ 440. Thonscherben und Feuersteinstücke aus der Stemberger Gegend (46 Z.).
n 441. Stein mit Hnfspuren von Tomow, Kr. West-Stemberg (1 Z.).
„ 448. Steinbeil vom Umenfeld bei Görbitzsch (Z.).
, 445. Thonscherben und Feuersteinstücke vom Lindhörst bei Lüdersdorf, Kr. Teltow
(8 Z.).
„ 447. Grosse Scheibenfibel aus Bronze von Wnstrow, W.-Priegnitz (1 Z.).
„ 448. Ornamente an Thonscherben vom Kiebitzberg bei Gandow, West-Priegnitz
(26 Z.).
n 451. Gewellte Bronzeume von Nijmegen, Holland (Z.).
„ 484. Haar eines Kaukasiers innerhalb des Haarbalges (1 Z.).
„ 489. Armband aus Bronze mit Anhängsel von Serrieres bei Neuchatel (1 Z.).
„ 492. Knotenzeichen der Müller in Baden (12 Z.).
, 497. Gewellte Strichverzierung an Scherben des Kr. Teltow (2 Z).
^ 499. Giebelverzierungen in Ostpreussen (58 Z.).
„ 507. Drei geometrische Ansichten eines Thurmkopfes von Arica (8 Z.).
„ 561—567. ümrisszeichnungen gefeilter Zähne, Tättowirungen, Brüste und Nasen
von Wadjidji, AMca (18 Z.).
„ 587^588. Anidke Germanen-Darstellungen aus Bronze in Paris (8 A.).
y, 589. Gefäss vom Tjpns UnStice von LibÖany in Böhmen (1 Z.).
« 589. Terrasigillata-Scherben von Podbaba bei Prag (1 A.).
j, 590. Keulenkopf aus Bronze von Königgrätz (2 A.).
„ 593. Altslavisches Gefäss ans dem salzigen See bei Eisleben (1 A.).
9 601. Trudenfnss bei Wilshofen, Bayern (2 Z.).
„ 605—606. Drei geometrische Ansichten eines Jaunde - Schädels von Kamerun (8 Z.).
n 617—619. Altperuanische Thon-Gefässe mit Darstellungen von Gesichts- u. s. w.
Yerstümmelungen (9 Z.).
viir
3. Naohricliteii über deutsche Alterthumsfimde, 1897.
Seite 8. Bronxe-Scbmucksachen von Clempenow, Pommern (6 Abb.)
„ 15. Tbongefäss und Scberbon der Yölkerwandorangszeit ans Beble, Kr. Csamikaa,
Posen (3 Abb.).
^ 16. MeroYingische Email Perlen aus DoUgen, Kr. Prenslaa (2 Abb.).
, 17. Situationsplan der Ufigelgr&ber auf dem Brommbarge in der Wesaenstedter i
Heide, Kr. Uelzen.
„ 19. Tbongef&88e und Nadeln daher (A.).
» 20. Tbongef&sse von da (A.).
^ 21. Durchschnitt eines Grabes von dort.
„ 23. Desgleichen.
„ 80. Eiserne Nadel von dort
„ 84. Hfigelgrftber bei Schlagenthin, Kr. Tuchel (6 Abb.).
„ 86. Steinkiste bei Kl.-Kensau, Kr. Tuchel.
n 86. Steinerne Pfeilspitse aus der Gegend von Graudens.
9 87. Feuerstein-Geräthe vom Liepnitz* Werder, Kr. Nieder-Bamim (4 Abb.).
„ 88. Steinbeil aus dem Freigrunde bei Wilmersdorf, Kr. Beeskow-Storkow (8 Abb.).
f, 89. Fenersteinmesser aus einem Umengrabe bei Vehlefanx, Kr. Ost -Havelland
(2 Abb ).
^ 40. Prähistorische GegenstJUide vom Schlossberg bei Biesenthal, Kr. Ober -Barnim
(6 Abb.).
• 41. Kupferne Doppelaxt von Börssum.
n 44—45. Bronze-Hohlcelte von Bergen auf Bügen (4 Abb.).
„ 46. Bronze- und Steingerftthe, ebendaher (8 Abb.).
„ 47. Brouze-Hohlcelte von Heringsdorf, Kr. Usedom-Wollin (8 Abb.).
^ 48. Fingerring von Bronze von Hammelstall, Uckermark.
„ 77. Thonschale aus dem langobardisch-s&chsischen Friedhofe bei Nienbüttel, Kr. |
Uelzen (A. und 1 Abb.). i
^ 78. Desgleichen (2 A.).
„ 79. Bronzeschnallen u. s. w. ebendaher (8 Abb.). |
• 80. Desgleichen und Fibel, ebendaher (4 Abb.).
., 82. Hügelgrab am Losenmeere in der Haarstorfer Feldmark, Kr. Uelzen, Skizze.
^ 83. Nadel und Speerspitze, ebendaher (2 Abb.).
^ 84. Bronze- und Thonfunde, sowie Perlen von dort (6 Abb.).
^ 87. Bronzen, sowie Verzierungen und Querschnitte (6 Abb.).
, 91. Urnen von Schlepzig, Kr. Lübben, in der NiederUusitz (4 Abb.).
n 92. Spiral- und Bfigelring, ebendaher (2 Abb ).
I.
Vor- und Frühgeschichtliches aus dem italienischen
Süden und aus Tunis
von
Dr. OTTO SCHOETENSACK in Heidelberg.
Hierzu Tafel I und II.
Auf einer Studienreise, welche badische Philologen untet Führung
des Heidelberger Archäologen Prof. von Duhn nach dem italienischen
Süden und Tunis vom 27. Februar bis 3. Mai 1896 unternahmen, sammelte
ich einige Notizen, die ich gern vervollständigt und zu einem Ganzen ab-
gerundet hätte. Da der Zweck der Reise in erster Linie der war, die
Theilnehmer mit den Resten des classischen Alterthums und mit der
Topographie der historisch interessanten Statten bekannt zu machen, so
blieb nur wenig Zeit übrig, Sonderinteressen nachzugehen; ich bin daher
nur im Stande, Bruchstücke zu bieten.
In Rom hielten wir uns auf der Durchreise nach dem Süden fünf
Tage auf. In den prähistorischen Abtheilungen der Sammlungen war da-
durch nur ein Umblick möglich.
Im Neuen Capitoliuischen Museum befinden sich etruskische Thon-
särge in Baumstammform. Die Bestattung von Leichen in ausgehöhlten,
der Länge nach durchschnittenen Baumstämmen ist eine u. a. in Süd-
deutschland, Westfalen und auch auf der kimbrischen Halbinsel, hier aus
der Bronzezeit, beobachtete Sitte. Da das Holz der Särge nur in Aus-
nahmefällen erhalten ist, so sind wir auch nicht im Stande, über die Ver-
breitung und Dauer dieser Bestattungsweise in den verschiedenen Ländern
genügende Auskunft zu geben. Der Ersatz des vergänglichen Materials
durch Terracotta konnte nur bei einem Volke stattfinden, das, wie die
Etrusker, es in der Thonplastik auf solch hohe Stufe der Vervollkommnung
gebracht hat. Der Vorgang selbst beweist, wie sehr man beflissen war, in
den Formen wenigstens, an den althergebrachten sepulcralen Gebräuchen
festzuhalten. ,
In dem Museo Etrusco Gregoriano möchte ich auf die vertical ge-
riefelten Redware Pithoi mit horizontalen Streifen eingepresster Thier-
figuren hinweisen^ von denen nur einige in der offici eilen Publication,
ZelUchrift für Ethnologie. Jabrg. 1897. 1
2 0. Schoetehsack:
Band II, Tafel 100, abgebildet sind; im Miisee du Louvre befiudet sich
eine weitere Aozalil derartiger Gcfösae. Die I'resstechnik dersolbeD lehnt
aich offenbar an iJstlicho Metallvorbilder an, wie aie ans in den griechischen
Kunstanfängen begegnen, von denen anch die bronzezeitlichen Funde des
Nordens und diejenigen der Hallstattzeit Mitteleuropas beeinflusst erscheinen.
Es wäre eine verdienstvolle Arbeit, die Ornamente der Redware Pithoi
zuBammenzustellen , wodurch sich mancherlei Beziehungen zwischen den
genannten Culturkreison ergeben dürften.
Die im Palazzo di l'apa Ginlio untergebrachte Sezione extraurbana
del Mnseo N^azionale, die unter der Leitung Barnabei's steht, weist eine
Falle altitalischer Grabfunde auf. In einem Räume sind sämmtÜche
Pläne über die im Faliskcr Lande erfolgten Ausgrabungen ausgestellt,
in einem anderen Saale sind die Grabfunde vereinigt, welche aus der
-Nekropole von Monterano stammen. K» ist dies eine im Xorden <Ies
Territorio di Falerii gelegene kleine Anholie. die als der L'rsitz der Faltsker
gilt. Man hat hier tombe a pozzo. a fosMt und a camera (letztere mit
Sarkojihagen darin) aufgedeckt. Die tomlie a pozzo lieferten an den
Villanova-Typns erinnenide thünerne Aschenurnen mit Beigaben von
Bronzeschmuck. Von den tombe a fossa ergaben die ältesten in der
Teclmik ebenfalls ziemlich primitives Topfgeschirr, das in der Fonn und
in den Ornamenten ebenfalls manche Anklänge an die Hallstatt-Periode
aufweist. Bei einigen dieser Gefllsse fällt der eigenthQmlich gestaltete
Ausguss auf, der an die Schnabelkannen von Kissarlik und Cypern er-
innert (Fig. l). Hin Geßss (Fig. 2) stellt einen Untersatz für einen
bauchigen Topf dar. Zum Aufhängen kleinerar Geisse sind Haken aus
Thon angebracht. Bei einem doppellienkeligen Becher (Fig. 3) sind die
Vor- und Frühgeschichtliches aus dem italienischen Süden u. s. w. 3
Buckeln mit Bronzeknöpfen geziert, die in den weichen Thon eingedrückt
wurden. Sie sind hier wohl den Nieten von Metallgefässen nachgebildet,
bezw. rein ornamental verwendet. In der reinen Steinzeit, in der bereits
vielfach Thongefasse mit Buckeln vorkommen, hatten letztere ursprünglich
nur den Zweck, eine bessere Handhabe für das Gefäss zu bieten; sie sind
nichts weiter als primitive Henkel. Sehr bald bildeten sich diese zu einem
Ornament heraus, das zur Hallstatt -Zeit eine ausgedehnte Anwendung
findet und bekanntlich die Keramik gewisser Culturkreise geradezu
charakterisirt. Auch ganz mit eingedrückten Bronzeplättchen bedeckte
Thongefasse finden sich unter dem Grabinventar der Falisker-Ghräber der
vorgenannten Art. Ein Unicum ist femer eine Brandume einfacher
konischer Form, deren Deckel einen aus Thon nachgebildeten Helm dar-
stellt. — Es erscheinen auch phönikische Importstücke und später sodann
gefirnisste Vasen, auf die wir hier nicht weiter eingehen können.
Bezüglich der musterhaft geordneten Funde, die in dem unter Leitung
von Pigorini stehenden Museo preistorico-etnografico untergebracht sind,
genügt es, auf die in dem BuUettino di paletnologia Italiaua niedergelegten
Berichte dieses verdienstvollen Forschers und seiner Mitarbeiter Chierici
und Strobel hinzuweisen.
Im Museo Nazionale in Neapel ist die reiche Collection von Fibeln,
die sich in der Abtheilung der Bronzen befindet, für unsere Zwecke be-
sonders lehrreich, da sie uns gestattet, einen vollkommenen Ueberblick
über die Entwickelung dieses chronologisch so wichtigen Geräthes in
Campanien zu gewinnen. Allerdings muss man sich die Mühe nehmen,
bei der Feststellung der Fundorte auf die Kataloge des Museums zurück-
zugehen, da die Gegenstände aus verschiedenen alten Sammlungen her-
stammen, worauf bereits Hr. Virchow (in dioser Zeitschrift 1883, Verh.
8. 319) aufmerksam machte
Für die älteste Geschichte Campaniens sehr instructiv ist ferner eine
Sammlung, welche die in der Nekropole des alten Suessula gemachten
Grabfunde vereinigt und sich im Landhause der Familie Spin eil i bei
Cancello befindet. Durch die grosse Liebenswürdigkeit des Besitzers wurde
uns nicht nur eine genaue Einsichtnahme der Sammlung gestattet, sondern
es wurde auch eine Anzahl von Gräbern in unserer Gegenwart geöffnet.
Einen zusammenfassenden Bericht über die Nekropole von Suessula
gab F. von Duhn in den Römischen Mittheilungen 1887, S. 235ff., ferner
in der Rivista di storia antica e scienze affini 1895, Nr. 3, p. 31 ff.
Die ältesten Gräber, tombe a pietra, reichen darnach vom Ende
des VII. bis zum Ende des VI. Jahrhunderts. Sie zeigen die bei den
Oskem allgemein geltende Sitte der Bestattung. Der Todte wird mit
reichen Beigaben in der blossen Erde oder in einem Holzsarge beigesetzt.
Die Beigaben bestehen aus Bronzeschmuck, besonders Fibeln, monochromen
4 0. Schobtbnsaok:
Thongefässen mit eingeritzten oder erhabenen Ornamenten, bemalten Yasen
des geometrischen, protokorinthischen und korinthischen Stils, die theils
über Kyme eingeführt, theils nach griechischen Vorbildern im Lande ge-
fertigt sind, schwarzfigurigen Yasen und Scarabäen. lieber dem Grabe
erhebt sich ein Haufen von weissen Kalksteinen, der wohl als Monument
diente. Kings um diesen Steinhaufen finden sich rohe einheimische Thon-
gefässe mit den Eesten des Leichenmahls, grosse Bronzegefasse, sowie
weitere, dem Inventar des Grabes selbst entsprechende Beigaben.
Im V. Jahrhundert tritt dann, wohl durch den Einfluss des nahen
griechischen Kyme veranlasst, neben der Bestattung der Leichenbrand
auf. Die Asche des Todten wird in einer Bronzeume beigesetzt und
diese nebst einigen Beigefässen, meist attischer Provenienz, in einen würfel-
förmigen Behälter von vulkanischem Tuff, der innen roth ausgemalt ist,
gestellt. Damit die Gefässe einen festen Stand haben, sind für den Fuss
derselben jeweils Yertiefungen in dem Boden des Behälters angebracht.
Fibeln fehlen jetzt als Beigabe. Das Aufhören dieser tombe a cubo di
tuf 0, hängt wohl zusammen mit dem am Ende des Jahrhunderts erfolgten
Einbruch der samnitischen Stämme. Man kehrt allgemein zur nationalen
Bestattungsweise zurück, die übrigens nie ganz durch den Leichenbrand
verdrängt worden war.
Es erscheinen nun die bis zum Ende des UI. Jahrhunderts reichenden
tombe a tufo o a mattoni. Der Todte wird in einem aus vulkanischem
Tuff gefertigten Sarkophage, bezw. in einem aus Tuffblöcken oder Ziegeln
zusammengesetzten Kistengrabe beigesetzt, das horizontal oder dachförmig
abgedeckt ist. Diese Gräber bilden eine Fortsetzung der tombe a pietra.
Ebenso wie bei diesen finden sich auch ausserhalb des eigentlichen Grabes
zum Theil werthvolle Beigaben. Für diese Gräber ist die Mitgabe von
Esswaaren für den Todten charakteristisch. Unter den Beigaben tritt die
Bronze zurück, und Eisen tritt an deren Stelle. In dem Grabinventar
treffen wir neben Spiralfibeln, die sich an griechische Muster anlehnen,
altitalische Typen, wie halbkreisförmige, mit kurzem o<ler langausgezogenem
Fusse, oft mit festsitzenden oder auch anhangenden Zierathen (Vogel-
figuren u. dgl.) versehen (Fig. 4), ferner kahnförmige Fibeln, wozu wir
mit O. Tischler (Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns,
München 1881, S. 54) auch diejenigen rechnen möchten, deren ein Kreis-
segment bildender, aus gleich dünnem Draht wie die Nadel gefertigter
Bügel eine Anzahl von perlen- oder ringförmigen Schmuckgegenständen,
darunter Bernstein, trägt. Eine gleiche, mit einem Stück Bernstein ge-
schmückte Fibel trafen wir auch im Neapler Museum unter Nr. 86 481,
Fundort Kyme. Schlangenfibeln kommen in mannichfacher Ausführung
vor. Diejenigen mit kugligen, knötchenartigen Verdickungen auf dem
Bogen sind auch von Orsi in der der III. Sikeler- Periode angehörigen
Nekropole Finocchito bei Note aufgefunden (BuUettino 1894, Taf.IY, Fig. 8).
Tor und PrQhgeschichtlicbes aas dem italieoiscben SSden d. b. w. 5
Eioige Fibeln haben die Gestalt eines Hundes (Notizie degli scari 1878,
Taf. IV, Fig. 9), eine andere die Gestalt einer Zange (Fig. 5) ').
Die keramiecben Erzeugnisse wurden theils direct importirt, theils
durch die griechische £iDfnhr beeinÖnsst. Mit der Einnahme von Kyme
wird diese Periode unterbrochen; der attische Import hört auf, und die
Fig. 4- Vi
Q
einheimische Technik beginnt sich zu entfalten. Von den ältesten Producten
fahren wir eine primitiv in Relief gearbeitete männliche Figur an, die der
"Wandung eines dunkelgrauen Gef^sses aufgelegt war (Fig. 6); leider ist
1) Beifiglich der in den GioMherioglichen vereinigten Sammlangen lu Karlsntbe be-
lindlicben Fnndo von Snessnla »ergl. K. Scbumacher's Torlrcffliche Arbeit: ,Be-
«chraibuDg der Sammlung antiker Bronzen", Karlsruhe 1890.
6 0. SCHOCnmAOK:
hiervon uur ein Scherben erhalten. Dann treten Qefässe mit eingeritzten
Ornamenten auf, wie Fig. 7: eine mit eingeritzter doppelter Spirale gezierte
Amphora, mid Fig. 8: ein becherartiges Öef&SB mit eingeritztem knospen-
artigem Ornament. Dieselbe Form, aber in schönem gelblichrothem Thon,
zum Theil mit reichen Verziemogen, zeigen Pig. 9 nnd 10. Wahrend aof
eraterem Gefäsae noch rein geonietriache Verzieningeu angewendet sind. —
die rings um den Hala angebrachten Buckeln sind wohl auf metallene Vor-
bilder zurückzuführen, — zeigt letzteres ala Schmuck, wie es das Ansehen
hat, herabbangende, unten beschwerte StofTzipfel. Die gleiche Verzierung
io eingedrückten, achnnrartigen Strichen erscheint auf der Kanne Pig. 11. —
Eine Hausume mit schrägem Dach hat an der tiiebelseite eine Tiereckige,
an den Ecken etwas abgerundete OefFnung. Andere Einzelheiten sind au
dem in Fig. V2 wiedergegebenen Häuschen nicht dargestellt.
Fig.U. '/,
Fig. 10. '/*
Dna R. Museo archeologico iu Taranto weiat neben den von P. Orai
im Bullettino 1890, p. 132, erwähnteu monochromen, durch Eindrücke in
den feuchten Thon geometrisch vorzierten Oeflissen ein umfangreiches
und äusserst lehrreiches Material auf, das Beziehungen zu Sicilien
(Castelluccio. I. Sikeler- Periode Orsi's), dann aber auch zu Mittelitalien
und selbst zu Oberitalien (Villanova) aufweist. Die meisten Gefässc der
Sammlung stammen indeas aus den seit dem VTIl. Jahrb. t. Chr. um den
Tarontiuiitchen Meerbuaen herum angelegten griechischen Ansiedelungen
oder sind doch sichtlich unter dorn Einflusao derselben entstanden.
Die ältoxti-n Zeugen für die Anwesenheit des Menschen im Lande,
gesclilagene oder geachliffene Steingeräthe, scheinen noch nicht ilireti Hin-
Vor- and Frühgeschichtliches aus dem italienischen Süden u. s. w. 7
gang in das Museum gefunden zu haben ^), was um so mehr zu bedauern
ist, als doch in nächster Nähe am Mare piceolo di Taranto, sodann auf der
den Tarentiniseben Meerbusen im Nordosten begrenzenden salentinischen
Halbinsel an zahlreichen Punkten geschlagene Feuersteinartefakte gefunden
sind. Giustiniano Nicolucci, im Bullettiuo 1879, p. 140, berichtet über
diese dem Richter Luigi de Simone in Lecce gehörigen Gegenstände.
Es befinden sich darunter fein gearbeitete Pfeil- und Lanzenspitzen aus
Feuerstein, sodann auch Messerchen aus Obsidian. Geschliffene Stein-
geräthe enthält die betreffende Privatsammlung nicht, wie denn Nicolucci
überhaupt nur wenige geschliffene Steinbeile, darunter ein Nephritbeil, das
sich ebenfalls in seinem Besitze befindet, aus jener Gegend bekannt ge-
worden sind. Es tritt dazu noch ein bei Statte , Commune di Taranto,
gefundener Axthammer mit doppelkonischer Durchbohrung, aus einem
sehr dichten Kalksandstein gefertigt. Zufolge der von Colini im
Bulle ttino 1892, p. 149 erschienenen Abhandlung über „Martelli o mazzuoli
litici con foro rinvenuti in Italia^ ist dies der einzige aus ganz Unter-
italien bekannt gewordene perforirte Steinhammer, und es erscheint be-
merkenswerth, dass dieser gerade in einer Gegend aufgefunden ist, aus
der auch von megalithischen Gräbern berichtet wird. Im südöstlichen
Theile der salentinischen Halbinsel befinden sich nehmlich nach Nicolucci
(Vol. XXIII degli Atti dell' Accademia Pontaniana; vergl. auch die Notiz
im Bullettino 1893, p. 346) noch sieben leidlich gut erhaltene Megalith-
gräber, die in ihrem Aufbau eine grosse Aehnlichkeit mit den im Norden
und Westen Europas, sowie auf Corsica vorkommenden haben. Als ihnen
besonders eigenthümlich ist der Umstand zu bezeichnen, dass nicht alle
Wandsteine aus einem Stück bestehen. Die den Deckstein tragenden
Pfeiler sind vielmehr ziemlich häufig aus mehreren, bis zu fünf, auf-
einander gelegten, etwa 20 cm dicken Stücken hergestellt. Diese Bauweise
war natürlich nur möglich bei einem sich plattig absondernden Materiale,
wie es der in jener Gegend vorkommende Kalkstein darbietet. Aehn-
liches habe ich weder bei den von mir in Gemeinschaft mit Ed. Krause
auf das Eingehendste untersuchten Megalithgräbern Nordwestdeutschlands,
noch bei den vielen mir zu Gesicht gekommenen Abbildungen aus anderen
Ländern beobachtet. Ferner fällt mir bei den Dolmen von Otranto be-
sonders auf, dass die Wandsteine meist sehr weit auseinanderstehen, so
dass sie Säulen gleichen, auf denen der Deckstein ruht. Nur ein Grab,
das von Cande, zeigt leidlich gut aneinanderschliessende Wandsteine.
Die vielen, z. B. bei dem Grabe von Grassi, um die Kammer herum
liegenden Steine lassen in mir die Yermuthung aufkommen, dass die
Zwischenräume zwischen den Säulen vielleicht durch Steine ausgefüllt
t) Das Yon Orsi 1. c. erw&hnte geschlififene Steinbeil and einige Bronzewafifen
konnten mir nicht vorgezeigt werden.
8 0. S0H0BTBN8ACK:
waren. Der sich plattig absondernde Kalkstein eignet sich nehmlich ganz
vorzüglich zum Anfbau mörtelloser Wände, wie die im südlichen Apnlien
über das ganze Land vertheilten, nach vielen Tausenden z&blenden Rund-
bauten darthuen. Diese, bereits in dieser Zeitschrift 1881, Yerh. S. 135,
von Hm. Virchow erwähnten, etwa 3 m hohen, mit einem Eingang ver-
sehenen, oben in einem runden Zeltdach endigenden Schutzhütten für die
in den Olivenpflanzungen beschäftigten Arbeiter sind aus plattigem Wellen-
kalk ohne jedes Bindemittel kunstvoll aufgebaut. Die Dolmen der Terra
d'Otranto zeigen im Uebrigen nichts Auffälliges. Die Kammer, die meist
von einem, zwischen 3 und 5 m langen Stein gedeckt wird (bei dem
Megalithgrabe von Grassi scheinen 3 kürzere, zusammen 5,50 m lange
Deoksteine verwendet zu sein), ist stets über 1 wi, in einigen Fällen bis
nahezu 3 m breit. Da die Wandsteine durch die auf ihnen ruhende Last
meist aus ihrer Lage gedrückt werden, so ist die ursprüngliche Breite,
wie ich mich bei der Untersuchung der Megalithgräber Nordwestdeutsoh-
lands überzeugt habe, stets nur annähernd zu ermitteln. Die Kammer
ragt meist 1 m aus der Erde hervor; eine Orientirung nach einer be-
stimmten Himmelsrichtung scheint nicht stattgefunden zu haben. Alle
diese Monumente befinden sich so nahe der Küste, dass man das Meer
von ihnen aus sehen kann. Nach der Angabe der dort ansässigen Land-
bewohner sind sie in früherer Zeit viel zahlreicher gewesen.
Ausser den Dolmen kommen in der Terra d'Otranto noch einzeln
aufgerichtete Steine (Menhirs) vor. Dieselben sind im Querschnitt vier-
eckig und haben eine Höhe bis zu 4,4() m über dem Erdboden. Sie sind,
an einigen Orten gedrängter, meist aber vereinzelt stehend, über die
salentinische Halbinsel hin zerstreut. Femer finden sich auf dem ge-
nannten Gebiete auch Tumuli, die aus Steinen bis zur Höhe von 10 wi,
bei einem Durchmesser von 30 m an der Basis, errichtet sind. Eine
systematische Untersuchung dieser Hügel hat noch nicht stattgefunden.
Die grosse Seltenheit der durchbohrten Steinhämmer im südlichen
Italien und auf den Inseln (von Sardinien sind nur drei, von Sicilien nur
einer bekannt geworden), erklärt sich wohl durch den Umstand, dass das
Metall hier durch seefahrende Händler viel früher eingeführt wurde, als in
Oberitalien und in dem sich nördlich daranschliessonden Ländercomplex.
Bei uns im Norden bediente man sich noch viele Jahrhunderte hindurch
geschliffener Steinhämmer, die man denjenigen aus Metall nachbildete, als
letzteres schon Gemeingut der meisten Bewohner des südlichen Italiens
geworden war.
Uebrigens hat die den Tarentinischen Meerbusen im Westen begrenzende
Basilicata zahlreiche Funde von interessanten Steingeräthen ergeben, wo-
rüber im Bullettino 1880. p. 77, 1890, p. 138 und in den Notizie degli
seavi 189H, p. 53 berichtet wird. Es finden sich dabei auch sogenannte
megalithische, durch Schlag hergestellte Feuersteinbeile vom Typus Saint-
Vor- nnd FröligeichiclitlicheB ans dem italienigchpa Süden u. s. w. 9
Acheul (vergl. darüber auch diese Zeitschrift 1881, Verh. S. 135), auf die
wir noch zurückkommen werden. Die von Lacava in der Lncania
Ifltterana (MSrz 1885) beschriebenen kyklopischen MIaueni, die sieh auf
isolirten Bergkegeln des Gebirges noch in ansehnlichen Resten erhalten
haben, weisen darauf hin, dass hier noch mancher Aufschluss durch den
Spaten zu erwarten ist.
Einen allenfalls an die Steinzeit erinnernden Gegenstand aus dem
Tarentiner Museum wollen wir nicht anerwilhnt lassen: Es ist dies der
durchbohrte kegelförmige Zahn eines Potwais (Physeter macrocephalus).
Daes dieser Zahn als Schmuck gedient hat, wird durch die an dem einen
Ende ausgeführte Bohrung wahrscheinlich. In der BrQsseler Sammlung
befinden sich unter den belgischen Höhlenfunden zahlreiche derartige
Artefakte.
Kg. 13. V.
In Bari, dessen Museum nichts von steinzeitlichen Funden aufzuweisen
hat, obgleich in der Provinz Bari umfangreiche Funde der neolithischen
Periode gemacht sind (cf. Bullettino 1876, p. 207", fand sich noch Gelegen-
heit, eine interessante Sammlung von Feuerateingeräthen zu besichtigen,
die vou dem Monte Gargano stammen. Sie wurden von einem dort an-
sässigen Geistlichen gesammelt und befinden sich jetzt im Besitze des
Hm. Morelli, der Besitzer einer Apotheke iu Bari ist und zugleich eine
naturwissenschaftliche Lehrthätigkeit daselbst ansflbt. Ausser einem durch
Schleifen hergestellten cylindrischen, über 30 cm langen Feuersteingeräth,
das einem zugespitzten Stabe gleicht, ist eine Serie von mehreren hundert
gesclilogenen Silex-Instrunieuten vertreten, worunter zwei grosse Beile vom
Typus Saint-Acheul besonders hervorzuheben sind. Das eine, durch die
Liebenswürdigkeit des Hrn. Morelli in den Besitz dos Verfassers über-
gegangene Artefakt, dessen Form sich aus der beifolgenden Abbildung
(Fig. 13) ergiebt, ist 185 mm lang und an einem Ende 85 mm breit. Das
10 0. S0H0£T£N8A0K:
Material ist, wie der frische Bruch zeigt, ein dunkelgrauer Feuerstein.
Die Flächen des Beiles zeigen eine gelblichweisse, schwachglänzende
Patina, die in relativ dicker Schicht aufliegt. Da diese auch die abge-
brochene äusserste Spitze bedeckt, so ist das Instrument offenbar schon
zur Zeit des Gebrauches schadhaft geworden.
Im Bullettino 1876, Taf. I\ (siehe auch den Text desselben Jahrgang»
p. 122 und 228) ist ein ebenfalls durch Schlag hergestelltes Feuersteinbeil
abgebildet, das bei Ceppagna, Provincia di Molise, gefunden wurde und
in auffälliger Weise dem unserigen gleicht, nur ist es noch etwa 50 mm
länger. Auch aus den Abruzzen, ferner aus den Provinzen Umbria, An-
cona, Bologna, Parma und Verona (Bullettino 1878, p. 129) sind derartige
Funde bekannt geworden. Wir haben also längs der adriatischen Küste
vom Po -Gebiete an bis zum Golf von Taranto eine fortlaufende Kette
derselben.
Bei Erwähnung eines Feuersteinbeiles vom Typus Saint- Acheul, da»
mit anderen neolithischen Artefakten zusammen im Yeronesischen gefunden
wurde, macht Pigorini (im Bullettino 188ff, p. 97) darauf aufmerksam,
dass in Italien besagter Typus vielleicht überhaupt nicht nur der paläo-
lithischen Epoche zuzuzählen ist, sondern dass derselbe auch noch einer
späteren Periode anzugehören scheint, so dass sich also paläolithische und
neolithische Typen gemischt vorfänden. Eine ähnliche Ansicht sprach
J. Allen Brown in seiner im Journal of the Anthropol. Institute of Great
Britain and Ireland 1892 veröffentlichten Abhandlung: „On the continuity
of the palaeolithic and neolithic periods^ in Bezug auf England aus. Wie
aber Professor Boyd Dawkins in derselben Zeitschrift 1894 in einem
Aufsatze: „On the relation of the palaeolithic to the neolithic period*^ aus-
führt, können die von J. Allen Brown vorgebrachten Beweise für die
Continuität der beiden Perioden nicht als stichhaltig angesehen werden,
da die betreffenden Funde, auf die sich letztgenannter Forscher stützt,
sich nicht mehr in primärer Lage befanden. Boyd Dawkins hält viel-
mehr daran fest, dass die paläolithische und die neolithische Periode für
ganz t]uropa streng von einander zu trennen sind.
Gerade Italien, und besonders der dem adriatischen Meere zu gelegene
Theil, dürfte noch berufen sein, in dieses noch nicht genügend aufgehellte
Gebiet^) Licht zu bringen, sobald die Fundumstände der sogenannten
megalithischen Feuersteinbeile, darunter auch derjenigen des Monte Gargano,
besser erforscht sein werden.
1) Bekanntlich sind neuerdings auch in Africa, im Soroallande, dorch H. W. Seton-
Karr zahlreiche Steingerlihe aufgefunden, die Sir John Et ans als palAolithische bt^stimmt
hat Diese Artefakte scheinen sich nicht von den in Europa und Asien aufgefundenen
aus der gleichen Epoche lu unterscheiden, und man ist geneigt anzunehmen, dass zwischen
den Bewohnern der drei Erdtheile in pal&olithischer Zeit ein Zusammenhang bestand*
Vergl. Joum. of the Anthrop. Institute VoL XXV ;Kebruary 1*?%^ p. 271— •;4 und Procee-
ding» of the Rojal Societj Vol. LX, p. 19.
Vor- und Frühgeschichtliches aus dem italienischen Süden u. s. w. 1 1
Bei Cotrone, das wie Taranto im Bereiche des pliocänen Kalkes ge-
legen ist, nähern wir uns dem Granitmassiv des bis zu 1930 m ansteigen-
den Silagebirges, welches im nordöstlichen und südwestlichen Theile kry-
stallinische Schiefer aufweist. Die Privatsammlung des Marchese Lucifero
in Cottrone gab uns Gelegenheit, die Gesteine dieser Formationen in den
in der Umgegend gefundenen Steinbeilen kennen zu lernen. Es möge
daraus das in Fig. 14 abgebildete, aus schieferigem Gestein gefertigte
Artefakt hervorgehoben werden, das eine ringsumlaufende Rille aufweist,
die, wie man dies aus analogen Geräthen amerikanischer Naturvölker ent-
nehmen kann, zur Befestigung eines Stieles gedient hat. Hr. Deich-
müller beschreibt in dieser Zeitschrift 1895, Verh. S. 136 ein derartiges,
in der Dresdener Sammlung befindliches Werkzeug, das von einem nord-
amerikanischen Indianerstamme herrührt, und Hr. A. Voss führt verschiedene
Fundorte derartiger, mit Rillen versehener Steingeräthe auf, die zum Theil
flache oder abgerundete Schlagflächen zeigen^). Es werden genannt:
Hissarlik (zweite Stadt), El Argar in Spanien, das Kupferbergwerk auf
dem Mitterberge bei Bischofshof en im Salzburgischen, Böhmen, die
preussische Provinz Sachsen und Scandinavien. Da diese Funde mehrfach
in Bezirken gemacht sind, in denen früher Bergbau betrieben wurde, so
nimmt man an, dass die Werkzeuge dort zum Zerkleinern von Erzen
gedient haben. (Jebrigens ist ein solches Geräth auch besondws geeignet
zum Eintreiben von Holznägeln oder zum Zermalmen von Knochen, wie
denn nach Hrn. R. Virchow der Führer der nordamerikanischen inter-
nationalen Polar-Expedition nach Point Barrow, Mr. John Murdoch, eine
derartige Verwendung der von ihm mitgebrachten Rillenhämmer seitens
der Eingeborenen angiebt. Das Steingeräth von Cotrone ist an dem einen
Ende mit einer spitz zulaufenden Schneide versehen und dürfte demnach
mehr zum Spalten von Holz oder dergl. gedient haben.
Die übrigen in besagter Privatsammlung befindlichen Steinbeile sind
entsprechend den durch die Flüsse aus den Bergen herabgeschwemmten
Gerollen vielgestaltig; am Bahnende mehr oder weniger verjüngt, nähern
sie sich meist der Mandelform; aber auch ganz flache, annähernd oblonge
Formen kommen vor. Der Querschnitt ist flachoval bis fast kreisrund; ein
viereckiger Querschnitt ist nicht dabei.
Femer befindet sich in der Sammlung des Marchese Lucifero eine
Kupferaxt (der Strich zeigt wenigstens die rothe Farbe des Kupfers, eine
genaue Untersuchung wäre erwünscht), die wegen der eigenartigen, durch
Punziren auf den Flächen hergestellten Zeichnung, die unsere Abb. Fig. 15
1) Nebenbei mag^ hier die Bemerkang Platz finden, dass die Steinaxt ans Catania,
die Freiherr von Andrian in seinen .«Prähistorischen Studien ans Sicilien' abbildet, sich
nicht, wie in dieser Zeitschrift a. a. 0. vcrmuthet wird, in der Wiener Sanunlnng, sondern
im Moaeo nazionale in Palermo befindet, ebenso wie die dnrch von Andrian abgebildeten
Thongef&sse aus Sicilien.
0. SOHOKTENSACK :
infolge des reducirten Maassetabes mangelhaft wiedergiebt *). bemerkenewertb
eracheint. Die Axt wurde in der Ctegend von CosenzR gefunden. Auf der
>
Fig. 16. V,
1) Die Striche Mni alle io Zickiack- beiir. Wellenlinien i
8 die Mittellinie der banniartiKen Fipnr atideiitPt
Vor- und Frühgeschichtliches aus dem italienischen Süden u. s. w. 13
einen Seite derselben sind bäum- oder federartige Figuren dargestellt, die
zum Theil durch eine starke Patina zugedeckt sind, auf der anderen Seite
erscheinen vier mit den Ecken zusammenstossende Quadrate, zwei schräg-
liegende Kreuze und ein kleines, gerade stehendes; das daneben liegende
Feld lässt wegen der Patina die Zeichnung nicht erkennen.
Eine andere bronzene (?) Axt ähnlicher Gestalt, aber ohne Verzierungen,
befindet sich in der Sammlung des Marchese Albani in Cotrone. Es ist
dies ein Grabfund von Spezzano Albanese, ebenfalls aus der Gegend von
Cosenza. Die Albani 'sehe Sammlung enthält auch eine Anzahl kunstvoll
gearbeiteter, bis zu 15 cm langer prismatischer Messer aus hellgrauem
durchsichtigem'Feuerstein mit Schlagmarken am breiten Ende der Haupt-
fläche. Die Abbildung eines solchen geben wir in Fig. 16 wieder. Diese
Feuerstein -Artefakte stammen von Policoro in der Basilicata; das Roh-
material wird wohl den in dieser Provinz anstehenden mesozoischen
Schichten entnommen sein.
Ueber die Funde von Steingeräthen in Calabrien besitzen wir werth-
voUe Nachrichten von D. Lovisato, früher im Lande selbst domicilirt,
jetzt Professor der Mineralogie an der Universität in Cagliari auf Sardinien.
In den Mem. della R. Accademia dei Lincei, 1885 und in den vorauf-
gehenden Jahrgängen, sowie im Bullettino 1889 und 1894 sind 388 ge-
schliffene Steinbeile beschrieben, die zum weitaus grösseren Theile in der
Provinz Catanzaro, zum kleineren Theile in der Gegend von Cosenza und
Reggio gefunden wurden. Wie allenthalben ist ausgesucht zähes und
hartes Material dazu verwendet: Porphyr, Diorit, Tremolit, Nephrit (26)*),
Sillimanit, Eklogit, Jadeit (2), Chloromelanit (1). Serpentin ist nur wenig
gebraucht, ebenso sind jüngere vulkanische Gesteine sehr selten unter den
Artefakten. Die verhältnissmässig grosse Anzahl von Funden geschliffener
Steinbeile, sowie auch in der Gegend von Squillace aufgefundener Werk-
zeuge aus geschlagenem Feuerstein (Bullettino 1883, p. 115) beweist
jedenfalls, dass Calabrien, und besonders das um den Golf von Squillace
gelegene Gebiet, schon in einer sehr weit zurückliegenden Zeit nicht
spärlich besiedelt war.
Das städtische Museum von Reggio di Calabria weist eine ziemlich
grosse Anzahl geschliffener Steinbeile auf, deren Material aus dem Gneiss-
gebiete des Aspromonte stammt. Es sind namentlich aus dem Gebirge herab-
geschwemmte Amphibolgesteine verwendet, die im Querschnitt meist noch
die Geröllform erkennen lassen. Ein fein polirtes grünliches Steinbeil
(Fig. 17) weist der Länge nach einen Schnitt auf und zeigt also eine vor-
geschrittene Technik. Ein nirgends mit einer Schneide versehenes Gneiss-
artefakt (Fig. 18) gleicht den von Schliemann in Hissarlik gefundenen,
1) Die in Klammem gesetzte Zahl bedeutet die Anzahl der von dem betreffenden
Minenüe gefundenen Beile: bezüglich Nephrit heisst es: .Yentisei oggetti di nefrite o
minerale nefritoide o nefrite impora."
H 0. SOHOBTENSACK :
dem Körper niner Violine nicht unähnlich ausseheadeu Qegeudt&aden.
ÄusBerdem treten uns hier Messerchen aus dunkel^auem Obaidiftii ent-
gegen, Ton denen Fig. 19 und 20 eine Vorstellung geben mögen. Die
eine Seite dieser zierlichen Instrumente stellt eine convex gebogene Fläche
dar, während auf der anderen Seite mehrere zam Theil concav verlaufende
Flächen ersebeinen.
PiftlS. '/. Pig.19. •/. FiR 20. *,
Nach Minh Palnmbo (Bullettino 1875, p- 165) kommen Obsidian-
messer auf dem coutioeotalen Theile Italiens nördlich bis zum Po-Gebiete
vor, sodann auf Sicilien (die Gegend südlich von Cefalii weist die meisten
Fundorte auf, im Innern der Insel ist Caltanisetta zu nennen), Sardinien,
Capri, Pianosa und Elba. Vereinzelt sind auch Nucloi von Obsidian
nebst abgespaltenen Meseerchen gefunden worden, so bei Reggio di Calabria
und bei Ruto. Die Farbe des von den Liparischen Inseln stammenden
Obsidian ist silbergrau bis sammetsohwarz , auch olivenfarbig oder weiss
perlfarbig. Die flaschengrQne Varietät kommt weder auf Lipari, noch
sonstwo in Italien vor; Funde derartiger Obsidiunartefakte lassen also auf
Import aus anderen Ländern schliessen. Die bis jetzt in Italien ge-
fundenen Obsidianwerkzenge scheinen alle der neoUthischen Zeit anzu-
gehören.
Von Torgriechi sehen Thongefftssen aus dem Musoum von Reggio sind
einige bereits im Bullettino 1K90, p. 48 beschrieben. Es befindet sich
darunter ein in der Form gemiliges, mit Graphit aberzogenes, flaches
Oefäss, das auf dem oberen Theile der konisch gestalteten Ausbauchung
mit drei Buckeln geschmückt ist. Andere gleichzeitig aufgefundene Ge-
fässe sind roher gearbeitet. —
Von Bii'ilien, das wir nunmehr betreten, ist nur das Pelontanische
Gebirge, das den nordöstlichen Zipfel der Insel einnimmt, aus dem gleichen
Urgestein, wie der gegenüberliegende Aspromoute, aufgebaut; der übrige
Theil des Eilandes besteht der grosaen Hauptsache nach aus tertiären
Schichten, die ausser den Schwefel und Steinsalz fahrenden Gjpsen Kalk-
Vor- und Frühgeschichtliches aus Sicilien. 15
und Sandsteine, Mergel und Thone aufweisen. Cretacische und jurassische
Bildungen treten nur vereinzelt auf. Basalte, die ira Bereiche des Aetna
und des Val di Note zu mächtiger Entwickelung gelangten, sind in kleineren
Lagern über einen grossen Tlieil von Sicilien verbreitet. An geeignetem
Rohmaterial für die zu schlagenden und zu schleifenden Steinwerkzeuge
fehlte es hier also nicht.
Der südöstliche Theil der Insel, die Provinz Syrakus, ist von Paolo
Orsi in geradezu mustergültiger Weise durch den Spaten erforscht. Seit
dem Jahre 1889 ist dieser Gelehrte in ebensq unermüdlicher und ent-
behrungsvoller, wie zielbewusster Arbeit damit beschäftigt, dort Grabungen
ausführen zu lassen, welche die bisher nur spärlich gebrachten Nach-
richten über die älteste Bevölkerung Siciliens in dankenswerther Weise
vervollständigen. Eine grosse Anzahl von Nekropolen, sowie auch eine
Ansiedelung der Sikeler, mit denen wir fortan die Sikaner in Hinsicht
ihrer Cultur identificiren können, wurde systematisch untersucht. Die
aufgefundenen Gegenstände sind im Königlichen Museum zu Syrakus
vereinigt. Die Ergebnisse dieser Forschungen sind im Wesentlichen
folgende :
Die ältesten Culturreste, die zum Theil aus natürlichen Grotten zu
Tage gefördert wurden, zeigen uns eine noch ganz in der Steinzeit lebende
Bevölkerung, deren Werkzeuge und Waffen aus geschlagenem Kiesel, ge-
schliffenem Basalt und bearbeitetem Bein bestanden. Die von den Mahl-
zeiten zurückgebliebenen Knochen rühren von Hausthieren her, die, der
Skeletbildung nach zu urtheilen, halbwild lebten. Es sind vertreten:
Wildziege, Schaf, Rind, eine grössere (Bos priraigenius domesticus?) und
eine kleinere Rasse (Bos brachyceros Rütimeyer?), Schwein (Sus palustris
Rütimeyer), sowie zwei Varietäten des Hundes, eine kleinere (Canis
Spalletti, Strobel?) und eine grössere (Canis palustris Rütimeyer). Ausser-
dem sind gefunden Reste von Mustela und vereinzelt Muschelabfälle.
Eigentliche Waldthiere fehlen. — Die Keramik beschränkt sich auf die
Herstellung von Gefässen, die aus freier Hand geformt, mit zum Theil
weiss ausgefüllten Eindrücken geometrischer Figuren überladen und bei
offenem Feuer gebrannt sind.
Von der durch diese Funde nachgewiesenen, im eigentlichen Sinne
prähistorischen Bevölkerung verschieden war die sikelische, die den Nach-
richten der Alten zufolge ihre Dörfer mit Vorliebe auf steilen, schwer
zugänglichen Höhen anlegte. Ihre einstige Existenz bezeugen uns fast
nur noch die zahlreichen Grabkammern, die meist in die abfallenden Fels-
wände unterhalb der Ansiedelungen eingehauen sind. Die Oeffnung der
Kammer ist gewöhnlich senkrecht angelegt, und es musste deshalb bei
schräg abfallendem Felsen ein nach oben offener Vorraum geschaffen werden.
Wurden die Gräber ausnahmsweise nicht in einen Abhang eingearbeitet,
wie auf Plemmyrion und theilweise auf Thapsos, so wurde ein senkrechter
16 0. SCHOETBNSAOK:
Schacht hergestellt, und von diesem aus führte eine seitliche Oeffnung in
die Kammer. Der Verschluss des Einganges geschah durch Platten, welche
meist in Falze eingelassen, durch eingekeilte Steinsplitter befestigt und
vielfach noch durch Trockenmauern gesichert wurden. Die Zahl der un-
berührten Gräber, welche wissenschaftlich erforscht werden konnten, ist
nur gering.
Wenn auch die meisten Gräber in früherer Zeit schon geöffnet und
zum Theil ihres Inhaltes beraubt worden sind, so gestatten doch die noch
übrig gebliebenen Gegenstände, sowie die Construction der Gräber selbst,
in der Cultur der Sikeler drei Perioden zu unterscheiden*), und die erste
derselben mit der Zeit der Cultur von Hissarlik (Troja), die zweite mit
der darauffolgenden mykenischen Epoche (etwa 1500 — 800), die dritte mit
der erneuten Herrschaft des geometrischen Stils in Griechenland (etwa
1000—700) gleichzusetzen.
In der ersten Periode sind die Grabkaramern eng und niedrig
(Höhe etwa 1 m, Bodenfläche etwa 2 qrn). Sie haben im Grundriss und
Durchschnitt eine unr<»gelmässige Gestalt und lassen sich in ihrer Form
etwa mit einem Backofen vergleichen. Die Aushöhlung wurde, nach einigen
in den Gräbern gefundenen, abgenutzten Basaltbeilen zu urtheil^n, haupt-
sächlich wohl mit diesem primitiven Werkzeuge ausgeführt. Wie Hr. Orsi
uns mitzutheilen die Güte hatte, haben die durch ihn vorgenommenen
praktischen Versuche ergeben, dass mit diesen Instrumenten allein die
Arbeit kaum hergestellt werden konnte. Es ist deshalb auch an die an
anderen Orten aus vorgeschichtlicher Zeit beobachtete Absprengung des
Gesteins durch Erhitzung und schnell darauf erfolgende Abkühlung zu
denken. In der Kammer, zu welcher eine 50 — 75 cm hohe fensterartige
Oeffnung von viereckiger Gestalt führt, war eine grössere Anzahl von
Leichen untergebracht. Sie wurden in hockender Stellung vielfach an die
Wand gelehnt und mit zahlreichen Thongefässen versehen, so dass sie wie
zu einem Mahle vereinigt erscheinen. In mehreren Fällen fand man aber
auch die Kammer buchstäblich mit Skeletten vollgepfropft. Dass die
Leichen vor der definitiven Beisetzung skelettirt wurden, wird von
Hrn. Orsi (BuUettino 1892, p. 81) in einzelnen Fällen als wahrscheinlich
angenommen. Stichhaltige Anhaltspunkte dafür habe ich aber nirgends
finden können.
1 Die y^neolithische) vorsikelische Periode mit folgenden Fondorten: Stenti-
nello, Palazzolo, Acreide and mehrere Punkte in unmittelbarer X&he von S}Takus.
Die ;aeneolithischey erste Sikeler-Periode:
a; Nükropolen: Melilli, Bemardina, Cara della Signora (CasteUuccio), Cava della
Secchiera und CoUe Tabuto bei Ragusa.
b^ Die sikelische Niederlassung von Castellnccio.
Di«' der Bronzezeit aogehörige zweite Sikeler-Periode mit den Nekropolen:
Plemmyrion, Molinello, Cozzo del Pantano, Milocca, Pantalica und Thapsos.
Die der ersten Eisenzeit angehörige dritte Sikeler-Periode mit den Nekro-
polen: (Pantalica), Tremcnzaoo, Finoccluto.
Vor- und Fröhgeschichtliches ans Sicilien. 17
Die den Todten mitgegebenen Schmuckgegenstände sind sehr primi-
tiver Natur. Es finden sich aus Stein oder einheimischem fossilen Harz
hergestellte Perlen und ringartige Scheibchen, ganz kleine mit einem
Loch zum Anhängen versehene Steinbeile und Muscheln, ein durchbohrter
Haifischzahn u. dergl. Bronze kommt äusserst selten vor und nur als
Sckmuck; es fanden sich längliche doppelkonische Perlen, Beste einer
dünnen Spirale und Aehnliches. In einem völlig unberührten Grabe wurde
auch ein halber Eisenring gefunden. Diese Metallsachen sind sehr wahr-
scheinlich eingeführt, ebenso wie die kunstvoll gearbeiteten Knochenplatten,
die auf ihrer Oberfläche in einer Beihe angeordnete, an Scarabäen er-
innernde, knopfartige Erhebungen zeigen und in dieser Zeitschrift 1891,
Verh. S. 411 abgebildet sind. Wie Hr. Virchow ebendaselbst ausführte,
kennen wir ähnliche Knochenarbeiten aus Hissarlik.
Bei den in den Gräbern gefundenen Thohgefässen, die ohne Töpfer-
scheibe gearbeitet und bei offenem Feuer gebrannt sind, kann man zwei
Gattungen unterscheiden: Erstens Gefässe meist von kleineren Dimensionen,
welche nur die braune Farbe des Thones zeigen und selten durch ein-
gedrückte oder eingestochene Ornamente verziert sind. Zweitens Gefässe
aus gelblichem oder hellröthlichem Thon mit einem gelblichen oder lebhaft
rothen Farbüberzuge. Sie sind durch erhabene Bänder oder durch schwarz-
braun aufgemalte, oft der Flechtkunst entnommene, geometrische Zeich-
nungen geschmückt. Unter den mannichfaltigen Formen der Yasen sind
hervorzuheben doppelkonische Kelche und ein- oder zweihenkelige Becher
von gefälligem Aussehen.
Die Erforschung der Abfälle einer sikelischen Niederlassung bei
Castelluccio vervollständigt das Bild, welches die Gräber ergeben. Es
fanden sich Knochen vom Bind (die beiden schon in der neolithischeü
Periode erwähnten Bässen), Schwein, Schaf, von der Ziege und vom Edel-
und Damhirsch, vereinzelt auch vom Hund und Pferd. Ferner wurden
zahlreiche Silexmesser, abgenutzte Basaltbeile, eine elliptische, als Hand-
mühle gedeutete Basaltplatte, wie ähnliche aus Troja und Therasia bekannt
sind, zu Werkzeugen verarbeitete Knochen, auch eine verzierte Knochen-
platte, wie die oben erwähnten, zahlreiche Gefässscherben, thönerne Spinn-
wirtel und hornförmige, vielleicht als Talisman gebrauchte Gegenstände
gesammelt.
In der zweiten Periode wird die Grabkammer geräumiger; sie hat
meist einen kreisrunden oder leicht elliptischen Grundriss mit einem
mittleren Durchmesser von 2,5 — 3 m und eine etwa 1,5 m hohe, vielfach
kuppeiförmige Decke, wie die Tholoi des mykenischen Culturkreises.
Unten an der Wand läuft eine niedrige Bank hin. Eine oder mehrere, in
regelmässigen Abständen angelegte Nischen und eine Vorkammer erweitem
den Baum des Grabes. Die Eingänge werden etwas grösser nnd nähern
sich der Thürform. Bemerkenswesth ist, dass in einigen Gräbern der
Z«it«cbrifl für Ethnologie. Jahrg. 1Ö97. 2
19 0. 8OH0«nDI8A0E:
Nekropole von Thapsos, welche eine jüngere Phate dieser Periode dar-
stellt, sowohl der Eingang der Kammer wie daa aua gut behanenen. Steinen
heimstellte Thor des Yorraumes architektonische Gestalt bekommen haben.
Ebenda finden sich Quadermauerp als Stütze der Decke oder als Yer-
kleidong des Einganges. Die gute Arbeit der Steinblöoke nnd der Yer-
schlussplatten ist bedingt dnrch die Anwendung von Metallwerkzeugen.
Die YeryoUkommnung der Technik wird auf denselben fremden Einfluss
zurückzuführen sein, der sich durch die Funde der Gräber selbst genauer
feststellen lässt.
Für die Art der Beisetzung der Todten ist auch in dieser Periode
noch die Yorstellung eines. Mahles massgebend. Sie werden im Kreise
herum hockend oder sitzend bestattet In der Mitte stand gewöhnlich ein
grosses Gefäss, welches wahrscheinlich ein Getränk enthielt; kleinere Ge-
fisse neben den Todten sollten als Schöpf- und Trinkgeschirr sowie als
Speiseteller dienen. In Thapsos findet sich als üebergang zur dritten
Periode auch die Bestattung in ausgestreckter Lage; die Schädel der
Todten sind nach der Peripherie der Kammer gerichtet
Die beigegebenen y technisch noch ebenso wie in der ersten Periode
unvollkommenen, einheimischen ThongefiLsse zeigen, abgesehen Ton ge-
wissen Beziehungen zur früheren Keramik, in ihren Formen eine auffalleüde
Anlehnung an metallische Yorbilder. Charakteristisch sind kesseiförmige
Gefässe mit hohem, scharf abgesetztem Fusse und hohen yerticalen, oben
in zwei Homer endigenden Griffen oder mit spitzohrenförmigen Henkel-
ansätzen. Die Bemalung verschwindet, an ihre Stelle treten eingeritzte
und eingedrückte oder in Relief aufgesetzte Ornamente; nur vereinzelt
sind die Yersuohe, Thiere und den Menschen darzustellen. Auch aus
Thon sehr roh geformte Idole sowie Nachbildungen von Sesseln, die als
Spielzeug für Kinder gedeutet werden, sind hier zu erwähnen. In Form
und Technik scheiden sich deutlich von den einheimischen keramischen
Producten die vielen eingeführten mykenischen Gef&sse.
Aus dem Culturkreise von Mykenae stammen auch die zahlreichen
Bronzebeigaben, neben welchen die Steingeräthe mehr und mehr zurück-
treten. Es fanden sich Schwerter, Dolche, Messer, Meissel, Yiolinbogen-
fibeln und die ersten Schlangenfibeln. Auch Reste von MetallgefiLssen,
welche, wie wir oben annahmen, die einheimische Keramik beeinflussten,
wurden aufgelesen. Die Einwirkung mjkenischer Kunst zeigen femer die
mit sculpirten Spiralmotiven verzierten Yerschlussplatten zweier der zweiten
Periode zuzuzählenden Gräber von Castelluccio. — Eisen tritt in dieser
Epoche nur in spärlichen Resten auf.
In der dritten Periode wird die Grrabkammer wieder etwas kleiner.
Der Grundriss ist quadratisch oder rechteckig, mit einer Fläche von etwa
2,5 qm. Die Decke ist eben. Die Höhe der Kammer beträgt ge»
wohnlich kaum 1 m. Der Eingang ist eine wirkliche kleine Thür von
Vor- und Frähgesehiolitlicheui aus Sicilien. 19
uiigef&hr.0,75 m Höhe. Die Yeisohlussplatte warde mweiton durch einen
Querbalken, dessen Einlasslöcher noch an den Seiteh des Eihglingea zu
sehen sind, gehalten, unten an einer Wand der Kammer ist eine niedrige
bankartige Erhöhung im Stein ausgearbeitet Auf ihr ruhte der Kopf des
nun immer in ausgestreckter Lage bestatteten Todten;. Die Kammer barg
vielfach nur ein, in der Begel nicht mehr als drei Skelette.
Steinwerkzeuge kommen nicht mehr vor; jedoch erhält der Todte
noch Oefiässe, Gebrauchs- imd Schmuckgegenstände mit in das Grab.* Die
einheiiüische Keramik sinkt immer mehr. Sie beschränkt sich auf die
Herstellung schüsselartiger Gefässe, bauchiger Töpfe mit oylindrischem
Halse und spitzen, schon in der zweiten Periode Yorkommenden Henkel-
ausätzen, Kannen mit runder oder dreiblatt£5rmiger Mündung (Wohl in
Nachahmung griechischer Vorbilder). Die Bemalung der Gefässe ist ganz
verschwunden, und auch die Verzierung durch Einritzung ist spärlich.
Noch gebraucht der einheimische Töpfer keine Scheibe oder höchstens
eine ganz primitive Dreh Vorrichtung; auch der Brand bei geschlossenem
Feuer ist ihm noch unbekannt. Der Niedergang der einheimischen Töpfer-
kunst erklärt sich durch den immer stärker werdenden Import griechischer
Gefasse, die sich von den Producten jener durch die vollendete Technik
und die Bemalung unterscheiden. Man glaubt zwei Gattungen zu erkenoen:
Gefässe von fein geschlemmtem hellem Thon, die aus dem griechischen
Osten zu stammen scheinen, und solche von einem etwas gröberen, mit
feinen Lavastückchen gemengten Thon, die wohl im Lande selbst von
Chriecben hergestellt sind. Es kommen Schüsseln und flache Schalen mit
verticalen oder horizontalen Henkeln, E^nnen mit Dreiblattmündung und
schlauchförmige Gefässe, sogenannte Askoi, vor. Als Verzierungen finden
sich in brauner Fimissfarbe aufgemalt umlaufende Striche und Bänder,
Zickzack-, selten Wellenlinien^ sodann senkrechte Striche, welche metopen-
artige Felder abgrenzen, und als Füllung der letzteren Zickzack- oder
wellenförmige Linien. In diesem Zusammenhange sind noch als vereinzelte
Funde von Castelluccio, das in der Hauptmasse seiner Gräber übrigens
der ersten Periode angehört, zwei Scherben mit concentrischen Kreisen
und Darstellungen von Vögeln zu erwähnen. Diese Gefösse gehören dem
geometrischen Stile an, der für uns besonders durch die Funde am Dipylon
bei Athen repräsentirt wird, und weisen damit für die Chronologie der
Ghräber auf das neunte oder achte Jahrhundert Vielleicht noch in den
Anfang des siebenten Jahrhunderts gehören zwei geometrische Gefässe der
sogenannten protokorinthischen Gattung, eine Schale und ein Becher.
Ebenso, wie diese Gefässe, sind auch die Gegenstände aus Metall den
Sikelem von aussen zugegangen. Neben den Schlangenfibeln der gewöhn-
lichen Form kommen solche mit knötchenartigen Ansätzen am Bügel vor.
Am häufigsten aber sind die Kahnfibeln. Eine grosse Spirale gehörte
vielleicht einer Fibel an, deren Form uns besonders aus Griechenland
2»
«20 0. Scuoitbnsaok:
bekannt ist Als weiteren Schmnok erhält der Todte Armringe ans Draht
in niehrfachen Windungen, Fingerringe, Kettchen und bikonisohe Perlen,
welche' schon in der ersten Periode vorkommen, in der zweiten dagegen
fehlen. Diese Dinge sind' aus Bronze hergestellt Neben ihr findet sich
nun schon häufig das Eisen, das sowohl zu Schmuckgegenständen (Schlangen-
fibeln, Ringen), ab auch zu einschneidigen Messerklingen verarbeitet ist
deren Form sieh nicht an die frflheren Bronzemesser anschliesst Searabäen
und Perlen aus einer bläulichen Pasta erscheinen zuerst in dieser Periode;
ob sie von Griechen oder Phönikern eingeführt sind, lässt sich bis jetzt
noch nicht entscheiden.
' Zu dieser dritten Sikeler- Periode gehören auch die Felsengräber bei
Cassibile (•- Kakyparis), die wir auf der Abbildung Taf. I erblicken^).
Dieser von Syrakus etwa li km entfernte Ort ist mit der in sAdlicher
Richtung nach Noto f&hrenden Eisenbahn leicht zu erreichen. Wir be-
aienten uns aber eines Gefährtes, um gleichzeitig auch den Genuss der
prächtigen Landschaft zu haben. Durch Oliven- und Agrumenpflanzungen
führte uns der Weg anfangs vom Meere ab hinter der Penisola della
Maddalena vorbei, bis wir uns diesem wieder genähert hatten und zwischen
ihm und dem CoUe Bpineta in dem Orte Cassibile Halt machten. Ton
hier aus marschirten wir meist über holpriges, ganz mit Steinen übersäetes
Gelände zu der etwa 2 km westlich vom Orte in Terrassen aufsteigenden
Gebirgswand. Schon aus ziemlicher Feme konnten wir die vielen vier-
eckigen Löcher in den Felsen erkennen, die wie Fenster in einem
mächtigen Gebäude erschienen. Die Felsen, die nur eine äusserst dürftige
Vegetation aufweisen, wurden von Ziegen abgeweidet, und seit undenk-
licher Zeit dienen die Kanmiem den Hirten als Unterschlupf. Daher ist
in diesen Zellen nichts mehr von dem einstigen Inhalte der Gräber vor-
handen. Der verwitterte Zustand des Gesteins, der sich namentlich durch
die herabgefallenen Blöcke zu erkennen giebt lässt hoffen, dass einzelne
Kammern von diesem Geröll bedeckt und noch unberührt sind. Hier ist
also vielleicht noch dem Spaten des Forschers Gelegenheit geboten, wichtige
Funde hervorzuholen. Nach dem viereckigen Grundriss und der sontftigeD
Construction der Kammern gehört die Nekropole in die letzte Periode.
Bei genauer Betrachtung der Abbildung vermittelst der Lupe kann man
übrigens auch die Einzelheiten der Steinmetzarbeit insbesondere die Falze
an den Eingangsthüren gewahren; auch der Maassstab ist durch die oben
links von dem mächtigen Felsblocke im Vordergrunde erkennbaren Peiv
sonen gegeben. Zwischen den zwei links Stehenden ist ein angefangenes
Grab zu sehen, ein zweites rechts darüber.
1) Der Lichtdruck ist dem Werke : „Ans dem dänischen Sfiden*" entBommfii, das mit
rnterstätsiiDg des Qrossh. bad. Minist, fär Jiistit, Caltni und (Jnteiricht im Ktmstrerlage tod
J. Nöhrin^ in Lübeck erschienen ist. Die 150 Lichtdrocko darin sind nach OriginalaofDahmen
des genannten Herrn, der an der Eingangs erwähnten Stndienroijie theilnahm, angefertigt.
Vei Text daiu ist Ton den Führern und den Mitgliedern der Keisegesellschaft verfasst.
Toi- ond FrOhgecehichUidieB aiia SicUioD. ^]
Von Syrakus auB ging die Fahrt zurück nach Cstania, nnd nachdem
dem Aetna bis zur Höhe toq Nicolosi and den Honti Rossi ein Besnch
abgestattet war, fuhren wir durch das Thal des Dittaino vielfach duroli
weite Strecken wobibestellter Kornfelder hindurch, die an die einstige
Kornkammer Italiens gemahnten, nach Casä^ogioTanni , dem Enna der
Alten, das, auf einer bis 997 m ansteigenden, allseitig durch Schluchten
abgetrennten Erhebung aus tertiftrem Kalk gelegen, im Alterthum' als nn-
einnehmbar galt. — Freiherr Ton Andrian in seinen „Prihistorisohen
Studien ans Sicilien", Berlin 1878, hatte schon der Werkseuge Erw&hnang
getfaan, die eich in dem dortigen Museum befinden, sowie derjenigen, die
„aber den Umweg Catania in den BeBitz des geologischen Huseums zu
Palermo gelangt sind". Weiter heiset es a. a. 0. (S. €7): „Als Material
finden wir daselbst verwendet: Andesit, Oang-Granit, Serpentin und ISTephrit
Aus letzterem bestehen bei weitem die meisten Exemplare, so dass dieseia
seltene Mineral offeDbar%]>isch fQr diese
Localität genannt werden kann." Diese ' ^S-Sl- *U
Notiz veranlasst mit Recht Hm. A. B.
Meyer (Nene BeitrSge zur Kenntniss
des Nephrit und Jadelt, Berlin 1891,
3. .33) zu der Au^orderung, liier nach
dem Rohmaterial e zu suchen. Dem-
gegenflber machte ich zunächst feststellen,
dass ich unter den im Museum zu
Casb^giovanni aufbewahrten 4 Stein-
beilen nnr eines vorfand, das, soweit
dies durch Autopsie feststellbar ist, aus
Nephrit besteht. Die Form ist ans der
beifolgenden Abbildung (Fig. 21) kennt-
lich. Die Länge beträgt 140, die grösste ._
Breite 60 und die Dicke 24 mm. Das ^^ '^^
Beil ist kuDstvoll geschliffen, die Farbe ^ —
des Minerals ist dnnkelgrfln. Hr. von
Andrian (a.a.O. 9. 9*i und Taf. 111) erwähnt ferner 2 Nephritbeile von
Castrogiovanni nnd fOgt zu dem einen die Bemerkung hinzu : „Universitäts-
Sammlong, Palermo", zu dem anderen die Worte: „Tn Catania erworben".
Es scheint also, dass diese beiden Beile sich derzeit ebenso wie ein
Nephritmeissel von Lentini in besagter Bammlung be&nden. Ich traf
diese durch die von Andrian'sche Abbildung genau fixirten Gegenstände
in Palermo nicht an, wohl aber ein anderes Nephritbeü von Castrogiovanni
und zwei solcher von Lentini, die unter „Palermo" näher beschrieben
werden sollen. Es wären jetzt also vier Nephritbeile von dem „Nabel
Siciliens^ bekannt In einen Platz, der zu den verBchiedensteo Zeiten
die flachtende Bevölkerung einer weiten Umgebung aufnahm, gelangten
23 "'0. SoHovnxuoK:
natflrlich sehr viel« Habseligkeiten von aaawärts. Die Wabracbeinlichkeit,
den anstehendeii !Nepbrit bier anfzufindeQ , erscbeint demnaoh d«cb niebt
80 groBB. — Die Abrig^n im Besitze des HuseumB Ton Caatrogiovaani be-
findlioben 3 Steinbeile Bind aaa einem dunkeln barten Oestein gefertigt
Sie bsben alle einen ovalen Querschnitt Während zwei Exemplare nar
roh zn einem Beil hergericbtete Oerfille 'darstellen, ist das dritte sehr
sanber in triangnlSrer Form, also nach dem Bahnende sieb stark ver-
jflngend, gesobliffen.
Anob das Moseo communale Ton Oirgenti hat eine Anzahl polirter
Steinbeile tob eleganter mandelffirmiger Gestalt aufzuweisen, worunter
sich aber kein Nephrit befindet. Ausserdem seien hier noch mehrere
mnldenartige Sarkophage ans Terracotta erwähnt <)io suf jeder Seite mit
swfli ionischen SXulenomamenten en relief versehen sind. Die Technik
dieser mit grosser Sachkenntnis gearbeiteten Stflcke ist bemerkenswertb.
Fi«i;82. '/,. Fig. 23.
I
In dem Mnseo nazionale und in der mineralogisch - geologischen
Sammlung der Universität zn Palermo sind die von Hm. von Andrian
a. s. O. veröffentlichten Funde niedei^legt. Von dem in erstgenanntem
Museum inzwischen hinzugetretenen Material möge hier noch ein rOthlich
gebranntes, im Bruch scbwarzgraues Tbongeßss Erwähnung finden, das
ohne Drehscheibe hergestellt ist Es zeigt, wie ans Fig. 22 zu ersehen,
ein Strichomament, das, in den feuchten Thon eingedrfickt, das ganze
Qetlm bedeckt Der obere Tbeil trägt eine Antahl von Doppellinien, die
nnregelmässig gestrichelt sind (auf der kleinen Skizze tritt die Unregel-
mässigkeit nicht genflgend hervor) nnd in einem rechten Winkel zusammen-
stoBsen. Von diesen durch ein Horizontalband getrennt, weist der untere
Tbeil des Gefftsses verticale Doppellinien, ebenfalls mit Btricbelnng auf.
Der Fund stammt ans einem neolithiscben Grabe alla Moarda presso
Palermo nel commune di Honreale (cf. Bullettino 1885, p. 122, nnd Xotizie
degli scavi 1884, p- '260). Gestrichelte Doppellinien erscheinen auch auf
dem bei von Andrian Taf. tV, Fig. 5 abgebildeten neolithiscben Oefäas
aus den (irotten von Villafrati.
Die Universitäts-Sammlung enthält folgende Nephrit-Artefakte. (Nr. 75
Hin.-Sanjmlnng): Nephritheil von Castrogiovanni. Die Farbe des Minerals
Tor- und FrGligeBclncbtGth«e aoi SIcUien. 33
ist dunkelgrün '(wolkig)i Das Beil ist mit rnftaeiger Sorgfalt gearbeitet,
die Schneide verletzt. Lfinge 50, gröBste Breite 88, Dicke 13 mm. - Die
Form ist aus Fig. 23 ersichtlicb.
(Nr. 80 MiD.-Samml.). Nepliritbeil, im Hfthlenlebm bei Lentini ge-
funden. Das Mineral ist grsugrfln (wolkig). Die Oberflfiche des Beiles
zeigt durchweg eine feine Politur. Im Querschnitt ist es nahezu oblong.
Die Schneide ist scharf Und unverletzt. L&nge 61, grOsate Breite 45, Dicke
8 mm. Abbildnug in Fig. 34.
(Nr. 81 H:iD.-8amml.). Nephritbetl von Lentini. Farbe dunkelgrfln,
wolkig, dunkler als die beiden anderen Nephrite. Die Oestalt ist aut
I
Fig. 25 zu ersehen. Lftnge 122, grössle Breite 70, Dicke 21, an ! der
stumpfen Schneide (b) 12 mm. Hier und am Bahnende sind noch Oer&ll-
Bpnren sichtbar, während die Flachen im flbrigen glatt geschliffen sind.
Das Werkzeug ist also noch unvollendei Der Tiereckige Quer-
schnitt (a), den dasselbe aufweist, legt die Vermuthung nahe, dass es
durch Zerschneiden eines grösseren Stückes hergestellt ist Dies
würde för eine vorgeschrittene Technik sprechen. Es wSre festzustellen,
ob fthnlich gestaltete Steinbeile sonst noch in Sicilien gefanden sind.
Nephritbeilchen mit oblongem Querschnitt sind nur von Salda (Sidon)
nnd Mugheir bei Arkah (sfldlich vom Euphrat), ein drittes von Kleinasien,
-24
O. Sghobtbmsaox:
ohne a&here Ortsaagabe (alle im Britischen Museain, Tergl. diese Zeitachr.
18S7, S. 122—126), bekannt geworden.
Im Museo nasionale sind ansserdem noch InutatioDen von 3 grflnen
Steinbeilen ausgestellt, die io einem Grabe bei Virgini gefunden sind.
Das Material der Originale scheint noch nicht bestimmt zu sein. Ee sind
Flachbeile von Iftnglicher, dreieckiger Gestalt, daa eine etwa 400 mm, die
beiden anderen nnr je etwa 90 mm lang. Leider konnte ich nichts Näheres
darüber in Erfahrung bringen. Der Fund wftre also noch weiter su ver-
folgen. Sodann ist aus dem genannten Huseum noch ein mit umlaufender
Rille Tersehenes Steinbeil zu erwähnen, das in der Form so ziemlich dem
bei von Ändrian Taf. I, Fig. 3 abgebildeten, in der mineralogischen
UniTersitäts-Sammlung zu Palermo befindlichen Basaltbeile gleicht Beide
sind bei Catania gefunden.
Pig-27. ■/,
I
Aus letzterwähnter Sammlung wären noch acht Basaltbeile anzufahren,
die von der Isola di Lipari stammen. In der Länge von 5 — 14 cm
schwankend, haben sie alle einen TorzQglichen Schliff nnd die gleiche ge-
fällige Form, die unsere Abbildnng (Fig. 26) wiedergiebt Der Basalt
steht auf der genannten Insel an, wie Professor Audrea di Blasi in
Palermo mir mitzutheiten die (ifite hatte. Wir sehen hier wieder, dass,
sobald nicht ilie sehr rerschieden gestalteten Gerolle für die Steinbeile
verwendet wurden, sich an den betreffenden Fabrications - Centreu Typen
ausbildeten, die uos allenfalls alx Fohrer dieneu können, ähnlich wie dies
bei den Gerätlien aus Metall der Fall ist.
Auch zwei Bronze-Schaftcelte mit aufstehenden Kanten befinden sicli
im mineralogischen Dniversitäts-Museum zu Palermo. Dos in Fig. 27 ab-
gebildete Instrument ist in der Nähe der Tempel von (Ürgenti gefuiiilen,
das andere, von etwas kürzerer und breiter Form, bei Giarre in der Provinz
Vor* and Frühgesehiciitlichea ans Sicilien. 25
Gatania; sie gleichen durchaus den in Mittel- und Nordeuropa vorkommen-
den, die der Bronzezeit ängehö^n.
Die Sammlung des Barons Mandraliska in Cefalü, jetzt im Lyceums-
gebäude daselbst untergebracht, hat ebenfalls zwei Nephritbeile aufzu-
weisen. Das eine (Fig. 28) ist von heller meergrüner Farbe, der Quer-
schnitt ist OTal. Länge 102, grösste Breite 45, Dicke 18 mm. Das andere
(Fig. 29) ist dunkelgrün, der Querschnitt bildet ein Kreissegment. Die
Schneide ist verletzt. Länge 100, grösste Breite 57, Dicke 14 mm. Beide
Stücke zeigen auf der sauber geschliffenen Oberfläche einzelne Erosionen,
die ich als Geröllspuren ansehe. Ausserdem befindet sich in dieser
Sammlung ein Basaltbeil vom Typus der liparischen, wie wir solche aus
dem Museum in Palermo kennen, sowie ein grösseres breites, ziemlich
roh gearbeitetes Beil aus einem dunklen Amphibol-(?) Gestein. Den ge-
nauen Fundort dieser Gegenstände konnte man mir nicht angeben; die
CoUection zeigt aber einen localen Charakter, und deshalb ist zu vermuthen,
dafts auch die Steinbeile dem früheren Besitzer aus der Umgebung von
Cefalü zugetragen sind.
Auf dem Monte San Giuliano, dem £ryx der Alten, der auf seinem
751 m hohen Gipfel jetzt ein recht verödetes Städtchen trägt, das unter
den mittelalterlichen Befestigungen noch bedeutende Beste einer aus
mächtigen Quadern errichteten Stadtmauer mit phönikischen Steinmetz-
zeichen aufweist, befinden sich zwei kleinere Sammlungen. Die eine in
dem vom Baron Agostino Pepoli renovirten Schlosse, die andere im
Gemeindehause. Ausser sehr kleinen, zierlich gearbeiteten trapezoideu
Obsidianmesserchen sind noch einige geschliffene Steinbeile von grosser
Dimension, mandelförmiger Gestalt und breitovalem Querschnitt anzuführen.
Das Museum von Palermo enthält, aus der Commune di Monte San
Giuliano stammend, einen prächtigen Nucleus und vier Messerchen aus
fleischfarbigem Silex. Femer sind nach A. Salin as (Notizie degli scavi
1882, p. 361) in der benachbarten Grotta di San Francesco zahlreiche
Feuersteinartefakte nebst Eüchenresten (Muschelschalen) aufgefunden.
Die, wie ich mich überzeugen konnte, in dem jurassischen Kalkstein des
Eryx massenhaft vorkommenden Silicat- Concretionen, die zum Theil den
plattigen Kieselsäure - Absonderungen der englischen Kreide gleichen,
eignen sich wahrscheinlich recht gut für die Herstellung derartiger
Werkzeuge,
Als fernere Zeugen einer uralten Besiedelung dieser sagenumwobenen
Stätte möchte ich noch eine Anzahl Thongefässscherbeu erwähnen. Aussen
und innen von unansehnlich grauer Farbe, zeigen sie nach Art der neo-
lithischen Technik tief eingedrückte geometrische Ornamente. Es sind
nur gerade oder schwach gebogene Linien verwendet, die zu Zickzacken,
ineinandergeschalteten Dreiecken und mäanderartigen Figuren zusammen-
gesetzt sind. Ob die Furchen ursprünglich weiss ausgefüllt waren, konnte
26 0. SCBOBTEMAOS:
ich nicht feststellen. Die 15 bis 20 m>» dicken Seherben sind aus
rohem Materisle ohne Scheibe gefertigt and in offener Flamme sehr
schwach gebrannt; Fig. 30 befindet sieh in der Sammlnng im Schlosse,
Fig. 31 — 33 im Hmiicipio.
Femer seien noch Beete bemalter Thongeftsse aus der Sammlung im
Schlosse angeführt, die in der Bemalung AnkUnge an die aus pbönikischen
Gräbern Eortbagos stammende l^opfwaare zeigen, in den Formen aber,
insoweit sich solche aus den Scherben erschliessen lassen, zum Theil
eigenartig erscheinen. Der ziemlich gat geschlemmte Tbon derselben ist
mit der Scheibe geformt mid im Ofen gleichmissig gebrannt. Die fiber
Pif.81. '/,
5 mm dicken Scherben haben eine bedeutende HSrte und geben beim
Aneinaaderschlagen einen hellen Klang. Sie haben, auch im Bruch, eine
hellrßthlich gelbe Farbe (nach Radde's Farbenscala St and 33r), und sind
theils mit einem hellen Brami (Radde il% thails mit einem sepiaartigen
Dunkelbraun (Badile 4d — «) bemalt. Ein tieftss, das, nach der Kundung
des Scherbens zu urtheilen, einen Durchmesser von etwa SOon gehabt haben
(Iflrfte, zeigt ein tO mm breites hellbraunes Horizontalband, das oben und
imten wiederum von einem '2 mm breiten dunkelbraunen Rande eingefasst
ist. Senkrecht hierzu sind nachlftssig mit dem Pinsel hingeworfene, parallel
Vor- und Früh^MchfchUiches aus Sicilien. 27
Uofende SchlangeaKnien angebracht (Fig. 34). Eio Scherben (Fig. 35)
leigt an der Stelle, an welcher der Bauch des Ge^ses im rechten Winkel
ambiegt, einen Vorepning mit vertikaler DDrcbbobrung, die daranf hin-
weiMt, dass das Gef&sB an durchgezogenen Schnflren getragen wurde. Es
sind aber auch wohl ausgebildete Henkel und zwar ein flacher vertikaler,
•owie ein runder horizontaler, beide durch dunkelbraune Strichelung Ter-
uert, vertreten; letsterwftbnter ist in Fig. 36 abgebildet.
Noch ist ein in der Stadtsammlang befindliches, etwa 16 an hohes
Doppelgef&ss zu erwfthnen, das aus einem schwach gebrannten rSthlichen
Fig. 86. •/.
Pi(r.86.
Thone besteht und nur eingedrückte rohe Ornamente, ohne Bemalung,
aufweist Von diesem möge die eilig angefertigte Skizze C^'g- 3^)> >»
der A die Vorder-, B die Seitenansicht des Get&aae» zeigt, eine Vorstellung
geben. Die Rflckaeite ist in gleicher Weise veniert Die Verbindung
zwischen den beiden Geissen ist hohl, so dass die Flüssigkeit darin ein
gleiches Niveau zeigen musste. Gefunden ist es, wie man mir sagte, auf
dem Eryx; Nftherea war nicht in Erfahrung zu bringen. Die primitive
Verrierung durch Strichornament gestattet uns wohl, das Gefäsa der vor-
28 O. SoBornKUcnt:
griechiflcbea Zeit zuzuweisen, wofür auch, soweit wir uqb eriDuern, die
Tecbnik, insbesondere das Fehlen der Spuren der TOpferaoheibe sprichi
Naohdem wir mit dem von Palermo ausgebenden, in Trapani halteoden
Dampfer die zwischen Sicilien und der sfrikaniscben Efiste gelegene Insel
Pantelleria angelaufen, welcbe Paolo Orsi in letster Zeit ebenfalls in
seinen Forscbungsbereich gezogen bat (nach Bullettioo 1895, p. 150, und
Notizie degli scavi 1895, p. 240 sind die „Sesi" benannten uralten Stein-
baateu auf Pantelleria keine Wohnungen, sondern Grftber), langten wir
mit Anbrach des Tages in Tonis an. Wenige Stunden darnach befanden
wir uns schon im Bardo-Uuseom, aber das jetzt ein Ton seinem trefTlichen
Leiter Hrn. P. Ganckler Terfaaster Fflhrer (Tunis 1896) vorliegt, w&brend
«in ausfflhrlicher Katalog in Vorbereitung ist. Die archäologischen Samm-
lungen enthalten Gegenstände sehr verschiedener Herkunft: alle Zeitepochen
und alle Gegenden des zur Regentschaft Tunis gehörigen Gebietes sind
hier vertreten.
Es befinden sich darunter auch etwa 400 ge-
^g'88. V« Bcblagene Fenersteine, die aus der Gegend von
Gafsa (Capsa) stammen. Diese sind zu ziemlich
langen Messern von trapezoidem Querschnitt, wo-
von Fig. 38 eine Probe giebt, zu Schabern u. a.
herrichtet
Femer sei auf die primitive Scnlptur hin-
gewiesen, welche ein auf Carthago gefundener, im
1 Bardo-Museum aufgestellter, im Umriss eirunder,
dabei aber fiach gehaltener menschlicher Kopf
von Lebensgrösse zeigt. Die ganz roh markirten
Gesichtszflge sind in den Granit etwa 8 mm tief
eingehauen. Die Rfickseite zeigt eine phQnikiscbe
Inschrift, die, wie mir Hr. (iauckler mitzstheiten
die Güte hatte, einer Publication in den „Col-
lections duHusee Alaoui" zufolge dem Vlll. oder
VII. Jahrhundert v. Chr. angehört. Ein ganz ähn-
licher Kopf aus basaltischem Gestein befindet sich im Musee St. Louis
auf Carthago.
Scblipssltch wollen wir noch erwähnen, worauf Hr. von Dubn iu
seinen Reisebemerkungon aus Carthago und Tunis (Archäologischer An-
zeiger I89t>, S. 91). bereits aufmerksam machte, dass anch libysche Stelen,
namentlich aus dem Krumirgebiete. sowie in met^lithischen Gräbern des
Landes gefundene Gegenstände dem Bardo-Mnseum einverleibt sind. Dabei
ist besonders anzuerkennen, dass man die Funde nicht nach gleichartigen
Gegenständen aufgestellt hat, sondern dass man sie. so wie sie gemacht
wurden, beisammen gelassen haL
Vor- und FHhKMchichtlicIieB ans Tonis. 29
Aas dem Vusee St. Louis auf Carthago, dessen reiche Entfaltang wir
der rastloaeQ ThKtigkeit von A. L. Delattre Terdaaken^), wollen wir
einige Gegenstände n&her besprechen, welche die altpanischeo Nekropolen
am B^rrsa-Abbange ergeben haben. In den aus mächtigen Quadern her-
gestellten Sarkophagen, die meist dachf&rmig abechliesaen, oder in ge-
räumigen Grabkammem, die nach Art von BruDnen aas tief in den Boden
eingesenkten m&cbtigeD Platten zusammengesetzt sind, wurden die Todten
beigesetzt Auch in den Fels gehauene oder in das Erdreich gearbeitete
Cbftber kommen vor. Leichenbrand ist ebenfalls beobachtet. Kinder
Fig.K». V,
J Ji I
wurden in Amphoren bestattet. Der Boden des Gefässes wurde einge-
schlagen, und nach Einführung des kleinen Leichnames ein Steinverschluss
hergestellt.
1} Hieranf beiBgliche Publicationea dei Reverend Per« Delattre, Hbsiontüre
d'Afriqne:
, 1. Fooille» d'un cimetiero rumain i Carthage, Bevue aich^ologiqne, Paris 1889.
3. Lea tombeaoi puniqnes de Csrthage, Lfon 18W.
8. L«s tombeanx paniqnes de Caithige, La necropole de Saint Louii, Reroe
archcol., Paris 1691.
4. Fonilles arcbeologiqnes dans le flane sud'Ouest de la cotlinc de Saint Louis,
BalletiD archeoL, Paris lf9!t.
b. Cartliage, Necropole puniqun de U collioe Saint Louis, Eitrsit des Hissions
catholiqnes, Lyun 1896.
30 0. SCHOSTEMSAOK:
Das Material zu den Quadern, ein muschelreicher Eotlktuff, der an
der Luft schnell verwittert, unter der Erde aber eine grosse Festigkeit
behält, wurde auf der Halbinsel Cap Bon bei El-Aouaria gebrochen, wo
man noch jetzt die alten Steinbrüche sehen kann.
Den Todten wurden ausser zahlreichen Thongefässen namentlich
Schmuckgegenstftnde mitgegeben. Gold, Silber und Eisen sind selten
dazu verarbeitet; aus letzterem Metall sind Fingerringe gefunden, die
einen Edelstein fassten. Bronze ist am meisten verwendet; es sind auch
runde Spiegel ohne Stiel daraas gefertigt, femer kleine Glocken und
Münzen; letztere sind häufig, um als Schmuck getragen werden zu können,
durchbohrt. Ausserdem kommen Elfenbeinarbeiten, Smaltsachen (Perlen,
Scarabäen), bemalte Strausseneier u. a. vor. Waffen wurden sehr selten
in das Grab gegeben. Hierher zu zählen sind messerartige EUngen und
Spitzen aus Eisen. In einem Grabe, welches seinem Inventar nach (ägypto-
phönikische Smaltsachen) zu den ältesten der Byrsa gehört, wurden auch
zwei eiserne dolchartige Gegenstände gefunden, von denen wir durch die
Liebenswürdigkeit Delattre^s eine photographische Wiedergabe (Fig. 39)
beifügen können. Sie wurden, wie aus beigelegenen Eupferresten noch
zu erkennen war^ an einem metallbeschlagenen Gürtel getragen. Das eine,
40 cm lange Geräth, das eine gerade, breite und flache Elinge hat, die
von dem Griff durch eine Querstange getrennt ist, gleicht einem Eurz-
schwerte; es war von einem Holzfutteral umgeben, von dem noch Spuren
erhalten sind. Das andere, mit einem in Antennen endigenden Griff, hat
ganz das Ansehen eines Wetzeisens; es ist 42 cm lang.
Femer wurden auch die in Fig. 40 abgebildeten sechs Eupferbeile ^)
gefunden. Diese laufen alle am Bahnende in einen Dom aus, zur
besseren Befestigung am Stiele. Zwei von ihnen sind zu gleichem Zwecke
auch durchbohrt Ohne Dom sind sie durchschnittlich 10 cm lang. Die
Gestalt dieser Beile erinnert lebhaft an die der ältesten Eupferbeile, die,
den Steinbeilen nachgebildet, in Mittel- und Nordeuropa jetzt in ziemlicher
Anzahl aufgefunden sind (vergl. M. Much, Die Eupferzeit in Europa,
Jena 1893, und Oscar Montelius, „Findet man in Schweden Ueberreste
von einem Eupferalter ?* im Archiv für Anthropologie 1895). Bei Perrot
et Chipiez, Histoire de Tart dans Tantiquite HI, 868 ist ein phönikisches
Bronze(?)beil von Cypem abgebildet, das noch die Gestalt eines Steinbeiles
hat. Es nähert sich in der Form dem dritten Beile der von uns in Fig. 40
wiedergegebenen; doch zeigt es keinen Domfortsatz. Es wäre erwünscht
zu wissen, ob dieser überhaupt den Beilen phönikischer Provenienz eigen
ist, oder ob dies nur eine Eigenthflmlichkeit der Carthagischen ist. Auch
1) Nach einer gfitigen Mittheilnng des Abb^ Delaitre Tom 2. Januar hat tich bei
der chemischen Unterenchnng, die auf unsere Veranlassung vorgenommen wurde, er-
geben, dass das Metall der Beilchen gediegenes Kupfer (du cuitto natif) isf, und nicht
Bronie, wie man bisher glaubte.
Tor- und Frühgesohiohtliches aus Tunis. 31
wäre ea wissenswerib^ ob solche mit Dom versehenen Kupfer- oder Bronze-
beile noch anderswo, vorkommen , um durch ähnliche Funde allenfalls
Aufscbluss über die Beziehungen der Phöniker zq den anderen Ländern
zu erhalten.
Ausser zahlreichen im Lande gefertigten Thongef^en sind auch
ziemlich häufig eingeführte altgriechische Vasen (protokorinthische, ko-
rinthische und schwarzfigurige) in den Gräbern gefunden. Die einheimische
Keramik scheint aber fast gar nicht durch das eingeführte Fabrikat beein-
flusst worden zu sein; sie bringt vielmehr Jahrhunderte hindurch nal^ezu
unverändert die gleichen schwerfälligen^ an altphönikische und ägyptische
Muster erinnernden Formen hervor. Wie bei diesen beschränkt sich die
Ornamentik beinahe nur auf braune oder schwarze Bänder, die das Oefiäss
horizontal umgeben.
unter der einheimischen Topfwaare, die aus gut gereinigtem Thone
mit der Scheibe geformt und im Ofen gleichmässig gebrannt ist, kann
man zwei Arten unterscheiden: die eine von hellgelbgrauer Farbe (nach
Badde's Farbenscala orangegrau 34^ besteht aus einem chamotteartigen,
äusserst dauerhaften Materiale, die andere von lebhaft rothen Farbentönen
(nach Radde Zinnober, Cardinalton und Uebergang nach Orange, 1 und 2,
A-f und r-s) ist zerbrechlicher. Die in Nabeul^ etwa 70 km SO. von Tunis,
hergestellten Wasserkrüge, die in den Bazaren von Tunis feilgeboten
werden, zeigen im Bruch genau das gleiche, lebhaft rothe Material wie
die betreffenden carthagischen. Sie sind aber mit einer gelblichen Farbe
überzogen, so dass sie äi(sserlioh der Chamottewaare gleichen. In der
Form und der Bemalung des modernen Oeschirrs ist eine Tradition aus
dem Alterthum unverkennbar; insbesondere erinnern die Pflanzenomamente
und die herumlaufenden Thierstreifen lebhaft an altgriechische Muster.
Auf Tafel 11 geben wir eine Auswahl von charakteristischen Formen
der einheimischen Thongefässe aus den punischen Nekropolen Carthagos.
Die gleiche Form erscheint in der Regel in chamottefarbigem und rothem
Thon; doch scheint nur der letztere, mit wenigen Ausnahmen, durch
horizontale braune und schwarze Streifen verziert zu sein.
Fig. 1. Kelchartiges Oeftss aus rothem Thon mit kugeligem Bauch
und gesondertem Fuss.
Fig. 2. Einhenkeliger Krug aus gelbem Thon mit kleeblattfOrmiger
Mündung.
Fig. 3 und 8. Becher aus rothem Thon, durch braune Horizontal-
bänder verziert.
Fig. 4. Becherartiges Oefäss ohne Boden aus grauem Thon, das
durch rothe und schwarze horizontale Streifen verziert ist, die zum Theil
schon verwischt und daher auf der Abbildung nicht mehr deutlich zu
sehen sind. Delattre denkt hierbei an ein trommelartiges Listrument,
wie die arabische Derbouka. Die Thontronmiel ist offenbar eines der
32 O. SoaOfiTBMSACK:
ältesten weitverbreiteten Musikinstnimente, wie anoh die Funde ans stein-
zeitlichen Gräbern Thüringens und der Altmark ergeben haben (vergl.
diese Zeitschrift 1893, S. 165 und Taf. XHI).
Fig. 5. Flaschenf^rmiges Gef&ss mit kugeligem, durch umlaufende
mattschwarze Bänder verziertem Bauche, hohem geschwungenen Halse,
grosser Mündungsscheibe und verticalem Henkel. Der lebhaft rothe
Thon trägt noch einen Ueberzug aus gleichfarbigem, feiner geschlemmtem
Materiale.
Fig. 6 a und 6. Kleine flaconartige G^fftsse ohne Henkel, wie sie aus
rothem und gelbem Thone vorkommen.
Fig. 7. Einhenkeliges kugeliges Gefäss mit gesondertem Fuss und
Hals. An den Bauch ist eine Röhre angesetzt, durch welche die Flüssig-
keit aus der Flasche gesogen wird. Diese Art von Gef&ssen wurde stets
nur bei Einderskeletten zusammen mit einem durch Feuer am unteren
Theile geschwärzten Schälchen gefunden. Es scheint also dem Todten
vor dem Verschluss des Grabes noch ein warmes Getränk (Milch?) ge-
spendet zu sein. Derartige thönerne Kinderfläschchen mit angesetztem
Mundstück finden sich übrigens auch häufig in Gräbern der Hallstattzeit
in Deutschland. Noch jetzt sind ähnliche Saugfläschchen aus Thon in
Nordafrica und, wie wir zu beobachten Gelegenheit hatten, auch auf
Sicilien in Gebrauch.
Fig. 9 und 16. Lampe aus gelbem Thon, die nahezu regelmässige
Beigabe der Todten bildend. Der Rand eines Tellers ist an drei Stellen
nach innen mehr oder weniger eingebogen, wodurch zwei schnabelartige
Falten entstehen ^ die als Dochthalter dienen. An vielen Exemplaren
kann man noch deutlich die Brandspuren sehen; auch fand man in einigen
Lampen Reste verkohlten Dochtes, so dass angenommen werden darf, dass
dieser beim Schliessen des Grabes noch brannte. Aehnlich gestaltete
Lampen, mit langem Fuss versehen, sind nach Delattre noch jetzt bei
den Arabern und auf Inseln des Mittelmeeres, z. B. auf Malta, in Gebrauch.
Auch scheint es, dass die Phöniker ebenfalls derartige, mit hohem Fuss
versehene Lampen hatten, da das Musee St. Louis und dasjenige von
Cagliari je ein Exemplar aufweisen, das unten einen entsprechenden
Ansatz zeigt. Neben punischen Lampen wurden auf Carthago auch
griechische gefunden, deren Formen aber den einheimischen Töpfer nicht
beeiiiflusst zu haben scheinen.
Fig. 10 und 15. Kleine einhenkelige cylindrische Töpfe.
Fig. 11. Ein Teller aus rothem Thon. Auf derartigen Tellern pflegen
die Lampen zu stehen.
Fig. 12. Doppelhenkeliges, unten kugeliges, nach oben birnenförmig
in die Länge gezogenes Gefäss ans rothem Thon, das mit einem Deckel
nach Art der chinesischen Mützen versehen ist. Die gleiche Deckelform
findet sich auf den Brandumen aus den tombe a pozzo von Cometo, die
Vor- nnd FrQhgeschtchtlieheB aas Tuuig. 33
nach Julea Martha, L'art etrusqae p. 36, Paris 1889, den ältesten
etrugktscben Nekropolen angeh&ren. Die Verzierung besteht aus braunen
Horisontalbändem und senkrecht dazu verlaufenden Schlangenlinien. Von
gleicher Form kommen auch kleinere Oefässe bis zur Grösse eines
Sbrftusseneies vor.
Fig. 13. Eine grosse Amphora, wie sie häufig, in die Ecke der
Grabkammer oder einer Nische gestellt, gefanden werden. Sie enthielten
wohl den Wasserrorrath fOr den Todten, da niemals Rückstände darin
gefanden wurden. Die abgebildete Amphora hat eine auesergewahnliche
Form; meist sind sie, wie das (iefäss Fig. 13, aber unten spitz zugebend,
gestaltet.
Fig. 14. Untersatz aus rothem Thon fdr grössere GefUsse.
Besonders erwähnt zu werden verdient das
in Fig. 41 abgebildete graue, monochrome Ge- Fig. 41. V4
^s, das sich von den flbrigen in der Form und
den Verzierungen unterscheidet. Diese sind
nehmlich eingeritzt. Sie zeigen zwischen
baumartigen Zeichnungen jeweils parallel lanfende
verticale Schlangenlinien. Den letzteren be-
gegnen wir wieder bei dem bemalten Gewisse
Fig. 12 und anf dem bereits beschriebenen
Scherben vom Eryx. Perrot et Chipiez,
Histoire de l'art dans l'antiquite m, 685, erwähnen ph&nikische Gefässe
von Gypern, die ebenfalls nur eingeritzte Ornamente aufweisen und die
dort als die ältesten bezeichnet werden. Der Form nach schliesst sich
das Gefites im Muaee St. Louis dem bei Perrot m, 669 abgebildeten
von Jernealem an, das nach genanntem Autor das einzige bis jetzt be-
kannt gewordene Thongefllss ans Syrien sein soll, welches gut erhalten
auf uns gekommen ist. Leider ISsst sich Ober die Herkunft unseres Ge-
ffisses, nach Delattre's gfltiger Uittheilung, nichts Zuverlässiges mehr
feststellen. Nehmen wir an, dass es phönikischer Provenienz ist, so müssen
vir es wegen der eingeritzten Ornamente sehr frQh datiren und es einer
Zeit zuweisen, in der nur vereinzelt solches Fabricat von Syrien aus an
die Kosten des libyschen Meeres gelangte; denn wären derartige Ge^se
im Lande selbst gefertigt worden, so mOsste mehr derartiges auf Carthago
gefunden sein.
Schliesslich sind noch schlauchartige Gefässe ans den panischen
Nekropolen Carthagos anzufahren. Diese stellen häufig auch vierfflssige
Thiere schematiscb dar, ähnlich wie solche bei Perrot m, 692 — 93 er-
wähnt sind. —
Der Rackweg von Tunis fahrte nns über Sardinien nach Livomo.
In Cagliari hatten wir Gelegenheit, das R. Hnseo di Antichitä unter
FQhmsg der hervorrj^jenden Kenner sardinischer AlterthOmer, Ettore
Zaiuakrifl lür BlbaoloKf«. Jatirf. 18*1. g
34 0. Sohovtbnsaok:
Pais und Filippo Nissardi, zu besichtigen. Erstgenanntem Forscher
verdanken wir die vortreffliche Abhandlung: ^La Sardegna prima del
dominio romano", Memorie delF Accademia dei Lincei 1881, 259ff., welche
grundlegend für die Beurtheilung sardischer Vor- und Frühgeschichte
ist Ueber die an zahlreichen Punkten der Insel aufgefundenen Bronze-
figuren besitzen wir Aufsätze des genannten Gelehrten im Bullettino
archeologico sardo von 1884. Das Material, in welches durch das Auf-
treten von Palsificaten, denen leider auch La Marmora in seinem rühm-
lichst bekannten Werke: ^Voyage en Sardaigne^, Paris 1839/40, eine
grosse Beachtung schenkt, eine grosse Verwirrung gekommen war, liegt
nunmehr gesichtet vor uns. Von den als acht anerkannten, beiläufig
gesagt 15 — 20 cm hohen, Figuren werden diejenigen mit vier Armen und
Augen als Gottheiten gedeutet, andere als Priester und Laren oder Hirten.
Die Mehrzahl scheint heroisirte Krieger darzustellen, deren gehörnter
Helmschmuck besonders hervortritt. Ausserdem sind noch die bis 15 cm
langen bronzenen Schiffchen zu erwähnen, deren Vordertheil meist in
den Kopf eines Kindes endigt.
Betrachtet man die Figuren in ihrer Gesammtheit, so wird einem
bald klar, dass man es hier nicht mit den ersten Kunstanfängen der ein-
heimischen Bevölkerung, sondern mit einer Anlehnung an überkommene
Muster zu thun hat. Die ganze Kunstweise, sodann aber auch Einzel-
heiten, wie z. B. ein steinerner Untersatz, in den eine Bronzefigur einge-
lassen war und der in seiner Gestalt der bei Perrot, Histoire de Tart
dans Tantiquite lU, 310 abgebildeten Stele aus der phönikischen Nieder-
lassung von Sulcis verwandt ist, weisen auf die Phöniker hin, die bereits
vor dem ersten Jahrtausend v. Chr. mit Sardinien in Berührung gekommen
sind. Als Carthago die Führung über die Colonien im westlichen Mittel-
mehr übernahm, traten sardische Soldaten häufig in pnnische Dienste.
Als Votivgeschenke der glücklich Heimgekehrten dürften daher auch mit
Recht die bronzenen Schiffchen und die Kriegerfiguren aufzufassen sein.
Die in dem Museum zu Cagliari befindlichen Modelle einiger besonders
interessanten Nuraghi und Tombe dei giganti ermöglichen einen genauen
Einblick in den Bau dieser durch La Marmora's vorzügliche Skizzen
bekannt gewordenen Monumente. Dass die Nuraghi in erster Linie Ver-
theidigungszwecken gedient haben müssen, geht namentlich aus den zu
Gruppen vereinigten hervor, die, wie die 19 Nuraghi della Giara (Provinz
d^Isilli) ein ausgedehntes erhöht gelegenes Terrain flankiren, also ein
Refugium in grossartigem Maassstabe darstellen. Ueber den Zweck der
Tombe dei giganti kann kein Zweifel sein, da wiederholt Skeletreste in
denselben gefunden sind (Bullettino di paletnologia italiana 1890, 134).
Da sie sich häufig in der Nähe der Nuraghi befinden, so bringt man sie
mit diesen in Beziehung und nimmt an, dass in diesen Gräbern hervor-
ragende Personen aus der Nuraghi-Periode bestattet sind. Allerdings ist
Vor- and Frnhgeschichtliches ans Sardinien. 35
ja beiden Arten von Monumenten das gemeinsam, dass sie aus behauenen
Steinen ohne Verwendung von Kalkmörtel errichtet sind.
Ausser besagten Resten finden sich auf Sardinien, und zwar eben-
falls häufig in der Nähe der Nuraghi, künstliche Grotten, die sich viel-
fach aus mehreren Räumen zusammensetzen. Es wurden in ihnen ge-
funden: Reste menschlicher Skelette, rohes Topfgeschirr, geschlagener
Feuerstein und Obsidian, geschliffene Steinbeile, und in dem obersten
Theile einer Grotte auch Bronze. Eine systematische Erforschung derselben
ist seit einer Reihe von Jahren, u. a. durch Lovisato in Cagliari, in die
Hand genommen. Die Ergebnisse derselben werden im Bullettino di
paletnologia italiana veröffentlicht.
Es möge dem Verfasser gestattet sein, an dieser Stelle dem Gross-
herzoglich badischen Ministerium der Justiz, des Cultus und Unterrichts
für die Zulassung zu der eingangs genannten Studienreise tiefgefühlten
Dank auszusprechen; ebenso den Führern derselben, Hrn. Prof. Dr. von
Duhn und Hrn. Oberbaudirector Dr. Durm. Von diesen Herren empfingen
wir eine meisterhafte Interpretation der ehrwürdigen Baudenkmäler
Siciliens aus der Griechenzeit; der Archjäolog wusste uns den Zauber des
italienischen Südens voll zu erschliessen und unser Interesse für die dort
noch erhaltenen Zeugen des classischen Alterthums fortgesetzt im höchsten
Maasse wach zu erhalten. Dabei war es den persönlichen Beziehungen
unseres allverehrten Führers zu danken, dass uns ausser den öffentlichen
Museen auch zahlreiche Privatsammlungen zugänglich gemacht wurden.
Ihren Besitzern sowie den Leitern der öffentlichen Sammlungen sind wir
für ihr ausserordentliches Entgegenkommen zu dauerndem Danke verbunden.
Besprechungen.
Frauz Tappeiner. Der europäische Mensch und die Tiroler. Meran
1896. Selbstverlag durch S. Pötzelberger, Buchdruckerei, gr. 4. 53 S.
nebst Maasstabellen.
Der Verl, seit vielen Jahren überall bekannt als einer der eifrigsten Helfer auf dem
Qebiete der exakten Anthropologie und als der beste Kenner der somatologischcn, ins-
besondere der craniologiscben Eigenscbaften seiner tirolischen Landslonte, hat in seinen
alten Tagen von Neuem eine Rundreise durch Mitteleuropa unternommen, um in den
dortigen Sammlungen durch unmittelbare Anschauung und durch sorgf<ige Messungen
sichere Materialien xu einer Vergleichung der Tiroler mit anderen Völkern Europas und Asiens
zu gewinnen. Er hatte vorher in seinem Ueimathlande 8400 lebende Erwachsene untersucht
und 8651 Sch&del und Köpfe gemessen. Nach diesen Messungen berechnet er 1,1 pCt
Langschftdel^ 16,1 Mittel-Ijifigsch&del, 82,7 Kunschldol; von letzteren waren 85,{»8 pCt.
Rundsch&del oder, wie er in Parenthese hinzufugt, hjperbrachjeephal (S. 18). Unter 1>27
tiroler Beingruftschädeln fand er 834 = 41,4 pCt hjperbrachjeephal (Vergleichungstabelle)
Man begreift danach, dass ihn vorzugsweise die Frage nach der Abstammung dieser Kurz-
köpfe intoressirte, und da nicht wonige Anthropologen eine mongolische oder wenigstens
mongoloide Einwanderung in Europa angenommen haben, auch eine ZurückfQhrung
der europftischen Kurzköpfe auf eine andere, als die mongolische Rasse sich nicht
darbot, so entschloss er sich kurzweg, wenigstens die Schädel der Ost-, West- und
Nord-Mongolen, so vieler er habhaft werden konnte, in den Kreis seiner genaueren Be-
stimmungen zu ziehen. Ref , der wochenlang Augenzeuge seiner mikhseligen Untersuchungen
gewesen ist^ kann bezeugen, dass er unermüdlich vom Morgen bis zum Abend an der
Arbeit gewesen ist. So gelang es ihm, 45 Schädel von Ost-Mongolen und 141 von West-
und Nord-Mongolen seinen Erörterungen zu Grunde zu legen.
Das Gesamratergebniss war ein negatives, d. h. er kam zu der Ueberzeugung. data
von einer mongolischen Einwanderung in Europa keine Rede mehr »ein könne ^S.53).
Die europäischen brachjcephiüen Schädel sind nach ihm so wesentlich verschieden von
den moDgolischen, dass ,die europäischen Brachjcephalen keine Nachkommen der Mon-
golen sein können und dass daher eine prähistorische Einwanderung von Mongolen aus
Asien ein anthropologischer Irrthum ist* (S. 48). Er ist vielmehr überzeugt, dass die
Tiroler Schädel wesentlich identisch sind mit den Schädeln aus Südbajem, SQd- Württem-
berg, Sudbaden, der Ost- und Nordschweix, sowie mit denen aus Oberitalien, Salzburg,
Ober- und Nieder -Oesterreich, Kärnten, Steiermark, Krain, Istrien und Albanien, und
weiter sehr ähnlich den prähistorischen illjrischen Schädeln (S. 47). Er kommt dann
auch zurück auf seine alte Vermuthung, dass die Tiroler, die er als Nachkommen der
Rhäter auffasst, mit den Illjriern nahe verwandt (S. 88), und gleich ihnen arischen Stanunes
seien. Aber er schliesst sich der neueren Auffassung an, dass die Arier schon ursprünglich
in Europa ansässig waren und nicht etwa eingewandert seien (S. 18), und dass der brachj-
cephale Zweig derselben bis in die Diluvialzeit zurückreiche.
Seine Darstellung ist durchweg von dem frischen Enthusiasmus getragen, den er
sich so glücklich bis in sein hohes Alter bewahrt hat. Auch zeigt sie in ihren Grund-
lagen jene Zuversichtlichkeit wirklichen Glaubens, welche über manche Lücken hinweg-
hilft Ref. will nicht verschweigen, dass er, obwohl in manchen Haupt^ichon sehr
geneigt, seinem hochverehrten Freunde rechtzugeben, doch mehr Detail gewüoscht
hätte. Nur das Detiül gewährt die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Diskussion und
sichert die Dauerhaftigkeit des Sieges. Darum will Ref. auch den Wunsch nicht unter-
tlrucken, das^i der Verf. in einer späteren Veröffentlichung die Einzelheiten seiner Uuter-
»«ui'hung geben möchte. Wir erfahren nicht eiomal, was für Nekropolen es gewesen
Besprechungen. 37
sind, deren Sch&del gemessen worden: der Yerf. giebt uns nur Summen oder Procent-
xahlen fär grosse CoUektivgrappen, aber gar keine Einzolzahlen. So fasst er die Sfid-
slaren, Rossen, Czechen, Polen und Kosaken zo einer Collektiveinheit zusammen, während
doch bekannt ist, dass gerade in der Graniologie dieser Völker oder St&mme die grössten
Verschiedenheiten zo Tage treten.
Indess das Detail l&sst sich nachbringen. Wer selbst der Grenze des menschlichen
Lebens n&her steht, der begreift die Eile, welche ein alter Forscher hat, die Haoptergebnisse
seiner Arbeiten an das Licht des Tages zo bringen. Seien wir froh, dass wir hier in
einer leicht fibersichtlichen Form, zogleich in einer yerfohrerischen Darstellong, die Summe
der Erfahrungen eines rfihrigon ond vorurtheilslosen Forschers vor uns haben. Was er
ons bietet, ist nicht bloss die Quintessenz seines anthropologbchen Wissens: man kann
sagen, es ist auch das Bekenntniss seines anthropologischen Glaubens. Möge ihm dafür
warmer Dank ausgesprochen sein, verbunden mit dem Wunsche, dass es ihm noch
vergönnt sein möge, aus der reichgefullten Schatzkammer seiner Erfahrungen auch die
Einzelheiten seines Materials vorzoffihren. Rod. Virchow.
Godard Arend Johannes Hazeu: Bijdrage tot de kennis van het Javaan-
sche tooneeL Acadeniisch Proefsohrift ter verkrijging van den graad
van Doctor in de Taal-en Letterkunde van den Oost-Indischen Archipel,
van de Rijks-Universiteit te Leiden. 203 Seiten 8vo. Leiden 1897.
Die Anschaoong, dass die Javaner ihr Theater (tooneel) von den Indem entlehnt
hatten, ist in dem bisher gewöhnlich angenommenen Umfange nicht zutreflfend. Man
moss bei der Beortheilong dieser Frage das Technische ond die Art der Aosffihrong von
dem Inhalte der Stocke onterscheiden. Der letztere ist allerdings gewöhnlich der in-
dischen, oder genaoer der Sanskrit - Literatur entnommen, namentlich dem Mahäbhärata,
wenn er auch nicht selten mit acht javanischen Bestandtheilen ond allgemein malajisch-
poljmesischen Mythen ontermischt wird. Bei dem Schattenspiel, dem Wajang- Spiel mit
ausgeschnittenen Poppen, das den Indern in dieser Form ganz fremd ist, sind alle tech-
nischen Bezeichnongen (ffir die Puppen, den Erz&hler, den Leinwandschirm, die Lampe,
die Kiste u s. w.) nicht dem Sanskrit, sondern der javanischen Sprache entnommen;
schon in Manoscripten des 11. ond 12. Jahrhonderts wird das Schattenspiel als etwas
allgemein Bekanntes erwähnt, ond es linden sich darin die auch heote noch gebr&och-
liehen Aosdrücke. Seine Erfindong und Entstehung mnss daher ganz erheblich frfiher,
als diese Periode, angesetzt werden, und f&llt vor den Einfluss des Brahmanismos ond
Boddhismos in Java. Von den Chinesen ist das Spiel aoch nicht entlehnt, ond bei
dem birmanischen Schattenspiel ist eine Einfuhr von Java nach Birma, aber nicht um-
gekehrt, zo vermothen, da sich bei demselben, wie aoch in der birmanischen Hofeprache,
noch javanische Worte erhalten haben.
Sehr wahrscheinlich ist es, dass das Schattenspiel orsprünglich religiöse Bedeotung
hatte; es sollte die Seelen der Vorfahren herbeirufen, um Segen zo bringen ond allerlei
Unheil abzowenden. Das Phantastische in den Figuren findet dadurch aoch seine £r-
kl&ning, dass dieselben nicht das Bild der betreffenden Persönlichkeit, sondern dasjenige
seiner schattenhaften Seele darstellen sollen. Manches von dem aoch noch heote streng
eingehaltenen Cerranoniell macht diese Annahme sehr glaob würdig: das Weihraochopfer,
die Mosik, das Gebet, die Aoffuhmngen bei Nacht o.s. w. Der Dalang, der Erz&hler, ist
froher wahrscheinlich der Priester gewesen, später das durch Weihrauch ond Mosik in
Extase versetzte Mediom ond erst spftter hat sich dann der Stand der berofismftssigen
Recitatoren aosgebildet»
Aosser dem Wajang- oder Schattentheater kommt noch das Topeng- oder Masken-
theater in Java vor. Aoch dieses blickt aof ein sehr hohes Alter zorück» es ist sicherlich
»och eine altjavanische Erfindong ond hat wahrscheinlich den gleichen Zweck, wie
anfHrfiDS^h das Wajrang- Spiel, nehmlich die Geister der Vorfahre» in die Masken zu
rufen. Die dabei auch gebräuchlichen Thiermaskcn lassen auf eine Thierverehrung
H8 Besprechungen.
dchliessen. Die Masken verden Yermittebit kleiner Querhölzer im Monde gehalten. Jetst
unterscheidet man zwei Arten des Maskentheaters, das Topeng babakan oder barangan
und das Topeng dalang. Ersteres wird von herumziehenden Schauspielern auf der Strasse
aufjgeführt, wobei nur Bruchtheile von Theaterstücken, oft ganz modernen Inhalts, sowie
Lieder und Tftnze geboten werden. Das Topeng dalang ist weiter nichts, als eine Um-
formung des Wajang- Spieles. Wie bei diesem, sind die Schauspieler kostümirt und, wie
bei diesem, sind sie eigentlich nur Puppen. Nicht sie sprechen, sondern der Dalang trSgt
auch hier das Theaterstück vor. Trotzdem muss man diese beiden Arten des Theaters
als ursprünglich unabh&ngig von einander entstanden betrachten. Eine dritte Art der
Vorstellungen, die allmählich zu verschwinden beginnt, früher aber viel häufiger war und
schon aus dem 15. Jahrhundert beglaubigt wird, ist das Wayang beber, eine Yorführung
gemalter Bilderrollen, zu denen aus dem Repertoire der Wajang - Spiele die nöthige Er-
klärung gegeben wird. Auch dieses ist eine javanische Erfindung. Ebenso ist difi fernere
Ausbildung des javanischen Theaters eine im Wesentlichen einheimische geblieben.
Ausser den Lederpuppen wurden später glatte bekleidete Uolzpuppen gefertigt, die durch
einen Ausschnitt in dem Schirme gezeigt wurden. Dann folgten rund gearbeitete Pappen
und endlich unmaskirte Menschen. Theils hiemach, theils nach dem Inhalt der StAcke
hat man besondere Namen für die Theaterspiele gebildet. Man unterscheidet Wajang
purwa, W. gHok, W. kalitik oder karucel, W. golek und W. wong.
Wajang purwa scheint seinen Namen zu haben von den parwa, den Abtheilongen
des Mahäbhärata, den Sanskrit Stoffen, die den altjavanischen Mjthen aufgepflanzt worden.
W. g<^dog, in dem immer nur aus dem Panji-Cjklus Vorführungen vorkommen, bedeotet
entweder Ausdehnung, nehmlich des vorigen, oder Pferd, nach einer Bezeichnung, die sich
stets im Namen des Helden findet W. kalitik oder karucel hängt wahrscheinlich mit der
Bedeutung „klein werden*" zusammen, und findet seine Erklärung darin, dass die hölzernen
Figuren, mit denen es gespielt wird, bedeutend kleiner erncheinen, als die Schattenbilder.
W. golek mit der Bedeotong „rand"* spielt auf die rund gearbeiteten Figuren an, nnd W.
wong, nur von Menschen gespielt, bedeotet onmaskirt Letzteres wird namentlich in
neoerer Zeit von den einheimischen Fürsten sehr begünstigt, hat sich aber bei dem Volke
bisher nur geringer Beliebtheit zu erfreuen und wird als ein Verstoss gegen das Alt-
hergebrachte sogar als Unglück bringend betrachtet.
Wajang madja ist eine neue Bezeichnung, die sich auf den Sagenstoff bezieht und
„die mittlere Zeit" bedeutet. Von der Beschwörung ond Verehrung der Vorfahren
soeben die Fürsten in neuerer Zeit das Wajang-Spiel zur Unterweisung in der Geschichte,
also zu Lehrzwecken hinüberzuführen. Bei den Aufführungen haben sich uralt her-
gebrachte, feststehende Gebräuche, sogar ganze Formeln erhalten, die von dem Lehrer auf
den Schüler übergehen. Eine Anzahl von Kunstausdrücken wird vom Verfasser erläutert,
der betont, dass aoch in der Anordnung der Aufführungen die Javanen ihren eigenen Weg
gegangen seien. Es hat sich eine besondere, wahrscheinlich wenig über hundert Jahre
alte literator heraosgebildet, welche die Wajang-Stücke ihrem Inhalte nach wiedergiebt
Theils sind das die Pak^ms, welche in grösserer oder geringerer Knappheit eigentlich nur
eine dem Erzähler verständliche Anleitung geben, theils aber die Lakon^s, in welchen
sogar in Versen der Gang des Stückes aosführlich erzählt wird.
Der Verfasser giebt dann eine Schilderung, wie die indischen Sagen den altjavanisehen
Mjthen aufgepfropft ond mit diesen verqoickt ond bisweilen fast bis zor Unkenntlichkeit
umgeformt sind. Als Belag hierfür wird das Theaterstück Palasara analjsirt Den Be-
schlnss macht ein Verzeichniss der technischen Aosdrücke. Eine Aofzählong von 29 Thesen
ist der Doktorschrift angehängt. Max Bartels.
Niederle^ L. 0 pdTodu Sloyaoii. Studie k sloTansk^m staroiitnostanL
V Praie 1896. 149 8. in 8^ (üeber den Ureprung der Slaven).
Zo den brennendsten Fragen der Gegenwart gehört anstreitig die über Entstahong
nnd Abgrenzong der verschiedenen Nationalitäten onseres Continents. Während non über
Besprechangen. 39
die Entwicklung der Germanen und Gelten als Nationalitäten bereits eine umfangreiche
Literatur existirt, ist diese Frage in Betreff der Slaven noch nicht mit den Hlilfsmitteln
der neueren wissenschaftlichen Forschungen behandelt worden. Es war daher eine dankens-
werthe Aufgabe, welche Herr Niederlo sich 'in der obigen Abhandlung gestellt hat, alle
bisherigen Resultate der vergleichenden Sprachforschung, der Anthropologie und Archäologie
über den Ursprung der Slaven übersichtlich zusammenzufassen, und wir können gleich
hinsuf&gen, dasf er diese Aufgabe erschöpfend und mit beherrschender Sachkenntniss
gelöst hat
Das Studium der vergleichenden Linguistik fuhrt nach sorgfältiger Prüfung aller oft
einander widersprechenden Ansichten der verschiedenen Forscher doch zu dem Schlüsse, .
dass die Slaven vor ihrem selbständigen Auftreten als solche lagen mit den lettischen ^ n v ^t
Völkerstämmen einheitlich zusammengelebt haben müssen; dass dieser letto - slavische
Spracbstamm femer sich einst von der gemeinsamen arischen Ursprache abgezweigt hat
und wahrscheinlich zuerst noch in Berührung blieb, einerseits mit dem germanischen,
andererseits mit dem iranischen Sprachstamm, wenn er nicht überhaupt mit einem von ihnen
früher eine einheitliche letzte Gruppe der arischen Sprachfamilie bildete. Ob aber diese
Slaven wirklich ein Theil der ursprünglichen Arier oder nur arisirte Fremdlinge waren,
darüber giebt die Sprachforschung keinen Aufschluss.
Die Anthropologie lehrt unzweifelhaft, dass die heutigen Slaven ihrer Körper-
beschaffenheit nach keinen einheitlichen Tjpus zeigen, ja dass einzelne slavische Stämme
sich darin mehr von einander unterscheiden, als von ihren nichtslavischen Nachbarn.
Aber mit Becht hebt der Verfasser hervor, dass ganz dasselbe von den übrigen Nationen
Europas gilt. Im Allgemeinen kann man nur sagen, dass der Procentsatz der Brachy-
cephalio unter den Slaven in der Richtung nach Norden und Osten abnimmt, nach Süden
und Westen zunimmt. Und dies gilt in noch höherem Grade von der Complexion: die
Nord- und Ostslaven haben einen viel höheren Procentsatz von Blonden aufzuweisen, als
die Süd- und Wettslaven. — Allein die Untersuchung von Gräberschädcln aus dem 8.— 16.
Jahrhundert von Seiten zuverlässiger Forscher ergab andererseits auch, dass die Slaven
im Ganzen in früheren Jahrhunderten viel mehr Dolichoccphale aufwiesen, welche mit dem
germanischen Reihengräbortypus vollständig übereinstimmten, dass dieser Typus mit den
Jahrhunderten abnahm und die Zahl der Brachjcephalen zunahm. Die Ansicht von.
Europäus, dass jene Erscheinung durch eine starke Einwanderung von langschädeligen
Finnen im 8. - 12. Jahrhundert zu erklären sei, verwirft der Verf. mit Recht, weil die
Finnen im Allgemeinen mehr kurz- als langschädlig seien und gerade die doHchocephalen
Elemente der Slaven die ursprünglichen arischen Abkömmlinge repräsentiren, welche sich
nach und nach mit der brachjcephalen Urbevölkerung Mitteleuropas (die sich längs der
gaoieo Alpenkette hin nach Osten bis zum Balkan* und nach Asien hinein verfolgen lässt),
vermischt haben, ganz so wie dies bei den Germanen und den Gelten nachgewiesen sei.
Je näher jener brachjcephalen Alpenzone, desto kurzköpfiger und dunkler sei im All-
gemeinen die Bevölkerung, je weiter nach Norden, um so mehr dolichocephal und blond.
Hiemach ist es wahrscheinlich, dass die Lettoslaven gemeinschaftlich mit den Germanen
and vermuthlich auch mit anderen arischen Stämmen ursprünglich eine verwandte, im
Mittel dolichocephale Qrappe bildeten, welche im Laufe der Zeit die helle Complexion
entwickelte. Erst später, als sich die Stämme schon sprachlich von einander getrennt
hatten, entwickelten sich weiterhin in den verschiedenen Gegenden die anthropologischen
Verschiedenheiten. Diese Trennung vollzog sich nach den Ergebnissen der archäologischon
and lingoistischen Forschung am Ende der neolithischen Periode oder im Beginn der
Kupferzeit, als die Lettoslaven nördlich der Karpathen am oberen Dnieper in der Gegend
des Pripet und der Beresina sassen. Während nun der germanische Stamm im Norden
sich bald eine eigenartige Metallkultur schuf, ist von einer besonderen slavischen Kultur
noch lange nicht die Rede; die einzige eigenartige Erscheinung ist, dass schon früh eine
•tari[e Beeinflussung der Slaven von Seiten Inner-Asiens, besonders von dem uraltaischen
Culturcentram aus sich geltend macht.
Wann die Letten von den Slaven sich trennten, ist ungewiss. Nach der Verwandt-
schaft des Sprachbaues haben sie noch lange gemeinschaftlich gelebt, doch waren sie
einige Jahrhunderte v. Chr. Geburt schon sicher geschieden.
40 Besprechungen.
Ein sorgfältiges Vcrzeichnisi der ganxen einschl&gigen Literatur und ein Excurs über
das Yerh<niss der Ugrofinnen xn den Slaren schliesst die fleissige Arbeit.
Lissaner.
Hatiegka, J. Zkoumani kosti a lebek cesk^ch y kostnicich venkovsk^ch.
V Praze 1896. 42 S. 8*» und 7 Tabellen. Aus Rozpravy ceske Akad.
Cis. FrantiSka Jozefa Y. 2. Xo. 42 (Studien über Öechenschädel aus
Beinhäuseni in der Provinz).
Der Herr Verfasser hat gegen 900 Sch&dcl aus den Beinhftusem von Melnik, Badin
und Ti'ebivlicc im nördlichen Böhmen untersucht, welche rerschiedcnen Zeiten entatammen
und den Terschiedensten Alters- und Bernfsklassen angehören. Aus diesem reichen
Material crgiebt sich zunächst, dass der öechische Schädel im Allgemeinen brachjrcephal
(83,88), Ton mittlerer Höhe, leptoprosop, mesosem und mesorrhin ist; dass die Capacität
femer bei den Männern eine sehr grosse (1558,5 ccm\ bei den Frauen dagegen eine sehr
kleine (1287,5) ist. Der weibliche Schädel ist Oberhaupt mehr brachjccphal, aber etwas
weniger hoch, als der männliche. Von besonderem Interesse ist ein Vergleich dieser Schädel
mit denjenigen, welche der Verfasser früher aus dem 8.— 12. und aus dem 16. Jahr-
hundert untersucht und in seinen Crania bohemica, Prag 1891, sowie in den Schriften der Prager
Academie von 1898 Teröffentlicht hat Damach erscheint der modeme Schädel kürzer,
niedriger und breiter, im Ganzen mehr abgerandet und von grösserem Umfang; auch das
Gesicht ist heute etwas breiter, aber im Ganzen kleiner. WflJirend der mittlere Index der
männlichen Schädel aus dem 8.— 12. Jahrhundert 76,97 beträgt, steigt er im 16. Jahr-
hundert anf 80,77 und in der späteren Zeit auf 88,19; die Mher häufige „Reihengräber-
form* ist fast verschwunden, während die breitep Typen zugenommen haben. Die Fest-
stellung dieser Thatsache für Böhmen ist das besondere Verdienst des Verfassers.
Eine Vergleichung des Sechischen Schädels mit dem der benachbarten Völker zeigt,
dass derselbe am meisten den bayrischen Schädeln (Ranke) gleicht, welche den Ueber-
gang zu den Schädelformen des übrigen Deutschlands bilden, wie die mährischen zu denen
der nördlichen Slaven. Ja die Sechischen Schädel sind den bayrischen ähnlicher, als die
von Nieder -Oesterreich oder von Baden nach den zahlreich vorliegenden Untersuchungen
von Zucke rkandl und Ecker. Mit Recht schliesst der Verfasser daher, dass es weder
einen specifisch deutschon, noch einen specifisch slavischen, viel weniger noch einen
specifiseh öechischen Schädeltypus giebt
Eine genaue Beschreibung der Fxtremitätenknoehen schliesst die für die kraniologische
Kenntniss der mitteleuropäischen Völker wichtige Arbeit Lissaner.
Matiegka, J. Nalezy Lateneske ze severozäpadnich Cech. v Praze 1896.
Pamätky archaeol. XVIL, S. 271-284 und Tfl. 29-31. (La Tene-
Funde aus dem nordwestlichen Böhmen).
Durch die Ausgrabungen bei Liebhansen, welche der Verfasser in der obigen Ab-
handlung sorgfältig beschrieben und abgebildet hat, wird die grosse Zahl der Fnndorte
aus der La Tenezeit in Böhmen um eine wichtige Stätte vermehrt. Hier wurde ein Skelet-
gräberfeld aufgedeckt, welches reiche Beigaben enthielt^ besonders Schwerter, Lanzea-
spitsen, Schildbeschläge, Armbänder, Fibeln, Ketten von der charakteristischen Form der
älteren La Tenezeit. Die prachtvollen (Iflrtelketten sind aus Eisen und Bronze, zum Theil
mit rothem Email verziert; unter den Armbändern sind besonders zahlreich die Formen mit
hohlen Halbkugeln, aber auch die gepressten blauen Glasringe, sowie die Lignitringe sind
gut vertreten, — die Fibeln haben den Charakter der Mhen La Tenezeit mit inrflck-
gelegtem, aber unverbundenem Fussende. — Die Skelette lagen zum Theil in den Ueber-
resten einer alten Ansiedelung mit Abfall- und Aschengruben, welche Stein und Bein-
geräthe, sowie viele omamentirte Scherben aus älteren Culturperioden, besonders der
Hallstattzeit enthielten.
Ausser diesem Gräberfelde werden noch 2 kleinere Fundstätten mit Ija Tene-Beigaben
von Gross-Czemosek und von Wrhinitx, ebenfalls im nordwestlichen Böhmen, eingehend
beschrieben. _ . Lissaner.
IL
üeber die verschiedenen Gesichtsmaasse nnd Gesichts-
indices, ihre Eintheilung und Brauchbarkeit
Von
Dr. S. WEISSENBERQ in Elisabethgrad, Russland.
Die jetzt übliche Eintheilung der Gesichtsindices ist diejenige der
Frankfurter Verständigung. Die Verfasser der letzteren waren sich aber
sehr gut bewusst, dass die von ihnen gegebene Eintheilung nur eine
provisorische sei, was aus der Bemerkung: „eine Aenderung in der Ab-
grenzung der verschiedenen Gesichts-, bezw. Obergesichts -Indices bleibt
vorbehalten" — zur Genüge erhellt. Wie wenig die Eintheilung der
Frankfurter Verständigung der Wirklichkeit entspricht, ist aus folgendem
Beispiel zu sehen. So sind nach derselben die Werthe für den Koll-
mann'schen Gesichtsindex denjenigen für den Virchow'schen gleich; nach
beiden sind Gesichter bis 90,0 breit, solche über 90,0 schmal zu nennen.
In Wirklichkeit ist aber der Vircho w'sche Gesichtsindex bedeutend grösser,
als der Kollmann'sche, da die malare Gesichtsbreite sich zur Jochbreite, ^
wie 93 : 138 (siehe Messtabellen V und VI) verhält.
Die Unbequemlichkeiten der Eintheilung der Frankfurter Verständigung
werden schon lange gefühlt; aber erst vor Kurzem wurde ein Versuch
gemacht, eine neue Eintheilung, die mehr den Thatsachen entspricht, zu
ermitteln. Leider dehnte aber Hr. Szombathy^) seine Berechnungen
nur auf die Vircho waschen Indices aus, ohne die übrigen Gesichtsindices
zu berücksichtigen. Insbesondere ist es Rud. Vircho w, der schon seit
mehreren Jahren bei jeder Gelegenheit auf die Nothwendigkeit neuer Be-
rechnungen und hauptsächlich auf den Mangel einer mesoprosopen Gruppe
hinweist"). Auf Anregung und mit liebenswürdiger Unterstützung des
letzteren unterzog ich mich der Arbeit, auf Grund eines grösseren Materials
die verschiedenen Gesichtsindices zu berechnen und mit einander zu ver-
gleichen; es sei mir gestattet, auch an dieser Stelle dem hochverdienten,
trotz seines Alters jugendfrischen Meister unserer Wissenschaft dafür
meinen ergebenen Dank zu sagen. Auch bin ich den Herren Geh. Rath
1) Z. f. E. 1895, Verh. S. 268.
2) Z. f. E. 1891, Verh. S. 68; 1896, Verh. S. 274.
Z«ittchrift für Ethnologie. Jahrg. 1697.
42 8- Weissenbbro:
A. Baer und weiland Geh. Rath G. Lewin für die freundliche Erlaubniss,
das unter ihrer Leitung stehende Material messen zu dürfen, zu Danke
verpflichtet.
Von dem Gesichtspunkte ausgehend^ dass das Bestreben der Anthropo-
logen dahin gerichtet sein muss, das Maass-Schema zu vereinfachen, begnügte
ich mich mit der Entnahme nur einiger, jetzt am meisten gebrauchter Maasse,
die meiner Meinung nach ausreichen, um ein Gesicht mehr oder weniger
zu charakterisiren. Von verschiedenen Autoren wurden ja verschiedene
Gesichtsmaasse vorgeschlagen und genonmien; es ist aber hier nicht der
Ort, auf eine Kritik derselben einzugehen. Meine Aufgabe war nur, die
wenigen von mir genommenen Gesichtsmaasse und die aus ihnen folgenden
Indices auf ihre Brauchbarkeit zu untersuchen, und zweitens auf Grund
irgend einer festen Basis zu versuchen, eine Eintheilung der Lidices zu
geben.
Eine solche natürliche Basis zur Eintheilung der Gesichtsindices
schien mir vom theoretischen Standpunkte aus die Eörpergrösse zu sein.
Da die Gesichtsindices zum Zähler Längenmaasse haben, so besteht viel-
leicht zwischen den ersteren und der Eörpergrösse ein Abhängigkeits-
verhältniss und zwar ein solches, dass grösserer Höhe auch grössere Lidices
entsprechen. Bestände ein solches Yerhältniss zwischen Gesichtsindices
und Eörpergrösse, dann hätten wir eine natürliche Basis für die Ein-
theilung der ersteren, indem diejenigen Lidices, die der kleinen, mittleren
lind grossen Eörperhöhe entsprechen, selbstverständlich auf Grund eine»
grossen, verschiedenartig zusammengesetzten Materials berechnet, bezw.
als chamae-, meso- und leptoprosope bezeichnet werden müssten. Dem
ist aber, wie folgende kleine Tabelle zeigt, nicht so, weil der Procent-
satz der Leptoprosopie bei den Uebermittelgrossen im Allgemeinen zwar
etwas grösser, aber dem bei den Untermittelgrossen nicht gerade entgegen-
gesetzt ist.
(Tabelle I siehe nebenstehend.)
Da nun so eine Eintheilung der Gesichtsindices auf Grund dieser
natürlichen Basis sich nicht ermitteln lässt, bleibt nichts mehr übrig, als
eine solche auf Grund der jetzt allgemein üblichen Methode zu versuchen.
Es ist die Methode der Mittelzahlen: aus einer grösseren Reihe von
Messungen wird der Mittelwerth für irgend einen Lidex berechnet und
die übrigen um denselben gruppirt.
Bevor wir aber zu den Indices übergehen, wollen wir die zusammen-
setzenden Elemente derselben, die einzelnen Maasse, kurz besprechen.
Mein Material bestand ursprünglich aus 200 männlichen Litemirten
des Gefängnissen} in Plötzensee und KX) Prostituirten der betreflFenden
Charite- Abtheilung. An diesen bestimmte ich folgende Maasse:
1. Eörperlänge.
2. Ganzgesichtslänge vom Ilaarrand bis zum Einn.
lieber die Terschiedenen Gesichtamaasse und Gtosichtsindices.
43
3. Gesichtslänge von der Nasenwurzel bis zum Kinn.
4. Mittelgesicbtslänge von der Nasenwurzel bis zum Alveolarrande
des Oberkiefers.
5. Jochbreite — die grösste Entfernung zwischen den Jochbögen.
6. Malare Gesichtsbreite nach Virchow von dem unteren vorderen
Höcker des einen Wangenbeins bis zu demselben Punkte des
anderen.
Tabelle L TerhSltnlss nrlschen KSrpergrösse und Gesichtsindex«
Gesichtsindex
Eörpergrösse
nntermittelgross übennittelgross
< 1650 > 1660
200 dentscbe Mftnner
kurz < 90
lang > 90
100 deatsehe Fräsen
kun
lang
100 Jndea
kurz
lang
68 Baschkiren
kurz % . . .
54,0-74,0 pCt.
19,0—26,0 „
72,0-72,7 „
27,0-27,3 „
36,0-77,6 „
11,0-28,4 „
26,0-92,9 „
88,0—69,3 pCt.
89,0—80,7 „
1,0-100 „
37,0-69,8 „
16,0-30,2 „
.«i4.0— 85.0 „
lang
75 Papnas
kurz
lang
2,0- 7,1 „ 6,0-16,0 „
66,0-88,7 „ 12,0-92,3 „
7,0-11,3 „ , 1,0- 7,7 ,
Da das (auf S. 42 unten) erwähnte Material zur Aufstellung einer
allgemein gültigen Eintheilung mir nicht als ausreichend erschien, erstens
wegen der ungenügenden Zahl der Gemessenen und zweitens wegen der
Einheitlichkeit derselben der Volksangehörigkeit nach, so fügte ich noch
folgende Völkerschaften hinzu:
100 Juden (S. Weissenberg, Die südrussischen Juden, Arch. für
Anthropologie, B. XXIII).
50 Jüdinnen (ibidem).
68 Baschkiren (S. Weissenberg, Ein Beitrag zur Anthropologie der
Turkvölker, Z. f. E. Ig92).
15 Meschtscherjaken (ibidem).
70 Ostafrikaner (R. Virchow, Kopfmessungen an Ost-Afrikcmem,
• Z. f. E. 1893, Verh. S. 484)*).
1) Die Mindeijfthrigen ausgeschlossen.
44
S. Wbissembbrg;
10 Westafrikanerinnen (L. Conradt, Anthropologische Aufbabmen
im Adeli-Lande, Z. f. E. 1894, Verh. S. 164)0.
77 Papua-Männer un^
12 Papna- Frauen (O. 8c hei long, Beiträge zur Anthropologie der
Papuas, Z. f. E. 1891)*).
Ich verfügte also im Ganzen über ein Material von 702 Individuen
verschiedener Abstammung und beiderlei Geschlechts; leider fehlen in
meinen Berechnungen Amerikaner*). Ich bin weit entfernt daran zu
denken, dass dieses Material vollkommen ausreicht, um eine einwandsfreie
Classificirung der Gesichtsindices geben zu können. Berücksichtigt man
aber, dass das der Arbeit zu Grunde liegende Material aus vier Erdtheilen
stammt und dass die individuellen Schwankungen im Allgemeinen grösser
sind, als die Rassenschwankungen, so wird man vom wissenschaftlichen
Standpunkte die Zahl der Beobachtungen wohl für genügend erklären
müssen, was man vom praktischen Standpunkte, wie ich hoffe, um so
eher thun wird, wenn man berücksichtigt, dass ich sämmtliche Berech-
nungen, den Gesichtsindex nach K oll mann ausgenommen, selbst aus-
führen musste, weclhe Arbeit doch durchaus nicht zu den angenehmen
und anregenden gerechnet werden kann.
Die einzelnen Maasse sind in den Tabellen 11 — VI zusammengestellt^
und zwar sind sämmtliche Werthe für dieselben in aufsteigende arith-
metrische Reihen mit einer Differenz von 5 mm geordnet.
Tabelle II. GaacgestehtaMhe (Haarirreiiie— Kimii).
Schwankungs-
breite
Deutsche
(minnl.)
Deatsche
(weibl.)
1
Ost-
Afrikaner
1
West-
nerinnen
Papua-
Männer
Papoa-
Fraaen
Summa
146—160
^-.
^-.
1
151—166
—
—
—
—
—
166—160
—
1
—
—
—
—
1
161—166
2
9
^^^
1
1
—
6
17
166—170
6
21
4
8
1
2
87
171-175
18
17
9
1
8
48
176-180
84
81
4
2
8
—
74
181-186
84
11
14
2
8
—
64
186-190
86
7
12
1
—
—
66
191 - 196
86
2
11
—
8
—
62
l%-200
28 '
1
—
11
1 —
1
8
—
87
1) Die MindeijAhrigen ausgeschlossen.
2) Da nicht alle Beobachter slmmUiche oben angefahrten f&nf Gesichtsmaasse bestammt
haben, so reducirt sich diese Zahl bei einigen Maanen fast auf die HAlfte.
Ueber die renehiedenen Oesichtsmaasse und Gesicbtsindices.
45
Schwankungs-
breite
Deutsche
(männl.) '
1
Deutsche ^
(weibl.)
Ost-
Afrikaner
West-
Afrika-
nerinnen
Papua-
Männer <
1
Papua-
Frauen
Summa
201—205
6
^^^
1
^_„
2
9
206-210
4
(
1
—
—
—
5
211—216
—
—
1
—
—
—
1
216—220
—
—
1
—
—
—
1
221—226
—
—
1 ""
—
i
—
—
226-280
—
—
1
1
—
—
1
Zahl der Ge-
messenen .
198
100
1
1
70
10
18
7
403
Minimum . .
162
160
167
1
165
167
162
150
(Deutsche)
Maximum» .
210
196
230
188
206
166
230
(Ostafrikaner)
Differenz . .
48
46
, ^
23
88
4
80
Mittel . . .
186
176
188
176
186
164
183
Tabelle in. GesichtshShe (Nasenwnrzel— Kinn).
Schwankungs-
breite
Deutsche
(männlich)
Deutsche
(weiblich)
Juden
Jüdinnen
Baschkiren
Meschtscher-
jaken
1 Ost-Afrikaner
West-Afrika-
1 nerinnen
u
a>
fl
&
s
1
08
SS
&•
08
P-l
Papua-Frauen
Summa
86- 90
—
—
—
—
—
—
1
1
91— 96
—
—
—
1
—
1
—
—
—
1
2
96—100
—
—
—
2
__
—
—
6
5
8
16
101-106
6
—
10
—
1
5
4
6
2
31
106-110
6
20
9
17
5
2
11
1
16
4
91
111-116
10
82
15
1 11
7
2
12
—
20
1
110
116-120
65
82
87
6
28
7
18
28
201
121-126
67
9
24
2
16
4
11
—
6
—
128
126-180
60
1
10
1
18
—
7
—
82
181-186
17
1
6
—
4
—
5
f
2
—
34
186-140
4
„_
—
1
.
—
—
—
6
141—145
1
—
1 _
\
—
1
—
^'~
—
2
Zahl der Ge-
messenen .
200
100
100
60
68
16
70
10
77
12
702
Minimum . .
108
101
107
95
107
110
101
98
96
90
90
(Papua-Frau)
142
188
184
129
187
125
144
108
182
114
144
(Ostafrikaner)
Differenz . .
84
' 32
27
84
80
16 i
48
10
86
24
54
Mittel . . .
128
116
119
110
1
122
117
116
101
113
108
118
m
S. Weibbbnbero:
Tabelle IT. Mittelgesiobt (NMenwnriel— oberer AlTeolarrand).
1} Nasenwonel bis Mond.
West-
SchwankuDgs-
Deutsche
Deutsche
Ostr
Afrika-
Papua-
Papua-
SiiminA
breite
(m&nnl.)
(weibl.)
AfHkaner
nerinnen
M&nner
Franeu
51-55
2
_
2
56-60
...
1
—
8
5
8
12
61—65
2
7
1
5
14
8
82
66—70
20
80
14
2
28
5
99
71—75
64
45
28
.»
22
1
155
76-80
81
15
28
—
5
—
124
81-85
82
2
6
—
1
—
41
86-90
1
2
—
—
—
8
91-95
—
—
1
—
—
1
Zahl der 6e-
meesenen .
200
100
70
10
77
12
469
Minimmn . .
62
60
65
57
52
56
52
(Papua^
MaxiiDiim . .
89
82
91
68
85
72
91
(OstafrikaneiO
Düferenx . .
27
22
26
11
88
16
89
Mittel . . .
76
72 .
79 .
68
69
64
74
Tabelle Y. Joehbreite»
8chwaiikung8-
breite
tsche
Innlich)
«'S
•Sa
0
4>
c
chkiren
chtscher-
:en
»4
s
<
;t-Afrika-
innen
9
0
.s
0
0
0
l
0
Summa
1 Ä
^
t0
Ha
2
3
O
2
1
P-l
1
116-120
1
8
"^
9
121-125
..
7
•—
8
^
2
8
—
1
21
126-180
5
i 81
8
17
.->
1
5
2
8
3
80
181-185
25
, 82
80
17
4
8
17
8
25
5
161
186—140
76
24.
80
6
17
7
25
1
21
2
209
141-145
66
8
24
—
28
1
15
^^
18
—
156
146—150
24
—
8
—
18
8
8
—
5
—
61
151-156
4
■^^
^~
^"*
1
-^
l
1 ■"-
6
Zahl der Ge-
messenen .
200
100
100
50
68
15
70
10
77
12
702
129
116
126
120
188
180
120
119
126
118
116
(Deutsche)
Maximum . .
154
144
150
140
162
149
168
186
160
188
164
(Deutscher)
Differenz . .
26
28
24
20
19
19
K\
17
24
20
;»
Mittel . . .
140
182
188
180
148
189
187
128
189
181
188
Ueber die rerschiedeaen Gesichtemaane und Gesichtsindices.
47
1
rabeUe TL
Malare Breite (nach Yirchow).
Sohwankungs-
breite
Deutsche
1 (m&nnlich)
Deutsche
1 , (weibHch)
Juden
Baschkiren
Meschtscher-
jaken
Ost-Afrikaner
West-Afrika-
nerinnon
Papua-M&nner
Papua-Frauen
Summa
56*- 60
1
1
_
2
1
8
61— 65
—
—
—
—
— —
—
6
5
11
66— 70
—
—
_
— —
1 —
, 17
4
21
71- 75
—
—
1
28
2
25
76— 80
—
8
— ' —
14
—
17
81- 85
4
7
*
1
1 8
1
11
—
8^
86— 90
24
40
25
2
2 9
2
—
104
91— 95
68
27
28
7
8 16
^^
1
—
145
96—100
82
22
88
24
6
18
2
1
188
101-105
21
1
8
28
8 1 11
: 2
1
74
106-110
5
—
2
5
- 10
1
—
—
28
111-115
1
,
1
— 2
1
>
5
116-120
—
—
1
- l
1 8
1
4
Zahl der Ge-
messenen .
200
1
100 ;
100
68
15
70
10
77
12
652
Minimum . .
82
76 ,
88
85
88 88
84
58
60
58
(Papua)
Maximum . .
112
1
101
1
107 1
1
112 j
i
105
117
118
97
74
118 (West-
Afrikanerin)
Differens . .
80 1
j
25
24 1
27
22 84
84
39
14
60
Mittel . . .
%
91
95 1
100
%
98
105
74
66
93
Was bei der Betrachtung dieser Tabellen zuerst in die Augen fällt,
ist die verschiedene Beständigkeit der einzelnen Maasse, ihre yerschiedene
Schwankungsbreite, deren Grad aus folgender Zusammenstellung klar wird:
Tabelle YIL Schwankangsbreite der Gesichtsmaasse*
Gesichtsmaasse
Mittelwerth
1
Schwankungs-
breite
1
Yorhältniss
zwischen beiden
Gansgesichtfihöhe
Gesichtahöhe
Mittelgesichtshöhe
Jochbreite
Malare Breite
188
118
74
188
93
80
54
89
38
60
43,7
45,8
52,7
27^
64,5
Aus dieser TabeUe folgt, dass die Gesichtsmaasse eine Schwankungs-
breite von 43,7 bis 64,5 zeigen, und zwar variiren die Gesichtshöhen im
48
S. Weissenbebo:
Allgemeinen mehr als die Gesichtsbreiten. Auf die Ursachen dieser Er-
scheinung werden wir später noch zurückkommen.
Zweitens zeigen die Tabellen, dass die Frauen im Allgemeinen viel
kleinere Gesichtsmaasse haben, als die Männer, was im Einklänge mit
ihrer geringeren Körpergrösse steht. Eine Ausnahme bilden nur die West-
afrikanerinnen in Bezug auf ihre malare Breite, welches Maass bei ihnen
den grössten Werth — 105 — zeigt.
Yersuchen wir die Gesichtsmaasse nach ihrer Grösse zu classificiren,
so wird für die Ganzgesichtshöhe etwa 180 irnn der mittlere Werth sein,
wobei dann die Papua-Frauen, die deutschen Frauen und die Westafrika-
nerinnen eine kleine, die deutschen und die Papua-Männer, nowie die Ost-
afrikaner eine grosse Ganzgesichtshöhe haben würden. Die Gesichtshöhe
beträgt im Mittel etwa 120 mm; danach haben die Deutschen und Baschkiren
ein langes, die Juden und Meschtscherjaken ein mittellanges, die deutschen
Frauen, die Ostafrikaner und Papua-Männer ein kurzes, und endlich die
Jüdinnen, Westafrikanerinnen und Papua-Frauen ein sehr kurzes Gesicht.
Das Mittelgesicht zeigt eine mittlere Länge von 75mm, wobei die deutschen
Männer und die Ostafrikaner ein langes, die deutschen Frauen ein mittellanges,
die Papua-Männer ein kurzes, die Westafrikanerinnen und Papua-Frauen
ein sehr kurzes Gesicht haben. Die Jochbreite misst im Mittel etwa
140 mm'^ dieselbe ist bei den Baschkiren gross, bei den Deutschen, Juden,
Meschtscherjaken, Ostafrikanern und Papua-Männern mittelgross, bei den
deutschen und Papua- Frauen klein, und endlich bei den Jüdinnen und
Westafrikanerinnen sehr klein zu nennen. Die malare Breite zeigt
einen mittleren Werth von etwa 95 mm^ wobei die Westafrikanerinnen
eine sehr grosse, die deutscheu Männer, die Baschkiren, Meschtscherjaken
und Ostafrikaner eine grosse, die deutschen Frauen und die Juden eine
mittelgrosse, die Papuas eine sehr kleine malare Breite haben.
Folgende tabellarische Zusammenstellung wird wohl eine bessere und
leichtere Uebersicht über diese Verhältnisse geben.
Tabelle YIU. Einthellmig der Gesiehtsmaasse.
Maass
Ganz-
gesichtshöhe
Gesichtshöhe
sehr klein
< 166
Papaa-Franen
164
< 110
Jüdinnen 110
West- Afrika-
nerinnen 101
Papua-Frauen
108
klein
166-176
deutsche Frauen
175
West-Afrika-
nerinnen 176
111—115
deutsche Frauen
115
Ost-Afrikaner
116
Papua-M&nner
118
mittelgroBS
176—186
116—120
Juden 119
Meschtscher-
jaken 117
gross
186—195
deutsche Männer
186
.Ostafrikaner 188
Papua-Mftnner
I 186
121—125
deutsche Mfinner
128
^schkiren 122
sehr
gross
> 196
> 126
Ueber die Tenehiedenen Gesiehtsmaasse und Gesichtsindices.
49
Maass
sehr klein
•
klein mittelgross
gross
sehr
gross
Mittel-
gesichtshöhe
< 65
West-Afrika-
nerinnen 63
Papua-Frauen
64
66—70
Papua-Männer
69
t
71 76 76—80
deutsche Frauen deutsche Männer
72 76
Ost- Afrikaner 79
>80
Jochbreite
< 180
Jüdinnen 130
West-Afrika-
nerinnen 128
181—186 1 186-140 141-146
deutsche Frauen| deutsche Männer Baschkiren 148
132 140
Papua-Frauen Juden 188
181 Meschtscher-
jaken 139
OstaMkaner 137 1
Papua-Männer ^
139
> 145
Malare
Breite
<85 •
Papua-Männer ,
74
Papua-Frauen
66
1
86—90
91—96 96—100
deutsche Frauen deutsche Männer
91 96
Juden 96 Baschkiren 100
Meschtscher-
jaken 96
Ost-Afrikaner 98
1
> 100
West-
Afrika-
nerinnen
105
Man sieht aus dieser Tabelle, dass nicht immer sämmtliche Maasse
irgend eines Volkes in dieselbe Rubrik fallen; das Gesieht ist also absolut
nicht nach allen Richtimgen gleichmässig entwickelt.
Gehen wir nun zu den Gesichtsindices über, so finden wir dieselben
in den Tabellen IX — XIII zusammengestellt:
Tabelle IX. Ganzgesichtsindex (Haar — Kinn: Jochbreite).
Schwankungs-
Deutsche
Deutsche
Ost-
West-
Afrika-
Papua-
Papua-
RnTTiTnfl
breite
(mftnnl.)
(weibl.)
Afrikaner
All tAir'
nerinnen
M&nner
Frauen
kjuuiutci
106—110
1
1
115- 120
6
1
—
—
1
8
120—126
19
10
3
1
1
2
36 *
125-180
44
23
12
2
2
1
84
130-186
62
31
13
1
7
2
106
135—140
47
21
19
2
4
1
94
140—145
25
9
12
3
3
— .
62
145-150
3
3
2
—
—
^^
8
150—155
2
2
2
1
—
7
156—160
—
— .
6
•1^
1
^^■^
6
160—165
—
_
—
—
—
—
166—170
1
—
—
1
Zahl der Ge-
messenen .
198
100
70
10
18
7
403
Minimum . .
115,1
108,7
118,1
124,4
124,6
117,4
108,7
(Deutsche)
Maximum . .
151,5
152,5
165,8
152,8
165,8
139,0
165,8
(Ostafrikaner)
Differenz . .
36,4
43,8
47,7
28,4
31,2
21,6
67,1
Mittel . . .
132,9
1
132,6
137,2
136,7
133,8
126,2
132,6
50
S. WeiSSENBEBO:
Tftbelle X« Geslchtsliidex (Kollmann).
8chwankungs-
«
breite
Deutsche
; (m&nnlich)
1
1
Deutsche
(weiblich)
a
1 Jüdinnen
' Baschkiren
1 1 Meschtscher-
1 jaken
Ost- Afrikaner
West-Afrika-
nerinnen
1
o
B
3
a
0
1
•
Summa
65— 70
^^^
^.^
^.^
^^^
^^^
1
1
^^^
1
70- 75
1
1
2
2
3
—
3
2
4
5
28
75— 80
18
5
7
6
9
1
15
6
•32
2
85
80- 85
82
81
29
17
28
9
15
8
80
8
197
85- 90
%
86
85
19
21
4
20
^^ (
12
2
245
90- 95
44
21
23
4
4
1
9
-^
8
—
114
95-100
18
6
8
2
8
—
5
— ,
—
82
100—105
1
—
1
—
—
—
2
—
—
4
105—110
—
"^
.
—
1
—
—
—
1
Zahl der Ge-
messenen .
200
100
100
50
68
15
70
10
77
12
702
Minimum . .
74,0
74,6
72,8
72,8
74,0
75,8
72,1
74,0
70,0
71,0
70
(Papua)
Maximum . .
101,5
98,8 100,8
96,8
98,5
92,3 108,1
82,3
98,0
88,1
108,1
(Ostafrikaner)
Differenz . .
27,5
23,7
28,0
23,5
24,5
16,5
86,0
8,8
23,0
17,1
38,1
Mittel . . .
87,8,
1
87,1
86,2
84,6
1
85,3
84,2
88,9
78,9
81,8
78,6
85,5
TftbeUe XL ttesiehtsiBdex (Virchow).
1
Schwankungs-
o*^5
^s •^«
breite
Se
•w s
Diea 1
« C '
Ä>=.
Ol
ä ^
00
s
_ B
U4
B
«
00
o
I
CS
I B
-SS'C
«
B
S
HS
a
9*
s
Summa
•85- 90
90- 95
95—100
100-105
105-110
110-115
115-120
120-125
126-130
130-185
185-140
140-145
145-150
150—155
1
8
19
40
58
28
27
9
10
10
16
18
21
20
11
2
— 1
1
1
8
11
81
19
14
5
5
3
1
1 *
5
13
16
12
10
5
4
1
1
1
2
8
2
4
8
8
4
5
11
18
10
8
5
6
o
1
1
2 - ' —
4 — —
1 — —
2
1 —
1 I — , —
1 —
6 —
6 1
8 ' 1
15 I 1
8 ! 4
2
4
4
9
13
52
79
lU
121
81
60
28
31
15
üeber die verschiedenen Qesichtsmaasse und Gesichtsindices.
51
Schwankungs-
breite
Deutsche
(männlich)
Deutsche
(weiblich)
a
a
2
ja
o
ä
Meschtscher-
jakcn
o
p
£
<
o
West-Afrika-
nerinnen
Papua-Männer
Papua-Frauen
1
Summa
155-160
__
1
^_^^
^H^v
1 ,
9
2
12
160—165
—
—
—
—
8
1
9
165—170
—
^mmm
—
—
1
—
5
6
170-175
—
—
—
—
—
—
2
1
8
175-180
—
—
—
—
—
5
1
6
180—185
—
—
—
—
—
1
1
185-190
—
— '•
—
m^a^
—
1
—
1
190-195
—
—
—
—
—
—
—
195—200
—
—
■
— ^
—
—
200—205
—
—
—
—
—
1
—
1
Zahl der Ge-
messenen .
200
100
1
100
68
15
70
10
77
12
652
Minimum . . .
108,0
108,0 104,8
102,8
107,6
100,0
86,2
117,5
188,5
86,2 (West-
Afrikuierin)
Maximum. .
149,4
154,6
155,8
147,1
188,8
169,4
120,2
201,7
177,4
201,7
(Papua)
Differenz . .
41,4
51,6
50,5
44,8
25,7
69,4
84,0
84,2
88,9
116,5
Mittel . . .
128,1
126,4
1
125,8
122,0
1
121,9
117,8
96,2
152,7
156,1
126,9
Tabelle XII. MittelgesiehtBindex (K oll mann).
Schwankungs-
breite
Deutsche
(männl.)
Deutsche
(weibl.)
1
1 Ost-
Afrikaner
1
I
West-
Afrika-
nerinnen
Papua-'
Männer
1
Papua-
Frauen
Summa
35-40
_
2
2
40-46
1
1
—
■ •
5
8
10
45—50
-22
11
8
7
88
5
86
50-55
94
48
84
8
80
8
207
55-60
68
40
17
—
7
1
. 188
60-65
15
5
10
—
80
65-70
a^B
—
1
1
Zahl der Ge-
messenen .
2C0
100
70
10
77
12
469
Minimum . .
48,6
48,5
46,4
45,2
89,8
42,8
89,8
(Papua)
Maximum. .
68,6
68,8
67,5
52,8
59,8
57,6
67,5
(Ostafrikaner)
Differenz . .
20,0
19,8
21,1
7,6
20,5
14,8
28,2
Mittel . • •
54,8
54,5
57,7
49,2
1
49,6
48,8
58,6
52
8. WnSSBMBERO:
TabeUe XIU. Mittelgesielitoliidex (Yirchow).
Scbwankungs-
breite
Deutsche
(mftnnL)
Deutsche
(weibl.)
Ost-
Afrikaner
West-
Afrika-
nerinnen
Papua-
M&nner
Papua-
Frauen
Summa
60— 56
^„^
1
__
1
1
1
_^
1
65— 60
—
1
1
1
6
—
—
8
60— 65
1
1
4
1
—
7
66- 70
7
^
6
1
^—
19
70— 76
87
15
22
—
3
""
77
76— 80
62
87
14
1
7
—
121
80— 86
66
24
10
—
5
—
96
86- 90
26
14
6
—
18
1
66
90- 96
10
2
6
—
18
6
86
96—100
—
, 1
2
—
14
2
19
100—106
1
—
—
—
7
1
9
106-110
—
—
—
4
1
5
110-116
—
—
—
—
5
6
116-120
—
—
—
1
1
120-126
—
i
r
1
1
—
1
Zahl der Ge-
1
messenen .
200
100
70
10
77
12
469
Minimom . .
•
62,0
60,0
60,0
52,6
71,4
86,1
62,6 (West-
Afrikanerin)
Maximnm . .
101,1
96,8
96,8
76,2
122,4
116,1
122,4
(P«püa)
Differeni . .
89,1
86,8
86,8
28,6
61,0
80,0
69,8
Mittel . . .
79,2
79,1
80,6
60,0
98,2
97.0
79,6
Auch hier fällt zuerst in die Augen die veracbiedene Schwankungs-
breite der Indices, — der eine ist mehr, der andere weniger beständig.
Folgende kleine Tabelle giebt den Ausdruck für dieses Verhältniss.
Tabelle XIY. Sehwankmigsbreite der Geslchtsindlces.
Qesichtsindex
Oanigesichtsindex
Oesichtsindex nach Koll-
mann
tieMchtsindex nach Yirchow
Mittelgesichtsindex n. Koll-
mann
Mittelgesichtf - Index nach
Yirchow
Mittelwerth
182,6
86,5
126,9
68,6
79,6
Schwanknngs-
breite
67,1
88,1
116,5
28,2
69,8
YerhUtaiss
nnschen beiden
42,8
44,4
90,6
61,8
87,6
Ueber die Terschiedenen Gesiehtsmaasse und Gesichtsindices. 53
Betrachten wir, wie wir es schon bei den Gesichtsmaassen (siehe
Tab. YII) gethan haben, das Yerhältniss zwischen absoluter Schwankungs-
breite und Mittelwerth für irgend ein Maass als den Ausdruck fär die
relative Schwankungsbreite desselben Maasses, so müssen wir aus obiger
Tabelle schliessen, dass die Yirchow'schen Gesichtsindices fast eine
doppelt so grosse Schwankungsbreite haben, als die Eo 11 mann 'sehen.
Geschlechtlich lässt sich keine deutlich ausgesprochene Differenz fest-
stellen; jedoch zeigen die Frauen im Allgemeinen etwas geringere Werthe,
als die Männer, was sich aus der geringeren Körperhöhe der ersteren,
die, wie Tab. I lehrt, mit dem Gesichtsindex in einer gewissen Beziehung
steht, zur Genüge erklärt. Virchow will beobachtet haben*), dass ein
Einfluss der Sexualität nicht bloss in dem Sinne besteht, dass die Weiber
mehr zur Chamae-, die Männer ihehr zur Leptoprosopie neigen, sondern
auch in der Weise, dass gewisse Stämme im Grossen, auch bei den
Männern, einen mehr weiblichen Gesichtstypus zeigen. Darüber werden
weitere Untersuchungen Aufschluss geben müssen.
Gehen wir jetzt zu der Eintheilung der Gesichtsindices über, so lehren
uns die Tabellen, dass die bis jetzt gebrauchte Zweitheilung nicht genügend
ist, da hierfür die Indices zu grosse Schwankungen zeigen. Es ist eine
mesoprosope Gruppe einzuschieben, deren Umfang aber ein geringer sein
muss, da andernfalls alles mesoprosop sein wird und wir anstatt einer ge-
naueren Charakterisirung nur eine Vermischung der Merkmale herbeiführen
werden. Virchow schlägt für den am meisten gebrauchten Eollmann-
schen Gesichtsindex vor'), die untere Grenze der Mesoprosopie desselben
auf 75 festzusetzen, so dass diese Gruppe einen Umfang von 15 Einheiten
— 75 bis 90 — haben wird. Bei einer solchen Eintheilung wird, wie
wenigstens meine Berechnungen lehren^ fast alles mesoprosop und be-
sonders die Chamaeprosopie eine höchst seltene Erscheinung sein, da von
702 Gesichtern bei solcher Eintheilung 151 einen lepto-, 527 einen meso-
und nur 24 einen chamaeprosopen Index zeigen, die Mittelwerthe aber
alle in die mesoprosope Gruppe fallen (siehe Tabelle X). Da der Eoll-
mann'sche Gesichtsindex im Grossen und Ganzen nicht mehr, ab z.B.
der Kopfindex, varürt, so schlage ich vor, denselben folgendermaassen
einzutheilen:
Extreme Chamaeprosopie 65,1 — 70,0
p, . . Ultrachamaeprosopie 70,1 — 76,0
*^ *^ ^ Hjperchamaeprosopie 76,1 — 80,0
Chamaeprosopie 80,1—86,0
Mesoprosopie < Mesoprosopie 85,1 — 90,0
1) Z. f. E. 1891, Verh. 8. 68.
2} Z. 1 E. 1896, S. 274.
54 S. Weissenbero:
[ Leptoprosopie 90,1— %,0
j . ) Hjperleptoprosopie 95,1-100,0
Leptoprosopie ' ültraleptoprosopie 100,1-105,0
I Extreme Leptoprosopie 105,1—110,0
Die Eintheilung der übrigen Indices ist aus der Tab. XY ersichtlich«
Für den Ganzgesichtsindex liegt die Grenze der Leptoprosopie bei 135,
und es haben die Ostafrikaner und die Westafrikanerinnen ein langes, die
deutschen Männer und Frauen und die Papua-Männer ein mittellanges, die
Tabelle XV. Elntheilnog der Gesichtsindlees.
Index
Ganz-
gesichts-
indez
Gesichts-
indox
nach
Kollmann
Gesichts-
index
nach
Virchow
MiHel-
gcsichts-
index
nach
Kollmann
Mittel-
gesichts-
index
nach
Virchow
hyper-
chamaeprosop
< 125
<80
West-
Afrikanerinnen
78,9
Papua-Fraaen
78,6
< 110
West-
Afrikanerinnen
%,2
<45
< 66
West-
Afrikanerinnen
60,0
chaniaeprosop mesoprosop
hyper-
leptoprosop lopto-
^ prosop
125,1—130
Papua-Fraoen
126,2
80,1-86
Jüdinnen 84,6
Mescht«cher-
jaken 84,2
Ost-Afrikaner
88,9
Papua-Männer
81,8
llOjl— 120
Ost -Afrikaner
117,3
45,1—50
West- Afrika-
nerinnen 49,2
Papua-Männer
49.6
Papua-Frauen
48,8
65,1-Tö
180,1—136 135,1—140
deutsche M&nner Ost-Afrikaner
132,9 187,2
deutsche Frauen West-Afrika-
182.6 nerinnen 186,7
Papua-Männer
188,8
85,1 -90 90,1-96
deutsche Männer
87,8
deutsche Frauen
87,1
Juden 86,2
Baschkiren 86,3
I
' 120,1-180
d. M&nner 128,1
deutsche Frauen
126,4
Juden 126,8
Baschkiren 122,0
Meschtscher-
. ' jaken 121,9
50,1—66 65.1-60
deutsche Männer Ost-Afrikaner
64,8 67,7
deutsche Frauen
64,6
180,1-140
> 140 ^
>95
> 140
Papum-
Männer
162,7
Papua-
Frauen
166,1
> 60
76,1-85 85,1-95 > 96
deutsche Männer Papua-Männer Papua-
79,2 98,2 Frauen
deutsche Frauen 97,0
79 1
Oätafrikaner 80,6
Papua - Frauen ein kurzes Ganzgesicht. Für den Kollmann' sehen
Gosichtsindex «glaube ich die alte Grenze für die Leptoprosopie be-
stehen lasnen zu müssen, obgleich der mittlere Werth für denselben bei
85 liefet. Es ist aber erstens zu berücksichtigen, dass dieser Index am
meisten gebraucht wird und dasa eine neue Eintheilung desselben viel-
lieber die verschiedenen Gesichtsmaasse und Gesichteindices. 55
leicht Verwirrung und unnöthige Umrechnungen veranlassen wird, zweitens
fehlen in meinen Tabellen die langgesichtigen Amerikaner, die das allge-
meine Mittel heben würden, und drittens stimmt die alte Eintheilung mit
der Eintheilung der übrigen Indices überein. Es werden also die
Deutschen, Männer und Frauen, Juden und Baschkiren meso-, die Jüdinnen,
Meschtscherjaken, Ostafrikaner und Papua -Männer chamae-, die West-
afrikanerinnen und Papua-Frauen hyperchamaeprosop sein. Die Grenzen
für den Mittelgesichtsindex nach Eollmann sind im Vergleich zur
Frankfurter Verständigung etwas zu verschieben; die Leptoprosopie beginnt
hier nicht mit 50, sondern mit 55, und es sind die Ostafrikaner lepto-,
die Deutschen, Männer und Frauen, meso-, die VTestafrikanerinnen und
Papuas chamaeprosop. Die Eintheilung des Gesichts- und Mittel-
gesichtsindex nach Virchow ist von derjenigen der Frankfurter Ver-
ständigung ganz verschieden, da diese Indices bedeutend grössere VTerthe
zeigen, als die Verfasser der Verständigung angenommen haben. Beim
Gesichtsindex nach Virchow beginnt die Leptoprosopie mit 130*), und es
haben die Deutschen, Männer und Frauen, Juden, Baschkiren und Mesch-
tscherjaken ein mittellanges, die Ostafrikaner ein kurzes, und die Westafrika-
nerinnen ein sehr kurzes Gesicht. Beim Mittelgesichtsindex nach Virchow
beginnt die Leptoprosopie mit 85 *), und es zeigen die Papua-Frauen Hyper-
lepto-, die Papua-Männer Lepto-, die Deutschen, Männer und Frauen, und
die Ostafrikaner Meso-, die Westafrikanerinnen Hyperchamaeprosopie. Da
die Virchow'schen Indices eine grosse individuelle Variation zeigen, so
scheint mir die Eintheilung nach zehn Einheiten berechtigt zu sein.
Wie bei den Gesichtsmaassen, so lässt sich auch hier constatiren,
dass nicht immer sämmtliche Indices für irgend ein Volk in dieselbe
Kategorie fallen. Das Gesicht ist also auch relativ bei einigen Völkern
ungleichmässig entwickelt. Auf diese interessante Erscheinung wird
künftighin mehr zu achten sein.
Eine genauere Gesichtscharakteristik der hier in Betracht gezogenen
Völkerschaften zu geben, steht ausserhalb meiner Aufgabe.
Es bleibt nun noch übrig, die besprochenen Maasse und Indices auf
ihre Brauchbarkeit zu prüfen. Wie ich schon einleitend bemerkt habe,
müssen wir nach Vereinfachung des Maass-Schemas streben. Wir müssen
aus der Fülle der vorgeschlagenen Maasse diejenigen heraussuchen, die
uns mehr oder minder constante Resultate geben, und alles das, was von
verschiedenen Zufölligkeiten abhängig ist, als unnützes Material über Bord
werfen. Da die Indices von den Maassen abgeleitet werden, so hängen
sie von den letzteren ab und ihre Brauchbarkeit deckt sich mit der-
jenigen der Maasse, weshalb wir hauptsächlich die letzteren zu untersuchen
haben.
1) Davon steht in der Frankfarter 'Verständigung nichts. Virchow.
56 S. Weibsenbbho:
Ein brauchbares Maass muss folgenden Forderungen gerecht werden:
1. Die Messpunkte müssen leicht zu finden sein.
2. Sie mOssen festen anatomischen Punkten entsprechen.
3. Das Maass muss am Lebenden und am Schädel genommen werden
können.
4. Die Messung darf keine Unzufriedenheit erregen.
Examiniren wir unsere Maasse auf diese Forderungen, so müssen wir
sagen, dass nur die Jochbreite allen entspricht. Die drei Gesichtslängen
enthalten alle ein sehr veränderliches Element: die Zähne, deren Grösse,
Abnutzung und Ausfallen nach Individuum und Rasse stark variirt, wes-
halb diese Maasse fast doppelt so grosse Schwankungen zeigen, als die
Jochbreite (siehe Tabelle VII). Benutzen wir dasselbe Kriterium, so
müssen wir die malare Breite als das schlechteste Maass bezeichnen, was
wohl damit zusammenhängt, dass die Ansatzpunkte desselben sehr schwer
genau zu bestimmen sind.
Als weiteres Kriterium für ein brauchbares Maass können die Mess-
fehler dienen, die bei der Entnahme desselben gemacht wurden. Ich bin
auf diese Fragen schon in meiner Abhandlung über die südrussischen
Juden kurz eingegangen; ich führe die dort angegebenen Messfehler
für die Gesichtsmaasse von mir (an Juden) und Schellong (an Papuas)
hier wieder auf:
Messfehler von
, '^
Schellong Weissenberg
Gesichtshöhe ^ 1,6 mm 2 mm
Joehbreite 1>0 » 0 ,
Malare Gesichtsbreite 898 « 4 „
Auch hier ninmit die Jochbreite den ersten, die malare Breite den
letzten Platz ein.
Es sei noch kurz darauf hingewiesen, dass die Ganzgesichtshöhe am
Schädel nicht bestimmt werden kann, da die Haargrenze am letzteren
nicht markirt ist und der Punkt 4 nur bei der Entnahme der Mittel-
gesichtshöhe in Betracht kommen kann; jedenfalls ist das Instrument bei
einem ansteckender Krankheit verdächtigen Material jedesmal zu des-
inficiren.
Schliessen wir von den Maassen auf die Indioes, so müssen die
Kollmann'schen Indices, die auf die Joehbreite bezogen werden, viel
verlässlicher sein, als die Yircho waschen, die von der malaren Breite
ausgehen, was auch in der That durch die Tabelle XIY bestätigt
wird.
Als letztes und am meisten ausschlaggebendes Kriterium für die
Brauchbarkeit der Maasse und Indices ist das Yerhältniss derselben am
Lebenden und am Schädel zu betrachten. Ich konnte an 4 Köpfen solche
Messungen anstellen; die Tabelle XYI bringt die Maasse am Schädel
üeber die verschiedenen Gesichtsmaasse und Gesiehtsindicet.
57
nnd am Kopfe neben einander. Selbstverständlich sind die Maasse am
Schädel kleiner, als am Eopfe; die malare Breite zeigt aber manchmal
auch ein umgekehrtes Verhalten, was am besten ihre geringe Zuverlässig-
keit beweist. Dem entsprechend zeigen die Yir che waschen Indices be-
deutend grössere Differenzen, als die Eo lim ann 'sehen. Im Ganzen
schwanken die Differenzen zwischen folgenden Werthen:
Gesichtshöhe
Mittelgesichtshöhe
Jochbreite
Malare Breite
Gesichtsindex nach Kollmann . . .
Gesichtsindex nach Vircbow . . . .
Mittelgesichtsindex nach Kollmann.
Mittelgesichtsindex nach Yirchow .
....
+ 1,0 bis + 6,0
0
n + 6,0
+ 2,0
n + 6,0
-6,0
n +12,0
-8,0
n + 4,6
-8,3
. +18,7
-0,8
» + 8,6
-8,1
n +15,4
Tabelle XYI. Die Gesichtsmaasse am Lebenden nnd am Sehldel«
Maasse
Neu-
geborener
M
•r 1 c 1
«s S 1
nö
M
's
MS
O
o
o
•s
W
oo
Q
2ViJfthriger
_
o
TS
^4
o
MS
M
33
N
•2
Gesichtshöhe . . .
Mittelgesichtshöhe
Jochbreite ....
Malare Breite . .
Gesichtsindex nach
Kollmann . . .
Gesichtsindex nach
Virchow. . . .
Mittelgesichtsindex
nach Kollmann
Mittelgesichtsindex
nach Yirchow .
45 40 +6
32 30 +2
70 67 1+3
49 49 0
64,3 59,7+4,6
91,8 81,6+10,2
45,7 44,8+0,9
65,3 61,2+4,1
81 75
53 47
96 I 91
+ 6
+ 6
+ ö
62 67 - 5
84.4 ! 82,4 j+ 2,0
i
I
180,6 111,9 + 18,7
55,2 51,6 + 3,6
I
r
86.5 i 70,1 1+ 15,4
21 jähriger
( na
78j&hriger
o
^^S
o
108
ja
c
bd
GQ
fl
te
123 |122
78 71
130
85
94,6
144,7
56,1
85,9
125
87
97,6
140,2
56,8
81,6
+1
98
+ 2
62
+ 6
128
-2
102
-3,0
76,6
+ 4,5
96,1
-0,7
48,4
+ 4,3
60,8
94
62
126
90
+ 4
0
+ 2
+ 12
74,6 + 2,0
104,4
-8,3
49,2 1-0,8
68,9
-8,1
Nach alledem müssen wir die Yirchow'schen Indices als sehr wenig
brauchbar bezeichnen; sie stehen jedenfalls den Eollmann'schen in jeder
Beziehung nach, und ihre Berechnung ist künftighin aufzugeben. Ich will
damit nicht sagen, dass die malare Breite aus den Maass-Schemata gänzlich
zu streichen ist Sie kann uns speciell am Schädel brauchbare Dienste
leisten, aber nicht im Yerhältniss zur Gesichtshöhe, sondern zur Joch-
breite, wodurch wir einen Ausdruck für das Vorstehen der Jochbeine er-
langen werden. Ich möchte noch besonders auf den Mittelgesichtsindex
hinweisen, der sehr exacte Werthe liefert und dessen Berechnung am
ZeKsehrift fir Ethnologie. JtJkTg, 1S»7.
98 8. WABSiSHBERo: Ueber die Tencbiedenen Gedchtsmaasse o. s. w.
Lebenden viel mehr zu üben ist, als es bis jetzt der Fall war, wodurch
wir ein brauchbares Material zum Vergleiche mit solchen Schädeln ge-
winnen können, die ohne Unterkiefer gesammelt oder gefunden wurden.
Streifen wir noch zuletzt kurz die Frage, inwiefern die hier am
Lebenden gewonnenen Resultate für den Schädel passen, so lässt sich ja
bei einer so geringen Zahl von Beobachtungen nichts Sicheres darüber
sagen. Ich glaube jedoch, dass die von mir festgestellten Eintheilungen,
wenigstens für die Eollmann'^cben Indices, auch auf den Schädel passen,
da für diese Indices die Differenzen zwischen Kopf und Schädel nach
Tab. XVI gering sind. Für die Virchow'schen Indices bekam Szombathy
an Schädeln Mittelwerthe, die etwa um 5 Einheiten tiefer stehen, als die
meinigen. So beträgt nach ihm der Mittel- (Ober-) Gesichtsindex im
Mittel 74,4 und der Gesichtsindex 126,6.
Bemerkang Aber die Ctoslchtsindices.
Wenn Hr. Weissenbergin der Torstehenden Abhandlung den Aosdrack ^YircbowWhe
Indices** durchweg in dem Sinne gebrancht, dass er im Sinne der Frankfurter Verst&ndigung
damit die ans der Malarbreite abgeleiteten Gesichtsindices meint, so möchte es erscheinen,
als wenn diese Berechnongsart von mir gew5hnlicb angewendet würde. Ich habe aber
schon früher (Verband]. 1896, S. 274) bemerkt, dass ^ich mich sp&ter der Kollmann'schen
Methode angeschlossen nnd die Jochbogen-Distanz angenommen habe, um die allgemeine
Yergleichnng zu ermöglichen." Alle meine Publikationen sind seit Jahren in diesem Sinne
zu Terstehen, wo nicht ausdrücklich der malare Index genannt ist; für den Leser wird
also nirgend eine Schwierigkeit bestehen, meine Angaben mit den gebr&nchlichen in Ver-
gleich zu bringen, denn sie beziehen sich fast ausschliesslich auf die Ko lim an naschen
Indices. Das hindert mich jedoch nicht, dass ich den malaren Index für die physio-
gnomische Betrachtung des Kopfes als den mehr correcten ansehe. Rud. Virchow.
III.
Materialien zur Sprachenkunde Brasiliens.
Vokabulare von Purus- Stämmen.
Von
Dr. PAUL EHRENREIOH, Berlin,
Die Thatsache, dass die Stämme am Purus und Turua sämmtlich der
grossen Maipure- oder Aruakgruppe angehören, ist für die Ethnographie
Südamericas von hoher Bedeutung. Nunmehr erscheinen die Aruakstämme
Ostperus, Boliviens und Hatte grosses, wie die Anti und Piro, die Baure
und Moxo, die Paressi und Guana nicht mehr als versprengte Glieder
jener grossen Yölkerfamilie, sondern stehen mit der Hauptmasse der
Aruakvölker nördlich vom Amazonas in fast continuirlichem Zusammen-
hange. Von der Küste des Antillenmeers bis weit in das Quellgebiet des
Paraguay und des Madeira hinein lässt sich jetzt eine fast ununterbrochene
Reihe von Aruakstämmen verfolgen, in deren Sprachen trotz der enormen
räumlichen Verbreitung über fast dreissig Breitengrade noch eine merk-
würdige grammatische Uebereinstimmung nachweisbar ist.
Bis jetzt war die Ethnogr^hie des Purus, obwohl dieser Fluss seit
Chandless' denkwürdiger Forschungsreise zu den geographisch am besten
bekannten Amazonas-Tributären gehört, noch recht unklar. Die wenigen,
von den verschiedenen Exploratoren uns überlieferten Wörter genügten
zu einer sicheren Glassificirung nicht, so dass noch Brinton (American
race p. 293, 294) die Paumari, Araua und Pamana zu einem be-
sonderen „Araua linguistic stock" vereinigt und die in den kurzen Voca-
bularien vorkommenden Aruakwörter für Entlehnungen erklärt
Vom Ipurina sagt er (1. c. p. 294): „It contains a few words in
common with the Pammary, but probably only borrowed by both from
the Arawak." Dagegen erkennt er im Gegensatz zu Chandless die
Maneteniri ganz richtig als zur Aruakfamilie gehörig (1. c. p. 291).
Dass die Paumari, Ipurina und Yamamadi, die Brinton nicht erwähnt,
ächte Aruakstämme sind, ergiebt sich aus dem jetzt vorliegenden reicheren
Material ohne Weiteres.
Von den Kanamari des Yurua, die sich bis an den Purus verbreiten,
ist die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe längst erwiesen. Dasselbe gilt
60 ^' EBRElUtSlCH:
von den KatauiSi am Itaxy. Nicht zu verwechseln mit diesen Kana-
mari (Kanamirim) ist der Ton Chandless ebenfalls mit diesem Namen
(oder auch als Eanawary) aufgeführte Panostamm des Alto Purus, den der
englische Reisende irrthümlicher Weise mit den Maneteniri identificirt
(Brinton 1. c. p. 291). Auch die Katiana sind nach dem geringen
Material, das vorliegt, den Aruak zuzurechnen. Ueber die Uainamari,
E spinös und Cape ebenes ist nichts Genaueres bekannt.
Entschieden nicht amakisch oder überhaupt ethnographisch noch nicht
classificirbar sind am Purus nur noch die Mura im Mündungsgebiet des
Stromes, die den Panoetämmen zugehörigen Karipuna, sowie die wahr-
scheinlich karaibischen und den Apiaka des Tocantins verwandten Arara
oder Yuma. Letztere gehören eigentlich dem Madeiragebiet an und
lassen sich nur gelegentlich an den rechten Purus-Nebenflüssen sehen.
Die vorliegende Arbeit behandelt nur die von mir bei den Paumari
und Yamamadi zusammengestellten Wörterverzeichnisse, während die
Sprache der Ipurina den Gegenstand einer besonderen, ausführlicheren
Abhandlung bilden wird. Die fünfjährige Thätigkoit der South American
missionary society am Purus hat wenigstens die Früchte getragen, das»
wir über das interessante Idiom der Ipurina ein reichhaltigeres Material
besitzen, als über irgend eine Sprache des Amazonas-Gebietes.
Es ist dies hauptsächlich den Bemühungen des Rev. Jacob Resyek
Polak zu verdanken, dessen Original-Manuscript ich während meines
Aufenthalts in Sepatiny excerpiren konnte. Die bereits abgeschlossene
Bearbeitung dieser Notizen musste jedoch zurückgehalten werden, da Rev.
Polak inzwischen ein weiteres Manuscript veröffentlicht hat, durch welches
eine eingehende grammatische Analyse und die Zusammenstellung eines
ausführlichen Glossars erst möglich wird. ^Die aus der äusserst unzweck-
mässigen Anordnung des Sprachstoffs in Rev. Polak's Arbeit erwachsenden
Schwierigkeiten haben indess die Aufgabe der Bearbeitung des wichtigen
Materials zu einer so complicirten gemacht, dass die Resultate für die
vorliegende Abhandlung noch nicht zu verwerthen waren.
Die Paumari (Pamari, Pamauri) oder Pnrupuru, — ihr eigentlicher
Name, nach dem auch der Fluss benannt ist, — sind die Bewohner der
Strominseln, und Lagunen des Mittellaufs von der Mündung des Tapaua
bis in die Gegend von Hyutanaham.
Ihnen zuzurechnen sind die Yuberi des Tapaua und die Araua des
mittleren Yurua. Alle diese Stämme leben ausschliesslich vom Fisch-
und Schildkrötenfang, hausen in eigenthümlichen schwimmenden Woh-
nungen (auf Flössen) und sind schon den älteren Reisenden durch ihre
fleckige Haut aufgefallen, eine Pigmentkrankheit, die als „mal de loa
pintos^ in weiten Gebieten des äquatorialen America bekannt ist Der
Civilisation haben sie sich von allen Purustammen am meisten zugänglich
Materialien zur Sprachenknnde Brasiliens. 61
gezeigt, insofern sie sich jetzt eifrig, theilweise im Dienste der Weissen,
an der Kautschuk- und Copaivagewinnung betheiligen und europäische
Importartikel einhandeln. Als „ciyilisirte^ Indianer sind sie darum auch
rettungslos dem Alkoholismus verfallen und werden in wenigen Decennien
gänzlich verschwunden sein. Das folgende Vocabular wurde zu Hyu-
tanaham, wo sich Paumari der benachbarten Lagunen zum Zwecke des
Handels in der Regel allwöchentlich einfinden, aufgenommen.
Sprachlich sehr nahe verwandt, aber in Sitte und Lebensweise von
den Paumari gänzlich verschieden, sind die Tamamadi oder Kapinamari,
die Bewohner der Urwälder auf dem linken Purusufer vom Mamoria mirim
bis zum Pauini, nach Westen bis zum Yurua streifend. Sie scheuen die
Nähe der Flussufer und leben ausschliesslich von Jagd und Ackerbau im
Bereich des höheren Landes, der „Terra firma".
Das Yocabular, das erste, welches von diesem Stamme bekannt wird,
wurde ebenfalls zu Hyutanaham und während des Aufenthalts auf den in
der Nähe dieser Factorei befindlichen Ansiedelungen dieser Wilden auf-
genommen. Die Yamamadi sind den Weissen freundlich, lassen sich aber
auf intimeren Yerkehr aus Furcht vor ansteckenden Krankheiten und vor
der Insectenplage an den Flussufem nicht ein und haben demgemäss voll-
kommen den Charakter eines harmlosen unverdorbenen Naturvolkes
bewahrt
Das Verhältniss der Idiome der Paumari (P.), Araua (A.) und Yama-
madi (Y.) zu anderen bekannten Aruak-Dialecten mag folgende Uebersicht
veranschaulichen :
Kopf P.: dadii Y.: ä-tati
Kustenau: nu-teu Bare: nototia
Baniwa: no ideu Layana: tode
Arawak: da-shi
Auge P.: nukui Y.: d^nukbodi
Kanamirim: nuchii Ipurina: uky Araiku: noky Arawak: da-kui
Hait&ipairi: yctcui
Nase ' P.: uiridi kaudini Y.: auidi
Guana: agueiri Arawak: dasiri Layana: yghire Manao: nukiria
Ipurina: kiriti
Zahn P.: i'-nul Y,: ä-änu
Bare: noy Guana: onhai Manao: nay Kanamirim: naü Kariay: naü
, , . ,,^ ,„ , V Y.: ä9äwä A.: iLsafa
kabotmi (Handfläche) ^ '
Arawak: kabbu Baniva: nu^kapi, naphi
Unterarm P.: ^ahuni Y.: ä-yedabu
Anti: uchebo Inselkaraiben $ üjabu
62
P. £urenr£igh:
Fq88
Sonne
P.: dameii
Y.: ädämä
A.: otama
Marauha: ni-taba Eatoquina: achman Eustenaa: ni-^apa
saq>mi
(mahl Tag)
Y.: mahl
A.: mcihi
Mond P.: {
\ yast
A.: masstcu
Cauixana: maahliß
Y. : amuä
amunä
Goajira: kashi KauiSana: ghezy Kanamirim: yaUchy Taino: 7n<ma
Sterne P.: buire Y.: amapiri A.: amoahua
Marauha: ybtru Baniwa: hiwin Kauiäana: pinta Layano: poragui
Ipurina: yuiriki Anti: impokiro
Wasser P.: pahd Y.: pahd A : paha
Taino: bagua Taino: cuhen (Fluss) Piapoco: kahuni (Pluss)
Ipurina: paan — (in Zusammensetzungen)
Feuer P.: zihö Y.: yetpü A.: sihu
Goajiro: siqui Arawak: hikkihi Taino: cuyo üoxb,: ßicu
Uirina: ßjce Baure: hioke^ yaki
Hängematte P.: sihü Y.: ye(pu
Ausser acciu im Moxa finden sich in den übrigen Aruak- Sprachen
keine Anklänge daran. Dagegen lässt sich die merkwürdige Aehn-
lichkeit der Worte für Feuer und Hängematte nachweisen in:
Atorai:
Feuer
tegherre
Insel-Caraiben 2: | ^
Moxa
Baure
tmaiu t
\
Hängematte
taneri
bati
a^ctu
Haus
A.: zami
Bogen
Beil
Topf
t Jucu
l yaki /
P.: gura Y.: baid yobä
Goajiro: pauru Baure: pari Kustenau: pai Arawak: bahff
Kauisana: bagnö Taino: &atb Araiku: pey Aman: fayny
Jumana: bähü
P.: kudaii Y.: didi^a A. : bigauaha
Bare: davidaja Kustenau: tutt Tariana: shidoa (Pfeil)
P.: dyori
P.: siaha
Y.: pari
(roajiro: pore
Y.: dzoaha
Bare: diyawake
Materialien zur Sprachenkunde Brasiliens.
63
Laute:
Paumari.
Vocale: a ä e i o u
at
au
(
ei
(getrennt
ZU sprechen)
nasalirt:
d
i 0 u
Consonanten:
h
Gutturale
k
9
—
X
Palatale
—
tH
« y
(%)
Dentale
t
d
n
»
8 Z
r
Labiale
P
b
m
w
w
dy ist fast mouillirtes d^ bisweilen in dz übergehend.
q> ist ein rein labialer, weicher Frikativlaut.
Der Accent liegt im Allgemeinen auf der Endsilbe.
Vocabular.
Nach einem Manuscript Polak's transseribirte Wörter sind mit P bezeichnet.
Namen der Finger:
I. (Daumen) ^^ei-aptne (hapeni P.^
IL ^eei-radyiuxihini oder dyeratini
IIL &iei kaniani
IV. ^eei panuni
V. ^eei ka^eagdni
Namen der Zehen:
I. dama kananauani
II. dama makanitai-dyaha
m. dama dyararini
lY. dama banuni
V. dama ka&eagani
Zunge
abani
Stirn
uata
Mund
bodi
Nase
uiridi kaudini
Oberlippe
• •
Auge
nükui
Unterlippe
ixikanaboayani
Augenlid .
nukuibatdnt
Zahn
inüi
Ohr
murubut
Hand
»eei (Finger)
Ohrloch
kehatuüni
Handfläche
kabotini, i^eei kabudini Haut
a^aqpti
Handrücken
kaitani
Kopfhaar
dadika<püni
Schulter
amatusi
Wimper
nukuikaini
Oberarm
uedi
Brauen
kaidani
Unterarm
^äbunui
Bart
kanadaikedanini
Ellbogen
koboncü
Hals
näbidi
Finger
&eei
Kinn
kana^ai
Nagel
^eei kanakotni
Unterkiefer
kaiaruni
Fuss
dameii
Nacken
matatoduni
Oberschenkel
kapaheii
Kehle
kadyururu
Unterschenkel
aueii
Brust
makoini
Kopf
dadii
Brustwarze
dyohü
64
P. Ehrrnrbioh:
Brost weibl.
dyehö
Sonne
saqn'ni
Bauch
kaganeii
Sonne, aufgeh.
kamananina
Nabel
kdai
Sonne, Mittags
sohv'cJiena
Penis
abaii
Sonne, unterg.
ukalina
Scrotum
kancupdi
Mond
TTMseku^ yas%
Gen. mal.
bäH
Mond, abneh.
ayadina
Anus
dyeoihodini
Mond, voll
nateramani
Drüsen des
Mond, zuneh.
abinina
Halses
katunaii
Kegen
bahf
Knie
kadyot^i
Kauch
odyi
Glavicula
pamuri
Feuer
zihö
Halswirbel
nabiteni awani
Brennholz
zihö
Kreuz
bakuri auani
Baum
atia
Genick
mataiaruni
Stein
dyady
Genickloch
mataiudeni
Erde
nami
Schulterblatt
kaibasai
Wald
irui
Kippe
kaiaruni
Himmel
nama
Sohle
dameikabodini
Sterne
buin
Ferse
amabokuiy kadyurini
Tag
ma/ii
Knöchel
kakarui
Nacht
mitdni
Knochen
dyaruni
Kegenzeit
paJid kabiteni
Gehirn
kamohii
Trockenzeit
amoroki
Kückenmark
katateni
Trockenzeit (völlige Trockenheit,
(port: miolho)
wenn die Schildkröfen heraus-
Schädel
kaiaruni P.
kommen
batard
Wirbelsäule
bakcrenihauani P.
Blitz
bat tararitia
Magen
kahÜHuni P.
{cuncurihin P.)
Leber
ueini P.
Donner
baidanoma
Lunge
katarotoroni P.
{curicu P.)
Mastdarm
guonihotini P.
Kegenbogen
katopahatri
Niere
numhanUmtani P.
Haus
ffurd
Herz
kanabitini P.
Hängematte
zihü
Darm
kaitiani P.
Pfeil
nbid
Kippe, grosse
kacihani kauwani P.
Harpune
yumidi
Kippe, kleine
kapatü P.
Wurfbrett
aud (Holz)
Milz
asara P.
Bogen
kudatl
Schwanz
fndnd P.
(cudhahin P.)
Galle?
napthoteni P.
Angelschnur
uaa {djumud P.)
Fett?
asäffdni P.
Boje (schwimmende Blase, welche
Wasser
pöhd
den Ort der
Harpune im Wasser
Fluss
tcaini (Igarape, Fluss- anzeigt
kobo
arm, nach Polak Sehne
ahonni
uahdtj)
Kanu
kanaua
Materialien znr Sprachenkunde Brasiliens.
65
Boder
wanami
Beil
dycri
Topf
siaha
Cuye
ufu
Korb
suuru
Matte
dyureii (weeruhyn P.)
„ (grosse)
kanadi
Reibholz
rauikurdi
Schemel
adyadii
Lippenzierrat
hödini
Kamm
mai^a
Mann
knrahu
(cudidja aii P.)
Ehemann
makira
Weib
gamuy kuti gamu^
mein Weib
^'^''}i^al
kuH i&an^ mein Sohn
Kind /
(i^diri P.)
Säugling
pai&i
Knabe
makinaud
Mädchen
imainani
Vater
bii
Matter
mia
Bmder, älterer
aadyu^ kuti adytL,
mein Bruder
Brader, jüngerer kaidyu^ kuii kaidyu^
mein j. Bruder
Schwester
kaidyii
Orossrater
madü
Vaterbruder
aa'&u, kuti aha'&it
mein Vater, cf.
älterer Bruder
Vetter
dj/auht
Neffe
ebia&iy kuti ebia&i,
mein Neffe
Schwiegervater
kuku
Schwiegermutter kukü{?)
heirathen
kudägdmu (cf. kuti-
gamu^ mein Weib
schwanger sein
. kadgahatki
gebären
kaunanini
säugen
djftho
Oreis
naarihhüi
Greisin gaimu gödä
Häuptling kenädi
Premder(wei88er) kariwa
Neger pururuki
Freund amvkü
Feind ohihamaikiö
Zauberarzt arabanl
Ausschlag warotehä (Flecken-
krankheit)
Narbe cparariu
Arznei dyef^ua
Fieber baröa
Schmerz banakl
Tabak hddytri, odyi (Rauch)
Cigarre kcaüit
Schnupftabak naqmni
Mais yorud
Maniokwurzel bftdä
Maniokmehl kragut
Maniokkuchen
(Beiju) aüy butabani
Batate Wpari
Carawurzel adfiki
Banane ipäti
Baumwolle nicht cultivirt
Pfeffer kasi
Paranuss muid*^
Pupunhafrucht kauiri
Bacabafrucht kadyauiru
Assaipalme pareii
Blatt aua(pani
Blüthe aiMbununi
Wurzel damanyabof^ani
Gras hogöl
Genipapo benuki
Urucu aiddi
Sorva kuriate
Bacury yamururu
Fisch apaiaanä
„ Pirarucu babadi
„ Tambaqui iud
„ Sorubim bähämd
(Platystoma)
66
P.
Ehremreich:
Delphin
ba^öri
Affe
mcdcariy kauina^
«
durürü
katcndri (Coaita^
Frosch
wadyakurakuru
Ateles)
Landschild-
Hirsch
pait^i. hoteiri
kröte
uyuru
Jaguar
dyumai
Flussschild-
Tigerkatze
yumahdmini
kröte
siriy sancuparu
Ameisenbär,
Ei der Fluss-
grosser
hiwOa
Schildkröte
sin pana(pa
Ameisenbär,
Alligator
koset
kleiner
namahiaini
Leguaii
yuana
Otter
8€tbäü
Eidechse
kurut^ani
Tapir
datna
Schlange
makd
Hund
dyuhami
y, Lachesis
guakamakä
Fledermaus
masi
y> Boa
mapittri
Termite
dytimah
Vogel
ikita
Ameise, kleine
ktidegamü
Ei
pancufd
Ameise, grosse
Waldhuhn (Jacu)
(Tocandyra)
manet
waratokü
Moskito
bitd
„ (Mutum]
) piu
„ Pium
mari
Henne
arakdua (P.)
Biene
bähend
Papagei
wiru
Honig
tinald
Arara
arutä
Wespe
dyinabu
Ente, gr. Art
icadamd
Schmetterling
kamuktikuyu
« kl. Art
maduriri
Spinne
botanni
Urubu
maiuri
Zecke
kadyapa
Adjectiva.
gut
dya-hamana idd
lang
icadaki
schlecht
dya-hariki
kurz
torotorini
krank
kauamuni
gross
karää
gesund
kauamuni manyd
klein
paiti cm) cf. Kind
dumm
kadyunahi
schwarz
pururiki
traurig
kut
weiss
icaq uriki
lustig
dyaha/nkif
blau
boruntki
(cf. schlecht)
gelb
adiki
alt
naariheuri f
roth
nataraki
jang
maki naud
grün
Verba.
kuink-i (blau?)
essen
bal
rauchen
kasisi
trinken
koaohai (aawham P.) husten
uhutu
kochen
akeiki
niessen
adisa
waschen
sokoi
lachen
hahani
Materialien zur Sprachenkande Brasiliens.
67
weinen
a&ord
sich setzen wite (witarihetj P.)
singen
ahi
aufstehen gümanani
tanzen
ka&yui
fallen w^ni
schlafen
uada
kommen kaikai
tödten
abiniha
gehen u-kat
ikua&a unahabiniki laufen kedarehi
(ich will tödten) geben nuat
port.: von matar
nehmen usartki
jagen
krahdi
ich weiss u-gaki
pfeifen
bonoituni
ich weiss nicht u-garihida
schlagen
ubahi
komme her hidaka
schneiden
naboahi
ja aituini
binden
dabuhi
nein inkamani
werfen
usunaht
nichts nüa
sich lagern
umdi
uffura-na
mein Haus
i-gurani
dein Haus
guraharehu
sein Haus
kutidyori
meine Axt
Numeralia.
1. huarani (hydhdan P.)
2. baniki
3. huarabakw&eki
4. akobamakamaki
5. saaika huaraniki
6. aauihuaran karaauni
10. ^ieiku bamihaniki (= beide
Hände)
Viel äpöiki
Yamamadt.
Laute:
Vocale:
a e
au (eu)
t u
a
ai
nasalirt: u
Consonanten:
Gutturale k
Palatale z
Dentale t
Labiale p
' wurde nur notirt in ädzilali, Brust.
(p ein sehr weicher labialer Frikativlaut.
Der Ton ruht meist auf der Endsilbe.
u
(ist voller Kehlhauch).
9 —
z dz
d n
b m
X
s
9
r
y
CO
w
70
P. Ehremreich:
Stange kayanini
Urucuroth ädätpd
Baum, aus dem das Blasrohr ge-
fertigt wird (Olho de boi)
wcJcero
Sorvafrucht atpia
Pilz karaboni
Waimbö (Philodendron)
q^aröma
Genipapo öra
Binde atorint
Fisch hodini (Verbum?)
yf Piranha uma
^ Matrincham yahcKpaha
Giftschlange makd
AfiFe yuihl dzoihi
yy Coaita bit/u
Hirsch baduä
Aguti od. Cavia «inamad, sine
Coelogenys paca wakuä
Ameisenbär, grosser
^piri
Tapir aui
Schwein idyama
Hund yumahi
Tatu iW
Paca wakuä
Waldhahn (Jacu)
kuyui
y^ (Mutum)
nuuü
(Jahö)
bakwpaua
Arara hidä
Huhn batari
Ameise, grosse Art (Tocandyra)
yumü
Wachs warakana
Piumfliege anarikd
Kopflaus kaumati
Käfer kera
Mistkäfer, schwarzer *
tara
Regenwurm soomi
krank hukurutpä
bitter hdroni
müde sein mahatöhini
heiss hatini hioani
es giebt tuHyuni
es giebt nicht kazauini
essen kabtnt\ tatpini
verschlucken idzumeni
trinken qxtuini
kochen uirokdni
rauchen asaq:mtnt
husten tuhunnini
niessen hatiH
sich schnäutzen tiihinim
lachen hahänini
weinen 0( entnt
singen aiad
schlafen aviönini
sterben ahabeni
concumbere ahini
kämmen sirini
Mais abstreifen x%bikani
wegwerfen karatini
beerdigen abinini
bringen aäd
pressen kayahuni
reinigen tcatari
bellen sabohu
sich verbrennen iuani
suchen gauanini
finden uasini
gehen auani
wimmern ahini
Fische in dar Falle fangen
kimi^ni
etwas auf den Kopf setzen
itarini
umrollen uakini
Sandfloh extrahiren
b'Uni
schreien haani
kratzen tamunini, suAanni
Materialieii zur Sprachenkunde Brasiliens.
71
umwickeln
schlagen
schneiden
binden
geben
bohren
beissen
zielen
kinini
nabohmi
kani
wetini
dani
warinini
wazini, wauntm
wauanini
abschälen
zerbrechen
zerreissen
sinnt
bakani
peteni
Zuckerrohr saugen
•■ • •
pflanzen
fortgehen
Beim Kommen
„ Abfahren
„ Stillstehen
Umdrehen
eines Dampfer hiess es
uni ich ati du heyara er
dani er hat gegeben
at% dani ich gebe
ati dani danituiratuni ich gebe Dir
damini Dir ist gegeben, Du hast noch
bakunini
kamini
damini
kamini
tokomä
maiako
kerohauhamini
Zahlwörter.
1 itarini
2 (paumini
3 uharini
4 damini
5 (paumini q?aumini itarini.
Besprechungen.
Friedrich von Hellwald. Die Erde and ihre Völker. Ein geographische»
Handbuch. Vierte Auflage, bearbeitet von Dr. W. üle. Stuttgart^
Berlin, Leipzig, Union, Deutsche Verlagsgesellschaft. 8. 58 Bogen in
29 Lieferungen mit etwa 400 Text-Dlustrationen, 29 ganzseitigen Extra-
Bildern und 20 Eartenseiten.
Es liegen lor Besprechnng vor Liefemng 1 — 11, in der 9ten kommt America mm
Abschlass und beginnt Africa.
Die dritte, damals ^gänzlich omgearbeitete*^ Auflage ist 1884 erschienen. Von ihr
unterscheidet sich die neue vierte Auflage Tomehmlich durch besseren bildlichen Schmuck;
Tielfach haben gute moderne Illustrationen die f&r die reifere Jugend geeigneten Holz-
schnitte des Spemann^schen Verlags ersetzt. Wollte der gegenwärtige Verlag aber das
Recht in Anspruch nehmen, anzuzeigen, die neue Auflage sei „auf den heutigen Stand
der Forschung ergänzt*', so hätte er Hm. Dr. Ule eine ganz andere Freiheit gewähren
müssen, nicht nur die, dass er die veralteten statistischen Zahlen umänderte. America
hat in III 288, in IV 274 Seiten. Diese «möglichste Wahrung des ursprüng-
lichen Textes* ist jedoch sehr nachtheilig gewesen. Einmal sind viele kleine Ver-
änderungen nothwendiger Art unterblieben. So z. B. FV 290, III 290: „in den achtzig Jahren^
seitdem Humboldt jene Qegenden Venezuelas besuchte* — statt „nahezu hundert*
Jahren, da es sich um 1799 handelt. Oder nachdem die Sklaverei in Brasilien aufgehoben
ist, findet sich doch gleichlautend IV 240 und III 242: in der Gesammtzahl der Be-
wohner Brasiliens sind „nicht ganz anderthalb Millionen Negersklaven inbegriffen*.
Drolligerweise nimmt III 246, was sinngemäss ist, die Zahl der Neger „seit der Unter-
drückung der Sklaren einfuhr ab und zwar theils durch Emancipation, theils . . . ."
und nimmt ihre Zahl aus gleichem Grunde, was nun schlechterdings nicht mehr angeht^
IV 243 „seit der Aufhebung der Sklaveroi ab und zwar theils durch Emancipation,
theils . . .*. Schon Hellwald hat, III 251, betreffs der Verbindung Ton Rio de Janeiro
und Petropolis den Satz verbrochen: „man fährt .... nach der Eisenbahnstation Mani,
woselbst die Serra de Estrella beginnt und fünf bis sechs vierspännige Wagen der
Diligence bereit stehen, um uns nach halbstündiger Eisenbahnfahrt nach
Petropolis weiterzuführen*. Idem IV 248. Mit solch „möglichster Wahrung des ur-
sprünglichen Textes** war es nun gar nicht möglich, den grossen Veränderungen, namentlich
der wirthsc haftlichen Verhältnisse Rechnung zu tragen, die seit zwanzig Jahren in Nord*
und Südamerica stattgefunden haben. Ob man über Canada, Britisch-Columbien, Mexico,
Venezuela, Chile oder Argentinien nachliest, überall findet man dank der Wahrung des
durchgängig schon 1884 stark veralteten Textes die Zustände so urvorweltlich geschildert,
wie sie nur noch in der Erinnerung der ältesten Leute fortleben. Es versteht sich endlich
auch für die ethnographischen Abschnitte von selbst, dass sie nicht „auf den heutigen
Stand der Forschung zu ergänzen* waren, wenn die Hellwald'sche Darstellung tabu
sein sollte und die Ergebnisse mindestens der letzten zwanzig Jahre fehlen mutsten. Was
die Amerikanistik i. B. nur in Washington geleistet hat, ist auch nicht mit einer Zeile
vermerkt worden. Wie durfte für 1897 Geltung haben, was Martins 1867 veröffentliehte,
und der Satz stehen bleiben, dass es „eine Brasiliersprache giebt, mit der sich der Reisende
zur Noth bei fast allen Stämmen hindurchhelfen kann*? Hr. Dr. Ule hätte seinen guten
Namen für die vierte Auflage nur dann hergeben sollen, wenn man ihm auch gestattete«
sie „gänzlich umzuarbeiten* und mindestens für den ganzen Petitsatz den ursprüngliebtn
Text so wenig wie möglich lu wahren, — er hätte aber auch dies nicht untemehoiea
sollen, um seine Zeit und seine Kraft, wie bisher, dankbareren Aofjgaben iuxuweis6&.
Karl von den Steinen.
Besprechungen. 73
Jacob Robinsohn. Psychologie der Naturvölker. Ethnographische
Parallelen. Leipzig, Wilh. Friedrich, ohne Jahreszahl. 8. 176 8.
Der Titel ^Psychologie der Naturvölker* der fleissigen Arbeit, die den Charakter einer
breit angelegten Dissertation trägt, ist in dem einen Bestandtheil zu eng, in dem andern
zu weit. „Zur" Psychologie der „Naturvölker**, aber auch in grossem Umfang zu der der
„Cnlturvölker^ bis in die Neuzeit liefert das Buch Parallelen für die 9 Capitel: „Die Ent-
deckung der Seele, Seelenmehrheit, die Gestalt der Seele, die Anthropophagie, der Cha-
rakter der Todten, Bestattungsweisen, das Leben nach dem Tode, Menschenopfer bei Be-
gräbnissen, Forsetzungs- und Vergeltungstheorie**. Etwas gar zu katalogartig besteht jeder
dieser Abschnitte im Wesentlichen aus einer Aufzählung von — insgesammt 544 — Bei-
spielen, die für die grosse Belesenheit des Verfassers Zeugniss ablegen und deren Bezug-
st eilen hinter dem Text verzeichnet sind. Karl von den Steinen.
Franz Kronecker. Von Java's Peuerbergen. Das Tengger-Gebirge und
der Vulkan Bromo, 2380 m über dem Meeresspiegel. Mit 10 Vollbildern'
zwei kleinen und einer grossen Karte. 30 S. 8vo. Oldenburg und
Leipzig, Schulze's Hofbuchhandlung (A. Schwartz) 1897.
Der Verf. hat in der Begleitung des unseren Lesern wohlbekannten niederländisch-
indischen Capitains a. D. Herrn Fedor Schnitze einen Ausflug in dieses interessante
vulkanische Gebiet Ost-Java's gemacht, den er in anschaulicher Weise schildert. Auch in
ethnographischer Beziehung bietet dieser Distrikt Interesse, denn die Tenggeresen
bilden eine Gruppe der javanischen Bevölkerung, welche sich am Ende des 15. Jahr-
hunderts vor den eindringenden Mohammedanern hierher zurückzog und auch heute noch
die brahmanische Religion, allerdings nicht mehr in ganz reiner Form, bekennt
Ihrem Gotte Bromo veranstalten sie jährlich einmal in grosser Procession zu dem
Vulkane ein Opferfest, bei dem der Hohepriester Speisen, Getränke, lebende Ziegen und
geachmuckte Puppen in den Krater hineinwirft. Die letzteren soUen die Vorfahren
bedeuten. Max Bartels.
(iötze, A., Die Vorgeschichte der Neumark. Nach den Funden dar-
gestellt. Mit 126 Abbildungen. 63 Seiten in 8**. In Commission bei
A. Stuber's Verlag, Würzburg 1897. (Sonderabdruck aus dem Bericht
des Vereins für die Geschichte der Neumark, Heft V.)
Die Provinz Brandenburg zerfiel in vorgeschichtlicher Zeit durch ihre Lage und die
hydrographische Beschaffenheit ihres Terrains in verschiedene Culturgebiete, welche von
einander ganz getrennt existirten. von den grossen Cnlturströmen nur theilweise berührt
wurden und daher eine Reihe localer Typen in der Keramik entwickelten, die für das
Studium der heimischen Vorgeschichte von grosser Wichtigkeit sind. Die Eenntniss dieser
Typen rerdanken wir Hm. Director Voss, der an dem grossen Material des Königlichen
Museums dieselben studirte und sie zugleich als chronologische Leitformen für die Mark
Brandenburg zu'fixiren vermochte, insoweit sich dieses aus den oft dürftigen importirten
Beigaben erschliessen liess, welche zeitlich schon gut bestimmt sind.
In der vorliegenden Abhandlung hat Hr. Götze in dankenswerther Weise einen Theü
der Schätze des Königlichen Museums und der dort gewonnenen Anschauungen in knapper,
übersichtlicher Form zusammengefasst, soweit sich dieselben auf die Neumark „und die
angrenzenden Gebiete" beziehen, wie der Titel doch eigentlich lauten sollte. Die Neu-
mark wiederholt im Kleinen das Bild der ganzen Provinz Brandenburg. Auch sie gehörte
verschiedenen Cultnrgebieten an, auch sie entwickelte eigenartige Typen, wie den Aurither
und den Göritzer, von welchem letzteren wir hier zum ersten Male überhaupt Kenntniss
Zeittcbrift für Etbiiologif. Jahrg. 18»7. 6
\
74 Besprechungen.
erhalten; doch hat der Verf. durch allgemeine einf&hronde Einleitungen, welche er jedem
Abschnitt vorausschickt, dafür gesorgt, dass dem Leser der Zasammenhang dieser localen
Formen mit den breiteren Galturströmen in den Grenzgebieten nicht ganz verloren gehe.
Die typischen Fundobjccte sind durch klare, skizzenhafte Zeichnungen illustrirt; ein
Fundverzeichniss ist jedem Abschnitt beigegeben. So wird das ßüchclchen jedem Local-
forscher unentbehrlich werden und hoffentlich bald eine neue Autlage erleben; wir wünschen
dann nur, dass der Schluss der Bemerkung auf S. 32 fortbleibe, dagegen eine kleine Pund-
karte beigegeben würde. Lissauer.
A. Furtwängler. Intermezzi. Kunstgeschichtliche Studien. Mit 4 Tafeln
und 25 Abbildungen im Texte. 92 Seiten, gr. 4*. Leipzig und Berlin.
Giesecke & Devrient. 1896.
Die drei ersten Abhandlungen dieses schön ausgestatteten Werkes wenden sich an
den Arch&ologen von Fach, während die beiden letzten Aufsätze auch für weitere Kreide
Interesse bieten. In dem ersten Aufsatze: „Ein altgriechischer Bronzekopf des Herzogs
von Devonahire" wird dieses in der herzoglichen Bibliothek zu Chatsworth befindliche
Stück als ein Apollokopf festgestellt, der den Jahren 465 bis 460 v. Chr. entstammt und
mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Werk des berfihmten Bildhauer Pjthagoras von Samos,
eines Vorgängers des Phidias, ist. Der zweite Artikel: »Der Torso Medici und der
Parthenon" sucht diese in Paris befindliche Athene-Figur als die Mittel-Statue der öst-
lichen Giebelgruppe vom Parthenon zu erweisen. ^Der Münchener Poseidonfries und der
Neptuntempel des Domitius'' wird in der dritten Abhandlung besprochen. Der schöne
Fries der Glyptothek mit dem Hochzeitszuge des Poseidon wird für eine Arbeit aus den
Jahren 85—32 erklärt, welche die Vorderseite des Altares an dem von Domitius in Born
erbauten Tempel des Neptun geschmückt hat Die beiden Endplatten dieses Frieses
griffen auf die Seiten des Altares über, deren Hinterseite mit einer figurenreicheu Dar-
stellung der Suovetaurilien verziert war, welche sich in Paris im Ivouvre befindet
Schon auf dem Anthropologen - Congress in Spejer hatte Herr Furtwängler theil-
weise sein viertes Thema besprochen: „Das Monument von Adamklissi und die ältesten
Darstellungen von Germanen." Das römische Siegesdenkmal von Adamklissi in der
Dobrudscha. welches bisher für ein Bauwerk des Trajan zur Verherrlichung seines Sieges
über die Daker gehalten wurde, wird hier, gestützt auf Eigcnthümlichkeiten der Bekleidung
und der Bewaffnung der auf den Reliefs desselben dargestellten Römer, in eine viel
frühere Zeit verlegt. Es wird für das Tropaeum des Marcus Licinius Crassus erklärt,
das derselbe nach der in den Jahren 29 und 28 v. Chr. erfolgten Niederwerfung der
nordthrakischen Stämme und der Bastamer errichtet hat. Die an dem Denkmal ange-
brachten Barbaren figureu lassen nach der Bekleidung und der äusseren Erscheinung drei
verschiedene Typen erkennen.
Der eine Typus führt die Thraker vor, die zur Fettleibigkeit neigten; der zweite
macht uns mit den Geten bekannt, einem den Dakem verwandten Volke mit sträh-
nigem, in das Gesicht hängendem Haar und schwachen, hauptaächlich das Kinn be-
deckenden Spitzbärten. Der dritte Typus endlich zeigt die Bastamer, wie aus den dar-
gestellten Scenen erhellt, die alt getreue Ülustrationen zu der von Dion überlieferten
Ueberrumpelung und Vernichtung dieses Volksstammes angesehen werden müssen. Die
Bastamer kennt man schon aus älteren Ueberlieferungen als einen kriegerischen Germanen-
btamm. Sie erscheinen auf den Reliefs ala kräftige, breitschulterige Gestalten mit ent-
blösstem Oberkörper, mit edlen, vollbärtigen Gesichtern und mit reichem, nach der
rechten Seite hinübergekämmtem Kopfhaare, das am rechten Ohre in einen Knoten ge-
schlungen ist.
Dieser wichtige Nachweis bildlicher Darstellungen von Germanen hat es dem Ver-
fasser ermöglicht, nach der Uebereinstimmung in der Kleidung und der Haartracht
*auch noch eine Anzahl anderer Werke der antiken Kunst als Gemianen vorstellend
zu erkennen. Dahin gehören unter Anderem gewisse Figuren auf der Trajanstäule, sowio
Besprechungen. 75
solche aof dem C(^meo des Tiberius in Paris und auf der Gemma Augustea in Wien.
Der relativ geringe künstlerische Werth der Bildhauerarbeiten von Adamklissi lässt sie
um 80 weribvoller erscheinen, als sie in ihrer naturalistischen Weise die wirkliche Er-
scheinung der damaligen Germanen zu besonders klarer Anschauung bringen.
Den Schlnss des Werkes macht die Besprechnng der „Tiara des Saitaphames im
Lorme,*' Es handelt sich hier um eine mit reichem Schmnck getriebener Figuren be-
deckte und mit einer griechischen Inschrift versehene goldene Krone, sowie um zwei
goldene Ohrringe und einen Halsschmuck, welche angeblich in Olbia gefunden und für
eine beträchtliche Summe von der Verwaltung des Louvre angekauft sind. Ueber die
Aechtheit oder Unächtheit dieser Stücke ist schon vielfach gestritten worden. Furt-
w&ngler führt für die letztere eine ganze Anzahl von schwerwiegenden Belegen auf. Dahin
gehört die Art des Goldes, sowie gewisse künstliche Auflagerungen, die demselben ein
altes Ansehen verleihen sollen. Dahin gehören femer die modern empfundenen Stellungen
gewisser menschlicher Figuren, femer Eigenthümlichkeiten der Gewandung, bestimmte
Grappen figoraler Darstellungen, fßr welche die sklavisch nachgebildeten Originale in ge-
wissen kunsl geschichtlichen Yeröfifentlichungen nachgewiesen werden konnten, endlich auch
die Form und der Inhalt der Inschrift. Ebenso vermochte Verf. auch für die Ohrringe und
für das Halsgeschmeide den Beweis der Fälschung zu erbringen. Für die Beurtheilung
von Fälschungen ist dieser Aufsatz sehr interessant
Den einzelnen Abhandlungen ist eine Reihe gut ausgeführter Abbildungen beigegeben,
welche das Verständniss derselben erheblich erleichtern. Max Bartels.
Mark Lidzbarski. Ge8chichten nnd Lieder aus den ueuaramäischen Hand-
schriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Vierter Band der Bei-
träge zur Volks- und Völkerkunde. Weimar. Emil Felber. 1896.
XVI S. und 312 S.
In den letzten Jahrzehnten, wir könnten sagen: seit Jacob Grimm, hat sich ein
neues, weit reichendes Gebiet der Litteratur-Geschichte eröffnet, das wir im eigentlichsten
Sinne Geschichte der intemationalen Litteratnr nennen könnten; denn es handelt sich
um eine Volks-Iatteratur, deren Stoffe sich bei allen Culturvölkera, ja selbst bei manchen
cnltorlosen, wiederfinden. Sie umfasst die eigentliche Unterhaltung, zumal der niederen
Stftade der Völker; und wie sie noch vielfach ungeschrieben, bloss mflndlich, lebt, so war
sie ursprünglich überhaupt bloss Gegenstand mündlicher Ueberlieferung, und wie das
ächte Epos, Volks- Schöpfung. Es sind Märchen, Schwanke, Fabeln, kurze Lieder, wie
deren jedem Leser bekannt sind, wie sie in Indien, Arabien und West-Asien und ganz
Europa in den yielfachsten Varianten im Pantschatantra, Tausend und einer Nacht, in
mittelalterlichen Sammlungen, auch bei Lafontaine und Geliert zu lesen sind.
Hr. Lidzbarski hat sich nicht bloss die Mühe gegeben, solche Stücke, wie sie in
Syrien, in der neuaramäischen Sprache nmgehen, ins Deutsche zu übertragen, sondem
auch mit ausserordentlichem Fleisse die parallelen Produkte aller Völker, soweit dieselben
bekannt sein mögen, anzumerken. Der Leser wird staunen, hier die Geschichten vom be-
tTo«enen Teufel, dem Wettlauf zweier Thiere verschiedener Art, vom Milchmädchen, dem
FuAis und dem singenden Raben, dem Blinden nnd dem Lahmen, dem Kaufmann von
Venedig u. s. w. in syrischer Variation wiederzufinden. Räthsel, wie bei Turandot, spielen
im Orient eine grosse Rolle.
Dass ein grosser Theil dieser Stoffe durch Wanderung von einem Volke zum anderu
gelangt ist, erscheint sicher, wie auch dass sie auf ihrer Reise vielfach Schaden genommen
haben. Doch ist dies nicht der Ort, die Frage zu entscheiden, woher ursprünglichst
diese Stoffe stammen. Vieles ist sicherlich aus Indien über die Mongolei und über
Arabien zu uns gekommen; schwerlich Alles. Läge der Ursprang nicht tiefer, so wäre
die Verbreitung nicht zu erklären. Steinthal.
76 ßesprechuQgen«
Rudolf Prietze. Beiträge zur Erforschung ron Sprache ^uud Volksgeist
in der Togo -Kolonie. Separat -Abdruck aus der Zeitschrift filr afri-
kanische und oceanische Sprachen. Berlin. Jahrg. HL Heft l. gr. 8vo.
64 Seiten.
Die kleine Abhandlung nimmt nicht nur durch ihre Beschränkung auf das deutsche
Togo-Gebiet, sondern noch mehr durch ihre vorsichtige und geschickte Verwerthung des
linguistischen und volkskundlichen Materials unser Interesse in höherem Maasse in An-
spruch. Der Verf. gewann dieses Material vorzugsweise durch Mittheilungen des Hftupt-
Hngs J. C. Bruce aus Klein-Popo, der in der Berliner Kolonial- Ausstellung als Headman
der Togo-Leute fungirte und dessen ungewöhnliche Einsicht und Zuverlässigkeit, in Ver-
bindung mit seiner bereits durch Hrn. Henrici herbeigeführten Schulung in der Analyse,
ihn als einen Musterzeugen erscheinen Hessen.
Der Verf. giebt in der Einleitung werthvoUe Beiträge zu einer üebersicht der ver-
schiedenen Zweige der Ew*e- (Ephe) Sprache. Der in Klein-Popo {An^^ho) gesprochene
Dialekt ist von dem an und oberhalb der Keta-Lagune herrschenden i4n/o-Dialekt, den
die Bremer Missionare zur Schriftsprache erhoben haben, verschieden, namentlich ist er
mehr gemischt und lautlich mehr verwaschen. Aber er nimmt dafür eine centrale Stellung
ein, so dass er in dem östlichen Dialekt, dem von Dahome {Fö genannt), weit besser ver-
standen wird und dass er eine sichere Brficke zwischen den ost- und westländischen
Dialekten bildet, wahrscheinlich auch mit der Sprache in dem Hinterlande, dem Herzen
des Ew^e-Volkes, mehr übereinstimmt Auf ihn ist der deutsche Beamte und Kaufmann
in dem Verkehr mit der Küstenbevölkerung in erster Linie angewiesen. Freilich nennen
die Eingeborenen, sowohl die von An^hoj als die von Anlö, ihre Sprache nicht Ew^e,
sondern Eijs^be\ als den Sitz des eigentlichen Ew'e bezeichnen sie das Hinterland, aber
sie gebrauchen das Wort als gemeinsamen Namen für Nation und Sprache, von dem sie
nur aus politischen Gründen das stammverwandte Dahome ausschliessen. Nach Henrici
ist die Stadt An^ho vor gegen 200 Jahren von eingewanderten Ga- (Akra-) Leuten und
Fantf (Aue genannt) erbant worden: beide Stämme sind aber durch fortwährend anziehende
Ew^e-Elemente volklich und sprachlich „resorbirt*^, so dass ihre früheren Idiome nur in
den Familiennamen als alte Traditionen gepflegt werden.
Die genaueren Ausführungen des Verf. über Laut- und Formenlehre, insbesondere
über Schreibung werden in trefflicher Weise erläutert durch mehrere, ausführlich wieder-
gegebene Musterstücke, welche Rechtsfragen oder Parabeln und Mythologisches behandeln,
ganz besonders aber durch eine Sammlung von 117 Sprüchwörtem oder Sinnsprüchen*
als deren Hüter und Mehrer hauptsächlich die alten Leute angesehen werden. Es ist
freilich nicht leicht, den Sinn der meist lose zusammengefügten Worte in einem Sinn-
spruche SU erforschen, aber der Verf. giebt vortreffliche Erläuterungen. Zum Beispiel:
Eine Hand knickt nicht Laus (Sinn: Zu iweit vermag man, was der Einzelne nieht
kann).
t)ie Ameise spricht: Wenn wir zusammensitsen, beben wir dem Grashupfer das Bein
auf (Sinn: Vereinigt werden die Schwachen mächtig).
Leere Hand geht nicht auf den Markt (Sinn: Wer kaufen will, muss Greld haben .
Ein Auge kann nicht in zwei Flaschen zugleich sehen (Sinn: Man thue eines nach
dem anderu\
Lüge tödtet Menschern. *
Auf beiden Füssen kann man nicht hinken; man fällt um.
Zunge zerbricht Haus.
Alter Papagei lernt nicht Sprache.
Ein Auge, das gut sieht, übertrifft das Sprechen.
Zunge verdirbt Menschen. Hud. Virchow.
IV.
t
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser- Wilhelms-Land
in ihrer Bedeutung für die Ethnologie.
Von
Dr. K. TH. PREUSS.
(Vorgelegt in der Sitzung der Berliner anthropologischen Gesellschaft
vom 20. M&rz 1897.)
Eine erstaunliche Wandlung und Kräftigung hat im letzten Jahrzehnt
die Stellung der Ethnologie zu den künstlerischen Darstellungen primi-
tiver Völker erfahren. Die ästhetische Betrachtung, die Entscheidung der
Frage, ob ein Stamm entwickelten Kunstsinn, ausgebildete Technik in
der Verwendung von Instrumenten und Farben, treffliche Charakteristik
der dargestellten Vorbilder und Reichthum an Omamentformen besitzt,
oder das Gegentheil, — diese Betrachtungsweise bildet heute den ge-
ringsten Theil dessen, was die Kunstschöpfungen den Ethnologen lehren
sollen. Wie man die Lebensäusserungen der Wildstämme nicht blos<
daraufhin prüft, ob sie Intelligenz und entwickeltes Gefühl verrathen,.
sondern ob sie in reicher Gliederung Tausende von Specialuntersuchungen mit
den Offenbarungen dieser Geisteskräfte anstellen, so hat man auch den Er-
zeugnissen der Kunst verschiedene Seiten der Forschung abgewonnen,,
indem man den Inhalt der Darstellungen zergliederte. Dadurch erst
wurde die Betrachtung der Kunstschöpfungen der Naturvölker auf die
Basis bestimmter Gedankenreihen gestellt, mit denen man operiren konnte.
Die bei einem Volke immer gleichbleibenden Typen in der Nachbildung
concreter Gegenstände, die geringe Anzahl der Grundformen in den „geo-
metrischen^ Ornamenten und die Beharrlichkeit in ihrer Anwendung
machen die künstlerischen Darstellungen zu einem hervorragenden Hülfs-
mittel für die Feststellung der Verwandtschaft, während die Erforschung
der hinter ihnen verborgenen Bedeutung uns das sociale und Seelenleben
der Völker erschliesst.
Nun heisst es freilich sich im letzteren Punkte mit Resignation
waffiien, denn der Mund des Eingeborenen pflegt für die Bedeutung der
Darstellungen oft nicht nur die erste, sondern auch die einzige Quelle zu
sein. Damit ist aber nicht gesagt, dass nicht oft das „Was?'' der Dar-
stellungen selbst in den einfachsten Omamentformen ermittelt werden
Z«ittebrift fnr Etlinologie. Jahrg. 1897. 7
78 K Th. Preuss:
könnte. Sucht man zunächst die immer wiederkehrenden elementarsten
Linien der scheinbar complicirten „geometrischen" Ornamente heraus und
schliesst alle durch blosse Zusammenstellung der ersteren entstandenen
Gebilde, die gewöhnlich aus der Forderung des vorhandenen Raumes
hervorgegangen sind, sowie die uns auf dem Wege der Technik entge<?en-
tretenden Darstellungen aus, dann pflegt sich irgendwo ein Motiv zu er-
geben, das eine oder einige der Grundformen integrirend in sich enthält. Duroh
Abschleifung und Schematisirung dieses Urbildes pflegen Figuren zu ent-
stehen, aus denen oder aus deren einzelnen Theilen sich auf dem angegebenen
Wege noch andere Grundformen aussondern lassen, und so fort, bis alle
einfachsten Linien in Urbildern untergebracht sind. Zusätze zum Urbild
dagegen sind entweder auch als Rudimente anderer Bildungen, oder als
Grundformen zu erkennen, oder aber — ein schwieriger, doch seltener
Fall — blosser Lust an der Linienführung entsprossen. Nur darf man sich
nicht darauf beschränken, eine Serie von gleichartigen Gegenständen, von
Aexten, Speeren u. dgl. m. nach dieser Richtung hin zu untersuchen, sondern
man muss sfots alle Geräthe einer Gegend, so weit sie vorliegen, hinzuziehen.
Nur so kann man Fehlschlüssen entgehen. Freilich giebt es bei manchen
Völkern 'fast nur Formen, welche, so rudimentär sie auch sind, doch wenig
oder keine Entwickelung hinter sich haben, sondeni selbst als Urbilder ge-
schaffen sind, wie bei den Bakairi^) und den Orang Semang"). Würde man
nur diese Art von Ornamentik kennen, so könnte man in der That an jeder
Feststellung des Inhaltes der Ornamente am Studirtisch verzweifeln. Aber
auch sonst muss dazu das Urbild neben den Ableitungen vorhanden sein.
Dabei lässt sich die Grenze, wo die Reihe hypothetisch wird, überall angeben.
Durch die Behandlung von mehreren Tausenden solcher Darstellungen in
einem geographisch begrenzten Gebiet, wie sie dieser Arbeit zu Grunde
liegt, und dm-ch die Herstellung von weit mehr als 1000 Zeichnungen der-
selben bin auch ich zu der Ueberzeugung gekommen, dass sich Gesetze
für die Entstehung der geometrischen Ornamente werden aufstellen lassen.
Vorläufig jedoch sei nur das Eine erwähnt, — was sich zwar nie für alle
Fälle strict beweisen lassen wird, — dass jedes Ornament entweder aus
der Technik oder aus einem Abbild der Natur hervorwächst, und dass nun
durch die Anpassung an den Raum zwar weitere geometrische Gebilde
entstehen, fast nie aber ein neuer Gegenstand der Natur. Und doch ist
letzteres gerade die Meinung aller, die sich nicht oder nicht eingehend
mit der Ornamentik beschäftigt haben: wo es dem Wilden gerade ein-
falle, mache er aus den einfachsten Linien irgend eine beliebige Thier-
gestalt. Zum Glück für die Forschung ist es aber gerade umge-
kehrt und damit ist ein fester Halt für die Beurtheilung der Entwickelung
1) von den Steinen, Unter den Naturvölkern Central-Brasiliens Taf. XX, XXI.
2) A. Grünwedel, Die Zaubermaster der Orang Snnang nach H. V. Stevens,
Zeitschr. f. Ethnol. XXV, S. 71ff.
Künstlerische Darstellangen aus Kaiser- Wilhelms-Land. 79
und die Auffindi^ng des Urbildes gegeben. Wenn trotzdem die Meinung
des Laien sich scheinbar zuweilen als richtig erweist, so bezieht sich diese
Ausnahme einmal auf die Combination des dargestellten Gegenstandes mit
Theilen eines anderen, so dass das Urbild zwar entstellt, aber nicht ver-
wandelt wird; z. B. wird der ausgebreitete Flügel eines Vogels in einen
Fischsohwanz verwandelt, die Gestalt des Vogels bleibt aber im Wesent-
lichen bestehen; oder wenn aus einem gleichschenkligen Dreiek mit
Mittellinie durch Hineinsetzen von zwei Punkten als Augen ein Gesicht wird,
80 bleibt doch das Dreieck uüverändert und es erfolgt keine weitere Aus-
gestaltung des Menschengesichts. Es ist eben eine Combination und keine
Verwandlung. Im anderen Falle kann man sicher sein, dass die Entwickelung
nicht vom Dreieck zum Gesicht^ sondern umgekehrt erfolgt ist.
Die zweite Bestätigung der Laienanschauung könnte darin liegen, dass
z. B. ein einfacher Griff einer Trommel, welcher nur der Zweckmässigkeit
wegen da ist, als Thier ausgestaltet wird. Da haben wir die Frage nach
den Uranfängen der bildnerischen Darstellung vor uns, der fast nur durch
die schlichte Wahrscheinlichkeit beizukommen ist. Da die Zweckmässig-
keit früher ist, als die bildende Kunst, so wird sich wohl der Vorgang
oft wiederholt haben, dass die Verzierung zu dem rohen Werkzeug hinzu-
trat^). Wo es sich also nicht um reine Zweckmässigkeit handelt, wird
man eine Eümmerform eher als abgeleitet ansehen; im anderen Falle ist
es schwer zu sagen, ob das unvollkommen geschnitzte Thier einer Ent-
wickelung zu höheren Formen entgegengeht oder rudimentär ist.
Schwieriger, als das Urbild in der Darstellung aufzuzeigen, erscheint
es, auf den bestimmten Gegenstand hinzuweisen, dem es in der Natur
entspricht. Mit einiger Sicherheit wird man sagen können, dass die Dar-
stellung eines Menschen, Säugethiers, Vogels oder Fisches, einer Schild-
kröte, Eidechse oder Schlange u. dgl. m. ursprünglich beabsichtigt war.
Aber auch das schon ist für die Feststellung der Verwandtschaftsverhältnisse
vielfach ausreichend. Hauptaufgabe ist dabei, nicht die natürliche Vorlage
aufzuweisen, sondern die Form der Darstellung, welche für die einfachen
Ornamente der Ausgangspunkt war. Denn die Vergleichung eines Thieres
in der Kunst mit dem Vorkommen desselben in der Natur hat, abgesehen
von weiten Völkerwanderungen, mehr für die innere Bedeutung des Kunst-
werkes und ab und zu für die Bestimmung der Provenienz eines zweifel-
haften Stückes Werth. Dann erst wird man diese Ornamente von ähnlichen
1) Es ist hier nicht der Ort, die Anregungen und Ideen zu verfolgen, welche die
primitiven Völker zu Darstellungen der Natur veranlassten. Jüngst hat Frobenius
(Die bildende Kunst der Afrikaner, Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in
Wien XXVn, 1—17) in kühnen Zügen eine Skizze der Entwickelungsgeschichte der primi-
tiven Kunst in Anlehnung an Grosse (Die Anfänge der Kunst. Freiburg 1894) gegeben,
vroraus ich als einigermaassen beglaubigtes Resultat den interessanten Gedanken erwähne,
dass die Menschenfigur zuweilen aus dem Schädelpfahl entstanden sei, worüber von ihm
auch sonst (Westermanns Monatshefte 1896, Februar) schon gehandelt worden ist
7»
80 K. Th. Preuss:
der Nachbarbezirke, welche einen anderen Ursprung haben, unterscheiden
können. Denn oft bleibt auch an den geometrischen Linien das Merkmal
der Entstehung in unscheinbaren Besonderheiten haften.
Allerdings ist für die Feststellung von Yerwandtschaftsgruppen noch
ein Punkt bei den Darstellungen zu berücksichtigen.
Das Vorkommen von sogenannten Ahnensäulen, von bestimmten Ver-
bindungen zwischen Mensch und Thier, von Menschenfiguren in charakte-
ristischer Thätigkeit oder derselben Thiergattung an entsprechender
Stelle bestimmter Geräthe machen den Forscher stutzig. Hat er es hier
mit Verwandtschaft oder mit „Völkergedanken" zu thun? um so
schwieriger wird die Entscheidung, als die ersterwähnten Kreise, die den-
selben Typus der Gestalten und ähnliche „geometrische" Ornamente um-
fassen, verhältnissmässig kleine Völkergruppen aussondern, die letzteren
Uebereinstimmungen dagegen sich auf weite Gebiete zu erstrecken scheinen.
Auch die Darlegung einer solchen, zu derselben künstlerischen Composition
bei verschiedenen Völkern führenden Idee verschiebt nur die Frage:
„Verwandtschaft oder Völkergedanke?" Wenn uns jemand sagt, alle über-
einanderstehenden, zu einer Säule vereinigten Menschenfiguren, wie sie
z. B. an der Nordwestküste Americas, auf der kleinen Insel Bili-Bili in der
Astrolabe-Bai *) und auf der Salomonsinsel St. Anna") nachgewiesen sind, seien
Ahnenfiguren, so hat das einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. Jede
Verbindung zwischen Mensch und Thier derselben eben erwähnten Idee
entsprossen zu denken, oder sogar die Darstellung der zahlreichen einzelnen
Augen eben darauf zurückzuführen*), hat schon viel Willkür zur Voraus-
setzung. Giebt es doch ebenso gut auch Nasen-, Ohr- und Mund-
ornamente. Vollends wird man z.B. Frobenius' Menscheneidechsen*),
die erst in ein paar zweifelhaften (oder eigentlich zweifellosen) Exem-
plaren nachgewiesen sind, und ihre Verbindung mit der Fanany-Mythe
der Betsileo, Madagascar, als einen seiner gelegentlichen Gedanken-
spähne aufzufassen haben, die, vorläufig zwar ohne Begründung, späterer
Detailforschung vielleicht einen Fingerzeig geben können. Für die Frage,
ob Verwandtschaft oder Völkergedanke vorliegt, hat aber eine Deutung,
die von einer beglaubigten Angabe oder einer im einzelnen Falle auf-
steigenden Vermuthung auf alle anderen mehr oder weniger ähnlichen
Erscheinungen in der Kunst schliesst, naturgemäss wenig Werth. Es
wird eben nur an die Stelle concreter Uebereinstimmungen, mit denen
man noch nichts anzufangen weiss, ein abstracter Gedanke gesetzt, dessen
Zuverlässigkeit noch zu beweisen ist. Den sichersten Weg geht deshalb
1) 0. Fi nach, Samoafalui;en. Abbildung S. 74.
Q) Guppy, The Saloinon Islands. Abbildung S. 70.
ö) H. Schurtz, Das Augenornament und verwandte Probleme. Leipzig 1895.
4) Frobenius, Westermanns Monatshefte 1895, December. Mitth. Anthrop. Ges.
Wien 1897, S. 7—9.
KüDstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelros-Land. Sl
die Ornamentforschimg, wenn sie nach Feststellung der kleinen Ver-
wandtschaftskreise, welche durch die Typen- und Formengemeinschaft
unwiderleglich geschaffen werden, allmählich grössere Kreise zu ziehen
sucht. Denn auch die Ornamentformen fordern kategorisch die Beant-
wortung der Frage: wo hört die Verwandtschaft auf? und wo fangt der
Völkergedanke an? Die geringe Anzahl der überhaupt existirenden geo-
metrischen Formen macht die Frage zu einer brennenden. Immer mehr
stellt es sich heraus, — und es wäre wunderbar, wenn es sich anders ver-
hielte, — dass dieselbe Form bei verschiedenen Völkern aus den mannich-
fachsten Nachbildungen von Naturobjecten hergeleitet ist. Das ist mit
ein Grund, weshalb man sich vorläufig begnügen muss, kleine Bezirke, in
denen zahlreiche Anwendungen derselben Formen, dieselben ürmotive
und der gleiche Typus ganzer Figuren vorkommen, als verwandt auszu-
sondern. Vereinzelt besagt das gleiche Ornament gar nichts für einen
Völkerzusammenhang. Mit demselben Urmotiv zusammen auftretend
schliesst es den Völkergedanken ebenfalls nicht aus. Nur die eingehendsten
Studien auf grossen Gebieten, wie sie eines Einzelnen Kraft weit über-
steigen, vermögen hier Klarheit zu verschaffen. Der Nachweis der Orna-
mententwickelung ist hier berufen, die bedeutendste Rolle zu spielen, so-
wohl als Hülfsmittel für die Probleme der Verwandtschaft und der Völker-
gedanken, wie als Selbstzweck, da die Entwickelung uns in die seelischen
Vorgänge des Künstlers Einblick verschafft. Welche Idee auch ursprünglich
den Wilden veranlasst haben mag, das Urbild der Entwickelung darzu-
stellen, und wie sehr auch später noch die alte Idee lebendig sein mag, —
immer bildet das Ornamentbedürfniss, die Freude an symmetrischen
Linien, die bewegende Kraft bei der Ausfüllung des vorhandenen Raumes.
Die l^hantasie hat, wenig eingeengt durch die ursprünglich maass-
gebende Idee, freien Spielraum, aus den vorhandenen Linien neue Com-
binationen zu schaffen. Auch hier kann sich ein Ornament zur herrschen-
den Stellung emporschwingen und einen Ornamentstil hervorbringen,
indem alle ürmotive die Tendenz zur Auflösung in diese eine Form, z. B.
in die Spirale oder das Wellenbaud, erhalten. Dann heisst es doppelt vor-
sichtig sein in der Auffindung der ursprünglichen Ableitung.
Viel mehr gebunden ist der Künstler an den einmal herrschenden Stil
in der Gestaltung ganzer Figuren. Nicht nur, dass Haarfrisur, Arm-,
Ohr- und Nasenschmuck stereotyj) gebildet sind und die Bemalung oder
Tättowirung wie im Leben angewendet wird; auch die Verbindung von
Leib und Kopf, die Gesichtsform, — von individuellem Ausdruck kann
natürlich keine Rede sein — , Nase, Ohren, Augen u. s. w. pflegen immer
dieselben zu sein, und ebenso ist es mit der Darstellung von Thieren.
Wo auch die Körperhaltung stets dieselbe ist, und das ist sie meisten-
theils, steht man unter dem Eindruck, als ob nicht die Freude an dem
Kunstwerk die Veranlassung zur Herstellung gab, sondern eine religiöse
82 K. Th. Prboss:
Idee dazu zwang, als ob nicht die Form, sondern der Inhalt die Haupt-
sache war.
Psychologisch interessanter, wenigstens für die Kunstbetrachtung, sind
die frei geschaffenen Gebilde. Lebendige Thätigkeit und charakteristische
Linien der Figuren gestatten uns, die Auffassung des Künstlers schftrfer
zu analysiren. Welche Körpertheile, wo und wie er sie angebracht hat,
um die Beschäftigung des Vorbildes zu kennzeichnen, das versetzt uns
unmittelbar in die Werkstätte embryonischer Kunst. Im ersteren Falle
bedarf es natürlich besonderer Schulung, um den gebräuchlichen Typus
bilden zu können, und drückt man einem, der sie nicht genossen hat,
den Stift oder das Schnitzwerkzeug in die Hand, so wird er ähnlich
einem Kinde sich in regel- und charakterlosen Linien ergehen. Auch
wird er manche anderen Gegenstände zur Darstellung bringen, als die
üblichen seines Stammes. Der Tierzehnjährige Anuikung aus der
Gegend von Finschhafen zeichnete mit den Buntstiften, die ihm Dr.
Schellong^) während einer Krankheit gab, um ihn zu beschäftigen, u. A.
einen Zaun, den Mond, eine Blume, eine Tarowurzel, einen Yamsknollen, ein
Holzschwert, einen Hund, nach welchem ein Krokodil schnappt, eine Frao»
die ein Tragnetz häkelt, u. s. w., alles Motive, welche, wie wir sehen werden,
wohl in allen den zahlreichen Urbildern auf den Geräthen jener Gegend
nicht vorkommen^ und Aehnliches schreibt 3[aolay') von der Astrolabe-
Bai. Dass Anuikung absolut nichts von den sauberen Linien seines
Stammes zeigt und deshalb die Zeichnungen fast durchweg als von einem
Mitgliede jenes Stammes herrührend nicht erkannt werden würden, kann
man hier allerdings dem jugendlichen Alter, weniger dem Mangel an
Schulung zuschreiben, die nicht allen zu Theil wurde, wie ich eben als
Yermuthung aussprach.
Der frei schaffende Künstler dagegen übt sich nur vermöge seines
künstlerischen Triebes. Naturgemäss muss aber auch bei individuellen
Kunstversuchen die Nachahmung Platz greifen, und andererseits kann
ebenso auf der ideellen Kunst durch Vergessen oder Ueberwinden der
herrschenden Idee die realistische Kunstübung erwachsen, so dass beide
Arten sich in der Praxis gewöhnlich schwerer auseinanderhalten lassen,
als hier in der Theorie. Namentlich wäre das bei der Beurtheilung der
geometrischen Ornamente der Fall, wenn sie, was wahrscheinlich, und
I. Th. bewiesen ist, aus der realistischen Kunst ebenso, wie aus der ideellen,
entstehen sollten.
Damit ist uns zugleich die Aussicht eröffnet, dass es doch mitunter
möglich ist, aus der genauen Untersuchung der Darstellungen einer Gegend
1) Schellong, Notixen über das Zeichnen der Melsnesier. Internst Arch. VUI,
1895, S. 68 und Tsf. IX.
2) MaclsjT, EthnoL Bemerkimgen fiber die Papuas. Naturk. Tijdscbr. Toor KederL
Indie, Deel 86 (1876) S. 882.
Künstlerischo Darstellangen aas Kaiser-Wilhelms-Land. 83
ihren profanen oder religiösen Charakter zn erkennen. Eenntniss der
Mythologie und des Gebrauchs der verzierten G^räthe erleichtert die
Folgerung sehr*). Den geometrischen Linien pflegt dann dieselbe Be-
deutung zuzukommen, wie dem Urbilde, so mannichfaltig sie auch aus-
gestaltet sind.
Die Erklärung der freien Darstellungen, die einen Vorgang schildern,
einen Gegenstand lediglich zur Erinnerung oder zur Lust des Künstlers
fixiren sollen, ist im Gegensatz zu den stereotypen, ich möchte sagen,
officiellen Stammesfignren und -Ornamenten zum grössten Theil gefunden,
wenn man nachweist, was sie vorstellen. Alle Einzelheiten des historischen
Hintergrundes bleiben natürlich verborgen. Je mehr die künstlerische
Lust zurück- und die blosse Mittheilung, das Streben nach Festhaltung
des Torgangs hervortritt, desto zahlreicher häufen sich die Symbole, und
da man gewöhnlich nur einen* engen Kreis von Nachrichten vermitteln
will, so genügen schliesslich die unscheinbarsten Linien, denen der Forscher
ohne Commentar nicht mehr beikommen kann, wie bei den australischen
Botenstäben. Die frei schaffende profane Kunst, nicht die religiöse
Yerzierungskunst in Schnitzerei und Malerei, scheint die Vorstufe der
Bilderschrift zu sein, in der feststehende, meist aus dem Gegenstande
selbst oder aus den Silben des betreffenden Wortes theils ideographisch,
theils phonetisch gefundene Symbole zu einer Art von Gedanken- oder Wort-
rebus aneinandergereiht sind, nicht aber auf dem Wege des Ornamentes
abgeleitete Formen. Freilich ist es selbstverständlich, dass in dem Suchen
nach Symbolen auch einmal das abgeleitete Ornament, dem die Bedeutung
des Urbildes noch anhaftet, statt dieses in der Bilderschrift Verwendung
findet. Andererseits müsset die Attribute der Götter, die Darstellung
mythologischer Vorgänge, überhaupt alles, was in religiöser 2iauberei
ganze Gedankenreihen zum Ausdruck bringt, als ursprünglich frei er-
fundene Symbole und damit als eine Art von Bilderschrift gelten.
Eine unentschiedene Frage ist vorläufig, wie manche Namenszüge,
die Tättowirungslinien und sogenannte Handels- und Eigenthumsmarken
entstanden und zu erklären sind. Soweit hier nicht ein Totem oder dessen
Omamentsymbol für den Namenszug in Betracht kommt, scheint dieser
gewöhnlich der profanen Kunst nach Art der Bilderschrift anzugehören.
L*gend welche beliebigen Linien ohne Sinn scheinen dabei ausgeschlossen zu
sein. Die Tättowirung muss im Zusammenhang mit der ganzen Stammes-
omamentik, mit deren Linien sie übereinzustimmen pfiegt, beurtheilt
werden. Da man dieses bisher noch nicht gethan hat, lassen sich die
widersprechenden Meinungen, welche für alle Tättowirungen a priori die-
selbe Ursache annehmen, leicht erklären. Ob die sogenannten Handels-
1) Das leuchtende Beispiel bilden H. Stolpe 's „Entwickelnngserscheinungen in der
Ornamentik der Naturvölker". Mittheilongen der Wiener Anthropolog^chen Gesellschaft
XXn, 1892.
\
84 K. Th. PRBÜ88:
marken an GtegenBtänden des Handels blosse Linien, also lediglich znr
Unterscheidung ausgewählt sind, möchte ich, wie bei den Namenszügen,
bezweifeln. Eher könnten sie durch die Technik entstanden sein. Es
bleibt jedoch in jedem einzelnen Falle noch abzuwarten, ob das, was man
schlechthin als Handelsmarken bezeichnet, sich wirklich als solche
herausstellt.
Ethnographische Eintheilung des Gebiets.
Das Museum für Yölkerkunde zu Berlin, auf dessen Material sich
meine Ausführungen stützen werden, besitzt ganz einzig dastehende Samm-
lungen aus Kaiser- Wilhelms-Land, die ausser der Tbätigkeit von Dr.
Finsch den Beamten der Neu- Guinea -Compagnie, insbesondere den
leider jüngst Terstorbenen Eärnbach und Landeshauptmann Schmiele,
femer Regierungsrath Rose, Dr. ScheUong u. A. zu yerdanken sind.
Zugleich möchte ich an dieser Stelle der Direction des Museums und
Herrn Dr. von Luschan, die mir das Material zu der Arbeit bereitwilligst
zur Verfügung gestellt haben, meinen yerbindlichen Dank aussprechen.
Da es galt, die etwa fünftausend Stücke zählenden Sammlungen einheit-
lich aufzustellen, die Uebereinstimmung der Gegenstände in den einzelnen
Gebieten aber eine geographische Anordnung ausschloss, auch keine
historische, anthropologische oder sprachliche Gliedenmg des Volkes vor-
lag, so war es nicht möglich, ein System für die Anordnung zu finden,
wenn man nicht Haddon^s Spuren folgen wollte, der in seinem trefflichen
Buch: „The decoratiye Art of British New Guinea^ auf Grund der künst-
lerischen Darstellungen fünf scharf Ton einander gesonderte Districte für jene
Gegend aufgestellt hat Von Spuren des Uebergknges der einzelnen Formen
merkt man wenig, und wo geringe Anklänge in einem anderen District Tor-
banden zu sein scheinen, da sind sie sehr unsicher. Dieser Einteilung
entsprechen zwar einige wenige, nur in den betreffenden Gebieten vor-
kommende Geräthe oder Eigenthümlichkeiten an denselben, sonst aber
nichts. In Kaiser -Wilhelms -Land gestalten sich die auf dieselbe Weise
gewonnenen Grenzen anders. Zwar lassen sie sich auch mit ziemlicher
Sicherheit festlegen, aber es kommen einige Formen des einen Districts
theilweise mit denselben Urbildern im Nachbardistrict auch vor, während
andere Urmotive im Verlaufe ihrer Entwickelung Veränderungen er-
fahren haben. Dazu kehrt dieselbe Composition, die Darstellung der-
selben Idee in mehreren Districten wieder. Solche Uebereinstimmungen
erscheinen nur natürlich, da mit der Entfernung vom heimathlichen
Stamm der mitgebrachte Besitz an Ornamenten und Ideen erst all-
mählich einer Umbildung und Erneuerung entgegengehen kann.
Die Grenzen aber der Kunstdistricte von Deutsch-Neu-Guinea sind fol-
gende: Die Küste von der englisch-deutschen Grenze bis Parsi-Point am Hoon-
Golf müssen wir ausser Betracht lassen, da aus jener Gegend fast über-
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser- Wilhelms-Land. . 85
haupt keine Ethnographica nach Europa gekommen zu sein scheinen. Ton
dort erstreckt sich der erste District, welcher der von Finschhafen genannt
werden mag, bis Cap Fortification, wo das Südende der Landschaft Poum das
Uebergangsgebiet bildet. Der zweite, der District Ästrolabe-Bai, reicht
dann bis Cap Croisilles. Von den entfernteren Inseln ist die Stellung der
Insel Rook, nach den spärlichen omamentirten Gegenständen von dort zu
urtheilen, gleichmässig zu beiden Districten zu rechnen, d. h. unentschieden,
Long- und Dampier - Insel zum zweiten. Die „Nordküste" etwa bis
Berlin-Hafen bildet einen weiteren Bezirk, dem sich die Darstellungen
der deutsch -holländischen Grenze, etwa bis Tanah Merah als vierter an-
schliessen. Die Gebiete d^^s Ramu- und Kaiserin Äugustaäusses schliesslich
sind wohl ebenfalls als zwei besondere Districte aufzufassen^).
Es entsteht nun die grosse Frage, welche Tragweite eine solche Ein
theilung beanspruchen kann. Jedenfalls decken sich die Gebiete durch-
aus nicht mit den örtlichen Beziehungen, und ob die Sprachen irgend-
welche Uebereinstimmungen und Besonderheiten entsprechend den Districten
aufweisen, diese Entscheidung muss der Zukunft vorbehalten werden. Die
Erklärung für das Bestehen der Districte wird wohl zum guten Theil in
dem noch zu erforschenden Wesen der Ornamentik liegen. Es ist also
ein Sprung ins Dunkle, den wir unternehmen. Das darf uns aber nicht
abhalten, dem Fingerzeige zu folgen, den uns die Ethnologie in den künst-
lerischen Darstellungen giebt, wenn w»r das Ende auch nicht absehen
können. Ist es schliesslich mit dem Studium der Sprachen anders? Auf
welche Weise die zahllose Zersplitterung und völlige Veränderung ver-
wandter Sprachen vor sich geht, lässt sich nur in wenigen Punkten ver-
folgen; finden sich zweifellose Uebereinstimmungen in zwei Idiomen,
80 ist damit noch lange nicht der Grad der Verwandtschaft festgestellt;
ja ein fremdes Volk kann die verwandte Sprache durch besondere Schick-
sale zu seiner eigenen gemacht haben. Aber auch in der Schwierigkeit,
festzustellen, ob überhaupt in den Sprachen Verwandtschaft vorliegt, stimmt
die Ornament- mit der Sprachforschung einigermaassen überein. Ent-
lehnungen, Mischungen in Folge geschichtlicher und socialer Verhältnisse,
Wortveränderungen hinsichtlich des inneren Baues aus phonetischen und
anderen Gründen, onomatopoetische Anklänge und zufällige Ueberein-
stimmungen, Verschiedenheiten der Wortbedeutung und Lauteigenthümlich-
keiten — um von der Betrachtung des Sprachbaues, der Syntax und
Formenlehre ganz zu schweigen — werden sorgsam erwogen, und doch,
1) Die von Dr. Fi n seh auf die ersten von ihm herübergebrachten Samm-
Inngen gegründete Eintheilung des Gebiets in drei Bezirke (Mitrafels bis Cap Croisilles,
den French-Inseln und dem westlichen Neu-Pommem mit Ausschluss der Gazellen-Halb-
hisel, Cap Croisilles bis l>allmannhafen mit den Le Maire-Inseln, Dallmannhafen bis
Homboldtbai) bezieht sich allein auf den Charakter der Geräthe, ist nach seinem eigenen
CJrtheil nicht scharf ausgeprägt und dient nur zur besseren Uebersicht der Gegenstände.
CEthnol. Erfahrungen II, S. 41.)
1
86 * K. Th. Preüss:
muss man bekennen, bleibt der Sprachforschung noch weitaus das Meiste
zu thun übrig, obwohl die Philologie von jeher eine angesehene Wbsen-
schaft war und deshalb viele Arbeiter aufzuweisen hatte. Freilich wird
man der Sprachforschung die Palme zuerkennen müssen, weil die
Kenntniss der Sprache das nothwendigste Mittel ist, in den Geist eines
Volkes einzudringen; aber wie oft ist da der Liebe Müh' vergebens,
denn ein paar Yocabeln bringen uns auch nicht weiter. Dafür ist es
leichter, Eunstproducte, als sprachliches Material heimzubringen, und für
viele Zwecke genügen erstere ohne Commentar. Die Ermittelung der
Bedeutung aber ist ebenfalls geeignet, manches Geheimniss des Geistes-
lebens zu entschleiern. So dürfen uns auch die mannichfachen Probleme
und Hemmungen in der Ornamentik nicht abhalten, einer vielleicht reichen,
vielleicht mageren Ernte unsere Kräfte zu leihen. Die kimstfrohen Ge-
biete Melanesiens, unter denen Kaiser- Wilhelms-Land einen der Höhepunkte
in der Kunst bezeichnet, laden dazu besonders ein, und es ist kein Wunder,
dass gerade Britisch-Neu-Guinea das erste Land ist, das eine Classification
nach den Darstellungen erfahren hat, denn dort ist man weit länger mit
den Eingeborenen beschäftigt, als in unserem Schutzgebiet.
Charakteristische Merkmale der Districte.
Plastische Menschenfiguren und Masken. Schon wenn man
in grossen Zügen die künstlerischen Darstellungen der Districte vor-
legt, treten die merkwürdigen Abweichungen in den doch an Geräthen
ziemlich gleichartigen Gebieten klar zu Tage. Wesentliche Hülfsmittel
würde schon der Stil der plastischen Kunstgegenstande gewähren,
wenn sie gleichmässig aus allen Gegenden vorhanden wären. Die
Menschenfigur im District Finschhafen ist besonders aus der Gegend
Finschhafens bis Cap Cretin und von den Tami -Inseln, aber auch von
Parsi- und Fortification-Point im Museum vertreten und hat unverkennbar
überall denselben Typus. Sie hat meistens eine eigenthümliche hockende
Stellung, wobei der Ober- auf dem Unterschenkel ruht, ähnlich Fig. 62*);
auf dem Kopfe fehlt nie die manchmal etwas hohe Mütze, die nach
Finsch') nur den Häuptlingen zuzukommen scheint, während sonst nur
Tapastreifen um den Kopf gewickelt werden oder das Haar bloss getragen
wird. Diese Mütze tragen in den Darstellungen aber auch Frauen (Fig. 138),
an denen Finsch*) nur ab und zu filetgestrickte Netzbeutel „Andun"
gesehen hat, in denen dos Haar lag.
1) Siehe die Teitfi^rcn weiter nnten.
2) Samoafahrtcn S. 157, 179. Ethnolo^sche Erfahrungen nnd Beiogstücke ans der
Südsee. Theil II. S. 98. Finsch bildet auch einen anf dem Bauche liegenden Papua
an einer Kopfstütze ab. (Ethnol. Atlas, Taf. III, Fig. 1.)
8) Ethnol. Elrfahr. II. S. 92. VgL auch 0. Schellong, Beitrfige zur .Anthropologie
der Papuas. Zeit^chr. f. Ethnol. XXIII, 1891, S. 172 über die hohe Frisur und Kopf-
bedeckung der Poum-Leute.
Künstlerische Darstellungeii aus Kaiser-Wilhelms-Land. 87
Um die Augen ist die von Schellong*) bei dem Barlum-Beschneidungs-
fest als Zierde der Beschnittenen (ssägus) erwähnte und abgebildete Be-
malung angedeutet, die aus Dreieckspyramiden oder unregelmässigen
Zacken über und unter den Augen besteht (Fig 11, 13, 16). Die lang
herabhängenden Ohrläppchen mit der Last des Schmuckes sind wie im
Leben stark markirt, und die Oberarme zeigen stets die zweizipfligen ge-
flochtenen Armbänder. Das Gesicht ist völlig zwischen den Schultern ver-
graben^ so dass der Bauchnabel dicht unter dem Kinn sitzt. Ist das
Gesicht flach, so bezeichnet oft ein tiefer, ziemlich horizontaler Absatz
den oberen Augenhöhlenrand (?), unter dem jedoch die Augen nur schwach
angedeutet sind, und der von zwei, einander mit den concaven Seiten zu-
gekehrten Kreissegmenten oben und unien eingeschlossen ist (Fig. 66).
Ebenso tritt der Nasenrücken wenig hervor. Die Mitte des oft wagerecht
verlaufenden eckigen Kinns zeigt dann gewöhnlich einen dreieckigen Ein-
schnitt, der bei Männern und Frauen gleichmässig vorkommt. Ist die
Gesichtsfläche gewölbt, so heben sich Augen und Nasenrücken plastisch fast
gar nicht von ihr ab und sind zum Theil nur durch die Bemalung der
Umrisse kenntlich. Die Gesichtsrurarandung ruht häufig auf einem ebenso
geformten kragenartigen Untersatz, der mit zum Gesicht gehört. Die Augen
können auch ovale, seltener (Fig 137) runde Form annehmen oder, wie bei
den Augen von Krokodilen, Eidechsen und anderen Thieren, halbe Ovale,
mit der concaven Seite nach aussen gekehrte Kreissegmente sein (Fig. 49, 62).
Die Geschlechtstheile schliesslich sind in decenter Weise zum Ausdruck
gebracht, so dass Männer und Frauen bisweilen nur mit Mühe erkannt
werden können (Fig. 137, 138). Soweit die allgemeinsten Kennzeichen, die
auch z. Th. auf die mir nur von den Tami -Inseln und Finschhafen be-
kannten Masken Bezug haben, zum Unterschiede vom District Astrolabe-
Bai. Triftet das Gesagte auch nicht immer zu, so dient es doch insofern
{genügend als Merkmal, als es im Nachbardistrict meist gar nicht oder
doch in anderer Form vorkommt.
Hier ist der Kopf der stehenden Figur, obwohl auch eiue hohe, oben
sich verjüngende und abgerundete Mütze, wie im Leben, zuweilen vor-
kommt, mit einer tellerartigen Bedeckung versehen, die vielleicht das
Haar darstellen soll, und die dreieckige Bemalung der Augen, welche sehr
selten und dann meist spitzer und unter den Augen allein auftritt, ist
nicht nur durch Umrisse angedeutet, wie gewöhnlich im District Finsch-
hafen, sondern in Farben ausgeführt •). Das Ohrläppchen ist z^ar auch
so lang ausgedehnt dargestellt, aber nicht so als solches zu erkennen.
Der Schmuck sieht gewöhnlich wie ein grosser Schildpattohrring aus.
Das ganze Ohr ist formloser, lang ausgedehnt und besteht statt aus zwei
1) Das Barlnmfest der Gegend Finschhafens. Internationales Archiv f&r Ethnographie.
n. S. 160.
2) Finsch, F.thnol. Atl. Taf. XV, Fig. 1.
88 K. Th. PPEU88:
oder höchstens drei Gliedern, aus vielen bis zu fünf. Die Bildung des
dünnen Leibes und der Arme tritt gegenüber dem langen Gesicht sehr
zurück; die ganze Gestalt hat aber nicht ein so buckliges Aussehen, wie im
Yorigen District. Das Gesicht ist flach, selten mit geringer Rundung, zum
Kinn spitz zulaufend, hier aber nicht eckig. Die Augenhöhlen sind zur
Stirn durch horizontal verlaufende Vertiefung scharf abgesetzt, so dass
die Stirn vor dem übrigen Gesicht vorsteht; in ihnen deuten hohe klotz-
artige Rechtecke, theilweise an den Ecken gerundet, die Augen an. Der
Nasenrücken ist breit, stark herausgearbeitet und weniger realistisch, als
im District Finschhafen. Aus dem Munde hängt die oft gezahnte Zunge
oder ein anderer Gegenstand und reicht oft soweit herab, dass sie sich
oberhalb der markant hervortretenden Geschlechtstheile mit dem Leibe
verbindet, der an dieser Stelle oft im rechten Winkel von dem sonst
flach verlaufenden Rumpf vorspringt, oder mit dem Penis selbst Manche
Gestalten sind jedoch nach Finsch^) ohne ausgestreckte Zunge, wie ich
von einpm Kopf am Ende eines Kalkspatels bestätigen kann, und ebenso
soll der Penis zuweilen ganz klein oder gar nicht angedeutet sein. Der
Mund verschiebt sich in Folge der ausgestreckten Zunge gewöhnlich bis
zum Kinn und macht einen schnauzenartigen Eindruck*). Masken sind
mir bis jetzt aus dem Gebiet nicht bekannt geworden. Freilich muss
bemerkt werden, dass diese Angaben sich auf wenig mehr als ein Dutzend
Figuren beziehen, die von Constantinhafen, Bongu, Bogadjim, Friedrich-
Wilhelms-Hafen, der Insel Bili-Bili und der Umgebung des Bagili-Lagers
(zwischen Gap Croisilles und Junospitze) stammen, also sich, abgesehen
von ihrer geringen Zahl, auch nicht auf den ganzen District Astrolabe-
Bai vertheilen*).
Da an der „Nordküste", sowohl in Hatzfeldthafen und Umgebung, wie
bei Cap della Torre und im Westen, in Dallmannhafen, auf den Inseln Guap,
d'Urville, Aarsau Bertraud und Roissy, sowie in Berlinhafen derselbe Typus
der Menschengestalten vorkommt, so ist anzunehmen, dass auch der da-
zwischenliegende Theil der Küste, wenn er überhaupt solche Schnitzwerke
aufzuweisen hat, diesem Charakter angehört Die meist stehende Figur hat
die Hände, die sonst auf den Oberschenkeln zu liegen pflegen, zuweilen bis
ans Kinn emporgehoben, wo sie sich nähern oder einen von dort ausgehenden
Fortsatz umklammem. Auf dem Kopfe sitzt ein sich bisweilen in mehreren
Absatzen zuspitzender cyliuderförmiger Knauf, der in vielen Fällen zweifel-
los die dort getragenen Haarkörbchen — ein solches ist einer Figur sogar
in natura aufgesetzt — oder den abstehenden, mit Blättern u. dgl. m.
umwundenen Haarschopf andeutet, oft aber auf die Darstellung einer zier-
lichen kleinen Eidechse zurückzuführen ist, die, auf engem Raum die Füsse
1) EthnoL Erf. IL 118.
2) Vgl die Abbildangen bei Finsch, Samoafahrten. S. 49, 78, 74.
3) S. die Abb. bei Schmelti, Internat Archiv VIII, 1895, Taf. XVI, Fig. 1 tmd la.
Künstlerische Darstellungen aas Kaiser-Wilhelms-Land. 89
aneinanderstellend, den Leib stark aufwärtsgekrümmt hat^). So findet
man zuweilen in der Astrolabe-Bai einen Vogel, dessen Schnabel und
Schwanz vorn und hinten, dessen Füsse seitlich auf dem Kopf den Halt
bilden, in ausgeprägten und rudimentären Formen. Die Ohren sind hier
meist unscheinbar und normal gebildet, da in dieser Gegend der Ohr-
schmuck an den Rändern, nicht an den Läppchen angebracht wird. Löcher
mit an den Enden geknoteten Baststreifen oder -Ringen sind deshalb auch
in den Ohrrändern der Figuren Torhanden, und ebenso tragen die durch-
bohrten Nasenscheidewände häufig solche Bastringe oder aus dem Vollen
geschnitzte, vom z. Th. offene Holzringe, bezw. Ovale, die zweifellos den
von Finsch") abgebildeten Perlmutterschmuck darstellen sollen. Dieser
Schmuck wird gewöhnlich in mehreren Exemplaren getragen, was der
Darstellung entspricht. Ueberhaupt ist der Nase eine besondere Sorgfalt
zugewandt. Sie tritt charakteristisch hervor und ist realistisch geformt,
hat häufig eine gebogene Gestalt und kann sich schnabelartig verlängert
bis über die Brustwarzen hinaus erstrecken. Auf der Roissy-Insel kommt
auf den Kopfstützen stets die typische Jndennase vor. Stark gewölbt, wo
der Schnabel nicht auftritt, sind die Nasenflügel, und es zieht sich von
ihnen oder ungefähr von dieser Stelle aus meistens eine Leiste schräg auf-
wärts zur Ohrgegend, wo sie sich mit dem oberen, stark vortretenden
Augenhöhlenrand verbindet, so dass die gewöhnlich sehr schräg gestellten
Augen in einer vollständigen Einbuchtung liegen. Diese sind auch, wie
im District Astrolabe-Bai, erhaben, aber zierlicher geschnitzt und haben
in der Mitte eine ovale Vertiefung. Mehr im Westen, etwa von Dall-
mannhafen an, laufen sie in den äusseren Winkeln in runde Zacken aus,
wie sie A. B. Meyer auch vielfach von den Masken von Taravay (Ber-
trand- und Gilbert-Inseln) abbildet und für die Darstellung der Augen-
wimpern erklärt'). Aehnliches kommt aber auch anderwärts als am Gesicht
vor, z. B. läuft der Leib einer Eidechse unten in solche Zacken aus.
Der Mund ist häufig garnicht angedeutet, bisweilen aber auch wieder bei
der ausgeprägtesten Schnabelnase noch besonders markirt. Ein senk-
rechter, gerader Fortsatz, der vom Kinn unterhalb des Mundes, bisweilen
auch von der Stelle, wo der nicht angedeutete Mund Hegen könnte, aus-
geht, endigt in der Luft, verbindet sich mit dem Leibe oder geht in den
Penis über. Auch in der Abbildung von F in seh*) thut das der schnabel-
1) Uebergangsformen siehe bei Finsch, EthnoL Erf. Taf. XXIII, Fig. 2 und 8.
De Clercq und Schmeltz Ethnograph. BeschrijviDg van Nederlandsch Nienw Guinea,
Taf. XXXVn, Fig. 16.
2) EthnoL Erf. Taf. XV, Fig. 2.
8) Masken aas Neu-Guinea und dem Bismarck-Archipel. Public, d. KgL Ethnograph.
Hofinuseums tn Dresden VII, 1889, S. 6. Taf. VI— VIII.
4) EthnoL ErL Taf. XXUI, Fig. 2. Weshalb die Gestalt mit einer Maske bekleidet
sein soll, wie Finsch von dieser und anderen Figuren hervorhebt, ist mir unverständlich.
90 K. Th. Preüss:
artige Fortsatz erst, nachdem er mit dem Kinn vereinigt ist. Die Geni-
talien sind theils stark, theils weni? ausgeprägt. In diesem District finden
sich auch zuerst die Brüste der Frauen, wenn auch selten^ zum Ausdruck
gebracht*).
Sehr ähnlich sehen auch die 3Iasken dieses ganzen Districts ans, die
nach Parkinson bis Berlin-Hafen vorhanden sind, und auch bei Cap de
la Torre vorkommen sollen*). Aus der Gegend von Hatzfeldthafen liegen
acht Masken vor, die sich von denen im Westen im Wesentlichen nicht
unterscheiden. Die Augen der Masken sind im Unterschiede zu den
Menschendarstellungen gewöhnlich nur durch concentrische Bemalung,
aber in derselben Form gebildet, so dass auch die Einschliessung wegfällt
Weiter im Westen beginnen sich die Schnabelformen zu mehren, bis sie
nach unten umbiegen und in eine Spirale nach innen auslaufen'). Cha-
rakteristische Stumpfnasen mit verdicktem Ende sind dabei aber nicht
ausgeschlossen. Dass das Gesicht bei den wirklieh gebrauchten Masken
stärker emporgewölbt ist und der Kinnfortsatz überhaupt wegfällt, ist nicht
wunderbar; dafür haben sie mitunter einen Kinn- und Backenbart aus
Menschenhaar.
Vom mittleren Augustafluss kennt man die ganz abweichend gebildete
Helmmaske, die mit Schmeltz möglicher Weise als Darstellung einer
Echidna anzusehen ist^). Die im Museum sonst noch vorhandenen drei kleinen
Menschenfigürchen lassen sich durch ihre rohe Ausführung leicht von denen
der Nordküste unterscheiden. Man kann sie aber mit einiger Sicherheit
noch als verwandt mit denen der Nordküste hinstellen. Ueber ihre Herkunft
weiter aus dem Innern oder von der Mündung ist jedoch nichts bekannt*).
Es mögen noch kurz die Grössenverhältnisse, die Darstellung als
Kopf oder ganze Figur, die Verbiudunjjf mit einander und mit Thieren und
ihre Verwendung au Geräthen erwähnt werden. Der District finsch-
hafen weist für die selbständigen Gestalten nur geringe Grösse — etwa
10 — 20 c?/» — auf. Selten sind so gewaltige Oolosse, wie Finsch einen in
den Samoafahrten S. 175 abbildet. Grössere Keliefdarstellungen bis zu
70 cm fanden sich auf Brettern an der Aussenseite eines (temeindehauses
(lum) im Dorfe Suam bei Fiuschhafen. Figuren ohne einen Fortsatz
nach unten sind selten. Zwei Gestalten, Frauen darstellend, sind in einem
Falle kunstvoll aus einem Stück Holz geschnitzt, so dnss der unten ge-
schlossene Kaum zwischen den Beinen tlen Rest des Holzes wie da« Glied
1) Vgl. auch FiDsch, Etbnol. Atlas Taf. XV, Fig. 4— 7.
2) A. B. Meyor und Parkinson, Schnitiereien und Ma^ski^n au.s dem Bismmrck-
Arch. und Neu-Guinca. Publ. Hofmu^. Dresden, X, S. 4.
3) Vgl. auch a. a. 0. Bd. X, S. 4 und BtL VII, Abbildungen.
4) Schmeltz, Intern. Arch. VIII, 18%. 166. Abbildung bei A. B. Meyer, PubL
Dresd. Mus. IX, Fig. 1.
6) Vi»n einer Darstellung des ^Grenx-Districts", wie des Ramuilusses, will ich' vor-
Uufig absehen.
Künstlerische Darstellungen ans Eaiser-Wilhelnis-Land. 91
einer Kette festhält, und zwar befindet sich jede Figur auf einem Ende
des Holzes. Die Kette besteht also aus drei Gliedern: Frau, Holz, Frau.
Aehnlich hängt in der Astrolabe-Bai eine Menschenfigur wie ein Ketten-
glied an einem Balken, aus dem sie geschnitzt ist^). Gewöhnlich ist nur
der Kopf dargestellt, der ebenso, wie die ganze Figur, in den geöflfheten
Kachen eines Krokodils oder in eine Latte übergeht, deren Bemalung
zuweilen noch den Ursprung vom Krokodilrachen verräth oder die mit-
unter in einen Fischschwanz ausläuft. Der Krokodilrachen kann auch
der Menschenfigur abgekehrt sein, und auf dem Abumtau Gabiang von
Suam kriecht ein vollständiges Krokodil an der Rückseite der Figur auf-
wärts. Häufig finden sich Doppelgesichter, die Hinterköpfe mit einander
verwachsen, oder man sieht an einem Ende des Ganzen ein Gesicht und
am anderen ein zweites, das nach der entgegengesetzten Sichtung schaut.
Die Köpfe stehen aber nicht über einander, sondern mit dem Kinn einander
zugekehrt. Das Erstere dagegen kommt bei ganzen Figuren vor; nur ein-
mal ist auf beiden Seiten des verbindenden Holzes je ein Krokodil, den
Kopf nach entgegengesetzter Richtung gewendet, dargestellt. Schlangen-
artige Thiere kriechen zuweilen auf der Latte zwischen den Beinen oder
zum Kopfe empor (Fig. 137), oder, meist nur bei Frauen, von den Geni-
talien abwärts. Sie ragen bei Reliefdarstellungen von oben in die Mütze
hinein (Fig. 133). Einer Frau kriecht ein Krokodil zwischen die Beine,
während ein anderes mit seinem Rachen am Scheitel liegt. Der Stations-
vorsteher Mentzel erwähnt auch Darstellungen von Menschen und Kroko-
dilen au den Pfosten der Gemeindehäuser"). Die Darstellung der Menschen-
figur oder des Kopfes findet weiter statt an den Schmalseiten oder in der Mitte
des unteren Theiles der Kopfstützen^ an dem Stielende und dem Blatt der
Ruder, an den Enden der Kanus in Finschhafen *), als der Träger von
kleinen Mörsern (Fig. 49), an der Seite von längliclien Holzschüsseln
(Fig. 126, 127) und Tronmieln (Fig. 128) und endlich an dem Griff oder an
dem Uebergang vom Stiel zur Schaufel bei schaufelartigen Löffeln. An
einem solchen Löffelgriff steht ein Mann auf dem Rücken eines eulen-
artigen Vogels mit ausgebreiteten Flügeln.
Im District Astrolabe-Bai hat die meist viel grössere selbständige
Menschenfigur nach unten zu keinen Holzfortsatz, dagegen zuweilen einen
nach oben mit rechteckiger Oeffnung zum Aufhängen oder Aufstecken,
oder die Gestalten stehen bis zu fünf und mehr über einander. Ein
Menschenkopf hat statt des Leibes einen mit dem Kopf nach oben ge-
kehrten Fisch. Der Vogel auf den Köpfen ist bereits erwähnt. Als Ver-
zierung an Geräthen ist die menschliche Gestalt hier nur an einigen
Tanzrasseln und einmal als Griff eines Betelkalklöffels verwendet.
1) Abbildung bei Fi n seh, Samoafahrten, S. 74.
2) Brief an Bastian vom 21. Juni 1888.
3) Finsch, Ethnol. Erf. II, 8.63.
92 K. Th. PreüSS:
ßemerkenswerth für die „Nordküste", welche auch in den Ideen allent-
halben eine grosse Einheitlichkeit aufweist, ist die Unzahl von kleinen
geschnitzten Menschengestalten und Masken, wie sie in den beiden vorher
erwähnten Bezirken gar nicht Yorkommen. Sie werden an den Bart^), die
Brustschilde und Brustbeutel gehängt, erstere wohl auch mit dem manch-
mal vorhandenen unteren Ende in den Erdboden gesteckt*). Daneben
kommen auch grössere Figuren bis zu 1 th Höhe vor. Als Ornament ge-
braucht ist der Menschenkopf mit nach oben gekehrtem Gesicht an den
Enden der Kopfstützen - Längsseiten und an den Rudergriffen. Häufig
schliesst sich daran nach einer Unterbrechung in der Verlängerung
nach aussen der offene Rachen eines Thieres, der etwas zwischen den
Zähnen hält, oder über den vom eine Eidechse schlüpft. Diesen Thier-
rachen als Fortsetzung des nach oben gekehrten Menscbenantlitzes finden
wir auch auf einer Kanuspitze von Venus -Huk*). Bei Kopfstützen von
der Roissy- Insel ist es an einem Kopf an jedem Ende noch nicht genug.
Auch an den Seiten lugen unter der Längsleiste je zwei hervor, und die
Endköpfe haben statt der Rachenfortsetzung eine ganze Menschenfigur im
Munde. Auch auf den Ruderblättern kommt ein Gesicht vor, zuweilen als
Doppelkopf in dem Scheitel des Winkels an Aexten und unterhalb der
Spitze von Speeren, das Kinn dieser zugekehrt, wo der Kinnfortsatz oft
zugleich ein gegengestellter Widerhaken ist. Freilich finden sich auch
einzelne Besonderheiten, die noch nicht für die verschiedenen Gegenden
des Districts nachgewiesen sind. So auf der Roissy-Insel die vier ein-
ander den Rücken kehrenden Figuren, die sich bei den Händen gefSEisst
haben, als Untergestell einer Kopfstütze, und ähnliche Combinationen
jener Insel. Femer zeigen Schilde der Gegend von Hatzfeldthafen den
Menschenkopf in der Mitte, und ein kleines Holzgefäss von da hat in der
Verlängerung der Längsachse a^ Rande je einen Kopf, ähnlich wie bei
den Kopfstützen. Eine Merkwürdigkeit des ganzen Gebiets bleibt noch
zu erwähnen, das ist die häufige Zusammenkettung von Mensch und Ei-
dechse. Häufig ist sie auf der Stirn oder auf dem Hinterkopf angebracht;
sie hat ihren Platz, wie erwähnt, auf dem Kopfe oder kriecht auf der
Rückseite der ganzen Figur entlang. Im letzteren Falle tritt an ihre
Stelle einmal ein Krokodil, das hinten von einer Gestalt, die auf einem
zweiten Kopfe steht, — eine einzigartige Darstellung in diesem District, —
herabkriecht. Es sei jedoch schon hier bemerkt, dass die Eidechse mit-
unter nicht von der auch in jener Gegend vorkommenden Gestalt eines
Mannes mit erhobenen Armen zu unterscheiden ist, wenn die Figur nur
eingeritzt oder schwach erhaben ist. Zu erinnern ist noch an die sonst
1) A. B. Meyer und P. Publ. Dreadener Mas. X, 8. 4.
2^ Vgl Finsch, Erf. II, S. 119.
8) Finsch, Ethnol. Atlis Ttl YII, Fig. 6.
K&nstlerische Darstellangen ans Kaiser- Wilhelms-Land. 93
nicht vorkommende Combination, die von Pinsch*) auf einer Eannspitze
von Dallmannhafen abgebildet ist: ein Krokodil, dessen Schwanz in ein
menschliches Gesicht ausläuft.
Plastische Darstellung von Thieren. Es würde kaum ge-
lingeU; im üeberblick einen klaren Begriff von den Stilarten der
plastischen Thier- Darstellungen zu geben, da man zu sehr ins Detail
gehen müsste. Auffallend ist es jedoch auf den ersten Blick, dass in
der Astrolabe - Bai Vogel- und Hunde (?)- Köpfe, — ich denke bei
letzteren an zwei Thierköpfe der Tanzrasseln im Museum^ — stark
an die Bildung von Nase und Augen im menschlichen Gesicht erinnern.
Auch hängt den Hunden (?) die Zunge aus dem Maul. Alles Andere also
der späteren Ausführung überlassend, erwähne ich hier nur, welche Thiere
eine Besonderheit der einzelnen Districte sind, und in welchen Ver-
bindungen sie auftreten.
Ueberaus reich an charakteristischen Thiergestalten ist der District
Pinschhafen. An Säugethieren sind Schwein und eine Art von Beutel-
dachs (oder Echidna?) auf dem Untersatz von Kopfstützen, ersteres
auch als Reitthier für einen Menschen an einem „Haken**, nachgebildet
(Pig. 62). Von Reptilien sind die Bildungen von Krokodilen und ihrem
Rachen z. Th. schon erwähnt. Erstere erscheinen aber auch in Relief an den
Kaims und letztere am Ende von Ruderstielen (Fig. 74, 75). Eidechsen
habe ich nur auf der ganzen Länge der sanduhrförmigen Trommeln ge-
funden. Einer Schildkröte wird der Leib von einer Holzschüssel gebildet.
Schlangenartige Thiere in Relief an den Seiten der breiten Schüsseln in
Verbindung mit der Menschengestalt, wie vorher angedeutet, femer auf
Holzschwertem, Trommeln, als Theile von Kopfstützen und als Henkel
von Kürbiskörbchen haben eine ebenso grosse Verbreitung, wie die Vögel,
die am Griff von Rudern und Sagoschaufeln vorkommen, als Schnabel
von Kanus und Zierrath vorspringender Theile der Plattform, als Unter-
theil von Kopfstützen und an einem Ende einer länglichen kleinen Holz-
schüssel auftritt, die selbst als der Körper zu betrachten ist. Merkwürdiger
Weise sind aber Fische nur in der Gestaltung der Schwanzflossen als
Kopfaufsatz (Pig. 112), und sonst, wie hervorgehoben, zuweilen an der
Menschenfigur zu sehen. Hauptmann Dreger erwähnt allerdings aus
einem Dorf des Hüon-Golfs ohne nähere Angabe, das jedoch wahrscheinlich
nördlich vom Parsi-Point gelegen ist, „Schnitzereien von Krokodilen und
Fischen" an den Planken, welche die Zimmerwände bildeten"). Jedes
dieser Thiere ist von Darstellungen der anderen Districte mit Leichtig-
keit zu unterscheiden.
1) Ethnol. Atlas Taf. VII, Fig. 4.
2) Nachrichten aus Kaiser-Wilhehns-Land 1887, S. 25.
Z«itschrift für Ethnologie. Jahrg. 1897
94 K- Th. Preuss:
Während hier also gar keine Thierfiguren isolirt auftreten, kommen
in der Astrolabe-Bai einige Vögel mit ausgebreiteten Flügeln und gerade
gewaltige Fische mit einem Loch in der Mitte zum Aufstecken Yor^).
Von Säugethieren hat F in seh') eine Hündin abgebildet. Dazu kommen
die z. Th. schon erwähnten Thierköpfe an den Tanzrasseln*) und das Ton
Schmeltz eventuell für einen fliegenden Hund gehaltene Thier an der
Seite länglicher Schüsseln^), das, etwas anders gestaltet, auch im Museum
vorkommt (Fig. 146) und auch vom District Finschhafen bekannt ist
(Fig. 142, 143). Nur ein Fisch aus einem Gestell mit Tapaüberzug auf einem
hohen Kopfputz wäre noch hierhin zu rechnen. Diese Thiere sind die
einzigen, die zur Verzierung von Geräthen dienen*). Die Long-Insel weist
Beihen kleiner Vögel auf einer Art von Triangel als Verzierung der Mast-
spitze*) und andere an den Kanus auf, die im Stil selbständig erscheinen,
in den „geometrischen Ornamenten" nach der Astrolabe-Bai, in der Idee
— je ein Vogel als Ende einer Latte — nach Finschhafen hinneigen.
Zwei Fische von ebendort als Kanuverzierung haben statt des Kopfes
einen rechteckigen, vorne offenen Rahmen, vielleicht zum Aufstecken.
Ihre Ornamentik ist der des Districts Astrolabe-Bai verwandt. Der
Menschenkopf von Long-Insel, — das sei hier gleich eingefügt, — welchen
Finsch') als Träger der Kanuplattform abbildet, ist zu wenig charakte-
ristisch, um ihm eine ethnographische Stellung zuzuweisen.
Ausser den Eidechsen, Krokodilen und Krokodil(?)-Rachen giebt es an
der Nordküste die complicirten Thiergestalten, welche das Widerlager an
den Wurfhölzern bilden, die nach von Luschan Beuteldachs, Krokodil,
Buceros und eventuell eine Orthopterenart vorstellen sollen*). Besonders
wichtig ist für uns, dass die Stücke in dem Typus sämmtlich ähnlich sind
imd sich auf die verschiedensten Gegenden des Districts von Ilatzfeldt-
hafen bis Dallmannhafen vertheilen. Auch vom Kaiserin Augusta-Fluss
(vom Unterlauf?) haben wir diese Wurfhölzer mit denselben Darstellungen.
Ein Vogelschnabel, der aus einer runden Holzschale herauswächst, zeigt
dieselbe Manier der Ausführung. Thierköpfe an Rudergriffeu scheinen
eine Perameles-Art vorzustellen. Endlich sind zwei selbständige Thier-
1) S. Finsch, Samoafahrten, S. 103. Ethnol. Atlas XV, Fig. 3.
2) Ethnol. Atlas XV, Fig. 2.
3) Vgl. die Abbildung vou Schmeltz im Internat Arch. VIII, 1895, Taf. XVI, Fig. 2.
4) a. a. 0., Fig. ö.
6) Auf einer Trommel in der Colonial - Ausstellung in Berlin 1896 sah ich fliichtig
ein Thier, das wohl einen Vogel darstellt. Die Trommelgriffe der Astrolabe • Bai,
die rweifellos auch auf ein Thiermotiv lurückgehcn, weichen von denen des Districts
Finschhafen durchaus ab, während das Museum aus Hatzfeldthafen eine ähnliclie Form
besitzt.
6) Finsch, Ethnol. Atlas VIII, Fig. 1.
7) a. a. 0. Taf. VI, Fig. 6.
8) Das Wurf holz in Neu-Holland imd Occanien. Bastian-Festschrift 1896, S. 149, 160.
Künstlerische Darstellongen ans Kaiser- Wilhelms-Land. 95
gestalten zu erwähnen, von denen die eine, wohl eine Eidechse, in der
Längsrichtung des Schwanzes eine an die Darstellungen der Humboldtbai
erinnernde spitze Handhabe (zum Einstecken?) besitzt. Die andere, die
sehr verstümmelt ist, wage ich nicht zu classificiren, beide aber nehmen
sich fremdartig aus^).
Linienornamente. Es ist nun zwar festgestellt, dass die Typen der
Figuren und die Ideen in ihrer Composition nur dem betreffenden District,
nicht dem Naehbargebiet eigen sind; es nehmen femer nur sehr wenige
pl^tische Gestaltungen, die eigens namhaft gemacht sind^ eine ungewisse
Stellung ein; jedoch krankt die ganze Zusammenstellung an dem Uebelstand,
dass nicht alle Darstellungen in jedem Theil des Districts nachgewiesen sind.
Diese Lücke soll nun die Uebersicht über die gemalten, geritzten und
flach geschnittenen Gebilde*), kurz über die Linienomamentik ausfüllen,
die natürlich das ausschlaggebende Moment in einer Arbeit, wie die Yor-
liegende, sein müssen. Denn es ist klar, mit Linien lässt sich exacter
operiren, als mit Körpern, für die das Auge der einzige Maassstab ist.
Linienomamente lassen sich leichter darstellen, als plastische Gebilde,
und deshalb werden sie eher überall vertreten sein und leichter in die
Museen gelangen. Bemerkenswerth ist, dass fast alle der Natur abge-
lauschten Typen eine Auflösung in sogenannte geometrische Ornamente
erfahren haben, obwohl es natürlich nicht gelungen ist, alle einfachsten
Linien auf die Urbilder zurückzuführen, wenn auch weitaus die meisten.
Eine hervorragende Stellung nimmt die tanzende Menschenfigur, oder,
um mich präciser auszudrücken, eine Menschengestalt mit erhobenen
Händen in den Eüsteudistricten ein. Es ist also eine Uebereinstimmung
in der Idee; die Entwickelung geht in jedem District ihre mehr oder
weniger eigenen Wege, In den Districten Finschhafen und Astrolabe-Bai ent-
steht dadurch, dass die Gestalten Hände und Beine vereinigen, ein örtlich
modificirtes fortlaufendes Band, das aus den ovalen, bezw. rhombischen oder
strichartigen Körpern und dem gewinkelten Zusammenstossen der Arme und
Beine nach oben und unten gebildet ist (Fig. 1 — 10). Da an der „Nord-
küste^ mit Ausnahme des Motivs der erwähnten Kopfstütze von der Roissy-
Insel nur die einzelne Menschenfigur vorkommt, muss die Entwickelung
eine andere sein. Aus dem Körper und den in Knieen und Ellenbogen
sich fast berührenden Armen und Beinen wird ein regelrechter, an den
1) Desgl. steht der aus Federn gefertigte Fregattvogel mit ausgebreiteten Flügeln
an der Spitie eines Kanus von Yenus-Huk (Finsch, Ethnol. Atlas Taf. VUI, Fig. 4) in
nnierer Kenntniss der Thierformen jenes Gebiets vereinzelt da.
2) Es ist natürlich ein vergebliches Bemühen, eine scharfe Theilung zwischen plastischen
tmd flach geschnittenen Ornamenten herzustellen. Man darf aber auch nicht vergessen,
dass Eintheilung nicht Selbstzweck, sondern nur des besseren Verständnisses wegen
4a ist.
8»
96 K. Th. Preuss:
Ecken gerundeter Mäander, der aber doppelt ist und erst einfach wird,
wenn Leib, Arm und Bein einer Seite sich von der anderen getrennt
haben. Natürlich muss sich dazu die Figur nach oben oder unten wieder-
holen. Ferner scheint sich hier aus Armen bezw. Beinen allein in ge-
winkelter Haltung der Sparren und daraus die Sparrenbahn zu entwickeln
Im Grenzdistrict kommt übrjgens ein ähnliches Urbild vor*).
Ein zweites gemeinsames Motiv ist der fliegende Hund in hangender
Lage, das aber nur an der Nordküste zweifellos feststeht. Das Urbild
ist auf der Unterseite einer runden, flachen Holzschüssel von der Insel
Guap wenig erhaben dargestellt (Fig. 153) und schon von F in seh mit
Sicherheit als solcher bezeichnet. Statt in die Füsse zu endigen, ist der
spitz zulaufende Leib zu einem Knopf verbreitert, der Kopf hängt herab
und der Körper geht in der Mitte nach rechts und links zuerst aufwärts,
dann in spitzem Winkel abwärts in einen breiten, an den Enden abge-
rundeten Streifen über: der zusammengeklappte Flügel. Als Schleife zum
Durchziehen eines Baststreifens, um die Schüssel aufzuhängen, dient bereits
die schematische Gestaltung des Urbildes: zwei senkrechte Zapfen, deren
obere Enden durch einen nach unten convexen Bogen verbunden sind. Da»
Schema befindet sich natürlich in der Fussgegend des aufgehängten Fteropus,
so dass die hangende Schüssel dem dargestellten Thier die richtige Lage ver-
leiht, und auch das Schema ist sonst immer nur in der natürlichen Stellung,
und zwar meistens an der Unterseite der Kopfstützen, angebracht. Ein-
geritzt und in Reihen gegenübergestellt, entstehen sehr hübsche und eigen-
artige Muster deren weitere Vereinfachung eine Menge von Variationen und
Formen hervorbringt, bis der Künstler schliesslich zu einer Art von Mäander
und gegoneinandergerichteten Wellenbändem gelangt, deren Höhepunkte
mit einander verbunden sind. Uebrigens kommt letzteres Motiv auch in
der Astrolabe - Bai vor. In den ausgesparten Zwischenräumen der in-
einandergreifenden Reihen von fliegenden Hunden ist, wie es seheint,
meist ein schematisch gebildetes Thier mit ausgebreiteten Flügeln za
sehen, und es ist nicht schwer zu vermuthen und hat wohl auch einen
hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass darunter der fliegende Hund im
Fluge zu verstehen ist. Da wir nun im District Finschhafen und Astro-
labe-Bai auf den Armringen von Trochus niloticus ziemlich genau solche
eigenartigen Darstellungen haben, wie das erste Schema des hangenden
Fteropus (Fig. 154, 155), so liegt der Schluss nahe, dass auch diese Gebilde
als Urmotiv dasselbe Thier haben. Dazu kommt, dass in der Astrolabe-
Bai ein Thier wiederkehrt, das dem schematisch gebildeten fliegenden
Hund im Fluge an der Nordküste einigermaassen ähnlich ist. Dieses
Urbild kann hier jedoch leicht ein Vogel, ein Schmetterling oder dergl.
1) Siehe z.B. De Clercq und Schmeltz, Tat XXX II I, Fig. 11.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser- Wilhelms-Land. 97
fiein, eine Entscheidung ^ die für uns vorläufig nur secundäre Bedeutung
hat. Im ersteren Fall entwickeln sich ähnliche Formen in Finschhafen,
wie in der Astrolabe-Bai, von denen die einfachsten u. a. im Winkel zu
einander gestellte Onippen von parallelen Strichen sind, reihenweise an-
geordnet, im zweiten, wie es scheint, Sechsecke mit parallelen Seiten,
zwischen den Diagonalen eines gestreckten Rechtecks liegende Dreiecke
und liegende Kreuze, — alles Formen, welche nur für die Astrolabe-Bai
typisch sind.
Diese Verschiedenheit in der Bildung geometrischer Ornamente wird
es auch erklärlich finden lassen, dass gewisse einfache Formen, wie das
Zickzackband, das ja auf die mannichfachste Weise entstehen kann, in
allen Districten wiederkehrt. In Britisch - Neu - Guinea und fast überall
sonst ist es ebenfalls vertreten. Aber auch schon da trifft man Unter-
schiede. Im District Finschhafen z. B. ist die Spitze meist abgeschnitten,
im District Astrolabe-Bai gewöhnlich gerundet und an der Nordküste spitz
zulaufend. Ebenso kommt der Sparren in allen Eüstendistricten, am seltensten
in Finschhafen vor (Fig 17).
Wenden wir ims nun den einzelnen Bezirken zu. Die Nase wird im
District Finschhafen zu einem Keil, an dessen unterem Ende die Nasenflügel
in Gestalt zweier abwärts gebogenen Haken weit vorstehen (Fig. 17 — 23).
Die aus zwei flachen Kreissegmenten zusammengesetzten Augen sind ein
beliebtes, vielfach variirtes Ornament geworden (Fig. 24 — 44), der Mund wird
ein viel gebrauchtes Oval (Fig. 45 — 47). Das Ohr oder Ohrtlieile werden,
allein oder mit heterogenen Gegenständen zusammengesetzt, verwendet.
(Fig. 126 — 141). Augen und Nase bringen mannichfaltige Gebilde, durunter
eine Art von lateinischem Kreuz (Fig. 53) und denselben Mäander hervor,
.dessen Entstehen vorher aus der tanzenden Menschenfigur beschrieben ist
(Fig. 50, 51). Ein besonderes Wahrzeichen des Districts ist der Vogelkopf,
der allein und zu zweien, mannichfach zusammengesetzt durch viele, durch-
weg häufig gebrauchte Bildungen zu den selten angewandten Formen des
Trapezes, Halbkreises und Dreiecks wird (Fig. 57 — 81). Auch die Anfänge
einer Spirale scheinen sich davon abzuleiten (Fig. 96 — 103). Einzeln reicht
der Vogelkopf bis ins Nachbargebiet hinein. Vom Fischkörper löst sich der
Schwanz ab und bildet durch Wiederholung eine Art von Sparrenbahn
(Fig. 104 — 110). Eidechse und besonders Krokodil, z. Th. in phantastischen
Formen, fehlen nicht, und die Augen, als flache, mit den convexen Seiten
einander zugekehrte Segmente, sind eine viel gebrauchte Form (Fig. 1 17 -122).
Das grosse Oval und das halbe Oval können als vom Rachen des Krokodils
abgeleitet (Fig. 123 — 125), ebenso der Kreis und das Zahnornament als den
dturgestellten Naturbildem direct entnommen gedacht werden, während fast
alle anderen Gebilde als Zusammensetzungen (z. B. Fig. 190 — 192) oder
als besondere Thiere gelten können (Fig. 168 — 173).
98 K. Th. Prbubs:
Geradezu erstaunlich ist der unterschied zwischen dem District
Astrolabe-Bai und dem vorigen. Dort vorzugsweise gerundete, hier meistens
eckige Figuren, von denen einige schon genannt sind. Es sind noch
zu erwähnen Dreiecke, die einander so nahe liegen, dass sie zusammen
fast ein Quadrat bilden^), grosse doppelte Zackenlinien mit parallelen
Querstrichen, in kurzen Abständen sich wiederholend, eine besondere Art
des Zahnomaments') und schräg gestellte parallele Striche*). Von runden
Ornamenten treten ausser dem ziemlich seltenen Kreis und halben Oval
das Wellenband*); die einfache Spirale, wie sie gelegentlich auch im
vorigen Bezirk erscheint, und eine Art von rücklaufendem, aber im Punkte
des Rücklaufens unterbrochenem Spiralband *). Die Ableitung dieser Linien
erscheint weit schwieriger, als im District Finschhafen. Dazu gesellt sich
die Figur eines hockenden Mannes mit hoch emporgehobenen Beinen
oder Theilen derselben, zwei Typen des menschlichen Gesichts, von denen
der eine die ausgestreckte Zunge bei allen Veränderungen beibehält, der Fisch-
körper mit Schwanz in Reihen und ein schreitender Vogel. Ein Gesicht mit
breiten, aufwärts gerichteten Nasenflügeln, ähnlich denen an der Nordküste,
sowie ein geometrisches Ornament, das sich an der Nordküste schliesslich
aus dem hängenden Pteropus entwickelt, schliessen sich bereits diesem
District an, ohne dass ihre selbständige Entstehung ausgeschlossen wäie.
Ungemein fortgeschritten ist das Linienomament an der „Nordküste^,
wo auch für den modernen Geschmack die gefälligsten und doch dabei
eigenartigen Muster vorkommen. Trotzdem liegt die Entwickelung so klar
vor, dass der Ausgangspunkt vieler Formen in der Menschenfigur, dem
Gesicht, dem hangenden Pteropus und einem anderen Thier, wahrscheinlich
einer Eidechse, festzustellen ist Das erste und dritte Motiv sind bereits
behandelt, das zweite gebraucht immer die Nase und die gewaltig zur Aus-
bildung gelangenden Nasenflügel, seltener die Augen, die sich oft zu einem
Riesenauge vereinigen, das als Mittelpunkt zweier Nasen von den aufwärts
gerichteten Nasenflügeln fast im Kreise umgeben ist Es entstehen daraus
Formen, die wie froschartige Thiere aussehen. Oft sind die Nasenflügel
spiralig umgebogen, und dann verbindet sich eine übereinanderstehende
Reihe von Nasenflügeln durch geschweifte Linien zu rücklaufenden
Spiralbändern, ähnlich wie das erwähnte Spiralband der Astrolabe-Bai.
Die Spirale wird femer im Anschluss an die Eidechse (?) ausgebildet
Arme und Beine umschliessen zwischen sich eine gewaltige Spirale, die
von den Extremitäten ausgeht, so dass man an einen fliegenden Hund mit
ausgebreiteten Flügeln gemahnt wird. So sehr nun auch die Spirale
1) Mtclay, Boll. Soc. d'Anthrop. Paris, Tome I, Serie 8, 1878, 8. 627. Fig. 7. 8.
2) a. a. 0. S. 628/29 Fig. 9, 10.
8) a. a. 0. Fig. 9, 12.
4) a. a. 0. S. 625/26, 629/30. Fig. 8, 5, 11, 14.
6) a. a. 0. S. 629, Fig. 13.
Künstlerische DarstellnDgen ans Kaiser-Wilhelms-Land. • 99
selbständig werden mag nnd fortlaufende Bänder erzengt, immer bleibt
der Thierleib, wenn auch in ganz verzerrter Form, als Unterbrechung be-
stehen, was durchaus nicht Zufall ist, d. h. nicht im Wesen der geo-
metrischen Linien liegt, wie man sich an den Spiralen Neu-Seelands und
Britisch-Neu- Guineas überzeugen kann. Freilich ist damit noch immer
nicht gesagt, aus welchem Vorbild in der Natur man zur Spirale gelangt
ist; denn sie tritt in dem District überall auf, und alle Urbilder, die wir
erwähnten, enthalten sie, nicht gerade integrirend, in sich. Mit den Formen
des fliegenden Hundes sind neben den runden die geraden, gewinkelten
Linien in die Ornamentik des Districts eingeführt Besonders eigenthümlich
aber ist, dass nun selbst die Spiralen eckig werden, so dass es „drei-
eckige, viereckige, ja Kreuz-Spiralen ** giebt, wenn man so sagen darf.
Aber auch so kommt das Kreuz vor. Damit wären nur die wesentlichsten
Formen des Districts angedeutet, viel bleibt noch zusammenzustellen und
zu erklären.
Wie der Kamufluss zu der „Nordküste'' und der Astrolabe-Bai^ so weist
der Kaiserin Augustafluss zu ersterer Beziehungen auf. Besonders scheinen
auch hier die Spiralbänder auf das Gesichtsmotiv zurückzuführen, wie
auch die Nasenflügel breit und nach oben gebogen dargestellt sind.
Rhombus und Parallelsechsecke erinnern an die Astrolabe-Bai. Allein es
ist mehr als unwahrscheinlich, dass an eine Entlehnung zu denken ist.
Auch ovale und blattähnliche Formen, deren Erklärung vorläufig völlig
aussteht, mit Gesichtern dazwischen, sind dem District allein eigen, und
das Gesicht auf einer Serie von Kreiseln entwickelt sich durch Wiederholung
der Nase nach allen Seiten zu beliebig oft ausgeschweiften regelipässigen
Sternen. Durch Umgrenzung derselben mit Linien, die den Krümmungen
folgen, werden diese abgeschliffen und es entsteht eine eckige Figur,
Vierecke und Dreiecke.
Wenn diese Uebersicht im Grossen und Ganzen erkennen lassen soll,
dass eine geographische Gliederung der künstlerischen Darstellungen von
Kaiser- Wilhelms-Land durchaus möglich ist, so wird die ausführliche Be-
handlung, die ich hoffentlich Gelegenheit haben werde in einer Reihe von
Aufsätzen vorzulegen, ein Urtheil gestatten, wie markant die gezogenen
Grenzen sind, wie nuancirt die trotzdem bestehenden Beziehungen, wie
weit die sonstige Gliedenmg des Verkehrs, der Sprache und anderer
Gemeinsamkeiten, wovon wir freilich wenig wissen, damit parallel läuft,
und schliesslich dürften auch einige Gedanken über die Bedeutung der
Kunstwerke am Platze sein.
Der District Finschhafen.
Bevölkerung. Ueber die Eingeborenen der Strecke von der eng-
lischen Grenze bis Fortification - Point haben wir nur Nachricht von
Moresby, Finsch und einigen Beamten der Neu-Guinea-Compagnie..
I* *.
100. K. Th. Prbüss:
Die 2^1 der Bevölkerung südlich vom Cap Parsi scheint sehr gering zu
sein, obwohl die Dörfer weiter nach innen auf den Bergen liegen und so
den Besuchern der Küste entgangen sein können. Die wenigen Spuren
von Bevölkerung, die theils Moresby*), theils Finsch*) an der Verräther-
Bai, bei Alligator-Point, an der Herkules-Bai bis hinauf nach Cap Parsi
fanden, dürfen wir wohl übergehen. Nach einem Vortrage des Corvetten-
Capitäns Rüdiger, April 1897 in der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin,
mehrt sich vom Adolf-Hafen an die Bevölkerung^ da die Berge hier zurück-
treten. Zahlreiche Bewohner traf er hier am Rüdigerfluss nach einer
Fahrt von zwei Stunden aufwärts, während die Expeditionen unter Landes-
hauptmann V. Schleinitz und Hauptmann Dreger in der Baden-Bucht
ein Dorf verzeichnen, gegenüber Longuerue-Insel zwei, in der Hessen-
und Nassau-Bucht ebenfalls je eines und in der Bayern-Bucht südlich vom
Cap Parsi fünf Dörfer'). Wenn wir daher erst mit Cap Parsi den District
Finschhafen beginnen lassen, so ist eine weitere Ausdehnung nach Süden
in die allerdings geringer bevölkerten Gegenden nicht ausgeschlossen.
Als Centren der Bevölkerung nach Norden sind weiterhin festgestellt
ausser Cap Parsi die Schneider-Spitze, die Herzog-Seen und die Mündung
des Markham- Flusses, Arkona und Stubbenkam er und der Hänisch-
Hafen*), worauf mit der Biegung der Küste nach Norden die Bevölkerung
eine gleichmässigere, wenn auch nicht zahlreichere wird. Nach dem
Innern zu liegen die äussersten Dörfer, zu denen man gelangt ist, in
etwa 10 km Entfernung von der Küste, nehmlich am Sattelberg im Hinter-
land von Finschhafen*). Dreger hält auch den Markham-Fluss weiter
hinauf für bewohnt*). Eine Grenze der Kai-Dörfer am Sattelberg nach
dem Innern zu festzustellen, ist noch nicht gelungen. Wenn nun Schellong
die etwa 20 km lange Küstenstrecke vom Nordende des Hüon-Golfs bis
Cap Fortification gesprochene Jabim-Sprache von ungefähr 1000 Menschen
gebraucht sein lässt, und ebenso viel der im Süden sich anschliessenden
Bukaua- Sprache an der Nordseite des Golfs, den Poum-Sprachen im
Norden und dem Kai-Dialekt im Innern am Sattelberg zuschreibt^), so
wird man sich von der Spärlichkeit der Bevölkerung einen Begriff machen
können. Doch dürfte die Schätzung wohl zu gering ausgefallen sein, da
Hr. C. Hellwig allein in dem grossen Dorf Tiggedu in der Landschaft
1) DiscoYories and SanrejB in New Guinea. London 1876, S. 276—76, 283.
2) Samoafahrten S. 146-47, 149, 161, 154—55.
8} Nachrichten ans Kaiser- Wilhelms-Land 1887, S. 18, 16—18, mit Karten S. 28.
4) a. a, 0. S. 166—175, mit Karte S. 197.
5) C. Hellwig, Nachrichten aus Kaiser- Wilhelms-Land 1889. 8.40-47 mit Karte,
1890, S. 20—21. Hnnstein und von Kotxe berichten, dass sie etwa 25 il-m in der Luft-
linie (?!) am Bubnifluss landeinw&rts gelangten, wo sie schliesslich an ein „dem Anschein
nach stark bewohntes Thal" kamen. Nachr. aus K. WUh.-Land 1888, S. 66.
6^ Nachr. aus K. Wilh.-Land 1887, S. 174.
7) Schellong, Die Jabim-Sprache, Leipxig 1890, 8.5.
Künstlerische DarstelluDgen ans Kaiser- Wilhelms-Land. 101
Bukaoa bei einem Feste etwa 2000 Menschen gezählt hat. Der
Missionar B am 1er rechnet aof die Kai-Sprache allein 2 — 3000 Menschen^).
Sprache. Obwohl gerade die Gegend von Finschhafen Ton der
Nordostgrenze des Hüon- Golfs an sprachlich am besten von ganz Kaiser-
Wilhelms-Land untersucht ist und manche üebereinstimmungen und Ab-
weichungen in den Dialekten festgelegt sind, fehlt doch viel, um Sprach-
grenzen und Yerwandtschafts -Verhältnisse zu bestimmen. Danach ist
die Sprachenkarte in den Nachrichten aus Kaiser- Wilhelms-Land ') und
überhaupt die übliche Eintheilung in die Jabim-, Bukaua-, Tami-, Kai-
und Poum-Dialekte zu beurtheilen. Nach Schellong, der z. Th. das ürtheil
von V. d. Gabelentz eingezogen hat, sollen Jabim- und Bukaua-Dialekt
einander nahestehen, während der Tami -Dialekt sich an die Insel Rook
und Neu-Britannien anschliesst, und Poum- und Kai-Dialekte gewisse Be-
ziehungen zu einander haben*). Selbstverständlich ist die Bestätigung
dieser Bemerkungen, welche sich auf die ersten dürftigen Sammlungen
sprachlichen Materials stützen, abzuwarten. D reger nennt die Sprache
des „Hüon-Golfs", womit er die Westküste desselben meint, auch schon
im Klange von der Jabim-, Kai- und Tami-Sprache verschieden. „Guttu-
rale, fauchende und schnalzende Laute^ sollen dort vorkommen*).
Anthropologie. Die ausgezeichnete Arbeit von O. Schellong
enthält über die anthropologischen Verhältnisse der Eingeborenen aus
der Umgegend Finschhafens eingehende Mittheilungen, üeber die Anthro-
pologie des „IIüon-Golfs^ müssen wir uns mit einigen Bemerkungen des
Hauptmanns Dreger begnügen. Er schreibt:^) „Die Gestalt der Ein-
geborenen war kleiner, als die der Jabim- und Tami-Leute, und auch bei
weitem nicht so wohl gebildet. Der Oberkörper war verhältnissmässig
lang, die Arme ebenso, die Hände und Füsse plumper. Ihre ganze Er-
scheinung erinnert oft in aufifälliger Weise an die in den Bergen wohnen-
den. Kai-Leute. Die Haut der Bewohner der Landschaft zwischen dem
Markham-Fluss und Cap Parsi ist hellroth, an gebrannten Ocker erinnernd,
ohne jedoch, wenigstens anscheinend, damit gefärbt zu sein. Südlich vom Cap
Parsi fand ein Uebergang ins Stumpf-Graubraune statt, so dass die Einwohner
einen erheblich mehr negerhaften Eindruck machen, als die in Finschhafen.
Aber auch bei den Jabim überragte, wie Schellong berichtet, die Klafter-
weite die Körperhöhe im Durchschnitt um 98ww, und ähnlich war es bei den
1) Nachr. aus E. Wilh.-Land 1889, S. 37. W. Grube, Ein Beitrag zur Kenntniss
der Kai-Dialekte. Zeitschr. f. afrikan. und oceanische Sprachen I. 1895, S. 84.
2) 1887, S. 28.
3) Schellong, Die Jabim-Sprache S. 5. Münchener Allgemeine Zeitung vom
16. Februar 1889. Beiträge zur Anthropologie der Papuas. Zeitschr. f. Ethnol. XXIII,
1891, 8. 169, 171, 172 Anm. 8, 178.
4) Nachr. aus K. Wilh.-Land 1887, S. 23.
5) a. a. 0.
102 K. Th. Preuss:
Kai-Leaten; dazu vraren ihre Füsse und Hände breit und plump. Die
Bewohner der Kai-Dörfer bezeichnet er nach der geringen Bekanntschaft,
die er mit ihnen hatte, als kleine dürftige Gestalten gegenüber den
kräftigen Jabim. Den Poum- Leuten wieder wird entschiedener Progna-
thismus zugeschrieben, der bei den genannten beiden Stänmien wenig
hervortritt*).
Ethnographie. Wenn wir die zweizipfligen, eigenthümlich geflochtenen
Armbänder und die Ovulabrustschmucke in Neu« Britannien, auf den Prench-
Inseln, im District Finschhafen und im District Astrolabe-Bai zugleich finden,
so ist damit allein ein Zusammenhang der Bewohner jener Gebiete gegeben;
es fragt sich nur, ob auf dem Wege des Verkehrs oder des gemeinschaft-
lichen Ursprungs. Sonst sind als für unsere beiden Districte gemeinsam
besonders dieselbe Technik der Aexte, die Angelhaken, die Formen der
Kämme und langgestreckten kahnförmigen Holzschüsseln, der Gebrauch
der allerdings Tariirenden Kopfbedeckungen, und die Brustbeutel mit
Hundezähnen hervorzuheben. Alles Andere ist entweder in derselben
Weise noch an vielen anderen Orten zu finden, oder verschieden. Es ist
daraus ersichtlich, dass eine lediglich auf Ethnographica sich gründende
Gliederung hier sehr misslich ist; denn wir würden auf diese Weise aus-
gedehnte Bezirke gewinnen, die wegen der grossen Verschiedenheiten
keineswegs ein geschlossenes Ganzes bilden, mag auch die genauere Unter-
suchung trotz äusserer Gleichartigkeit noch mehr Verschiedenheiten auf-
weisen. Wohl ist das wenige Gemeinsame ausschlaggebend für den Zu-
sammenhang, da viele eigen thümliche Geräthe, Stoffe und Formen auf
ganz beschränktem Raum vorkommen, wie die Kürbis- und Kokosnuss-
schälchen auf den Tami-Inseln, die langen Schilde') bei den Jabim, eine
Keulenform mit besonderem Griff und vielleicht die Steinkeulen bei den
Kai -Leuten u. s. w. Aber wie gesagt, Uebereinstimmungen reichen mit-
unter sehr weit, und auch auf engem Raum wird man häufig nicht mehr
Aehnlichkeit finden, als auf weitem, da unsere Museen ja nicht mit allen
vorkommenden Dingen und ihren Variationen ausgestattet sind. Auf diese
>Veise wären also unsere beiden Districte schwer weiter zu gliedern.
Um so willkommener muss daher die Hülfe der Ornamentik sein, wo sie
so entwickelt ist, wie in unserem Gebiet.
Bemerkenswerth ist, dass in der Landschaft Poum, die schon zum
District Astrolabe-Bai gehört, die fein geflochtenen eigenthümlichen Haar-
bänder jener Ge«::ond zuerst vorkommen, und auch die „Kleidung" nach
Sc hei long wie in Constantinbafen ist*).
1) 0. öchellong, Boitr&ge. Zeitschr. f. Kthnolo^e XXIII, 1891, S. 158-169, 162,
169—170, 178.
2) Daf^cgen sollen nach Zöller dit^se Schilde nur bei den Kai- Leuten vorhanden sein
(Dcutech-Neu-Guinea 1891 S. 12\
8) Beitrftge, Zeitachr. f. Ethnol. XXIII, 1891, S. 172.
Künstlerische Darstellungen ans Kaiser- Wilhelms-Land. 103
Handel und Verkehr. Obwohl die Eingeborenen unseres Gebietes
keine grossen Seefahrer sind, die den Verkehr weithin tragen könnten,
60 weisen doch einige Angaben darüber sogar über die Grenzen des
Distriets Finschhafen hinaus. Als die Expedition Schneider am 5. De-
cember 1887 in der Nassau-Bucht, etwa 25 km südlich vom Cap Parsi, mit
den Eingeborenen in Kampf gerathen war, war die Nachricht davon bereits
über Land nach Finschhafen vorausgeeilt, als die „Samoa" mit den
Expeditionsmitgliedern dort am 13. December eintraf*). Die Bewohner der
kleinen Insel Bili-Bili südlich von Friedrich Wilhelms-Hafen in der Astro-
labe-Bai sollen nach dem Bericht dos Freiherrn von Schleinitz ihre
Thontöpfe bis nach Finschhafen und weiter vertreiben'), wodurch freilich
ein directer Verkehr noch nicht behauptet wird. Auch Schellong')
schreibt von Eella, dem südlichen Bili-Bili — „mit Export von Koch-
töpfen, desgl. von Djanem (Schildpatt-Ohrringen) und mbi*' (Armringe aus
Trochus nil oticus)*): „Von diesem Ort war zur Zeit meines Aufenthalts (in
Finschhafen) öfters die Rede. Aus einem Gespräch mit Bewohnern der
Tami-Inseln schien hervorzugehen, dass sie sich dort die Grenze des
Himmelsgewölbes denken. Hier steigen die Verstorbenen in die Sterne
zum Himmel hinauf, die Häuptlinge in die grossen, die Frauen in die
kleinen." Es erscheint also als die äusserste sagenhafte Grenze der be-
kannten Welt. Nach Finsch*) erstrecken sich dagegen die Fahrten der
Bili-Biliten bis nach Karkar (Insel Dampier) im Norden und Cap Teliata
im Süden, — also nicht einmal bis zur Grenze unseres Distriets, — und
ebenso besuchen Bewohner dieser Orte die Insel. Die Tami- Insulaner
dringen in ihren Segelkanus bis Neu -Britannien und zur Insel Rook vor
und verhandeln ihre Producte, Oocosnüsse, Kürbisschälchen, kahnförmige
Holzschalen mit hübscher Bemalung, Schildpatt- Verzierungen u. dgl. m.
„weit und breit** in den Küstendörfern unseres Distriets. Andererseits
kommen die Rook-Insulaner bis nach Finschhafen*).
Was jewes „weit und breit** Schellongs bedeutet, wird uns vielleicht
aus der Schilderung des Barium - Beschneidungsfestes desselben Autors
näher gebracht. Bei diesem in grösseren Zwischenräumen wiederkehren-
den Festcyclus, der ein ganzes Jahr in Anspruch nimmt, waren ^tls Gast-
geber, bezw. Gäste Bukaua-, Kai-, Jabim- und Tami-Leute vereinigt').
1) Nachr. aus K. Wilh.-Land 1887, S. 167.
2) a. a. 0. 1887, 8. 38.
8) Jabim-Sprache S. 54 unter .Eella** und Anm.
4) Schellong, Jabim-Sprache unter („m)bi".
6) Ethnol. Erf. 11, S. 49.
6) Schellong, Zeitschr. f. Ethnol. a.a.O. S. 178. Münch. Allgemeine Ztg., 15. Febr.
1889. Finsch, Ethn. Erf. n, S.49.
7) Schellong, Das Barlumfest. Internat. Arch. II, 1889, S. 145 ff. Für die auf S.154
aufgeführten Dörfer, die an dem Fest theilnahmen, ist leider die geographische Lage
meistens nicht zu ermitteln.
104 K. Th. Preoss:
Einer der Tbeilnehmer wollte seiner Zeit in Poum beschnitten sein.
Aehnlich hatten sich bei einem Fest in Tiggedu^ an der Grenze der
Landschaft Bukaua» dessen Mittelpunkt die jungen Mädchen bildeten, etwa
2000 Personen von nah und fem, theilweise nach tagelangem Marsch, ein-
gefunden. C. Hellwig schreibt darüber*): »Es waren hier Vertreter der
Perru-Stämroe, aus der Nähe von Fortifications-Cap sowohl, wie solche
aus dem Innern des Hüon-Golfs, aus dem eigentlichen Bukaua, — sowohl
die scheuen Bergbewohner, wie die dreisteren aus den Küstendörfem
waren vertreten^. Bemerkenswerth ist, dass auch sonst die Stänune in
socialen Beziehungen stehen. Heirathen z. B. zwischen Jabim und Poum
sollen gar nicht selten sein*). Jeder „auch nur einigermaassen gewitzte
Papua^ spricht femer ausser der seinigen eine Nachbarsprache, ältere
Leute sogar zwei bis drei, und es ist Sitte, die vomehmeren Knaben, be-
sonders die Häuptlingssöhne im Alter von 13 bis 15 Jahren, zu einem
oft mehrere Tagereisen weit entfemt wohnenden befreundeten Stamm zu
schicken, namentlich, damit sie die Sprache desselben erlernen und die
Beziehungen zwischen deu Stämmen auch weiter gepflegt werden*).
Lineare Darstellungen. Da an den plastischen Figuren viele
lineare Ornamente sind, durch deren Elarlegung oft erst das Wesen der
ersteren erkannt werden kann, so ist es zweckmässig, hier in umgekehrter
Reihenfolge, als in der Uebersicht zu beginnen. Die Muster sind auf
Holz, Schildpatt, Kürbis, Trochusschnecke und Bambu, und zwar selten
durch Bemalung, die allerdings gewöhnlich hinzutritt, sondem fast immer
vermittelst Schnitzerei angebracht. Die Farben sind schwarz, weiss, roth.
Einwirkung des Materials auf die Darstellung tritt so wenig hervor, dass
wir diesen Punkt vernachlässigen können. Nur ist zu bemerken, dass
das eigentliche Feld abwechselungsreicher Combinationen die Kflrbis-
körbchen der Tami-Inseln sind. Hier ist auch das menschliche Gesicht
in kühnen Curven zum Ausdruck gebracht. Mit den einfachsten Linien
sind die wenigen Bambugeräthe und Trochusschnecken verziert. An
ersteren tritt auch Brandmalerei auf. Di^durch bunte Fäden hergestellten
Muster in den gehäkelten Taschen tragen natürlich einen ganz anderen
Charakter und weisen auch andere Farben auf.
Die Menschengestalt. Beginnen wir mit der ganzen Menschen-
figur. Doch müssen wir zur Ableitung der Formen auch die Darstellungen
des Districts Astrolabe-Bai zu Hülfe nehmen, obwohl kein Zweifel übrig
bleiben kann, dass trotzdem der Mensch das Urbild ist. Tanzende Ge-
stalten, die einander bei der Hand gefas^t haben, würden wir ohne Weiteres
in Fig. 3 erkennen, allein in der Literatur kommt die Beschreibung eines
solchen Tanzes nicht vor, und es ist klar, dass ein Reihenomament der
1) Nichr. ans K. Wilhelm-Land 188i*, S. 87.
2) Schell ong, InUrnat Arch. II, 1889, S. 146.
8) a. a. 0. 146. Den., Das FamilieDleben der Papuas. Z. f. Ethnol XXI, 1889, S. 16.
RäDstlcriscbe DantellnDgen ans Kaiser-Wilhelms-LaDd. 105
MeDScheafigur besonders Arme und Beine verbiiideD wird. Dass jedoch
das Urbild für den District Finschhafen (Fig. 1), wie es auf den Lang-
Bchilden vorkommt, oder die Darstellung auf der Sepiaschale (Fig. 2)
tanzt, hat theils wegen des Federkopfschmucks, tbeils wegen der erhobenes
Hände und FOsse die Wahrscheinlichkeit für sich. Federpntz, Kopf und
Körper sind zwar in der Fig. 1 in drei Theile zerlegt. Sie geboren aber
Fig. 1—10. HenscbengestalteD.
1) '/„ d. wirk). Gr., Theil der Bemalung eines Schildes, Finschhafen. — 2) '/,. Sepia-
Khale, Friedrieh Wilhelms- Hafen. — S) '/f Bambubebälter, ohne ProvcnieDi. Abreibung. —
4) Vi- Bambolianini, Tiggedu. — 6) '/,. Griff eines „Häuptlingsstabes", Kai. — 6) '/.-
BambubebftIteT, ohne Provenienz. — T) '/<■ Desgl. Kelana bei Cap KOnig Wilhelm nördlich
Tom Cap FortilicBtion. — 8) '/i- Armband aus Trochus, Finschhafen. — 9) '/,. desgl.,
Cap Cretin - 10) '/,. Desgl., Finschhafen.
zusammen, und auf einem anderen Schilde (Fig. 15) ist auch der mehr rea-
listisch gebildete Federbuech mit dem Kopfe verbunden. Wie sich nun durch
Vereinfachung der Formen die Henschenägur entwickelt, ist ohne Worte
aus den Abbildungen zu ersehen. Der Kopf verschwindet, nnd Arme und
Beine werden in den Reihenornamenten einfache gerade Linien, die zwischen
je zwei Gestalten im Winkel zu einander auslaufen, z, Th. auch (Fig. 8)
106 K. Th. pREfse:
sich Bchoeiden. Auch die Fig. 7, ia welcher die Extremitäten vom Leibe
getreant sind, ist wohl mit Sicherheit hierhin zu rechneu. Nun gehört,
entsprechend der sonstigen Ornamentik, der rhombische Leib der Kflnimer-
formen ohne Kopf dem Distrlct Astrolabe-Bai an, — die betreffenden Stücke
ohne Angabe werden durch andere darauf ausgeführte Muster dem
District zugewiesen, — der ovale dem District Finschhafeo, während die
gerade Linie des Leibes, wie die Armbänder, auf denen sie dargestellt
1*
Fig. 11-16. OesichtsornBinent.
11) Vi- Holwrhwert, Jabiin. — 12) '/i- Cocosnuss-SchSlchcn, Tami-Inseln — 13) '/,.
Holischwert, ohao ProveDioni. Abreibuug. — 14) '/,. Cocosnuss-Schilchen, Tami-Inaeln. —
li) Vw Theil derBemalung.'inesSchililes, FinschUfeu. — 16) '/,. Schildpalt- Armband,
llüon-G<ilf').
ist, bt'idt'n Bezirken eigen ist. Schliesslich ki'uuen auch Arme und Beine
wegfallen und es bleiben nur ilie Leiber übrig: Khomben im District
Astrolabe-Bai, parallele Striche (Fig. l<f) auf den Trochus-Armbändern.
Die Einschnürung, welche in Fig. D der Leib am Ansatz der Arme und
Beine erfUlu-t, ist als Resultat der Technik, nehmlich bei der Einritzung
I) Alle Stücke mit der Aiigabo ,HQgii-fiolf* aind etwas wcytlidi vom Cap Parw
gesammelt.
Künstieiische Darstellungen ans Kaiser- Wilhelms-Land. 107
der in der ZeichnuDg schwarz ausgeführten Linien zu betrachten: die
Arme, wie die Beine jeder einzelnen Figur haben bei ihrer Fortsetzung
zum Rande des Armbands den Leib oben und unten verbreitert. Ein
Gentrum der Fabrication solcher Ringe soll in unserem District die InBel
Rook sein^). Es sind übrigens die einzigen ornamentirten Gegenstände
jener Insel. Sie lassen jedoch die Zugehörigkeit zu einem der beiden
Districte offen. Aus den Kai -Dörfern sind die Armringe nicht bekannt,
wie das Material von dort überhaupt gering ist, aber genügend, um die
Zugehörigkeit zum District ausser Frage zu stellen.
Das Gesicht. Die Darstellung des Menschengesichts hat die Eigen-
thümlichkeit, dass gewöhnlich, in unseren Zeichnungen immer^ der Feder-
kopfschmuck, wie er beim Tanze z. B. am Barlümfest gebraucht wird, ab-
gebildet ist. Jedoch ist nur der Schmuck der Fig. 15, die übrigens in
Wirklichkeit einen ebensolchen, vom Kopf getrennten Leib hat, wie Fig. 1,
als solcher zu erkennen. Auch der hohe Aufsatz von Fig. 11 entspricht
einigermaassen einer Abbildung bei Schellong*). Die helmartigen Zier-
rathen Fig. 12 und 13 erinnern an den ebenfalls abgebildeten'), im Museum
befindlichen Gesichtshelm, einen kegelförmigen, spitzen, von Federschmuck
überragten Hut aus einem mit Bast überspannten Gestell, der vorn ein
Gesicht trägt. Auch die sonst in ähnlicher Form nicht vorkommende, in
Fig. 13 oben schwebende Darstellung kann möglicher Weise noch als ein
zweiter Schmuck gelten, wenn auch dem Künstler zugleich die Gestalt
eines Thieres vorgeschwebt haben mag. Dieses Thier ohne ähnliche Typen
benennen zu wollen, ist vollkommen zwecklos. Vermengung von Kopfputz
und bestimmten thierischen Formen, nehmlich Fischen, werden wir noch
später begegnen (Fig. 110), und es ist auch als Zierde der Beschnittenen,
die in die Armringe gesteckt wird, ein über drei Holzstäbchen gespanntes
Blatt mit einer Feder im Museum vorhanden, das einen Fisch darstellt.
Dass aber sonst Blätterschmuck in die Armbänder gesteckt wird, ist
bekannt. Auch die nicht zu erklärende, aber sicher ein Thier darstellende
Gestalt in Fig. 14 schwebt über dem Kopfputz eines anderen Gesichts auf
dem Schälchen Fig. 12, wo jede der symmetrisch angebrachten Gesichter
eine zweite Verzierung über dem Kopfputz trägt. Solche Kopfputze bilden
hier auch, regelmässig auf der Peripherie eines Kreises vertheilt, einen
Stern. Auf der Abbildung (Fig. 12) sind davon jedoch nur einige Aus-
läufer zu sehen, da der Stern den Boden einnimmt. Charakteristisch
sind die Dreieck- oder Zickzackumrahmung der Augen, die der erwähnten
Bemalung der Beschnittenen beim Barlumfest entspricht, femer die Ohren,
welche meist aus je zwei einen stumpfen Winkel bildenden Linien be-
stehen (Fig. 11 — 13, 16), und die wagereeht stehenden Nasenflügel, welche
1) Schellong, Jabimsprache unter „(in)bi''.
2) Das Barlamfest Internat. Arch. II, 1889, 8. 149.
8) a. a. 0. Taf. YII, Fig. 1.
108 K. Ts. PREU88:
an den Enden nach nnten umbiegen. Der Mund ist zuweilen mit einer
gemalten Fortsetzung nach beiden Seiten, -wie in Fig. 17, bedacht, was
Tielleicht auch der Bemalung der Beschnittenen entspricht*). Die Ver-
bindung der gewöhnlich ovalen Äugen mit der Nase ist eine verschiedene,
ebenso die Form der letzteren, welche auch bimförmig (Fig. 17. 24)
sein kann.
Fig. IT— 23. Nstcnornament.
17) Vj. Kürbis-Schlichen, Tami-Inseln. — 18) '/„ Schildpatt- Armband, Finschhkfen. —
19) '.',. KürbiB-Schftlchen, Tuni-Inseln. Abreibung. — 30) ■/■' Seitenbord eines KanD-
modells, desgl. — 21) */(• desgL, .Finschhafen iiod Umgebniig'. — 22) und 33) Vi- dmgl.
Tami-Inaeln.
Die Nase. Die einzelnen Theile werden auch allein zum Gegenstand
der Darstellung gemacht werden. Betrachten wir zunächst die Nase, deren
nach unten gekrümmte Flügel eich spalten und dann wie gewaltige Eber-
liauer abwärts gerichtet stehen (Fig. 17 — 19). Die Entwickelung zeigt die
Figurenreihe 17 — 23; jedoch habe ich dieses Motiv nur an wenigen Ge-
r&then der Tami-Inseln und Finschhafens beobachten können. In Fig. 20
bilden sogar zwei Nasen der Art ein neues hObsches Muster; rein orna-
mentale Zähne sind zu weiterer Ausschmflckung liinzuKefögt. Fig. 21
zeigt jedoch diese Herrlichkeit bereits in rohe Schemen verwandelt, was
auch an der FIflchtigkeit liegen mag, mit welcher die Bemnlung des be-
treffenden Kanumodells ausgefährt ist. Derartige Nasen, jedoch ohne die
Zweithoilung der FlQgvl sehen wir auch an i\et folgenden, hOehst merk-
würdigen Fig. 22. welche oben Augen and Nase, etwa wie Fig. 13, besitzt,
dagegen unten ein einziges Auge mit den üblichen Zacken, an denen
1) TgL die Abbildung bei Schellong, Barloinrest. luteraat. Arcb. U, 8. 160.
K&nsÜerische DanUlluigen aus Kaiser- Wilhelms-Land. 109
unfehlbar die Augennatur zu erkennen ist, obwohl sonet die Augen selten
rund gezeichnet werden (vgL Fig. 137). An diesem einen Auge hängt
nnten nach rechts und nach links je eine kleine Nase, die in der folgenden,
sonst ganz ebenso beschaffenen Fig. 23, von der hier jedoch nur der ünter-
theil zu sehen ist, kaum noch ohne Fig. 22 zu erkennen sein würden,
da die Nasenflflgellinien am unrechten Orte sitzen. Jetzt werden wir auch
vermuthen dürfen, dass in Fig. 20 die zwischen den beiden gegeneinander-
gerichteten Nasen befindliche Darstellung zu ihrem Mittelpunkt ein Auge
Fig.34— 86. Augenornament I.
24) V,. Kürbis-Kalebasse, Cap Forttfioation. — 26) '/•• Kürbis-Scbllchen, Finschhafen. —
26) '/,. Schildpatt-Armband, desgl. Abreibung. — 27) '/*■ Ruderblatt, Fiiucbbafeii. —
28) Vi- Selbständige Figur (Mensch mit Krokodil), Cap Cretin. — 29) '/,, Lüffe Ist iel ende
(Vogel), „Finachhafen ond Umgebung*. — 80—31) '/,, Trommel, Tami-Insel. Abreibung, —
82) 7^ Theil einer Trommel, Fortifieation- Point- — 88— M) '/i- Schildpatt-Ohrring beiw.
Armband, Hüon-Golf. Abreibung. — 85) Vi- Trommel, desgl
110 E. Th. Preuss:
hat, das vielleicht die gaoze Gestalt vertreten soll. Ob die Verbindungt-
linien mit den Rändern die Beine andeuten sollen? Das a unten in
Fig. 19 ist als Beweis europäischer Cultur nicht zu verkennen.
Das Auge I. Gegenüber dem spärlichen Vorkommen des Nasen-
ornaments ist die Verwendung des Augenornaments sehr häufig in der
Gestalt von flachen, mit den concaven Seiten einander zugekehrten Kreis*
Segmenten, denen die ^»Augendreiecke^ häufig noch anhaften (Fig. 25^ 26),
oder wenigstens ihre inneren Seiten, welche vom Zusammenstossen der
Augenbogen an schräg nach aussen gerichtet sind (Fig. 28). Letzteres kommt
auch auf Gesichtern vor, wo dann der Band des Gesichts die andere Seite
des „Augendreiecks" bildet (vgl Fig. 66). Wenn nun, wie in Fig. 29,
die Augen in einen Strich verkümmern, so nehmen sie sich zusammen
mit den eben besprochenen restirenden Linien der „Augendreiecke" als
etwas ganz Neuartiges aus. Andere Augen wiederum haben oben und unten
concentrische Bogen, die am höchsten und tiefsten Punkt einen Zahn-
auswuchs aufweisen (Fig. 24, 32a), ähnlich wie das auch bei der „geo-
metrischen" Omamentirung durch kleine Kreise geschieht, z. B. Fig. 180 am
linken Hinterfuss. Vollständige Augenbänder zeigen die Trommel Fig. 32
und die Fig. 30, 31, und zwar erstere bei c mit concentrischer Einfassung.
Besonders lehrreich ist die Ausfüllung des Raumes zwischen den Augen
dieser Figuren. Indem man nehmlich nach Art der Fig. 28 von den inneren
und äusseren Augenwinkeln schräg aufwärts Striche zog (Fig. 326), die,
wie wir wissen, sich von den „Augendreieckeu" herschreiben, und diese,
wenn sie nicht zusammenstiessen, durch eine oder mehrere Zacken verband
(Fig. 30, 31), — was sehr an die ursprünglich an den Gesichtern vor-
kommenden erwähnten Augenzacken erinnert, — so entstanden zwischen
je zwei Augen oben und unten dreieckige Räume, in welche theils Zacken
oder Winkel (Fig. 30 rechts, 326), theils Stücke von Ovalen (Fig. 30 links,
326) geritzt wurden. In der Fig. 31 stehen die Augen weiter aus einander
und sind durch ein Ornament verbunden, das später noch erklärt werden soll,
das der Krokodilaugen. Häufig ist noch zwischen jedem Augenpaar eine Art
von Nase angedeutet, wie in Fig. 26. Das Ruderblatt in Fig. 27 zeigt eine
Reihe von Augen über einander und unten als Abschluss ein gewaltiges Auge.
Die omamentale Ausfüllung des zwischen den obersten Augen liegenden
Raumes durch Theile von Ovalen leitet zu den Formen Fig. 34 und 35
über, deren Entstehung auf ähnliche Weise vorläufig nicht ganz sicher ist
Dass wir aber in der Mitte von Fig. 33 die durch viele concentrische
Linien umgebenen Augen vor uns haben, erscheint kaum zweifelhaft
Schliesslich bürgen die eingangs der Gruppe aufgeführten beiden Gesiebter
dafür, dass wir es in der ganzen Serie wirklich mit „Augen" zu thun
haben. Fig. 24 zeigt noch ein vollständiges Gesicht, es finden sich
aber bereits drei überflüssige Augen darin; Fig. 25 hat ein Augenpaar
Künslleriacbe DarstellangeD ans Kaiser-WilhelmB-Lind.' ]]1
mit „Augendreiecken" statt des Mundes, während die Nase zu kurz ge-
rathen ist. Freilich kann das Gesicht auch umgekehrt „genossen" werden,
man wird dann aber die einzelnen Augen nicht als StellTertretung anderer
Geaichtstheile auffassen können. Wo diese Augen überall Torkommen,
das aufzuzählen, ist unmöglich. Es sei also nur noch auf die etwas
Tariirten Augen in der Mitte von Fig. 5f> und 183 aufmerksam gemacht.
3t.. 58.
Fig. 86— M. Augonornament II.
86) etwa '/»■ Relief auf einem Brett bd einem Oemeindehana*!, Suam bei Pinschhafen. —
87) Vf Schildpatt-Annband, HSon-äolf. — 38) ■/*. Ruderblatt, Cap Fortification. — 89) '/■■
Schildpatt- Ann band, WonDam, Tami- Inseln. Abreibung. — 40«, 6 — 41) Vi- desgl. Tami-
Inseln. — 42—44) '/,. Trommel, Tami-InselD.
Das Auge II. Die Augen werden aber auch anders dargestellt,
nehmlich durch ein Segment, das von einer geraden Linie begrenzt ist.
Das sehen wir häufig an geschnitzten Köpfen, besonders wenn der obere
Augenhöblenrand oder das Ende des Augenlides, die Lidspalte, durch
einen tiefen Absatz bezeichnet ist (Fig. 32 oben links, 36, 66). Isolirt
bemerken wir derartige Augen in Fig. 39. Fig. 40a zeigt Gruppen solcher
Augenbögen in Staffeln über einander gethürmt. In Fig. 40^ nehmen die ein-
zelnen Augen eine winklige Stellung zu einander ein, und in Fig. 41 ist die
Schrägstellung derart volleudet, dass nichts mehr den Ursprung verräth. Die
Freude an der Gestaltung neuer Motive war der Hebel dazu. Doch wollen
wir noch einen weiteren Beweis dafür liefern, dass das Endglied Fig. 41 in
der That von den Äugen hergeleitet ist, nehmlich durch die Fig. 42 — 44,
Obwohl es nicht klar erscheint, ob die Halbkreisform derselben sofort als
1) Die ZeicbnuDgen der Pignren auf den 4 im Museum befindlichen langen Brettern
könnten nnr anTollbommen gcachefaen, da diese magaiinirt waren.
112 K. Th. Priüss:
Gesichtsumriss gezeichnet oder auf andere Weise entstanden ist^) und erst
später mit den Kennzeichen des Gesichts erfüllt wurde, so deutet doch die
Ausschmückung des inneren Raumes nicht darauf hin, dass jemals andere
Ornamente, als die des Gesichts, darin ihren Platz gefunden haben. Ebenso
ist es mit Fig. 46 und den anderen, an derselben Stelle der Trommeln
vorkommenden. Halbkreisen; sogar in Fig. 32 unten, wo statt des Halb-
kreises noch oder schon ein Theil eines Ovals entstanden ist, enth< der
Raum dieselbe Grrundeintheilung des Gesichts. Wir sehen in Fig. 42 die
vollständigen Augen mit Nase und Nasenflügel, sonst aber wenigstens
immer den unten sich verbreiternden Nasenrücken und die bis zum Ab-
schluss der Nase reichenden, gewaltig vergrösserten Augenhöhlen, die in
Fig. 43 mit krummen, den Umrissen einigermaassen parallelen Linien, in
Fig. 44 mit den schon erwähnten, schräg zu einander verlaufenden Segment-
bündeln erfüllt sind. Inwieweit also letztere mit den Augen zusammen-
hangen, kann jetzt jeder selbst entscheiden. Diese zweite Art von Augen
ist ebenfalls gar nicht selten, und wir werden ihnen noch öfters begegnen.
Jetzt sei nur auf die Fig. 33 hingewiesen, wo beide Augenarten neben
einander vorkommen, und zwar die zuletzt besprochenen, wie gewöhnlich,,
am Rande. Fig. 37 zeigt ein Band solcher gegenübergestellter Augen,
und setzt man dazu die „Augendreiecke", so hat man in Fig. 38 ein Muster,
das auch angewandt wird, nachdem die Augen in gerade Linien ver-
kümmert sind.
Der Mund. Endlich müssen wir auch dem Munde sein Recht zu-
kommen lassen. In Fig. 45 sieht man ein Mensch engesicht mit ungeheurem
Munde, der, sich im Halbkreise nach oben wendend, mit dem die Augea
concentrisch umschliessenden, gezähnten Segment verwächst. Die un-
gegliederte Nase hat auf ihrem Rücken ein Omamentbaufl, das nach oben
zu durch einen normalen Mund abgeschlossen wird. Man kann eben das-
Gesicht, wie das in Fig. 25, von unten, wie von oben betrachten, während
die Gesichtsrundung eigentlich das Letztere erfordert, so dass dann der
normale Mund der eigentliche ist. Diesen kann man in ähnlicher Form
auch an anderen Gesichtern beobachten (Fig. 66). Ein solcher Mund
unterscheidet sich vom Auge durch die abgerundet ovale Form, die
manchmal an einer Längsseite eingebuchtet ist, gewöhnlich durch einen
horizontalen Schlitz in der Mitte. In Fig. 46, die ebenfalls ein groteskes
Gesicht mit dreieckigen, an der Innenseite tief eingezackten Augen zeigt,
ist der ganze Nasenrücken mit Mündern der einen Kategorie bedeckt, die
unten durch den eigentlichen Mund, welcher der zweiten Kategorie an-
gehört, abgeschlossen werden. Die Areie Verwendung des Mundes auf dem
wie ein Nasenrücken gestalteten Mittelomament in Fig. 48 und die Hori-
1) Eine Yennathiuig über die Art der Entstehung vird sp&ter aasgesprochen werden*
EÜnstlerische Dustellangen ms Kafser-WilhelmB-Luid. 113
zontalreihen von Doppel- und einfachen Mündern in Fig. 47 dOrften nun
ohne WeJtereB einleuchten.
Aach dieses Ornament wird sehr yiel gebraucht. Ich verweiBe nur
auf die Fig. 121, 136 und 187.
Auge und Nase. Sehr eigenartige Gebilde weist das Augen-Kasen-
omament auf. Das Gesicht auf dem Miirser Fig. 49 zeigt eine merkwürdige
Form der Nasenflügel, denn solche sind es und nicht etwa der Mund, der
iJfters vernachlässigt und nie so enge an die Nase angeschloBsen wird.
Isgstsggl,
Fig. 45 and 48. Ornament des Mandes. Fig. 49— M. NaBeo-Angei
45) '/,. KOrbis-SchKlcheii, ohne ProTenieni. — 4G) 'U- Tsomme!, Finachhalen. — 47) '/.■
Bchildpatt-Armbimd, Tami-Inaeln. Abreibung. — 48) '/■- SchildpatUOhMug, Höon-Golf,
desgl. — 49) '/,. Mörser, „Kaiser-Wilhelms- Land". — 60) '/*■ Trommel, Finschhafen. —
61) Vf Trommel, ohne ProveDieni. — 62—58) >/>. '3^^ eines „HAuptlingsstabes", Kai. —
54) V«. Stab, Oap Fortification.
während man den NasenSilgeln stets eine besondere Sorgfalt erweist und
oft, wie erwähnt, die horizontale Form zuerkennt. Eine Reihe solcher
Nasen nun, mit sehr kurzem Nasenrücken, aber gewaltigen Flügeln sieht
man in Fig. 50 durch Bogen verbunden, in denen ohne Zweifel die eine
bekannte Augenart II zu erkennen ist. Es ist femer sehr wahrscheinlich,
dass der geschweifte Mäander Fig. äl eine Folge der Abschleifung dieser
Darstellung ist, — auf welche Weise, ist leicht ersichtlich. Wie jenes
Ornament, kommt auch dieses nur auf einer einzigen Trommel, noch dazu
114 K. Th. Prkuss:
ohne Provenienz, Tor; allein die übrigen Figuren darauf lassen die Her-
kunft aus unserem District nicht zweifelhaft. In der Erklärung von Fig. 52
wird man vielleicht weniger glauben, dass zwei gegeneinandergestellte
Augenpaare mit Nasen, durch ein Zickzackband getrennt, die zum Aus-
druck gebrachte Kreuzesform abgeben. Nasenrücken und -Flügel haben
nehmlich hier abweichend von der sonstigen Gewohnheit der Gegend,
beide Theile genauer zu gliedern, dreieckige Form. Nehmen wir nun
zum Beweise die Schildeinfassung auf den Figuren 1 und 15 zu Hülfe.
Auf beiden Seiten der tanzenden Menschengestalt in Fig. 1 sehen wir je
eine steigbügelartige Form flankirt von langgestreckten unregelmftssigen
Bogen, die in der Zeichnung jedoch nicht ihre völlige Ausdehnung zeigen.
Die Steigbügelform ist nichts anderes, als die typische Nase mit Flügel;
was die Bogensegmente vorstellen, kann sich nun jeder denken. Aber inner-
halb der letzteren sehen wir wiederum eine Reihe von Segmenten, welche
die typische Augenform II repräsentiren. Sie sind unterbrochen von Drei-
ecken und Rechtecken, die zuweilen auch an den nach dem Innern des
Schildes zu gelegenen Ecken abgeschliffen, oder überhaupt unregelmässig
gestaltet sind. Alles zusammengenommen, hoffe ich, wird es einleuchten,
dass wir es auch hier überall, sowohl im Ganzen wie im Einzelnen, mit
dem Nasen -Augen -Ornament zu thun haben. Unkenntlicher ist dasselbe
Motiv auf dem zweiten Schilde Fig. 15, von dem ausser dem oberen Theil
der Malerei in der Mitte nur die obere linke Seite zur Reproduction ge-
bracht ist. Aber trotz der beuteiförmig herabhangenden Augen und der
ganz schematischen Dreiecke dazwischen ist die Aehnlichkeit mit Fig. 1
nicht zu verkennen, und verbunden mit derselben Oertlichkeit der Dar-
stellung ist auch dieselbe Erklärung zweifellos am Platze. Gehen wir noch
einen Schritt weiter. Was mögen nun wohl die weiter von den Augen
abstehenden Dreiecke und Bogenformen zwischen den Augen der Augen-
bänder Fig. 30 — 32 darstellen, die wir vorher aus den Resten der „Augen-
dreiecke"^, verbunden mit dem Bedürfniss der Ausfüllung des leeren Raumes,
erklärt haben? Vielleicht auch Nasen. Die Uuterscheidungsmöglichkeit
in der Entwickelung hört hier auf. Doch möchten wir die letztere Aus-
sicht der Erklärung stark in Betracht ziehen und nun sogar auf die senk-
recht übereinandergestellten Augen in Fig. 27, 34, 35 ausdehnen, zwischen
denen dann also, ganz deplacirt, Nasen als Bogensegmente erscheinen
würden. Doch zurück zu unserer Figurenreihe 52 — 54, in der übrigens
nur die Hälfte des abgewickelten Ornamentes zu sehen ist, so dass also
in Fig. 52 in Wirklichkeit je zwei Nasen und zwei Augen oberhalb und
unterhalb der trennenden Zickzacklinie zu sehen sind. Das Ornament zu
einer Seite der letzteren kommt übrigens auch allein auf einem Schildpatt-
Armband vor. In Fig. 53 sind die Nasen und Augen oben und unten, von
denen letztere den abschliessenden Strich verloren haben, durch die be-
kannte Menschenfigur getrennt, deren Arme und Beine in Zickzacklinien
Eünertlerbche Dantellungen aas Euser-WUhelmB-Lsud. 115
§chräg auf- Dnd abwärts aaslaufen. Zwischen den letzteren befinden sich
dann noch zwei Aagen des Typus I. Endlich ist in Fig. 54 die Menscben-
Fig &6— 64. Das Togelkopf-OriiBmeDt I.
65) '/•■ KannTemenmg, Finflchhafeo. — 66) '/»■ Cocoanuss-SchSlcheo, „Hatrfeldthafen',—
67) V,. Angelhaken, Hüon-Golf. — 58) '/>■ desgl., PinBchhafen. — 59) '/*■ Trommel, Finsch-
hafen. — 60) '/■■ Schildpatt- Arm band, Cap Crctin. Abieibaog. — 61) '/*• desgl. ,Finsch-
hafen beiir. Tami-Inseln", deagU — 62) '/,. Haken, Tami-Inseln. — 68) '/,. Schildpatt-
Annband, Finschhafen. — 64) '/t- desgl., H6od-GoU. Abreibang.
116 K. Th. Pbbüss:
gestalt in der Mitte auf einen geraden SMch reducirt; die Zickzackreihen
haben mit ihm nichts mehr zu thun, die A.ugen in der Mitte sind unförm-
liche Ovale geworden, die Augen oben und unten nur noch als Begrenzung
der Zickzacklinien da, die Nasen von ihm getrennt und ebenfalls als
Ovaltheil gestaltet
Der Vogelkopf I. Unter den linearen Tbierdarstellungen unseres
Districts erlangt die höchste Bedeutung der Yogelkopf, weil er — und
augenscheinlich immer derselbe bestimmte — zu mannichfachen, scheinbar
geometrischen Ornamenten sich umwandelt, überall auftritt und in Ver-
doppelung sehr oft Tbeile von Figuren bildet, in denen er als etwas ganz
Anderes, als Flügel von Vögeln, als Füsse von Schildkröten u. dgl. m. er-
scheint. Immer mehr wird uns durch dieses Motiv klar werden, wie
mosaikartig jedes einheitliche Ganze aus heterogenen Elementen zusammen-
gesetzt ist, und welche lange Entwickelung deshalb die Kunst unseres
Districts erfahren hat. Vögel in linearen Umrissen sehen wir nur zu
beiden Seiten der Fig. 55, die als Qanzes ebenfalls einen stilisirten Vogel
darstellt, wie aus dem Schwanztheil unverkennbar hervorgeht. In dem
Tbeile der Figur, den man für den Kopf des Vogels ansehen muss, tauchen
wiederum zwei Vogelköpfe auf, und femer zeigt Fig. 56 einen Vogel wie
zum Fluge ansetzend oder zur Ruhe übergehend, dessen geöffneter Schnabel
eine gewellte Doppellinie bildet. Das Cocosnusskörbchen, welches die
letztere Darstellung enthält, hat als Provenienz die Angabe Hatzfeldthafen,
stammt aber wohl von den Tami-Inseln, sicher aus unserem District Alle
diese Gestalten, für die Bilder in der Natur zu suchen unmöglich ist,
treten nur in den Fällen auf, die durch Zeichnung fixirt sind, und haben
mit „unserem^ Vogelkopf nichts zu thun. Jedoch bemerken wir auch bei
diesen Vögeln, dass die oberen Umrisse des Kopfes ohne irgend welche
Einbuchtung in die Schnabellinie übergehen. Das deutliche Urbild „unseres''
Vogelkopfes sehen wir auf dem Angelhaken Fig. 57 durch die weissen Linien
dargestellt. Der Kopf ist also nach links gerichtet, während der rechts ge-
kehtre Haken mit Hülfe desselben Auges einen zweiten Vogelkopf zu zeigen
scheint. Dass dem wirklich so ist, erkennen wir an Fig. 58. Hier dürften
die nach beiden Seiten der Augen vorstehenden gezahnten Auswüchse, wenn
sie nicht, wie häufig in diesem District^ lediglich omamentale Zugabe sind, die
Lidspalten andeuten, wogegen die vom Auge ausgehende und deil Schnabel
fast theilende Linie des linken Vogelkopfes in Fig. 57 viellö^cht als
Sohnabelöffnung gelten soll. Deutlicher noch bemerken wir diesen Xängs-
streifen in der schon sehr schematischen Fig. 59, obwohl sein Ansatz am
Auge durchaus sinnwidrig ist
Eine weitere Eigenthümlichkeit liegt darin, dass die Unterseite des
Schnabels ebenfalls oft bis zur Augenrundung fortgesetzt ist. Durch die
scharfe Krümmung des Schnabels fühlte sich dann der Künstler veranlasst
KÜDstlerische Darstellangen aus Kaiser-Wilhelms-Land. 117
die Spalte den Schnabel schräg durchschneiden zu lassen (Fig. 61), ja^ es
kommen sogar zwei Spalten vor (Fig. 64 untere Ecke; 73). Natürlich
fehlen auch oft beide Spalten und zwar nicht nur in geschnittenen Figuren
(Fig. 60). Wenn sich nun der Schnabel immer mehr verkürzt, wie auf
dem Kopfe des Reiters (Fig. 62), wo zwei Vogelköpfe hinter einander
parallel angebracht sind, — der hintere lugt in der Zeichnung gerade noch
hervor, — und in Fig. 63, wo der Vogelkopf einen Kreis bildet, so sehen
wir (Flg. 63, 64 unten) nur noch eine Oeffnung in dem letzteren, der die
Unterseite des Schnabels vorstellt, und einen kurzen Zahnfortsatz des
Auges (Fig. 63), die Schnabelspalte. So ist auch der unvollkommene Bing
Fig. 64 oben als Vogelkopf aufzufassen, und wahrscheinlich entstehen daraus
die Kreise Fig. 64 oben. Wo und an welchen Gegenständen dieser Vogel-
kopf überall vorkommt, wie ihn hier ein Thierkopf am Ende eines Ruders
im Rachen hält, dort ihn der Künstler unter dem Schwanz eines Krokodils
angebracht hat, darauf wollen wir nicht weiter eingehen; nur auf die
Fig. 49 und 55 sei aufmerksam gemacht, wo er die Ohren eines Menschen
bildet und unter dem Schwanz der Vögel ruht Anderen Darstellungen des
Vogelkopfs werden wir noch später begegnen (Fig. 117, 124, 183, 142,
143, 145 u. s. w.). Vereinzelt kommt er bis Friedrich-Wilhelms-Hafen vor,
ist aber aus den Kai-Dörfern im Hinterlande von Finschhafen bis jetzt
nicht nachgewiesen.
Das Vogelkopfpaar. Kommen wir nun zu den mannichfachen
Zusammensetzungen dieser Gebilde. Die gegen einander gerichteten Vogel-
kopfpaare der Fig. 65, in denen die Oberseite der Schnäbel vom Be-
rührungspunkt der Köpfe in spitzem Winkel von einander absteht, sind
nach dem Vorhergehenden ohne Weiteres als solche kenntlich, und es
dürfte also auch die auf einer Seite eines anderen Schwirrbretts befindliche
Darstellung, welche in den Verhandlungen der Gesellschaft abgebildet ist
und damals als Bremse im Fluge gedeutet wurde, dasselbe Motiv enthalten ^).
Ganz ihren Ursprung verleugnende Haken, aber doch Vogelköpfe, deren
Schnabeloberseite aneinanderlehnt und oben durch ein Querband vereinigt
wird, sehen wir auf dem Menschenkopf Fig. 66. Gehen die Schnabelenden
zusammen, so dass die Schnabeloberseiten in spitzem Winkel auseinander-
laufen, so entsteht Fig. 67; ein geschlossenes Gebilde wird daraus in
Fig. 68 durch Verschmelzung und Abrundung der Schnabelspitzen. Gleich-
zeitig nehmen die Augen, entsprechend der veränderten Kopfgestalt, ge-
streckt ovale Form an, indem die untere Kopfseite bis zur Spitze des
Schnabels vorrückt. Seitliche Zusammenpressung ergeben dann die Fig. 69
und 70, und das Wegfallen aller Vertiefungen eine halbkreisförmige Scheibe
mit drei Einschnitten (Fig. 71), welche schliesslich auch verschwinden.
1) 1888, 8. 267 f.
K. Ts. PSKUSS :
Gehen wir nochmals zum Ausgangspuokt dieser Reihe (Fig. 67) lurOck
und denken une die Kopfe in derselben Lage, aber ein wenig von einander
entfernt und die Schnabelspitzen durch eine Zacke Terbunden, so haben
wir eine Art von geschriebenem grossem lateinischem M, wie es die Mitte
des Oyala^in Fig. 61 zeigt.
Fig. ti5'8l. OmameDt des VogeUopfpB&reE.
66) V)- Schwirrbrett, ohne Provenienx. — 66) '/,, LBffelBtielende, C»p Cretin. — 67) "/*-
Dntertheil t'mes HolihRkcns, Finsrhhart'n. — 68) 'J,. KklmtSmiige Holuchüuel, deigl. —
69—70) '/.. VoD einem Togcl «U LOffelitielcnde, desgl. — 71) '/,. Von einem Vogel als
Kuiuachnabel, iesgl — 72) '/,. Trommel, ohne Provemeni. — 7S} */,. Schildpatt-Armbaitd.
Finiciihafca. — 74) '.,. Oborer Theü eines Kudcn, Ansicht toh oben: detgl. — 76) '/i-
Uu«elbe voa der Seite. — 76) ■,,. Tom Rücken eincB VageU (loischen den Flflgeln) am
Ende eines Raden, FiDscbbafen. — TT) '/■■ Vr.ni HQckcD uinei Erokodili, du in einen
Menschen beisst. C«p Cretin. — 78) ' ,. KopfitStie, ohne Pro*enien». — 79) V,. DeagL,
Tnnü-InMln. — 80) ■,,. KaanvertieruDg, Finichhiien. — 81) \^ Henkel eine* Kfirbit-
schUchens, ohne Provenienz.
Eine andere EDtwickcIungsreihe, deren Glieder wohl am zahlreichaton
Torkommen, er&ffnen Fig. 72 und 73, wo die Schnabelspitzen zusammen-
Künstlerische Darstellangen ans Kaiser- Wilhelms-Land.
119
BtosseD, bezw. in einander übergehen, aber die Unterseite der Schnäbel
einander zugekehrt ist. Es verschwindet nun bei den sechs Vogelkopf-
paaren im Rachen des Krokodilkopfs Fig. 74 — 75 das kreisrunde Auge,
oder es ist nur noch in einer unscheinbaren Erweiterung der bis zum Auge
sich fortsetzenden Schnabelspalte erkennbar. Es kommt nun auch nicht
immer darauf an, ob noch eine Spalte mehr zu dem Ganzen hinzutritt
(Fig. 77). Durch Vereinfachung der drei Unterbrechungen in den Kopf-
paaren entstehen (in Fig. 76, 80) drei symmetrisch angelegte Spalten,
während die obere Kante eine mehr geradlinige wird. Ein solches Gebilde
steht z. B. als eine Art aufgerichteten Flügels auf dem Rücken des stili-
sirten Vogels (Fig. 80), und die an den Schwanz sich anschliessende Leiste
zeigt dasselbe in der dritten Erhöhung. Die anderen Erhebungen haben
aber bereits eine weitere Verkümmerung durch Fortfall der Spalten und
Ausgestaltung zu einem Trapez erhalten, was aber nur in diesem Falle
beobachtet ist. Tritt der Vogelkopf aus dieser Paarung heraus, so haben
wir die gar nicht mehr kenntliche Form Fig. 78, die durch Anwendung
gerader Flächen zu Fig. 79 wird. Endlich verdient das Vogelkopfpaar
auf dem Henkel eines Tami-Körbchens Erwähnung, das durch den be-
schränkten Raum des Geräthes nicht ganz zur Ausführung gelangt ist, sich
aber an die Darstellungen auf dem Schwirrbrett (Fig. 65) anschliesst.
Etwas Besonderes besteht hier in der emporstrebenden Zacke.
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Fig. 82-95. Das Vogelkopf- Ornament IL
82, 84—96) Vr Seitenbord eines Kanumodells, Finschhafen. — 83) V,. Desgl.
Der Vogelkopf II. Kehren wir aber noch einmal zu dem ein-
fachen Vogelkopf zurück, der, in ein rechtwinkliges langgestrecktes
120 ^- '^H* PREU88:
Dreieck eingeschlossen, eine völlige Umwandlung erfährt. Die Darstellungen
finden sich an den Seitenborden zweier Kanumodelle, wo sich in langer
Beihe die Dreiecke immer zu je zwei zu einem Rechteck zusammen-
schliessen. Die Entwickelung ist zwar sehr lehrreich, da sie von der ge-
wohnten langsamen Art, in der sich Glied an Glied reiht, abweicht, aber
es ist auch psychologisch nicht ganz klar, wie sie so schnell in völlig ab-
weichende Formen stattfinden konnte. Es scheint, als ob hier die lediglich
decorativ ausschmückende Phantasie mit flüchtigen Strichen malte, denn
wir haben hier eines der wenigen Beispiele blosser Malerei. Der Yogel-
kopf in Fig. 82, wo der Schnabel wegen des Raumes keine Krümmung
erfahren konnte, ist um so eher als solcher anzusprechen, als Fig. 83 die
Form noch deutlicher verräth, während die drei Zähne unten, da solche
regellos auch an vielen anderen Stellen der gleichen Figuren auftreten,
nur decorative Zuthat sind (vgl. Fig. 20—21, die von denselben Modellen
stammen). So sieht man in Fig. 90 und 92 Zacken am Kopf, in Fig. 91
an Kopf und Schnabel. Der runde Kopf bleibt mit Ausnahme von Fig. 95
überall kenntlich. Eine ähnliche Darstellung, wie Fig. 85, zeigt auch noch
in der Einbuchtung des (Schnabel-) Dreiecks den Kreis. Der Schnabel
wird höchst willkürlich behandelt. Er wird ganz kurz (Fig. 86)^ erscheint
an zwei Seiten der Rundung (Fig. 87, 92) und fängt an sich zu schlängeln«
Den geschlängelten Schnabel haben wir ja auch schon an dem Yogel
Fig. 56 wahrnehmen können, und wir werden den Uebergang von der
geraden zur geschlängelten Linie noch in einem höchst eigenartigen Falle
beobachten können. Nachdem das Ganze ein blosses Dreieck mit einer Ein-
buchtung geworden ist (Fig. 85), theilt sich der Schnabel und wird wahllos
an einen vollständigen Vogelkopf angesetzt (Fig. 92). In Fig. 93 hat er, statt
des sonst vorkommenden einen, noch je einen Begleiter au beiden Seiten; in
Fig. 94 sind alle drei in Schlangenlinien aufgelöst und getrennt vom Kopf.
Fig. 95 endlich zeigt nur eine Schlangenlinie mit Fortsätzen an einem Ende.
Jedenfalls darf mau nicht von Fig. 93 ausgehen. Denn wir können beob-
achten, dass die drei Linien überall da auftreten, wo der Raum etwas
grösser und das einschliessende Dreieck zu einem Trapez wird. Also
erscheint die Ausfüllung des Raumes als die Hauptsache für den Künstler,
wie auch die Punkte zwischen den beiden Linien Fig. 92 beweisen. Es
zeigt sich das Festhalten an den einmal vorhandenen Formen, diese sind
aber phantastisch umgestaltet. Deshalb liegt es nicht nahe, bei jeder
Figur an ein besonderes Motiv zu denken.
Die Spirale. Wenn an dieser Stelle zugleich die wenigen Ansätze
zu Spirallinien eingefügt werden, so geschieht es deshalb, weil die Ab-
leitung vom Yogelkopf nicht unmöglich erscheint. Die Spiralanfänge
Fig. 96 und 97 sind zweifellos Vogelköpfe. Die spiralige Umbiegung in
Fig. 98, welche aber nicht eine Fläche ist wie in der Zeichnung, sondern
EfiiuUeriiche DanUllnngeii ans Kaiser- Wilhelms- Land. 121
einen rechteckigen Qnerschnitt besitzt, bat die Eigenthümlichkeit, direct
der Kopf eines Vogels mit ausgebreiteten Flügeln zu sein, und die Spirale
im verbreiterten Ende Ton Fig. 100 steht offenbar in der Mitte eines fast
dreieckig geformten Vogelkopfes. Als zwei Vögel, deren Schuftbel in
horizontalen Linien sich Tereinigen, kann man nun die Fig. 101 ansehen,
welche mit dem einfachen Vogelkopfmotiv der Art (Fig. 99), wenn wir es
denn so nennen wollen, auf derselben Trommel Torkommt. Wohl aus
Fig. 96-108. Die Spirale.
96) V,. Kopfstütie, Finschhafen. - 97) Zeichoniig nach Finsch, Ethnol. Atla«, TaX. VII
Fig. 9. Ksnnvonieiiing, Hüon-Golf. — 98} Spitie eines Kanamodells, „t'imchhafen nnd
Umgebung-, — IW) ',. Trommel, Höon-Golf. — 100) '/,. Theil eines TanzbeiU für
Fraaen, Finschhufcu. — 101] '/•• I^ommel, Hüon-Qolf. — 103) ■/.. Trommel, ohne
Provenienz. — lOS) '/•■ KürbiBtörbchen, Tami-Inseln.
dieser Gestaltung (Fig. 101) hervorgegangen ist das eigenartige Gesicht
Fig. 102, (las auch auf einer Trommel von Finschhafen vertreten ist. Es
erscheint hier zum ersten Mal, dass aus einem Motiv ein anderes wird,
jedoch bleibt der Ursprung unverkennbar. Schliesslich ist das spiralige
Gewinde Fig. 103 zu erwähnen, das auf einem Tamikörbchen unter vielen
anderen frei verwandten Mustern vorkommt und vielleicht ebenfalls kein
directus Vorbild in der Katur hat, was bei der Vergleichung mit der frei
verwandten Spirale auf dem Kürbis -Schäleben in Fig. 17 noch mehr
122
K. Th. Fkeush;
einleuchten wird. Das Netzmotiv in derselben Umrahmung (Fig. 103)
kommt zwar anch in der Nähe eines Fiecbbandes (Fig. 104) vor, anderer-
seits lassen sich aber diese gestreiften Muster, die aus den zwischen
Doppellinien aneinanderg^ereibten kleinen Rechtecken oder Quadraten und
aus paralleler Streifuug entstanden zu seio scheinen, auch an ganz hann-
losen Orten verfolgen (vgl. auch Fig. 113).
flP.
ft^^<S>WI§
Fig. 101-116. Dbi FiscborDkmeDl.
104, 113) '/(' Cocosnu)'s - Schlichen , .Hatifeldthafeu*. — 106') ■/,. Kürbis - Schlichen,
Finschhftfen. — lOG) '/»■ Desgl., ohne ProTenieni. — 107) etwa '/w- B**** »on einem
Oemeindehmn«, Soam bei Finscbhafen. — 108) ' ,. Ohnchmnck (?) mii SchildpHtt, HBon-
Qolr. — lOV) V,. Plattform einei KannmodellB, Finachhafen. — 110, 111) ■/,. Schiriir-
brett, ohne ProTenieni. — 113) '/•' Oberer Theil eines HenacbeDkopfes, gnze Figur,
Cap Cretin. — lU) ",. Scb:ift eincB Tanibciles für Kranen, Tami-Inseln. — 115} Vr
Schildpatt-Armbanil, Cap Cretin. Abreibung. — 116) * ,. D««gl., .Finscbhafen oder Tami-
Inieln". Desgl.
Der Fisch. Das Fischniotiv scheint auch bSnfig vorzukommen, be-
sondert auf den Tami-Inseln. Nicht nur dass der Fisch einzeln, allerdings
immer stilisirt, so dass er leicht von denen in jedem anderen District uuter^
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser- Wilhelms-Land. 123
schieden werden kann, auf Tami- Körbchen erscheint (Fig. 12 und 106),
er bildet dort neben und hinter einander gestellt und theils der Länge
nach durchschnitten, ganze Bänder (Pig. 104 — 105) und wird in der Gestalt
eines Kochens als Schildpatt- Ohrschmuck (?) (Pig. 108) yerwendet, als
Ausschmückung der Köpfe auf einem Schwirrbrett (Pig. 110 — 111); ja auf
dem Brett eines Gemeindehauses in Suam hat er sogar Beine (Pig. 107). Vom
Hüon-Golf bildet Pin seh einige Fische vom Seitenbord eines Kanus ab*).
Dass der Schmalbord der Plattform eines Kanumodells (Pig. 109), der, wie
wir sahen, in ähnlicher Form auch als Yogel dargestellt wird (Fig. 55),
wegen des Fischschwanzes ein Fisch sein soll, ist nicht anzunehmen, denn
der Pischschwanz allein ist ein sehr beliebtes Motiv, das als Aufsatz der
Tapamütze (Fig. 112), als Vogel- oder Fledermausflügel (Fig. 143), als
Ende der Latten unten an den Menschenfiguren, als Ornament an vielen
langgestreckten geometrischen Gebilden (Fig. 115), und schliesslich auch
hinter einander gereiht als Fischschwanzmuster (Fig. 116) auftritt. Möglicher
Weise ist allerdings in Pig. 114 noch der ganze Körper als Sechseck
stilisirt zu denken, da solch langgestreckte vereinzelte Sechsecke sonst
nicht auftreten.
Eidechse und Krokodil. Es scheint, als ob die Eidechsen nicht
so häufig auftreten, wie die Krokodile. Von unseren Zeichnungen dürfen
wir wohl nur Fig. 119 mit drei Leibern und drei Paar Beinen und
Pig. 120 als Eidechsen bezeichnen, welches überhaupt die einzigen
linearen Eidechsen-Darstellungen sind, die ich im District gefunden habe.
Das übrige: Fig. 117, ferner der Doppelkopf mit Leib — der hintere
Theil ist weggelassen — in Pig. 121, Pig. 122 und 180 sind wahrscheinlich
Krokodile. Auf ihre natürliche Zehenzahl hat man nicht geachtet. Es
wiederholt sich bei allen die Gestalt der Augen, welche aus zwei mit den
convexen Seiten einander zugekehrten Kreissegmenten oder entsprechenden
Winkeln bestehen. Durch concentrische Einschliessung kommen wir
zu dem Ornament auf dem Kopfe von Pig. 117, das auch vor dem vorderen
und hinter dem hinteren Beinpaare derselben Figur zu sehen ist und als
Vorbild für ähnliche frei angewendete Ornamente (das Augenband in
Fig. 31; ferner 40a, 118, 120) gedient hat. Ja, wenn der Holzfortsatz am
unteren Theile selbständiger menschlicher Gestalten, der, wie erwähnt,
häufig ein schnappender Elrokodilrachen ist (Fig. 66, 123), das Ornament
trägt, so ist es als Rudiment des ursprünglichen Rachens zu betrachten. Die
Oeffiiung dieses Rachens wird gewöhnlich durchbrochen (Fig. 66) oder ver-
tieft (Fig. 123), aber auch nur in den Umrissen als Hälfte eines Ovals an-
gedeutet (Pig. 136) dargestellt. Solche halben Ovale kommen nun auch
varürt auf den Seiten von Vögeln und anderen Thieren und überhaupt
1) Ethnol. Atlas Taf. VH, Fig. 9.
124
K. Th. Preu6S:
in der „geometriachen" Ornamentik hSufig vor (Fig. 124, 180 zu beiden
Seiten des Kopfes und Schwanzes), und es erscheint als nicht zweifelhaft,
dasa sie darauf zorückzufübren sind. Den ovalen Trommelabttchlaas nach
unten in Fig. 32 werden wir also anch hierhin rechnen. Es scheint, als
Fig in-125. Krokodil- ond Eidechsen-Ornament,
llt) ■/,. Schildpatts Armband, Unon-Golf. Abreibnug. — llt>) 'j^. Kaouniodell-Scitetibard,
FinschhafcD. — 119) ':,. Schildpatt-Annband, Cap FortificaHon. Abreibong. — 120) '/.-
.SirilOffel" an* Katnuknocbfo- Aiiona, Bnkana. — 12l) ' ,. Schildpatt- Armband, Bfton-
Oolt Abreibnng. — 183) '/,. Kfirbii-SchUchcn, Tami-Insela. — 129) *.,i,. H<'nscbciikopf
mit Kr altodi Ineben, ohne ProTenieiu. — 124) '/,. SchLldpatt - Annband, HBon-GolL
Abreibung. — 126) ';',. Trommel, Tami-Inseln.
ob au den sanduhrf&rmigen Trommeln anch die Zacken • Darstellungen
oben und unten die Tronimelendeo als Krokodilrachen charakterisiren
sollen. Ohne Weiteres ist das verständlich, wenn zwei Zacken, wie ia
Fig. 125, die also Ober- und Unterkiefer TOrstetlen würden, vorhanden sind.
KfiDstlerische UarstelluDgcii aas Kaiser- Wilhelm B-Laod. 125
Fig. 136— 141. Das „Saiamauder"- and Ohien- Ornament.
136) ■/■• Laogaeite einer HolischtUsel, Finschhafen. — 121) '/i- Desgl., H9on-Golf. —
128) V,. Trommel, Hfion-Golf. — 129) '/,. HoliBchwert, Finacbhafen." — 180) ■/«■ Vom
nntcKD Fottaatt eines Henaehenkopfes, Taroi-InselD. — 181) '/i- Vom unteren Fortsati einer
Hensehenfignr, .Fischel-Insel" bei Friedrich Wilkelms-Hafen. — 182) '/■■ HoUschfiasel*
Eeite, Finschlufen. — 188) '/i- Desgl., ohne ProTanieni. — 184) etwa '/>■ DesgL, Finsch-
bafen. — 185) '/*■ UeagL, von ebenda, — 186) '/i- Doppelter Uenschenkopf mit Thienachen,
Tami-Inseln. — IST) Vi' Itnderblatt, Hfion-Golf. — 188, 189, 141) Brett eines Oemeinde-
hatue«, Saam bei Finsehhafcn, — 14(^ '/,. EürbiskOrbchen, Tami-Inseln.
Ir Eltiiuilogl«. Imhtf. is»i. 10
126 K. Th. Prbüss:
Die Raohenöflfnung hat hier wegen der Trommelgestalt natürlich die Form
einer Art Parabel und hat auch so als Vorbild für freie Ornamentik gedient.
Aus diesem Motiv entstehen an derselben Stelle die Tielen Zacken, wie oben
in Fig. 32, und auf diese Fonn wieder sind auch die fast rechteckigen
Rache nöffnungen zurückzuführen (Fig. 174), deren Gestalt durch die
Stellung zwischen und den Anschluss an die Trommelgriffe bedingt ist. Der
durchbrochene oder vertiefte Rachen gestaltet sich aber auch im Verein mit
dem, was er darin hat, zu einem ganzen Oval (Fig. 75), und ich bin des-
halb geneigt^ auch diese Ovale davon abzuleiten. Die coneentrische Er-
füllung mit Linien, die Ausgestalhing zur Ellipsenform oder zu ganz ge-
streckten Ovalen (Fig. 61, 115, 143, 180) ist dann die Folge rein oma-
mentalen Verfahrens. Wir sehen also, welche gewaltige Ausdehnung das
Krokodilomament erlangt hat.
Der „Salamander". Eine grosse Rolle in der Kunst spielen femer
eine Gattung Thiere*), deren Augen genau so gebildet sind, wie die der
Krokodile und Eidechsen. Treten die beiden Augen noch näher an-
einander, so entstehen mitunter liegende Kreuze (Fig. 126, 128), die aber
in der freien Omamentik ni^ht vorkommen. Wir können von den Thieren
zwei Typen unterscheiden. Der eine Typus hat einen geraden Körper
(Fig. 126), der andere einen gewundenen, schlangenartigen (Fig. 127), der
oft an dem höchsten Punkt jeder Windung einen im Gegensatz zu der
sonst erhabenen Darstellung des Thieres eingeschnittenen, kurzen, schräg
verlaufenden Fortsatz hat (Fig. 137, 145 links), wie ein Beinmdiment, so
dass dieses Thier viele Beine zu haben scheint. Doch lässt die schema-
tische Anordnung bereits auf ihre Unnatur schliessen. Femer bemerkt
man zu beiden Seiten unterhalb des Kopfes oft einen (Fig. 126), seltener
zwei (Fig. 131, 133 oben) und noch weniger drei (Fig. 127) grössere drei-
eckige, abstehende Fortsätze, die ebenso flach wie die „Beine^ zur Dar-
stellung gebracht sind. Diese Fortsätze scheinen ein wesentliches Merk-
mal des Thieres zu sein, da sie fast nur fehlen, wenn der Raum das An-
bringen nicht gestattet, wie in Fig. 137, wo die Beine des Menschen im
Wege sind, oder auf schmalen Leisten, die ganz von dem Leibe einge-
nommen werden. Da nun noch der Leib beliebig lang oder kurz, ja der
Kopf allein mit rudimentärem Leib auftreten kann (Fig. 145 oben), und
— was für den Uneingeweihten noch erschwerend hinzutritt — der Kopf
oft mit einem verschiedenartigen, rein ornamentalen Gebilde (Fig. 126, 128)
umgeben ist, so wird man sich von der Vielgestaltigkeit dieses Leviathans
einen Begriff machen können, der zwar ein und dasselbe Thier vorstellen
soll, mit dem aber zoologisch wenig anzufangen ist. Jedenfalls ist so viel
1) Diese mnssten, obwohl auch in Hochrelief-Schnitzerei aaftretond und in der Ueber-
sicht unter den ^plastischen Thierfiguron*' aufgeführt, des Zusammenhanges wegen alle
gemeinsam unter den linearen Gebilden behandelt werden.
Künstlerische Darstellungen ans Kaiser-Wilhelms-Land. 127
klar, dass sich aus der geraden Form des hinten sich verjüngenden Leibes
die geschlängelte entwickelt hat und nicht umgekehrt, da letztere zu
typisch für ein Thier erscheint, um leicht aufgegeben zu werden, während
erstere durch die ungefällige Länge des ungegliederten Laibes und durch
zweifellos gelegentlich vorkommende Biegungen des natürlichen Vorbildes
Anlass zur Ausbildung der Schlangenform erhält. Wir könnten das Thier
wohl für eine Art Salamander halten, und die Fortsätze unterhalb des
Kopfes für die Eiemenbüschel; allein bis jetzt ist noch kein Exemplar
davon in jener ganzen Region nachgewiesen, und die Vergleichung mit
anderen Ornamenten wird noch ein merkwürdiges Licht auf diese „Eiemen-
büschel" werfen. Wir müssen uns also mit der Hauptsache begnügen,
das Urbild in der Darstellung, aus dem noch verschiedene andere Formen
hervorgehen, möglichst genau festgestellt zu haben.
Von den Zusammensetzungen dieser Figuren erwähnen wir die auf
der ganzen Länge einer sanduhrförmigen Trommel befindliche (Fig. 128),
wo oben und unten je ein Kopf ist, während die Schwänze ineinander
übergehen. Besieht man sich daneben Fig. 132, so kann man staunen,
wie aus dieser langen Gestalt durch Einschrumpfen der Leiber ein Doppel-
kopfornament geworden ist. Die lange Form der zusammengesetzten Figur
dehnt sich auch über die ganze Klinge der Holzschwerter aus; jedoch er-
scheint gewöhnlich an einem Ende ein Menschenkopf, der sich manchmal
gar nicht unmittelbar an den langen Leib des Thieres ansetzt. Dann
nähert sich auch der Kopf der anderen Seite der Menschengestalt; denn die
typischen Ohren in Fig. 129 und die Andeutung der Nase und des Mundes
lassen den menschlichen Typus nicht mehr zweifelhaft. Schliesslich haben
wir zwei Menschenköpfe, verbunden durch gerade Doppellinien, da auch die
Schlangenwindungen verschwinden^). Der Innenraum der Linien ist auf vers
schiedene, in dem District übliche Weise omamentirt (vgl. Fig. 105, 180).
Das Thier tritt aber ähnlich wie das Krokodil noch in mehrfacher anderer
Weise in Beziehung zur Menschengestalt. Wie das Krokodil auf einem
Brette an einem Gemeindehaus in Suam bei Finschhafen einer weiblichen
Gestalt mit der Schnauze zwischen die ausgebreiteten Beine stösst und
der Künstler, da es wegen des breiten Leibes nicht bis an die Vagina
reicht, dem Thier einen zweiten Kopf mit Augen aufsetzt"), so hat „unser
Thier" eine Verlängerung am Kopfe mit zwei neuen Fortsätzen, um an
den Penis eines Mannes zu gelangen (Fig. 131*). Ohne Verlängerung in
derselben Situation erscheint es in Fig. 137. Wie ein anderes Krokodil
der erwähnten weiblichen Gestalt mit dem Rachen an den oberen Theil
des Kopfes reicht"), so unser Thier in Fig. 133. Denn was sich darunter
1) Abb. bei Schellong, Barlumfest. Internat. Arch. IL 1889, T&U VII, Fig. 11.
2) Ploss-Bartels, Das Weih. Leipzig 1897, Fig. 175.
8) Die Angabe der Provenienz ist wahrscheinlich falsch. Das Stück stammt aus
unserem District.
lO*
128 K. Th. PreüSS:
befindet, ist in der That ein menschlicher Kopf mit hoher Tapamfltze.
Das macht der Vergleich mit dem Doppelkopf in Fig. 136, wovon jedoch
nur das eine Gesicht und die Ohren des anderen in der Zeichnung zu
sehen sind, zweifellos. Von den drei Theilen der Ohren in Fig. 133 haben
die beiden unteren die sonst übliche Gestalt des untersten Theiles, nehmlich
des ausgereckten Ohrläppchens mit seinem Schmuck bei plastischen
Menschenfiguren (Fig. 137), und stehen, abweichend von der gewöhn-
lichen Form, beide senkrecht vom Kopfe ab, was auch sonst beobachtet
wird (Fig. 138). Dass der obere Theil des Ohres noch an der Mütze
sitzt, kommt häufig vor. Augen, Nasenrücken und -Flügel sind deutlich
ausgebildet, zu beiden Seiten der Nase sitzt ein Vogelkopfomament, die
Fortsetzung des Kinnes scheint ein rein omamentales Gebilde. Es könnte
aber auch dadurch der Leib mit den runden Brustwarzen angedeutet
sein, denn dieses eigenartige Ornament kommt sonst nicht vor. Der untere
Theil von zwei anderen ähnlichen Zusammensetzungen soll das Gesagte
beglaubigen. In Fig. 134 ist besonders die Nase noch deutlicher zum
Ausdruck gebracht; in Fig. 135 hat die Tapamütze, die sich hier nicht
vom Kopfe abhebt, noch eine Wiederholung der zwei seitlichen Kopf-
fortsätze unseres Thieres aufzuweisen, und zwischen den Vogelkopfpaaren
ist der Mund des Menschengesichts eingeritzt, nicht erhaben geschnitzt,
wie das übrige Gesicht.
Das Ohr. Wir müssen nun zum Verständniss der anderen Formen
noch ein wenig bei der Bildung des Ohres verweilen. Der in flachem
Relief geschnitzte Kopf mit hohem Schmuckaufsatz, wie er beim Tanze
gebraucht wird, in Fig. 139 hat ein auch sonst so dargestelltes dreigetheiltes
Ohr. Der oberste Theil wiederholt sich an dem Kopfschmuck, und ein
solcher Auswuchs scheint reines Ornament zu werden, wie aus den Seiten
der fischförmigen Gestalt an dem Kopfaufsatz in Fig. 183 hervorgeht
In Fig. 140 haben wir als Anfang des weiter nicht zur Ausführung
kommenden Henkels eines Tamikörbehens ein Ohrläppchen, das jedoch
der Symmetrie wegen auch auf beiden Enden die Andeutung des Schmuckes
hat. Fig. 141 endlich zeigt ein Kreuz, das aus zwei concentrischen Kreisen
in der Mitte und vier Ohren besteht, jedes gestaltet, wie in Fig. 139. Ob
freilich die Kreuzesform selbst durch die Zusammenstellung der Ohren zu
einem Ganzen, also durch eine Art von Zufall unter Mitwirkung des Sinnea
für Symmetrie, wie bei dem Nasen- Augen-Ornament Fig. 52 — 53, entstanden
ist, oder der Nachbildung eines Naturgegenstandes ihren Ursprung verdankt,
müssen wir dahingestellt sein lassen. Ersteres ist jedoch wahrscheinlicher.
Nun geht von der Vagina der weiblichen Gestalt in Fig. 138, die die
Beine auseinandergebreitet hat, unser Thier aus, den Kopf nach unten
gekehrt, und dieser hat — ein dreigetheiltes Ohr genau wie der Mensch
Fig. 139. Es liegt also die Vermuthung nahe, dass auch alle anderen
Kopffortsätze unseres Thieres nur Ohrtheile sind. So zeigt das Thier in
KönstleriBcbe DarstelluiigeD ftns Eaiser-Wilhelins-Laiid.
129
Fig. 130 dreimal die zweitheilige Ohrform, z. Tli. in typischer Gestalt, und
Fig. 135 hat ein fiberfiflssigesOhrtheil (also im Ganzen Tier) an der Taparofltze
sitzen. Alles femer, was Aber dasVorkommender^KjemenbÜschel" sonst noch
gesagt ist, spricht mindestens nicht dagegen. Dass sich die Ohren gerade
mit diesem Thier Terbinden, liegt wahrscheinlich daran, dass es zu den
Todten in nahe Beziehung tritt und mit ihnen identisch ist, worauf ein
Bericht hinweist. Hat es doch auch in Fig. 129 geradezu ein Menschen-
autlitz. Was fOr ein Thier es aber ist, lassen wir dahingestellt sei».
Fig. 142— U9. Das Ornament des fliegenden Vogels.
142) V». Breitseite einer Holischflsael, ohne Provenienz. — US, 144, 147) '/,.
Knschhifen. — 146) ',,. Desgl., von ebenda. — 146) '/.■ Desgl.,
baten. — 149) '/,. Desgl., Ansicht des Kopfes von oben, ohne Provenienz. — 149) '/>•
Desgl., Finschhafen.
Der fliegende Vogel. Wir haben nun noch Zusammensetzungen
des erwähnten Thieres, das wir der Kürze halber einen „'Wunn'* nennen
130 K. Tu. Preuss:
wollen, mit anderen Thiergestalten herrorzuheben. Die merkwürdigste
Verwendung findet der „Wurm" in der Mittelverzierung der kahnf5rmigen
Holzschüsseln. Das Ornament dort ist augenscheinlich als einheitliche
Figur gedacht worden, die ein bestimmtes Vorbild in der Katur repräsentirt.
Die einzelnen Theile sind aber derart durch andere Motive ersetzt worden,
dass man zur Reconstruction des Ursprünglichen nur die Form des Ganzen
und die in der Auflösung durch andere Motive deplacirten Füsse hat.
Fig. 142 zeigt noch am besten den Urtypus, einen Vogel oder eine Fleder-
mausart mit ausgebreiteten Flügeln. Die Füsse sind noch unter dem
Vereinigungspunkt der nach links und rechts weit ausholenden Flügel als
kleine Erhebungen kenntlich. Der Kopf, der, von vorn gesehen, nichts
das ursprüngliche Aussehen Charakterisirendes hat, tritt gegenüber dem
übrigen Körper nach vom hervor; von oben gesehen besitzt er bisweilen
die schon erwähnte Form des doppelten Vogelkopfpaares Fig. 68, was
natürlich auch eine spätere Einfügung ist^ und die Fig. 147, weniger
Fig. 149 können als Ableitungen davon angesehen werden. Sonst ist das
Ornament auf dem Kopf gewöhnlich ein Kreis wie in Fig. 148, oder fällt
ganz fort. Die Verbindung von Kopf und Leib wird, wenn die Flügel
„Würmer" sind (Fig. 144, 145) zuweilen durch einen „Wurmkopf^ mit
kurzem Leib hergestellt (Fig. 145), der auch manchmal statt des ovalen
Leibes in Fig. 142 auftritt. Die Enden der Flügel können durch Vogel-
köpfe (Fig. 142) oder Fischschwflnze (wie in Fig. 143) ausgezeichnet sein*).
Nur in diesen beiden Fällen, im ersteren immer, im letzteren selten, sind
die Füsse der ganzen Gestalt noch angedeutet. Ausserdem sind Flügel
und Leib oft durch zwei „Wurmköpfe" mit einem Leib (Fig. 144) oder
durch einen „Wurmkopf" mit zwei Leibern (Fig. 145) gebildet. Es ist
jedoch anzunehmen, dass auch in der Vereinigung der „ Wurmleiber " in
Fig. 144 früher ein Kopf wie in Fig. 145 gewesen ist, da hier (Fig. 144)
wieder zu beiden Seiten die bekannten Ohrtheile auftreten und im Museum
eine Darstellung vertreten ist, wo noch unter einer ähnliehen Fig. wie 143 an
dieser Stelle der Wurmkopf eingefügt ist. Es fragt sich nun, ob das Ge-
bilde unter diesen eben beschriebenen fliegenden Thiergestalten auch erst
später hinzugefügt, also rein ornamental ist, oder die Umbildung eines
integrirenden Theiles des (ianzen. Wenn wir die genau an derselben
Stelle vorkommende Darstellung Fig. 146 aus Friedrich-Wilhelmshafen im
Xachbardistrict zu Hilfe nehmen, so ergiebt sich wohl das Letztere. Der
unterste Theil muss also als Schwanzfedern des nun wohl als Vogel zu
bezeichnenden Ganzen in Anspruch genommen werden, obwohl nichts als
die Form «larauf hinweist und der Umstand, dass im District Astrolabe-
Bai auch bei anderen Vögeln in linearen Formen stets so die Schwanz-
1) Die rechte Seite der Abbildungen 148—145 muss Tom Beschauer ntch Art der linken
ergänzt gedacht werden.
Künstlerische Darstellungen aas Kaiser- Wilhelms-Land. 131
*
federn dargestellt werden. Auffallend ist freilich die für einen fliegenden
Vogel winzige Gestalt der lang ausgestreckten Beine. Im District Finsch-
hafen dagegen sind auch an die Stelle des Yogelschwanzes andere Motive
getreten; nur etwa Fig. 144 weist hierin noch das meiste Ursprüngliche
vor, während wir in Fig. 142 und 143 ein Oval mit Vogelkppfpaar unten
haben und in Fig. 145 ein Yogelkopfpaar ähnlich wie zu beiden Seiten
des Menschengesichts Fig. 135. Dabei ist noch interessant^ dass auch in
der Mitte des «Ovals Fig. 143 ein doppelter Yogelkopf zu sehen ist (vgl.
Flg. 61, Mitte).
'ISO.
Fig. 150— 152. „Wurm" und Vogelkopfpaar.
150) V^. Trommel, Tami-Inseln. — 151) V^. Desgl., Hüon-Golf. — 152) V4. Desgl.,
Finschhafen.
Vogelkopfpaar und „Wurm". In obenstehenden Figuren, welche
sich an den Trommeln gegenüber dem eigentlichen, roh geschnitzten Griff
befinden, scheint das bekannte Vogelkopfpaar (Fig. 69, 70) mit je einem
„Wurmkopf^ zu beiden Seiten dargestellt zu sein. Fig. 150 zeigt sie in
deutlicher Ausprägung. Der „Wurmkopf" wird Rudiment und verbindet
sich enger mit dem ihm zunächst liegenden Theil des Vogelkopfes, so dass
in der Mitte ein bergartiger Rücken übrig bleibt (Fig. 151). Die weitere
Entwickelung nach dieser Richtung und Ausgestaltung des Mitteltheiles
zu einem zweiten Trommelgriff zeigt sich in Fig. 152. Dabei ist zu be-
merken, dass Vogelkopfpaare allein sehr häufig an derselben Stelle der
Trommeln zu bemerken sind.
Der fliegende Hund. Die Darstellung des fliegenden Hundes in
ruhendem Zustand (Fig. 153) ist von der Insel Guap bei Dallmannhafen
an der Nordküste früher (S. 96) erwähnt worden und auch die sich daraus
ergebenden „geometrischen" Gebilde. Die Aufangsglieder der letzteren
kommen nun auch in den Districten der Ostküste auf Trochus- Armbändern
vor, in dem District Astrolabe-Bai auch sonst, und zwar nahezu in genau
derselben Form (Fig. 154). Nur ist der Aufhängepunkt vielleicht ent-
sprechend den beiden Beinen ein zweigetheilter, und auch die zusammen-
geklappten Flügel sind zweitheilig auslaufend dargestellt. Es scheint mir
danach zweifellos, dass man auch für die Ostküste den hangenden Pteropus
als Naturmotiv für dieses Anfangsglied und die sich daraus ergebenden
Gebilde ansehen muss. Neben dem Thier links in Fig. 154 folgt nun
132
K. Th. Preuss:
nach rechts ein ebensolches Gebilde in umgekehrter Lage und dann die
bekannten Menschengestalten. In Fig. 155 ist der aufgeh&ngte Theil mehr-
fach gezackt und an die Flügel noch ein nach oben gekehrtes Glied beider-
seits angefügt, dessen Ursprung nicht klar ist, das sich aber auch allein
in derselben Fig. 155 in Reihen angeordnet zeigt. In diesen, besonders
aber in den folgenden Darstellungen ist die Schwierigkeit des Materials
und der schmale zur Verfügung stehende Raum sehr bei der Beurtheilung
der Entwickelung in Betracht zu ziehen, die im Einzeln A in scheinbar
regellose Striche ausläuft, deren Gesammtform aber immer wieder das
Leitmotiv oder Theile desselben zum Ausdruck bringt. Fig. 156 zeigt
das Urbild auseinander gezorrt und schematisch gestaltet, indem die auf-
^m/mmmmi/m,
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-I.'iö.
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Fig. 158 — 167. Ornament des hangenden Pteropas.
158) Vs- Holxschüssel, Insel Guap bei Dallmannhafen. — Trochus-Armringe: 154) etwa
Vf. Cap Cretin. — 155) etwa */,. Finschhafen. — 156) */,. „Deutech-Neu-Guinea". — 167,
161, 166) V,. Friedrich -Wilhebnehafen. — 158, 162-164) Vr Finschhafen. — 159) »;,.
Rook-Inseln. — 160) *,,. Finschhafen.
gehängten Füsse wie die absteigenden Theile der Flügel gleich gebildet
werden, während in Fig. 157 von der Astrolabe-Bai die aufsteigenden
Aeste der Flügel eine noch mehr horizontale Lage bekommen. Dabei
bedingen es stets die zum Ausdruck kommenden oniamentalen Bänder,
dass Theile des einen Thieres bereits auch solche für das nebenstehende,
umgekehrt dargestellte sind. In Fig. 158 sind die aufsteigenden Aeste der
Flügel bereits wie die absteigenden gebildet, ohne dass doch der ähnliche
Charakter der Füsse und der abwärts gerichteten Flügel verschwindet.
Fig. 159 zeigt <len Fortfall der Füsse. Nachdem nun noch eine Trennung der
Künstlerische Darstellungen ans Eaiser-Wilhelms-Land. 133
beiden Plügeltheile eingetreten ist (Fig. 160), obwohl andererseits die
Püsse wieder schematisch vorkommen, haben wir in Fig. 161 das Endglied
der einen Entwickelungsreihe, die vollständige Trennung der Flügel und
Flügeltheile in auf- und absteigende Gruppen paralleler Striche, die auf
anderen Gegenständen nur im District Astrolabe-Bai, z. B. auf den Kämmen,
auftreten (vgl. jedoch Fig. 109). Die Figurenreihe 162 — 167 enthält nun
die noch schwieriger zu beschreibende Entwickelung der die Füsse und
äusseren Flügeltheile vorstellenden senkrechten Striche, hier und da ver-
bunden mit einem aufsteigenden (inneren) Flügelast, was herauszufinden
wir dem Betrachter überlassen müssen. Es treten schliesslich Flügeläste
und Füsse einander gegenüber, von denen erstere durch die nicht ganz
geschlossenen Rhomben, letztere durch die dazwischen befindlichen Strich-
bündel repräsentirt werden. Sollte man nun auch im Einzelnen eine
andere Ausdeutung für angebrachter halten, so ist doch die Hauptsache,
die Ableitung von dem bildnerischen Urbild, nicht umzustossen.
nio.
Fig. 168—173.
168) Yi* Unterseite einer Holzschüssel. Abreibung. — 169) Vs- Kürbiskörbchen, ohne
Proveniens. — 170) Vs* Unterseite eines Vogelkopfes an einer Schüssel, Tami-Inseln. —
171—178) Vi bezw. \', und Vj« Schildpatt-Armband, Finschhafen.
Andere Thiermotive. Ausser diesen häufig vorkommenden Thier-
motiven und ihren „geometrischen" Ableitungen treten noch einige andere
auf, die in ihrer exclusiven Form, welche durchweg nur einmal beobachtet
ist, selbständig ein thierisches Naturobject darzustellen scheinen. Damit
ist zugleich gesagt, wie schwierig es ist, dasselbe zu nennen. Möglicher
"Weise sollen Fig. 168 und 169 Schlangen, Fig. 170 eine Raupe, deren
Kückenomament ebenfalls ganz eigenartig ist, Fig. 172 eine Eidechse und
Fig. 173 eine Bremse darstellen. Unter der ganz schematischen Fig. 171
hat man vielleicht Schildkröten ohne Kopf zu denken, wobei die wie
Fühlhörner gestalteten Yorsprünge vorn und hinten die Beine vorstellen
sollen. Hierhin ist auch das nur auf einem Schwirrbrett vorhandene, in
Jen Verhandlungen') abgebildete Thier zu rechueu, das damals als ruhende
Bremse gedeutet wurde, aber wohl ein MeDSchenkopf mit Mütze ist.
Fig. 174-179.
174) '/„. Trommel, UuoD-GoU'. — 176) '/>• Unterseite eines Vogels am Ende ein«a
ßuderstiels. — 176) '/,. Trommel, Hnon-Golf. — 177 und 179) '/,, Desgl^ PinichhAfen. —
178) 7.. Desgl., C«p Cretin.
Die einfachsten Linien. Auf die»« Weifie wären alle Ornamente
erklärt, welche sich mit mehr oder weniger Sicherheit auf Vorbilder der
Xatur zurückführen lassen, und wir können nunmehr Tersuchen, im Zu-
sammenhang die einfachsten Linien der Omameutik vorzuführen. A iiriori
dürfen wir freilich annelimcD, dnss auch die bis jetzt nicht erörterten
Muster ihren Ursprung aus der Xatur genommen haben, wenn wir es nicht
etwa mit einem selten vorkommenden Fall der Technik zu tbun haben,
und wir werden daher Torsurhen, auch diesen Ornamenten ein Datflrliches
Vorbild zu geben. Wenn daher von freien Ornamenten, Mustcni znr
Ausfüllung u. dgl. m. geredet wird, so ist darunter die Anwendung eines
Ornaments, losgerissen von seinem Ursprung und verbunden mit anderen
ebensolchen Elementen, verstanden.
Das einfachste Ornament, parallele Linien, tritt nur gelegentlich als
Menschenfiguren (Fig. 10), als Theile des fliegenden Hundes (Fig.158— IW),
als .AngensegmentbOndel'^ (Fig. 41) mid als eine Art von Flechtmuster zur
Ausfüllung von Kaum, also rein ornamental, auf (Fig. 103, 104). Ebenso
gielit es als geometrisches Uebilde parallele gezahnte Linien (Fig. 60, 80).
Uie häufig vorkommenden convergir enden Linien lassen sirli vom Ober-
kiefer des Krokodils (Fig. 174), vom Nasenrücken (Fig. 19) und vom
Vdgelschwanze ableiten. Einzelne Zacken werden sehr häufig rein
ornamental verwandt, ebenso Reiben von Zacken auf den Srhüdpatt-
.\rniringen. Zackenbänder diigegen sind selten und nur in der leicht
gebiigenen Form der Zacken Fig. 'M vorhanden. Häufig dagegen
kommt ein Band vor, das aus zwei jmrallelen Linien besteht, die von ab-
r IS^ä, S. 267. Siebe die .lomcrknng un Schlüsse.
KönstleriBche DarGt-ellangen ans Kaiser- Wilbelms-LaDd. ]35
wecbselnd aaf jeder Seite hineinragenden Zähueo unterbrochen sind, also
auch eine Art Zackenband mit stark abgestumpften Spitzen vorstellt
(Fig. 180 unten u. s. w.). Durch Hervorheben der zwischen den Zacken
eines gewöhnlichen Zackenbandes nach einer Seite gerichteten Winkel
vermittelst Ausfüllung haben wir die Zahnreihe, das gebräuchlichste Orna-
ment im ganzen District. Während nun die Zacke vielleicht auf tech-
oischem Wege oder aus dem Zahnornament entstanden ist, kommen Zähne
sehr häufig als Theile von Darstellungen der Natur vor, die spitze Zahn-
reihe als Ende der Schwanzfedern der Vögel, als. Schuppenpanzer und
Fasse der Krokodile (Fig. 180), gelegentlich auch beim Menachenmund (Fig. 17,
32). Die abgestumpfte Zahnreihe entspricht gewöhnlich dem Gebiss des
Krokodils (Fig. 123), wie des Menschen. Sehr fraglich ist, ob das abge-
stumpfte Zackenband (Fig. 180 unten links) bereits einer freien Verwendung
des Zahnmotivs, wie vorher angedeutet, seinen Ursprung verdankt. Es
erscheint das aber wahrscheinlich, da durch Gegenüberstellen der Zähne
als Unterbrechung zweier paralleler Linien eine Beihe schmaler Sechsecke
hervorgebracht wird (Fig. 17 rechter Mundfortsatz), die nur in dieser Weise
vorkommen. Desgleichen ist die Verwendung der zwischen parallelen Linien
auftretenden kleinen Rechtecke oder Quadrate als freie Ornament irnng durch
senkrechte Querstriche aufzufassen (Fig. 100, 144 u. s. w.). Femer sind der
seltene Sparren (Fig. 20) und das Sparrenband zu erwähnen (Fig. 186),
zweifellos abgeleitete Ornamente; woraus, ist schwer zu sagen. Man ver-
gleiche jedoch das Fischschwanzband Fig. 116.
¥ig. 180. '/n- Kaiiuvenierang, Finschhafen.
Kommen wir nun zu den krummen Ornamenten. Der Kreis lässt
sich stet» schwer in seinem Urspnm<i; uachweisen. Wir haben ihn als
rudimentären Vogelkopf kennen gelernt, und wir können uns nicht ver-
sagen, hier noch kurz auf die Entstehung einer Reihe von Kreisen, die mit
einer schmalen Leiste bedeckt sind, aus einer Reihe doppelter Vogelköpfe,
ähnlich denen in Fig. 69 und 70, hinzuweisen (Fig. 176 — 178). Es sind eine
Art von Trommelgritfen, die den eigeutlichen Griffen gegenüberstehen. Das
136
K. Th. Pbeubs:
AnfangBglied igt ein einzelnes, Bcliarf auBgepr>es Vogelkopfpaar, ähnlich
Fig.67; daa Endglied sehen wir in Fig.178. Die Kreise sind die nrsprflnglich
dreieckigen Einechnitte in der Mitte der Vogelkopfpaare (Fig. 67, 69, 70, Tgl.
r
Fig. 181—192.
181) </■■ Baderblatt, Pfnsehhafen. Abreibung. — 162l ■/,. Querwand der Plittrorm «ines
KkDQ'Modells, Tami-Inseln. — 183) '/m- ^tett an einem Gcmeindehaos, Snam bei Finach-
bafcn. — 1S4) ',]. Schildpatt- Arm band, .Finschhafen bciw. Tatni-Inacln". Abreibung. —
lüb) '!,. Trommel, Finschhafen. — 186) '/,. Schildpatt -Armband, Hüon-Uolf. Abreibung. —
187) ■/,. Desgl.. Finachhafm. — 188) '/i- Bambubchllter Rx Tabak, Hüon-Golf. —
189) '/i- Schwirrbrett, Finschhafen. — 190-192) ■/,. Kflrbiekörbchen, Tami-In«eln.
Fig. 150 — 15"J'), Die Leiste, unter der die Vogelkopfpaare an s<;e schnitzt sind,
tritt als etwas Neues hinzu, ebenso die sonstigen durchbrochenen Tbeile
an den Enden derselben. Wnw nun aus der Fig. 17S durch freie Orna-
1) Slfhe auch Ak' Abbildung bH Srhellong. Inter
Fig. 9.
li..n»lis .\rfbiv 18J'9, Tif. VII
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land. 137
mentirung, Verschwinden des Vogelkopfpaarmotivs und Einfügung einer
kleinen Holzsehüssel in die Leiste werden kann, sehen wir Fig. 179.
Allein es fehlen Zwischenglieder, um den Bogen unter der Schüssel zu
erklären. — Der Kreis kommt aber natürlich auch als directe Nachbildung
von Naturobjecten vor, als Auge und After (Fig. 175) von Thieren, als Brust-
warzen (Fig. 137) und Bauchnabel beim Menschen. In der freien Ornamentik
sind immer nur kleine Kreise entsprechend diesen natürlichen Darstellungen
verwendet; die wenigen grösseren schliessen sich entweder an die Kreis-
form auf dem Boden der Kürbisschälchen an oder entstehen durch Ab-
Schleifung aus concentrischer Einfassung von Ovalen wie in Fig. 174, die
auf derselben Trommel genau dieselben Formen als Gegenstück hat, nur
dass die inneren krummen Linien Ovale sind, während erst die äussere Um-
Schliessung ein Kreis ist. Das kleine Oval als Menschenmund, das grössere
und das halbe Oval als Krokodilrachen sind bereits entwickelt. Nun ist
es aber möglich, dass auch die grösseren Ovale im Menschenmunde
ihr Vorbild (Fig. 32) haben. Schliesslich kommen nun noch kleine ge-
streckte Ovale als Abschleifung der durch Gegenüberstellung von Zähnen
zwischen zwei Parallelen gebildeten Sechsecke vor (Fig. 180 unten rechts).
Darstellungen zweifelhaften Urprungs. Alle anderen in unserem
District vorkommenden Gebilde werden wir als Znsammensetzungen und
rein omamentale Erweiterungen der bis dahin vorgeführten Linien auf-
zufassen haben. Die Füllung des kleinen Kreises in Fig. 48, das Viereck
mit geschweiften Seiten zwischen den beiden kleinen Rundungen in Fig. 17
und ein ebensolches in Fig. 101 werden wir nun zu erklären wissen. In
Fig. 181 sehen wir eine Reihe von Krokodilrachen, in Fig. 183 das Fisch-
schwanzmotiv; auch Fig. 186, Fig. 190 und 191 sind uns keineswegs
fremd. Allein, um nicht ein falsches Bild von den Kunstschöpfungen zu
erwecken, die wir doch zu ihrer richtigen Beurtheilung alle kennen
lernen müssen, habe ich auch die wenigen Gebilde reproducirt, welche
einen fremdartigen Eindruck machen und deshalb eine besondere Er-
klärung verlangen, die aber wegen des einmaligen Vorkommens nicht
möglich ist. Dahin gehört das in der Mitte durchbrochene Rechteck
Fig. 182, das vielleicht omamental entstanden ist, femer die Rechtecke
mit den Ohrtheilen in Fig. 183 oben und unten, weiter Fig. 184 und 185,
welche letztere allerdings rein omamental sein kann. In Fig. 187 ist die
rechts stehende gestreckte Figur, entsprechend dem Schildpattplättchen in
einem Cymbiummuschel- Brustschmuck, vielleicht eine vorn und hinten
gleich aussehende Eidechse (vgl. Fig. 119). Dann dürfte auch die rechts
davon geritzte Figur, die wegen des vorhandenen Raumes bogenförmig
erscheint, eine solche sein, während links neben den wie fliegende Vögel
aussehenden Gestalten Eidechsentheile erscheinen würden. Die Mittelfigur in
Fig. 188 wird wohl ebenfalls ein Thier sein, aber auch die gestielten Dreiecke
zu beiden Seiten haben wahrscheinlich direct eine thierische Bedeutung.
138 K. Th. Prguss:
Auch die Dreieckaform von Fig. 189 erscheint fremdartig, obwohl sie durch
Zufall aus dem Oral hervorgegangen sein kann. Schliesslich sind in
Fig. 190 die spiraligen Haken neu. und in Fig. 192 das einem lateinischen
M ähnliche Gehilde. Zugleich lassen die Fig. 190—19-2 so recht die
freie Verwendung der Omamenttheile verschiedenartigsten Ursprunges er-
kennen. Zu diesen schwer verständlichen Mustern seien nur noch die
Tättowirungsliuien auf den Tami-Inseln hinzugefflgt, denen man nach
Schellong') häufig begegnet und die gewöhnlich vier- und fünfeckige
Figuren darstellen sollen, während sonst Tattowirung in unserem District
nicht vorkommt.
Fig. 19S— 198. Teitile Muster.
Taacheo: 19S) ■/„. FinschUren. — 191 - 196) '/.,■ Üeggl- — 197— 198) '/^ Bussnm.
nördlich von FinGcbluleD.
Textile Muster. Die braun, dunkelgrAn und röthlicb-gelb gefärbten
Fäden, welche ausser den weissen in den eigenartig geknOpften Taschen
verwandt werden, bringen natQrlicb im Gegensatz zu der sonstigen Ge-
wohnheit des Districts nur eckige Muster hervor, deren Zahl aber trotz
der vielen Taschen im Museum zu klein ist, um sie bis zu ihrem Ursprung
zu verfolgen. Nach den gemachten Erfahrungen könnte die Hauptdarstellung
in Fig. 193 (auf die allein es ankommt, da die anderen Muster der Fignr
nur als Umrisse des MittelstQcks ersclieinen) wieder als der hangende
Pteropus gedeutet werden; ähnliche Muster, wie in Fig. 194 — 195, ent-
wickeln sich aus diesem Thier an der Nordkfiste. Daran wflrde sich der
Form nach zunächst Fig. 197 anscliliessen. Fig. 196 erscheint unten un-
regelmässig gemustert: Fig. lOS erinnert sehr an Darstellungen des Districts
Astrolabe-Bai *).
1) Bcitrige. Zeitschr. f. Elhnol. XXIII. 1891, Fig. 179.
2) Vgl. auch die AbbiMun^cD bei Fiasch, Elbnot. Atlas X, Fig. 3: bei Schellong.
Barlniiirest, Inteniit. Arch. II. Tjif. VII, Flg.2.
Künstlerische Darstellungen aua Kaiaer-Wilhelms-Land. 139
Wean es nun auch nicht möglich war, ein erschöpfendes Bild der
linearen Ornamente unseres Diatricts zu geben und alle bis zu ihrem Ur-
sprünge zu verfolgen, so dürfte doch alles Wesentliche vorgeffilirt und
richtig erklärt sein, und kein noch so reichhaltiges Material wird hier
mehr als Ergänzungen bringen können. Damit ist aber die VeröfTentlichung
dieser Arbeit gerechtfertigt.
Anmerkung.
Hittierweile habe ich dorch daa Entttegen kommen des Herrn Dr. Lauterbach in
Stabelviti Gelegenheit gehabt, seine omfangTAichen Sammlnngen aas K ais er- Wilhelm s-
Land in stndiren. Trott mancher Variationen der darunter befindlichen Gegenstände aus
dem Dietrict Finschhafen ergab sich durchweg die Bestätigung alles hier Gesagten. Selbst
eine Ergäniung ist nur besnglich der nebenstehenden Figur ('/i
der wirklichen Grösse) Ton einem Holischwert aus Bukaua
Dothwendig, welche ein Gesicht mit dem bekannten hohen
Kopfschmuek zeigt. Die oberen Theile der Obren, die, wie wir
winen , sonst aus je zwei einen stumpfen Winkel bildenden
Linien besteben (Fig. 11 — 18), fehlen oder sind mit den seit-
lichen unteren Forts Stxcn desEopfaufsatiea vereinigt (Tgl. Fig. 110).
Damit ist anch die Figur auf dem in der Anthropologischen
Gesellschaft 1868 (Verhandlungen XX, S. 367) vorgelegten
Schwirrforett, die als ruhende Bremse gedeutet wurde, ertl&rt
Nor ist dort die Nase so lang, dass sie ans der Gesichts-
nmranilnng herausragt. Ausserdem sind die Nasenüügel und
darunter der Mund angedeutet, während die eigenthürolich ge-
stalteten nnteren seitlichen Ausläufer des Kopfschmuckes ganz ge-
trennt von letzterem sind und als die oberen Ohrtheile erscheinen. Die Abbildung in den
VerhtutdloDgen 1888 ist übrigens in nmgekehrter Lage zu betrachten.
Herrn Ür. Lauterbach möchte ich auch an dieser Stelle für die genossene liebens-
würdige Gastfreundschaft meinen verbindlichen Dank abstatten.
Besprechung.
Festschrift zur XXVIII. Versammlung der Deutschen Anthropologischen
Oesellschaft. Lübeck, 1897, Charles Coleman. gr. S^"». mit 43 Tafeln.
Die eben geschlnssene Generalversanunlung der Deutschen AnÜiropologischcn Gesellschaft
in Lfibeck ha^ den Mitgliedern eine ausserordentlich werthvoUe Festgabe gebracht, welche
auch weitesten Kreisen in erwünschter Weise eine Uebersicht der Schätze gewähren wird,
die in dem schOnen neuen Musenm der Stadt Aufstellung gefunden haben. Während die
weit reicheren und seit längerer Zeit gepflegten Museen der beiden Nachbarstädte Schwerin
nnd Kiel durch treffliche Bearbeiter allgemein bekannt geworden sind, hat es für
die Lübecker Sammlungen an einer bequemen und sachverständigen Uebersicht gefehlt.
Diese ist nonmehr durch das Zusammenwirken der tüchtigsten Kräfte geschaffen worden.
140 Besprechung.
Dabei erhalten wir xugleich einen Einblick in die Entwickelnng der Sammlungen and
in die Th&tigkeit der Männer, welche an ihrem Aufbau gearbeitet haben, und es fSllt
mancher Lichtstrahl auf die langsame und mfihselige Geschichte der antiquarischen und
naturhistorischen Studien in Norddeutschland überhaupt Der erste, Ton Dr. Th. Hach bear-
beitete Abschnitt bringt einen «geschichtlichen Ueberblick über Forschungen xur vorgeschicht-
lichen Alterthumskunde in Lübeck." Aus demselben ergiebt sich, dass für das lübeckische
Gebiet sichere Nachrichten über Alterthumsfunde vor der Mitte des 17. Jahrhunderts sich
nicht haben ermitteln lassen. Als erster Autor wird Kunradt von Hövelen genannt.
Obwohl schon in einer Urkunde von 1228 ein Stenbedde als Grenxseichen aufgeführt wird,
neben tres montes, qni Circumspice te sive sedichvmme nominantur, so wird doch über
den Inhalt derselben nichts erwähnt Ein solcher scheint erst durch Jacob von Melle
mehr ins Auge gefasst zu sein, der 1684 — 1748 als Geistlicher die ersten Stellen in der
städtischen Hierarchie bekleidete. Er gründete ein Privat-Museum, das auch naturgeschicht-
liche Abtheilungen und eine Trachten-Sanmüung umfasste. Aber erst 1821 setite die
„Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeif einen besonderen Ausschuss für
das Sammeln und Erhalten der Quellen und Denkmale der Geschichte Lübecks ein, und
erst 1842 wurde dieser Ausschuss auf die Ausgrabungen des Mannes aufmerksam, der
sehr bald das Interesse aller Gelehrten zu erregen wusste, des danudigen OberfSriters
Hang. Dieser fand 1845 die schnell berühmt gewordene Bronzeciste von Pansdorf^ nachdem
er schon früher die Untersuchung des gräberreichen Waldhusener Reviers in grösserem
Maassstabe in Angriff genommen hatte. Hier ward 1843 das megalithische Hünengrab
aufgedeckt, dessen mächtiger Steinbau noch bis auf den heutigen Tag erhalten ist Bei
dieser (Gelegenheit trat auch der zweite Forscher in den Vordergrund, der die älteste Ge-
schichte seiner Vaterstadt durch manche werthvolle Arbeit aufgeklärt hat, der Pastor
Klug. Später folgten auf dieser Bahn Milde, Arndt und Gross; ihren Nachforschungen
vor allem ist die Aufdeckung von Alt-Lübeck zu verdanken.
Den zweiten Abschnitt der Festschrift bildet der Bericht über die prähistorische Ab-
theilung des Museums, erstattet durch den verdienten jetzigen Direktor derselben, Dr.
K. Freund. Aus demselben verdient vorzugsweise Erwähnung das Capitel über Alt-Lübeck,
das, genau genommen, als ein Pfahlbau bezeichnet werden sollte, und dessen Funde auf
mehreren Tafeln durch scharf gezeichnete Abbildungen erläutert sind. Auch das Hünen-
grab von Waldhusen (Taf. XV) und manches schöne Bronzestück sind hier dargestellt Um
so empfindlicher berührt der Mangel einer genügenden Untersuchung des grossen Ring-
walles bei Pöppendorf, eines zweifellos slavischen Burgwalles, zu dem wohl auch die von
Hang untersuchten benachbarten Grabhügel mit Skeletten gehörten XS. 20). Nicht un-
erwähnt darf das 1817 in einem Hügelgrabe bei Waldhusen gefundene Bruchstück einer
bekleideten menscl\{ichen Figur aus gebranntem rothem Thon (Tat V, Fig. 6) bleiben.
Der dritte Abschnitt ist dem „Museum für Völkerkunde** gewidmet Dr. Karutz be-
schreibt kurz die gleichfalls auf Jacob von Melle zurückführende Entstehung und da«,
gerade in neuerer Zeit, schnell gesteigerte Wachsthum der ethnologischen Abtheilung.
Die ersten Anfänge gehen schon in das 17. Jahrhundert und auf nordische Stücke zurück.
Die Neuzeit hat namentlich polynesische und afrikanische Sachen gebracht 28 Tafeln zeigen
den Reichthum dieser Abtheilung.
Den Schluss machen die von Dr. H. Lenz übersichtlich bearbeiteten Anthropoiden,
denen Dr. Prochownick einen kurzen Bericht über die Becken hinzugefügt hat Seit
den bekannten Untersuchungen von Bischoff hatte sich die Aufmerksamkeit der Ana-
tomen dieser Sammlung zugewendet, welche durch ihren Reichthum die meisten euro-
päischen Museen übertraf; seit jener Zeit ist dieselbe, namentlich durch zahlreiche Skelette
und Schädel von Orang-Utans, vermehrt worden. Unter den letzteren befindet nch ein sehr
sonderbarer Schädel, der nach der Ansicht des Ref. als ein wasserköpfiger zu betrachten sein
dürfte (Nr. 858, Taf. I, Fig. 4—6, S. 18). Hr. Lenz giebt seine Gapacität zu 686 ccai an.
Von den Zähnen sind die Prämolaren ausgebildet; die lateralen Schneidezähne im Ober-
kiefer ragen erst zur halben Länge der Krone vor. Das Gebiss ist ein .Milchzahngebist*.
Rud. Vir che w.
V.
lieber einige Beziehungen der Alterthümer China's zu
denen des skythisch-sibirischen Völkerkreises.
Von
P. REINEOKE, Mainz.
Vorgelegt in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft
vom 19. Juni 1897.
Unser correspondirendes Mitglied, Hr. Professor Dr. Friedrich Hirth
in München, hatte die Liebenswürdigkeit, mir aus seiner Bibliothek einige
chinesische kunsthistorische Werke zum Studium der chinesischen Alter-
thümer und zum Vergleich derselben mit den im nördlichen Asien und
in Russland ausgegrabenen prähistorischen Gegenständen zur Verfügung
zu stellen. Bei der Durchsicht dieser Werke fielen mir zahlreiche Er-
scheinungen auf, welche sich direct mit den Alterthümern des skythisch-
sibirischen Völkerkreises in Beziehung bringen lassen, und ich halte es
deswegen für angebracht, in Kürze darüber zu berichten. Diese Bemerkungen
haben lediglich den Zweck, die betheiligten Fachgenossen auf diese Be-
ziehungen aufmerksam zu machen, und sollen nicht etwa die ganze Frage
in erschöpfender Weise behandeln; ich beschränke mich deshalb auch
darauf, hier aus der umfangreichen archäologischen und kunsthistorischen
Literatur der Chinesen zu den Vergleichen nur die bekanntesten Werke,
das Po-kvr-fu'lu des Kunstarchäologen Wang Fu (Anfang des Xu. Jahr-
hunderts), das Si-UHng-ku-kün (Mitte des XVIII. Jahrhunderts) und das
Kin-schi'SO der Gebrüder Fong Yün-pöng und Fong Yün-yüan (im Jahre
1822 herausgegeben) heranzuziehen. Hm. Hirth, welcher die Güte
hatte, mir die Texte, so weit erforderlich, zu interpretiren und alle
nöthigen Auskünfte über die Beschreibung zu den Illustrationen dieser
Autoren zu geben, habe ich für sein freundliches Entgegenkommen bestens
zu danken.
Spiegel.
Gelegentlich der Publication eines kaukasischen Brouzespiegels (mit
durchbohrtem Knopf auf der Rückseite) durch Hrn. Virchow (Zeitschr.
f. Ethn. 1890, Verh. S. 448—450, Fig. 57) wies Hr. Hirth darauf hin,
dass dieser Spiegel auf altchinesische Einflüsse zurückgehen könnte
Zeitschrift für Etbiiologie. Jnbrg. 18i)7. 11
14J P. Beinecke:
(Verhandl. 1891, 8. 808—809). Hr. Hirth sprach die Verrouthuiig niis.
dass dae Stück vielleicht selbst ein Product chineaiächeii Kunstfleisses
wäre; jedoch bei einer Sichtung des umfangreichen prähistorischen Materiales
sowohl aus dem Kaukasus wie aus SOdrussland and Sibirien müssen wir
diese Vermuthuung, und ich befinde mich hier, wie ich glaube, in Tollster
Uebereinstimm ung mit Hm. Hirth, etwas anders formuliren. Es bedarf
dazn zunächst einiger Aüsfflhrungen über Form, Alter und Verbrejtung
dieser Spiegel; wie die Beziehungen der chinesischen Exemplare zu denen
des skythisch-stbirischen Völkerkreises zu deuten sein dQrften, werden wir
weiter unten im Zusammenhang mit d»i anderen Gruppen von Analogion
untttrsuehen.
In China gab es in sehr alter, frülier Zeit schon Metallspiogel, da-
neben solche aus Nephrit. Jedenfalls waren die ältesten Formen, von
Fig. 8.
Einracher cbioesiacber Hetallspiegel mit
dnrcbbolirtem Knopf, Räckseite unvcr-
liert; nach l'o-ku-fu-lv. Buch 38, p. 13.
Bückscite eines chinesiscbco Bronicspiegels mit Tranbrn
muster; nach Si-U'ing-bu-kien, C»p. 10, p. ',
denen bisher jedoch keine Originale oder Abbildungen in chinesischen
kunsthistorischen Werken bekannt geworden sind, der Oberwiegenden
Mehrzahl nach kreisrunde Scheiben und hatten schon im Centrum der
Rückseite einen durchbohrten Buckel oder ein ausgebildetes Oehr, da
sonst die Autoren uns sicherlich von einer anderen Form berichtet h&tten.
Der durchbohrte Knopf auf der Rückseite diente zum Durchziehen einer
Schnur, welche als Handhabe des Spiegels verwendet wurde; Spiegel mit
Griffen, etwa wie die bekannten griecliisclien oder etruskischen, kommen
unter den ältesten chinesischen Alterthflmem, wie es scheint, nicht vor.
Ueber einige Beziehungen der Alterthümer Ohina^s u. s. w. 143
Eia umfaDgreiches Material ist uds hingegen aus der Periode der Dynastie
Han (206 v. Chr. bis 221 n. Chr.) und aus jüngeren Zeiten in Illustrationen
erhalten (Po-*tt-eV/w, Buch 28—30, Si-ts'tng-ku-kiM, Cap. 39—40, Ätn-
^chf'^o^ Abtheilung Kinso (Erklärung der Metallarbeiten), Band VI). Eine
Anzahl derartiger Spiegel, speeiell mit Traubenmustem, aus der Zeit der
ülteren Han (206 v. Chr. bis 9 n. Chr.) hat Hr. Hirth in seiner Studie:
^Ueber fremde Einflüsse in der chinesischen Kunst" (München und
Leipig 1896) reproducirt. Zugleich existiren auch Originale, entweder alte
Originalstücke oder spätere Nachgüsse nach solchen, in verschiedenen
Museen und Sammlungen*), welche uns eine gute Vorstellung von den
Flachrelief-Ornamenten auf der Spiegel-Kückseite gewähren; denn diese sind
in den chinesischen Illustrationen in herkömmlicher Weise nur, als wären
sie eingravirt, wiedergegeben.
Der Durchmesser der Metallspiegel schwankt ganz erheblich, in der
Mehrzahl der Fälle dürfte er sich zwischen 6 und 20 ein halten; die Form
ist zumeist die kreisrunde. Nie fehlt auf der fast regelmässig mit Orna-
menten bedeckten Rückseite der durchbohrte Knopf. Wir bilden hier als
Fig. 1 einen unverzierten Spiegel ab, welcher den einfachen Typus sehr
deutlich veranschaulicht. Bei den Traubenspiegeln (Fig. 2*) findet sich
an Stelle eines einfachen Oehres als solches die Figur eines Vierfüsslers
verwendet. In der chinesischen Zeichnung musste diese vom Kücken her
gesehen und in der gleichen Manier, wie die Flachrelief-Ornamente, rings
herum ausgeführt erscheinen; jedoch handelt es sich, wie man sich an den
Copien oder Nachgüssen der Originale überzeugen kann, keineswegs um
eine Flachrelief-Figur.
Ihrem Alter nach gehören die Spiegel, von welchen wir uns an der
Hand der Illustrationen und der erhaltenen Bronzeoriginale (bezw. Nach-
güBse) eine genaue Vorstellung machen können, vornehmlich in die Zeit
der Han. Diese typischen Geräthe waren, wie gesagt, jedoch auch schon
früher in Gebrauch, und auch noch viel später, bis durch Einführung der
Glasspiegel aus Europa die metallenen in Fortfall kamen. Als ein be-
merkenswerthes Kennzeichen der altchinesischen Stücke giebt ein Autor
des elften nachchristlichen Jahrhunderts an (Verhandl. 1891, S. 808), dass
bei kleinen die Spiegelfläche convex geschliffen war, und zwar aus dem
Grande, weil der Spiegel nicht mehr und nicht weniger als ein menschliches
Gesicht in sich aufnehmen sollte; im elften Jahrhundert war die Kunst
des Convexschleifens schon verloren gegangen.
Bei anderen Culturvölkern des Alterthums findet sich dieser Spiegel-
tvpiu nicht, wohl aber begegnen wir ihm in Sibirien, im Kaukasus, in
1) Eine Anxfthl solcher Stücke ging aus der Sammlong Martucci in den kgl. bayrischen
HofbeaiU Über und befindet sich im Ethnographischen Mnseuin su München.
2) Das Glicht stellte uns Hr. Hirth gütigst zur Verfügung, desgl. das zu Fig. 12.
11*
U4
P. Bbikecke:
Südrussland und in Ungarn. Das älteste zeitlich bestimmbare Exemplar,
eine dicke Bronzescheibe von 10 cm Durchmesser mit verdicktem Rande
und einem scharf vorspringenden Oehr auf der Rückseite (Fig. 3), stammt aus
einem skythischen Kurgan im Kreise Skwira, 6ub. Kiew (Zbiör wiadomosci
u. s. w. Yin, Krakau 1884, Taf. III, 1); es reicht unbedingt noch bis in das
sechste vorchristliche Jahrhundert zurück, wie aus den mit ihm gefundenen
Fig. 3.
Fig. 4.
Skythischer Metallspiegel aus Süd-
russland; Dach Zbi6r wiadomo.^ci,
iaS4, Taf. III, 1.
Metallspiegel ans Sibirien;
nach Martin, Tage da
bronze etc., XXVII, 6.
Fig. 5.
Fig. 6
Motallspicgcl aus Sibirien;
h Martin
XXYII, 8.
Metallspiegel ans Sibirien:
nach Martin I.e., XXVII, 12.
nach Martin 1. c.
Elektron-Ringelchen (ibidem Taf. III 2), zu welchem in Griechenland mehr-
fach wohl datirbare Gegenstücke existiren (z. B. Archäol. Zeitung 1884,
Taf. Vni, 9, 11), hervorgeht. Dem fünften Jahrhundert v. Chr. gehört
ein ähnlicher Spiegel an, welcher in dem bekannten Kurgane Perepjetowka
im Kreise Wasilkow, Gub. Kiew, gefunden wurde (abgebildet bei Kohn-
Mehlis, Materialien, I, Taf. IX, 1); die Zeitbestimmung wird hier durch
eine Anzahl von Goldblechzierrathen (ibidem Taf. XI, 4, 5) gegeben. Auch
noch in anderen skythischen Grabhügeln Südrusslands wurden derartige
Ueber einige Beziehungen der Alteithnmer China's u. s. w. 145
Geräthe ausgegraben; in den reich ausgestatteten Fürstengräbem scheinen
sie jedoch zu fehlen, hier kamen wenigstens immer nur Spiegel mit Orififen
zum Vorschein. In Ungarn, wo jüngst eine Reihe sehr alter skythischer
Gräber nachgewiesen wurde, hat man sie bisher nicht beobachtet^); hin-
gegen treffen wir sie in grosser Anzahl in Sibirien au, ebenso in der
Nekropole von Ananino (Aspelin, Antiqu. du Nord finno-ougrien, 293, 324,
326, 468; Martin, L'Äge du Bronze etc., XXVH, 1—11, 18, XXXI, 59;
Heikel, Antiqu. de la Siberie occidentale, XII, 3, XVII, 5). Neben den
Spiegeln mit Knopf auf der Rückseite (der Knopf ist entweder einfach
ringförmig, öhsenförmig, oder wird von vier isolirten Stützen getragen)
giebt es in Sibirien auch solche mit einer Thicrfigur als Oehr (Aspelin,
3'J5: Martin, XXVII, 12—17); die Stilisirung dieser Vierfüssler ist die
nämliche, wie die der zoomorphen Darstellungen auf zahllosen anderen
skjthisch-sibirischen Objecten, und es handelt sich deswegen auch bei diesen
Geräthen um ein einheimisches Fabrikat. Der Durchmesser der sibirischen
Spiegel schwankt etwa zwischen 6 und lA cm; das Metall ist Bronze und
Kupfer, genaue Analysen scheinen noch nicht vorzuliegen. Wir bilden hier
als Flg. 4—6 nach Martin einige Exemplare ab, welche einen guten Ver-
gh*ich mit den chinesischen erlauben; Fig. 5 zeigt am Knopf ein Ornament,
welches stark an chinesische Muster erinnert.
Derselbe Spiegeltypus kehrt in einer wesentlich jüngeren Periode in
einer anderen Gruppe osteuropäischer Fundstätten wieder. In den grossen
kaukasischen Necropolen der späteren Kaiserzeit und der Völkerwanderungs-
zeit gehört er zu den ganz gewöhnlichen Beigaben (Chantre, Rech,
anthrop. dans le Caucase, III, pl. VII, VIII, IX; Kondakoff et Tolstoi,
Antiquites de la Russie meridionale, Fig. 396; Zeitschr. f. Ethn. 1890,
Verh. S. 449; Zbior wiadomosci etc., Krakau, VIII, Taf. IV, 9, 10, 11).
Er findet sich weiter auch in Ungarn und Niederösterreich in Gräbern
der Völkerwanderungszeit; zu meinem Nachweise derartiger Stücke aus
Ungarn (Zeitschr. f. Ethnol. 1896, S. 12, Note 3) habe ich noch eines aus
dem Comitate Bereg (Arch. Ertesito 1897, p. 37, Fig. 4 — gefunden mit
einer Zweirollenfibel u. s. w.), und ein anderes aus dem Biharer Comitat
(wohl soeben im Arch. Ert. publicirt), welches angeblich mit eisernen
Steigbügeln und anderen Objecten der magyarischen Heidenzeit zusammen
gefanden sein soll, nachzutragen. Sie bestehen übrigens fast stets aus einer
sehr zinn- oder zinkhaltigen Legirung. Fig. 7 stellt einen solchen spät-
zeitlichen Spiegel aus dem Kaukasus dar, Fig. 8, Nr. 18 einen ungarischen.
Unbedingt müssen diese beiden Gruppen von Spiegeln, die älteren
hkythisch-sibirischen und die jüngeren aus dem Kaukasus und Ungarn, in
#
1) Eine von mir Im Arch. Ertesit'«, 1897, p. 16, Fig. 56, publicirte Scheibe aas einem
ikythischen Grabe in Siebenbürgen, welches n. a. eine iweischleifige Bogenfibel enthielt,
geholt zu einem Spiegel mit Griff: es fehlt ihr das typische Oehr auf der Rückseite.
Mctollspiegel aus einem kaokaeisrlioD Grabe;
Tergl. ZeiUchi-. f. Ethn. 1390, Vorh. S. 449. J ^Chinesisclier Opferkessel;
nach /Vtu-f'u/u, Buch 3, p. U.
Metallspiegel a. s. w. ans der Nekropole von Csorns, Ungarn;
vergl. Ärch. Krteait :, 1889, p. 266.
Ueber einige Beziehungen der Alterthümer China^s n. s. w.
147
irgend einem Zusammenhange stehen. Auf die wahre Bedeutung der
Bronzescheiben mit Oehr aus den Skythenkurganen und ihre Verbindung
mit den kaukasischen Exemplaren machte zuerst C. Neyman (Zbiör
wiadomoici etc, 1884, p. 37 — 47) aufmerksam; allerdings berücksichtigte er
weder die sibirischen noch die ungarischen Analogien, und auch von den
chinesischen Formen hatte er keine Vorstellung. Mit den griechischen
Weissmetallscheiben (von Klappspiegeln), welche zwar auch ohne Griff
nnd kreisrund sind, denen jedoch das characteristische Oehr fehlt, lassen
sieh jedoch die unsrigen durchaus nicht in Beziehung bringen.
Fig. 10.
Fig. 11.
ChineBischer Opferkessel;
nach Po-ku'fU'iu, Buch 10, p. 24.
Chinesischer Opferkessel;
nach Po-ku'Cu-lu, Buch 18, p. 27.
Opferkessel und Gefässe.
Neben den Spiegeln sind unter den chinesischen Alterthümem die
Opferkessel von hervorragender Bedeutung. Es sind dies dick gegossene,
weite flache, oder mehr langgestreckte cylindrische runde Becken, auf drei
Füssen mhend ; am Rande des Beckens haben sie zwei senkrecht gestellte
Handhaben. Eine Abart dieser eigenartigen GefiLssgattung ist nicht rund,
aondem rechteckig, und hat in Folge dessen vier Füsse. Füsse und Hand-
haben waren nicht etwa besonders angesetzt, vielmehr sind alle Theile
«lieser Kessel als ein einziges Stück gegossen. Die Zahl der Abbildungen
«ierartiger Gefässe, welche die chinesischen Autoren als Opfergefässe be-
zeichnen, ist eine ganz enorme, vgl. Po-ku-fu-lu, Buch 1 — 5, 18, 19; St-
iiing^ku-tiM, Cap. 1 — 7, 30, 31; Kin-schi-so^ Kin-so, Band I. Wir bringen
hier (Fig. 9 — 11) einige Abbildungen von solchen grossen Opferkesssein
aus dem Pa-ku-fu-lu. Fig. 12 ist ein Original, welches Hr. Hirth im
Jahre 1892 photographirt hat (T'oung-Pao, VII, p. 487, 488).
148 P- Reinecke:
Die Form der KeBsel kann sehr weoliaelD, jedoch bei allen finden
sich die typischen gössen Griffe. Die FOsse sind oft kurz, häufig wieder
ziemlich lang, oder sie bilden eine Art Dreifussgestell , welches dann
anscheinend vom eigentlichen Kessel getrennt gegossen ist. Die Becken
mit kreisrundem Querschnitt sind entweder weit und flach, pauken-
förmig, oder mehr langgestreckt, oder haben sogar eine Einziehung am
Halse, oder sind endlich TerhättniHsmässig hoch und nahezu cylindrisch.
Die breiten Griffe entspringen
'^' "■ meist direct am Rande; sie
sind mehr oder minder recht-
eckig, mit etwas abgerun-
detem oberen Balken. In
der Regel steigen die Hand-
haben fast oder geradezu
senkrecht an; gelegentlich
biegen sie sieh auch etwas
nach aussen aus, seltener sind
sie seitlich etwas unterhalb
des Randes angesetzt. Die
Mehrzahl der Kessel ist mit
einem oder melireren oma-
mentalen Streifen (mit Oma
menten der ältesten chine-
sisclien Kunstrichtung) in
Flachrelief, welches in der
chinesischen Zeichnung na-
türlich wieder wie gravirt
Alter Ureifuss, bekannt unter dem NaDien Wu-ttchiuia' erscheint, verziert.
ting, vom Jahre 812 »or Chr. Das Original befindet q^^^^ besonders fallen
»ich im baddti ist ii eben Kloster anf der Silberinsfl bei n r t. i j-
Chmkiang, wq obige Abbildung von Prof. Hirth 1802 ^^' •'i^»«" Opferhecken die
anfgenommeD wurde Vgl. T'auBg-pao, Vol. Vif, p.487 ff, Grössenunterachiede der ein-
zelnen Exemplare auf. Es
giebt eine ganze Reihe sehr kleiner, nur etwa einen halben Fuss hoher
Kessel, andere sind ungefähr einen Fuss hoch, wieder andere bis etwa
zwei Fuss. Es dürfte kaum mög)i<'h sein, fflr diese Differenzen in den
Grössen eine dem wahren Sachverhalt nahe kommende Erklärung zu
finden. Ich wäre geneigt anzunehmen, dass die kleinen Btficke etwas
jüngere Copien nach den grossen Kesseln sind, sei es nun, dass solche für
Kunstliebhaber, deren es in China schon in alter Zeit gab, oder gleichfalls
wieder für den Opferdienst beigestellt wurden. Die chinesischen Autoren,
welche fflr die wechselnde Grösse derselben typischen Grundform keine Er-
klärungen bringen, setzen die Originale, von welchen eine Anzahl noch
heute existirt, in die Periode Schang (zweites vorchristliches Jahrtausend):
Ueber oiDigo BeiiehuDgeo der Alterthflmer Chin«'s u, s. w. ]49
•lif kleineren Exemplare kömiten vielleicht noch in derselben Periode
□uch^ebildet sein.
Mit der GrÜsse wechselt natürlich auch das Üewicht. Sämmtlicho
Ki-Bsel sind, dick aus Bronze gegossen; das Gewicht schwankt zwiBchen
wMng:c<n Pfunden und einem Centner. Das Original z. IJ., welches Hr.
Hirtli pUotogrnpliirte, konnte wegen seiner relativen Gri^sae und Schwere
(
Fig. 13.
Skythtscher BroDiekeuel aus Uagkni; vergl. Hampel, Skjth. Denkm., S. 11.
Too einem Manne nur mit Mfihe fortgeschleppt werden. Auf chinesischen
Gemälden findet sich gelegentlich dargestellt, wie ein Mann einen solchen
Opferkessel trägt; auf den Bildern handelt es sich dann stets um grosse
und offenbar sehr schwere Stücke.
Wir haben bemerkt, dass das immer Wiederkehrende, Typische an
diesen Opferkesseln neben der Form des Beckens der dicke, schwere Guss
and die chsracteristischen Griffe seien. Durchmustern wir die Alterthümer
Sibiriens und der westlichen Skvthenländer, so stossen wir in diesen Ge-
biet4-n auf ganz ühnlich gestaltete Geräthe, von nahezu gleicher Form und
150
P. Reineckb:
Grösse des Beckens, mit denselben grossen, senkrecht stehenden Griffen am
Rande, und gleichfalls von sehr bedeutendem Gewicht.
Es handelt sich einmal um die mehr paukenfömiigen, weiten Gefässe
aus skythischen Kurganen der Zeit des fünften und vierten Jahrhunderts
V. Chr., von welchem Typus sowohl
Fig. 14. in Sibirien und am Pontus, und
zwar in grösserer Anzahl, als auch
in Ungarn (ein Exemplar, augeb-
lieh in (>-8zöny gefunden) und Ost-
galizien (zum Funde von Sapohowo,
Kreis Borszczow, wie vor Kurzem
erst erkannt wurde, gehörend) Ge-
genstücke existiren. Fig. 13*) stellt
ein derartiges Stück vor. Eine weit
jüngere Gruppe, welche durch einen
geschlossenen Fund aus Schlesien
(Höckricht, Kreis Ohlau) datirt wird,
ist repräsentirt durch langgestreckte,
nahezu cylindrische Kessel, welche
desgleichen in Sibirien, Russland,
Ungarn und dann auch in Schlesien
nachgewiesen wurden; in Südruss-
land fehlen sie, wohl aber sind sie
im Wolgagebiet vertreten. Zeitlich
wären sie ungefähr in die Völker-
wanderungsperiode zu stellen. Fig.
14 ist ein Exemplar aus dem Wolga-
gebiet, dessen Griffe noch nicht jene
reiche Bekrönung, wie wir sie an
einigen ungarischen beobachten,
zeigen. Das Material über diese
Kessel ist vereinigt in den Ethnol.
Mitth. aus Ungarn, IV, S. 9 — 15;
Zeitschr. f. Ethn. 1896, S. 12—13,
24—25; Arch. ErtesitJ, 1897, p. 4.
Einige andere chinesische Gefässformen lassen sich vielleicht auch
noch mit solchen des skythisch -sibirischen Völkerkreises vergleichen,
z. B. die sphärischen Bronzevasen mit hohem, verhältnissmässig weitem
Halse {Si'tsHng'ku-ki&n Cap. 26, p. 51, 52) mit gewissen südrussischen
Silbergefässen (Antiqu. du Bosph. Cimm., XXXIV, 1, 8, XXXV, 1, 2;
Ossowski, Wielki Kurhan Ryzanowski, IV, 1), oder die schlanken
1) Die Stöcke su Fig. 8, 13-16 sind von Um. J. Hampel freundlichst hergeliehen.
Metallkessel aus dem Wolgagebiet;
vergl. Hampel, Skyth. Denkm., S. U.
Uobet einige Umiehungen der Alterthümer China's
151
Vast-D Hu BH (Po'hu-t'u-lu, Buch 1l*, Si-Wing-ku-kÜn, Cap. 19) mit dem
(icnes bei Martin, L'Age du Bronze etc., XXXKI, 3. Ana Mangel au hin-
reicbendem Verj^leic Iismaterial legen wir jedoch hierauf kein besonderes
(!e«icht.
Fig. 16.
FijT. 1
Skj'thische StangcnbekrOnung aas Ungarn;
Tergl. Uainpel. Skjth. Dentm., S. 1.
Chineiischei EUpperinstromenti
nach Kin-ichi'io., Abth.
Kin-to, Bd. Iir, fol. 61.
Klapperin Strumen te.
Eioe andere Kategorie Acht skythischer (iegenstände sind Stangen-
ItekröDungen , welche sich aus einem Hohlkegel, dessen Wandung von
<ireieckigeD OeffnuDgeu durchbrochen ist und der in der Kegel eine Kugel
142 P- Beikeckb:
(Verhandl. 1891, S. 808—809). Hr. Hirth sprach die Vermuthung ans.
dasB das Stfick vielleicht selbst ein Product chinesischen Kunstfleisses
wäre; jedoch bei einer Sichtung des umfangreichen prähistorischen Materiale!«
sowohl aus dem Kaukasus wie aus Sfldrussland und Sibirien mfissen wir
diese Vermuthunng, und ich befinde mich hier, wie ich glaube, in vollster
Uebereinstimmung mit Hm. Hirth, etwas anders formnliren. Es bedarf
dasn zunächst einiger Ausführungen Ober Form, Alter und Verbrejtang
dieser Spiegel; wie die Beziehungen der chinesiscbeu Exemplare zu denen
des skythisch-sibirischen Völkerkreises zu deuten sein dürften, werden wir
weiter unten im Zusammenhang mit den anderen Gruppen von Analogien
untersuchen.
In China gab es in sehr alter, frflher Zeit schon Metallspiegel, da-
nel>en solche aus Nephrit. Jedenfalls waren die ältesten Formen, von
Fig. 2.
Einfacber chiDesischer Hetallspiegel mit
dnrchbolirtem Knopf, B&cliaeite noTer-
lieit; nach l'o-tv-t'u-lu. Buch 38, p. IS.
B&ckseite eiocs chinesiscbeD BroniespiegeU mit TraabeB-
tnii>t«t; Dach Si-tting-ku-kie«, Cap. 40, p, *.
denen bisher jedoch keine Originale oder Abbildungen in chinesischen
kunsthistorischen Werken bekannt geworden sind, der Qberwiegenden
Hehrzahl nach kreisrunde Scheiben und hatten schon im Centrum der
RQckseite einen durchbohrten Buckel oder ein ausgebildetes Oehr, da
sonst die Autoren uns sicherlich von einer anderen Form berichtet hätten.
Der durchbohrte Knopf auf der Rilckseite diente zum Durchziehen einer
Schnur, welche als Handhabe des Spiegels verwendet wurde; Spiegel mit
OrifTen, etwa wie die bekannten griechischen oder etruskischen, kommen
unter deu ältesten chinesischen Alterthflmern. wie es scheint, nicht vor.
Ueber einige Beziehungen der Alterthümer China^s u. s. w. 143
Ein umfangreiches Material ist uns hingegen aus der Periode der Dynastie
Han (206 v. Chr. bis 221 n. Chr.) und aus jüngeren Zeiten in Illustrationen
«rhalten {Po-ku-t^u-lu, Buch 28 — 30^ Si-ts^ing-ku-kiM^ Cap. 39—40, Kin-
^ch'f'^i^o^ Abtheilung Kin-so (Erklärung der Metallarbeiten), Band VI). Eine
Anzahl derartiger Spiegel, speciell mit Traubenmustem, aus der Zeit der
älteren Han (206 v. Chr. bis 9 n. Chr.) hat Hr. Hirth in seiner Studie:
-„Ueber fremde Einflüsse in der chinesischen Kunst" (München und
Leipig 1896) reproducirt. Zugleich existiren auch Originale, entweder alte
Originalstücke oder spätere Nachgüsse nach solchen, in verschiedenen
Museen und Sammlungen^), welche uns eine gute Vorstellung von den
Flachrelief-Ornamenten auf der Spiegel-Rückseite gewähren; denn diese sind
in den chinesischen Dlustrationen in herkömmlicher Weise nur, als wären
sie eingravirt, wiedergegeben.
Der Durchmesser der Metallspiegel schwankt ganz erheblich, in der
Mehrzahl der Fälle dürfte er sich zwischen 6 und 20 cm halten; die Form
ist zumeist die kreisrunde. Nie fehlt auf der fast regelmässig mit Orna-
menten bedeckten Rückseite der durchbohrte Knopf. Wir bilden hier als
Fig. l einen unverzierten Spiegel ab, welcher den einfachen Typus sehr
deutlich veranschaulicht. Bei den Traubenspiegeln (Fig. 2") findet sich
an Stelle eines einfachen Oehres als solches die Figur eines Vierfüsslers
verwendet. In der chinesischen Zeichnung musste diese vom Rücken her
gesehen und in der gleichen Manier, wie die Flachrelief-Ornamente, rings
herum ausgeführt erscheinen; jedoch handelt es sich, wie man sich an den
Copien oder Nachgüssen der Originale überzeugen kann, keineswegs um
eine Flachrelief-Figur.
Ihrem Alter nach gehören die Spiegel, von welchen wir uns an der
Hand der Illustrationen und der erhaltenen Bronzeoriginale (bezw. Nach-
güsse) eine genaue Vorstellung machen können, vornehmlich in die Zeit
der Han. Diese typischen Geräthe waren, wie gesagt, jedoch auch schon
früher in Gebrauch, und auch noch viel später, bis durch Einführung der
Olasspiegel aus Europa die metallenen in Fortfall kamen. Als ein be-
merkenswerthes Kennzeichen der altchinesischen Stücke giebt ein Autor
•des elften nachchristlichen Jahrhunderts an (Verhandl. 1891, S. 808), dass
bei kleinen die Spiegelfläche convex geschliffen war, und zwar aus dem
Orunde, weil der Spiegel nicht mehr und nicht weniger als ein menschliches
Gesicht in sich aufnehmen sollte; im elften Jahrhundert war die Kunst
des Convexschleifens schon verloren gegangen.
Bei anderen Culturvölkern des Alterthums findet sich dieser Spiegel-
typus nicht, wohl aber begegnen wir ihm in Sibirien, im Kaukasus, in
1) Eine Anzahl solcher Stücke ging aus der Sammlung Martucci in den kgl. bajrischeu
Hofbesitz über und befindet sich im Ethnographischen Museum zu München.
2) Das Glicht stellte uns -Hr. Hirth gütigst zur Verfügung, desgl. das zu Fig. 12.
11*
144
P. Reikeckb:
Südrussland und in Ungarn. Das älteste zeitlich bestimmbare Exemplar,
eine dicke Bronzescheibe von 10 cm Durchmesser mit yerdicktem Rande
und einem scharf yorspringenden Oehr auf der Rückseite (Fig. 3), stammt aus
einem skythischen Kurgan im Kreise Skwira, Gub. Kiew (Zbiör wiadomosci
u. s. w. VIII, Krakau 1884, Taf. HI, 1); es reicht uubedingt noch bis in das
sechste vorchristliche Jahrhundert zurück, wie aus den mit ihm gefundenen
Fig. 3.
Fig. 4.
Skythischer Metallspiegel aus Sfid-
russland; nach Zbiör wiadomosci,
1884, Taf. III, 1.
Metallspiegel aus Sibirien;
nach Martin, Tage da
bronze etc., XXVII, 6.
Fig. 5.
Fig. 6
Metallspiegel ans Sibirien:
nach Martin 1. c,
XXVII, 8.
Metallspiegel ans Sibirien:
nach Martin 1. c, XX VII, 12.
Elektron-Ringelchen (ibidem Taf. HI, 2), zu welchem in Griechenland mehr-
fach wohl datirbare Gegenstücke existiren (z. B. Ärchäol. Zeitung 1884,
Taf. Vni, 9, 11), hervorgeht. Dem fünften Jahrhundert v. Chr. gehört
ein ähnlicher Spiegel an, welcher in dem bekannten Kurgane Perepjetowka
im Kreise Wasilkow, Gub. Kiew, gefunden wurde (abgebildet bei Kohn-
Mehlis, Materialien, I, Taf. IX, 1); die Zeitbestimmung wird hier durch
eine Anzahl von Goldblechzierrathen (ibidem Taf. XI, 4, 5) gegeben. Auch
noch in anderen skythischen Grabhügeln Südrusslands wurden derartige
Ueber einige Beziehangen der Alterthümer China's n. s. w. 1 45
Geräthe ausgegraben; in den reich ausgestatteten Fürstengräbern scheinen
sie jedoch zu fehlen, hier kamen wenigstens immer nur Spiegel mit GriflFen
zum Vorschein. In Ungarn, wo jüngst eine Reihe sehr alter skythischer
Gräber nachgewiesen wurde, hat man sie bisher nicht beobachtet^); hin-
gegen treflFen wir sie in grosser Anzahl in Sibirien au, ebenso in der
Nekropole von Ananino (Aspelin, Antiqu. du Nord finno-ougrien, 293, 324,
326, 468; Martin, L'Age du Bronze etc., XXVII, 1—11, 18, XXXI, 59;
Heikel, Antiqu. de la Siberie occidentale, XII, 3, XVII, 5). Neben den
Spiegeln mit Knopf auf der Kückseite (der Knopf ist entweder einfach
ringförmig, öhsenförmig, oder wird von vier isolirten Stützen getragen)
giebt es in Sibirien auch solche mit einer Thierfigur als Oehr (Aspelin,
325; Martin, XXVII, 12 — 17); die Stilisirung dieser Vierfüssler ist die
nämliche, wie die der zoomorphen Darstellungen auf zahllosen anderen
skythisch-sibirischen Objecten, und es handelt sich deswegen auch bei diesen
Geräthen um ein einheimisches Fabrikat. Der Durchmesser der sibirischen
Spiegel schwankt etwa zwischen 6 und li an; das Metall ist Bronze und
Kupfer, genaue Analysen scheinen noch nicht vorzuliegen. Wir bilden hier
als Fig. 4—6 nach Martin einige Exemplare ab, welche einen guten Ver-
gleich mit den chinesischen erlauben; Fig. 5 zeigt am Knopf ein Ornament,
welches stark an chinesische Muster erinnert.
Derselbe Spiegeltypus kehrt in einer wesentlich jüngeren Periode in
einer anderen Gruppe osteuropäischer Fundstätten wieder. In den grossen
kaukasischen Necropolen der späteren Kaiserzeit und der Völkerwanderungs-
zeit gehört er zu den ganz gewöhnlichen Beigaben (Chantre, Rech,
anthrop. dans le Caucase, III, pl. VH, VIII, IX; Kondakoff et Tolstoi,
Antiquites de la Bussie meridionale, Fig. 396; Zeitschr. f. Ethn. 1890,
Verh. S. 449; Zbiör wiadomosci etc., Krakau, VUI, Taf. IV, 9, 10, 11).
Er findet sich weiter auch in Ungarn und Niederösterreich in Gräbern
der Völkerwanderungszeit; zu meinem Nachweise derartiger Stücke aus
Ungarn (Zeitschr. f. Ethnol. 1896, S. 12, Note 3) habe ich noch eines aus
dem Comitate Bereg (Arch. Ertesito 1897, p. 37, Fig. 4 — gefunden mit
einer Zweirollenfibel u. s. w.), und ein anderes aus dem Biharer Comitat
(wohl soeben im Arch. 6rt. publicirt), welches angeblich mit eisernen
Steigbügeln und anderen Objecten der magyarischen Heidenzeit zusammen
gefunden sein soll, nachzutragen. Sie bestehen übrigens fast stets aus einer
sehr zinn- oder zinkhaltigen Legirung. Fig. 7 stellt einen solchen spät-
zeitlichen Spiegel aus dem Kaukasus dar, Fig. 8, Nr. 18 einen ungarischen.
Unbedingt müssen diese beiden Gruppen von Spiegeln, die älteren
skythisch-sibirischen und die jüngeren aus dem Kaukasus und Ungarn, in
1) Eine von mir im Arch. Ertesit^', 1897, p. 16, Fig. 56, publicirte Scheibe ans einem
skythischen Grabe in Siebenbürgen, icelches n. a. eine aweischleifige Bogenfibel enthielt,
gehört zn einem Spiegel mit Griff; es fehlt ihr das typische Oehr auf der Rückseite.
1
MetalUpi«ge] ans einem kkokuischeo Onbo;
Tergl. Zeitacbr. f. Etbn. 1890, Vorh. S. 4tö. J ^CbinMUcher Opferkes»e);
DRcb t'o-kit-fa-la, Bach 8, p. 11.
Hg. a
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^.^.^.^|^.■l.^l:^^.^.^-
Mettllapiegel d.s. w. uu der Nekropola Ton CBoma, Ungirn:
v«rgl. Arch. ErtMitö, 1889. p. S66.
üeber einige Beziehungen der Alterthümer China^s u. s. \?.
147
irgend einem Zusammenhange stehen. Auf die wahre Bedeutung der
Bronzeseheiben mit Oehr aus den Skythenkurganen und ihre Verbindung
mit den kaukasischen Exemplaren machte zuerst C. Neyman (Zbiör
wiadomo^ci etc, 1884, p. 37 — 47) aufmerksam; allerdings berücksichtigte er
weder die sibirischen noch die ungarischen Analogien, und auch von den
chinesischen Formen hatte er keine Vorstellung. Mit den griechischen
Weissmetallscheiben (von Klappspiegeln), welche zwar auch ohne Griflf
und kreisrund sind, denen jedoch das characteristische Oehr fehlt, lassen
sich jedoch die unsrigen durchaus nicht in Beziehung bringen.
Fig. 10.
Fig. 11.
Chinesischer Opferkessel;
nach Pu-ku'fu'lv, Buch 10, p. 24.
Chinesischer Opferkessel;
nach Po-ku-Cu'lu, Buch 18, p. 27.
Opferkessel und Gefässe.
Neben den Spiegeln sind unter den chinesischen Alterthümem die
Opferkessel von hervorragender Bedeutung. Es sind dies dick gegossene,
weite flache, oder mehr langgestreckte cylindrische runde Becken, auf drei
Füssen ruhend; am Rande des Beckens haben sie zwei senkrecht gestellte
Handhaben. Eine Abart dieser eigenartigen Gefiässgattung ist nicht rund,
sondern rechteckig, und hat in Folge dessen vier Füsse. Füsse und Hand-
haben waren nicht etwa besonders angesetzt, vielmehr sind alle Theile
dieser Kessel als ein einziges Stück gegossen. Die Zahl der Abbildungen
derartiger Gefässe, welche die chinesischen Autoren als Opfergefässe be-
zeichnen, ist eine ganz enorme, vgl. Po-ku-fu-luy Buch 1 — 5, 18, 19; St-
tsUnff-ku-kiM, Cap. 1 — 7, 30, 31; Kin-schi-so^ Ktn-so, Band I. Wir bringen
hier (Fig. 9 — 11) einige Abbildungen von solchen grossen Opferkesssein
aus dem Po-ktt-fu-lu, Fig. 12 ist ein Original, welches Hr. Hirth im
Jahre 1892 photographirt hat (T'oung-Pao, VH, p. 487, 488).
148 F. Üeisec-ke:
Diu F<jpni iUt Kossol kann si'lir wci-list-ln, ji'iiDch l"'i iillt-ii finden
»icli iliu ty|iisclifii groäst'ii Orifl'r-. Die Ffissi- siii<l oft kurz, liftufig wit-d^r
/.icmlirli laii^. nder »ii> hilili'ii riiii' Art DrL'ifiiss;;osti>)l. welches danu
»iiät-heinniid vom (.'i<;i>ntlirli<-ii Ki-hncI •rt'tn'iiiit •ri'gOÄscii ist. Die Bt>ckeTi
mit kn>ianiiidem QuiT^chiiitt siml i'iitwcdi.-r weit und tincli, paukon-
förinig, oil<'i- mi'lir ljinfi{;t'«tri'ckt. oiIit luilicn Bnjriir i'lm- Hinziehuiij^ am
llalsi-, odi>r sind cnilliili viTlinllnissni:1ssi<; hdcli und nalit-KU cylindrisoh.
Die lircitcn ( iriifc; entspringen
''■'■ " meist direet am Hitiirle: sie
sind mt'lir «ider minder reclit-
i'(-ki>;. mit ctwii» nbgertiii-
i|<>l<-m nlicri-n Itiilkeii. Iii
der lie^'cl Hti'igen die lliiad-
Imlieii ftixt oder geradezn
wenkrcelit nii : fiidegentlich
liiei;i'ii sie sich iiucll etwas
nai'li anssi'ii ans, stdtoner sind
üie iieitlicli etwas unterhalb
dett liandes nn^enetzt. Die
Melirxiilil der Ki-ssel ist mit
einem oder nielirerrn oma-
mentaU-11 Streifen (nitt Oma
ninnten iler iiltrgten ohine-
tiisülien Knnstrielitiin>;) in
Flaetirelief. ^¥elIdle8 in der
cliinesiaelien Zeielniuag na-
tflrlioli wieder wie gravirt
Alter l'fMfii^!^, bekannt iiutcr dem Nhiiii'ü l\'u-hchiian- erflidieint, verziert.
ling, vuin Jahr.' 812 vor Clir. Das OrigiMl bffimiot ^•.^,^., |,i,8onder8 falleu
weh ini butidliwtigthi'n RlnstiT mit ilor Silbfrin-ivl Lei .... .^ p u . ,.
Chinliang, iro ob!«. AbbiMung yo« Prof. Hirtb 1>iH2 ■"'' '''•^*''" Op^-'b.'ckeil die
anrKenommen wiinie \V1 'I''viiiig-pav,Vol.\'l\,iiA>i'it{. 'IrÖKsennnterachiede der ein-
zehien Kxemplare auf. Es
giflbt eine j^anzc Heihe t»ehr kleiner, nur etwa einen liallion Fnss hober
Kessel, andere sind ungefähr einen Fun» iioeli, wieder andere bis etwa
zwei Fuss. Ka dürfte kaum möglieli sein, filr diese Differenzen in den
Grössen eine dem wahren Hadiverlialt nahe kiinnm'ndo Krkläruag zu
finden. leli wäre geneigt anzunehmen, dass die kleinen Stücke etwas
jüngere Copien naeli den grossen Kesseln siud. sei es nun. das» solche filr
Kuuatliebliaber, <leren es in China sehon in alter Zeit gab. oder ;^leichfitll8
wieder für den Opferdienst liergestellt wunlen. Die ehinesischen Autoren,
welche für die wechselii<le (irlsse ilersellieu typischen (irundforni keine Er-
klärungen bringen, setzen die Originale, von welchen eine Anzahl noch
heute existirt. in die l'eridde Schang (zweites vorchristüehes Jahrtausend);
Üeber einige Beziehnngen der Alterthümer China's u. s, w. )49
die kleineren Exemplare könnten vielleicht noch in derBelbeii Periode
Dachgebildet sein.
Mit der Grüsse wechselt natürlich auch das (ilewicht. Sämmtliche
Kessel sind. dick aus Bronze gegossen; das Gewicht schwankt zwischen
wenigen Pfunden und einem Gentner. Das Original z. H., welches Hr.
Hirth pliotographirte, konnte wegen seiner relativen Grösse und Schwere
(
Hg. 18.
Skjrthiacher Broniekeaael aua Ungarn; rergl. Hsmpel, Slcjth. Denkm., S. II.
von einem Manne nur mit Mühe fortgeschleppt werden. Auf chinesischen
Gemälden findet sieh gelegentlich dargestellt, wie ein Mann einen solchen
Opferkessel trägt; anf den Bildern handelt es sich dann stets um grosse
und offenbar sehr schwere Stücke.
Wir haben bemerkt, dass das immer Wiederkehrende, Typische an
diesen Opferkesseln neben der Form des Beckens der dicke, schwere Guss
und die chsracteristischen Griffe seien. Durchmustern wir die Alterthümer
Sibiriens und der westlichen SkythenUnder, so stossen wir in diesen Ge-
bieten auf ganz ähnlich gestaltete Geräthe, von nahezu gleicher Form und
150
P. Reineckb:
fflülilliilBjl
Grösse des Beckens, mit denselben grossen, senkrecht stehenden Griffen am
Rande, und gleichfalls von sehr bedeutendem Gewicht.
Es handelt sich einmal um die mehr paukenförmigen, weiten Gefasse
aus skythischen Kurganen der Zeit des fünften und vierten Jahrhunderts
V. Chr., von welchem Typus sowohl
Fig. 14. in Sibirien und am Pontus, und
zwar in grösserer Anzahl, als auch
in Ungarn (ein Exemplar, angeb-
lieh in (>-Szony gefunden) und Ost-
galizien (zum Funde von Sapohowo,
Kreis Borszczow, wie vor Kurzem
erst erkannt wurde, gehörend) Ge-
genstücke existiren. Fig. 13') stellt
ein derartiges Stück vor. Eine weit
jüngere Gruppe, welche durch einen
geschlossenen Fund aus Schlesien
(Höckricht, Kreis Ohiau) datirt wird,
ist repräsentirt durch langgestreckte^
nahezu cylindrische Kessel, welche
desgleichen in Sibirien, Russland,
Ungarn und dann auch in Schlesien
nachgewiesen wurden; in Südruss-
land fehlen sie, wohl aber sind sie
im Wolgagebiet vertreten. Zeitlich
wären sie ungefähr in die Völker-
wanderungsperiode zu stellen. Fig.
14 ist ein Exemplar aus dem Wolga-
gebiet, dessen Griffe noch nicht jene
reiche Bekrönung, wie wir sie an
einigen ungarischen beobachten,
zeigen. Das Material über diese
Kessel ist vereinigt in den Ethnol.
Mitth. aus Ungarn, IV, S. 9 — 15;
Zeitschr. f. Ethn. 1896, S. 12—13,
24—25; Arch. lilrtesitS, 1897, p, 4.
Einige andere chinesische Gefässformen lassen sich vielleicht auch
noch mit solchen des skythisch -sibirischen Völkerkreises vergleichen,
z. B. die sphärischen Bronzevasen mit hohem, verhältnissmässig weiteai
Halse (Si'ts^ing-ku-kiM Cap. 26, p. 51, 52) mit gewissen südrussischen
Silbergefässen (Antiqu. du Bosph. Cimm., XXXIV, 1, 3, XXXV, 1, 2;
Ossowski, Wielki Knrhan Ryzanowski, IV, 1), oder die schlanken
Metallkessel aus dem Wolgagebiet;
Tergl. Hampel, Skjth. Denkm., 8. 14.
1) Die Stöcke in Fig. 8, IS- 15 aind tou Um. J. Hampel freundlicbst hergeliehen.
Uober einige Bczichnngen der AlterthQmer Chin.
151
Vasen Hu gp (JPö-k-u-fu-lu, Buch 12, Si-ia'ing-ku-kün, Cap, 19) mit dem
Gef^ bei Martin, L'Ä^e du Bronze etc., XXXIII, 3. Ans Mangel an hin-
reichendem Vergleiehsniaterial legen wir jedoch hierauf kein besonderes
Gewicht.
Fig. 16.
SkTthiscbe StaDgenbekrOnDDg «ds Ungarn;
vergl. Hsinpcl, Sk^tk Denkm., S. 1.
Cbiaeaisches Klapperinstrainent;
UMh Kin-$cli-,-$o, Abtb.
Kin-40, Bd- III, fol. 61.
Klapper! nstrumente.
Eine andere Kategorie acht akythischer Cregenstände sind Stangen-
bekrdnungen, welche sich aus einem Hohlkegel, dessen Wandung tou
dreieckigen Oeffnungeu durchbrochen ist und der in der Kegel eine Kugel
152 P. Reinboke:
enthält, sowie einem Dom oder einer Tülle (alles als ein Stück ge-
gossen), zum Aufstecken auf einen Stab, zusammensetzen. Der Zweck
dieser Objecto, welche häufig paarweise gefunden werden, ist unbekannt.
Sie wurden in grosser Zahl in Südrussland ausgegraben, andere kamen in
Rumänien und Ungarn (Fig. 15 ist ein ungarisches Exemplar) zum Vor-
schein, verwandte Objecto auch in Sibirien. Die Literatur hierüber ist zu-
sammengestellt in den Ethnol. Mitth. aus Ungarn, IV, S. 2 — 9, Zeitschr. für
Ethnol. 1896, S. 25 — 27. Sie gehören ausschliesslich vorrömischen Zeiten an.
Auf chinesischem Boden begegnen wir ähnlichen Bronzegegen-
ständen, welche die chinesischen Autoren als Tanzrasseln, Klappern bei
Pantomimen u. s. v- ausgeben {Po-ku-fu-lu, Buch 26, p. 47 u. f.; St-ö'tw^
ku'kihi, Cap. 37, p. 11—20; Kin-scht-so, Abth. Kin-so, Band m, fol. 60, 61).
Diese Bassein bestehen aus einer Schafttülle und einem runden, aus zwei
flachen Kugelabschnitten sich zusammensetzenden, von zahlreichen läng-
lichen Fenstern durchbrochenen Korbe, in dessen Innerem sich eine eiserne
oder bronzene Kugel befindet; sie sind gleichfalls als ein Stück gegossen.
Hr. Hirth überwies dem Museum für Völkerkunde eine derartige Klapper
aus Bronze, deren Grösse etwa die gleiche, wie bei den skythischen, ist
Das Exemplar, welches wir abbilden (Fig. 16), ist gleichfalls ausgegraben
worden, und zwar in Kü-föu^ dem Geburtsort des Confucius. Als ihr
Alter wird übereinstimmend die Periode Ban bezeichnet. Die chinesischen
Erklärer wissen jedoch nicht recht, was sie mit diesen Instrumenten anzu-
fangen haben, und ihre Vermuthung, es handle sich um Theater-Requisiten,
ist an sich sehr unzulänglich und unwahrscheinlich. Es ist möglich, dass
diese Objecto, deren Uebereinstimmung mit den skythischen unverkennbar
ist, sich direct mit ihnen in Parallele stellen lassen; allerdings wird erst
der sichere Nachweis ihres Zweckes hier ausschlaggebend sein.
Messer, Hellebarden, Schwerter u. s. w.
Eine äusserst bezeichnende Gattung der sibirischen Alterthümer sind
die Bronzemesser, von welchen in den sibirischen Sammlungen zahllose
Exemplare liegen. So mannichfaltig ihre Grösse und ihre Verzierung auch
erscheint, so zeigen sie jedoch fast sämmtlich ein auffallendes Merkmal,
welches sie sofort von den meisten prähistorischen Bronzemessem aus
Europa unterscheidet, nehmlich eine gegen die Schneide zu gerichtete
Biegung oder vielmehr Knickung am unteren Ende des Ghriffes, an der
Uebergangsstelle zur Klinge. Eine Fülle von derartigen Messern wird im
Museum von Minussinsk aufbewahrt (vgl. Martin 1. c, XI — XX, sodann
femer Aspelin, 1. c, 180 — 217; Radioff, Sibirische Alterthümer (russ.),
Heft 1 n.s.w.). Fig. 17 ist dem Atlas von Martin entnommen; die charakto-
ristische Knickung ist hier sehr deutlich ausgeprägt, die Länge des Messers
beträgt 26,5 cwi.
Ueber einige Beziehungen der Alterthümer China's u. s. w.
153
Das Alter dieser Bronzemesser lässt sich nur ungefähr bestimmen.
Bei denjenigen, welche eine entwickelte Thieromamentik in skythiscbem
Geschmack aufzuweisen haben, käme etwa die zweite Hälfte des letzten
Torchristlichen Jahrtausends in Betracht; die übrigen dürften kaum
zeitlich von diesen verschieden sein, höchstens, dass die gänzlich unver-
zierten etwas älter sind.
In China müssen wir vollkommen ähnlich gestaltete Messer voraus-
setzen. Es sind zwar keine Originale, meines Wissens wenigstens, bekannt
Fig. 17.
Bronzemesser aus Sibirien: nach Martin, 1. c, XIII, 1.
Fig. 18.
Chinesische Messermünzen; nach Kin-schl-so, Bd. IV, fol. 28.
geworden, auch fehlen Abbildungen prähistorischer*) Messer bei chinesischen
Autoren; jedoch gewähren uns die bekannten Messerraünzeu einen gewissen
Anhalt dafür. Diese Münzen (Fig. 18) copiren ziemlich getreu die Form
alter Messer, welche schwerlich noch zur Zeit, wo diese Münzen aufkamen,
in Gebrauch gewesen sind. Den chinesischen Exemplaren ist gemeinsam
mit vielen sibirischen Stücken der deutlich abgesetzte Griff, der Ring am
freien Griffende, vor Allem aber die Knickung nach einwärts. Auf die
mehr rasirmesserförmige Gestaltung der Klinge ist wenig Gewicht zu
legen, da jedenfalls die Messermünzen sich an Vorbilder mit der gewöhn-
lichen Klingenform anlehnten und diese Abänderung erst bei den Münzen
eintrat. Was ihr Alter anbetrifft, so gehen diese Münzen nach oben
wohl kaum über das dritte Jahrhundert v. Chr. hinaus (C. T. Gardner im
Joum. of the Manchester Geographical Society, 1889, p. 248 u. f.).
1) Wir wollen im Folgenden mit „pr&historisch'' alle diejenigen ausgegrabenen chine-
sischen Alterthümer bezeichnen, welche entweder in den Werken nicht beschrieben oder
abgebildet werden, oder von welchen die Autoren keine oder nur ungenügende Er-
klärungen zu geben im Stande sind, unbekümmert um ihr Alter, welches zum Theil
kaum über das erste vorchristliche Jahrtausend hinausgehen dürfte.
156 P- Reinecke:
doch findet sich der Typus auch in der europäischen Bronzecultur verbreitet:
wir wollten sie aber nicht gänzlich übergehen.
Es fragt sich nun, wie diese vielfachen Beziehungen zu deuten sind.
Ganz einfach ist diese Frage nicht zu beantworten, doch hoflfen wir eine
immerhin befriedigende Antwort geben zu können. Zuvor jedoch haben
wir noch einem Einwände, welcher uns möglicher Weise gemacht werden
dürfte, zu begegnen.
Man könnte anführen, die Thatsache, dass Verbindungen zwischen den
Alterthümern Chinas und Sibiriens existirten, sei schon lange bekannt.
Worsaae war es, welcher in seiner Studie: „Fra Steen-og Bronzealderen
i den gamle og den nye Verden" (Aarböger for Nordisk Oldkyndighed
1879) zuerst derartige Vermuthungen aussprach. Er stützte sie jedoch
nur auf einige zweifelhafte Analogien und vor allem ging er nicht auf die
chinesischen Illustrationen selbst ein, und darum haben die Ausführungen
seiner Studie im allgemeinen, wie in diesem speciellen* Falle, nur einen
ganz problematischen Werth. Allerdings darf uns das nicht befremden,
wenn wir berücksichtigen, dass damals das sibirische Material noch so gut
wie unpublicirt war; aber trotzdem hätte AVorsaae seinen Andeutungen
eine andere Fassung geben müssen. Aehnlich verhält es sich mit dem be
kannten Aufsatze Sophus Müllers: „Ursprung und erste Entwiokelung der
europäischen Bronzecultur" (Arch. f. Anthr. XV), in >velchem gelegentlich
auch unser Thema gestreift wird. Heute, wo wir die prähistorischen Alter-
thümer mit ganz anderen Augen anzusehen gelernt haben und das vor-
handene Material durch neue Funde und umfangreiche Ausgrabungen sich
ungemein vermehrt hat, ist es uns eher möglich, die Schwierigkeiten,
welche die Aufhellung so verworrener Beziehungen darbietet, klarer zu
überschauen, und in unseren Vermuthungen vorsichtiger und zurückhaltender
zu sein.
Die oben constatirten Beziehungen zwischen den Alterthümern Chinas
und des skythisch- sibirischen Völkerkreises sind von zweierlei Gesichts-
punkten aus zu betrachten. Zum Theil verrathen sie einen gewissen Zu-
sammenhang dieser beiden archäologischen Provinzen und lassen die Zu-
gehörigkeit der prähistorischen Denkmäler Chinas und Nordasiens zu
einem gemeinschaftlichen grösseren Kreise erkennen; andererseits offen-
baren sie auch eine starke Beeinflussung der Völker Nordasiens und
ihrer Verwandten im östlichen Europa in etwas jüngerer Zeit durch die
bereits auf einer vorgeschritteneren Stufe stehende chinesische Cultur.
Das auffallende üebereinstimmen einer Anzahl von Formen von
Waffen und Werkzeugen, so der Kurzscliwerter, Aexte, Messer, u, s. w.
eventuell auch der Klapperinstrumente, ist jedenfalls nur darauf zurück-
zuführen, dass in China, wie in Nord-Asien, eine in den meisten Typen
Ueber einige Beziehangen der Alterthümer China's a. s. w. 157
gleichartig entwickelte Bronzecultur yerbreitet war, und zwar stand diese
tum europäischen Bronzealter und der yorderasiatischen Gruppe (Assyrien,
Kaukasus, Persien) in directem Gegensatz. Worsaae, welchem das
Verdienst bleibt, das seiner Zeit bekannte prähistorische Material von
Ostasien gesammelt zu haben (1. c. p. 307 u. f.), sprach diesen Gedanken
nur sehr oberflächlich aus und wollte zugleich auch weitere Verbindungen
constatiren, welche wir selbst heute, noch nach mehr als zwei Decennien,
in Abrede stellen müssen. Mit den Torgeschichtlichen Bronzen aus Japan
haben die sibirischen und chinesischen wenig zu thun, und noch yiel
weniger können wir Berührungen mit den Funden aus dem nordwestlichen
Amerika, welche man jüngst erst wieder nachgewiesen zu haben glaubte
(Zeitschr. f. Ethn., Verh. 1896, S. 75 — 76), annehmen; schon allein ein ober-
flächlicher Vergleich der betreffenden herangezogenen Objecto lässt die
Nichtigkeit dieser Vermuthungen erkennen.
E» wäre erwünscht, wenn einmal von fachkundiger Seite ans den
chinesischen Autoren das vorhandene Material über Waffen und Werkzeuge
unter den chinesischen Alterthümem zusammengestellt würde. Augen-
blicklich, wo schon allein der Vergleich zwischen den ausgegrabenen
Originalstücken und den nur in Illustrationen erhaltenen und meist von
den chinesischen £rklärern falsch gedeuteten Objecten auf Schwierigkeiten
stösst, lassen sich alle diese Verhältnisse kaum oder nur wenig überblicken.
Soyiel ist jedoch gewiss, dass viele Jahrhunderte hindurch in China ein
hoch entwickeltes Bronzealter blühte und dieses noch bis in verhältniss-
mässig späte Zeiten andauerte; der grösste Theil der von Hm. Hirth so
benannten „Periode der spontanen Entwickeluog der chinesischen Kunst''
(Ueber fremde Einflüsse in der chinesischen Kunst, S. 1 und f.) wird von
dieser Bronzezeit eingenommen. In manchen Gegenden Chinas, z. B. im
Gebiete der Völkerschaften, welche von den Chinesen unter dem Namen
Man beschrieben werden (in den südwestlichen Provinzen und einem
Theile Hinterindiens), waren sogar bis zum Beginne unserer Zeitrechnung
noch bronzene Waffen in Gebrauch (vgl. Bastian-Pestschrift, 8. 493, Note 6
zu S. 492). Bedeutende zeitliche Differenzen brauchen demnach zwischen
den chinesischen und sibirischen Bronzeobjecten nicht vorzuliegen.
Neben diesen Beziehungen, welche wir einfach als gleichartige Ent-
wickelungen gewisser Typen innerhalb eines grösseren einheitlichen Cultur-
kreises bezeichnen dürfen, müssen wir jedoch auch noch directe Ueber-
tragungen einiger characteristischen chinesischen Formen zu den Völkern
Sibiriens voraussetzen. Nach unserer Ansicht kann die üebereinstimmung
der Spiegel und der Opferkessel nur auf diese Weise erklärt werden. Die
singulare Spiegelform mit dem Oehr auf der Rückseite kommt in China
schon in sehr alter Zeit vor. Derartige Stücke gelangten wahrscheinlich
auf dem Uandelswege zu den Völkern Sibiriens, wurden von diesen
nachgebildet und auch weiter in verschiedenen Zeiten zu den verwandten
ZeltMkrIft fir Ethnolofi«. Jahrg. 181*7. \2
154 P- Reineckb:
Von anderen Werkzeugen oder von Waffen des ehineaiscben Alter-
tbums wäre hier nur nocli wenig beranzuziebeu. Die Hellebarden (eine
Abbildung findet sich bei Evan >t. Ancient bronze imple*
Fig, 19. ',, menta, p -I&i; einige aus dem Kinsclü-M publicirte
Hr. Hirth im T'oung-pao. VU, p. 494, 405) stehen
ziemlich isolirt da; vielleicht liessen sie sich mit ge-
wissen sibirischen Metallpickeln (wie Aspelin, 'Hi.
226—2-28; Badioff, Sib. Alterth., Taf. XVI. XVII)
zusammenbringen, doch mag dies vorläufig dahin-
gestellt bleiben. Die Pfeil- und Lanzenspitzen bieten
ebeofallB zu wenig schlagende Vergleichspunkte.
Ueber die Schwerter lassen sich auch nur einige
Worte sagen. Im Kin-icM-ao, Abtbeilung Kin-ao.
Band II, fol. 17, 18, ferner im Si-ti'inff-ku-ki^,
Cap. 38, sind einige Bronzeschwerter abgebildet, deren
Länge kaum ein halbes Meter überschreitet und sich
meist weit unter diesem Maass hält. In Bezug auf
ihre Länge würden diese Kurzschwerter sich den be-
kanuten sibirischen und skythischen aus Bronze und
Eisen gegenüberstellen lassen, während sie etwa zu
den prähistorischen Schwertern aus Kuropa in scharfem
Gegensatz stehen; doch ist die Form des Griffes bei
den chinesischen wieder eine etwas andere. Bevor
man jedoch weitere Schlüsse ziehen kann, bedarf es
jedenfalls noch eines genaueren Studiums der Werk-
zeuge und Waffen unter den chinesischen Alterthümeni
und der Erklärungen der Kunsthistoriker; vorläufig
sind unsere Kenntnisse gerade dieser Gruppe chine-
sischer Altsachen nur von ganz massigem Umfange,
und wie die uns in Xllustrationen erhaltenen Objecte
mit den in China ausgegrabenen prähistorischen
Bronzen in Einklang zu bringen sind, ist noch ganz
unbestimmt
Ein sehr interessantes, in Shanghai erworbenes
chinesisches Brouzeschwert (Fig. 19) besitzt Hr.
Hirth in seiner Sammlung. Es hat eine Länge
von etwas mehr als ZC> cm, davon gehen 12 cm für
den Griff ab Die Grifffläche ist beiderseits canne-
lirt, die mittlere Rippe setzt sich auch auf die Klinge
fort; das obere Ende weitet sich etwas, aus und zeigt,
gleichsam in heraldischer Paarung, zwei gegen ein-
ander auBspringende. in ganz primitiver Weise aus-
geführte Thierfiguren. Das untere Ende des Griffes
lieber einige Beziehungen der Alterthümor China's u. s. w. 155
erweitert sich, ohne besonders abgesetzten Uebergang, zur zweischneidigen
Klinge; diese trägt auf der einen Seite uralte chinesische Charactere,
welche die chinesische Herkunft des Stückes, die sonst noch zweifelhaft
sein könnte, mit voller Sicherheit nachweisen. Hr. Hirth stellte im
Jahre 1889, unter Zuziehung des damals der chinesischen Gesandtschaft
attachirten Hrn. Tschang Tö-i (des späteren Lehrers des Englischen
beim Kaiser von China), die Lesung Hiwtachöu ^Affl ^^^^- ^^^ Gewicht
des Schwertes beträgt \bO g^).
Wir haben es hier mit einem ausgesprochenen Kurzschwert zu thun,
welches auffallend an gewisse sibirische Kurzschwerter von Bronze oder
Kupfer erinnert. Zwar fehlt der herzförmige, oft etwas modificirte Theil
am unteren Ende des Griffes, welcher sonst das Characteristicum des sky-
thischen äxivdxrjg ist; doch stimmen andere Merkmale wieder direct mit
sibirischen Exemplaren überein, so z. B. die geringe Länge, die Form als
ausgesprochenes Kurzschwert, ferner die Gliederung des freien Griffendes
(vgl. z. B. Radioff, Sibirische Alterthümer (russisch), Bd. I, 2, 1891,
Taf. EK, 3, 12), die Cannelirung des Griffes, die Verzierung des Knaufes
mit Thieromamenten u. s. w. Beim Durchblättern der Atlanten sibirischer
Alterthümer von Aspelin, Ujfalu, Radioff, Martin u. s. w. wird man
auf zahlreiche Anklänge stossen. und was das Fehlen des rein herz-
förmigen oder mehr oder minder modificirten Stückes zwischen Griff und
Klinge anbetrifft, so verweise ich nur auf Ujfalu, Exp. scientif. en Russie
etc , vol. YI, Atlas archeol., PI, 17, und Radioff, Sib. Alterth., Taf. X, 15,
XI, 9, Text p. 61, wo man ähnlichen Erscheinungen begegnet. Jedenfalls,
das wird man zugeben, steht das chinesische Kurzschwert den sibirischen
sehr nahe und verräth zu diesen viel mehr Beziehungen, als etwa zu den
in Vorderasien (Assyrien, Kaukasus, Nord-Persien) vorkommenden Kurz-
schwert-Typen.
Nicht allzu selten sind unter den prähistorischen Alterthümern aus
China auch Bronzeäxte mit Schaftloch, von einer Form, welche
gelegentlich in Sibirien und weiter auch unter den vorgeschichtlichen
Bronzen Europas angetroffen wird. Die chinesischen Autoren bezeichnen
sie (abgebildet sind solche im Po-hu-fu-lu^ Buch 26; Si-tsHug-hu-kien,
Cap. 37, 38; Kin-scht-ao, Abth. Kinso, Band 11) als Hellebarden, Theater-
hellebarden, Tanzäxte, und setzen sie in die Zeit der Dynastien Tschöu
und Han. Häufig sind die Aexte mit Ornamenten der ältesten chinesischen
Kunstübung verziert. Die Deutung dieser Waffen ist natürlich ebenso,
wie bei den Klapperinstrumenten, eine ziemlich willkürliche und jedenfalls
nicht ernst zu nehmen. Für uns haben diese Aexte nicht ein specielles
Interesse; wir kennen zwar ähnlich gestaltete Stücke aus Sibirien,
1) Es mag dahingestellt bleiben, ob das Schwert ein uraltes Original oder etwa ein
jüngerer Kachgnss sei; jedenfalls ist die Form uralt.
156 P. Rbingckb:
doch findet sich der Typus auch in der europäischen Bronzecultur verbreitet;
wir wollten sie aber nicht gänzlich übergehen.
Es fragt sich nun, wie diese vielfachen Beziehungen zu deuten sind.
Ganz einfach ist diese Frage nicht zu beantworten, doch hoffen wir eine
immerhin befriedigende Antwort geben zu können. Zuvor jedoch haben
wir noch einem Einwände, welcher uns möglicher Weise gemacht werden
dürfte, zu begegnen.
Man könnte anführen, die Thatsache, dass Verbindungen zwischen den
Älterthümem Chinas und Sibiriens existirten, sei schon lange bekannt
Worsaae war es, welcher in seiner Studie: „Fra 8teen-og Bronzealderen
i den gamle og den nye Verden" (Aarbeger for Nordisk Oldkyudighed
1879) zuerst derartige Vermuthungen aussprach. Er stützte sie jedoch
nur auf einige zweifelhafte Analogien und vor allem ging er nicht auf die
chinesischen ülustratiouen selbst ein, und darum haben die Ausführungeu
seiner Studie im allgemeinen, wie in diesem speciellen * Falle, nur einen
ganz problematischen Werth. Allerdings darf uns das nicht befremdeu,
wenn wir berücksichtigen, dass damals das sibirische Material noch so gut
wie unpublicirt war; aber trotzdem hätte Worsaae seinen Andeutungen
eine andere Fassung geben müssen. Aehnlich verhält es sich mit dem be
kannten Aufsatze Sophus Müllers: „Ursprung und erste Entwickelung der
europäischen Bronzecultur** (Arch. f. Anthr. XV), in welchem gelegentlich
auch unser Thema gestreift wird. Heute, wo wir die prähistorischen Alter-
thümer mit ganz anderen Augen anzusehen gelernt haben und das vor-
handene Material durch neue Funde und umfangreiche Ausgrabungen sich
ungemein vermehrt hat, ist es uns eher möglich, die Schwierigkeiten,
welche die Aufhellung so verworrener Beziehungen darbietet, klarer zu
überschauen, und in unseren Vermuthungen vorsichtiger und zurückhaltender
zu sein.
Die oben constatirten Beziehungen zwischen den Älterthümem China^s
und des skythisch- sibirischen Völkerkreises sind von zweierlei Gesichts-
punkten aus zu betrachten. Zum Theil verrathen sie einen gewissen Zu-
sammenhang dieser beiden archäologischen Provinzen und lassen die Zu-
gehörigkeit der prähistorischen Denkmäler Chinas und Xordasiens zu
einem gemeinschaftlichen grösseren Kreise erkennen: andererseits offen-
baren sie auch eine starke Beeinflussung der Völker Xordasiens und
ihrer Verwandten im östlichen Europa in etwas jüngerer Zeit durch die
bereits auf einer vorgeschritteneren Stufe stehende chinesische Cultur.
Das auffallende Uebereinstimmen einer Anzahl von Formen von
Waffen und Werkzeugen, so der Kurzschwerter, Aexte, Messer, u. s. w.
eventuell auch der Klapperinstrumente, ist jedenfalls nur darauf zurück-
zuführen, dass in China, wie in Nord-Asien, eine in den meisten Typen
Ueber einige Bexiehangen der Alterthümer China^s n. s.w. 157
gleichartig entwickelte Bronzecultur yerbreitet war, und zwar stand diese
zum europäischen Bronzealter und der yorderasiatischen Gruppe (Assyrien,
Kaukasus, Persien) in directem Gegensatz. Worsaae, welchem das
Verdienst bleibt, das seiner Zeit bekannte prähistorische Material von
Ostasien gesammelt zu haben (1. c. p. 307 u. f.), sprach diesen Gedanken
nur sehr oberflächlich aus und wollte zugleich auch weitere Verbindungen
constatiren, welche wir selbst heute, noch nach mehr als zwei Decennien,
in Abrede stellen müssen. Mit den vorgeschichtlichen Bronzen aus Japan
haben die sibirischen und chinesischen wenig zu thun, und noch viel
weniger können wir Berührungen mit den Funden aus dem nordwestlichen
Amerika, welche man jüngst erst wieder nachgewiesen zu haben glaubte
(Ze^tschr. f. Ethn., Verh. 1896, 8. 75 — 76), annehmen; schon allein ein ober-
flächlicher Vergleich der betreffenden herangezogenen Objecto lässt die
Nichtigkeit dieser Vermuthungen erkennen.
Es wäre erwünscht, wenn einmal von fachkundiger Seite aus den
chinesischen Autoren das vorhandene Material über Waffen und Werkzeuge
unter den chinesischen Alterthümem zusammengestellt würde. Augen-
blicklich, wo schon allein der Vergleich zwischen den ausgegrabenen
Originalstöcken und den nur in Illustrationen erhaltenen und meist von
den chinesischen Erklärern falsch gedeuteten Objecten auf Schwierigkeiten
stösst, lassen sich alle diese Verhältnisse kaum oder nur wenig überblicken.
Soviel ist jedoch gewiss, dass viele Jahrhunderte hindurch in China ein
hoch entwickeltes Bronzealter blühte und dieses noch bis in verhältniss-
massig späte Zeiten andauerte; der grösste Theil der von Hm. Hirth so
benannten „Periode der spontanen Entwickelung der chinesischen Eunst^
(üeber fremde Einflüsse in der chinesischen Kunst, S. 1 und f.) wird von
dieser Bronzezeit eingenommen. In manchen Gegenden Chinas, z. B. im
Gebiete der Völkerschaften, welche von den Chinesen unter dem Namen
Man beschrieben werden (in den südwestlichen Provinzen und einem
Theile Hinterindiens), waren sogar bis zum Beginne unserer Zeitrechnung
noch bronzene Waffen in Gebrauch (vgl. Bastian-Pestschrift, S. 493, Note 6
zu S. 492). Bedeutende zeitliche Differenzen brauchen demnach zwischen
den chinesischen und sibirischen Bronzeobjecten nicht vorzuliegen.
Neben diesen Beziehungen^ welche wir einfach als gleichartige Ent-
wickelungen gewisser Typen innerhalb eines grösseren einheitlichen Cultur-
kreises bezeichnen dürfen, müssen wir jedoch auch noch directe üeber-
tragungen einiger characteristischen chinesischen Formen zu den Völkern
Sibiriens voraussetzen. Nach unserer Ansicht kann die üebereinstimmung
der Spiegel und der Opferkessel nur auf diese Weise erklärt werden. Die
singulare Spiegelform mit dem Oehr auf der Rückseite kommt in China
schon in sehr alter Zeit vor. Derartige Stücke gelangten wahrscheinlich
auf dem Handelswege zu den Völkern Sibiriens, wurden von diesen
nachgebildet und auch weiter in verschiedenen Zeiten zu den verwandten
Z«it*ehrift für Ethnologie. Jahrg. 18V7. |2
158 P- Rbinecke:
Stämmen im östlichen Europa gebracht. Ebenso verhielt es sich wohl
mit den Opferkesseln, die sicherlich bei den skythischen Stämmen zum
gleichen Zweck verwendet wurden, wie in China.
Sichere Andeutungen eines sehr alten Handelsverkehrs der Chinesen
mit den Völkern Sibiriens liegen uns vor in einer Reihe chinesischer
AlterthQmer, welche in Sibirien ausgegraben wurden. Eine absichtliche
Täuschung ist hierbei ausgeschlossen, da man solche Funde schon im ver-
gangenen Jahrhundert machte^). Yomehmlich sind es auffallender Weise
gerade Spiegel, dann auch Celte u. s. w., welche durch ihre Inschriften in
altchinesischen Characteren deutlich ihre Herkunft verrathen. Die alten
Werke von Witsen: „Noord- en Oost-Tartarye", und Strahlenberg: „Das
Nord- und Oestliche Theil von Europa und Asia^ bringen Holzschnitte der-
artiger, in Sibirien ausgegrabener Spiegel (reproducirt bei Radloff^
Sibirische AlterthQmer (russisch), Beilagen p. 4^, 128); femer publicirte
Heikel (Antiquites de la Siberie occidentale, XYH^ 6) ein Exemplar.
Ein chinesischer Hohlcelt (von sechseckigem Querschnitt) ist abgebildet
bei Martin, L c. XXXII, 10, ähnliche ohne Inschrift bei Heikel, II, 5,
XI, 2 (vergl. auch IV, 4, XV, 1, 2). Auch in der Ornamentik der alt-
sibirischen Bronzen haben sich Spuren chinesischer Beeinflussung er-
halten: z. ß. chinesisches Cicadenmuster auf den Hohlcelten bei Martin,
I. c. n, 3, 5, 8, 10, 11, chinesisches Triskelen- Ornament auf Messern
und Spiegeln, Martin, XV, 26, XX, 1, 2, XXyn, 8u. s. w. Die kleinen
Anhängsel mit sehr roh stilisirten Gesichtsmasken, welche Martin (XXIX,
38 — 45) als chinesische Arbeiten bezeichnet, halte ich jedoch für sibirische
Nachbildungen nach griechischen Vorlagen.
Uanz evident ist die Nachbildung der Spiegel bei den Stücken mit
einer Thierfigur als Oehr. Hier liegen die chinesischen Traubenspiegel
zu Grunde; in Sibirien konnte oder wollte man nicht das reiche Ornament
der Rückseite derselben copiren und begnügte sich bloss mit der Thier-
figur, welche dem barbarischen Toreuten offenbar weniger Schwierigkeiten
bot als die Wiedergabe der sehr complicirten Trauben- und Thiermuster.
Diese besondere sibirische Spiegelgmppe erhält ihre zeitliche Fixirung also
durch die Traubenspiegel.
Uebrigens sind Thierfiguren als Griffe u s. w. in China ganz allgemein
verwendet worden, z. B. auf ganz flachen Deckeln von sehr alten Metall-
1) üeber Sibirien scheinen die chinesischen ImporUtäcke nicht hinaoigegang^n zu
sein. — Das angebliche Yorkommen von oralten ostasiatischen Bronieglocken in Eoropa,
f(anz speciell in der Umgebung von Mains (erwfthnt in Naue's Pr&bistorischen Blittern
lS97f 8. 44—45; Tergl. dasn anch ebendaselbst 8. 64), beruht nur auf einem neuen Kunst-
griff des Alterthümerhandels, seine Artikel in der glaubwürdigsten Weise ansupreisea.
Die Rheinlande haben schon oft dem Kunsthandel als Fnndgebiet f&r in sehr modemer
Zeit importirte Alterthnmer dienen müssen, bisher allerdings, yod Filschungen nach süd-
russischen Goldsachen lu schweigen, in der Regel mehr nur für spfttetruskische Erzeugnisse
italischer Prorenienz.
Ueber einige Beziehungen der Alterthümer China^s u. s. w. 159
yasen {Po-ku-t^u-lu^ Buch 26, St-tsHug-ku-kiSn^ Cap. 37); ein derartiger
Brauch war demnach in China nicht fremd, wohl aber in Sibirien.
Das hohe Alter der grossen Opferkessel darf uns nicht abhalten, diese
mit den ziemlich genau datirbaren skythischen Metallbecken in Verbindung
zu bringen, denn derartige Gefässe finden sich in China heute noch in
Gebrauch. Uralt sind bei ihnen nur die Form und die Ornamentik; eine
Anzahl von erhaltenen Originalen mag wirklich aus dem zweiten vor-
christlichen Jahrtausend stammen, bei anderen kann es sich hingegen um
etwas jüngere getreue Wiederholungen handeln. Jedenfalls war diese
Gefässgattung in der Zeit, welcher die ältesten skythischen Nachbildungen
angehören, in China allgemein noch beim Opferdienst in Verwendung, und
nichts steht der Ansicht im Wege, dass die Barbaren Sibiriens, welche
nur über einen geringen Formenschatz verfügten und die Mehrzahl der
Muster ihrer eigenartigen Thieromamentik von benachbarten Völkern ent-
lehnten, sich nach den Vorbildern, die ihnen direct oder indirect von dem
überlegenen Culturvolk der Chinesen zugeführt wurden, ähnliche schwere,
grosse Metallbecken zum Cultuszweck anfertigten. Deshalb sind auch die
meisten skythischen Kessel ohne jedes Ornament; auch die Vereinfachung
des Fusses bei den sibirischen und westlichen Exemplaren scheint dafür
zu sprechen.
Wenn einige in Ungarn gefundene völkerwanderungszeitliche Kessel
an Stelle von einfachen Griffen solche mit einer reichen Bekrönung zeigen,
so dürfen wir in diesem Falle an eine selbständige Weiterbildung der
ursprünglichen Form denken. Aehnliches kommt bei chinesischen Opfer-
vasen nicht vor; doch sind reich decorirte Griffe desselben Schemas, wie
bei den Kesseln, bei den grossen Metallglocken, welche gleichfalls bis ins
zweite vorchristliche Jahrtausend zurückgehen, nichts Seltenes.
Eine gewisse Bestätigung finden unsere Vermuthungen hinsichtlich
dieser Kessel in einer Mittheilung, welche Wosinsky bei der Besprechung
eines der ungarischen Stücke machte (Arch. Ertesito, 1891, p. 431; Ethn.
Mitth. aus Ungarn, IV, S. 13); die an dieser Stelle erwähnten Opferkessel
der Mongolen dürften mit den chinesischen identisch sein.
Die hier besprochenen Beziehungen dürfen uns jedoch auch wieder
nicht veranlassen, etwa die Bedeutung des altchinesischen Einflusses auf
die Bevölkerung Sibiriens zu überschätzen. Abgesehen von dem uralten
Zusammenhange, welcher sich in einer Reihe von einfachen Waffen- und
Geräthformen offenbart, konnten wir nur einen directen Import, sowie eine
dadurch hervorgerufene Nachbildung und Weiterbildung gewisser typischer
Geräthe nachweisen; in der Ornamentik der sibirischen Alterthümer sind
sogar auffallend wenige chinesische Elemente enthalten. Diese Beziehungen
haben somit keine tief eingreifenden Veränderungen hervorgerufen; dazu
waren die Strömungen, welche vom Westen, vom Schwarzen Meere, aus-
gingen, zu stark. Es ist möglich, dass in Sibirien von China her Einflüsse
12'
160 P* Reineokb:
schon mehrere Jahrhunderte, bevor die Griechen am Pontus mit den
Skythen in engere Beziehung traten, sich geltend machten und die Stämme
am Jenissei und Ob eine Anzahl von Geräthschaften, die sich ihnen als
praktisch erwiesen, übernahmen, noch ehe der erste Grieche sich am nördlichen
Gestade des Schwarzen Meeres niederliess. Die chinesischen Formen wurden
beibehalten, die chinesische Ornamentik jedoch, die nicht recht hatte Fuss
fassen können, erlag in Sibirien dem griechischen Elemente yoUständig, so
wie sie bald darauf in China selbst, auf dem Wege über Baktrien, tod
diesem stark beeinflusst wurde.
Der eigenartige sibirische Stil, welcher uns namentlich auf den grossen
goldenen Platten und Schmuckgegenständen mit Edelstein- und Email-
einlage (Eondakoff und Tolstoi, Russische Alterthümer in Kunst-
denkmälem (russ.), Theil HT) entgegentritt, sodann aber auch in der
charakteristischen Thieromamentik, hat sich vomehmlich auf griechischer
Grundlage entwickelt. Die skythischen Kurgane Südrusslands, in welchen
man neben rein griechischen Alterthümem auch solche aufgefunden hat^
die sich unzweifelhaft als barblirische Nachbildungen nach griechischen
Vorlagen erweisen, gewähren uns einen hinreichenden Anhalt für diese
Annahme und deuten uns zugleich die Wege an, auf welchen diese Ein-
flüsse so weit nach dem Inneren Nord- Asiens vordringen konnten. Weiter
aber, noch über das Gebiet der sibirischen Verwandten der skythischen
Völker Südrusslands hinaus, vermochten sie nicht mehr zu wirken;
nach China ist die griechische Ornamentik, welche unter den älteren Han
von so hoher Bedeutung war, auf einem ganz anderen Wege gekommen.
Dass einige der fremden, aus China stammenden Formen, wie die
Spiegel mit der Oehse und die grossen Opferkessel, sich in Sibirien und
auch viel weiter westlich durch viele Jahrhunderte hindurch halten konnten,
ist bei dem Conservatismus dieser Völker, für welchen die Alterthümer
Zeugniss ablegen, nicht verwunderlich. Und wenn wir nun weiter aus den
abendländischen Vorkommnissen dieser Typen, welche zum Theil erst der
Völkerwanderungszeit angehören, auch auf die Nationalität der Leute
schliessen, die diese Gegenstände fast bis in das Herz von Europa mit
sich führten, und diese Stämme mit den alten Einwohnern Sibiriens, deren
nächste Verwandte in Südrussland von den Griechen mit dem Collectiv-
namen Skythen bezeichnet wurden^ in Verbindung bringen, so dürfte das
die einzig richtige Erklärung hierfür sein. —
Es lassen sich hier vielleicht am besten noch einige seltene Er*
seheinungen unter den chinesichen Alterthümem anführen, welche aller-
dings nur in einem losen Zusanmienhange mit den im Voraufgehenden
besprochenen Beziehungen stehen. Es handelt sich einmal um die
Anwesenheit und Nachbildung einer för gewöhnlich als griechisch
bezeichneten Gefässform im alten China, und sodann um das Vor-
(Jeber einige BniehuDgen der AlterÜiSnier Chinit's n. a. w. iQi
kommeD eines sicherlich aus dem Boden Westsibiriens stammenden Gegen-
BtandeB in einer chinesischen Sammlung.
Im Po-ku-t''u-lu, Buch 16, p. 18, ferner im Kin-schi-to, Abthetluog
Km-io, Band m, fol. 36, ist je ein Trinkbecher, welcher in einen
Stieikopf ausgeht, abgebildet. Auf den ersten Blick muas uns bei diesen
absolut unchinesischen Geftssen das bekannte, mit einem Thierkopf
endende Rbyton rlee classischen Alterthums eiofallen. Derartige Trink-
becher waren seit dem fünften vorchristlichen Jahrhundert in Griechen-
land u. 8. w. sehr beliebt und sind auch noch in sehr später classischer
Zeit in Gebrauch gewesen. Aus den Skythenkurganen Sadnisslands
ist das Rbyton io vielen prächtigen Exemplaren ans Edelmetall bekannt
geworden; diese stellen der Mehrzahl nach stattliche Trinkhörner dar,
nur einige stimmen in ihren Dimensionen mit den chinesischen und
den tbönemen griechischen flberein. In den chinesischen Texten wird
nicht erwähnt, aus welchem Metall diese Gefässe hergestellt waren; offen-
Pig. 20. Fig. 21.
QoMenet Schmnckatück bds Sibirien, in der Nach Km-ichi-to, Abtbcilnng Kia-io,
Ermitage befindlich. Nach Kondakoff Bd. IV. fol. 27 «it '/, der natürt. Gr.
et Tolgtoi, Fig. 348. redncirt.
bar waren sie aas Bronze. Ueber ihr Alter wird nichts gesagt, sie dürften
jedoch in eine verhaltnissmässig alte Zeit, etwa bis in die Han-Periode,
znrückreichen. Der Becher, welcher im Po-ku-t^u-lu abgebildet ist, kann
an einer Kette, welche dem Stier durch die Nase gezogen ist, getragen
■werden; sicherlich ist diese Kette nur eine chinesische Zuthat. Henkel
wie bei den kleineren Exemplaren des Rbyton, haben die chinesischen
Bicher nicht.
Das« es sich bei der auffallenden Uebereinstimmung, dieser charak-
teristiscben Gef^sferm lediglich um einen Zufall handle, erscheint mir
TOlIig ausgeschlosseD ; rielmehr glaube ich hierin einen neuen Nachweis
fremder, westlicher EinSfisse in der chinesischen Kunst, ffir welche Hr.
Hirth bereits in seiner mehrfach genannten Arbeit ein umfangreiches
Material gesammelt hat, erblicken zu dflrfen. Auch noch das Vorkommen
anderer antiker Vasentypen, so z. B. der Breitflasche (pilgrira's bettle).
162 P. Reinecke:
welche im Alterthume uud weiter auch noch in frühchristlicher und mero-
yingischer Zeit bekannt war, scheint auf derartige Einflüsse der classischen
Länder zurückzugehen; diese machten sich jedoch, wie wir nochmals hervor-
heben wollen, keineswegs auf dem Wege über Sibirien geltend.
Femer haben wir hier noch eines Curiosums Erwähnung zu thun.
Im Kin'Scht^aOy Abtheilung Kinase, Band IV, welches die Inschriften
der Münzen behandelt, ist fol. 27 eine durchbrochene Metallplatte
in Silhouettenmanier abgebildet, welche wir sofort als ein Gegen-
stück zu einer ganz bestimmten Kategorie westsibirischer Alterthümer
erkennen. Das Object befand sich in der Sammlung eines der Autoren
des Kin-achuso und wurde zu den Münzen gerechnet, indem es die Her-
ausgeber direct als „Pferdemünze" bezeichnen. Es wird im Text be-
schrieben als ein grosses und ein kleines Pferd, unten mit einem Quer-
balken und oben mit einer sich windenden Hydra (öcÄ't Iöt'); die Vorder-
seite gleiche der Rückseite. Angaben über das Material , sowie über die
(Grösse, fehlen; auch enthalten sich die Autoren jeglichen Urtheils über
das muthmaassliche Alter. Im Werke von Rondakoff und Tolstoi
(Antiquites de la Kussie meridionale, französische Ausgabe der „Alterthümer
Russlands etc."), in der Zusammenstellung der oben schon erwähnten
goldenen Schrauckgegenstände aus Sibirien, findet sich p. 389, Fig 348,
eine nahezu identische Zierplatte; eine Gegenüberstellung beider Ab-
bildungen (Fig. 20 und 21) lässt erkennen, dass die chinesische Re-
production, deren begleitender Text etwas naiv gehalten ist, eben
weil der Autor gar nichts damit anzufangen wusste, einigermaassen getreu
ausgefallen ist. Ein directes Pendant zu der im Jahre 1844 angekauften
Goldplatte aus der Ermitage können wir das chinesische Stück nicht
nennen; ganz abgesehen von der differirenden Grösse der entsprechenden
Thiere und den gelegentlich angebrachten langen Stützen des chinesischen
Exemplares, fehlen jedoch auch die Details der Innenverzierung der Thier-
leiber durch willkürlich aufgesetzte zoomorphe Elemente. Die charakte-
ristischen Cloisons sind dagegen sehr deutlich wiedergegeben. Das Material,
welches bei den in Sibirien gefundenen Objecten meist Gold ist, daneben
auch gelegentlich Bronze (bei diesen fast stets mit imitirten Cloisons), dürfte
hier wohl kein Edelmetall gewesen sein, da dies sonst sicherlich bemerkt
worden wäre. Sehr ähnliche Darstellungen sind übrigens noch Kondakoff
und Tolstoi, 1. c. Fig. 355 und Fig. 328 (-Radioff, Aus Sibirien, Bd. II,
Taf. V, 3; aus Holz geschnitzt).
Dass dieses Denkmal von unzweifelhaft sibirischer Herkunft in alter
Zeit nach China kam, erscheint mir, so lange sich nicht mehr An-
zeichen dafür geltend machen, als gänzlich ausgeschlossen. Wohl aber
dürfen wir annehmen, dass dieses Stück im vergangenen Jahrhundert in
Sibirien aufgefunden wurde und auf Umwegen nach China gelangte, wo
Ueber einige Beziehungen der Alterthümer China^s u. s. w. 163
es von dem einen Herausgeber des Kin-schv^o^ sei es direct, oder nach-
dem es erst durch mehrere Hände gegangen war, für seine Sammlung
erworben wurde. Die wunderliche Erklärung dieses Stückes als „Pferde-
münze", das Fehlen jedweden Datirungsversuchs und jeglicher Angabe
über seine Proyenienz, femer der Umstand, dass im Kin-acht-^o auch
abendländische Objecto, allerdings unter ausdrücklicher Bezeichnung als
solcher, beschrieben werden, sowie die, Thatsache, dass derartige Goldplatten
in grosser Zahl schon unter Peter dem Grossen aus Westsibirien bekannt
geworden sind, all das spricht dafür, dass hier nur von einem merk-
würdigen Zufall die Rede sein kann. —
Besprechungen.
Yirchow, Rud. Rassenbildung und Erblichkeit. Bastian - Festschrift
Berlin 1897, 8. 1—44.
Wer die grosse Beibe ethnologischer Abhandlungen Terfolgt, welche der Hr. Verf.
Jahr ans Jahr ein TerGffentlicht, der wird gewiss oft die Ausdauer bewundert haben, mit
welcher diese müheTollen Untersuchungen fortgesetzt werden, ohne dass die Resultate
auch nur entfernt der darauf verwendeten Mühe entsprechen. Mit grösster Zurückhaltung
wird da jede positive Schlussfolgerung ausgesprochen, oft um bald darauf wieder in Frage
gestellt zu w^en; fort und fort wird darin gewarnt vor zu bestimmten Behauptungen,
vor tu grossen Hoffinungen auf die baldige Lösung der wichtigsten Probleme der physischen
Anthropologie. Dazu kommt die Unsicherheit des Sprachgebrauchs in der Bezeichnung
der ersten Begriffe, wie Rasse, Typus, die Unklarheit über deren VerhMtniss zu einander
bei den meisten Autoren, um nicht nur dem Laien, sondern auch dem Fachmann das
Studium der anthropologischen Fragen zu verleiden.
Wir müssen es daher als eine erlösende That begrüssen, dass der erste Anthropologe
unserer Zeit seine hin und wieder ausgesprochenen Ansichten über diese Fragen in der
obigen Abhandlung bündig zusammenfasst und uns in klarer Weise beantwortet, was wir
längst von ihm wissen wollten. Wir können hier nur die wichtigsten dieser Lehren wieder-
geben und müssen den Leser wegen der Beweisführung auf das Studium der Abhandlung
selbst verweisen.
Was zunächst die Bedeutung der heutigen Kraniologie für die Ethnologie betrifft, so
nimmt der Schädel für die Rasseneintheilung nur eine secundäre Stelle ein; der Versuch
von Retzius, als Grundprincip der Classification des Menschen einen Schädeltypus zu
wählen, hat keinen durchgreifenden Erfolg gehabt. Auch ein geübter Kraniologe kann
nicht mit Zuversicht angeben, ohne etwas von der Provenienz eines Schädels zu wissen,
zu welcher Rasse oder gar zu welchem Stamme derselbe gehört Die Methode der Indices
selbst ist nicht einwandsfrei, die Eintheilung der Schädel darnach verliert selbst bei
Naturvölkern immer mehr an Werth, seitdem die fortschreitende Beobachtung auch bei
ihnen immer mehr verschiedene Schädeltypen kennen lehrt. Wir müssen uns an die Merk-
male der labenden halten, wollen wir die Frage der Rassenbildung erörtern.
Der Begriff der Rasse ist allmählich so gedehnt worden, dass man damit auch
einzelne Stämme bezeichnet hat: so bedeutet »germanische Rasse" gewöhnlich nicht«
als ^nordgermanische Stämme"*. Solche nationalen Rassen oder Typen gehen aus Misch-
zuständen hervor, bei welchen die mehr widerstandsfähigen Eigenschaften der Eltern sich
eriialten, während die der Variation mehr unterworfenen verschwinden. Die Thatsache
der Vererbung jener Eigenschaften steht fest und führt zur Untersuchung der originären
Rassen-Typen und deren Entstehung und schliesslich zu der Frage nach der Abstammung
des Menschen überhaupt. ~ Diese letztere ist aber nach unseren heutigen Kennt-
nissen transcendental; — naturwissenschaftlich ist nur die Frage der Rassenbildung zu
behandeln.
In historischer Zeit hat keine eigentliche Rasse oder Primärrasse sich gebildet: wir
haben es immer nur mit den bekannten, einmal gegebenen Rassen zu thun, in welche das
Menschengeschlecht zerfällt, und das sind für die alte Welt nach allgemeinem Einver-
stäadnisa: die weisse, die schwarze und die gelbe. — Trotzdem muss es für jede Rawe ein-
Besprechungen. 1 g 5
mal einen Anfang gegeben haben, da sie vom Tjpns der Urrasse abwich, wenngleich dieser
noch nicht beobachtet ist
Typus ist das Geseti für die Einrichtungen und Thfttigkeiten des Lebens; jede Ab-
weichung daTon ist eine Anomalie oder Yariet&t, hervorgebracht durch äussere Einflüsse
der Umgebung, des ^Milien", daher pathologisch, wenn auch nicht nosologisch Wirk-
liche Rassen, d. h. Primärrassen, sind daher nichts, als erbliche Variationen, erworbene
Abweichungen Tom ursprünglichen Tjpus, welche vererbt werden. Erworbener Varia-
tionen giebt es viele, ohne dass sie sich vererben; warum aber die eine sich vererbt,
die andere nicht, das wissen wir nicht, — daher bleibt die Frage der Rassenbildung beim
Menschen immer noch ungelöst. Für uns bleibt nur das Studium der fortschreitenden
Variation von Individuum lu Individuum.
Hiernach ist fortan im Interesse der allgemeinen Verständigung streng zu unter-
scheiden xwischen primären Rassen, das sind Rassen im eigentlichen Sinne, und secundären
Rassen, den sogenannten nationalen Rassen, welche eigentlich keine Rassen sind, sondern
nur aus Mischung jener hervorgegangen sind; dagegen ist Typus nur der Ausdruck für
das Geseti, nach welchem die einmal gegebenen LebenseinricJitungen, sowohl bei den
primären, als bei den secundären Rassen functioniren, und daher bei der Bexeichnung der
Rassen besser ganz zu vermeiden. Lissauer.
Steinthal, H. Dialekt, Sprache, Volk, Staat, Rasse. Bastian-Pestschrift
Berlin 1897, S. 45-52.
In knapper, prägnanter Weise entwickelt der berühmte Sprachforscher hier das Ver-
hältniss der obigen Begriffe zu einander, welches so oft falsch aufgefasst wird. Wir
referiren hier möglichst mit den präcisen Worten des Verfassers. Der Dialekt ist ein
Product des Volkes: die Sprache, ursprünglich ein Dialekt unter den vielen Dialekten,
wird erst durch die Literatur zur Sprache erhoben, sie ist .ein Kunstproduct. Auch eine
Staatenbildung kann dazu fuhren, eine eigene Sprache zu bilden, wie das Beispiel der
Niederlande lehrt.
Ein Volk ist meistens ein prähistorisches Product, von nur selten nachweisbaren
Elementen zusammengeflossen, — doch ist ein Zusammenhang mit der Sprache im allge-
meinen Sinne wohl vorhanden, insofern der Volkscharakter, die Nationalität, sowohl die
Sprache beeinflusst, als von ihr beeinflusst wird, wie an dem Beispiel der iberischen
Halbinsel nachgewiesen wird. Dagegen ist Einheit der Sprache von Einheit der Rasse
streng zu scheiden.
Ein Volk ist das Ergebniss mannichfachcr Verbindungen, Trennungen und neuer Ver-
mischungen, — daher kann bei einem Volke wohl von einem Sprachstamm, aber
schwerlich von einer Rasse die Rede sein. Völker einer Rasse können verschiedenen
Sprachstämmen und Völker eines Sprachstammes verschiedenen Rassen angehören.
Hiernach ist wohl zu unterscheiden zwischen Völkern, welche einer Rasse angehören,
und solchen, welche durch Vermischung verschiedener Rassenelementc entstanden sind.
Lissauer.
Ehrenreich, Paul. Anthropologische Studien über die Urbewohner
Brasiliens, vornehmlich der Staaten Matte Grosso, Goyaz und Amazonas
(Purus- Gebiet). Nach eigenen Aufnahmen und Beobachtungen in den
Jahren 1887-1889. Mit zahlreichen Abbildungen und Tafeln. Braun-
schweig 1897. 4^
Nachdem der Hr. Verfasser schon früher die ethnologischen und linguistischen Er-
gebnisse seiner Reihen im Innern Brasiliens veröffentlicht hat, theilt er uns nun auch
seine anthropologischen Beobachtungen ober die Urbewohner jenes Gebietes in einer statt-
] gg Besprechungen.
liehen Monographie mit, welche sowohl durch streng wissenschaftliche Methode, wie dnrch
Originalit&t des Inhaltes vor den meisten anthropologischen Arbeiten der letsten Jahre
ausgeieichnet ist. Das Werk zerfällt in einen allgemeinen und einen speclellen Theil.
In jenem werden zunächst die Aufgaben und Methoden der physischen Anthropologie und
ihre Anwendung auf die Ethnologie kritisch besprochen und die eigenen Ansichten des
Verf. entwickelt.
Die arge Verwirrung, welche die Eraniometrie seit Retzius unter den elementaren
Regriffeu der Anthropologie angerichtet hat; das leere Spiel mit Indioes, welche eine grosse
£xactheit vortäuschen und vielfach zu willkürlichen oder doch müssigen Combinationen
benutzt worden sind, werden vom Verf. mit Recht scharf gegeisselt, die sogenannten
kraniologischen Rassen ganz verworfen. Die Kraniometrie wird in die Stellung eines
Hnifsmittels der descriptiven Anatomie zurückverwiesen, für die Bildung und Glassi-
ficirung der Menschenrassen ist sie nur von geringem Werth. Denn die mit ihrer Hülfe
construirten sogenannten Rassen existiren in der Natur nirgends. Die naturwissenschaft-
liche Betrachtung hat es nur mit den von der Natur gegebenen grossen Grundformen des
Menschengeschlechts zu thun, welche durch geographische Begrenzung, durch Sprache
und durch ihre anthropologische Gesammterscheinung als Einheiten charakterisirt sind, —
das sind allein wirkliche Rassen, wie Blumenbach dies schon richtig erkannt hat. Seine
Aufstellung von 5 Rassen entsprach dem damaligen Stande unserer Kenntnisse; der Verf.
würde heute 7 bis 8 solcher Varietates zulassen, nehmlich die kaukasische, nigritische,
mongolische, amerikanische, malayo-poljnesische, australische, die Papuas und die
asiatischen Schwarzen. — Die anthropologischen Merkmale dieser Rassen lassen sich bisher
nur durch den Gesammteindruck bezeichnen, nicht durch Zahlen, nicht durch einzelne Merk-
male, 'Uur durch Wort und Bild; daher hat der Verf. das vorliegende Werk mit einer
grossen Zahl von vorzüglichen Abbildungen ausgestattet, wie sich deren nur wenige andere
Veröffentlichungen rühmen können.
Von den Rassen sind wohl zu unterscheiden die Völker, Stämme und Nationalitäten,
welche nur durch die Sprache charakterisirt werden. Es ist die Aufgabe der Anthro-
pologie, zu erforschen, wie die Merkmale einer Rasse auf die verschiedenen Völkergruppen
innerhalb derselben vererbt und durch äussere Einflüsse abgeändert werden, so dass diese
trotz vieler gemeinsamer Eigenschaften sich doch von einander unterscheiden und so-
genannte Typen oder Unterrassen bilden, deren Bedeutung eingehend erörtert wird. Diese
letzteren sind veränderlich, die Rassen dagegen wirkliche Dauerformen. Eine weitere
Zerlegung der vorhandenen Rassen etwa in Urrassen ist mindestens verfrüht, so lange
wir jene so wenig kennen.
Man wird bis hierher die Uebereinstimmung zwischen den Ansichten des Verf. und
denen seines Lehrers Virchow, dem das Werk gewidmet ist, nicht verkennen, wenn die-
selben hier auch schärfer ausgesprochen werden. Indessen nun gehen die Meinungen
beider auseinander.
Nach dem Verf. sind Völkermischuugen innerhalb derselben Rasse nicht anatomisch,
sondern nur durch die Sprache und geschichtliche Ceberlieferung erkennbar, und nur
solche VölkermischuDgen, deren Elemente verschiedenen Rassen angehören, auch anthro-
pologisch zu unterscheiden. Alle Bemühungen, die einzelnen Völker z. B. der kaukasischen
Rasse nach Schädelform, Hautfarbe u. s. w. auf verschiedene Abstammung zurückzuführen,
mussten daher vergeblich bleiben ; die Unterscheidung von sogenannten blonden, brünetten,
lang- und kurzköpfigeu, breit- und schmalgesichtigen Rassen hat nur einen hypothetischen
Werth, da wir sonst nichts von ihnen wissen.
Diese Anschauung entspricht in der That aHein dem wirklichen Standpunkt unserer
Kenntnisse und wird vom Ref. vollkommen getheilt
Auf die amerikanische Rasse speciell eingehend, bespricht der Verf. die verschiedenen«
oft abenteuerlichen Hypothesen, welche über deren Entstehung aufgestellt sind; er selbst
ist Anhänger des Polygenismiis und bezeichnet die heutige amerikanische Raste auf
Grund seiner Studien als autochthon mit einer grossen Mannichfaltigkeit der Typen.
Im speciellen Theil wird nun das anthropologische Material sorgfältig beschrieben
und veranschaulicht, das er«te, welches aus dem Innern des südamerikanischen Continenta
Besprechungen . 1 67
veröffentlicht wird. Es besteht in Beobachtongen und Messungen von 184 lebenden Indi-
viduen ans 17 verschiedenen Völkerschaften, welche zwar ungleich vertheilt sind, aber
doch die Hanptvölkergruppen Brasiliens: Karaiben, Tupi, Arowaken und GSs vertreten
und ausserdem noch die Bororo und Caraya's umfassen; femer in Beschreibung von
H Skeletten, 7 Schädeln und 1 Becken, welche s&mmtlich bis auf einen vom Verf. mit-
gebracht und der Anthropologischen Gesellschaft geschenkt wurden. Wir müssen wegen
der vielen Einzelheiten auf die Arbeit selbst verweisen und wollen hier nur das Wichtigste
aus der vergleichenden Gesammtübersicht refenren.
Die Indianer nähern sich in ihren Körperverhältnissen mehr der kaukasischen, als
der mongolischen Rasse, trotz gewisser mongoloider Züge in der Gesichtsbildung; Klafter*
weite, Länge des Oberarmes und der ganzen oberen Extremität, Nabel- und Symphysen-
höhe sind von europäischen Verhältnissen; die kurze Hand unterscheidet sie von den
Europäern und Mongolen, — ebenso die längeren Füssc. Die bedeutende Verticallängo
des Kopfes nähert sie den Mongolen, während die grössere Breite der Nasenwurzel und
das kräftige Vorspringen der Nase sie wieder von ihnen unterscheidet. Bei den einzelnen
Stämmen zeigt sich die geographische Vertheilung von grösserem Einfluss auf die Körper-
Verhältnisse, als auf die ethnologische Verwandtschaft. Die dieser Schilderung zu Grunde
liegenden Einzelmessungen sind hierbei stets auf die Körperhöhe (= 100) reducirt und den
daraus gewonnenen Mittelwerthen wird vom Verf. mit Recht ein höherer Werth beigelegt,
als den aus den absoluten Zahlen gewonnenen.
Aus der vergleichenden Betrachtung des Schädelmaterials heben wir nur hervor: die
Bestätigung der geringen Capacität, welche Virchow schon bei der amerikanischen Rasse
constatirt hat, und die Thatsache, dass zwei anthropologisch, ethnologisch und linguistisch
stammverwandte Stämme, wie die Botokuden und Oayapo, ganz entgegengesetzte Schädel-
indices besitzen; obwohl der Gesammteindruck der Schädel nicht verschieden ist, — ein
Beweis mehr, dass die Indices für die Unterscheidung der Rassen und Stämme nur von
untergeordnetem Wert he sein können.
Wir freuen uns, diesem Werke unsere volle Anerkennung zollen zu können; es ist
eine wahre Fundgrube von guten Lehren für die naturwissenschaftliche Behandlung der
physischen Anthropologie. Lissauer.
Hörn es, M. Zur prähistorischen Formenlehre. Zweiter Theil. IV. Ueber
altitalische Bronzefiguren und deren culturgeschichtliche Bedeutung.
55 Seiten 4® mit 43 Abbildungen. (Aus den Mittheilungen der prä-
historischen Commission der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften.
I. Band, Nr. 4.) Wien, 1897. In Commission bei C. Gerold's Sohn.
Je primitiver eine Kunstform ist, in je höherem Grade sie zu den primären Formen
gehört, um so weniger ist sie geeignet, der vergleichenden Archäologie als Substrat für
weitergehende Schlüsse zu dienen. Umgekehrt verhält es sich mit höher entwickelten
Formen, zu denen insbesondere die Darstellung des menschlichen Körpers, die vornehmste
Aufgabe der antiken Kunst, gehört Deshalb war es ein glücklicher Griff des Verfassers,
die oben näher bezeichnete, noch wenig studirte Gruppe prähistorischer Kunstwerke zu be-
bandeln. Sie verdient um so mehr unser Interesse, als sie nach den Ausführungen des Verf.
geeignet erscheint, die Fäden einerseits nach Mitteleuropa, andererseits nach den alten
Culturländem des östlichen Mittelmecrgebiots zu spinnen. Es werden so der Reihe nach
besprochen: 1. Flachfiguren, 2. Rundfiguren, 3. Plattenwerke, 4. Bronze- und Bemstein-
plastik in Etrurien, 5. Ausbreitung nach Mittel- und Nord-Europa, 6. Gofässtragcnde
Figuren, 7. Wagengebilde, 8. Ross und Reiter, 9. Das Rind.
Die Arbeit ist in doppelter Hinsicht, nach der cultlich-religiösen und nach der knnst-
geschichtlichen Seite, von Werth. Bezüglich der ersteren ist jeder Beitrag zur Aufklärung
dieser noch wenig bekannten Verhältnisse erwünscht. Was die letztere anlangt, so macht
sich gerade gegen das Ende der Hallstattzeit in Mittel-Europa eine Neigung zur Darstellung
168 ßesprechungeii.
TOD Figuren und anderen realen Objecten im Qegensati zn dem vorwiegend omamentalen
Charakter älterer Zeiten bemerkbar; es sei hier nnr beispielsweise an die Thierfibeln, ao
die Gesichtsamen mit ihren Oarstellongen von Mensehen, Thieren, Wagen, Schmuck-
sachen n. s. w., und an die Hansumen erinnert. Wenn man nun auch nicht die Gestaltung
derartiger Dinge im Einzelnen auf directe Nachahmung fremder Vorbilder zuzüokffihren
darf^ so ist es doch der Zug nach figürlichen und Ähnlichen Darstellungen, die Neigung
als solche, deren Ursprang man wohl in der Einwirkung einer entwickelteren Kunst suchen
muss. Es ist mit Freude zu begrüssen, dass Yerf. in einer geplanten „Urgeschichte der
bildenden Kunst in Europa** ausfuhrliche Belehrung über diese wichtigen Fragen in Aus-
sicht stellt. A. G((tze.
Stratz, C. H. Die Frauen auf Java. Eine gynäkologische Studie. Mit
41 Abbildungen im Text. Stuttgart, Ferdinand Enke. 1897. 134 S.
8vo.
Der Verf., welcher länger als fünf Jahre als Gjnftkolog in Terschiodenen Theilen
Javas thfttig gewesen ist, giebt hier einen Bericht Ober seine dortige frauen&rztliche
Thfttigkeit, in welchem sich auch manche Angabe von anthropologischem Interesse findet.
Unter den javanischen Frauen nnterscheidet er zwei Typen, deren einen er den
„malaiischen*', den anderen den „Hindu-Typus" nennt Der erstere zeichnet sich aus
durch ein randes Gesicht, eine breite, kurze Nase, vorstehende Backenknochen, schmale,
etwas schief stehende Augenspalten, braune bis dunkelbraune Hautfarbe, breite Hftften,
im Allgemeinen mehr weibliche Körperformen und Neigung zu Fettansatz. Der „Hindu-
Typus** hat ein mehr ovales Gesicht, eine l&ngere und schmalere Nase, weniger vor-
stehende Jochb5gen, gerade Augenspalten, weissgelbe bis lichtbraune Hautfarbe,
schmalere Hüften, im Allgemeinen mehr jungfräuliche Körperformen, selbst im Alter,
und schlanke Gliedmaassen. Durch Messungen an Lebenden konnte der Verf. fest-
stellen, dass das javanische weibliche Becken im Yerhältniss zu seinem Sagittal-Dureh-
messer im transversalen verkürzt ist; somit hat es im Gegensatze ru dem europäischen
eine mehr runde Form. Auch über die anthropologischen Verhältnisse der Mischlinge
hat Stratz einige interessante Beobachtungen gemacht.
Operative Eingriffe hatten bei den Eingeborenen meistens einen gfinsügen Verlauf
und heilten schneller, als bei Europäerinnen. Fälle von schwerer Niederkunft konnten
bisweilen beobachtet werden, und bisweilen kam auch Kindbettfieber vor, das dann unter
ungewöhnlich heftigen Erscheinungen gewöhnlich in sehr kurzer Zeit zum Tode f&hrte.
Die jüngste Wöchnerin, bei welcher Stratz mit gutem Erfolge die Entbindung gemacht
hatte, stand in dem Alter von 12 Vt Jahren.
Unter den Frauenkrankheiten, welche dem Verf. vorkamen, steht die Betroflexion der
Gebärmutter oben an. Es waren 1861 Fälle unter 8381 Patientinnen. Sie ist in den
meisten Fällen eine von den einheimischen Hebammen, den Doekoen, kunstlich erzeugte^
um die Empfängniss zu verhindern.
Ueber die Art der Ausführung dieses Eingriffes und über die Thätigkeit der Doekoen
im Allgemeinen macht der Verfasser eingehende Mittheilungen. Auch über das Verhalten
der europäischen Frauen finden sich mancherlei Angaben, die besonders für diejenigen
von Wichtigkeit sind, welche sich für das Leben der Europäer in den Colonien interessiren.
Eine Reihe ^uter Abbildungen ist dem Werke beigegeben. Max Bartels.
Schellhas, Paul Die Uöttergestalten der Maya - Handschriften. Ein
mythologisches Culturbild aus dem alten America. Dresden 1897. 8*.
Richard Bertling. 34 S.
Als vor kaum zwanzig Jahren die Wissenschaft begann, ernstlich die Erforschung der
mittelamerikanischen Mayacultur in Angriff zu nehmen, da konnte man nicht ahnen, vie
Be^preohnogen. 169
reichhaltig und vielseitig die Thitigkeit aof diesem Gebiete sich entwickeln würde.
Liefert doch der verdienstvolle Aufsatz von K. Hftbler: „Die Maja-Literatur und der
Bfaja-Apparat zu Dresden'' im Decemberhefte von 1895 des Centralblatts für Bibliotheks-
wesen schon die Titel von 486 hierher gehörigen Schriften und Aufsätzen, an welchen
auch unsere Zeitschrift ihren gebührenden Antheil hat. Der Grund dieses fast plötzlichen
und überraschenden Entstehens einer so gut wie neuen Wissenschaft ist klar. Denn es
gilt hier, die am höchsten und fem von allem erkennbaren auswärtigen Einfluss entwickelte
Cultur des alten America zu verstehen, und zu begreifen, welchen Geistesweg die Gattung
Homo sapiens Linn. auch ohne die anderwärts bekannten Vorbedingungen eingeschlagen
hat. Es liegt darin ein Interesse, welches nur von demjenigen überboten werden könnte,
das uns etwa das Studium der Cultur von vernünftigen Bewohnern anderer Planeten
erregen würde.
Dr. Schellhas hat sich eifrig mit diesem Gebiete beschäftigt, seitdem er im Jahre
18S4 das Original der bedeutendsten Maja -Handschrift zu Dresden gesehen hatte. In
einer Reihe von Aufsätzen hat er in geschickter Weise und mit wesentlicher Förderung
der Sache, so weit ihm Beruf und andere Studien dazu die Zeit Hessen, sich der Sache
angenommen, auch in zwei Abhandlungen unserer Zeitschrift (Band XVIII und XXIV).
Die jetzt vorliegende Schrift ist eine Erweiterung und Umarbeitung des zweiten dieser
Aufsätze, der einer solchen Erweiterung in den seitdem verflossenen fünf Jahren bei dem
raschen Fortschritt dieser Studien recht sehr bedurfte.
Darf ich hier gleich die am meisten hervortretende und durchaus lobenswcrthe Eigen-
thümlichkeit der Forschung unseres Verfassers nennen, so ist es die weise Beschränkung
auf das Maya-Gebiet. Verwandt ist ja mit der Maya-Cultur unzweifelhaft die azt^kische,
und zwar, wie es bis jetzt scheint, in der Weise, dass die Azteken von den Majas zu einer
Zeit empfingen, als die letzteren noch nicht den Gipfel ihrer Bildung erreicht hatten. Bei
dieser Sachlage ist es besonders in mythologischen Dingen gefährlich, die aztekische Götter-
welt mit ihrer Fülle von zum Theil unsicheren, zum Theil nur ganz local verehrten Ge-
stalten herbeizuziehen; das mag einer späteren Stufe der Forschung vorbehalten bleiben.
Aber Schellhas geht noch einen Schritt weiter; er vermeidet sogar vorsichtig den
Gebrauch der zahlreich überlieferten Namen von Maja-Gröttem, so weit sie sich nicht
geradezu von selbst darbieten. Er bezeichnet die Bilder der Gottheiten und die dazu
gehörigen Schriftzeichen vorläufig einfach mit Buchstaben; in der früheren G^estalt seiner
Arbeit hatte er auch bei den mjthologischen Thieren, die mit den Göttern in Reih und
Glied und ihnen ganz gleichwertig erscheinen, Buchstaben angewandt (wobei ich an seiner
Stelle geblieben wäre), er ist aber jetzt zu Zahlen übergegangen.
Die grössere oder geringere Sicherheit, mit der sich die Bilder und Hierogljphen um
die einzelnen Gottheiten gruppiren, hängt natürlich wesentlich von deren grösserer oder
geringerer Häufigkeit ab. Am grössten ist diese Sicherheit bei den Göttern A bis E^
auch Ö und K^ dagegen werden die Sehlangen- und Wassergottheiten H und /, die
schwarzen Gottheiten L und My die seltenen N und 0 noch einiger Zerlegungen oder
Grenzberichtigungen bedürfen, und auch in F stecken meiner Ansicht nach mehrere
Götter, bei deren Scheidung wohl die Form der über das Gesicht laufenden Zeichnung
mit einen Eintheilungsgrund geben wird.
Aus diesem Stande der Sache ergeben sich die nächsten Aufgaben für die weitere
Forschung. Erstens hat man die noch nicht genügend begrenzten Gottheiten weiter ins
Auge zu fassen, wobei man sich freilich nach einer Vermehrung des hoffentlich noch
wachsenden überlieferten Materials umzusehen hat Zweitens ist der Beziehung der ein-
zelnen Götter zu den einzelnen Tagen der Tagesreihe nachzuspüren, denn die Majas
haben sicher, wie die Völker der alten Welt, ihre Tagegötter gehabt. Und drittens müssen
wir mit dem so aus den Handschriften gefundenen Resultate an die Inschriften gehen
und die auf ihnen befindlichen Bilder und Schriftzeichen möglichst mit jenem Resultate
in Verbindung setzen.
Schon in ihrer ersten Gestalt hatte diese Arbeit des Dr. Schellhas vielfach bei den
Mitforschem Beifall gefunden, und auch in America hat man mehrfach die Buchstaben-
1 70 Besprechungen.
bezeichnung der Götter hinübergenommen. Es ist nunmehr kein Zweifel, dass die jetzt
selbst&ndig und in vollkommenerer Gestalt erschienene Schrift noch in höherem Grade
günstig wirken wird. £. Förstemann«
Grünwedel, Albert. Buddhistische Studien. Veröffentlichungen aus dem
Königl. Museum für Völkerkunde. V. Bd. 1897. Mit 97 Abb.
Eine Publication von ganz ungewöhnlichem Interesse nicht nur für Fachgelehrte auf
dem Gebiete indischer Cultur und Beligionsgeschichte, sondern für jeden, der an Sagen-
forschung und Behandlung völkerpsychologischer Probleme Antheil nimmt! Ist es doch
das erste Mal, dass eine grössere Anzahl jener merkwürd]g<»n Erzählungen der Dschatakas
(aus den 550 früheren Existenzen Buddha's), die Jahrhunderte lang fast allen Völkern
Asiens den Stoff zu bildlichen Darstellungen, M&rchen und Sagen geliefert, w&hrend des
Mittelalters auch das Folklore Europas in durchgreifendster Weise beeinflusst haben, in
deutschem Gewände vorgeführt wird, und noch dazu Ton einem Autor, der wie Tielleicht
kein anderer in Deutschland zu dieser schwierigen Aufgabe beflüiigt war. Es handelte
sich hier ja nicht nur um die philologische Leistung einer möglichst correcten Ueber-
setzung, sondern vor Allem auch um die richtige Würdigung und Deutung des archJU>-
logischen Beiwerks, zu der ein Eingehen auf die Sculptur-Denkm&ler der gesammten alt-
buddhistischen Kunst in Indien, sowie auf chinesische, japanische, lamaistische und sia-
mesische Ikonographien unerlässlich war.
Die äussere Veranlassung zu dieser Arbeit bot die Erwerbung einer grösseren Anzahl
glasirter Terracottareliefs aus Pagan, der 1269 durch Kublai-Khan zerstörten Hai^stadt
des alten Birmanenreichs.
Sie umgaben den Unterbau der grossen Mangalat&eti-Pagode und wurden 1898 durch
Hrn. Dr. Noetling dem Königl. Museum überwiesen. Leider kamen die Tafeln Btark
beschädigt, vielfach in Stücke zerbrochen, in Berlin an. Die Zusammensetzung der vielen
hundert Bruchstücke mit einem verhältnissmässig so befriedigenden Resultat, ist allein
schon eine Leistung ersten Ranges, die nur derjenige zu würdigen weiss, der die disject«
membra selbst gesehen hat Dass die dargestellten Scenen den Dschatakas entnommen
waren, Hess sich ohne Weiteres feststellen. Die Identificirung der einzelnen Bilder wurde
durch die kurzen, aber meist ziemlich deutlichen altbirmanischen Inschriften sehr er-
leichtert, deren Nnmerirung ausserdem mit der von Fausböll besorgten Teztansgabo
gut übereinstimmte. Damit ist die Genauigkeit der birmanischen Tradition erwiesen, was
Grün Wedel als Hauptergebniss seiner Untersuchung hinstellt.
Dagegen ist der künstlerische Werth dieser Reliefs um so geringer. Die einzelnen
Figuren sind rein schematisch, ohne jegliche Individualität, auf wenige conventioneile
Typen von sitzenden, betenden und schwebenden menschlichen Figuren beschränkt, wozu
noch eine Anzahl besser ausgeführter Thiere kommt Zudem sind nicht eigentlich
lebendige Scenen dargesteUt, sondern nur die in der Hauptsache betheiligten Figuren in
conventioneller Haltung neben einander abgebildet, oft geradezu an ideographische Hiero>
gljphen erinnernd. So ist z. B. bisweilen der Bodhisattva (der frühere Buddha) nur durch
einen in der Luft schwebenden Schirm angedeutet
Merkwürdig sind dabei die vielen gedankenlosen Missverständnisse des offenbar nach
gemalten Vorlagen arbeitenden Bildners, der die dargestellte Scene vielfach gar nicht
gekannt zu haben scheint. Aber gerade diese Versehen sind für uns wichtig, weil de
zeigen, wie sehr es bei der archäologischen Werthung solcher Darstellungen der Kritik
durch die Texte bedarf.
Was die Dschatakas selbst anlangt, so sind die bereits anderswo ins Englische über-
setzten (von Fausböll, Chalmers u. A.) im Auszuge, die übrigen in selbständiger
Uebertragung mitgetheilt
Ihr literarischer Werth ist natürlich sehr verschieden. Einige erscheinen ziemlich
trivial, wie 1—8, 6, 12, 18 u. A., lassen aber doch schon auf den ersten Blick ihre Be-
deutung für die Beurtheilung indischen Geistes und Verständniss indischen Lebens er-
BesprcchoDgen. 171
kennen. Bei anderen interessirt uns ihre Aehnlichkeit mit unseren eigenen Märchen: 19,
20, 46, 54; wieder andere erhalten ihren Reiz durch den urwüchsigen Humor, der aller-
dings gelegentlich auch ins Cjnische umschlägt: 11, 19, 22, 27, 28, 88, 84. Endlich finden
sich einige von hoher Lebensweisheit und tiefem sittlichen Ernst erfüllte, unter denen
namentlich die herrliche Erzählung von dem unglücklichen, in der UssadahöUe zur Strafe
des Messerrades verurtheilten Mittavindaka zu nennen ist, zu der auch aus den Reliefs
Ton Boro-Budur und dem siamesischen Traip^nm interessante ikonographische Vergleiche
herangezogen werden. Nicht minder anziehend ist die Erzählung von der Frage nach
dem Glück (23), dem „Menschenfresser^ (25) und dem Papageien, der seinen alten Eltern
Nahrung zuträgt (89;.
Ganz eigenartig ist das Supparaka dschataka (45), ein Seefahrermärchen. Zu ihm
werden im Anhange aus tibetischen und Leptscha- Texten interessante Parallelen gegeben,
denen ähnliche aus Tausend und einer Nacht an die Seite zu stellen sind.
Die eigenthümliche Art, wie der Buddhismus die Thierwelt, die z. B. das Christen-
thum völlig ausser Acht lässt, seinem Weltsystem organisch einfügt, und zwar, wenn man
will, ganz im Sijmo der modernen Entwickelungslehre, tritt in allen diesen Erzählungen
auffallend hervor. Die Thiere werden nach indischer Weise ganz wie Menschen redend
und handelnd eingeführt, Thiere werden als frühere Menschen, Menschen als frühere
Thiere dargestellt. Der Bodhisattva selbst erscheint ausser seinen menschlichen Incar-
nationen auch als Rind, Frosch, Büffel, Ziegenbock, Papagei, Bebhuhn, Schlangenkönig u.s. w.
So fremdartig diese Vorstellung uns zuerst berührt, so befreunden wir uns doch bald
damit; denn es zeigt sich darin die urwüchsige, reine Liebe zur Natur, die innige Ver-
trautheit mit ihren Geschöpfen, die Wesenseinheit von Mensch und Thior, wie wir sie
noch heute bei unberührten Naturvölkern sehen, wie sie sich auch im altgermanischen
Volksgeiste ausprägt
Schwieriger ist es dagegen, sich den Bodhisattva als Räuberhauptmann vorzu-
stellen (42).
Der Anhang behandelt ausser jenem Schiffermärchen alterthümliche Thonpasten aus
Pagan, wie sie ähnlich in Buddhagaya in Vorderindien vorkommen und wahrscheinlich
durch Pilger nach Birma gebracht sind. Ref. sah die gleichen auch am oberen Irawaddy
bei Tagaung, der ältesten Hauptstadt des Landes. Nach Grünwedel sollen sie ihrer
Form nach an die Blätter des heiligen Feigenbaumes erinnern.
Zum Schluss werden noch ein paar brahmanische Idole aus Pagan besprochen und
abgebildet.
Im Allgemeinen steht unser gebildetes Publicum, selbst der gelehrten Kreise, den
Forschungen und Studien auf dem Gebiete des Buddhismus ziemlich verständnisslos gegen-
über. Für mystisch-theosopische Speculationen hat man ihn freilich schon weidlich aus-
genützt, seine ungeheure culturgeschichtliche Bedeutung dagegen wird noch bei Weitem
nicht genügend anerkannt um so tiefer empfunden ist der Dank, mit der wir Arbeiten
wie die vorliegende begrüssen. Möge es dem hochverdienten Verfasser vergönnt sein,
durch Erklärung der noch übrigen Dschatakatafeln in gleich anregender Weise sein Werk
weiterzuführen; möge dasselbe dazu beitragen, die Aufmerksamkeit der Gelehrtenwelt,
wie der Regierungen, wieder auf die grossartigon Denkmäler des alten Pagan zu richten,
die seit Forchhammers Tode wie vergessen schienen, damit vor Allem einmal die herr-
lichen Fresken, welche die Innenräume einiger der dortigen Bauwerke zieren, vor der sonst
unaufhaltsamen Vernichtung bewahrt und der Wissenschaft zugänglich werden. Vielleicht
wird dann auch eine exacte, von Fachleuten ausgeführte Reproduction der Bildwerke von
Boro-Budur nicht mehr lange auf sich warten lassen. P. Ehrenreich.
Zicby, Jeno, Ghröf. Kaukäzusi es Közepäzsiai Utazäsai. (Comte Eugene
de Zichy, Voyages en Caucase et en Asie Centrale). I et 11. Budapest
1897. gr. 4*^. 613 p. CXXI und XXYin Tafeln mit 3 und 85 Text-
Abbildungen.
1 72 Besprechungen.
Es war bekannt, dass Graf Engen Zichy (Yerhandl. der Berliner Anthrop. Ges. 189*,
S. 89) eine Expedition in den Kaukasus organisirte, um die Heimath der M agjaren und
etwaige Rückstände ihrer alten Verwandten, der Zichi, aufsufinden. Der begeisterte und
hochgestellte Führer hat seitdem zwei Expeditionen ausgeführt, die eine im Sommer 1896,
die andere im Frühjahr 1896, erstere bis weit über den Kaukasus hinaus nach Buchara
und Samarkand. Er war tou einem Stabe tüchtiger Gelehrten und Künstler begleitet,
unter denen die Professoren Bälint und Sczideciky, Hr. M. Wosinsky und die
Herren Wuttke und Tschchingasian genannt werden mögen. Seitens der russisehen
Regierung wurde die Expedition mit Wohlwollen aufgenommen, und sie brachte grosse
Sammlungen anthropologischer und archäologischer Art nach Hause.
Die vorliegenden beiden Volumina stellen den IL Band des gansen beabsichtigten
Werkes dar, welches die Ergebnisse der Expeditionen dtrlegen soll. Derselbe be-
ginnt mit einer historischen Einleitung aus der Feder des Grafen selbst, welche die
Wanderungen der Magyaren vor ihrem Einbruch in Mitteleuropa behandelt. Da man an
Terschiedenen Orten den Namen ^Magyaren** im Innern des Kaukasus noch erhalten
fand und die Sitten und Gebräuche, die Waffen und Geräthe der dortigen Völker mancherlei
Beziehungen su ungarischen erkennen liessen, so bildet die üeberzeugnng Ton einer
Einwanderung aus den besuchten Gegenden durchweg den festen Hintergrund der
Darstellung.
Es folgen dann umfangreiche Beschreibungen der Sammlungen, und zwar zunächst
der ethnographischen (p. 8— 822) durch Dr. Job. Jankö, den Chef der ethnographischen
Abtheilung im ungarischen National-Museum, sodann der archäologischen (p. 827 »594) durch
Dr. B^la de Pösta, den Consenrator der archäologischen Abtheilung in, demselben
Museum. Beide sind durch eine Fülle der besten, in vollendeter Form, meist nach photo-
graphischen Vorbildern ausgeführten Illustrationen erläutert Der Umstand, dass keiner
der beiden Herren an der Expedition selbst betheiligt war, mag in manchen Beziehungen
hinderlich gewesen sein, um das Gcsammtbild in der Frische und Anschaulichkeit der
Localbetrachtung erscheinen zu lassen. Dafür entschädigt die Genauigkeit, ja man kann
sagen die peinliche Sorgfalt in der Schilderung der Gegenstände, für welche in der bis-
herigen Literatur kein gleich ausführliches Analogon existirt
In die ethnographische Beschreibung ist zugleich in ausgiebigster Breite eine
Schilderung der Völker des Kaukasus eingefügt, welche eine grosse Anzahl vortrefflicfier
Abbildungen von Personen in der Nationaltracht, nach guten photographischen Aufnahmen,
bringt. Viele von diesen so mannichfaltigen Stämmen waren im Einzelnen schon durch
genaue Photographien bekannt geworden; eine so grosse Zusammenstellung, die för die
Vergleichung unschätzbare Vortheile darbietet, ist uns früher noch nicht geboten worden.
Vom rein anthropologbchen Gesichtspunkte aus bleiben ja noch rielerlei, das Detail be-
treffende Verhältnisse zu erledigen. Hoffen wir, dass die noch fehlenden Theile diese
Lücken wenigstens zum Theil ausfüllen werden.
In gleicher Weise dürfte die Betheilignng erfahrener Forscher an der Reise selbst
auch die gerade für diese Forschung so wichtigen Gräberfunde in den Kreis der Be-
sprechungen hineinführen. Die Zahl dieser Funde auf allen Abschnitten des Gebirges und
seiner Vorlande bietet eine erstaunliche Fülle der wichtigsten Materialien, welche auf die
Vorgeschichte der Stämme ein starkes Licht werfen. Einzelne davon sind schon in den
Arbeiten dieses Bandes berührt, aber viele andere harren noch der Erwähnung.
Immerhin kann man schon jetzt sagen, dass das Prachtwerk des Grafen Zichy anter
den Arbeiten dieses Jahrhunderts einen hervorragenden Platz behaupten wird. Möge es
der Aufmerksamkeit nicht nur der Fachgenossen, sondern auch des grossen, nach Wissen
dürstenden Publicums bestens empfohlen sein. Rud. Virchow.
VI.
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen
von Malacca
von
HROLP VAUQHAN STEVENS.
Bearbeitet von Dr. BfAX Bartels.
Vorgelegt in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft
vom 20. November 1897.
In deu umfangreichen Reiseberichten, welche der kürzlich leider als
Opfer seiner unermüdlichen Forschungen verstorbene Hrolf Vaughan
Stevens an das Königliche Museum für Völkerkunde in Berlin über die
wilden Volksstamme aus dem Innern von Malacca erstattet hat, finden
sich allerlei eingestreute Bemerkungen, welche sich auf das anthropologische
Verhalten dieser Völkergruppen beziehen. Diese Angaben sind regellos
in seine Reisetagebücher eingezeichnete Notizen, die er zu Papier brachte,
wenn sich gerade dazu die Gelegenheit bot. Es sind bald kurz hin-
geworfene Bemerkungen, bald auch Aufzeichnungen von grösserer Länge,
welche durchaus nicht etwa eine erschöpfende und abgeschlossene Ab-
handlung über die Anthropologie dieser Völker bilden. Sie enthalten
aber doch so viele wichtige Thatsachen und so viele sorgfältige und
sicherlich zuverlässige Beobachtungen, dass sie unsere volle Beachtung
verdienen, und dass es sich wohl verlohnt, sie weiteren Kreisen zugänglich
zu machen. Hierzu ist es aber nothwendig gewesen, die zerstreuten Be-
merkungen herauszulösen und sie in eine systematische Ordnung zu bringen.
Soweit es irgend angängig war, sind die eigenen Worte des Reisenden
in einer von Hm. E. Sinogowitz ausgeführten Uebersetzung aus dem
Englischen beibehalten worden. Bisweilen aber ist es nothwendig ge-
wesen, sehr lange und schwer verständliche Satzbildungen in mehrere
kurze Sätze zu zerlegen und hie und da die Worte umzustellen, um den
Sinn dem deutschen Leser zugänglich zu machen. Einzelne Zusätze,
welche mir nöthig erschienen, um die Uebersicht des reichen Stoffes zu
erleichtem oder zur näheren Erklärung der angeführten Thatsachen bei-
zutragen, sind, damit sie nicht mit den Originalberichten des Reisenden
verwechselt werden können, in eine eckige Klammer [ ] gesetzt.
Einzelne Punkte bilden Ergänzungen zu bereits früher gemachten
Angaben, welche von Rudolf Virchow, von Albert Grüuwedel oder von
Z^itsclirift für Ethnologie. Jahrg. 1897. 13
174 H. Y. Stevens:
mir bearbeitet wurden. Auf diese Veröffentlichungen wird an den be-
betreffenden Stellen hingewiesen werden.
Die Volksstänime, auf welche sich diese Berichte von Stevens be-
ziehen, sind die während einer mehrjährigen Forschungsreise besuchten
Eingeborenen der Halbinsel Malacca. Sie gehören sämmtlich den Orang
Ilutan, den „Waldmenschen", an, mit Ausnahme der Orang Laut, welche
nicht die Wälder, sondern die Küste bewohnen. Die Orang Hutan sind
theils hellere Völker, theils Negritos. Zu ersteren gehören die Orang
Djäkun, denen auch die Orang Benar und die so eben erwähnten Orang
Laut zuzuzählen sind, ferner die Orang Tc*miä (Tummiyor) und die
Orang Bolendas (Blandass) mit den Unterabtheilungen der Orang Sinnoi,
der Orang Kenäboi, der Orang Brrsisi und der Orang Sakai. Als Ne-
gritos erkannte der Reisende die Orang Semang oder Orang Menik, von
denen die Orang Panggang eine Unterabtheilung bilden.
Die Tagebücher des Heisenden sind mir von Hrn. Prof. Dr. Albert
Cirünwedel für die folgende Bearbeitung zur Verfügung gestellt worden:
ich spreche ihm hierfür den besten Dank aus.
[Die äussere Erscheinung.] Die äussere Erscheinung der Leute
ist sehr verschieden. Das rohe, thierisehe Gesicht des Orang Laut mit
seinem plumpen und hervorragenden Kinn ist ganz entgegengesetzt dem
feiner geschnittenen Gesicht des Djakun.
Die Orang Laut sind brutal und dumm; ihre Unwissenheit macht sie
mürrisch, still, misstrauisch, falsch und unredlich. Sie kennen nichts
ausser den Bedürfnissen des Tages und kümmern sich noch weniger darum,
etwas zu lernen. Sich vollfressend, wenn sie dazu eine Gelegenheit haben,
liegen sie nachher zwei oder drei Tage lang still, bevor sie, durch Hunger
dazu gezwungen, sich aus ihrem indolenten Halbschlummer erheben, um
eine Leine oder einen Speer über den Rand des Bootes zu legen und auf
Fische zu warten.
[Die Ausdünstung der Haut.] In Bezug auf den Geruch des
Körpers behaupten die Malajen, dass die Negritos, die niemals Alw
waschungen vornehmen, meist schrecklich stinken, und diese Behauptung
ist auch zutreffend: theils sind daran ihre wirklichen Ausscheidungen,
mehr aber noch ihr ungewaschener Zustand schuld. Als ich des Ver-
suches halber Panggangs veranlasste, sieh mit meiner Seife zu waschen«
bemerkte ich keinen besonderen Geruch. Aber als ich unmittelbar nachher
sie auf einem scharfen klarsehe begleiti»te, war, sobald ich mich auf einige
Zeit von ihnen entfernte und dann wieder in ihre unmittelbare Nähe
zurückkehrte, ein ganz deutlicher Geruch bemerklich. Wo die Haut, wie
ganz besonders unter den Djakuns, stark mit dem „Korab"" [einem Hant-
ausschlage] behaftet ist, da ist bei beiden Geschlechtern ein unangenehmer,
ranziger Geruch stets vorhanden, der auch nach dem Waschen wiederkehrt.
Bei den Belendas fand ich. wenn nicht Hautkrankheiten vorhanden waren.
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 175
keinen anderen Gerach, als denjenigen, welcher bei unterdrückter Haut-
thätigkeit und bei dem Nichtgebrauch von irgend einem Reinigungsmittel
{Seife u. s. w.) stets wahrzunehmen ist; denn das Ueberschütten des Körpers
mit Wasser hat mehr den Zweck, die Haut zu erfrischen, als zu reinigen.
[Die Hautfarbe.] Was das Aussehen der Haut betrifft, so existirt
«ine gewisse Verschiedenheit [abgesehen von Verfärbungen durch Haut-
ausschläge]^) dadurch, dass die Monik und die Temia („Tummiyor^) sich
nicht waschen.
Bei der wilderen Gattung der Menik, von denen die Männer nichts
als ein Seil oder einen Gürtel uud die Frauen eine das Licht durchlassende
Franse tragen, ist die Farbe der Haut sehr einförmig. Ebenso verhält
«s sich auch mit den Temia und den Djäkun; aber die heutigen Belendas,
und die westlichen oder „zahmen^ Scmang bieten eine beinahe ebenso
grosse Mannichfaltigkeit, wie die Malayen dar.
Der ausgesprochen nomadisirende Charakter der Orang Hutan ver-
hindert, irgend etwas über die Wirkung festzustellen, welche durch die
Höhe, den Boden, den Schatten, den Staub oder die Kleidungsstücke auf
das Gewebe und die Farbe der Haut hervorgebracht wird; denn sogar in
ihrem gegenwärtigen, mehr eingeschränkten Aufenthalte ist eine grosse
Verschiedenheit der Bedingungen vorhanden. Die Familie oder der Stamm
lebt vielleicht einen Monat hindurch auf einer Anhöhe von einigen tausend
Fuss über dem Meeresspiegel und im nächsten Monat am Fusse der Höhe;
2u einer Zeit in dem dichten, dunklen Dschungel und bald nachher in
4ler heissen offenen Niederung.
Obgleich der Sr»mang von dunklerer Hautfarbe ist, als der Belendas,
und von der Hitze weniger beeinfiusst zu werden scheint, so bin ich doch
4ler Meinung, dass er diese Fähigkeit weit mehr seiner allgemeinen Natur,
als seiner Hautfarbe verdankt.
unter den Belendas, deren Farbe variirt, habe ich nichts gesehen,
was die Theorie stützen könnte, dass unter einer Anzahl von Individuen
diejenigen mit dunklerer Haut die Blossstellijing auf dem Marsche besser
ertrügen. Es darf hier übrigens nicht vergeesen werden, dass in diesem
<iicht bewaldeten Lande ein Marsch nicht lange fortgesetzt werden kann,
ohne dass man durch baldiges Eintreten in den Schatten des Waldes vor
den directen Strahlen der Sonne wieder geschützt ist.
Die Belendas ziehen die hellere Farbe vor und sind stolzer auf sehr
hellfarbige Kinder, indem sie hier wahrscheinlich malayischer Anschauung
1) Viele Arten ton Uaut-AffecUonen bringen die Hant in einen Zustand, dass sie mit
schuppigen, weissen Flecken bedeckt ist, während eine andere Erankheitfifonn die Farbe
ganz fortnimmt und sich in Gestalt von handflächengTossen Blattern über einen be-
trächtlichen Theil des Körpers, am gewöhnh'chsten aber über die Hände und die untersten
Theile der Beine, verbreitet.
13*
176 H. V. STEVBK8;
folgen. Aber in alten Zeiten war die helle Farbe nicht ein Attribut ihrer
Häuptlinge. Die Djäkuu waren stets daran gewöhnt, die heller gei&rbteii
Belendas als Höhere zu betrachten; aber die Menik ordneten sich nicht
in dieser Weise den Hellfarbigen unter. Ihr vermittelnder Gott Ple war
dunkel, wie der gewöhnliche Mann.
Ich kann nicht finden, dass irgend eine Regel in Bezug auf das Yer-
hältniss eines groben oder feinen Hautgewebes zu seiner Farbe besteht,
wenn nicht die Grobheit der Haut das Resultat von besonderer Bios»-
Stellung oder von einer Krankheit ist
[Die Hautfärbung der Fusssohlen, der Kniee und Ellenbogen bei
Kindern, sowie diejenige der Beine bei den Erwachsenen ist schon in
einem früheren Berichte erwähnt.')]
Ueber Albinisnius habe ich nichts Weiteres zu meinen früheren
Notizen hinzuzufügen. [Diese besagten, dass den Eingeborenen drei Fälle
von Albinismus bekannt waren. Sie erwähnten die weisse Haut und die^
rothen Augen.*)]
[Die Augen.] [Stevens hatte früher') angegeben, dass die Augen
bei allen Belendas ganz gleich seien. Es liegen jetzt von ihm genauere^
Berichte vor:]
Neben der grossen Verschiedenheit in der Hautfarbe der Malayen
bestehen eben solche, aber in geringerem Grade, in der Farbe der Augen,
welche in den Abstufungen eines fast unveränderlichen Braun variiren.
Die Farbe der Augen bei den wilderen Menik ist sehr einförmig [und
«las gilt auch für die Belendas, die Temia, die Djäkun und die „zahmen*^
Si'mang]. Uebrigens stimmt die Veränderung der Farbe der Augen nicht
immer mit jener der Haut überein. Ein Mann mit ungewöhnlich heller
oder dunkler Haut besitzt häufig Augen von der allgemeinen Durchschnitts-
farbe. Es findet sich keine Regel über das Verhältniss zwischen einem
Hauttypus und der Farbennuance der Augen; bei einer Anzahl von
Prüfungen ergaben sich zu viel Widersprüche.
Die Augen der Panggang, welche sich nicht mit anderen Stämmen
vermischt haben, haben die Bindehaut stark gelb gefärbt; die Belenda»
dagegen haben das nicht. Die Djäkun haben sie gewöhnlich mit melir
oder weniger Blut durchschossen; sie sagen aber, dass das nicht so zu sein
l)rauche, und sie schieben es dem vielfachen Wechsel in ihrem Leben
zwischen der See und dem Binnenlande zu.
1) Rud. Virchow 1. Die wilden Eingeborenen von MaUcca. Zeitschrift für Etluio-
loirie. Bd. XXIII. Verhandl. der Berl. Anthrop. Ges. 1891, 8. 840.
2) Albert Grünwcdel 2. Materialien zar Kenntniss der wilden St&mme auf der
Halbinsel llaläka von Hrolf Vau^rhan Stevens. VeröfTentlichongen aus dem Königliehcn
Museum für Völkerkunde. Bd. III. Heft 3 und 4. Berlin 1894, S. 127.
3 Rud. Virchow 1. S. 840.
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 177
Das Auge ist bei den Belendas- Kindern ungemein wohlgebildet, und
mit seinen langen schwarzen Wimpern trägt es viel zu der hübschen Er-
scheinung bei. Da zeigt sich nichts davon, dass die Haut des inneren
Augenwinkels über das Auge herabreicht [Mongolenfalte], wie das bei
einem chinesischen Kinde stets der Fall ist; der Band des oberen
Augenlides ist stets gut gebildet.
[Das Schielen ist ihnen wohlbekannt, da sie einen ihre Pädi-Ernte ge-
fährdenden Dämon oder Hantu fürchten, den sie sich schielend vor-
stellen. Die Orang Belendas glauben, dass der Gesichtskreis eines
Schielenden grösser sei. als der eines normal Sehenden.^)]
[Die Haare.] [üeber die Haare dieser Volksstämme sind mehrmals
in der Berliner Anthropologischen Gesellschaft von Rud. Virchow nach
Proben, welche der Reisende eingesendet hatte, genaue Mittheilungen
gemacht worden*). Es möge hier aber noch angeführt werden, was
Stevens über diesen Gegenstand sonst noch in seinen Tagebüchern ein-
gezeichnet hat.]
Das eigenthümliche Pfefferkorn -Haar der Panggang hat in jenem
District in Pehang, wo die Bastard -Abkömmlinge der Panggang, Temia
und Belendas als Gefangene der Kowar ansässig waren, seitdem ihre rein-
blütigen Vorväter zuerst an die Pahang-Malayen verkauft waren, seinen
Einfluss bis auf den heutigen Tag behauptet. In einer Familie dieser
Mischlinge ereignet es sich oft, dass eines oder mehrere der Kinder
zwar nicht einen absoluten Rückschlag in den Panggang- Typus, aber
eine so ausgesprochene Neigung für jene Form zeigen, dass die Quelle
gar nicht zu verkennen ist, wenn auch die Geschwister in Bezug auf das
Haar sich mehr dem Belendas-Typus nähern. Der reine Typus jeder Art
wird dort sehr selten gesehen; vielmehr geht einer in den anderen über
und bringt Zwischenglieder hervor, welche mehr oder weniger Hinneigung
zu gekräuselten Haaren zeigen.
Die Djäkun schnitten früher ihr Haar gar nicht ab, sondern Hessen
es von der Kindheit an bis zum Alter bis zu dem Nacken und den
Schultern wachsen. Das Haar der männlichen Kinder wird heutiges Tages
oft zu einer Fräse über der Stirn geschnitten oder mit Ausnahme einer
Scalp -Locke ganz abgeschoren, wie bei den malayischen Kindern; die
1) A. Grfinwedel 1. Hrolf Vaughan Stevens: MMtcrialien zur Kenntniss der wilden
Stftmme ton Mal&ka. Veröffentlichongen ans dem Königlichen Museum fär Völkerkunde.
Bd. IL Heft 8 und 4. Berhn 1892, S. 152.
2) Rud. Virchow 1. S. 844— 847.
Rud. Virchow 2. Schädel und Haar der Orang Panggang in Malacca. Zeitschrift
l&r Ethnologie. Bd. XXFV. VerhandL der Berliner anthrop. Ges. S. 440, 441, 443. 444.
Berlin 1892.
Rud. Virchow 3. Haar und Schädel ton Blandass Sinuoi (Malacca). Zeitschrift für
Ethnologie. Band XXIV. Verhandlungen der Berliner anthropol. Gesellschaft S. 358, 359.
Berlin 1894.
178 H. Y. Stevens;
weiblichen Kinder aber geniessen den Vorzug, das Haar so lang als
möglich zu haben.
Jetzt binden die Orang Laut das Haar mit einem Bande von Baum-
wollenzeug aus ihren Augen zurück, oder, wenn sie mit den Djäkun zu-
sammengewesen sind, in derselben Weise, wie diese es thun, mit einem
Bande aus Rinde. Sie lieben es nicht, irgend eine Kopfbedeckung zu
tragen, nicht einmal in der Sonne.
Die Mischung in dem Blute vieler Benar hat eine sehr verschiedene
Länge des Haares zum Resultate gehabt, was sich aber mehr bei den
Weibern bemerklich macht Aber das übersandte Haar, welches als
typisch für mich ausgewählt worden ist, wird doch bei den östlichen
Benar gefunden und reicht ungefähr bis zu dem Bogen des zu dem
Nacken gehörigen Wirbelknochens [Yertebra prominens?] und wendet
sich dort nach aussen und aufwärts.
Ich konnte nicht erfahren, ob die Djakun, obgleich sie die röthliche
Farbe des Haares der jungen Leute gewahr wurden, worauf ich vor
längerer Zeit Ihre Aufmerksamkeit lenkte, jemals das Haar mit Kalk be-
handelten, wie das einige der Neu-Guinea-Männer thun.
[Bei den Sakai hörte Stevens:] Eisen dürfe nicht die Haare oder
Fingernägel schneiden, und das sei der Grund, warum die Orang ^Liar"*
(die wilden Männer) unter ihnen ihre Haare nicht geschnitten haben
wollten.
Der „eingehängte" Theil einer Krebsscheere wird von den Orang^
Laut oft als Kopfkratzer gebraucht und für diesen Zweck in das Haar
gesteckt oder in dem Gürtel aufbewahrt. Wenn die Scheere kurz ist, so
wird ein kleines Stöckchen hineingesteckt, um sie genügend zu verlängern.
Die Hälfte des unteren Kiemens einiger mit „Nadelzähnen" versehener
Fische wird häufig, sogar heutiges Tages noch, als Kamm gebraucht
Wie es von Leuten, die so viel auf der See sind, erwartet werden
kaim, verwenden die Orang Laut-Mädchen glänzend geftrbte Muscheln
als Haarschmuck, anstatt der Blumen, die von den Djäkun gebraucht
werden.
Bis zu ihrer Mannbarkeit machen das die Knaben auch so, aber
später nicht mehr, wenn nicht ein besonderer Zweck, als blosser Putz,
vorliegt
Ich glaube bereits früher erwähnt zu haben, dass das Belendas-Haar
im Greisenalter weniger geneigt ist grau zu werden, als das der Malayen,
und dass vollkommene Kahlköpfigkeit thatsächlich so selten ist, dass sie
als eine bemerkenswerthe und nur gelegentlich vorkommende Ausnahme
betrachtet wird. Dasselbe passt auch in gleicher Weise auf die Mcnik.
Aber bei den Temia ist im Alter von ungefähr 50 Jahren graues Haar ganz
allgemein, und auch Kahlköpfigkeit, die bei der Stirn beginnt, ist bei
ihnen ziemlich häufi«!;. Was die Djäkun betrifft, und besonders die
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 179
älteren Frauen derselben, so ist graumelirtes Haar noch yiel häufiger; aber
gänzlicher Verlust der Farbe ist nicht gewöhnlich, und ein Dünnerwerden
des Haares ist häufiger, als dass es völlig schwindet. Das bezieht sich
aber nur auf einen Vergleich der Orang Hutan untereinander; im Ver-
gleiche zu den benachbarten Rassen werden sowohl die Haare, als auch
die Farbe derselben in höherem Grade erhalten.
[Das Oesichtshaar.] Die Djäkun, sowie die anderen, haben nur
wenig Gesichtshaar; der Bart ist dürftig und ein Backenbart ist beinahe
gar nicht vorhanden, wenn er nicht gar absichtlich ausgerupft ist. In der
That ist der Halbblut-Semang der einzige der Orang Hutan, welcher ver-
hältnissmässig als schön behaart betrachtet werden könnte, und dort steht
die Behaarung in beinahe directem Verhältniss zu der Beimischung. Der
wilde Panggang von reinem Blute hat so wenig Vollbart oder Backenbart,
dass er sich schämt, die kleinen Stoppeln, die er hat, zu zeigen; des-
halb rupft er sie aus. Aber allgemeiu versucht er, den Schnurrbart zu
behalten, wie er eben ist, damit er sich hierdurch von einem Weibe
unterscheide.
[An einer anderen Stelle sagt Stevens ebenfalls:] Mit Ausnahme des
Schnurrbartes, der unveränderlich hochgeschätzt wird, wurde das Gesichts-
haar, wenn nicht der Bart Aussicht hatte, voller als gewöhnlich zu werden,
ausgezogen, da der Backenbart meist niemals stark oder lang war.
[Das Körperhaar.] Das Körperhaar Hessen Männer und Weiber
nnberülirt. Die Belendas-Weiber späterer Generationen hatten aber die
Sitte angenommen, sich das Haar an den Schamtheilen mit Scheeren kurz
zu schneiden. Man sagt, doch weiss ich das nicht bestimmt, dass sie das
den malayischen Weibern nachgeahmt hätten. Die Djäkun -Weiber thun
das nicht, wenigstens habe ich es bei keiner gesehen, wenn sie gemessen
wurde. Aber der natürliche Haarwuchs ist spärlich und zerstreut, und
die Haare wenden sich bei beiden Geschlechtem, wie die Haare am
Hinterkopfe, leicht nach aufwärts. Unter den Armen desgleichen.
[Die Zähne.] [Ueber die Zähne der Djäkun und der Belendas liegt
schon ein früherer Bericht des Reisenden vor*), dem er nun das Folgende
hinzufügt:]
Die Orang -Hutan scheinen nicht davon überzeugt zu sein, dass der
Durchbruch der Zähne in der Kindheit einer Regel unterliege. Ich habe fest-
stellen können, dass zuweilen ein oder zwei Zähne schon bei der Geburt vor-
handen waren. Solchem Ereigniss wird keine üble Bedeutung beigelegt,
und man ist weit davon entfernt, dasselbe als das augenscheinliche Werk
eines bösen Geistes, oder als einen Grund zu betrachten, das Kind aus
dem Wege zu räumen, wie das bei einigen anderen Rassen geschieht.
Im Gegentheil, es wird für ein günstiges Zeichen gehalten; denn man
1) Rnd. Virchow 1. S. 840.
180 H. V. Stevens:
glaubt, dass das Kind ungewöhnlich stark werden wird. Eindermord über-
haupt, aus welchem Grunde auch immer, war keinem der Dschungel -Be-
wohner hier bekannt. Mit den Zähnen wurde, ausser dass sie geschwäret
wurden, weiter nichts vorgenommen.
Die Djäkun schwärzten sich [in früheren Zeiten] nicht absichtlich die
Zähne, aber in späteren Jahren thaten das einige aus Nachahmungstrieb.
[Stevens erwähnte früher an der Grenze der Orang Panggang einige
sehr schwarze Menschen, welche gefeilte Zähne hatten.^)]
[Die Kopf- und Körper-Plastik.] Die Köpfe der Kinder werden
so gelassen, wie die Natur sie gebildet hat, und werden in keiner Weise
zusammengepresst.
Es ist schwierig, zu sagen, wann bei den Weibern die Sitte in die
Mode kam, sich die Ohren für die Aufnahme von Ringen zu durchbohren;
aber es muss ihrer Meinunng nach schon sehr lange her sein. Die Weiber
haben jetzt die Ohren mit einem kleinen Loch durchbohrt*) Bei den
Männern ist das nur selten der Fall. Die Lippen oder die Nase werden
niemals durchbohrt.
Ich fragte die Djäkun, ob sie zu irgend einer Zeit den Gebrauch
gehabt hätten, den Körper oder das Gesicht zu bemalen, wie die Belendas;
ich erhielt stets eine verneinende Antwort. Verschiedene Male wurde
auch schlau hinzugefügt: Das Wasser (nehmlich das Seewasser) würde es
ja wieder abgewaschen haben.
[Von der Behandlung der Kopfhaare, des Bartes und der Zähne ist
oben bereits die Rede gewesen.]
[Die Behandlung der Nägel hat Stevens in einem früheren Berichte
bereits besprochen'). Er fügt neuerdings hinzu:]
Die Nägel brachen, auch wenn sie nicht geschnitten vnirden, beim
Gebrauche ab, und es wurde keine besondere Sorgfalt darauf verwendet,
sie lang zu haben.
Tätto wirungen oder Verstümmelungen irgend welcher Art. kommen
nicht vor. Auch mit den Geschlechtstheilen wurde niemals etwas der-
artiges vorgenommen.
[Die Sinne.] Icli habe nur drei Fälle von Kurzsichtigkeit bei
Bolendas angetrofiFen, zwei bei Männern und einen bei einer Frau;
bei Negritos habe ich sie nicht gefunden. Wie ich bereits früher be-
merkt habe, kann in dem von Bäumen und Blättern dicht geschlossenen
Dschungel die Femsichtigkeit des Auges nicht gut abgeschätzt werden.
Ohne Zweifel hängt viel von der Uebung und dem Vertrautsein mit dem
allgemeinen Verhalten der Gegenstände in dem Dschungel ab, woran ich.
1) Bud. Virchow 1. S. 840.
2) Grünwedel 1. S. 99.
3) Rad. Virchow 1. S. 840.
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. ] 8 1
vergleichsweise, viel weniger gewöhnt bin. Aber die Dschungel -Männer
oder Frauen werden mir sogar die Spitzen der Fühlhörner eines Thieres
unter dem umgebenden Blätterwerk zeigen, was sehr schwierig zu ent-
decken ist, während ich mit meinen für einen Europäer normal guten
Augen erst eine Zeit lang umsonst umhersuchen muss, bevor ich sie be-
merke. Alles, was in Bewegung ist, wird übrigens sofort gesehen, so
gering auch seine Grösse sein mag. Wie es wohl als ganz natürlich an-
gesehen werden muss, steht der wilde Panggang in dieser Schnelligkeit
des Entdeckens obenan, und dann geht es weiter abwärts bis zu den
Halb-Ci vilisirten .
Die Belendas haben im Allgemeinen entschieden schwache Augen.
In der frühesten Jugend sehen sie, wenn ihnen kein Unglücksfall zu-
gestossen ist, gut, besonders wenn sich der Gegenstand in den Dschungeln
bewegt. Aber ihre Augen werden, wie es wohl bei einem Waldvolke
erwartet werden kann, leicht durch starkes Licht ermüdet. Bei den
wenigen Gelegenheiten, die ich gehabt habe, mich mit Belendas in einem
weiten, oflFenen Räume zu befinden, habe ich die Beobachtung gemacht,
dass ich sehr weit entfernte Gegenstände viel besser unterscheiden konnte,
als sie das vermochten.
Während ich über das Augenlicht schrieb, unterliess ich zu bemerken,
dass ich unter den Belendas, welche die malayische Kleidung tragen und
mit dem Gebrauch von Nadel und Zwirn vertraut sind, niemals ein altes
Belendas- Weib traf, welches nicht eine gewöhnliche Nadel ohne Schwierig-
keit einfädeln konnte.
Das Gehör ist bei den Djäkun gewiss am schärfsten, obgleich ich
mir einen Grund, warum das so ist, nicht gut denken kann. Nach ihnen
kommt der wilde Panggang, während die zahmen westlichen Semang,
Belendas und Temia als ziemlich gleich betrachtet werden können, wenn
wir den Durchschnitt annehmen. Ausnahmebeispiele von Stärke in dieser
Hinsicht kommen häufiger bei den Semang der Westküste, als bei den
anderen, mit denen ich in Verbindung war, vor.
Wenn ich des Nachts zu meinem Lager zurückkam, so konnten die
Orang Hutan in demselben stets meine Annäherung von der ihrer eigenen
Leute im Dunklen unterscheiden, obgleich ich barfüssig war, und zwar
an dem schwereren Schritt und daran, dass ich die mir im Wege stehenden
Zweige durchschlug, anstatt sie zur Seite zu biegen. Aber als ich sie
fragte, ob sie mich auf eine gewisse Entfernung hin in der Nacht riechen
könnten, da lachten sie und sagten unter anderem, dass sie wohl den
Tabak riechen könnten (ich benutzte meine Pfeife), aber nicht mich selber,
da ich kein Tiger sei. Der Tiger kann übrigens sogar von mir selbst
auf eine gewisse Entfernung hin gerochen werden, wenn der Wind günstig
ist. Die Feuer, d. h. der Rauch derselben, werden bei Nacht auf weite
Entfernung hin von allen gerochen, wenn der Wind ihn herbeiführt.
182 H. V. Stevens:
Manche behaupten, dass sie an einer gewissen Verschiedenheit in der
Qualität und Quantität des Rauches erkennen können, ob es ein Lager-
feuer ist oder ob ein Theil des Dschungels in Brand steht. Da viele
Blätter einen besonderen Geruch haben, wenn sie verbrennen, so ist diese
Behauptung möglicher Weise in einigen Fällen wahr, da das Lagerfeuer
frei von den Blättern ist, welche in Menge in einem zufälligen Feuer
verbrennen.
Den Uefühlssinn suchte ich dadurch festzustellen, dass ich Männer die
Spitze des Compasses als einen oder zwei Berührungspunkte in verschiedenen
Kutfemungen fühlen Hess; aber ich konnte sie nicht zu einem klaren Ver-
ständniss dessen, was sie thun sollten^ bringen, und ich bin sicher, dass
sie, obgleich sie nach wiederholten Unterweisungen antworteten^ nur eine
Antwort aufs Gerathewohl gaben, in der Hoffnung, mir dadurch gefällig
zu sein. Zuerst wollten sie nicht antworten; sie folgten darin ihrem ge-
wöhnlichem Gebrauche, wenn sie etwas nicht verstehen.
[Die Functionen des Körpers.] Der Djäkun wäscht nicht nur
seinen Anus nach dem Stuhlgang, sondern auch seinen Penis nach dem
Uriniren, wenn zur Zeit Wasser in der Nähe ist. Das geschieht mit der
linken Hand. Der Orang Laut dagegen planscht nur ein wenig Wasser nach
der Defäcation an den Anus, reibt aber den beschmutzten Theil nicht
rein ab und dehnt den Gebrauch des Wassers auch nicht auf den Penis
aus. Aber er ist überhaupt im Laufe des Tages viel im Wasser, somit
ziemlich sicher, sich überall mit San<l oder Thon, den er nachher wieder
abwäscht, abreiben zu können, so dass die anscheinende Sorglosigkeit
wirklich von wenig Bedeutung ist.
[Die Orang Laut verrichten stets ihre Nothdurft an dem Rande des
Wassers, und zwar mit dem Rücken gegen dasselbe gekehrt. Dabei ver-
halten sie sich ganz still, um nicht von einem Alligator gepackt zu werden,
während, wenn sie ein solches Wasser durchkreuzen müssen, sie umher-
planschen und umherscblagen, um den Alligator fernzuhalten.]
Der Djäkun wird niemals seine Nothdurft an dem Platze verrichten,
wo ein Feuer gewesen war. Es ist augenscheinlich, dass sie der Meinuu;^
sind, dass, wenn dem grossen Geschenke, das dem Mensehengeschlechte
mit dem Feuer gemacht ist, eine solche Beleidigung zugefügt wird, dieses
den Gott Ha-et kränken könne, dessen Absichten kein Mensch kennt
und der entweder der undankbaren Handlung Zeuge sein, oder in irgend
einer nicht detinirbaren Weise von dem beleidigten Feuer eine Klage
empfangen kann.
Ich überzeugte mich hiervon durch Zufall. Wir waren im Begriff,
unser Nachtlager zu verlassen; das Nachtfeuer war von mir am Morgen
etwas angeschürt worden, um etwas Wasser zum Thee zu kochen; der
Wind war frisch und ein Büschel langen, trockenen, leicht entzündbaren
Anthropologische Bemorkungon über die Eingeborenen ron Malacca. 183
«Lalang^-Orases lag nahe dabei. Aus Vorsicht wünschte ich mich zu er-
leichtem, bevor wir uns auf unseren Tagesmarsch begaben, und ich war
im Begriff, dies au dem Feuer zu thun, und, zwar so, dass die Funken
der glimmenden Kohlen nicht nach dem trockenen Grase hingeblasen
werden und einen vielleicht weithin zerstörenden Brand verursachen konnten.
Ein Djäkun in meiner Nähe, welcher sah, dass ich an meinen Knöpfen
nestelte und der begriff, was ich zu thun Willens war, legte plötzlich zu
meiner grossen Ueberraschung seine Hand auf meinen Arm und drehte
mich herum. Darauf erklärte er mir sein Bedenken, dass ich dem Feuer
solch eine Beleidigung anthun wolle. Als wir unterwegs waren, bewies
mir die spätere Discussion, dass sämmtliche Männer diese Handlung in
dem gleichen Lichte betrachteten.
Ich habe oft die Behauptung gelesen, dass sich der Orang Hutan von
Blähungen durch Winde oder durch Aufstossen erleichtere, ohne dass von
irgend einem der Anwesenden die geringste Notiz davon genommen werde.
Wiederholen tlich habe ich diese Frage Leuten aus allen Stämmen vorgelegt;
sowohl aus den Antworten, als auch aus eigenen Beobachtungen kann ich ent-
nehmen, dass diese Gewohnheiten getadelt und als das betrachtet werden, was
wir als „höchst gemein^ bezeichnen würden. Unter Männern mag man das
vielleicht thun, ohne dass von den Anderen irgend eine Bemerkung gemacht
oder Notiz davon genommen wird. Aber es mag vorkommen und kommt
vor unter den Westlichen. Es ist aber Thatsache, dass trotz dieser schein-
baren Gleichgültigkeit die Orang Hutan dem Ereigniss im Gegensatze zu
den Westlichen den Begriff von Gemeinheit und Rohheit beilegen.
Oft habe ich von einem Sakai einem anderen einen Vorwurf machen
hören, wenn solch ein Verstoss gegen den Anstand begangen worden war,
obgleich nur Männer anwesend waren. Ein andermal war mir von einem
der Anwesenden für ihren Kameraden eine Entschuldigung gesagt worden,
während der Missethäter so beschämt aussah, als er fortging, dass gar kein
Zweifel bestehen konnte, wie über solche Handlungsweise abgeurtheilt
wird. Wenn ich die Sakai direct über ihre Meinung in dieser Sache fragte,
verurtheilten sie dieselbe stets sehr streng, aber sie sprachen auch von
der Möglichkeit, dass es nur zuiUUig und nicht absichtlich geschehen sei,
um die That zu beschönigen. Was das anbetrifft, dass diese Handlung,
wie bei den Chinesen, eine Schmeichelei für den Gastgeber sein solle, so
würde sie für Dschungel -Bewohner vielmehr eine schwere Beleidigung
anstatt eines Complimentes sein.
Da sie ihre Nahrung gierig hineinstopfen, so ist es ganz wahr-
scheinlich, dass solche Resultate folgen, ohne dass sie die Fähigkeit be-
sitzen, sie zu verhindern; und die naive Manier der Männer könnte einen
oberflächlichen Beobachter dahin fähren, anzunehmen, dass sie kein Ver-
ständniss für unschickliche Aufführung besässen. Aber jene Manier [die
184 H. V. Stevens:
scbeinbare Nichtbeachtung] entsteht nur aus dem Wunsche, nicht noch
mehr die Aufmerksamkeit auf den unabsichtlich gemachten Fehltritt zu
lenken, dessen man sich schämt.
[Ueber den Geschlechtstrieb u. s. w. ist an anderer Stelle berichtet
worden ^).]
[Trinken.] Der Djakun gebraucht auf dem Lande oder auf dem
Wasser irgend eine Art von Schale oder ein Blatt, wenn sonst nichts da
ist, um das Wasser zu seinem Munde zu führen, wobei er das Gefäss an
seine Lippen setzt. [Bei den Orang Laut] ist der Gebrauch der Trink-
röhreu aus Bambu verschwindend; unter den Halbblütigen wird das nicht
mehr oft gesehen; sie wenden jede Art zu trinken an.
Am Lande warfen [die Orang Laut] sich das Wasser mit grosser
Geschicklichkeit mit der Hand hinauf in den Mund, und anstatt sich das
ganze Gesicht voll zu planschen, wie ich selbst es machte, verstehen sie
es, auf ungefähr einen Fuss Entfernung von der Fläche der Hand das
Wasser in den Mund zu werfen, ohne ihre Gesichter wesentlich zu be-
netzen. Sogar die Kinder w^enden diese Methode an. Wenn eine Mutter
einem kleinen Kinde Wasser zu geben wünscht, so lässt sie es von ihrer
Hand in den offenen Mund des Kindes träufeln.
[Reinlichkeit.] Der einzige Punkt, in welchem der Orang Laut
tien Djakun übertriflFt, ist den dass er in seiner Haut reinlicher ist, wenn
er nicht an einer wirklichen Hautkrankheit leidet. Er badet mehr, da er
sich so viel innerhalb des Wassers aufhält. Er gebraucht entweder Sand
oder, wenn er ihn bekommen kann, Thon, um ihn als Reinigungsmittel
zu benutzen.
Die Br»lendas haben ein natürliches Waschmittel, welches den Zweck
hat, das Fett vom Kopf und aus dem Haare zu entfernen. Es ist der ge-
schabte innere Theil der Rinde einer Kletterrebo, deren junge Stämme
und Triebe mit einer reichlichen Menge scharfer Domen bewaffnet sind,
wie die der Rose. Das Blatt ist das einer Akazie, dunkelgrün und glatt
und von grossem Umfange. Ich sende Muster des Stammes, des Blattes
und der geschabten Rinde. Eine Handvoll der frisch geschabten Rinde
wird mit Wasser wie ein Schwamm auf den Kopf gebracht und erzeugt
dann einen dicken Schaum. Ich w^erde versuchen, diese Pflanze in Singa-
pore bestimmen zu lassen.
[Von den Abwaschungen nach den körperlichen Functionen ist weiter
oben die Rede gewesen.]
[Das Waschen der Hände nach der Mahlzeit wird bei der Schilderung
dos Pädi -Festes erwähnt*); Ober die Waschungen nach der Menstruation,
1) Max Bartels 1. Mittheilangen aus dorn Franenleben der Oraog Bdlondas, der
Orang DjÄkon und der Orang Uut. ZciUcbria für Ethnologie. Bd. XXVHI, 8. 180.
Berlin 1»%.
2) Grunwedel 1. S. 154.
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 185
bei der Entbindung und im Wochenbett habe ich an einer anderen Stelle
berichtet. *)]
Bei den Orang Laut gebrauchen beide Geschlechter Fett oder Oel
für ihren Körper und ihre Haare, weil^ wie sie sagen, das Seewasser die
ungeschützte Haut reizt, wenn sie später der Sonne ausgesetzt wird. Jetzt
ist Cocosnussöl und anderes Oel leicht zu erhalten, aber früher wurde
Fischfett angewendet. Die genaue . Art und Weise, wie es gewonnen
wurde, ist nicht bekannt.
(Dieses Fett ist ein häufiges Mittel, um Medicinal-Zauber auszuführen,
indem die Pflanzen- Droge u. s. w. mit dem Fett vermischt wird und so
durch die Haut dringt.) Die Djäkun waren dem Gebrauch von Fett für
diesen Zweck weniger ergeben und wuschen es auch später nicht fort,
wie das die Orang Laut thun.
[Das Schlafen.] Die Weiber der Belendas liegen für gewöhnlich
nicht auf der Seite, sondern auf dem Kücken, und suchen den Kopf
durch irgend eine Art von Kopfkissen etwas zu erhöhen. Als Grund
hierfür geben sie an, dass, wenn der Kopf des Schenkelknochens die Last
des Körpers zu tragen hat, während sie auf der Seite liegen, die unter
dem Namen Lattah bekannte „nervös-hysterische Affection" zum Aus-
bruch kommen würde, die ihnen dann „unfreiwillige Muskelkrämpfe ^ im
Schlafe verursacht.
Die Belendas-Männer liegen im Schlafe oft auf dem Bücken, wobei
sie die im Knie gebeugten Beine so an den Körper heranziehen, dass
die Sohle des Fusses flach auf dem Erdboden ruht. Aber auch die
Seitenlage wird von den Männern nicht selten bei dem ersten Niederlegen
eingenommen, und zwar wird bald die eine, bald die andere Seite gewählt.
Belendas-Männer haben Stevens gesagt, dass, wenn sie auf der Seite
liegen, die Augen, der Mund und die Nase zu sehr durch Ameisen,
Scorpione und Tausendfüsse gefährdet sind, welche auf die Schlafmatten
kriechen, während in der Eückenlage die Haut des Nackens und der
Wangen das Herannahen dieser Thiere warnend empfindet. Aber wieder
Andere geben an, dass sie irgend ein Geräusch oder ein Alarmsignal
für drohende Gefahr besser hören können, wenn sie auf dem Rücken
schlafen.
Der Djäkun rollt sich gewöhnlich, auf der einen oder der anderen
Seite liegend, zu einer „ballähnlichen Form" zusammen. Wenn die Nacht
bei dem Beginne des Schlafes heiss ist, wird diese Einrollung etwas ge-
mindert, aber in den ganz frühen oder kälteren Morgenstunden kann man
sicher sein, beide Geschlechter mit an den Körper herangezogenen Knieen
zu finden. Die Kinder schlafen von frühester Kindheit an auf einer Matte,
welche direct auf der Erde liegt. Ihr Platz ist an der Brustseite der
1) Max Bartels 1. S. 163-202.
186 H. V. Stevens;
Mutter, zwischen ihr und dem glimmenden Feuer. Dabei umsehlingeii
die Mütter die Kinder mehr oder weniger mit ihren Armen.
[Wie die Weiber der Belendas sich mit ihren kleinen Kindern zum
Schlafen legen, ist früher besprochen worden.*)]
Die Temia schlafen, wie die Belendas. Der Negrito nimmt die
erste beste Lage für den Schlaf an, wie seine Laune sie eingiebt oder
die Umgebung und die Verhältnisse sie bedingen.
[üeber die Lagerungen bei der Niederkunft hat Stevens ebenfalls
früher schon berichtet')]
Von den Monik benutzt kein einziger irgend eine besondere Art von
Kopfkissen, weder aus Holz, noch aus einem anderen Materiale. Oft ge-
brauchen sie überhaupt gar nichts^ und in anderen Fällen kann das erste
beste Ding, was gerade zur Hand ist, unter den Nacken und den Hinter-
kopf gelegt werden: ein Bündel Gras oder Zweige oder auch der Arm
können benutzt werden.
Das alte Kopfkissen der Belendas ist von den meisten Männern ver-
gessen und wird nicht mehr auf der Halbinsel gefunden. Diejenigen;
welche noch eine traditionelle Kenntniss davon besitzen, geben an, dass
es mit dem Stamme variirte.
Bis vor einigen Tagen hatte ich noch nicht feststellen können, wie
dasjenige der Bersisi beschaffen war. Aber die Djäkun, unter denen sich
einige Bersisi -Familien auf der westlichen Seite niedergelassen hatten,
sagten, dass es dem gewöhnlichen chinesischen Kopfkissen sehr ähnlich
sei. Es ist ein Block von hartem Holz ohne Füsse, mit concaver Unter-
seite und convexer Oberseite und glatt abgeschnittenen Seitenwänden.
Hierin weicht es von denen der Djäkun ab, die ich früher beschrieben
habe.
Das Kopfkissen der Sinnoi war stets ein Bambuglied, durch dessen
äussere Enden [lateralwärts von den Internodien] vier kleine, runde
Pflöcke hindurchgesteckt waren. Die Kopfkissen der Weiber waren die
gleichen, aber sie hatten gewöhnlich ein Paar an beiden Enden zugespitzter
Füsse, so dass sie durch einen Schlag in ein Loch am Ende hinein^'
getrieben oder herausgebracht werden konnten. Zu diesem Zwecke wurde
an der betreffenden Stelle die dünne Substanz, die den Knoten schloss,
fortgeschuitten, um den Zugang zu dem lunem des Eohres zu gestatten.
Kleine Gegenstände, welche die Frauen für ihre Toilette oder zu anderen
Zwecken gebrauchen, werden im Innern des Bambukopfkissens aufbewahrt;
durch die liiueingesteckten Fasse wurde das Herausfallen dieser Sachen
verhindert.
1) Max Bartels 1. S. 202.
2) Max Bartels 1. S. 188, 189.
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 187
Die Kcnäboi, welche hieriD, wie in manchen anderen Dingen ent-
schlossen scheinen, ihre Eigenart unter den ßclendas, von denen sie ein
integrirender Theil waren, zu kennzeichen, niaclien ihre Kopfkissen aus
gespaltenen Bambusclieiten von viereckigem Querschnitt, indem die
Scheite „hinein und hinaus" mit einander verflochten sind. Auch bei
ihnen diente das Innere den Weibern als Beliillter für die zeitweilige Auf-
bewahrung kleiner Gegenstände, als Kämme, Arzneien u. s. w. D.as genaue
Muster ist übrigens jetzt verloren, und nur wenige erinnern sich noch im
Allgemeinen der Einzelheiten.
Einer Gewohnheit folgend, welche, wie es scheint, allgemein gewesen
ist, hat nicht allein jeder Stamm ein besonderes Muster für seine Kopf-
kissen, sowie für andere Gegenstände eingeführt, sondern sogar jede ge-
trennte Niederlassung desselben Stammes liatte für sich irgend eine be-
sondere kleine Eigenthümlichkeit, an welcher die Hersteller erkannt
werden konnten.
Die Shnioi, welche stets eine grössere Neigung für künstlerisch?
Decoration, als die anderen Belendas, gehabt zu haben scheinen, orna-
nientirten häufig ihre Bambukopfkissen mit eingravirten Linien oder ge-
malten Totems. D'w Gravirung und die Malerei fand sich niemals ge-
meinsam auf demselben Gegenstande; icli konnte aucli nicht einmal an-
nähernd eine Vorstellung von den gewöhnlichen Zeichnungen erhalten, da
sie lange vergessen sind.
Wenn ich den Ausdruck gebrauche „die alte Form der Kopfkissen"
so beabsiclitige ich, dass darunter die älteste Form derselben verstanden
wird, von der die gegenwärtigen Männer irgend eine Erinnerung oder
TJeberlieferiing haben, dass sie bei ihren Vorfahren zu einer Zeit im
allgemeinen <i(»brauche gewesen ist, wo die Bequemlichkeiten eines
Hauses wahrscheinlich weniger leicht zu erhalten waren, als gegenwärtig.
Denn jetzt kann man, ausser bei den wilden Panggang, bei allen Stämmen
in vielen der Häuser, wie in den nialayischen, den mit Baumwolle gefüllten
Zeugsack sehen. Diese modernen Kopfkissen konnten nur gebraucht
werden, als auch andere Verbesserungen in den Verhältnissen des Stammes
es ermöglichten. So lange die Leute stets in Bewegung waren, konnten
umfangreiche Stücke, wie Kopfkissen, niclit mitgqführt werden; und wenn
die gegenwärtigen, mit Baumwolle gefüllten Kissen eine Woche in einem
Hause ohne Insassen gelassen wären, so würden Termiten und anderes
Ungeziefer sie zerstört liaben, wenn das nicht Feuchtigkeit und Schimmel
gethan hätten.
Es ist niclit zu verstehen, dass die Sakai in früheren Tagen die be-
scliriebeuen Kopfkissen jede Nacht gebrauchten. Das liing davon ab, ob
sie zu Hause waren oder nicht, welches letztere häufig der Fall war.
Wenn sie ausserhalb waren, dann nahmen sie den ersten besten Gegen-
stand, der ilmen unter die Hände kam, oder sie brauchten überhaupt
186 H. V. Stevbms:
Matter, zwischen ihr und dem glimmenden Feuer. Dabei umschlingen
die Mütter die Kinder mehr oder weniger mit ihren Armen.
[Wie die Weiber der Belendas sich mit ihren kleinen Kindern zum
Schlafen legen, ist früher besprochen worden.*)]
Die Trmiä schlafen, wie die Belendas. Der Negrito nimmt die
erste beste Lage für den Schlaf an, wie seine Laune sie eingiebt oder
die Umgebung und die Verhältnisse sie bedingen.
[üeber die Lagerungen bei der Niederkunft hat Stevens ebenfalls
früher schon berichtet')]
Von den Monik benutzt kein einziger irgend eine besondere Art von
Kopfkissen, weder aus Holz, noch aus einem anderen Materiale. Oft ge-
brauchen sie überhaupt gar nichts^ und in anderen Fällen kann da» erste
beste Ding, was gerade zur Hand ist, unter den Nacken und den Hinter-
kopf gelegt werden: ein Bündel Gras oder Zweige oder auch der Arm
können benutzt werden.
Das alte Kopfkissen der Belendas ist von den meisten Männern ver-
gessen und wird nicht mehr auf der Halbinsel gefunden. Diejenigen;
welche noch eine traditionelle Kenntniss davon besitzen, geben an, dass
es mit dem Stamme variirte.
Bis vor einigen Tagen hatte ich noch nicht feststellen können, wie
dasjenige der Bersisi beschaffen war. Aber die Djäkun, unter denen sich
einige Bersisi -Familien auf der westlichen Seite niedergelassen hatten,
sagten, dass es dem gewöhnlichen chinesischen Kopfkissen sehr ähnlieh
sei. Es ist ein Block von hartem Holz ohne Füsse, mit concaver Unter-
seite und convexer Oberseite und glatt abgeschnittenen Seitenwänden.
Hierin weicht es von denen der Djäkun ab, <lie ich fWlher beschrieben
habe.
Das Kopfkissen der Sinnoi war stets ein Bambuglied, durch dessen
äussere Enden [lateralwärts von den Intemodien] vier kleine, runde
Pflöcke hindurchgesteckt waren. Die Kopfkissen der Weiber waren die
gleichen, aber sie hatten gewöhnlich ein Paar an beiden Enden zugespitzter
Füsse, so dass sie durch einen Schlag in ein Loch am Ende hinein-
getrieben oder herausgebracht werden konnten. Zu diesem Zwecke wurde
an der betreffen<len Stelle die dünne Substanz, die den Knoten schlosa,
fortgeschnitten, um den Zugang zu dem Innern des Rohres zu gestatten.
Kleine Gegenstände, welche die Frauen für ihre Toilette oder zu anderen
Zwecken gebrauchen, wenlen im Innern des Bambukopfkissens aufbewahrt:
durch die hineingesteckten Füsse wurde das Heraasfallen dieser Sachen
verhindert.
1) Max Bartels 1. S. 202.
2) Max Bartels 1. S. 18^, ISl».
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 187
Die Kenäboi, welche hierin, wie in manchen anderen Dingen ent-
sclilossen scheinen, ihre Eigenart unter den ßelendas, von denen sie ein
integrirender Theil waren, zu kennzeichen, machen ihre Kopfkissen aus
gespaltenen Bambuscheiten von viereckigem Querschnitt, indem die
Scheite „hinein und hinaus^ mit einander verflochten sind. Auch bei
ihnen diente das Innere den Weibern als Behälter für die zeitweilige Auf-
bewahrung kleiner Gegenstände, als Kämme, Arzneien u. s. w. Das genaue
Muster ist übrigens jetzt verloren, und nur wenige erinnern sich noch im
Allgemeinen der Einzelheiten.
Einer Gewohnheit folgend, welche, wie es scheint, allgemein gewesen
ist, hat nicht allein jeder Stamm ein besonderes Muster für seine Kopf-
kissen, sowie für andere Gegenstände eingeführt, sondern sogar jede ge-
trennte Niederlassung desselben Stammes hatte für sich irgend eine be-
sondere kleine Eigenthümlichkeit, an welcher die Hersteller erkannt
werden konnten.
Die Sinnoi, welche stets eine grössere Neigung für künstlerischo
Decoration, als die anderen Belendas, gehabt zu haben scheinen, orna-
mentirten häufig ihre Bambukopfkissen mit eingravirten Linien oder ge-
malten Totems. Die Gravirung und die Malerei fand sich niemals ge-
meinsam auf demselben Gegenstande; ich konnte auch nicht einmal an-
nähernd eine Vorstellung von den gewöhnlichen Zeichnungen erhalten, da
sie lange vergessen sind.
Wenn ich den Ausdruck gebrauche „die alte Form der Kopfkissen"
so beabsichtige ich, dass darunter die älteste Form derselben verstanden
wird, von der die gegenwärtigen Männer irgend eine Erinnerung oder
Ueberlieferung haben, dass sie bei ihren Vorfahren zu einer Zeit im
allgemeinen Gebrauche gewesen ist, wo die Bequemlichkeiten eines
Hauses wahrscheinlich weniger leicht zu erhalten waren, als gegenwärtig.
Denn jetzt kann man, ausser bei den wilden Panggang, bei allen Stämmen
in vielen der Häuser, wie in den malayischen, den mit Baumwolle gefüllten
Zeugsack sehen. Diese modernen Kopfkissen konnten nur gebraucht
werden, als auch andere Verbesserungen in den Verhältnissen des Stammes
es ermöglichten. So lange die Leute stets in Bewegung waren, konnten
umfangreiche Stücke, wie Kopfkissen, nicht mitg^führt werden; und wenn
die gegenwärtigen, mit Baumwolle gefüllten Kissen eine Woche in einem
Hause ohne Insassen gelassen wären, so würden Termiten und änderet*
Ungeziefer sie zerstört haben, wenn das nicht Feuchtigkeit und Schimmel
gethan hätten.
Es ist nicht zu verstehen, dass die Sakai in früheren Tagen die be-
schriebenen Kopfkissen jede Nacht gebrauchten. Das hing davon ab, ob
sie zu Hause waren oder nicht, welches letztere häufig der Fall war.
Wenn sie ausserhalb waren, dann nahmen sie den ersten besten Gegen-
stand, der ihnen unter die Hände kam, oder sie brauchten überhaupt
188 H. V. Stevens:
<;ar nichts; sie können alle ohne Kissen sehr fest schlafen. Aber solche
Kopfkissen, wie sie beschrieben wurden, bildeten einen Theil der gewöhn-
lichen Ausstattung eines Hauses, und wenn sie nicht im Gebrauche waren,
so lagen sie in einem Winkel unter dem Dach. Der Grund, warum die
früheren Kopfkissen aus so harten Materialien gewesen sind, während
weichere zu haben waren, ist einleuchtend. Der fettige Schmutz der
ungewaschenen Köpfe würde ein Kissen aus Saya- Rindenzeug (voraus-
gesetzt, dass Baumwollenzeug nicht zu erhalten war) dick beschmieren^
obgleich das vielleicht das geringste der Bedenken gegen seinen Gebrauch
ist. Es würden sich Würmer in ihm einnisten, und eine noch schlimmere
Gefahr würde entstehen, wenn es Tage lang unbenutzt liegt, da Tausend-
füsse und Scorpione es zu ihrem Unterschlupf benutzen würden, und dann
würden diese, wenn in der Nacht der Druck des Kopfes darauf lastet, ihr
Gift gebrauchen. Weisse Ameisen würden es in einer Nacht zerstören.
Aber es giebt auch noch einen für einige der Belendas stärkeren Grund,
als alle die anderen: eine Person von boshaftem Charakter könnte viel-
leicht in Abwesenheit des Eigenthümers zu dem Kopfkissen gelangen
und irgend ein giftiges oder magisches Präparat mit Erfolg unter der
Baumwolle verstecken, das dann, wenn der Eigenthüroer im Schlafe seineu
Kopf darauf legt, eine schlimme Wirkung haben könnte.
Daher benutzt man das feste oder halbfeste Kopfkissen ungeachtet
seiner Härte.
Die Sinnoi -Weiber bedienten sich des hohlen Bambu- Kopfkissens,
und in dieses wurde, um die darin aufbewahrten Gegenstände zu benutzen,
so häufig hineingesehen, dass jedes der vorhin berichteten Uebel sehr
schnell entdeckt worden wäre. Ausserdem haben die Weiber keine solche
Furcht vor Feinden, die so etwas thun würden, wie die Männer.
Das Djäkun-Kopfkissen war, im Gegensatze zu dem anderen, aus dem
weichsten Holze gefertigt, das irgend zu bekommen war, nicht etwa wegen
irgend eines Unterschiedes, den es für den Kopf machte, sondern weil es
sich leichter ohne eiserne Werkzeuge herstellen Hess. Es war an den
Seiten und unten stets concav, aber oben war es convex und oft roth, gelb
oder schwarz gefärbt. Letzteres geschah durch den Aufguss einer Kinde
für Roth, einer W'urzel für Gelb und durch ein Gemisch von Oel und
Kohle für die schwarze Farbe. Die gelbe Farbe scheint der Beschreibung
nach das malayische „Küning" (Safran?), eine wohlbekannte Knolle, ge-
wesen zu sein. Der Baum ist nicht bekannt, jedoch giebt es verschiedene,
deren Rinde eine rothe Farbe giebt.
Es waren die Kopfkissen -Blöcke d«»r Weiber, welche meistens sorg-
fältig gefärbt wurden. Diejenigen der Männer wurden während des Tages
für andere Zwecke gebraucht, z. B. [als Schwimmer für die zum Fangen
der Alligatoren bestimmte Leine. Für diesen Zweck ist es in der Mitte
durchbohrt; das Rotangseil wird «lurch das Loch gezogen und auf der
Authropologische Bemerkangen über die Eingeborenen von Malacca. 189
anderen Seite geknotet.] Der Kopfkissen- Schwimmer, dessen dunkle
Farbe leicht gesehen wird, zeigt an, wohin der Alligator, wenn er den
Köder angenommen hat, gegangen ist. Die obige Form des Kopfkissens
wird jetzt niemals mehr gesehen; Zeug und Baumwolle haben es ersetzt.
Von dem Scharfsinn der Leute konnte ich mich überzeugen, als ich
das erste Mal in ein Bölendas-Haus kam.
Als ich mich zur Nacht auf den mit Matten bedeckten Boden gelegt
hatte, wurde das kleine Kind des Hauses schläfrig und wurde demgemäss
zu Bett gebracht. Ich sende ein Muster dieses Hängematten- Bettes, so
dass Sie selbst es sehen können: aber was mir auffiel, war die Art, wie
die herabhängenden Rotanseile davor geschützt waren, sich beim Hin- und
Herschwingen durchzuscheuern, so dass dann das Kind herausgefallen wäre.
Ein kurzer [horizontaler] Stab hängt an zwei Rotans von einer [ebenfalls
horizontalen] Stange herab, die auf die Hauptbalken des Hauses gelegt
ist Ein gewöhnlicher Sarong, wie ihn die Malayen tragen, d. h. ein an
beiden Seiten zusammengenähter Streifen von Baumwollenzeug, wird mit
dem einen Ende (dieses Zeugringes) über die untere Stange und hinter
die Rotans, an der diese hängt, gelegt, so dass das andere Ende in Form
einer Hängematte geöffnet herabhängt; hier hinein wird das Kind gelegt.
Das Ganze kann nun von vorn und nach hinten in der Richtung der
Längsaxe des Kindes hin und her schwingen, anstatt wie bei uns in der
Richtung der Queraxe, und daher gehen der Kopf und die Füsse ab-
wechselnd auf und nieder. Sobald der kleine Körper in Ruhe war, lagen
tler Kopf und die Füsse ungefähr in der gleichen Ebene, aber sobald das
Kind von der Mutter gewiegt wurde, war der Kopf abwechselnd einen
Fuss niedriger, als die Extremitäten. Unseren Augen erscheint das un-
behaglich, aber Belendas -Kinder sind ruhige Wesen und machen selten
über irgend etwas Lärm.
Aber die Besonderheit, die mir auffiel, war, dass die obere lange
Stange, welche von einer Seite des Hauses zu der anderen reichte, rund
war und nicht an den Wandplatten des Hauses augebunden wurde.
Die Schleifen der Rotans gingen einfach über die Stange, und wenn
die Mutter die Wiege hin und her schaukelte, so blieben die Rotans,
anstatt mit einer Reibung gegen die Stange zu arbeiten, von der sie herab-
hingen, ganz ruhig an ilirem Platze, und die runde Stange selbst rollte bei
jeder Schwingung des Kindes leicht ein wenig an den Wandplatten hin
und her. Da gab es kein Abreiben und Reissen der Rotans; die Gefahr war
vermieden, dass sie sich im Laufe der Zeit durchreiben und dass das
Kind unvermuthet hinausfallen würde. Da das Kind sich aus Bequemlich-
keitsrücksichten für das Schaukeln und, um nicht im Wege zu sein, wenn
die Insassen des Hauses auf dem Boden hocken, mindestens in Brusthöhe
der Mutter befindet, so wäre das ein sehr schwerer Sturz. Das Vermeiden
Zciucbrift für Ethnologie. Jahrg. lv^97. ]^4
190 H. V. Steveks:
«
der Reibung ist ungemein einfach und zeigt — ausser einer Menge anderer
Kleinigkeiten, — dass es den Belendas nicht an Erfindungsgabe und an
schneller Auffassung fehlt.
[Die Lagerung der ganz kleinen Kinder wurde an einer anderen
Stelle bereits besprochen.*)]
Mit dem Auftreten des Haarwuchses an dem unteren Theile des Penis
und an dem Scrotum oder an den Schamtheilen der Mädchen trat bei den
Djakun die Bestimmung ein, dass die jungen Leute getrennt schlafen
mussten. Sobald das also augenscheinlich wurde, schlief der Knabe ab»:e-
sondert am Lande, oder in dem Vordertheile des Bootes, wenn er auf dem
Wasser war. In den gedeckten Plattformen an der Küste schliefen die
Mädchen bei den verheiratheten Leuten. In den in früheren Zeiten vor-
handenen temporären Hütten mit überdeckten Plattformen, welche die
üjakun auf ihren wohlbekannten Versammlungsplätzen an der Küste be-
suchten, schliefen, wenn sie die Nacht dort zubrachten, die Junggesellen
stets in Hütten, die von den verheiratheten Leuten getrennt waren.
Anders war das bei den Brlendas und Panggang, wo die Junggesellen die
Veranda inne hatten, wenn eine solche vorhanden war, oder die äusseren
Känmlichkeiten der Hütten. Bei den Temia ist der einzige unterschied,
dass in ihren luftigen Uemeindehäusem eine niedrige Abtheilung den
Schlafraum der verheiratheten Leute umgiebt.
[üeber das Sichhinsetzen*) und das Sitzen') hat Stevens nur
kurze Angaben gemacht.]
[Hände und Füsse.] Die Orang Hutan wurden durch meine Frage
in grosse Verlegenheit gesetzt, ob sie bei geballter Faust einen Finger
der Hand ausstrecken könnten, ohne die anderen zu öffnen; aber sowohl
Belendas als auch Negritos führten das nach meiner Anweisung sehr
leicht aus.
Bemerken möchte ich, dass ich im Stande bin, bei den Djakun,
namentlich bei den Kindern, durch die Betrachtung der Füsse ziemlich
genau zu schätzen, ob da irgend eine Mischung mit malayischem oder
anderem Blute, wenigstens neueren Datums, stattgefunden hat Die kleine
Zehe der Djakun, namentlich im kindliehen Alter, ist im Vergleiche mit der-
jenigen der Brlendas, und g^nz besonders der Malayen und Chinesea, sehr
j^erade. Sie hat viel weniger von der krallenartigen Biegung, welche an
unseren eigenen Füssen so gewöhnlich ist. Die Belendas tragen niemals
Stiefel, wie wir das thun, wodurch die Zehen entstellt werden könnten,
aber dennoch ist ihre kleine Zehe nebst dem Nagel missgestaltet, wie die
unserigo; sie ist unter der gewöhnlichen Grösse oder von der Richtung
r- Max Bartels 1. S. t?01.
1>. (;rün>vedel 2. S. ICHi.
3) Grünwodcl 1. S. 13a
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 191
<]er anderen Zehen abweichend. Dagegen habe ich kleine Zehen bei
Djäkun-Kindern gesehen, die so gerade und wohlgebildet waren, wie die
anderen Zehen des Fasses.
Wenn übrigens der [männliche] Djäkun zur Mannbarkeit heranwächst,
und besonders, wenn er ungefähr über 30 Jahre alt ist, so werden seine
Füsse sonderbar knorrig, knotig, steif, hässlich, narbig und mit Hautkrank-
heiten bedeckt. Sie waschen sich niemals, und obgleich ihre Hände und
Füsse oft im Wasser sind, so ist es doch gewöhnlich schmutziges, morastiges
und ungesundes Wasser, welches in die Schrunden, die Schnitte und die
8tiche von Dornen u. s. w. eindringt und die Glieder zum Anschwellen
bringt und sie versteift, bis sie den durch Arbeit entstellten Händen eines
alten englischen Landarbeiters, der bei jedem Wetter heraus muss, ähnlich
:sehen.
Ich lernte ihre Hände sehr genau kennen, als ich das Maass derselben
nahm. Als ich die Spannweite vom Daumen bis zum kleinen Finger und
vom Daumen bis zum Mittelfinger auf dem Metermaass feststellen wollte,
fiel mir bei den Männern die Unfähigkeit auf, ihre Finger frei auszudehnen.
Dies ist das Kesultat der Beschwerlichkeiten ihres Lebens; denn
^ie Säuglinge und Kinder haben kleine, wohlgebildete Hände und Füsse.
Der Contrast zwischen denjenigen des Vaters und des jüngsten Kindes ist
:sehr gross. Die Hände der Weiber aber sind schön und weich.
Die halbblütigen Orang Laut sind geschickte Spitzbuben, namentlich
mit den Zehen. Ich bin um kleine Gegenstände, die auf der Erde lagen,
gekommen, während ich mit einem Manne, Gesicht gegen Gesicht, sprach,
und habe nicht gesehen, dass er sie fortnahm. Ich habe aus dem Augen-
winkel bemerkt, dass die Zehen des P^usses langsam über den begehrten
•Gegenstand hinglitten und ihn beim Weitergehen mit fortschleiften, bis
^er Fuss zu der Hand emporgehoben werden konnte und nun das Stück
mit den Fingern erfasst und verborgen wurde.
[Gang und Haltung.] Ich habe danach getrachtet, einige Daten
*ber den Gang der Orang Hutan zu erhalten, ich finde aber, dass das
kaum möglich ist, aus Gründen, die mit der Veränderung der Umgebung
in Verbindung stehen. In erster Linie ist es sehr selten, einen Mann zu
finden, der frei von Schnitten, Rissen oder Dornstichen ist; denn ihrer
<jrewohnheit nach gehen sie in einem so wilden Lande barfuss, wo Hinder-
nisse und Gefahren durch die dichte Vegetation drohen. Das beeinfiusst
ihren Gang in der einen Hinsicht. Zweitens wirkt die Natur des Dschungels,
in welchem sie unmittelbar vorher einige Wochen lang gewesen sind, auf
ihren Schritt beträchtlich ein. Aus Gewohnheit passen sie ihren Schritt
den Eigenthümlichkeiten des Weges ^n, den sie wandern. Es veranlasst
z. B. ein Weg, wo ringsumher Dornen von den Bäumen und Schlingi)flanzen
gefallen sind, den Mann, behutsam und langsam zu gehen und bei jedem
Schritte einen Augenblick zu zögern, bis er das volle Köri)ergewicht dem
14*
1,
192 H. V. Stevens:
Fusse anvertraut; und diese Art des Auftretens wird aus Gewohnheit, auch
wenn das domige Land verlassen und der Weg wieder glatt und eben
ist, noch einige Tage beibehalten.
Als ich einen Mann einen Tag hindurch beobachtet hatte, da fand
ich, dass er acht verschiedene Arten des Gehens erkennen liess, die sich
nach der Natur des Erdbodens richteten. Und dieser Erdboden unterliegt
in dem Leben der Orang Kutan einem so beständigem Wechsel,* dass ich
in der That nicht weiss, welche dieser Gangarten ich als die für ihn ge-
wöhnlichste erklären soll. Im Gegensatz zu dem Europäer bekommt er
im Allgemeinen wenig oder gar keine flachen und ebenen Wege unter
seine Füsse; er ist an dieselben nicht gewöhnt, und daher würde die
Gangart, welche er auf solch einem Wege annimmt, nicht seiner Durch-
schnitts-Bewegungsart entsprechen, sondern gerade diejenige Gangart sein,
deren er sich am allerwenigsten bedient.
Alle Fussstapfen der Orang Hutan wenden sich nach auswärts, ob-
gleich die der Negritos, ich möchte wohl behaupten, in der Mehrzahl der
Fälle beinahe gerade sind. Bei allen Kassen giebt es in den [gebräuchlichen]
Winkeln eine so grosse Verschiedenheit, dass es unmöglich ist, anzugeben,
welcher Winkel der eigentlich maassgebende ist.
Eines ist aber bei allen Belendas bemerkenswerth: das Niedersetzen
des Fusses wird von dem Mittelfuss aufgefangen. Die Ferse tritt nicht
zuerst auf. Aber in 9 Fällen unter 10 zur Beobachtung gelangenden ist
der Fuss von Dornen, Steinen u. s. w. verletzt, wodurch dann zeitweise
ein mehr oder weniger gekünstelter Gang verursacht wird.
Obgleich der Fuss der Belendas also, wenn er, was sehr selten vor-
kommt, unverletzt ist, beim Gehen horizontal, beinahe platt auf den Boden
aufgesetzt wird, so dass die Ferse und die Zehen ihn gleichzeitig berfihreu,
so sind doch schmerzhafte Stellen, Schnitte und Stiche von Stacheln und
Dornen so beständig vorhanden, dass aus Schonung für den empfindlichen
Theil sich das Aufsetzen des Fusses häufig ändert. Das fortwährende
Vorkommen von Domen, an welchen der Dschungel Ueberfiuss hat, ver-
anlasst den Orang Hutan, den Fuss mit Vorsicht, gleichsam tastend, nieder-
zusetzen und einen Augenblick bei jedem Schritte zu fühlen, bevor das
(»ewicht des Körpers niedergelassen wird, ob irgend etwas Rauhes oder
Scharfes unter dem Fusse liegt. Es giebt im Vergleich mit Thal und
Hügel so wenig flache Wegstrecken und der flache Grund wird von einem
solchen Netzwerk vorspringender Wurzeln überzogen, dass der Gang fast bei
jedem Schritt, je nach den Hindernissen auf dem Wege, verändert wird,
wenn nicht beim Hinaufsteigen auf die Hügel oder beim Hinabgehen die
Zehen oder Hacken in Anspruch «genommen werden.
Es ist also sehr schwierig, von dem Gange der Belendas eine genaue
Beschreibung zu machen. Der Körper wird aufgerichtet und sehr gerade
gehalten, während die ganze Beweiruug von den Knöchelgelenken, den
Anthropologische Bemcrkangen über die Eiogeborcnen von Malacca. 193
Knieen und den Hüften ausgeht. Es findet dabei nur ein sehr unbe-
deutendes, rhythmisches Schwenken der Arme statt.
Wenn ich mich recht erinnere, so schrieb ich Ihnen früher einmal,
-dass ich bergab dem Orang Hutau überlegen bin, da meine mit Eisen
beschlagenen Schuhabsätze meinem Gange Festigkeit geben, dass aber
bergauf die Sache umgekehrt ist.
In ähnlicher Weise kann ich in der flachen Ebene, wo die Engländer
macadamisirte Strassen gemacht haben, einen Orang Hutan nach weniger
als 20 Meilen zum Stillsteheu bringen. In seinem gewohnten Aufent-
halte, dem Walde mit seinen vorspringenden Wurzeln, umgestürzten
Bäumen und sich windenden Schlingpflanzen, überholt er einen Europäer
schnell und ist viel elastischer in den Hüften und Enieen.
Laufen thut er kaum jemals und dann auch nur wenige Meter weit;
seine Lebensweise fordert das nicht und er hat auch keinen Platz dazu,
wo er das lernen könnte.
[In Bezug auf die Kraft und die Ausdauer beim Wandern]
stehen die wilden Panggang in erster Linie; dann kommen die Djäkun, die
zahmen Semang, die Belendas und zuletzt die durch Krankheit ge-
schwächten Temiä.
Die Arme werden beim Gehen nicht geschwungen; eine Hand führt
gewöhnlich den Sumpitan [Blasrohr] und die andere ist mit dem Paraug
[Schwert] bewaffnet und stets in Bereitschaft, einem dornigen Rotan oder
einem Hinderniss, das unter den Blättern halb verborgen ist, und unter
welchen sich der Pfad des Sakai hinzieht, einen schnellen Hieb zu ver-
setzen. Diese Gewohnheit ist durch ihr langes Portbestehen so zu seiner
zweiten Natur geworden, dass, auch wenn er ohne Waflfe in einer oflPenon
Gegend geht, die Arme in der gewohnten Stellung gehalten werden. Es
ist schwer zu sagen, welches die gewöhnliche Haltung des Kopfes ist.
Da der Orang Hutan einen grossen Theil seines Lebens damit zu-
bringt, sich durch die leichten Stämme des Unterholzes hindurchzuwindeu,
<len Zweigen auszuweichen u. s. w., so ist sein Kopf in fortwährender Be-
wegung. Während seiner Mussestunden, im Quartier z. B., sind alle seine
Sinne auf der Wacht nach irgend einem Ton der Gefahr oder nach dem
Herannahen eines Thieres, das als Nahrung gebraucht werden könnte;
<leshalb ist der Kopf erhoben, mehr als er es sonst sein würde. Da die
grossen Bäume alle rund sind und in ihren Zweigen sich Vögel und Affen
darbieten können, so wird der Kopf gewöhnlich soweit erhoben gehalten,
dass der Mann fähig ist, seine Augen schnell in jene Richtung zu bringen.
Eine horizontale Linie von dem Meatus auditorius würde genau den
unteren Theil des Kinnes treflfen. Dieses passt auf alle Rassen; man sieht
es aber nur, wenn der Orang Hutan frei in seinem eigenen Heim ist.
Wenn der gewöhnliche europäische Beamte oder Reisende eine Anzahl
von Sakai zur Besichtigung zusammengerufen hat, so wird der Kopf
194 H. V. Stbvens:
gesenkt gehalten, wie eingeschüchterte und furchtsame Kinder das zir
thun pflegen, und nur die Augen sind wachsam und lebhaft.
Genau ebenso schwierig ist die Frage zu beantworten, was die gewöhn-
liche Haltung der Handfläche anbetrifft, ob sie nach vom, nach hinten
oder seitwärts gerichtet ist. Eine oder auch beide Hände sind bei den
Männern und Kindern durch die Waffe oder das Werkzeug, bei den
Weibern durch die Nahrung so beständig in Anspruch genommen, während
durch die andere stets die Augen Tor Blättern und Zweigen geschützt
werden müssen, dass sie sehr selten in Kühe sind. Soweit ich aber die
ruhige Haltung der Handfläche haben beobachten können, war sie bei den
Belendas, Djakun und Temiä nach hinten gerichtet, bei den Xegrito»
aber seitwärts, gegen das Bein oder ein wenig nach yorn.
Die Kinder der Drang Laut werden am Lande sehr bald müde und
gehen mit nach auswärts gebogenen Beinen; die Halbblütigen sind gerader
und stärker.
[Aber auch] die erwachsenen Orang Laut ermüden sehr leicht beim
Oehen, und der Gang dieses ganzen Volkes ist in der That sehr nu-
geschickt auf dem Lande, weil sie so viel zusammengekauert in den
kleinen Booten hocken; man kann sie augenblicklich an demselben er-
kennen.
(Die wilden Stämme kennen einen besonderen Dämon (Hantu) der
Ermüdung. *)J
Die Semang sind schlechte Läufer, aber sie sind wie die Aale oder
Schlangen, wenn es sich darum handelt, durch morastigen Sumpf oder
durch dichten Wald hindurch zu kommen. Ihre kleinen Körper sind sehr
geschmeidig und biegsam. Sie übertreffen hierin die Belendas, obgleich
die letzteren bessere Buschmänner sind, wenn es darauf ankommt, im un-
bekannten Walde von einem Punkte nach einem anderen zu gehen. Unter
den Büschen sind sie aber besser als die Belendas, und im liangrove-
Walde, dem allergefährlichsten Keisegebiete, welches es überhaupt giebt
springen sie, über meine ängstliche Vorsicht lachend, von Wurzel zu
Wurzel mit derselben Vorsicht, wie die Eidechsen selbst.
[Die grossen Fussstapfen.*)] [In einem Briefe schreibt Stevens:)
Solch ein Spass! Ich habe die Leute mit den meterlangen Füssen
schliesslich doch ausfindig gemacht! Ich war neugierig, in Erfahrung zu
bringen, ob die ^ciapoden des Plinius, welche sich dadurch vor den
Sonnenstrahlen schützten, dass sie sich auf den Rücken legten und ihre
grossen Füsse emporhielten, wirkliche Menschen wären, die durch die
Natur des Landes gezwungen waren, dieses mit derartigen Mitteln zu
durchschreiten.
1 Orünwodel 1. S. 186.
2 Gränwedel 1. S. 82.
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 195
Apollonius von Tyana schrieb in Uebereinstinimung mit seinem
Biographen Philostratus, dass diese mit ungehem*en Füssen versehenen
Leute in Indien leben, und im British Museum giebt es eine illuminirte
Manuscript - Copie der Werke des geographischen Schriftstellers imd
Reisenden Sir John Mandeville, wo einer dieser mit Sonnenschirm-
Küssen behafteten Herren gerade in jener Stellung, aber nur mit einem
Beine, abgemalt ist.
Es mag sein, dass, da Indien unzweifelhaft vielerlei Berührungen
mit den Malayen und der Halbinsel hatte, noch viele der alten Geschichten,
Mythen und Dämonen - Attribute in halbvergessener üeberlieferung
schlummern. Und vielleicht ist auch die Erzählung von einer Rasse von
wilden, schwarzen, aflfenähnlichen Menschen mit ungeheuren, meterlangen
Füssen, welche noch in den einsamen und gemiedenen Tiefen des niedrig
liegenden, sumpfigen und schwammigen Landes südlich von Pahang auf
der Ostseite existiren sollen, ein alter indischer Aberglaube. Es ist das der
einzige Platz, wie ich vor längerer Zeit berichtete, wo ihre Pussspuren
wirklich gesehen worden sind. Ich hatte in meinem früheren Berichte
angegeben, dass Männer mir erklärt hatten, dass sie wirkliche Fussstapfen
in dem Sumpfe der dunkelsten und am wenigsten besuchten Tiefen des
beinahe unzugänglichen Dschungel, der diesen Landestheil bedeckt, ge-
sehen hätten.
Da die Stellen stets beim zufälligen Umherwandem in dieser mi-
angenehmen und gefahrlichen Gegend (gefährlich auch wegen der ver-
rätherischen Natur des weichen, schwarzen, nassen Sumpfbodens) gefunden
wurden, mir dann durch die Beobachter aber niemals wieder gezeigt werden
konnten, so wusste ich nicht, ob ich an die Existenz solcher Fussspuren
glauben sollte oder nicht, obgleich ich selbstverständlich nicht glaubte, dass
sie von einem menschlichen Fusse herrührten.
Es hat aber den Anschein, als ob meine Berichterstatter in ihrer Be-
hauptung, dass sie die Spuren gesehen hätten, vollkommen zuverlässig
waren, und auch in der Angabe, dass diese Spuren hinterher wieder ver-
schwinden. Das letztere wird, wie ich durch einen angestellten Versuch
herausfand, durch die zähe, pechartige Beschaffenheit des Schlammes ver-
ursacht, welcher die Eindrücke, die man in ihn macht, in wenigen Stunden
wieder ausfüllt.
Sie werden sich erinnern, dass ich ein Paar Stelzen von den
Benar auf der Ostseite von Johore geschickt habe und dass ich dabei
bemerkte, dass die Männer, welche diese Stelzen zum üeberschreiten von
Stellen mit domigem Pflanzenwuchs benutzen, sich vor den Malayen in
einen niedrig liegenden, ungesunden und sumpfigen Theil des Landes
zurückgezogen haben, wohin ihnen zu folgen die Malayen keine Neigung
verspürten. Ich schrieb auch von der grossen Tiefe des Flusses, in
welchem die „Jappar"-Fische waren, und von der Gefahr, in den sich weit
196 H. V. STSVEN5:
von seinen Ufern aus erstreckenden weichen, schwarzen Boden einzusinken.
Nun, es hat sich herausgestellt, dass die Leute mit den meterlangen Füssen
diese selben östlichen Djäkun sind. Das schlechte Land erstreckt sich un-
regelmässig nordwärts bis gegen Pahung hin, and die Johore-Djakun,
welche allein seine Schlupfwinkel und Untiefen kennen, die Ton allen
anderen gemieden werden, gehen zuweilen, um zu jagen oder um Dschungel-
Producte zu suchen, nordwärts wegen der dort Yorkommenden Prodncte,
die sie austauschen, verkaufen oder selber gebrauchen. Das geschieht
aber nur in der Zwischenzeit zwischen dem Reifen einer Reisemte und
dem Anpflanzen einer anderen, wo die Leute freie Zeit zum Herum-
wandern finden; und das stimmt mit der Behauptung der Malayen voll-
ständig aberein, dass die Männer mit den grossen Füssen, die sie niemals
selber gesehen haben, nur in gewissen Zwischenräumen erscheinen.
Um über die höchst gefahrlichen und verrätherischen Stellen sicher
hinübergehen zu können (die, ohne sich dem Auge bemerklich zu machen,
den auftretenden Fuss einsinken lassen würden, wie Triebsand in anderen
Ländern, oder wie der ziemlich ähnliche faulige Erdboden Anstraliena» der
genau so, wie der feste und harte Grasboden in der Umgebung aussieht, aber
Pferd und Reiter augenblicklich bis zu den Satteltaschen einsinken lässt),
bindet sich der Benar unter die Fusssohlen ein B'rtam-Palmenblatt, oder
auch zwei, die, doppelt zusammengefaltet, eine Länge von *i bis 3 Fuss
haben und etwas breiter, als die Fusssohle sind. So bewahrt er sich wie
mit einer Art von Schneeschuh vor dem Einsinken, wenn er eine gefährliche
Stelle passirt. Hat er dieselbe überschritten, so wirft er die ^Schuhe*
fort da andere sehr leicht wieder herzustellen sind. Das sind die meter-
langen Füsse, welche nur in dem Schlamme gesehen werden und von den
eingeborenen Beobachtern selbstverständlich niemals genau geprüft worden
sind, da der Abdruck sich ja auf dem Schlamme befindet, der von einem,
der nicht besonders hierauf vorbereitet ist, nicht sicher überschritten
werden kann. Und dann verschwindet der Abdruck von selbst wieder
dadurch, dass sich die Oberfläche des Sumpfes von selbst wieder glättet.
Das hat mich oft veranlasst zu schwören, dass der unglückliche Malaje,
der sich die Mühe gab, mir die Stelle zu zeigen, wo er die Spuren ge-
sehen zu haben behauptete, ein Lügner erster Klasse sei.
Da diese Fussbekleidung aus dem Blatte lose gemacht ist, und die
Hlattrippen beim Trocknen herausfallen und das Ganze seine Form ver-
lieren würde, so kann ich keine Muster einsenden. Der lange Blattstiel
wird rückwärts und dann wieder vorwärts u. s. w. so viele Male geb<^n.
als das Blatt es gestattet, und eine oder zwei Blattrippen werden schnell
wie eine Schnur zusammengerollt, um das Ganze zusammenzuhalten. Zwei
oder drei Blattrippen wenlen zu einer Art Seil zusammengedreht, von
einer Seite zur anderen Ober den Spann gezogen und auf der anderen
Seite an der Mittelrippe de« ttMdl angebunden, und zwnr so, dass eine
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 197
Biegung der Mittelrippe zwischen der grossen und der zweiten Zehe
hindurchgeht, ähnlich wie der hölzerne Pflock der im Osten gebräuchlichen
Sandalen.
Ich war im Gespräche mit den östlichen Benar über diese Geschichte
von den Männern mit den grossen Füssen, und nach einiger Zeit be-
gannen sie im Flüsterton mit einander zu sprechen. Darauf erhob sicli
einer der jüngeren Männer, ging fort und holte einige B'rtam-Blätter.
Die anderen sammelten sich um ihn, während er die Blätter schnell in
die richtige Form und Gestalt brachte und sich dann zu einer in der
Nähe befindlichen sumpfigen Stelle begab, üeber diese ging er, oder
schaufelte er vielmehr, hinweg, während die anderen bei mir blieben und
meine Aufmerksamkeit auf diesen Vorgang lenkten.
Binterher schienen sie sehr belustigt darüber zu sein, dass sich der
weisse Mann ebenso gut hatte anführen lassen, wie die Malayen; denn es
war ihnen bekannt, dass diese Fussspuren von den letzteren für die
irgend eines Hantu [Gespenstes] gehalten werden. Aber ich vereinigte
mich mit ihnen in dem Lachen über mich selbst, und ich hatte nun
wenigstens die Erklärung für etwas, was mich lange Zeit in Verlegenheit
gesetzt hatte.
[Orientirungsfähigkeit.] Die Geschichten, welche von der Ge-
schicklichkeit der wilden Männer erzählt werden, die ihren Weg von
einem Punkte zum anderen durch pfadlose Wälder finden, sind oft über-
trieben. Ich habe selber von der Leichtigkeit gesprochen, mit welcher
die Orang Hutan eine Reise von einigen Tagen in irgend einer beliebigen
Richtung machen können, ohne sich zu verirren. Obgleich nun unzweifel-
haft durch Uebung sich besondere Eigenschaften entwickeln können und
üeberlieferung auch hierzu beiträgt, so ist doch die Natur des Landes und
seine Configuration derartig beschaffen, dass man sehr bald zu der Er-
fahrung gelangt, dass es ganz unmöglich ist, in gewissen Richtungen weit
fort zu wandern. Die lange schmale Halbinsel senkt sich auf jeder Seite
von der centralen Gebirgskette zu der See herab. Die geologische For-
mation der Oberfläche und die davon abhängige Stufenfolge der Pflanzen-
welt kennzeichnet den Weg in Bezug auf seinen Abstand von der See
und dem Centrum, und von dem Rückgrat der Gebirgskette fliessen un-
zählige Ströme in gleich massiger Richtung zu der See hinunter. Dann
ist noch die Sonne der Hauptführer zur Bestimmung der Richtung. In
dem Bewusstsein, dass der eine Theil des Dschungels ihm ebenso gut
Nahrung liefern wird, als ein anderer, und daher frei von der Besorgniss
des Misslingens, dringt der Dschungel -Mann kühn in das dunkle, ver-
wickelte Wirrsal des Blätterwerks hinein, in dem Vertrauen, soweit zum
Ziele zu kommen, dass. er nach kurzem Herumspäheu irgend eine ein-
heimische Fährte oder ein anderes Zeichen finden wird, das ihn an die
198 H. V. Stevens:
gesuchte Stelle führt Um hierzu fähig zu sein, bedarf es keiner un-
gewöhnlichen Begabung.
[Schwimmen.] Der Orang Laut ist ein vortrefflicher Schwimmer.
Er schwimmt, wie der Malaye, auf der Brust, wobei der Körper sich etwas
in seitlicher Lage befindet Er streckt abwechselnd den linken nnd rechten
Arm aus dem Wasser und schlägt sie an die Seite des Körpers zurück,
wie die Speichen eines Rades von seinem Mittelpunkte. Die Handflächen
sind dabei mit geöffneter Hand nach rückwärts gerichtet und mit den
Beinen stöest er bei jeder Bewegung des Körpers aus, wie ein Frosch.
Die Kinder schwimmen, noch bevor sie gehen können, ebenso gut. Die
Orang Laut sind auch ausgezeichnete Taucher.
Die Beleudas schwimmen wenig, und zwar nur, wenn sie einen Fluss
zu kreuzen haben, oder wenn sie sich baden. Sie machen dabei Be-
wegungen, wie die Hunde. Obgleich sie den Malayen nahe [verwandt] sind,
so werfen sie doch die Arme nach vom in einem schwingenden, kreis-
förmigen Schlage heraus, während der Körper nach der dem Schlage
entgegengesetzten Seite sich umdreht Der Brust- oder Seitenschlag, wie
auch das Rückenschwimmen sind unbekannt.
Unter dep Beleudas werden die Sinnoi stets als die besten Schwimmer
betrachtet; das kommt wahrscheinlich daher, dass sie auf dem grossen
Pahangfluss mehr Uebung hatten.
Die Benua schwimmen gut und sind gute Taucher; sie benutzen die
malayische Manier.
Die Tcmiä können nicht schwimmen.
Die Semang sind sehr schlechte Schwimmer, aber ungefähr zwei
Drittel unter ihnen können schwimmen, „keejooije". Im klaren Wasser,
das ihnen nur bis zur Brust reicht, da plätschern sie munter umher. Sie
schwimmen genau auf dieselbe Art, wie die nördlichen Malayen, indem
sie, auf der Brust schwimmend, mit den Händen wie die Hunde paddeln
und die Beine von den Knieen an vertical nach oben ziehen und dann
stark nach unten treten, wobei sie gehörig umherplanschen. In dem tiefen
oder strömenden trüben Wasser haben sie eine abergläubische Angst; sie
fürchten sich, wie ein Kind in der Dunkelheit, da sie nicht wissen, was
,,Kee^ schicken wird, um sie in die Tiefe hinabzuziehen.
[Klettern.] Die Orang Laut klettern, wenn sie an Bäumen in die
Höhe müssen, gut Da die Bäume an der Küste für gewöhnlich von ge-
ringerem Umfang sind, so können sie mit ihren Händen den Stamm bis
über die Hälfte umspannen, und sie gebrauchen ausserdem auch noch die
inneren Randflächen der Füsse zum Hinaufsteigen. Sie scheinen den Ge-
brauch eines um den Baum herumgelegten Seiles oder einer Schlinge
nicht zu kennen. Wenn sie aber einen [stärkeren] Baum zu erklimmen
wünschen, so scheinen sie nicht im Stande zu sein, wie die Orang Hutan
mit Hülfe der Arme und Beine hinaufzuklettern, sondern sie sind go-
Anthropologische Bcmerkangen über die Eingeborenen von Malacca. 199
zwungen, sich eine Leiter zu fertigen. Zu diesem Zweck werden Bambu-
pflöcke in einem Abstände von ungefähr 2 Fuss, einer über dem anderen/
in den Baum hineingetrieben. An die Enden dieser Pflöcke wird eine
Bambus tange gebunden, welche ungefähr 6 Zoll von dem Baume absteht.
Auf diesen Pflöcken, welche wie die Sprossen einer Leiter wirken, steigt
der Mann hinauf und treibt während des Hinaufsteigens neue Pflöcke über
den bereits vorhandenen in den Baum; wenn er das Ende der ange-
bundenen Stange erreicht hat, befestigt er als Fortsetzung derselben eine
zweite senkrecht an ihr u. s. w., bis er die Zweige erreicht. Zum Zu-
sammenbinden wird Rinde benutzt. Die auf diese Weise hergestellte
Leiter lässt man an ihrer Stelle, bis sie zerfällt.
Die Semang sind schlechte Kletterer; ein gewöhnliches deutsches
Schulmädchen würde den besten von ihnen übertrefien. Wenn es darauf
ankommt, einen hohen, geraden Stamm zu ersteigen, so ist der Belendas
der bessere. Der Seman<< ist hoch oben in der Luft nervös, besonders
wenn ein bischen Wind weht. Die Winde sind für ihn die Sendboten
von Krankheiten; er liebt es nicht, in ihrem Bereiche unbeschützt auf
dem Wipfel eines hohen Baumes zu sein.
Das Klettern („Looig") wird je nach seiner Art und Weise mit drei
verschiedenen Namen bezeichnet:
1. „Chidward", wobei der Fuss gerade ist, genau wie die Stellung,
von welcher ich Ihnen eine Photographie eines Belendas schickte.
2. „Tinbom", wobei die Füsse sich mit der inneren Seite der Sohle
anklammem, um auf den Baum hinaufzugehen.
3. „Tee-Nungam", wobei das Seil gebraucht wird, genau wie in Ceylon,
oder wobei die Arme und Beine zugleich den Stamm umfassen, wie eine
Spanner-Raupe oder wie ein europäischer Junge hinaufklimmt. Der Griflf
der Hände heisst „Ma-Cheb".
[Bei einem der eingesendeten Stücke findet sich die Angabe:]
^Nungam", das Seil zum Klettern. Es wird gebraucht, um die Knöchel
zusammenzuf essein, während die innere Seite eines jeden Fusses gegen
den Baum gestemmt ist.
Wenn es sich bei den Belendas um einen kleinen Baum handelt, so
klettern sie wie der Sinnoi, von welchem ich Ihnen eine Photographie
geschickt habe. Ein sehr grosser Baum hat gewöhnlich Schlingpflanzen
und herabhängende Ranken, oder es sind auch Bäume von geringerem
Umfange in seiner Nähe, von deren Aesten sich dann der Orang Hutan
zu dem grösseren hinaufschwingen kann. Er versteht es aber auch, Ein-
kerbungen in die Rinde zu schneiden, um mit ihrer Hülfe in den Wipfel
zu steigen.
Heut zu Tage wird jede Art des Kletterns angewendet, die sie von
den Umwohnenden gelernt haben.
200 H. V. Stevens;
Die älteste Kletter-Methode der Benua ist die, sich das Kopfseil um
die Knöchel zu binden, wie es die Sinhalesen machen.
[Die erhöht angelegten Hütten der Temiä sind mit Hülfe eines schief
gestellten Stammes zugänglich], ähnlich jenem, aber kürzerem, den die
durch Sklaverei und durch die Einfälle der Kowar mit viel Temia-Blut
vermischten Belendas von Kuatan benutzen. Diese gaben als Gnind dafür
an, dass, wenn die Männer von ihren thürlosen Hütten fem sind, die
Hunde und das Geflügel, das sich dort überall herumtreibt, in die Hütten
laufen und dort Unfug anrichten könne.
Bei den Temiä ausschliesslich ist der Grund, die Eindringlinge von
der luftigen Residenz fern zu halten, aber ein viel ernsterer; denn
es handelt sich um den schwarzen Panther und die Python -Schlange.
Deshalb wird ein glatter, schlüpfriger Bambu sorgfältig von allen Hervor-
ragungen an den Knoten befreit und blank polirt und dann in solcher
Weise aufgerichtet, dass die ausgestreckte Hand hier und da einen unter-
stützenden Halt an einem dünnen Zweige oder Stock finden kann (der
aber nicht stark genug sein darf, um das Gewicht des unliebsamen Be-
suchers tragen zu können), damit so die Füsse beim Klettern unterstützt
werden. Das lernen durch Uebung sogar die Weiber und Kinder, so dass
die ersteren mit Wassertöpfen, die Kinder mit Nahrungsmitteln beladen
ohne viele Schwierigkeit auf und absteigen können. Die nackten Füsse
schmiegen sich an die schlüpfrige, glatte Oberfläche des schiefgeneigten
Bambu in einer Weise, welche die abendländischen Stiefel nicht er-
reichen können. Es kommt dabei kein besonderer Griff der Zehen in
Anwendung, und die Zehen der Temiä, besonders die grosse, sind nicht
stärker zum Greifen entwickelt, als die Zehen anderer Sakai. Sehr
kleine Kinder werden oft stundenlang in diesen luftigen Hütten gelassen,
ihrer eigenen Sicherheit wegen, da sie hier vor der grossen Katze und der
Schlange verbarricadirt und durch die niedere Palissadenwand vor dem
Herabfallen geschützt sind. •
[Werfen.] Wenn der Semang einen Stein wirft, so ist er so un-
geschickt, wie eine Jluropäerin; die Bewegung ist die gleiche, mit der
Schulter, anstatt mit dem Handgelenk und dem Ellenbogen.
Die Orang Laut sind sehr sichere und kräftige Werfer und sie über-
treffen in dieser Beziehung die anderen hier bei Weitem. [Das gilt nicht
nur für Steine, sondern sie sind auch) sehr geübt und geschickt, mit der
Schale einer flachen Muschel, wie z. B. der Perlmutterauster, zu werfen.
Sie halten sie am Rande zwischen einem Finger und dem Daumen, so
dass die Schale nach hinten flach über dem Handgelenke liegt, und
schleudern sie mit einem Ruck auf eine Krabbe oder einen Vogel im
Sande, so dass sie dieselben mit dem scliarfen Rande treffen. Ein Klumpen
liarter Koralle mit einem natürlichen Loch, durch das sie einen aus Weiden
geflochtenen Strick ziehen und zu einem Ringe zusammenbinden, wird
Anthropologischo Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 201
mit Hülfe dieses Strickes mit grosser Kraft und TrefiFsicherheit nach
Krabben am Strande u. s. w. geworfen.
[Körperkraft.] Was die Körperkraft anbetrifft, so habe ich damals
noch keinen Kraftmesser gehabt. Aber wie man einen Affen nicht stark
nennen würde, obgleich er so wunderbar gewandt ist, gerade so verhält
es sich auch mit einem Orang Kutan, [üeber die Ausdauer der ver-
schiedenen Stämme auf der Reise wurde oben schon berichtet.]
[Kraft an strengung,] In Bezug auf die Anstrengung in bestimmter
Richtung scheinen die Orang- Hütan, wie alle Asiaten, allgemein den
Zug derii Stosse vorzuziehen, was nach meiner Meinung eine nothwendige
Folge der hockenden Stellung ist, die sie einzunehmen gewohnt sind.
Ich habe von der Beobachtung gelesen, dass die, im Vergleiche zu den
europäischen umgekehrten Zähne der [indischen] und anderen Sägen ehi
Beweis dafür sind, dass man dem Zuge vor dem Stosse den Vorzug giebt.
Es scheint mir, dass es einen merklichen Grund für diese Richtung der
Anstrengung giebt. Die orientalischen Sägen sind aus einem dünnen Stahl-
blatt gefertigt, das, um ihm Steifheit zu geben, in einen Rahmen eingespannt
ist. Diese angestrebte Steifheit ist aber in der That nur eine relative,
und wenn die Zähne bei schlechter Führung in das Holz eindringen, so
würde dadurch der weiche Stahl aufgelockert werden können, was durch
das Ziehen vermieden wird. Der Körper der Orang Hutan ist zart gebaut
und besitzt nicht die kräftig entwickelten Knochen des abendländischen
Mannes. Indem man nun dem Zuge den Vorzug giebt, vermeidet man die
Gefahr einer Quetschung.
Die Kinder der Belendas kennen das Zug-Kampfspiel, wobei auf jeder
Seite ein oder mehrere Kinder sich an einem Seile hin- und herziehen.
Sie haben das wahrscheinlich von den malayischen Kindern, die man
häufig so spielen sieht. Von den Djakun- Kindern nehmen je zwei ein
Ende eines Rotan- Seiles zwischen die Zähne und ziehen nun, bis der eine
den anderen überwältigt hat; das malayische Zug -Kampfspiel haben
sie nicht
Es machte mir viel Vergnügen, zuzusehen, wie ein kleiner Djakun
eines Tages eine Schaar kleiner Kameraden damit unterhielt, dass er sich
in der wohlbekannten indischen Weise niedersetzte, die Sohlen flach auf
den Boden gestellt, die Beine bis nahe zum Körper aufwärts gezogen und
in den Knieen gebengt den Körper aber bis nahe zur Erde niedergesenkt.
In dieser Stellung wurde ihm ein kleiner Bambustab zwischen die rück-
wärts geschobenen Ellenbogen und den Rücken gesteckt. Dann musste
sich die auf diese Weise zusammengepackte fette kleine Tonne von einem
Jungen nach vorwärts niederbiegen, bis er mit der Stirn den Erdboden
berührte; der Bambu durfte dabei aber nicht aus dem Ellenbogen hinaus-
gleiten. Alle machten den Versuch, aber dieser kleine Kerl war der ge-
übteste und geschmeidigste von allen.
194 H. V. Stbvens:
gesenkt gehalten, wie eingeschüchterte und furchtsame Kinder das zir
thun pflegen, und nur die Augen sind wachsam und lebhaft.
Genau ebenso schwierig ist die Frage zu beantworten, was die gewöhn-
liche Haltung der Handfläche anbetrifft, ob sie nach vom, nach hinten
oder seitwärts gerichtet ist. Eine oder auch beide Hände sind bei den
Männern und Kindern durch die Waffe oder das Werkzeug, bei den
Weibern durch die Nahrung so beständig in Anspruch genommen, während
durch die andere stets die Augen vor Blättern und Zweigen geschützt
werden müssen, dass sie sehr selten in Ruhe sind. Soweit ich aber die
ruhige Haltung der Handfläche haben beobachten können, war sie bei den
Belendas, Djäkun und Temiä nach hinten gerichtet, bei den Xegrito»
aber seitwärts, gegen das Bein oder ein wenig nach vorn.
Die Kinder der Orang Laut werden am Lande sehr bald müde und
gehen mit nach auswärts gebogenen Beinen; die Halbblütigen sind gerader
und stärker.
[Aber auch] die erwachsenen Orang Laut ermüden sehr leicht beim
Gehen, und der Gang dieses ganzen Volkes ist in der That sehr un-
geschickt auf dem Lande, weil sie so viel zusammengekauert in den
kleinen Booten hocken; man kann sie augenblicklieh an demselben er-
kennen.
[Die wilden Stämme kennen einen besonderen Dämon (Hantu) der
Ermüdung. *)J
Die Semang sind schlechte Läufer, aber sie sind wie die Aale oder
Schlangen, wenn es sich darum handelt, durch morastigen Sumpf oder
durch dichten Wald hindurch zu kommen. Ihre kleinen Körper sind sehr
geschmeidig und biegsam. Sie übertreffen hierin die Belendas, obgleich
die letzteren bessere Buschmänner sind, wenn es darauf ankommt, im un-
bekannten Walde von einem Punkte nach einem anderen zu gehen. Unter
den Büschen sind sie aber besser als die Belendas, und im Mangrove^
Walde, dem all ergefährlichsten Keisegebiete, welches es überhaupt giebt
springen sie, über meine ängstliche Vorsicht lachend, von Wurzel zu
Wurzel mit derselben Vorsicht» wie die Eidechsen selbst.
[Die grossen Pussstapfen.')] [In einem Briefe schreibt Stevens:]
Solch ein Spass! Ich habe die Leute mit den meterlangen Püssen
Kchliesslich doch ausfindig gemacht! Ich war neugierig, in Erfahrung zu
bringen, ob die ^ciapoden des Plinius, welche sich dadurch vor den
Sonnenstrahlen schützten, dass sie sich auf den Kücken legten und ihre
grossen Püsae emporhielten, wirkliche Menschen wären, die durch die
Natur des Landes gezwungen waren, dieses mit derartigen Mitteln zu
durchschreiten.
V Grünwcdel 1. S. 136.
2 Grfinwedel 1. S. 82.
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 195
Apolloiiius von Tyana schrieb in Uebereinstinimung mit seinem
Biographen Philostratus, dass diese mit ungeheuren Füssen versehenen
Leute in Indien leben, und im British Museum giebt es eine illuminirte
Manuscript - Copie der Werke des geographischen Schriftstellers imd
Reisenden Sir John Handeville, wo einer dieser mit Sonnenschirm-
Füssen behafteten Herren gerade in jener Stellung, aber nur mit einem
Beine, abgemalt ist.
Es mag sein, dass, da Indien unzweifelhaft vielerlei Berührungen
mit den Malayen und der Halbinsel hatte, noch viele der alten Geschichten,
Mythen und Dämonen - Attribute in halbvergessener Ueberlieferung
ächlummem. Und vielleicht ist auch die Erzählung von einer Rasse von
wilden, schwarzen, affenähnlichen Menschen mit ungeheuren, meterlangen
Füssen, welche noch in den einsamen und gemiedenen Tiefen des niedrig
liegenden, sumpfigen und schwammigen Landes südlich von Pahang auf
der Ostseite existiren sollen, ein alter indischer Aberglaube. Es ist das der
einzige Platz, wie ich vor längerer Zeit berichtete, wo ihre Fussspuren
wirklich gesehen worden sind. Ich hatte in meinem früheren Berichte
angegeben, dass Männer mir erklärt hatten, dass sie wirkliche Fussstapfen
in dem Sumpfe der dunkelsten und am wenigsten besuchten Tiefen des
beinahe unzugänglichen Dschungel, der diesen Landestheil bedeckt, ge-
sehen hätten.
Da die Stellen stets beim zuföUigen Umherwandem in dieser un-
angenehmen und gefährlichen Gegend (gefährlich auch wegen der ver-
rätherischen Natur des weichen, schwarzen, nassen Sumpfbodens) gefunden
wurden, mir dann durch die Beobachter aber niemals wieder gezeigt werden
konnten, so wusste ich nicht, ob ich an die Existenz solcher Fussspuren
glauben sollte oder nicht, obgleich ich selbstverständlich nicht glaubte, dass
sie von einem menschlichen Fusse herrührten.
Es hat aber den Anschein, als ob meine Berichterstatter in ihrer Be-
hauptung, dass sie die Spuren gesehen hätten, vollkommen zuverlässig
waren, und auch in der Angabe, dass diese Spuren hinterher wieder ver-
schwinden. Das letztere wird, wie ich durch einen angestellten Versuch
herausfand, durch die zähe, pechartige Beschaffenheit des Schlammes ver-
ursacht, welcher die Eindrücke, die man in ihn macht, in wenigen Stunden
wieder ausfüllt.
Sie werden sich erinnern, dass ich ein Paar Stelzen von den
Benar auf der Ostseite von Johore geschickt habe und dass ich dabei
bemerkte, dass die Männer, welche diese Stelzen zum Ueberschreiten von
Stellen mit domigem Pflanzenwuchs benutzen, sich vor den Malayen in
einen niedrig liegenden, ungesunden und sumpfigen Theil des Landes
zurückgezogen haben, wohin ihnen zu folgen die Malayen keine Neigimg
verspürten. Ich schrieb auch von der grossen Tiefe des Flusses, in
welchem die „Jappar"-Fische waren, und von der Gefahr, in den sich weit
196 H. V. 8TEVEN5;
von seinen Ufern aus erstreckenden weichen, schwarzen Boden einzusinken.
Nun, es hat sich herausgestellt, dass die Leute mit den meterlangen Füssen
diese selben östlichen Djäkun sind. Das schlechte Land erstreckt sich nn-
regelmässig nordwärts bis gegen Pahang hin, und die Johore- Djäkun,
welche allein seiue Schlupfwinkel und Untiefen kennen, die von allen
anderen gemieden werden, gehen zuweilen, um zu jagen oder um Dschungel-
Producte zu suchen, nordwärts wegen der dort vorkommenden Producte,
die sie austauschen, verkaufen oder selber gebrauchen. Das geschieht
aber nur in der Zwischenzeit zwischen dem Reifen einer Reisemte und
dem Anpflanzen einer anderen, wo die Leute freie Zeit zum Herum-
wandeni finden; und das stimmt mit der Behauptung der Malayen voll-
ständig überein, dass die Männer mit den grossen Füssen, die sie niemals
selber gesehen haben, nur in gewissen Zwischenräumen erscheinen.
Um über die höchst gefährlichen und verrätherischen Stellen sicher
hinübergehen zu können (die, ohne sich dem Auge bemerklich zu machen,
den auftretenden Fuss einsinken lassen würden, wie Triebsand in anderen
Ländern, oder wie der ziemlich ähnliche faulige Erdboden Australiens, der
genau so, wie der feste und harte Grasboden in der Umgebung aussieht, aber
Pferd und Reiter augenblicklich bis zu den Satteltaschen einsinken lässt),
bindet sich der Benar unter die Fusssohlen ein BVtam-Palmenblatt oder
auch zwei, die, doppelt zusammengefaltet, eine Länge von 2 bis 3 Fuss
haben und etwas breiter, als die Fusssohle sind. So bewahrt er sich wie
mit einer Art von Schneeschuh vor dem Einsinken, wenn er eine gefährliche
Stelle passirt. Hat er dieselbe überschritten, so wirft er die „Schuhe*"
fort, da andere sehr leicht wieder herzustellen sind. Das sind die meter-
langen Füsse, welche nur in dem Schlamme gesehen werden und von den
eingeborenen Beobachtern selbstverständlich niemals genau geprüft worden
sind, da der Abdruck sich ja auf dem Schlamme befindet, der von einem,
der nicht besonders hierauf vorbereitet ist, nicht sicher überschritten
werden kann. Und dann verschwindet der Abdruck von selbst wieder
dadurch, dass sich die Oberfläche des Sumpfes von selbst wieder glättet.
Das hat mich oft veranlasst zu schwören, dass der unglückliche Malaye,
der sich die Mühe gab, mir die Stelle zu zeigen, wo er die Spuren ge-
sehen zu haben behauptete, ein Lügner erster Klasse sei.
Da diese Fussbekleidung aus dem Blatte lose gemacht ist, und die
Blattrippen beim Trocknen herausfallen und das Ganze seine Form ver-
lieren würde, so kann ich keine Muster einsenden. Der lange Blattstiel
wird rückwärts und dann wieder vorwärts u. s. w. so viele Male gebogen,
als das Blatt es gestattet, und eine oder zwei Blattrippen werden schnell
wie eine Schnur zusammengerollt, um das Ganze zusammenzuhalten. Zwei
oder drei Blattrippen werden zu einer Art Seil zusammengedreht, von
einer Seite zur anderen über den Spann gezogen und auf der anderen
Seite an der Mittelrippe des Bündels angebunden, und zwar so, dass eine
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen yon Malacca. 197
Biegung der Mittelrippe zwischen der grossen und der zweiten Zehe
hindurchgeht, ähnlich wie der hölzerne Pflock der im Osten gebräuchlichen
Sandalen.
Ich war im Gespräche mit den östlichen Benar über diese Geschichte
TOD den Männern mit den grossen Füssen, und nach einiger Zeit be-
gannen sie im Flüsterton mit einander zu sprechen. Darauf erhob sicJi
einer der jüngeren Männer, ging fort und holte einige B'rtam-Blätter.
Die anderen sammelten sich um ihn, während er die Blätter schnell in
die richtige Form und Gestalt brachte und sich dann zu einer in der
Xähe befindlichen sumpfigen Stelle begab. Ueber diese ging er, oder
schaufelte er vielmehr, hinweg, während die anderen bei mir blieben und
meine Aufmerksamkeit auf diesen Vorgang lenkten.
Hinterher schienen sie sehr belustigt darüber zu sein, dass sich der
weisse Mann ebenso gut hatte anfQhren lassen, wie die Malayen; denn es
war ihnen bekannt, dass diese Fussspuren von den letzteren für die
irgend eines Hantu [Gespenstes] gehalten werden. Aber ich vereinigte
mich mit ihnen in dem Lachen über mich selbst, und ich hatte nun
wenigstens die Erklärung für etwas, was mich lange Zeit in Verlegenheit
gesetzt hatte.
[Orientirungsfähigkeit.] Die Geschichten, welche von der Ge-
schicklichkeit der wilden Männer erzählt werden, die ihren Weg von
einem Punkte zum anderen durch pfadlose Wälder finden, sind oft über-
trieben. Ich habe selber von der Leichtigkeit gesprochen, mit welcher
die Orang Hutan eine Reise von einigen Tagen in irgend einer beliebigen
Richtung machen können, ohne sich zu verirren. Obgleich nun unzweifel-
haft durch Uebung sich besondere Eigenschaften entwickeln können und
üeberlieferung auch hierzu beiträgt, so ist doch die Natur des Landes und
seine Configuration derartig beschaffen, dass man sehr bald zu der Er-
fahrung gelangt, dass es ganz unmöglich ist, in gewissen Richtungen weit
fort zu wandern. Die lange schmale Halbinsel senkt sich auf jeder Seite
von der centralen Gebirgskette zu der See herab. Die geologische For-
mation der Oberfläche und die davon abhängige Stufenfolge der Pflanzen-
welt kennzeichnet den Weg in Bezug auf seinen Abstand von der See
und dem Centrum, und von dem Rückgrat der Gebirgskette fliessen un-
zählige Ströme in gleichmässiger Richtung zu der See hinunter. Daim
ist noch die Sonne der Ilauptführer zur Bestimmung der Richtung. In
dem Bewusstsein, dass der eine Theil des Dschungels ihm ebenso gut
Nahrung liefern wird, als ein anderer, und daher frei von der Besorgniss
des Misslingens, dringt der Dschungel -Mann kühn in das dunkle, ver-
wickelte Wirrsal des Blätterwerks hinein, in dem Vertrauen, soweit zum
Ziele zu kommen, dass, er nach kurzem Herumspähen irgend eine ein-
heimische Fährte oder ein anderes Zeichen finden wird, das ihn an die
198 H. V. Stevens:
gesuchte Stelle führt. Um hierzu fähig zu sein, bedarf es keiner un-
gewöhnlichen Begabung.
[Schwimmen.] Der Orang Laut ist ein vortrefflicher Schwimmer.
Er schwimmt, wie der Malaye, auf der Brust, wobei der Körper sich etwas
in seitlicher Lage befindet. Er streckt abwechselnd den linken und rechten
Arm aus dem Wasser und schlägt sie an die Seite des Körpers zurück,
wie die Speichen eines Rades von seinem Mittelpunkte. Die Handflächen
sind dabei mit geöffneter Hand nach rückwärts gerichtet und mit den
Beinen stöest er bei jeder Bewegung des Körpers aus, wie ein Frosch.
Die Kinder schwimmen, noch bevor sie gehen können, ebenso gut. Die
Orang Laut sind auch ausgezeichnete Taucher.
Die Belendas schwimmen wenig, und zwar nur, wenn sie einen Fluss
zu kreuzen haben, oder wenn sie sich baden. Sie machen dabei Be-
wegungen, wie die Himde. Obgleich sie den Malayen nahe [verwandt] sind,
so werfen sie doch die Arme nach vorn in einem schwingenden, kreis-
förmigen Schlage heraus, während der Körper nach der dem Schlage
entgegengesetzten Seite sich umdreht. Der Brust- oder Seitenschlag, wie
auch das Kückenschwimmen sind unbekannt.
Unter dep Belendas werden die Sinnoi stets als die besten Schwimmer
betrachtet; das kommt wahrscheinlich daher, dass sie auf dem grossen
Pahangfluss mehr Uebung hatten.
Die Benua schwimmen gut und sind gute Taucher; sie benutzen die
malayische Manier.
Die Temiä können nicht schwimmen.
Die Semang sind sehr schlechte Schwimmer, aber ungefähr zwei
Drittel unter ihnen können schwimmen, „keejooije". Im klaren Wasser,
das ihnen nur bis zur Brust reicht, da plätschern sie munter umher. Sie
schwimmen genau auf dieselbe Art, wie die nördlichen Malayen, indem
sie, auf der Brust schwimmend, mit den Händen wie die Hunde paddeln
und die Beine von den Knieen an vertical nach oben ziehen und dann
stark nach unten treten, wobei sie gehörig umherplansehen. In dem tiefen
oder strömenden trüben Wasser haben sie eine abergläubische Angst; sie
fürchten sich, wie ein Kind in der Dunkelheit, da sie nicht wissen, was
„Kee" schicken wird, um sie in die Tiefe hinabzuziehen.
[Klettern.] Die Orang Laut klettern, wenn sie an Bäumen in die
Höhe müssen, gut. Da die Bänme an der Küste für gewöhnlich von ge-
ringerem Umfang sind, so können sie mit ihren Händen den Stamm bis
ü))er die Hälfte umspannen, und sie gebrauchen ausserdem auch noch <iie
inneren Randflächen der Füsse zum Hinaufsteigen. Sie scheinen den Ge-
brauch eines nm den Baum herumgelegten Seiles oder einer Schlinge
nicht zu kennen. Wenn sie aber einen [stärkeren] Baum zu erklimmen
wünschen, so scheinen sie nicht im Stande zu sein, wie die Orang Hutan
mit Hülfe der Arme und Beine hinaufzuklettern, sondern sie sind ge-
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 199
zwuDgen, sich eine Leiter zu fertigen. Zu diesem Zweck werdeu Bambu-
pflöcke in einem Abstände von ungefähr 2 Fuss, einer über dem anderen/
in den Baum hineingetrieben. An die Enden dieser Pflöcke wird eine
Bambustange gebunden, welche ungefähr 6 Zoll von dem Baume absteht.
Auf diesen Pflöcken, welche wie die Sprossen einer Leiter wirken, steigt
der Mann hinauf und treibt während des Hinaufsteigens neue Pflöcke über
den bereits vorhandenen in den Baum; wenn er das Ende der ange-
bundenen Stange erreicht hat, befestigt er als Fortsetzung derselben eine
zweite senkrecht an ihr u. s. w., bis er die "Zweige erreicht. Zum Zu-
sammenbinden wird Rinde benutzt. Die auf diese Weise hergestellte
Leiter lässt man an ihrer Stelle, bis sie zerfällt.
Die Semang sind schlechte Kletterer; ein gewöhnliches deutsches
Schulmädchen würde den besten von ihnen übertreffen. Wenn es darauf
ankommt, einen hohen, geraden Stamm zu ersteigen, so ist der Belendas
der bessere. Der Seman<2: ist hoch oben in der Luft nervös, besonders
wenn ein bischen Wind weht. Die Winde sind für ihn die Sendboten
von Krankheiten; er liebt es nicht, in ihrem Bereiche unbeschützt auf
dem Wipfel eines hohen Baumes zu sein.
Das Klettern („Looig") wird je nach seiner Art und Weise mit drei
verschiedenen Namen bezeichnet:
1. „Chidward", wobei der Fuss gerade ist, genau wie die Stellung,
von welcher ich Ihnen eine Photographie eines Belendas schickte.
2. „Tinboni", wobei die Füsse sich mit der inneren Seite der Sohle
anklammem, um auf den Baum hinaufzugehen.
3. „Tee-Nungarn", wobei das Seil gebraucht wird, genau wie in Ceylon,
oder wobei die Arme und Beine zugleich den Stamm umfassen, wie eine
Spanner-Raupe oder wie ein europäischer Junge hinaufklimmt. Der Griff
der Hände heisst ,,Ma-Cheb".
[Bei einem der eingesendeten Stücke findet sich die Angabe:]
„Nungam", das Seil zum Klettern. Es wird gebraucht, um die Knöchel
zusammenzufesseln, während die innere Seite eines jeden Fusses gegen
den Baum gestemmt ist.
Wenn es sich bei den Belendas um einen kleinen Baum handelt, so
klettern sie wie der Sinnoi, von welchem ich Ihnen eine Photographie
geschickt habe. Ein sehr grosser Baum hat gewöhnlich Schlingpflanzen
und herabhängende Ranken, oder es sind auch Bäume von geringerem
Umfange in seiner Nähe, von deren Aesten sich dann der Orang Hutan
zu dem grösseren hinaufschwingen kann. Er versteht es aber auch, Ein-
kerbungen in die Rinde zu schneiden, um mit ihrer Hülfe in den Wipfel
zu steigen.
Heut zu Tage wird jede Art des Kletterns angewendet, die sie von
den Umwohnenden gelernt haben.
200 H. V. Stevens:
Die älteste Kletter-Methode der Benua ist die, sich das Eopfseil um
die Knöchel zu binden, wie es die Sinhalesen machen.
[Die erhöht angelegten Hütten der Temiä sind mit Hülfe eines schief
gestellten Stammes zugänglich], ähnlich jenem, aber kürzerem, den die
durch Sklaverei und durch die Einfälle der Kowar mit viel Temia-Blut
vermischten Belendas von Euatan benutzen. Diese gaben als Grund dafür
an, dass, wenn die Männer von ihren thürlosen Hütten fern sind, die
Hunde und das Geflügel, das sich dort überall herumtreibt, in die Hütten
laufen und dort Unfug anrichten könne.
Bei den Temiä ausschliesslich ist der Grund, die Eindringlinge von
der luftigen Residenz fern zu halten, aber ein viel ernsterer; denn
es handelt sich um den schwarzen Panther und die Python -Schlange.
Deshalb wird ein glatter, schlüpfriger Bambu sorgfältig von allen Hervor-
ragungen an den Knoten befreit und blank polirt und dann in solcher
Weise aufgerichtet, dass die ausgestreckte Hand hier und da einen unter-
stützenden Halt an einem dünnen Zweige oder Stock finden kann (der
aber nicht stark genug sein darf, um das Gewicht des unliebsamen Be-
suchers tragen zu können), damit so die Füsse beim Klettern unterstützt
werden. Das lernen durch Uebung sogar die Weiber und Kinder, so dass
die ersteren mit Wassertöpfen, die Kinder mit Nahrungsmitteln beladen
ohne viele Schwierigkeit auf und absteigen können. Die nackten Füsse
schmiegen sich an die schlüpfrige, glatte Oberfläche des schiefgeneigten
Bambu in einer Weise, welche die abendländischen Stiefel nicht er-
reichen können. Es kommt dabei kein besonderer Griff der Zehen in
Anwendung, und die Zehen der Temiä, besonders die grosse, sind nicht
stärker zum Greifen entwickelt, als die Zehen anderer Snkai. Sehr
kleine Kinder werden oft stundenlang in diesen luftigen Hütten gelassen,
ihrer eigenen Sicherheit wegen, da sie hier vor der grossen Katze und der
Schlange verbarricadirt und durch die niedere Palissadenwand vor dem
Herabfallen geschützt sind.
[Werfen.] Wenn der Semang einen Stein wirft, so ist er so un-
geschickt, wie eine Europäerin; die Bewegung ist die gleiche, mit der
Schulter, anstatt mit dem Handgelenk und dem Ellenbogen.
Die Orang Laut sind sehr sichere und kräftige Werfer und sie über-
treffen in dieser Beziehung die anderen hier bei Weitem. [Das gilt nicht
nur für Steine, sondern sie sind auch) sehr geübt und geschickt, mit der
Schale einer flachen Muschel, wie z. B. der Perlmutterauster, zu werfen.
Sie halten sie am Rande zwischen einem Finger und dem Daumen, so
dass die Schale nach hinten flach über dem Handgelenke liegt, und
schleudern sie mit einem Ruck auf eine Krabbe oder einen Vogel im
Sande, so dass sie dieselben mit dem scharfen Rande treffen. Ein Klumpen
harter Koralle mit einem natürlichen Loch, dnrch das sie einen aus Weiden
geflochtenen Strick ziehen und zu einem Ringe zusammenbinden, wird
Anthropologische Bemcrkungeu über die Eingeborenen von Malacca. 201
mit Hülfe dieses Strickes mit grosser Kraft und Treffsicherheit nach
Krabben am Strande u. s. w. geworfen.
[Körperkraft.] Was die Körperkraft anbetiifft, so habe ich damak
noch keinen Kraftmesser gehabt. Aber wie man einen Affen nicht stark
nennen würde, obgleich er so wunderbar gewandt ist, gerade so verhält
es sieh auch mit einem Orang Kutan, [üeber die Ausdauer der ver-
schiedenen Stämme auf der Reise wurde oben schon berichtet.]
[Kraftanstrengung,] In Bezug auf die Anstrengung in bestimmter
Richtung scheinen die Orang-Hutan, wie alle Asiaten, allgemein den
Zug dem Stosse vorzuziehen, was nach meiner Meinung eine nothwendige
Folge der hockenden Stellung ist, die sie einzunehmen gewohnt sind.
Ich habe von der Beobachtung gelesen, dass die, im Vergleiche zu den
europäischen umgekehrten Zähne der [indischen] und anderen Sägen ehi
Beweis dafür sind, dass man dem Zuge vor dem Stosse den Vorzug giebt.
£s scheint mir, dass es einen merklichen Grund für diese Richtung der
Anstrengung giebt. Die orientalischen Sägen sind aus einem dünnen Stahl-
blatt gefertigt, das^ um ihm Steifheit zu geben, in einen Rahmen eingespannt
ist. Diese angestrebte Steifheit ist aber in der That nur eine relative,
und wenn die Zähne bei schlechter Führung in das Holz eindringen, so
würde dadurch der weiche Stahl aufgelockert werden können, was durch
das Ziehen vermieden wird. Der Körper der Orang Hutan ist zart gebaut
und besitzt nicht die kräftig entwickelten Knochen des abendländischen
Mannes. Indem man nun dem Zuge den Vorzug giebt, vermeidet man die
Gefahr einer Quetschung.
Die Kinder der Belendas kennen das Zug-Kampfspiel, wobei auf jeder
Seite eiu oder mehrere Kinder sich an einem Seile hin- und herziehen.
Sie haben das wahrscheinlich von den malayischen Kindern, die man
häufig so spielen sieht. Von den Djäkun-Kindem nehmen je zwei ein
Ende eines Rotan-Seiles zwischen die Zähne und ziehen nun, bis der eine
den anderen überwältigt hat; das malayische Zug- Kampfspiel haben
sie nicht.
Es machte mir viel Vergnügen, zuzusehen, wie ein kleiner Djakun
eines Tages eine Schaar kleiner Kameraden damit unterhielt, dass er sich
in der wohlbekannten indischen Weise niedersetzte, die Sohlen flach auf
den Boden gestellt, die Beine bis nahe zum Körper aufwärts gezogen und
in den Knieen gebeugt, den Körper aber bis nahe zur Erde niedergesenkt.
In dieser Stellung wurde ihm ein kleiner Bambustab zwischen die rück-
wärts geschobenen Ellenbogen und den Rücken gesteckt. Dann musste
sich die auf diese Weise zusammengepackte fette kleine Tonne von einem
Jungen nach vorwärts niederbiegen, bis er mit der Stirn den Erdboden
berührte; der Bambu durfte dabei aber nicht aus dem Ellenbogen hinaus-
gleiten. Alle machten den Versuch, aber dieser kleine Kerl war der ge-
übteste und geschmeidigste von allen.
202 H. V. Stevkns:
[Die Ertragungsfähigkeit von Hunger und Durst und von
Entziehung des Schlafes.] In dem Dschungel ist immer irgend eine
Art von Nahrung zu erhalten, welche hinreicht, um mindestens den Hunger
zu stillen und das Leben zu erhalten. Es findet sich daher keine Ge-
legenheit, einen Vergleich anzustellen, welche von den beiden Rassen
Hunger und Durst leichter ertragen könne. Einen Versuch, den ich in
dieser Beziehung mit ihnen machen wollte, lehnten sie ganz entschieden
ab. Stets hungrig, sind sie doch niemals länger als höchtsens einen Tag
gänzlich ohne Nahrung.
Was die Ertragungsfähigkeit bei der Entziehung von Nahrung und
von Schlaf anbetrifft, so kann bei Erwachsenen dieselbe Reihenfolge auf-
gestellt werden, wie oben bei der Ermüdung. Aber, wie die Negritos
selber zugeben, leidet das Meuik-Kind mehr unter dem Mangel an Nahrung,
als im Allgemeinen das Bclendas-Eind, und mit diesem können, da die
Unterschiede nur gering sind, die Djäkun und die Temiä auf gleiche Linie
gestellt werden.
[Dass der Hunger als eine Krankheit angesehen wird, die unter Um-
ständen die Schuld tragen kann an Misserfolgen auf der Jagd, berichtete
Stevens früher schon.*)]
[Die Ertragungsfähigkeit von Hitze und Kälte.] Ich habe
nicht beobachtet, dass bei den Rassen irgend eine Verschiedenheit in der
Ertragungsfähigkeit von Hitze existirte, wenn sie einen Tag hindurch auf
der Reise der Sonne ausgesetzt gewesen waren, abgesehen von der
allgemeinen Kraft, der Ermüdung zu widerstehen. [Später heisst es
dann:]
In Bezug auf die Fähigkeit, den Kopf der Soime auszusetzen, haben
in früherer Zeit wahrscheinlich keine grossen Unterschiede bestanden.
Jetzt aber, wo die Belendas schon so lange an die den Malayen entlehnte
Kleidung gewöhnt sind, verursacht ihnen die Abwesenheit einer schützenden
Decke Unbehagen. Ein solches wird jedoch von den Djäkun und den
Menik nicht empfunden. Diese tragen für gewöhnlich nur ein Band, um
das lange Haar in Ordnung zu halten, und in Folge dessen ist ihre Haut
so dauernd an die Sonnenstrahlen gewöhnt, dass sie eine ungewöhnliche
Zunahme der Sonnenhitze kaum empfinden.
Es sind auf der Halbinsel keine bemerkenswertheu Kältegrade beob-
achtet, und wenn wirklich einmal ein Fallen des Thermometers eintritt
so ist das doch niemals von lauger Dauer. Aus diesem Grunde können auch
keine zuverlässigen Angaben über die relative Fähigkeit der verschiedenen
Kassen, Kälte zu ertragen, gemacht werden. Wenn wir als aligemeine
Erscheinung einen nassen, kalten Wind in den höher j^elegenen Gegenden
annehmen, so scheinen die Djäkun weniger von ihm zu leiden, als die
i: Grünwedel 2. S. 131.
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 203
Beleudas, die Fanggang und die Temiä. Dass die zuletzt genannten ein
Sinken der Temperatur mehr empfinden sollten, ah die anderen, würde
meiner Meinung nach ihrer schwächeren Constitution zuzuschreiben sein.
Der Djäkun scheint seine Stellung auf der Stufenleiter der relativen Derb-
heit der physischen und geistigen Faser seiner zu etwas grösserer Wild-
heit neigenden Natur zu verdanken.
Uebrigens betrieb er lange Zeit einen rohen, aber beständigen Acker-
bau, cultivirte Reis und Knollen, verzehrte aber auch viel häufiger und
mehr Fische als die anderen. Die Negritos können in wilde und zahme
eingetheilt werden. Die ersteren haben eine nur wenig abwechselnde
Nahrungszufuhr, da sie keinen Reis oder ein sonstiges, aus der malayischen
Civilisation herrührendes Element besitzen; sie leben hauptsächlich von
Fleisch, da sich die im Dchungel einheimischen Früchte nur in Zwischen-
räumen darbieten und die verschiedenen Knollen und Yams ihn nur so
lange beschäftigen, als er sie gräbt und findet. So erhält das Wärme-
bedürfniss ein Gegengewicht in der höher organisirten Natur der Männer,
welche sie der unaufhörlichen Thätigkeit und der kräftigen Bewegun»::
bei dem täglichen Suchen nach Nahrung verdanken; denn der wilde
Fanggang vermag in ganz hervorragendem Maasse solche niedrige Tem-
peratur, wie sie hier gelegentlich einmal vorkommt, mit geringeren Zeichen
des Unbehagens zu ertragen, als der zahme Mann, der dann sogleich fröstelnd
und klappernd sich an einem Feuer zusammenkauert.
Wenn die Fähigkeit, Temperatur- Veränderungen zu widerstehen, von
der vergleichsweise [grösseren] Reichlichkeit und Regelmässigkeit der
Nahrung abhinge, so würden sich von allen die Belendas die geringste
Sorge wegen der Kälte zu machen haben. Aber abgesehen von einer
möglicher Weise geringeren Widerstandsfähigkeit, welche sich bei so
vielen Generationen zu zeigen beginnt, waren sie an Kleider und an
besser schützende Häuser gewöhnt, so dass sie jetzt für jeden Temperatur-
wechsel empfindlicher sind.
[Die Ertragungsfähigkeit für den Schmerz.) Die Belendas
scheinen viel empfindlicher für Sclimerz zu sein, als die Negritos. Die
jüngeren Männer der Belendas haben ein Spiel, welches „Kloopent"*
genannt wird. Dem Namen nach ist es ein Spiel, aber es ist ein Spiel,
das oft bittere Gefühle und böses Blut erzeugt, so hitzig werden die
Streitenden, wenn nicht die älteren Männer dazwischentreten und ver-
anlassen, dass das Spiel aufhört. Es wird namentlich gespielt, wenn sie
Abends mit dem Weibervolke Matten und Körbe flechtend und natürlicher
Weise schwatzend am Feuer sitzen und als Nebenbuhler um die Gunst
eines Mädchens danach trachten, auf den Rivalen Schmach und Unehre
zu häufen, sich selber aber dabei gleichzeitig in der Achtung der Weib(»r
zu erhöhen. Der so harmlos aussehende kleine Streifen von gespaltenem
Rotan, den ich mit anderen Gegenständen sendete, ist das Werkzeug für
204 H. V. Steveks:
die Bethätigung vou vielem verborgenem Groll und Eifersucht; und ob-
gleich ein Fremder, der es versuchte, glauben würde, dass er mittels
dieses dünnen Streifens mit dem einfachen Knoten an seinem aufschlagen-
den Ende keinen schwereren Schlag zufügen könne, als hinreichend wäre,
um eine Fliege zu tödten, so habe ich dennoch bei jedem seiner Hiebe,
wenn die Gegner hitzig geworden waren, Blut fliessen sehen. Der Zeige-
finger versetzt ihm die Kraft; vermittelst durch Uebung erworbenen Kunst-
griffes kann er wie eine kräftige Feder gebraucht werden, was, verbimden
mit einem kräftigen Rückwärtsziehen des Handgelenkes und Armes, die
scharfen Ränder des Rotan wie eine Klinge quer über die Haut schlägt
und sie mit Leichtigkeit durchschneidet. Als ich seine Anwendung im
Ernst verlangt hatte, machte die Kraft des aufschlagenden Knotens, dass
ich mich vor Schmerzen wand. Der Theorie nach soll der scharfe Rand,
welcher von der harten Haut des Rotan durch einfaches Spalten desselben
(«ntsteht, fortgeschabt werden, bevor das Spiel beginnt; aber bei ver-
borgenem Hass oder Eifersucht wird das absichtlich unterlassen.
Wenn das Instrument aus Schnur, anstatt aus Rotan hergestellt wird,
so kann man nicht damit schlagen; es ist die eigen thümli che Starrheit
und gleichzeitige Elasticität des wie eine Feder biegsamen Rotan, welche
die Kraft ermöglicht, die dem Schlage durch den plötzlichen Ruck des
losgelassenen Fingers mitgetheilt wird.
Die Männer sitzen einander gegenüber, mit (selbstverständlich) nackten
Armen. Jeder hat als Vorwand für das Spiel einige Cents oder andere
Einsätze vor sich. Derjenige, welcher den ersten Schlag hat, fragt den
anderen, wie viele Male er die scharf auf den Vorderarm niedergehauenen
Schläge des Rotanstreifens aushalten will und was er vorschlägt, dafür
einzusetzen, dass er den Schlägen ohne aufzuschreien und ohne zu bitten^
dass aufgehört werde (besiegt „genug" rufend), Stand halten werde. Hält
er die verabredete Anzahl der Schläge, ohne zu wanken, voll aus, dann
steckt er des Gegners Einsatz von 10 Cents in die Tasche, den gleichen
Betrag, den er selber gesetzt hatte, und nimmt nun seinerseits den Rotan-
streifen und fordert den anderen auf, die Zahl der Schläge zu nennen,
die er nun aushalten will. Sollte einer, der die Sehläge empföngt, den
Sehmerz nicht mehr ertragen können und „Halt" rufen, so verliert er
seinen Einsatz und wird (was der eigentliche Zweck ist, wenn, wie ge-
wöhnlich, Groll dem Spiele zu Grunde liegt), von seinem Gegner und von
den Zuschauem mit Spott und Hohn überschüttet. Es ist also der Orang-
Hutan-Gebrauch, „eine Lanze zu brechen", gleich dem der mittelalterlichen
Ritter mit der unvermeidlichen .,femme" als Zuschauerin.
Der Ring des Rotanstreifens geht um den kleinen Finger der
schlagenden Hand bis nahe zu seiner Basis an der Mittelhand. Der
Streifen geht von da auf der Innenseite der Finger entlang und kommt
über dem ersten und zweiten herauf, über dem ersten und um ihn herunter
Antbropologisclio Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 205
zurück auf dor Handflächouseite der Pinger zu dem kleinen hinauf, um
jenen herum und auf dem Rücken der Pinger zu dem Zeigefinger, über
und unter jenen, der abwärts gebogen ist und dem Daumen an den Spitzen
der betreffenden Pinger gegenübersteht, so dass der Knoten an dem Endo
des Rotanstreifens zwischen den zusammentreffenden Spitzen des Daumens
und des Zeigefingers gehalten wird. Der zu dem Schlage erhobene Arm
geht in einer Curvo abwärts und einwärts, um den ziehenden Hieb zu
geben, welcher die Haut trennt, und sowie er das thut, lässt dor Daumen
und Zeigefinger den Knoten los. Der Rotan fliegt in Polge seiner
Elasticität von selbst zurück und wickelt sich bis zu der Stelle ab, wo er
zwischen dem Zeigefinger imd Mittelfinger hindurchgeht. Dann wird der
Rotan durch einen nach oben gerichteten leichten Zug vermittelst des Zeige-
fingers plötzlich stramm gezogen und wickelt sich, durch den Zeigefinger be-
schleunigt, von der Hand ab, und durch eine gleichzeitige, schnelle Drehung
des Handgelenkes darin unterstützt, wird der Knoten und die ersten ein
oder zwei Zoll des Rotan mit einem ziehenden Hiebe auf den Arm des
Gegners niedergeschlagen. Es ist sehr schwierig, diese Bewegung zu be-
schreiben; aber gemacht ist sie in einem Augenblick. Sie kennen gewiss
das Spiel, eine Schnur durch eine Kastanie zu ziehen, mit der dann ein
Knabe auf eines anderen Knaben Kastanie, welche vertical hängt, schlägt,
um zu versuchen, sie mit der seinigen zu zerspalten. Das ist das Princip,
aber die Bewegung des Knaben ist ein kreisrunder Schwung des Armes;
der Rotan wird vom Arme und von dem Handgelenk herumgeschwungen
und hierin durch seine eigene Elasticität unterstützt, da er das Bestreben
hat, sich abzuwickeln, und ausserdem durch die dem sich abwickelnden
Rotan von dem Zeigefinger plötzlich gegebene Triebkraft. Das bringt
den Schlag hervor, und der in dem Augenblick straff gegen den Körper
angezogene Arm giebt den ziehenden Hieb des scharfen Randes, der oft
tief in die Haut einschneidet.
Es mag von einigem Interesse sein, wenn ich als Illustrirung für die
Standhaftigkeit der Djäkun von einem erzähle, der, tiefsitzende, fressende
Geschwüre mit verhärteter Umgebung und Schorfen hatte und fieberhafte
Symptome und Erschöpfung zeigte. Ich gab ihm Kupfersulphat (Blaustein)
und Zinkoxyd zu nachfolgendem (iebrauch, unterwies ihn in der Anwendung
und mahnte ihn dringend zur Vorsicht. Da ich aber ein Missverständniss
befürchtete, folgte ich ihm, bald nachdem er mich verlassen hatte, und
kam bei dem Patienten gerade an, als er den Blaustoin anwendete. Das
war sehr reichlich geschehen, da die frühere Vernachlässigung des Ge-
schwürs verhinderte, dass er bald empfunden wurde, so dass die ganze
Oberfläche von ungefähr vier Quadratzoll damit touchirt war. Der Patient
bockte auf [demjenigen] Beine, auf welchem sich vorn das Geschwür befand.
Ich sali die Muskeln des Beines zittern und sich knotig contrahiren in
Polgo des Schmerzes, den er nach wenigen Minuten fühlte; aber keine
Zf?it^rl»rift für KlUiuAu^W. Jahrg. lb'J7. 15
206 U. Y. Stevens: Anthropologische Bemerkungen u. s. w.
Bewegung, nicht ein Ton, auch nicht irgend ein anderes Anzeichen,
ausser einem tieferen Athmen, war zu bemerken. Er fing an, zu mir
in fest abgemessenen Tönen zu sprechen, und als ich bemerkte, dass
das „Ubat" heiss wäre, erwid^erte er ruhig, dass ihm das von dem
„borao" (Doctor) gesagt worden sei. Er hatte eine ganz gehörige Aus-
dauer bewiesen, aber da kein Grund vorlag, dieselbe noch länger auf die
Probe zu stellen, so machte ich ihm eine Morphium -Einspritzung, wofür
er mir sehr dankbar war.
[Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen ist früher') im Zu-
sammenhange geschildert worden.]
[Ueber die Auffassungsgabe der wilden Stämme äussert sieh
Stevens folgendermaassen.]
Der Orang Hutan begreift verhältnissmässig sehr schnell, was ich thue
oder was ich beabsichtige. Wenn ich z. B. den Versuch mache, in meiner
Hütte eine Bequemlichkeit herzurichten, die sie niemals gesehen haben, so
worden die Orang-Hutan, nachdem sie mich einige Minuten lang beobachtet
und eine kurze Zeit mit einander gesprochen haben, mich auffordern, ein
Wenig zu warten. Dann gehen sie in den Dschungel und bringen irgend
etwas herbei, das den Zweck viel besser erfüllt, als die Materialien, denen
ich Form zu geben bemüht war.
Nicht so der Laut. Zuerst stiert er nur stupide, ohne Interesse oder
Yerständniss auf das hin, was ich thue, und dann ist er auch viel zu faul,
um mir zu helfen, selbst wenn ich ihn darum bitten würde, geschweige
denn freiwillig.
1) Uax Bartels 2. Der Ausdruck der Gcmüthsbewegungcn der Orang Hutau von
Malacca. Zeitschrift für Ethnologie. Bd. XXVIII. Verhandlungen der Berliner Anthro-
pologischen Gesellschaft S. 270—272. Berlin 1896.
Besprechungen.
Zeitschrift für Criminal - Anthropologie, Gefängniss - Wissenschaft und
Prostitutionswesen. Berlin 1897, Priber.
In den letzten Jahrzehnten ist der Organisation des Yerhrechers eine vielfache Auf-
merksamkeit gewidmet worden in der Voranssetznng, dass in ihrer Eigenartigkeit der
nrsächh'che Zusammenhang mit einer angeborenen oder innewohnenden Anlage zum
Verbrechen nachzuweisen sei. Die wissenschaftlich unzul&ngliche Art der Beobachtung
und noch mehr die übergrosse, ungerechtfertigte Yerallgemeinemng einzelner Thatsachon
haben aus dem Verbrecher eine besondere Abart seiner Mitmenschen construirt und ihn zum
Gegenstand einer besqnderen anthropologischen Betrachtung gemacht. Indessen hat sich
in der Neuzeit die üeberzeugung immer mehr Bahn gebrochen, dass der Verbrecher in
seiner physischen und sonstigen biologischen Beschaffenheit keine constanten und noch
weniger typische Merkmale darbietet, welche ihn anthropologisch Yon den anderen Menschen,
unter denen er lebt, unterscheiden. Wenn demnach von einer Anthropologie der Ver-
brecher im streng wissenschaftlichen Sinne nicht die Rede sein kann, so ist doch die Zahl
derjenigen, welche diesem Forschungsgebiete ihre ernste Beachtung und Arbeit schenken,
eine 80 ansehnliche und das Beobachtnngsmaterial derartig ausgedehnt und gross geworden
dass sich das Bedürfniss geltend gemacht hat, für die im Flusse befindlichen Streitfragen
eigene Fachzeit8chrift<in zu schaffen.
Nach den älteren Vorbildern in Italien und in Frankreich will die oben genannte Zeit
Schrift auch in Deutschland einen Sammelpunkt für diejenigen Untersuchungen und
Mittheilungen bilden, welche den verbrecherischen Menschen naturwissenschaftlich zu er-
forschen vorhaben. Bei dem grossen Interesse, welches den Ergebnissen derselben von
vielen Seiten entgegengebracht wird, i\nd bei dem hochbedeutsamen Einflüsse, welchen
sie auf Anschauungen und Grundsätze strafrechtlicher Natur auszuüben geeignet sind
und auch theilweise bereits ausgeübt haben, kann das Vorhandensein eines solchen Fach-
journals in deutscher Sprache als berechtigt angeschen werden.
Die Zeitschrift will ihr Augenmerk, wie sie in der Einführung verspricht, auf den
kritischen Geist ächter WisscnschafUichkeit richten. Sie zieht auch die wichtigsten Fragen
des Gcfängniss- und Frostitutionswesens in den Kreis ihrer Betrachtungen, um auch die
weiteren Grenzen der verbrecherischen Klassen zu umfassen. Sie zählt eine stattliche
Zahl wohlbekannter Mänuer des In- und Auslandes zu ihren Mitarbeitern und ist in
ansprechender Weise ausgestattet.
In den bisher erschienenen 4 Heften sind viele lehr- und inhaltsreiche Abhandlungen
enthalten, welche zweifellos auch einen anthropologischen Werth haben. In einem Auf-
satze: „Lombroso und die Criminal- Anthropologie von heute" kritisirt P. Näcke den
falschen Standpunkt Lombroso^s, an welchem dieser noch heute festhält, — und weist,
mit gerechtem Unwillen den schnöden und ungebührlichen Angriff desselben auf Rudolf
Virchow zurück. Der jüngst verstorbene Physiolog Frey er legt seine Ansichten in
einem gehaltvollen und nicht ganz unanfechtbaren Beitrag über: „Die Handschrift der
Verbrecher** nieder (S. 47). Sehr lesenswerth sind die Abhandlungen vonPasquale Penta
(Neapel) über die rationelle Behandlung der Verbrecher (S. 113); über Criminalität und
Criminal-Statistik mit besonderer Anwendung auf amerikanische Verhältnisse von Roland
P. Falkner (Philadelphia) (S. 201); über spanisches Vcrbrecherthum von Rafael Salillas
(Madrid) (S. 288); Beiträge zur Identificirung der Verbrecher von Friedrich Paul (Li(tau)
(8. 272 und 358). Ungemein interessant sind: Neue Forschungen auf dem Gebiete der weib-
lichen Criminalität, Prostitution und Psychosen von Moraglia (Turin) (S.229) und briefliche
16»
208 Besprechungen.
Mittheilungen von Zarkowskj, welcher die Lombroso^sche Lehre und den Werth der
sogenannten „positiven Schule** sehr scharf und treffend beleuchtet (S. 800).
Eine besondere Erwähnung verdienen noch die ausf&hrlichen Abhandlungen von Arnd
(Greifswald): Verbrechen und Geisteskrankheit (S. 23); die Probleme in der Homosexualität
von Alb. Moll (Berlin) (S. 157); die Umkehrung des Geschlechtstriebes von Laupts
(Lyon) (S. 75 und 821); eine Enquete über den Selbstmord von demselben (S. 76); Crimi-
nalität und Suggestion von Dr. Maschke (Olmntz) (S. 401) und die Prostitutionsfragc
von Dr. Münchmeyer (Kolberg) (S. 53). Den Originalarbeiten sind eingehende Be-
sprechungen über Erscheinungen der hierher gehörigen Literatur und ausfuhrliche Be-
richte über Versammlungen auf Congressen u s.w. beigegeben. Dr. Baer, Berlin.
V. Luschai), F. Beiträge zur Völkerkunde der deutsehen Schutzgebiete.
Erweiterte Sonderausgabe aus dem „Amtlichen Bericht über die erste
deutsche Colonial- Ausstellung" in Treptow 1896. Mit 48 Tafeln und
46 Text-Abbildungen. Berlin, Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) 1897. 4*.
87 S. Text.
Das vorliegende Work bringt uns eine Reihe von anthropologischen und ethno-
graphischen Studien, zu welchen der Hr. Verf. durch die Ausstellung aus unseren Schutz-
gebieten in Treptow angeregt worden ist. Mit Recht ist darin das Hauptgewicht auf die
Darstellung der untersuchten Menschen und ihrer Erzeugnisse gelegt, so dass sich dieser
Thcil der Ausstellung gleichsam vor unseren Augen nochmals aufrollt, und zwar an der
Hand eines so vortrefflichen Führers, wie der langjährige liCiter der afrikanischen und
oceanischen Abtheilung des Königlichen Museums für Völkerkunde es ist. Von den
48 Tafeln gehören die ersten 20, durch Lichtdruck her<;estcllten dem anthropologischen
Theilc des Buches an; dieselben müssen, sowohl was die photographische Aufnahme der
Schwarzen, als was die Reproduction betrifft, zu den besten Leistungen auf diesem Gebiete
überhaupt gezählt werden. — Der dazu gehörige Text giebt nur eine objective Beschreibung
der untersuchten Personen in anthropologischer Beziehung und tabellarische Zusammen-
stellungen der Mcssungsresultate; mit wohlüberlegter Selbstbeschränkung vermeidet der Verf.
es, allgemeine Schlussfolgemngen zu ziehen, obwohl nicht leicht ein reicheres und zuver-
lässigeres Material sich einem Forscher dargeboten haben dürfte, als hier. Es konnten
nehmlich, mehr oder weniger genau, 92 Eingeborene verschiedenen Geschlechts und Alters
aus dem Togogobiet, Kamerun, Südwest- und Ost-Africa und Neu-Britannien der Unter-
suchung unterzogen werden, von denen mehr als die Hälfte sowohl en face, wie en profil
abgebildet sind.
Die übrigen 28 Tafeln sind ganz der Ethnographie gewidmet; davon sind 10 nach
photographischen Aufnahmen des Verf., 18 nach sachgetreuen Zeichnungen des Hm.
Dr. Wculo hergestellt, welcher bekanntlich Forscher und Zeichner zugleich ist In
dem hierzu gehörigen Abschnitt des Textes gicbt der Verf eine rebersicht der aus-
gestellten Sammlungen und knüpft daran in Form von Excnrsen eine Reihe von
Problemen der afrikanischen und oceanischen Ethnographie in so anregender Weise,
dass dieser Theil nicht nur für den Fachmann, sondein auch für den Laien eine höchst
interessante Leetüre bildet. Zuerst wird ein reberblick über das bisher Bekennte gegeben
und dann auf die vielen, noch ihrer Lösung harrenden Aufgaben hingewiesen; als Beispiele
der so behandelten Themata führen wir hier nur an: die Ornamentik der Haussa-Toben.
die Scliriftbändcr der Moa-Matten, die Kopfbänke von Neu-Guinea, die Durchbohrung
der Tridacno-Schalen u. a.
Alle Freunde der Völkerkunde werden dem Hm. Verf., wie der Verlagshandlung zu Danke
verpflichtet sein, dass sie das reiche Material, welches die Colonial-Ausstellung im Sommer
18% für das Studium der Anthropologie aus weit zerstn-uten Gebieten in Treptow ver-
einigt hatte, in treuer Wiedergabe festgelegt und so für die künftige Forschung gesichert
haben. Li s sau er.
Besprechungen. 209
Adolf Hoilborn. Allgemeine Völkerkunde in kurzgefasster Darstellung.
Mit 156 Abbildungen, darunter 15 Vollbildern. 200 Seiten. 8vo. Leipzig,
Ferdinand Hirt und Sohn, 1898.
Das Interesse für die Lebensgewohnheiten fremder Völker, sowie für deren äussere
Erscheinung, ihre Kunstfertigkeiten und ihre Gebrauchsgegenstände erobert sich immer
weitere Kreise. Mit dieser erfreulichen Erscheinung steigert sich das Bedürfniss nach
kiu-zgofassten, dem allgemeinen Auffassnngs?ermögen angepassten Schriften, welche das
Yerständniss für diese Dinge zu vermitteln im Stande sind. Das vorliegende Buch ist
dieser Art Es wendet sich an die reifere Jugend, aber auch an den gebildeten Laien
auf ethnologischem Gebiete und führt in geschickter Zusammenstellung und in gut les-
barer und leicht fasslicher Sprache eine grosso Anzahl wlssenswcrther Thatsachen in einer
leicht übersichtlichen Anordnung vor.
Der Einleitung, in welcher allerdings manche kühne Hypothese bereits als volle
Wahrheit angenommen wird, folgen Abschnitte über die Feuerbereitung und das Kochen,
über Waffen, Schmuck und Kleidung, über den Hausbau und das Hausgeräth, über
Ackerbau, Viehzucht, Industrie, Handel und Geld, über die Schiffahrt und die übrigen
Verkehrsmittel; Abschnitte über die religiösen Anschauungen, über die Familie und den
Staat, über Sprache und Schrift bilden den Schluss. Die Abbildungen sind theils genaue
Copien ethnographischer Gegenstände, theils genrebildartig componirte Skizzen, welche
wohl nicht verfehlen werden, die Phantasie der jugendlichen Leser in günstiger Weise
anzuregen. Max Bartels.
Otto Schell. Bergische Sagen. Mit 5 Lichtdruckbildern. 608 Seiten 8vo.
(Baedekersche Bluch- und Kunsthandlung und Buchdruckerei: A. Martini
und Grüttesien. G. m. b. H.) Elberfeld, 1897.
Dem Verf. ist es gelungen, 1015 Sagen in einem engumgrenzten Gebiete, der einst-
maligen Grafschaft Berg, zusammenzubringen. Das ist, wie Friedrich S. Kraus s, der
ihm die Einleitung schrieb, mit Recht hervorhebt, eine in hohem Grade anzuerkennende
Leistung, welche zugleich den Beweis liefert, dass selbst in den von der modcmon
Industrie besonders in Beschlag genommenen Districten die Volkskunde doch noch ihre
Ernte zu halten vermag. Die Sagen sind meistens dem Volksmundc nacherzählt, in
einigen Fällen aber auch früheren Veröffentlichungen entnommen. Die crsteren haben den
Vorzug der grösseren Schlichtheit und Ursprünglichkeit der Erzählung.
Ihrem Inhalte nach bringen uns die Sagen manchen alten Bekannten gormanischer
Vorzeit, den Schimmelreiter oder dessen Ross allein, den einäugigen Wanderer, den
wilden Jäger, allerlei Elcmentargeister, den Werwolf und den Aufhocker, die Mar und
allerlei Spukgostalten. Dann begegnen wir reichlich der Zeit des Hexenglaubens und der
Hexenprozesse, der Religionskriege, namentlich des dreissigjährigen, der Franzosenzeit^ und
selbst unser eigenes Jahrhundert hat ganz jungen Sagenstoff geliefert, so die Einführung
der Eisenbahnen und der grosse Krieg gegen Frankreich in den Jahren 1870 — 71.
Solche localeu Sagensammlungen bieten ausser dem allgemein volkskundlicheu Inter-
esse sicherlich auch manchen nicht zu unterschätzenden Fingerzeig für den Geschichts-
forscher und ganz besonders für den Prähistoriker und Archäologen. Dio vorliegende
Sammlung ist nach den Flussgebioten geordnet und mit einer grösseren Anzahl erklärender
Anmerkungen versehen. Fünf Lichtdruckbilder, die dem Werke eingefugt sind, führen
Landschaften und Gebäude vor, welche besonders reichlich von den Volkssagcn um-
sponnen sind. Max Bartels.
210 Besprechungen.
Samoanische Texte. Unter Boihülfe von Eingeboronon gesammelt und
übersetzt von O. Stübel. Herausgegeben von F. W. K. Müller
(Veröffentlichungen aus dem Königliehen Museum für Yölkerkunde
1<S9<;. IV. 2—4.)
Den besten und sichersten Weg in das Wesen und das psychologische Empfiuden eines
Volkes führt uns die Sage und seine eigene Geschichte, und eine der dankbarsten Auf-
gaben des Folkloristen ist es, diesen Weg zu betreten und, auf ihm weiterschrcitend, in
das Fühlen und Denken und die intimsten Ideengänge und Verbindungen des Volks-
charakters und seelischen Lebens einzudringen. Es gehört freilich eine besondere Hin-
gabe dazu, gewissermaassen eine Entsagung allen eigensten Anschauungen gegenüber,
um auf diese Weise ein Ziel zu erreichen. Nicht jedem Forscher ist es gegeben, sich
völlig in die Seele anderer, von ihm g&nzlich verschiedener Individualitäten hineinzuleben
und sich darin zu vertiefen. Solches Vermögen ist individuell und wird auch dem Laien
der Ethnologie, der es besitzt, mehr Lohn gewahren, als dem wohl vorgebildeten, mit
allen Mitteln wissenschaftlicher Erfahrung ausge rastet en kritischen Beobachter, der mit
scharf begrenzten Regeln und unbiegsamem Maa8s^tab ein Volk studirt und bearbeitet.
Das sind die unwillkürlichen Schlüsse, die das Facit der vom General - Consu
Stübel während eines zweijährigen Aufenthaltes auf den Samoa-Inseln gesammelten Auf-
zeichnungen aufdrängt, welche von F. W. K Müller im Museum für Völkerkunde
in Berlin mit vielem Geschick imd ausserordentlicher Mühe bearbeitet und zusammen-
gestellt und im IV. Band der Veröffentlichungen aus dem Museum vom Jahre 1896 er-
schienen sind. Der Bearbeiter hat damit eine ausserordentlich schwierige, gcwissermaasscn
undankbare Aufgabe in geradezu b(*wundcrungswerther Weise gelöst und sich um tlio
Geschichte eines dem Untergang geweihten Volksstammes unvergängliche Verdienst« er-
worben. Die lange Mühe ist wohl der Sache werth und die Müller'schc Fassung der
StübePschen Edelsteine überliefert der Nachwelt ein kostbares Kleinod.
Nur wer Gelegenheit hatte, selbst den schönen polynesischen l'ypus der Samoancr in
ihrer Heimath zu beobachten, unter jenem, kaum noch 35 000 Köpfe zählenden, durch den
Einflnss der alles übertünchenden, alles Ursprüngliche erstickenden Civilisation bedrängten
Rest einer Völkerfamilie zu leben, wird den Wcrth der vorliegenden Texte voll zu würdigen
wissen.
Schnell haben fremde Gebräuche un4 d<r Einnuss «ler Civilisation auf die Samoaner
eingewirkt, schnell haben diese zu Gunsten neuer I^ehren ihre ursprüngliche Weltansrhanunir,
ihre Religion, aufgegeben. Ja, wie kaum ein anderes Volk, bekundeten sie einen Drang
nach Aneignung neuer Anschanung^'n und (iewohnheit«?n, wobei eine hohe natürliche
Int4.'lligenz ihnen fördernde Hülfe leistete. Wohl gab es eine Grenze in diesem Drange
nach „Bildung** und Veränderung, die sich besonders den Umsturzbewegungen der
Missionare als ein fester Schutzwall entgegenstellte und noch bis heute Manches erhalten
hat, was an die heidnische Vorzeit der einstigen Herren eines wahrhaft paradiesischen
Inselreiches erinnert. Die Tradition ureigenster Gebräuche bewährt die Potenz jahrhunderte-
langer Vererbung auch heute noch. Er>t 70 Jahre rüttelt die Cultur an dem ethno-
logischen Gebäude, in dem einige Säulen noch fest stehen, wenn auch viele Mauern
bereits dem Ansturm des mächtigen motlemen Feindes erlegen sind; stürzen auch sie,
dann ist ein ebenso interessantes, wie .chönes Bauwerk d«'r Schöpfung dahin und nur
nocfr die Trümmer können folgenden, neu aufstehenden (leschlechtem als Denksteine
überliefert wertlen.
Wenn auch, wie gesagt, die Samoancr heute noch an vielen Traditionen mit erstaun-
licher Zähigkeit festhalten und trotz ihrer Bekehrung zum Uhristenthum sich beispiels-
weise die Beschneidung, die (eremonien der Hochzeit und die Tättowirung nicht haben von
den Aposteln des Christenthums nehmen lassm, wenn auch besonders die Grundzüge ihre»
Familienlebens und ihre socialen Anschauungen, besonders da> Erbrecht, in Bezug auf
persönliche Vorrechte und Wünlen noch fortb«*^teh»»n, so ist es doch unsagbar schwor,
aus d(*n noch sichtbaren und erkennbar erhaltenen Institutionen eine klare Vorstellung,
einen causalen Zusammenhang der einstigen Ureigenthümlichkeiten zu gewinnen. Er-
Besprechungen. 211
schwei-t wird dies wcscntlicb durcli die Intelligenz der Samoancr und ihre Abneigung,
Fremden, Uneingeweihten einen Einblick in ihr innerstes Empfinden und iliro heiligsten
Rechte zu gestatten. Dazu kommt, dass ihr altes Rocht, ihre Traditionen ihnen nicht
angelernt, sondern im walireu Sinne des Ausdrucks angeboren sind, und dass selbst
Halfcastes und Fremde, die in den Bräuchen u.s. w. innerhalb des autochthoncn Lebens auf-
wachsen, CS selten weiter bringen, als dass sie die Richtigkeit eines rechtlichen Vorganges
empfinden; das ist der wesentlichste Erfolg, den die ältesten Missionare, besonders solche
der französischen katholischen Orden, erzielt haben.
Durch freundschaftliche Beziehung und starkes Vertrauen lässt sich der Eingeborene
aus guter Familie — denn nur ein solcher ist im Stande, vollgültige Auf kläi-ung zu geben, da
ihm der Vorzug der Stellung und Erziehung tieferes Erkennen gestattet — wohl bewegen,
zumeist in Form kurzer Erzählungen oder Gleichnisse, aus dem seelischen lieben seines
Stammes zu berichten. Auch dann aber neigt die angeborene Höflichkeit und besonders
der Wunsch, dem angenehmen Fremden zu gefallen, nur allzu sehr dazu, von dichterischer
Licenz Gebrauch zu machen, so dass verschiedene Gewährsmänner auch oft recht va-
rürende Darstellungen liefern.
Scheint es nicht nahezu unglaublich, dass wir, trotzdem schon bald nach der Be-
kehrung der Samoauer scharfe Beobachter und Folkloristen den Spuren des Vorlebens
der Eingeborenen nachgingen und ihre Aufzeichnungen machten, wie Turner, Pratt u. A.,
nicht positiv sagen können, o)) die Anthropophagie jemals auf den Samoa-Inseln
herrschte? Die wenigen Symptome, welche Turner (vgl. „Nineteen years in Polynesia"
und „Samoa") in sogenannten Opfersteinen und Erzählungen, sowie bestehenden Ge-
bräuchen hierzu heranzog, berechtigen noch nicht zu dem sicheren Schluss, dass die
Samoaner selbst einst Kannibalen waren. Auch St übel hat in seinen Aufzeichnungen
zwei Sagen überliefert, welche von Menschenfressern handeln. Indessen trägt deren
Inhalt und Sinn weit eher dazu bei, entlastend zu wirken, denn die Erzählungen von dem Aso
(der Menschenmahlzeit) Malietoas und dem Solo (-Gesang) der Gasolo, der Tochter Malietoas,
schildern (S. 72 und 73) den Kannibalismus des Königs Malietoa als etwas Individuelles
und Verwerfliches; ebenso tritt die Vorliebe für Menschenfleisch bei einer Dame') in der
zweiten Erzählung als fremde Ei-scheinung zu Tage. Die Annahme, dass Anthropophagie
den Samoanern an sich fremd war und violleicht später nur als Reflex der Sitten anderer
Volksst&mme, mit denen die Samoaner gelegentlich in Berührung kamen, — so beispiels-
weise mit den Viti-Insulanem, welche im Atua-Bezirk nach einem Kriege zurückgeblieben
und dort sich mit den Samoanern vermischt haben, — zu betrachten ist, dürfte hier-
durch unterstützt werden. Der Inhalt der zweiten Sage sei, da in derselben die sym-
bolische Sprache poetisch zum Ausdruck kommt, welche den Reden und Schilderungen
des Volkes auch heute noch eigen ist imd sie besonders als Gelegenheitsdichter bei fest-
lichen Anlässen kennzeichnet, hier wiedergegeben:
„Das Solo der Gasolo, Tochter Malietoas: Kannibalismus."
Das Solo der Tochter Malietoas, als sie von dem Häuptling Folasaitu vernachlässigt
wurde, welchen sie zum Manne genommen hatte. Folasaitu war vorher mit einer Dame
verheirathet gewesen, welche Menschen frass, und hatte von ihr einige Kinder. Hierauf
heiratheto Gasolo (die Tochter Malietoas) den Folasaitu, welcher sie vernachlässigte, weil
er manche Nächte wieder seine Frau, die Menschenfresserin war, aufsuchte. Hierauf
machte Gasolo folgendes Solo:
„Ich schlafe und verkünde meinen Traum:
Ich weile, wie der Fisch ohne Gefährten in seiner Höhle schläft.
Folasaitu, Dein Wunsch ist, Du wärest weit entfernt.
1) Das von F. W. K. Müller mehrfach in der Uebersetzung benutzte Wort Dame
für tania' ita'i, entsprechend der Pratt 'scheu Erklärung mit Lady, berührt etwas
sonderbar wegen seiner cultursocialen Bedeutung. Dennoch dürfte diese Ueber-
tragung gerade charakteristisch und angebracht erscheinen, da tamaitai thatsächlich sich
nach samoanischeu Begriffen vollkommen mit der Bezeichnung Dame, einer dem besseren
Stande augehörigen Frau oder Jungfrau, deckt.
212 Bcsprcclmngoti.
Seitdem bin ich voraachlässigt.
Du näherst Dich dem (schönen) Vasavasa -Vogel, Jiinter dem (verborgen) der
(gefährliche) Tiotala-Vogel sitzt.
Du wirst eines Tages seine Bosheit erfahren.
Und Du weisest zurück Deine schöne Taube, die auf Deinem Taubonholz sass,
Und die Liebe girrt über Deinem Lager."
Eine ähnliche anmuthende, dabei anspruchslos klare Sprache charakterisirt auch die
übrigen, von St übel sowohl in der Uobersetzung, wie im Urtext niedergeschriebenen
Ueberlieferungen, die in ihrer Reichhaltigkeit und hinsichtlich des vielgestaltigen Stoffes
geeignet sind, wie keine anderen Mittheilungen, ein möglichst deutliches Bild der alten
samoanischen Institutionen und Ideen zu geben.
Von ganz besonderem sociologischem Werthe ist unbestreitbar das Capitel <lor
Häuptlingsheirathen (p. 120— 126), denn es berührt den geheimnissvollsten Punkt
samoanischen Familienlebens. „Die Nachfolge des Adoptivsohnes", diese rechtskrÄftigo
Bevorzugung eines angenommenen Sohnes gegenüber dem selbst gezeugten, streift die
verwickelte Frage des Erbrechtes, die durch den fast regelmässig auftretenden Austausch
von Kindern innerhalb gleich gestellter Familien nicht nur der Benrtheilung nach allen
bestehenden Regeln der Civilisation spottet, sondern auch die Ursache zu häuügen
Differenzen innerhalb der Sippen und auch zu den meisten Fehden und Kriegen bot, —
Fast ebenso schwierig und völlig ungenügend festgestellt ist das im nächsten Capitel
(S. 126 ff.) behandelte Besitzrecht, welches seit der Einführung des üeldwerthes auf
den Inseln und der Landspcculationen in seinen Grundfesten stark erschüttert ist.
Wenn schon die erwähnten, von St übel berücksichtigten und partiell aufgeklärten
Themata, die hier ausführlicher zu erwähnen und zu besprechen zu weit führen würde, über
jede Krilik erhaben scheinen und ihr Werth, wie gesagt, nicht hoch genug veranschlagt
werden kann, so verleiht ihnen die unverkennbare Sicherheit und Zuverlässigkeit der
Quellen, aus denen sie mit grossem Geschick und Glück geschöpft sind, noch eine ganz
besondere Bedeutung.
Der Inhalt der Aufzeichnungen, der poesiereichen Sagen eines von der Forschung
noch relativ wenig, um so mehr aber von neidischer Weltpolitik ausgebeuteten Volkes er-
innert immer wieder an die tiefere Wahrheit des vielfach ironisirten Seumo'schcn Aus-
spruches: .,Wir Wilden sind doch bessere Menschen.** F. Reinecke.
C. R. Häntzschel: Reisehandbuch für Amateur-Photographen. Wilhelm
Knapp, Halle a. S. 1806.
Die photographischo Fach-Literatur ist eine überreiche — von den umfangreichsten
Lehrbüchern bis zu dem bescheidensten Nachschlagebnch, aber jeder Verfasser eines
neuen Lehrbuches über Photographie weiss derselben neue Seiten abzugewinnen, neue
Rathschläge aus dem Schatz seines Wissens zu ertheilen; denn so wie die Resultate der
Photographie individuell sind, so ist auch der Weg zu denselben ein individueller, und
so giebt der Verfasser in dem vorliegenden kleinen Werkchcn aus eigener Erfahrung
eine Reihe von Winken, die den Amateur vor manchen Enttäuschungen auf der Reise
bewahren dürften.
Der Anthropolog und Ethnolog dürfte jedoch Manches vermissen, was für seine
Aufnahmen von grösstcr Wichtigkeit wäre, denn der Inhalt des Werkchens erstreckt sich
— ausser allgemeinen Rathschlägcn — auf Landschafts-, Architektur- u. s. w. Aufnahmen.
Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass, wenn der Amateur* Photograph mit diesen Anf-
nahmen gut Bescheid weiss, er den Apparat auch auf einigen wissenschaftlichen Gebieten
richtig anzuwenden verstehen wird. Franz Goerke.
Verhandlungen
der
Berliner Gesellschaft
fOr
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt
ron
RucL Yirohow.
^ '■- v.~^- -v-v -V*!^
Jahrgang 1897.
BERLIN.
VERLAG VON A. ASHER & CO.
1897.
0 «
Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
1897.
Ehren - Präsident :
Dr. Rudolf VircboWf Professor, Geh. Med.-Ratb.
Vorstand, 1. Januar 1897.
Dr. Rud. Virchow, Professor, Geh. Med.-Rath, Vorsitzender.
Dr. Wilh. Waldeyer, Prof.,
Geh. Med.-Rath.
Dr. Wilh. Schwartz, Prof,
Gymn.-Director a. D.,
Geh. Regierungsrath.
Dr. A.Voss, Director der vaterl. Abth. d. Kgl.
Museums f Völkerkunde, Schriftführer.
Dr. Max Bartels, Sanitätsrath, Schrift-
stüiivertretör führer, W. Am Karlsbad 12/13.
des Dr. med. R. Neuhauss, Schriftführer.
Vorsitzenden Wühehu Ritter, Banquier, Schatzmeister,
SW. Friedrichstrasse 242.
AussohusSy 26. Januar 1897.
Dr. Lissauer, Sanitätsrath, Obmann, Bibliothekar der Gesellschaft.
Dr. phil. Daines, Professor. * Dr. med. et phil. v. Lusohan.
Dr. med. et phil. Paul Ehrenrelch. i Dr. jur. G. Milden, Syndicus.
E. Friedel, Geh. Regierungsrath, Stadtrath. H. Sökeland.
Dr. jur. V. Kaufmann, Geh. Regierungsrath, Dr. med. et phil. Karl von den Steinen,
Professor. Professor.
Ehrenmitglieder, 1. Januar 1897.
1. Frau Gräfin Uwarow, Präsident der Kaiserlich Russischen Archäologischen
Gesellschaft, Moskau, erwählt den 21. December 1889.
2. Fräulein Johanna Mestorf, Director des Museums vaterländischer Alter-
thümer in Kiel, erwählt den 18. Juli 1891.
o. Ministerialrath, Freiherr Ferdinand v. Andrian-Werbnrg, Präsident der Wiener
anthropologischen Gesellschaft, Aussee, Steiermark, erwählt den 14. Juli 1894.
4. Direktor Dr. Fraas, Stuttgart, erwählt den 14. Juli 1894.
0. Prof. Dr. Johannes Ranke, erster Vorsitzender der Münchener Gesellschaft
für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, General -Secretär der
Deutschen anthropolog. Gesellschaft, München, erwählt den 8. März 1895.
1*
w
().
7.
Oorrespondlrende
mit Angabe des Jahres
1. Amitsohin, D., Dr., Professor, 1889
Präsident der Raiserl. Gesell-
schaft der Freunde der Natur- 20.
Wissenschaften, der Anthropo-
logie und Ethnographie, Moskau.
2. Aspelin, J. K., Dr., Staatsarchae- 1874,21.
olog, Helsingfors, Finland.
3. BarMbei, Direttore del Museo 1894 22.
Papa Giulio, Rom.
4. Baye, Baron Joseph de, Ghateau 1890 23.
Baye, Dep. Marne, Frankreich.
5. Beddoe, John, M. D., F. K. S. 1871 24.
The Ghantry, Badford-on-Aron
(Wüts) England.
BeilHOOi, Giuseppe, Prof., Dr., 1881
Perugia. 25.
Bertrand, Alexandre, Membre 1877
de rinstitut, Directeur duMusee
des Antiquit^s nationales k 26.
St- Germain -en-Laye, Frank-
reich.
8. Bonaparte, Roland, Prinz, Paris. 1885 27.
9. BHnton, Daniel G., Dr. med., 1886
Professor an der Universität von 28.
Pennsylvania, Doctorof Science,
Media, Pa.
10. Brizio, E., Professor, Director 1891 29.
des Museo civico, Bologna.
11. Bnniess, J., L. L. D., G. I. E., 1887 30.
Director Gen. of the Archaeolog. 3 1 .
Survey of India, Edinbuigh.
12. Calvert, Frank, Amer. Consul, 1875 32.
Dardanellen, Rleinasien. 33.
13. Capellini, G., Prof., Senator, 1871
Bologna. 34.
14. Capittrano de Abren, Dr. Joäo, 1895 35.
Bio de Janeiro.
15. Cartailhac, E., Toulouse. 1881
16. Castelfranco, Pompeo, R. Ispet- 1883 36.
tore degli Scavi e Monumenti
di Antichita, Mailand. 37.
17. Cbantre, Ernest, Professor, Sub- 1881
director des Museums für Natur-
geschichte, Lyon.
is. Costa, Pereira da, Dr., Prof., 1872 38.
Lissabon.
19. DawkhM, W. Boyd, Professor, 1877
Mitglieder,
der Ernennung:
M. A., F. R. S., Woodhurst,
Jallowfield, Manchester.
Delfado, Joaquim Filippe Nery, 1881
Chef der Geologisch. Landes-
aufhahme, Lissabon.
Duhnberi, Otto von, Dr., Staats- 1879
rath, Dorpat.
Dnpont, Ed., Director des Kgl. 1871
natuigesch. Museums, Brttssel.
Ernst, A., Dr., Director des Nat.- 1 878
Museums, Caracas, Venezuela.
Evans, Sir John, D. C. L., L. L. 1874
D., F. R., S., Pres. Num. Society
London, Nash Mills, Hemel
Hempsted, England.
Fellaaberi, Edmund von, Dr.. 1883
Director der archäolog. und an-
thropolog. Sammlungen, Bern.
Flala, Franz, Dr. phil., Gustos am 1 895
bosnisch 'hercegovin. Landes-
Museum, Sarajevo, Bosnien.
Flex, Oscar, Missionär, Ranch i, 187S
Nagpore, Ostindien.
Flower, Sir William Henry, Prof., 1879
F. R. S., Director des Natural
History Museum, London.
Franks. Sir WoUaston, M. A.. 1872
F. R. S. London.
Garson, J. G., M. D., London. 1889
Gemellaro. Director des paläont. 188S
Museums, Palermo.
Gerlacli, Dr. med., Hongkong. 1880
Gross, Y., Dr. med., Neuverille, 1880
Schweiz.
Gninet, Emile, Lyon. 1882
Hanidy Bey, Director d. Kaiserl. 1894
Ottomanischen Museums, Con-
stantinopel.
Hanipel, Josef, Prof., Dr., Custos 1884
am Nationalmuseum, Budapest.
Hany, Ernest, Dr., Professeur 1882
d^Anthropologie au Museum
d'hist naturelle, Membre de
rinstitut, Paris.
Haner, Franz Ritter von, Dr., 1887
Intendant a. D. d. K. K. natur-
historischen Hofmuseums, Wien.
(5)
39. Hantmann, Professor, Dorpat.
40. HazelioB, Artur, Stockholm.
41. Heier, Franz, Gustos am K. K.
Naturhistorischen Hofmnseum,
Wien.
42. Heleril,J.,Privat-Doeent, Zürich.
43. Helbli, Wolfgang, Dr., Professor,
Rom.
44. Heldreioh . Dr. von, Prof., Director
des botanischen Gartens, Athen.
45. Hemnann, Anton, Dr. phil.,
Professor, Budapest.
46. Hildebrand, Hans, Dr., Reichs-
antiquar, Stockholm.
47. HIrth, Fr., Prof. Dr., Com-
missioner of Gustoms, Ghin-
kiang, Ghina, z. Z. München.
48. HSrmann, Gonstantin, Regie-
rungsrath, Director des Landes-
Museums, Sarajevo, Bosnien.
49. Hörnes, Moriz, Dr. phil., Assistent
am k. k. naturhist. Hofmuscam,
Prirat-Docent, Wien.
50. Hoffman, W. J., Dr. med., Gu-
rator Anthropologien 1 Society,
Washington, D. G.
51. Honton- Schindler, A., General,
Teheran.
52. Jacqaes, Victor, Dr., Secretaire
de la Societt» d'Anthropologie,
Brüssel.
53. Jimenes de la Espada, M., Prof.
Dr., Madrid.
54. Ibering, Hermann von, Dr.,
Director do Museo zoologico,
Sao Paulo, Brasilien.
55. Kate, H. ten, Dr., La Plata,
Argentinien.
56. KoHnann, J., Dr. med., Prof.,
Basel.
57. Lacerda, Dr., Prof., Direktor des
Nat.-Museums, Rio de Janeiro.
58. Lortet, Ix)uis, Prof. Dr., Director
des naturhistorischen Museums,
Lyon.
59. Lubbock, Sir John, Bart., M. P.,
High El ms, Farnhorough, Kent,
England.
60. Macallster Prof. der Anatomie,
Cambridge, England.
1896
61.
1888
1893
62.
1890
63.
1883
1873
64.
1889
65.
1872
1886
66.
1894
1894
67.
68.
1886
69.
1878 70.
1889
1891
1886 1 71.
1886,72.
1887 '73.
1889
74.
1883
75.
1871 76.
77.
1893
Majer, Prof. Dr., Präsident der 1878
k. k. Akademie, Krakau.
Man, Edward Horace, Assistant 1885
Superintendent, Port Blair, An-
damanen.
Mantegazza, Paolo, Prof., Di- 1871
rector d. Nationalmuseums für
Anthropologie, Senator, Florenz.
Marchesetti, Garlo de, Dr., Dir. 1887
des naturhistorischen Museums,
Triest.
Mason, Otis T., A. M., Ph. D., 1895
Gurator of the Department of
Ethnology in the United States
Nat. Mus., Smiths. Institution,
Washington, D. C.
MontellHS, Oscar, Dr. phil., Prof, 1872
erster Amanuensis am Rönigl.
histor. Museum, Stockholm.
Moreno, Don Francisco, Director 1878
des National-Museums, La Plata.
Morse, Edw. S., Professor Dr., 1889
Director der Peabody Academy
of Science, Salem, Mass.
Morselli, Henri, Dr. med.. Pro- 1881
fessor, Turin.
Mach, Matthäus, Dr. jur., Re- 1894
gierungsrath, Mitglied und Gon-
servator der k. k. Gentral-
Gommission zur Erforschung
und Erhaltung der Kunst- und
historischen Denkmale, Hietzing
bei Wien.
Mfiller, Sophus, Dr., Director 1882
des National-Museums, Kopen-
hagen.
Nlcolnccl, Giustiniano, Professor, 1871
Dr., Isola di Sora, Neapel.
Noetlini, Dr. phil., Palaeonto- 1894
logist of the Geological Survey
of India, Galcutta.
OrsI, Paolo, Dr., R. Ispettore 1888
degli scavi, Syracus.
Penaflel, Antonio, Dr., Prof., 1891
Mexico.
Phlllppl, Rudolf A., Professor, 1871
Dr., Santiago, Ghile.
PlBorlnl, Luigi, Prof., Director 1871
des prähistorisch-ethnographi-
schen Museums. Rom.
78. PI«ko, k. u. k. österr.-ungar.
Consul, Üsküb, Türkei.
79. Pitt Rivers, A. H. Lane Fox,
Lieutenant-General, F. R. S.,
Inspector of Ancient Monu-
ments in Great Britain, Rush-
more, Salisbury, England.
80. Pleyte, W., Conservator aan's
Rijksmuseum van Oudheden,
Leiden, Niederlande.
81. Powell, J. W., Major, Smith-
sonian Institution, Directordes
Bureau of Ethnology,Wa8hing-
ton, D. C.
82. Prosdocimi , Alessandro, Cav.,
Professor, Dr., Este, Italien.
83. Pulezky, Franz v., Dr., Director
des Nationalmuseums, Buda-
pest
84. Radde, Gustav, Dr., Wirkl. Geh.
Rath, Director d. kaukasischen
Museums, Tiilis.
85. Radloir, W., Dr., Akademiker,
St. Petei'sburg.
86. Retzlue, Gustaf, Dr., Professor,
Stockholm.
87. Riedel, Joh. Gerard Friedr.,
Niederländischer Resident,
Niederländisch-Indien.
88. Risley, H. H., Calcutta.
89. Rlvett-Carnac, J. H., Golonel-
Gommandant of Volunteers,
Aide de Garop of Her Majesty
the Queen, Eropress of India,
Schloss Wildeck, Aargau,
Schweiz.
90. Ryih, O., Prof. Dr., Director
d. Sammlung nordischer Alter-
thümer, Ghnstiania.
91. SallMie, Antonio, Professor,
Directordes Nationalmuseums,
Palermo.
92. Sohneltz, J. D. E., Conservator
am Ethnographisch Rijks-
museum, Leiden.
93. Sergi, Giuseppe, Prof. Dr., Rom.
94. Semrier, L., Dr., Professeur ä
r^cole speciale pour le service
civil des Indes Noerlandaises,
Batavia.
1895
95.
Spiegelthal. F. W., Schwedi-
scher Vice-Consul, Smyma.
1875
1888
*
96.
Steenstmp, Japetus, Professor.
Kopenhagen.
1871
97.
Stieda, Lndw., Geh. Medicinal-
rath, Prof. Dr., Rönigsbeiig i. Pr.
1883
98.
Stolpe, Hjalmar, Dr. med.,
1894
1890
Stockholm.
99.
Studer. Theophil , Professor,
Dr., Bern.
1885
1876
100.
Szombathy, Josef, Gustos am
k. k. naturhistor. Hofmuseum,
Wien.
1894
101.
Tieseihausen, W., Baron von.
1896
1889
Goadjutor der k. Archäolog
Commission, S. Petersbui^.
1876
102.
Topinard, Paul, Prof. Dr., Paris
1879
103.
Troll, Joseph, Dr., Wien.
1890
104.
Trulielka, Giro, Gustos am
1894
1871
Bosnisch - Hercegorinischen
Ijandes - Museum, Sarajevo.
Bosnien.
1884
105.
Turner, Sir William, Prof. der
Anatomie, F/iinburg.
1890
1882
106.
Tylor, Edward, B., Gurator des
Museums, Professor d. Anthro-
1893
1871
pologie, Oxford.
107.
UJfalvy de Mezö-Kövesd, Gh. E.
de, Professor, Paris.
1879
1895
108.
Yedel, E., Amtmann, Vice-
18H7
1882
präsident der Rönigl. Ge-
sellschall für nordische Alter-
thumskunde. Sorö, Dänemark.
109.
Wanket, Heinrich, Dr. med..
Olmütz, Mähren.
1894
110.
Welsbach, Augustin, Dr. med.,
1871
1879
Oberstabsarzt , Sanitäts - Ghef,
Sarajevo, Bosnien.
111.
Wlieeler, George M., Gaptain
187*>
1883
Gorps of Engineers U.S. Army,
Washington, D. G.
112.
Wieser, Ritter von Wiesenbort.
IH94
1894
Franz, Dr. phil., Professor.
Präsident des Ferdinandeums,
Innsbruck. •
1891
113.
Zaaijer, Professor Dr., Leiden.
1895
1889
114.
Zanp«, Raffaello, Professor
Dr., Rom.
1891
115.
Zwlngmann. Georg, Dr., Medici-
nulinspector, Kursk, Russland.
1873
(V
Ordentliohe Mitfirlieder, 1807.
a) Immerwährende (nach § 14 der '24. Barsohall, Max, Dr. med., Geheimer
Statuten). Sanitätsrath, Berlin.
1. Coming, Dr. med,, Morillon, Genf. 25. Bartels, Max, Dr. med., Sanitätsrath,
2. EhrsRreioh, Paul, Dr. med. et phil., i Berlin.
Berlin. 2^* Bartels, Paul, cand. med., Berlin.
3. Joest, Wilhelm, Professor Dr. phil., ' 27. Basler, Wilhelm, Dr., Offenburg, Baden.
Berlin. 28. Bastian, A., Dr. med. et phil.. Geh.
4. Lonbat, Duo de, Excellenz, Paris. | Reg.-Rath, Professor, Director des
5. Riegler, C, Director, Mannheim. I ^'- Museums f. Völkerkunde, Berlin.
j 29. Bauer, Fr., Baurath, Magdeburg,
b) Jährlich zahlende (nach § 11 der , 30. Begemann, Dr. phil., Gymnasial-
Statuten). i Director, Neu-Ruppin.
1. Abel, Karl, Dr. med., Berlin. i31. Behia, Robert, Dr. med., Sanitätsrath,
2. Abraha«. Dr. med., Geh. Sanitätsrath, ; Kreiswundarzt, Luckau.
Berlia ,32. Behlen, Heinrich, Forst - Assessor,
3. Aohenbach, t., Dr., Exe, Oberpräsident, i Aurich, Ost-Friesland.
Potsdam. 33. Behrend, Adolf, Verlags-Buchhändler,
4. Adler, E., Dr. med., Berlin. I Berlin.
5. Albrecht, Gustav, Dr. phil., Charlotten- 34. Beick, Waldemar, Dr. phil., Weilbui^
bürg. 35. Belli, Ludwig, Dr. phil., Frankfurt a.M.
H. Albn, Dr. med., Berlin. 36. Benda, C, Dr. med., Privatdocent,
7. Aisberg, M., Dr. med., Cassel. Berlin.
8. Alterthnmaverein, Worms. 37. Bennigsen, R. v., Oberpräsident, Exe,
9. Altriohter, Karl, Gerichts - Secretär, Hannover.
Berlin. 38. Berendt, G., Dr. phil., Prof., Berlin.
10. Andree, Rieh., Dr. phil., Braunschweig, i 39. Bergmann, Ernst v., Dr. med, Geh.
11. Apolant, Hugo, Dr. med., Berlin. ' Medicinalrath, Prof., Berlin.
12. Arznmi, Andreas, Dr. phil., Prof., 1 40. Berlin, R., Dr. med., Prof., Rostock.
Aachen. |41. Bernhardt» M., Dr. med., Prof., Berlin.
13. Asobenborn, Oscar, Dr. med., Berlin. ,42. Bertram, Alexis, Dr. med.. Geheimer
14. Asoher, Hugo, Kaufmann, Berlin. ' Sanitätsrath, Berlin.
15. Atoherson, F., Dr. phil., Ober-Biblio- ' 43. Beuster, Dr. med.. Geh. Sanitätsrath,
thekar an der Königl. Universitäts- 1 Berlin.
Bibliothek, Berlin. 44. Beyfuss, Gustav, Dr. med., Nieder-
16. Asoherson, P., Dr. phil. et med., Prof., ländisch-indischer Oberstabsarzt a. D.
Berlin. I Berlin.
17. Asohoir, Albert, Dr. med., Berlin. , 45. Bibliothek, Grossherzogliche, Neu-
18. Ascboir, L., Dr. med.. Geh. Sanitäts-j Strelitz.
rath, Berlin. 1 46. Bibliothek, Stadt-, Stralsund.
19. Ash, Julius, Fabrikant, Berlin. 47. Bibliothek, Universitäts-, Greifswald.
20. Andonard, A., Major a. D., Charlotten- ! 48. Bibliothek, Universitäts-, Tübingen,
bürg. 49. Bindemann, Hermann, Dr. med , Berlin.
21. Auerbach, Richard, Kaufmann, Berlin. ; 50. Blasius, Wilhelm, Dr. phil., Prof.,
22. Bär. Adolf, Dr. med., Geh. Sanitäts- 1 Braunschweig.
rath, Berlin. , 51. Biell, Theodor, Gross-Lichterfelde bei
23. Bässler, Arthur, Dr. phil., z. Z. auf Berlin.
Reisen. 52. Bloch, Iwan, Dr. med., Berlin.
(8)
53. Blu«enthal, Dr. med., Sanitätsrath,
Berlin.
54. Boas, Franz, Dr. phil., Professor,
New York, America.
55. Boer, Dr. med., Sanitätsrath, Professor,
Rönigl. Hofarzt, Berlin.
56. Borghard, A., Fabrikbesitzer, Berlin.
57. Born, L., Dr., Prof., Corps -Ross-
arzt a. D., Berlin.
58. Braoht, Engen, Landschaftsmaler,
Professor, Berlin.
59. Braehmer, 0., Dr. med., Sanitätsrath,
Berlin.
60. Branann, v., Dr. med., Prof., Halle a. S.
61. Brand, E. v., Major a. D., Wutzig bei
Woldenberg in der Neumark.
62. Brandt, v., K. deutscher Gesandter und
bevollmächtigter Minister a. D., Wirkl.
Geheimer Rath, Exe, Wiesbaden.
63. Braaoh, F., Dr. med., Berlin.
64. Breoht, Gustav, Dr., Oberbtlrgermeister
a. D., Quedlinburg.
65. Bredow, v., Rittergutsbesitzer, Berlin.
66. Bredow, Ernst t., Retzow b. Buschow.
67. Breslauer, Heinrich, Dr. med., Prof,
Potsdam.
68. Bresier, H., Dr. med , Oberarzt, Frei-
burg i. Schlesien.
69. Brösike, G., Dr. med., Berlin.
70. BmchMann. K., Dr. phil., Berlin.
71. BHiokner sen., Dr. med., Rath, Neu-
Brandenburg.
72. Bmnnenann, Karl, Justizrath. Stettin.
73. BHOhbolz, Rudolf, Gustos des Märki-
schen Provinzial-Moseums, Berlin.
74. Birgerschirie. staatliche, höhere mit
Latein-AbtheiluDg, Cuxhaven.
75. Blitow, H., Geh. Rechnungsrath, Berlin.
76. BMoh, Friedr., Dr. med., Prof., Berlin.
77. Bnsohan, G., Dr. med. et phil., Kaiserl.
Marine-Assistenzarzt a. D., Stettin.
78. Basse, Hermann, Werkmeister, Berlin.
79. Cahnhein, 0., Dr. med., Dresden.
80. Castan, Gustav, Berlin.
81. Castan, Ix)uis, Besitzer des Panopti-
cums, Berlin.
82. Cobn, Alex. Meyer, Banquier, Berlin.
83. Cordel, Oskar, Schriftsteller, Haiensee.
84. Croner, Eduard, Dr. med.. Geh.
Sanitätsrath, E^rlin.
85. DafÜs, Ludwig, Kaufmann, Rom.
86. Da«es, W., Dr. phil., Prof., BerUn.
87. David, Theod., vereid. Makler, Berlin.
88. Davidsohn, H., Dr. med., Berlin.
89. Delome, D., ausserord. Gesandter u.
Minister der Republik Haiti, Berlin.
90. Dieroks, Gustav, Dr. phil., Steglitz.
91. Dieseldortr, Coban, Guatemala.
92. Dlttmer, Ludwig, Dr. m(>d., Berlin.
93. Dönhoir-FriedHohstein, Graf, Friedrich-
stein bei Löwenhagen, Ostprenssen.
94. Dönitz, W., Dr. med., Prof., Steglitz b.
Berlin.
95. Dörpfeld, Wilh., Dr. phil., Prof, Erster
Secretär des Kaiserl. Deutschen
Archäologischen Instituts, Athen.
96. Dottl, Regierungs-Baumeister, Berlin.
97. Dziediiozieoky, Graf, I^emberg, Galizien.
98. Ehlers, Dr. med., Berlin.
99. Ehrenhaus, S., Dr. med., Sanitätsrath,
Berlin.
00. Ellis, Havelock, Carbis Water, Lelant
Cornwall, England.
01. Ende, H., Königl. Bauruth, Geb. Re-
gierungsrath Prof, Berlin.
02. Engel, Hermann, Dr. med., Berlin.
03. Eperjesy, Albert von, k. k. Oesterr.
Kamroerherr u. Botschaflsrath, Rom.
04. Erekert, Roderich v., Generallieut-
nant a. D., Exe, Berlin.
05. Erdmann, Max, Gymnasiallehrer, Mün-
chen.
06. Ewald, Ernst, Professor, Director des
k. Kunstgewerbe-Museums, Berlin.
07. Eysn, Marie, Fräulein, Salzburg.
08. Fasbender, H., Dr. med., Professor,
Berlin.
09. Felkin, Robert W., Dr. med., VAm-
buiig.
10. Feyerabend, Dr. phil, Görlitz.
1 1 . Finokli, Theodor, Kaufmann, Stuttgart
12. Fina, W., k. Translator, Berlin.
13. FIseiier, Karl, Dr. med., Lenzen a. E.
14. Fiselier, Wilhelm, Dr. phil., Real-
gymnasialdirector a. D., Bemburg.
15. FIseiief, Louis, Rentier, Berlin.
16. Flaesohendraofer, Fabrik - Director,
Wansleben.
117. Fleitaiann, Theodor, Dr. phil.. Com-
merzienrath. Iserlohn.
(»)
118. Fliedner, Carl, Dr. med., Monsheim
b. Worms.
119. Flor8ohUtz, Dr. med., Gotha.
120. Förtsoh, Major a. D., Dr. phil.,
Halle a. S.
121. Fränkel, Bernhard, Dr. med., Prof.,
Geh. Medicinalrath, Berlin.
122. Freund, G. A., Dr. ptiil, Berlin.
123. Friedel, Ernst, Geh. Regierungsrath,
Stadtrath, Berlin.
124. Frlederlch, Dr. med., Ober -Stabs-
arzt a. D., Dresden.
125. Friedländer, Immanuel, stud. min.,
Berlin.
126. Friedrich, Woldemar, Maler, Prof.,
Berlin.
127. Frisch, A., Druckereibesitzer, Berlin.
128. Frltsch, Gustav, Dr. med., Prof., Geh.
Medicinalrath, Berlin.
129. Frltsch, K. E. 0., Architect, Berlin.
130. Frobenlus, Oberstlieutenant a. D.,
Charlottenbui^.
131. Fronhöfer, Kgl. Lotterie-Einnehmer,
Major a. D., Berlin.
132. Fiirstenheln, Ernst, Dr. med., Sanitäts-
rath, Berlin.
133. Gaedcke, Karl, Ober-Lehrer, Salz-
wedel.
134. Geeeniue, F., Stadtältester, Director
des städtischen Pfandbriefamts, Geh.
Kegierungsrath, Berlin.
135. Giebeler, Carl, Ingenieur, Gross-
Lichterfelde.
136. Glogner, Dr. med., Stadsgeneesheer,
Sanferang, Java.
137. GSrfce, Franz, Raufmann, Berlin.
138. Bo%s, Apotheker, Soldin.
139. Götz, G., Dr., Obermedicinalrath, Neu-
Strelitz.
140. G5tze, Alfred, Dr. phil., Berlin.
141. Goldeohnldt, Heiiir., Banquier, Berlin.
142. Goldsehniidt, Leo B. H., Banquier, Paris.
143. Goldeohnldt, Oscar, Dr. jur., Char-
lottenbTirg.
144. Goldeticker, Eug.,Yerlagsbuchhändler,
Berlin.
145. Gotteohalk, Sigismund, Dr. med.,
Berlin.
146. GrawHz, Paul, Dr. med., Professor,
Greifswald.
47. Grempler, Wilhelm, Dr. med.. Geh.
Sanitätsrath, Breslau.
48. Grosemann, Adolf, Dr. med., Sanitäts-
rath, Berlin.
49. Grossmann, Louis, Rabbi, Temple
Beth El, Detroit, Mich., America.
50. Grubert, Dr. med., Palkenberg, Pom-
mern.
51. GrUnwedel, Albert, Dr. phil., Prof.,
Directorial - Assistent am königl.
Museum f. Völkerkunde, Priedenau b.
Berlin.
52. Gubltz, Erich, Dr. med., Breslau.
53. Günther, Carl, Photograph, Berlin.
54. GUterbock, Bruno, Dr. phil., Berlin.
55. Giiterbook, Paul, Dr. med.. Geheimer
Medicinalrath, Professor, Berlin.
56. Gusserow, A., Dr. med., Geh. Medi-
cinalrath, Prof., Berlin.
57. Guthknecht, Gustav, Maler, Berlin.
58. GatMann, Max, Regierungs - Bau-
meister, Berlin.
59. Gutznann, H., Dr. med., Berlin.
60. Haacke, Dr. med , Sanitätsrath, Stendal.
61. Haerche, Bergwerks-Director, Fran-
kenstein, Schlesien.
62. Hagenbeok, Karl, Thierhändler, Ham-
burg.
63. Haha, Eduard, Dr. phil., Berlin.
64. Hahn, Eugen, Dr. med.. Geh. Sanitäts-
rath, Prof., Director am allgem. städt.
Krankenhause Friedrichshain, Berlin.
65. Handtmann, E., Prediger, Seedorf bei
Lenzen a. Elbe, Westpriegnitz.
66. Hansemann, David, Dr. med., Privat-
docent, Prosector am Krankenhause
Friedrichshain, Berlin.
67. Hansemann, Gustav, Rentier, Berlin.
68. Harok, F., Dr. phil., Seusslitz bei
Priestewitz, Königr. Sachsen.
69. Hardenberf, Froitierr v., Majoratsherr in
Schlöben b. Roda, Sachsen-Altenburg.
70. Harsel«, Wirkl. Geheimer Kriegsrath,
Berlin.
71. Hartmann, Herrn., Dr. phil., Prof.,
Landsberg a. W.
72. Hartwich, Karl, Dr. phil, Professor,
Zürich.
73. Hattwich, Emil, Dr. med., Sanitätsrath,
Berlin.
(10)
174. Haucheooriie,W., Dr. phil, Geh.Berg- 205. Jaha, Ulrich, Dr. phil., Charlotten-
rath, Director d. k. Bergakademie, borg.
Berlin. 206. Jtimasoh, R, Dr. jur. et. phil., Vor-
175. Heck, Dr. phil., Director des zoo- sitzender des Vereins für Handels-
logischen Gartens, Berlin. geographie, Berlin.
176. Heimann, Ludwig, Redacteur, Berlin. 207. Jaquet, Dr. raed.. Geh. Sanitätsrath,
177. Heintzel, C, Dr., Lüneburg. | Berlin.
178. Helir, Albert, Rechtsanwalt, Frank- 208. Jentsch, Hugo, Dr. phil., Prof., Guben,
fürt a. M. 209. Jelly, Dr. med., Prof., Geh. Medi-
179. Helir, Pfarrer, Allendorf bei Weil- cinalrath, Berlin.
bürg. 210. Jürgene, Rud., Dr. med., Gustos am
180. Hellmann, Gustav, Dr. phil., Professor, Pathologischen Institut, Berlin.
Berlin. 211. Kahlbaam. Dr. med., Sanitätsrath,
181. Henning, Louis, Employo, Antwerpen. Director, Görlitz.
182. Henning, R., Dr. phil., Prof., Strass- 212. Kallsolier, G., Dr. med., Berlin,
bürg im Elsass. 213. Kandt, Richard, pract. Arzt, Berlin.
183. Herz, Dr. jur., Kammergerichts- ! 214. Katz, Otto, Dr. med., Gharlottenburg.
Assessor, Berlin. 215. Kaufinann, Richard v., Dr. phil., Prof.,
184. Hesselbarth, Georg, Dr. med., Berlin.! Geh. Regierungsrath, Berlin.
185. Heyden, August v., Maler, Prof., Berlin. , 216. Kay, Charles de, General-Consul der
Berlin. Vereinigten Staaten von America,
186. Hiigendorf, F., Dr. phil., Professor, | Berlin.
Gustos am königl. Museum f. Natur- 217. Keller, Paul, Dr., Berlin,
künde, Berlin. 218. Kerb, Moritz, Kaufmann, Berlin.
187. Hllle, Dr. med., Strassburg im Elsass. 219. KirchbolT, Dr. phil., Piof., Giebichen-
188. Hirschberg^Julius, Dr. med., Professor, stein bei Halle a. S.
Geheimer Medicinalrath, Berlin. 220. Klaar, W., Kaufmann, Berlin.
189. Hirsohfeld, Paul, Schriftsteller, Berlin. 221. Klas, Pfarrer, Burg-Schwalbach bei
190. Holder, v., Dr. med., Ober-Medicinal- Zollhaus.
rath, Stuttgart. 222. Klein, William, Nürnberg.
191. Höner, F., Zahnkünstler, Berlin. 223. Klemm, Dr. phiL, Berlin.
192. Hom, 0., Dr. med., Kreisphysicus, 224. Kooh, Robert, Dr. med., Prof., Geh.
Tondem. Medicinalrath, Berlin.
193. Hülsen, Karl, St. Petersburg. 225. KiMiler, Dr. med., Posen.
194. Hnmbert, Unterstaatssecretär, Berlin. 226. Kofier, Friedrich, Rentier, f)armstadt.
195. Ideler, Dr. med., Geh. Sanitätsrath, 227. Kollm, Hauptmann a. D., General-
Wiesbaden. Secretär der Gesellschaft für Erd-
196. isaac, Julius, Commerzienrath, Berlin. künde, Berlin.
197. Israel, Oskar, Dr. med., Prof., Berlin. 228. Konicki, Julius, Rentier, Berlin.
198. Itzig, Philipp, Berlin. 229. Korth, Karl, Hotelbesitzer, Charlotten-
199. Jaoobsen, Adrian, SchifTs-Capitän a.D., bürg.
Dresden. 230. Kotsinna, Gustaf, Dr. phil., Biblio-
200. Jaoobsthal, £., Geh. Regierungsrath, thekar, Berlin.
Prof., Charlottenburg. 231. Kraaee, Eduard, Conservator am
201. Jaonbowtki, Apothekenbesitzer, F'rau- Königl. Museum für Völkerkunde,
Stadt i. P. Berlin.
202. Jinloke, Ernst, Kaufmann, Gross- 232. Krame, Hermann, Dr. med., Prof.,
Lichterfelde. Berlin.
203. JalTi, Benno, Dr. phil., Berlin. 233. Krause, Wilhelm, Dr. med., Prof.,
204. Jagor Fedor, Dr. phil., Berlin. Berlin.
234. Krehl, Gastav, Kaufmann, Berlin. ' 267. Lewin, Moritz, Dr. phil., Berlin.
235. Kretschmer, Paul, Dr. phil., Berlin. [ 268. Liebe, Th., Dr. phil., Prof., Berlin.
236. Krien, F., Consul, SeuL Korea. |269. üebermanii, P. t., Dr. med., Berlin.
237. Kroner, Moritz, Dr. med., Sanitätsrath, ! 270. Uebemann, Felix, Dr. phil, Berlin.
Berlin. |271. Uebemann, Karl, Dr. phil., Prof.
238. Kronthal, Karl, Dr. med , Berlin. I Berlin.
239. KSnne, Karl, Charlottenburg. 272. Liebreich, Oscar, Dr. med., Prof, Geh-
240. Kurtz, F., Dr. phü., Prof, Gordoba, ' Medicinalrath, Berlin.
Repüblica Argentina. 273. Llndenschmit, Dirigent des Genna-
241. Käthe, Dr. med., Oberstabsarzt,, nischen Museums, Mainz.
Prankfurt a. M. 274. LIseauer, Dr. med., Sanitätsrath, Berlin.
242. Kottner, Ludwig, Kaufmann, Berlin, j 275. Low, E., Dr. phil., Oberlehrer, Berlin.
243. Lachnann, Georg, Kaufmann, Berlin. | 276. Löwenheim, Ludw., Kaufmann, Berlin.
244. Laohmann, Paul, Dr. phil., Fabrik- 277. Lucae,Dr.med., Prof, Geh.Medicinal-
besitzer, Berlin. rath, Berlin.
245. Lahr, Dr. med., Prof, Geh. Sanitäts- 278. Ludwig, H., Zeichenlehrer, Berlin,
rath, Zehlendorf. 279. Lohe, Dr. med., Oberstabsarzt, Königs-
246. Landau, H., Banquier, Berlin. berg i. Pr.
247. Undatt,W., Freiherr?., Dr. phil., Berlin. 280. Lihrsen, Dr., Kaiserl. Deutscher Mi-
248. Lang, Carl Eugen, Blaubeuren. nister-Resident, Santa Fe de Bogota,
249. Lange, Julius, Versicherungs-Director, Colombia.
Potsdam. 281. Lueohan, P. v., Dr. med. et phil.,
250. Langen, Königl. Baurath, Berlin. Dir.- Assist, am kgl. Museum f. Völker-
251. Langen, A., Capitain, Porto Delgado, künde, Privatdocent, Friedenau.
San Miguel, Azoren. 282. Maas, Heinrich, Kaufmann, Berlin.
252. Langenmayr, Paul, Rechtsanwalt, 283. Maas, Julius, Kaufmann, Berlin.
Pinne, Prov. Posen. 284. Maass. Kai'l, Dr. med., Oberstabs-
253. Langerhane, P., Dr. med., Stadtver- arzt a. D., Berlin.
ordneten- Vorsteher, Berlin. 285. Madsen, Peter, Baumeister, Berlin.
254. Langerhans. Robert, Dr. med., Prof., 286. Magnus, P., Dr. phil., Prof., Berlin.
Prosector am Krankenhause Moabit. 287. Majewski, Erasm., Dr. phil., Warschau.
255. Langner, Otto, Dr. med., Berlin. 288. Mankiewicz, Otto, Dr. med., Berlin.
256. Lasohke, Alexander, Kais. Bankbuch- 289. Marcuse, Dr. med.. Geh. Sanitätsrath,
halter, Berlin. Berlin.
257. Lassar, O., Dr. med., Prof, Berlin. 290. Marcuse, Louis, Dr. med., Berlin.
258. Lazarus, Moritz, Dr. phil., Prof., Geh. 291. Marcuse, Siegb., Dr. med., Sanitätsrath,
Regier ungsrath, Berlin. Berlin.
259. Le Coq, Albert v., Dr., Darmstadt. 292. MarggralT, A., Stadtrath, Berlin.
260. Lehmann, Carl F., Dr. jur. et phil., 293. MarimonyTudö, Seb., Dr. med., Sevilla.
Privatdocent, Berlin. 294. Marlene, E. v., Dr. phil., Prof., Zweiter
261. Lehmann -Nitsohe, R., Dr. med. et Director der zoolog. Abthlg. des kgl.
phil., Berlin. Museums für Naturkunde, Berlin.
262. Lehnerdt, Dr. med., Geh. Sanitätsrath, 295. Martin, A. E., Dr. med., Professor,
Berlin. Berlin.
263. Lemcke, Dr. phil., Prof, Gymnasial- 296. Martin, Rudolf, Dr. med., Docent für
Director, Stettin. Anthropologie, Zürich.
264. Lemke, Elisabeth, Fräulein, Berlin. 297. Ma9ka,KarlJ.,Oberrealschul-Director,
265. Leo, F. A., Dr. phil., Prof, Berlin. Teltsch, Mähren.
266. Leonhardi, Moritz Freiherr v.. Gross- 298. Matz, Dr. med., Stabsarzt, Steglitz.
Karben, Grosshci-zogthum Hessen. 299. Maurer, Hermann, Revisor, Berlin.
(12)
^üO. Meitzen, Augast, Dr., Prof., Geh. Re- 332. Obst, Dr. med , Director des Museums
giemngsrath, Berlin. für Völkerkunde, Leipzig.
501. Hendel, E., Dr. med., Prof., Berlin. 333. Oesten, Gustav, Ober - Ingenieur.
302. Menger, Henry, Dr. med., Medicinal- Berlin.
rath, Berlin. 334. Ohnefalsch -Richter, Max, Dr. phil.,
303. Menzel, Dr. med., Charlottenburg. z. Z. auf Reisen in Africa.
304. Merke, Verwaltungsdirector des städt. 335. Olshaosen, Otto, Dr. phil., Berlin.
Krankenhauses Moabit, Berlin. 336. Oppenheim, Max, Freiherr v., Dr. jur..
305. Meyer, Alfred G., Dr. phil, Prof., Regierungsassessor, Cairo.
Director, Berlin. 337. Oppenheim, Paul, Dr. phil, Charlotten-
306. Meyer, Ferdinand, Bankier, Berlin. bürg.
307. Meyer, Richard M., Dr. phil, Berlin. 338. OppersdorfT, Graf, Schloss Oberglogau,
308. Michel, Gustav, Dr. med., Wechmar Schlesien.
b. Gotha. 339. Oppert, Gustav, Dr. phil, Prof , Berlin.
301». Mielke, Robert, Zeichenlehrer und 340. Orth, A., Dr. phil, Prof., Geh. Re-
iSchriftsteller, Berlin. gierungsrath, Berlin.
olO. Mies, Josef, Dr. med., Cöln a. Rhein. 341. Osbcme, Wilhelm, Rittergutsbesitzer,
311. Minden, Georg, Dr. jur., Syndikus des Blasewitz b. Dresden.
städt. Pfand briefamts, Berlin. 342. 0ske,Ern8t, Vereidigter Makler, Berlin.
312. Mübliis, Dr. phil, Prof., Geh. Re- 343. Ossoividzki, Dr. med., Sanitätsrath,
gierungsrath, Director d. zoologischen Oranienburg, Reg.-Bez. Potsdam.
Abtheiiung des kgl Museums für 344. Palm, Julius, Dr. med., Berlin.
Naturkunde, Berlin. 345. Passow, Dr. med., Prof., Heidelborg.
313. Möller, Armin, Lehrer, Weimar. 346. Panli, Gustav, Berlin.
314. Möller, H., Dr., Professor, Berlin. 347. Pelser, Felix, Dr. phil, Privat-Docent,
315. Moser, Hofbuchdrucker, Charlotten- Königsberg i. Pr.
bürg. 348. Petermann, Georg, Apotheker, Burg
316. Möwes, Dr. phil, Berlin. im Spreewalde.
317. Morwitz, Martin, Rentier, Berlin. 349. Pflogmacber, E., Dr. med., Genend-
318. Moses, S., Dr. med., Sanitätsrath, Berlin. arzt a. D., Potsdam.
319. Möller, Erich, Geh. Regierungsrath, 350. PftoW, F., Dr. phil, Professor, Posen,
vortragender Rath im Unterrichts- 351. Philip, P., Dr. med., Berlin,
ministerium. Berlin. 352. Philipp, Paul, Dr. med., Rreisphysikus,
320. MOIIer-Beeok, Georg, Kais. Deutscher Berlin.
Consul, Nagasaki, Japan. 353. Plnckemelle. W., Dr. med., Breslau.
321. Mönsterberg, Oscar, Dr. phil , Berlin. 354. Plnkns, Felix, Dr. med., Breslau.
322. Mützel, Hans, Historienmaler, Berlin. 355. Pippow, Dr. med., Regiemngs- und
323. Miuik, Hermann, Dr. med., Prof., Medicinalrath, Erfurt.
Berlin 356. Placzek, S., Dr. med., Berlin.
324. Musenm, Bernstein-, Stantien und 357. Pdakowsky, Dr. phil, Berlin.
Becker, Königsberg i. Pr. 358. Poll, Heinrich, stud. med., Berlin.
325. Mnseum für Völkerkunde, Leipzig. 359. Ponflok, Dr. med., Prof., Geh. Medi-
32^). Museum. Provinzial-, Halle a. S. cinalrath, Breslau.
327. Nehring, A , Dr. phil, Prof., Berlin. 360. Posner, C, Dr. med., Prof., Berlin.
32«. Nenhauss. Richard, Dr. med., Berlin. 361. Preuss, Theodor, Dr. phil, Berlin.
329. Neumann, Oscar, Berlin. 362. Proohno, Rath s - Apotheker, Garde-
330. Neumayer, G., Dr. phil, Wirkl Geh. legen.
Admiralitätsruth, Prof., Director der 363. Pwlll, H., Baudirector, Prag,
deutschen Seewarte, Hamburg. 364. RabURIckhard , H., Dr. med., Prof..
3:U. Nothnagel, .V., Prof., Hofmaler, Berlin. Oberstabsarzt a.D., Berlin.
13)
0
365. Railenaoher, C, Lehrer, Cöln a. Rh. 1397. Sobauenburg, Dr. jur., Regierungsrath.
366. Reich^ Max, Dr. med., Stabsarzt Berlin.
der Marine, Berlin. 398. Sohedel, Joseph, Apotheker, Yoko-
367. Reichenheim, Ferd., Berlin. hama, Japan.
368. Reinedce, Paul, stud. med., Mtinchen. | 399. Sohellhae, P., Dr. jur, Amtsrichter.
369. Reineolie, Major a. D., Berlin. | Steinan a. d. Oder, Schlesien.
370. Reiiiharclt,Dr.phil.,Oberlehrer,Rector, |400. Sohlemn, Julie, Fräulein, Berlin.
Berlin. 401. Sohlesinger, H., Dr. med., Sanitäts-
37 1 . Reiss, Wühelm, Dr. phil., Geh. Regie- rath, Berün.
rungsrathySchlossKönitz^Thüringen). 1402. Sohnidt, Colmar, Landschaftsmaler^
372. Renall, E. J., Dr. med., Professor,! Berlin.
Berlin. |403. Sohnidt, Emil, Dr. med., Professor,
373. Rlohter, Berth., Banquier, Berlin. | Leipzig.
374. Riohthofen, F., Freiherr v., Dr. phil. J 404. Sohnidt, Henry, Dr. phil., Linden,
Prof., Oeh. Regierungsrath, Berlin. Hannorer.
375. Riedel, Bemh., Dr. med., Berlin. 405. Sohnidt, Max C. P., Dr. phil., Prof.,
376. Riedel, Paul, Kaufmann, Oranienburg. Berlin.
377. Ritter, W., Banquier, Berlin.
378. Robel, Ernst, Dr. phil., Oberlehrer,
Gross-Lichterfelde.
406. Sohnidt, Oscar, Dr. med., Berlin.
407. Sohneil, Apotheken-Besitzer, Berlin.
408. Sohöler, H., Dr. med., Professor, Geh.
379. R8okl, Geoiig, Regierungsrath am| Medicinalrath, Berlin.
Kaiserl. Gesundheitsamt Berlin. |409. Sohöne, Richard, Dr. phil., Wirkl.
380. Röhl, V., Dr. jur., Assessor, Berlin. Geh. Ober-Regierungsrath, General*
381. R5sler, E, Gymn.-Lehrer, Schuscha, , director der Rönigl. Museen, Berlin.
Kaukasus. 410. Sohönltnk, William, General-Consul
382. Rosenkranz, H., Dr. med., Berlin. der Republiken San Salvador und
383. Rosenstein, Siegmund, Director, Berlin. , Haiti, Berlin.
384. Rosenthal, L., Dr. med., Sanitätsrath,! 411. SohStensaok, 0., Dr. phil., Heidelberg.
Berlin. 412. Sohytz, Carl, Bildhauer, Friedrichs-
I -
385. Rüok, D., Ansbach. hagen b. Berlin.
386. Rage, Karl, Dr. med., Sanitätsrath, 413. Sohytz, W., Dr. med., Professor, Geh.
Professor, Berlin. Regierungsrath, Rector der thierärztl.
387. Rüge, Paul, Dr. med., Sanitätsrath, Hochschule, Berlin.
Berlin. 1 414. Sohtttze, Alb., Academischer Künstler
388. Rmkwitz, Dr. med., Marine-Stabsarzt, Berlin.
auf See. 415. Sohulenburg, Wilibald y., Berlin.
389. Sanson, Alb., Banqier, Brüssel. 416. Sohultze, Oscar, Dr. med., Sanitäts-
390. Santer, Dr. med. Berlin. rath, Berlin.
391. Sander, Wilh., Dr. med.. Geh. Medi- 417. Sohultze, Wilhelm, Dr. med., Sanitäts-
cinalrath, Director, Dalldorf bei rath, Stettin.
Berlin. 418. Sohnitze, Premier-Lieutenant, Berlin.
392. Sander, Marine-Stabsarzt a. D, Wind- 419. Sohultze, Rentier, Berlin.
hoek, Deutsch-Süd -West-Africa. 420. Sohunann, Hugo, praktArzt, Löcknitz,
393. Sarasin, Fritz, Dr. phil., Basel. Pommern.
394. Sarasin, Paul, Dr. phil., Basel. 421. Sohwabaoher, Adolf, Banquier, Berlin.
395. Sanrna-Jeltsoh, Freiherr v., Exe, 422. Sohwartz, Albert, Hof- Photograph,
Wirkl. Geh. Rath, Kaiserl. Deutscher Berlin.
ausserordentlicher und be?ollmäch- 423. Sohwartz, W., Dr. phil., Prof., Gym-
tigter Botschafter, Gonstantinopel. nasialdirector. Geh. Regierungsrath,
396. SavUle, Marshall H., New York. Berlin.
(1*)
424. Schwarzer, Dr., Grabenbesitzer, Zilms- 453. Strauch, Curt, Dr. med., Heidelberj^
dorf bei Teuplitz, Kr. Sorau. 454. Strebet, Hermann, Kaufmann, Ham-
425. Schweinfürth, Georg, Dr. phil., Prof., bui^g, Eilbeck.
Berlin, z. Z. auf Reisen. 455. Strecker, Albert, Ranzleirath, Soldin.
42<i. Schweinitz, Graf V., Premierlieutenant, 45G. Struck, H., Dr. med.. Geh. Ober-
Berlin. Regiemngsrath, Berlin.
427. Schweitzer, Dr. med., Daaden, Kreis 457. Stucken, Eduard, Berlin.
Altenkirchen. 458. Stuhlmann, Dr. med.. Dar es Salam.
428. Schwerin, Ernst, Dr. med., Sanitätsrath, 459. Tänzer, Dr. med. Charlottenburg.
Berlin. 460. Tappeiner, Dr. med., Hofrath, Schloss
429. Seiberg, Emil, Kaufmann, Berlin. Reichenbach, Meran.
130. Seier, Eduard, Dr. phil., Assistent am 461. Taubner, Dr. med., Allenbei^g bei
kgl. Museum für Völkerkunde, Privat- Wehlau.
docent, Steglitz b. Berlin. 462. Teige, Paul, Hof-Juwelier, Berlin.
431. Siebold, Heinr. v., Yokohama, Japan. 463. Thomer, Eduard, Dr. med., Sanitäts-
432. Siegmund, Gustav, Dr. med.. Geh. rath, Berlin.
Sanitätsrath, Berlin. 464. Thunig, Amtsrath, Breslau.
433. Siehe, Dr. med., Sanitätsrath, Kreis- 465. Tinann, F., Dr. med., Divisionsarzt
physicus, Calau. Stettin.
434. Siemering, R., Prof., Bildhauer, Berlin. 466. Titel, Max, Kaufmann, Berlin.
4S:j, Siemeen, Palm, kais. deutscher Consul, 467. Toimatschew, Nicolaus, Dr. med., Prof..
Makassar. Kasan, Russland.
436. Sierakowski, Graf Adam, Dr. jur., 468. T»rök, Aurel v., Dr. med., Prof., Di-
Waplitz bei Altmark, Westpreussen. rector des anthropologischen Mu-
437. Sieekind. Louis J., Rentier, Berlin. seums, Budapest.
43>s. Simon, Th., Banquier, Berlin. 469. Tomow, Max L., Manila, Philippinen.
439. Sökeland, Hermann, Berlin. 470. Treichei, A., Rittergutsbesitzer, Hoch-
440. Somnierfeld, Sally, Dr. med., Berlin. Paleschken b. Alt-Kischau, Westpr.
441. Sonnenburg, Dr. med., Prof., Director 471. Uhle, Max, Dr. phil, Kötzschenbroda,
am Krankenhause Moabit, Berlin. z. Z. auf Reisen.
442. Spitzly, John H., pensionirter OfBcier 472. Unlaufr, J. P. G., Naturalienhändler,
van gezondheid L Kl, London. Hamburg.
443. Staudinger, Paul, Naturforscher, Berlin. 473. Urach, Fürst von, Carl, Graf von
444. Stechow, Dr. med., Oberstabsarzt, Württemberg, Stuttgart.
Berlin. 474. Vasel, Gutsbesitzer, Beyerstedt b.
445. Steinen, Karl von den, Dr. med. et Jerxheim.
phil., Professor, Neu-Babelsberg bei 475. Verein, anthropologischer, (Coburg.
Potsdam. 476. Verein, anthropologischer, Hamburg-
44 H. Steinen, Wilhelm von den, Maler, Altona, Hamburg.
Gross-Lichterfelde. 477. Verein der Alterthumsfreunde, Genthin.
447. Steinthal, Leop., Banquier, Steglitz. 478. Verein für Heimathskunde, Mfinche-
448. Steinthal, H., Dr. phil., Professor, bei^.
Berlin. 471K Verein, historischer, Brombei^.
449. Stephan, Georg, Mühlen - Besitzer, 480. Verein, Museums-, Lünebui^g.
Lichterfelder Buschnr.üble bei Sali- 481. Vlrobow, Hans, Dr. med., Professor,
gast, Kr. Luckau. Berlin.
450. Stephan, J., Buchhändler, Berlin. 482. Vlrobow, Rudolf, Dr. med., Prof.,
451. Stdtzenborg, R. v., Luttmersen bei Geh. Medicinalrath, Berlin.
Neustadt am Rübenberge, Hannover. 483. Voeltzkow, Dr. phil., Berlin.
452. Stratoaaan, Maurermeister, Berlin. 484. Vohoen, Consul a. D., Berlin.
(15)
485. Yolborth, Dr. «ed., Sanitätsrath, Berlin. ,506. Wensieroki-Kwileoki, Graf, Wroblewo
486. VolMer, Dr. med., Geh. Sanitäterath, bei Wronke, Prov. Posen.
Berlin. 507. Werner, F., Dr. med., Geh. Sanitäts-
487. VorlSnder, H., Ritterguts - Besitzer, | rath, Berlin.
Dresden. 508. Werner, Johannes, Thierarzt, Leipzig.
488. Vorwerk, Bernhard, Schauspieler, 509. Wetzetein, Gottfried, Dr. phil., Consul
Berlin. | a. D., Berlin.
489. Voss, Albert, Dr. med., Director der 1 510. Wieohel, Hugo, Betriebs -In«pector
vaterländischen Abtheilung des kgl. ' der sächsischen Staatsbahn, Chemnitz.
Museums für Völkerkunde, Berlin. 511. Wllke, Theodor, Kentier, Guben.
490. Wacker, H., Oberlehrer, Berlin. |512. WllskI, H., Director, Gross-Lichter-
491. Wagner, Adolf, Fabrikant, Berlin. , felde bei Berlin.
492. Wahl, E., Ingenieur, Berlin. 513. Winkler, Hugo, Dr. phil., Privatdocent,
493. Waldeyer, Dr. med., Prof., Geh. Me- Deutsch -Wilmersdorf bei Berlin,
dicinalrath, Berlin. * 514. Witte, Ernst, Dr. med., Oberstabsarzt
494. Watttnbaoh, Wilhelm, Dr. phil., Prof., I a. D., Berlin.
Geh. Reg.-Rath, Berlin. 1 515. Wittgenstein, Wilhelm v., Gutsbesitzer,
495. Weber, W., Maler, Berlin. Berlin.
496. Weeren, Julius, Dr. phil., Prof., Char- ; 516. Wittmack, L., Dr. phil., Prof., Geh.
lottenbunr. Regierungsrath, Berlin.
497. Wegner, Fr., Rector, Berlin. 517. WoHT, Julius, Dr. med., Professor,
498. Wegner, Ph., Dr. phil., Gymnasial-. Berlin.
Director, Neuhaldensleben. 518. Wolff, Max, Dr. med., Prof., Berlin.
499. Welgelt, Dr., Prof., General-Secretär| 519. Wolter, Carl, Chemulpo, Korea.
des Deutschen Fischerei- Vereins, 520. Wutzer, H., Dr. med., Sanitätsrath,
Berlin. Berlin.
50t). Weinhold, Dr. phil., Prof., Geh. Re- 521. Zander, Kurt, Dr.jur., Rechtsanwalt,
gierungsrath, Berlin. Berlin.
501. Weinzlerl, Robert, Ritter von, Prag. , 522. Zechlln, Konrad, Apothekenbesitzer,
502. Welsbach, Valentin, Rentier, Berlin. , Salzwedel.
503. Weiss, H., Prof., Geh. Regierungsrath, 523. Zenker, Wilhelm, Dr. med., Kreis-
Berlin, physikus a. D., Bergquell-Prauendorf
504. Weisstein, Hermann, Reg.-Baumeister, bei Stettin.
Lechenich a. Rh. 524. ZintgrafT, Eugen, Dr. jur., Kamemn.
505. Wendeler, Paul, Oekonom u. Brauerei- 1 525. Zschlesclie, Paul, Dr. med., Erfurt
besitzer. Soldin.
(15. Februar 1897.^
Uebersicht der der Gesellschaft durch Tausch oder als
Geschenk zugehenden periodischen Veröffentlichungen.
I. Deatschland,
nach Städten alphabetisch geordnet
1. Berlin. Amtliche Berichte aus den königlichen Knnstsammlangen.
2. „ Veröffentlichungen aus dem königlichen Museum für Völkerkunde
(1 und 2 von der General-Direction der königlichen Museen).
3. ^ Ethnologisches Notizblatt. Herausgegeben Yon der Direktion des kgl.
Museums für Völkerkunde (t. d. D.).
4. ^ Zeitschrift für Erdkunde.
5. ^ Verhandlungen der Gesellschaft fUr Erdkunde.
6. ., Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen
Schutzgebieten (4—6 v. d. G. f. E.).
7. „ Jahrbuch der königlichen Geologischen Landesanstalt (v. d. G. L.).
8. ^ Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie (ron dem Hydro-
graphischen Amt der kaiserlichen Admiralität).
9. „ Verhandlungen der Berliner medicinischen Gresellschaft (v. d. B. m. G.)
10. „ Berliner Missions-Berichte (v. Hm. Bartels).
11. ^ Nachrichten für und über Kaiser Wilhelmsland und den Bismarck-
Archipel (von der Neu-Guinea-Compagnie).
12. ^ Die Flamme. Zeitschrift zur Förderung der Feuerbestattung im In-
und Auslande (v. d. Red.).
13. ^ Jahresbericht des Directors des königl. Geodätischen Instituts (durch
Hrn. R. Virchow).
14. „ Gomptes rendus des seances de la commission permanente de Tasso-
ciation geodesique internationale (durch Hm. R. Virchow).
15. ^ Mittheilungen aus der historischen Literatur.
16. „ Verwaltungsbericht über das Märkische Provinzial- Museum (v. Hrn.
C. Künne).
17. « Brandenburgia. Monatsblatt und Archiv der Gesellschaft für Heimaths-
kunde der Provinz Brandenburg zu Berlin (v. d. G. f. H.).
18. ^ Verhandlungen des deutschen Geographentages.
19. „ Sonntags-Beilage der Vossischen Zeitung (18 u. 19 v. Hm. C. Künne).
20. ^ Zeitschrift des Vereins für Volkskunde (v. d. V. f. V.).
21. ^ Deutsche Kolonial -Zeitung, Jahresbericht und Mittheilun^en aus der
Abtheil. Berlin der deutschen Kolonial-Gesellschaft (v. d. d. K.-G.).
22. „ Naturwissenschaftliche Wochenschrift (v. d. Red.).
23. ^ Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde.
24. ^ „Afrika*^. Herausgegeben vom evangelischen Afrika -Verein (23 u. 24
V. Hm. Bartels).
25. ., Zeitschrift für afrikanische und oceanische Sprachen (v. d. Red.).
(17;
26. Bonn. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfrennden (v. d. V. v. A.).
27. Brandenburg a. d. H. Jahresberichte des Historischen Vereins (v. d. H. V.).
28. Braunschweig. Archiv fttr Anthropologie (v. Hm. Priedr. Vieweg& Sohn).
29. ^ Globus. lUustrirte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde (v. Hnu
C. Künne).
30. yf Braunschweigisches Magazin.
31. „ Harzer Monatshefte (v. d. Red.).
32. Bremen. Deutsche Geographische Blätter.
33. „ Jahresberichte des Vorstandes der Geographischen Gesellschaft (32 u. 33
V. d. G. G.).
34. „ Abhandlungen, herausgegeben von dem naturwissenschaftlichen Verein
(v. d. Red.).
35. Breslau. Schlesien's Vorzeit in Bild und Schrift (v. d. Museum Schlesischer
Alterthümer).
36. Bromberg. Jahrbuch der historischen Gesellschaft ftir den Netze-Districi
(v. d. h. G.).
37. Cassel. Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins für Hessische Geschichte
ond Landeskunde.
38. „ Zeitschrift des Vereins f. H. G. u. L. (37 u. 38 v. d. V. f H. G. u, L.).
39. Co 1 mar (Elsass). Bulletin de la Soci^te d'histoire natarelle (v. d. S.).
40. Crefeld. Berichte des Crefelder Museums-Vereins (v. d. M.-V.).
41. Dan zig. Bericht über die Verwaltung der naturwissenschaftlichen, archäo-
logischen und ethnologischen Sammlungen (v. d. Westpr. Prov.-Mus.).
42. „ Schriften der Naturforschenden Gesellschaft (v. d. N. G.).
43. Dessau. Mittheilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Alter-
thumskunde (v. d. V.).
44. Dresden. Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen
Gesellschaft Isis (v. d. G. L).
45. „ Jahresberichte des Vereins für Erdkunde (v. d. V. f. E.).
46. El hing. Bericht über die Thätigkeit der Elbinger Alterthams- Gesellschaft
(v. d. A.-G.).
47. Emden. Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische
Alterthümer (v. d. G.).
48. Erfurt. Mittheilungen des Vereins für die Geschichte und Alterthumskunde
von Erfurt (v. d. V.).
49. Giessen. Mittheilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins (v. d. 0. G.).
50. Görlitz. Neues Lausitzisches Magazin (v. d. Oberlausitzischen Gesellschaft
der Wissenschaften).
51. „ Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der
Oberlausitz (v. d. G.).
52. Gotha. Dr. A. Petormann's Mittheilungen aus Justus Perthes' Geographischer
Anstalt (v. Hm. C. Künne).
53. „ EIrgänzungshefte zu 52 (werden angekauft).
54. Greif swald. Jahresberichte der Geographischen Gesellschaft (v. d. G. G.).
55. , „ Jahresberichte der Rügisch-Pommerschen Abtheilung der Gesellschaft für
Pommersche Geschichte und Alterthumskunde (v. d. G. f. P. G. u. A.).
56. Guben. Mittheilungen der Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie
und Urgeschichte (v. d. N. G. f. A. u. U.).
57. Halle a. S. Mittheilungen des Vereins für Erdkunde (v. d. V. f. E.).
58. „ Mittheilungen aus dem Provinzial-Museum der Prov. Sachsen (v. d. Pr.-M.).
VerbandL der Berl. Anibropol. OeselUehaft 1897. 2
(18)
59. Halle a. S. Photographische Randschau (v. d. Freien Photogr. Vereinigung in
Berlin).
60. Hamburg. Verhandlungen des Vereins für Naturwissenschaftliche Unter-
haltung (v. d. V. f. N. ü.).
61. Hannover. Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft (v. d. G. G.).
62. „ Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen (v. d. V.).
63. Jena. Mittheilungen der Geographischen Gesellschaft (für Thüringen) zu
Jena (v. d. G. G.).
64. Kiel. Mittheilungen des Anthropolog. Vereins in Schleswig-Holstein (v. d. A.-V.).
65. „ Bericht des Schleswig- Holsteinischen Museums yaterländischer Alter-
thümer (v. d. M.)
66. Königsberg i. Pr. Sitzungsberichte der AlterthumsgeselLschaft Prussia (v. d.
A.-G. P.).
67. ^ Schriften der Physikalisch-Oekonomischen Gesellschaft (v. d. Ph.-Oe. G.).
68. Leipzig. Bericht für das Museum für Völkerkunde (y. d. M.).
69. Lübeck. Berichte des Vereins für Lübeckische Geschichte und Alterthumskunde.
70. „ Mittheilungen d. V. f. L. G. u. A.;
71. „ Zeitschrift d. V. f. L. G. u. A. (69—71 r. d. V.).
72. Lüneburg. Jahresberichte des Museums-Vereins (v. V.).
73. Mannheim. Sammlung von Vorträgen, gehalten im Mannheimer Alterthums-
Verein (t. d. M. A.-V.).
74. Metz. Jahresberichte des Vereins für Erdkunde (v. d. V. f. E.).
75. München. Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns (y. d. G. f.
A. u. U.).
76. „ Jahresberichte der Geographischen Gesellschaft (v. d. G. G.).
77. „ Monatsschrift des Historischen Vereins von Oberbayern (v. d. H. V.).
78. ^ Oberbayerisches Archiv (v. d. bist. Verein von und für Oberbayem).
79. „ Prähistorische Blätter (v. Hm. Dr. J. Naue).
80. Münster. Jahresberichte des Westfälischen Pro vinzial -Vereins für Wissen-
schaft und Kunstgeschichte (v. d. V.).
81. Neu-Brandenburg. Jahresbericht über das Museum in Neu -Brandenburg
(v. d. M.).
82. Ncu-Ruppin. Historischer Verein f. d. Grafschaft Ruppin (r. V.).
83. Nürnberg. Mittheilungen aus dem Germanischen National museum.
84. „ Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums (83 u. H4 v. d. G. N.-M.)«
85. Oldenburg (im Grossh.). Schriften des Oldenburger Vereins f. Alterthums-
kunde und Landesgeschichte (v. d. O. V.).
86. Osnabrück. Mittheilungen des historischen Vereins (v. d. h. V.).
87. Posen. Posener Archäologische Mittheilungen. Herausgegeben von der
Archäologischen Commission der Gesellschaft der Freunde der
Wissenschaften (v. d. G. d. F. d. W.).
88. ^ Zeitschrift der Historischen Gesellschaft ftlr die Provinz Posen (v. d. H. G.).
89. „ Roczniki towarzystwa Przyji nank Poznänskiego (v. d. G.).
90. Salzwedel. Jahresberichte des altmärkischen Vereins für vaterländische (be-
schichte (v. d. a. V. f. V. G.).
91. Schwerin. Jahrbücher und Jahresberichte des Vereins für Meklenburgische
Geschichte und Alterthumskunde (v. d. V. f. M. G. u. A.).
92. Speyer. Mittheilungen des Historischen Vereins der Pfalz (v. d. V.).
1>3. Stettin. Baltische Studien.
(19)
94. Stettin. Monatsblätter. Herausgegeben von der Gesellschaft für Pommersehe
Geschichte und Alterthumskunde (93 u. 94 v. d. G. f. P. G. u. A.)
95. Strassbarg (Elsass). Beiträge zur prähistorischen Archäologie (y. Hm. Forrer).
96. Stuttgart. Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte (v. d. Y.).
97. Thorn. Mittheilnngen des Coppemicus-Vereins für Wissenschaft und Kunst
98. „ Jahresberichte des Coppemicus- Vereins (97 u. 98 v. d. C.-V.).
99. Trier. Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst.
100. „ Correspondenzblatt für Geschichte und Kunst.
101. „ Limesblatt.
102. „ Jahresberichte der Gesellschaft für nützliche Forschungen (100—103
V. d. G. f. n. F.).
103. Ulm. Mittheilungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Ober-
schwaben (v. d. V.).
104. Weimar. Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie (t. Hrn. J. J. Kettler).
105. Wernigerode. Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Alterthums-
kunde (r. d. H.-V.).
106. Wiesbaden. Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und
Geschichtsforschung (v. d. V. f. N. A. u. G.).
107. Wolfenbüttel. Braunschweigisches Magazin (y. d. Red.)-
II. Earopälsches Ausland.
Nach Ländern und Städten alphabetisch geordnet
Belgien.
108. Brüssel Bulletins de TAcadömie Royale des Sciences, des Lettres et des
Beaux-Arts de Belgique.
109. „ Annuaire de TAcad^mie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-
Arts de Belgique (108 u. 109 v. d. Ac. R.).
HO. „ Bulletin de la Soci^te d'Anthropologie (v. d. S. d'A.).
111. „ Annales de la Societe d'Archeologie.
112. „ Annuaire de la Societe d^ArcheoIogie (111 u. 112 v. d. S. d'Arch.).
113. Lüttich. Bulletin de Tlnstitut archeologique Liegeois (v. d. L).
Dänemark.
114. Kopenhagen. Mcmoires de la Societe Royule des Antiquaires du Nord.
115. „ Aarböger for nordisk Oldkyndighed og Historie.
116. „ Nordiske Fortidsminder, udgevne af det Rgl. Nordiske Oldskrift Selskab
(114—116 Y. d. N. 0. S.).
117. Reikjavik (Island). Arbok hins Islenzka fomleifafelag (v. d. L f.).
Finland.
118. Helsingfors. Journal de la Societi Pinno-Ougrienne. (Suomalais-Ugrilaisen
Senran Aikakauskirja.)
119. ^ Memoires de la Societe Finno-Ougrienne. (Suomalais-Ugrilaisen Seuran
Toimituksia.)
120. „ Finska Fornminnesföreningens Tidskrift.
121. ^ Finskt Museum. Finska Fornminnesföreningens Mänadsblad.
122. ^ Suomen Museo. Suomen Muinaismuisto-Yhdistyksen Kuukauslethi.
(118—122 durch Hrn. Aspelin).
2*
(20)
Frankreich.
123. Orenoble. Bulletins de la Soeiöt^ Dauphinoise d'Ethnologie et d'Anthro-
pologie (t. d. S.)-
124. Lyon. Bolletm de la Societe d' Anthropologie (t. d. S. d'A.)
125. „ ArchiTes du Museum d'histoire naturelle (t. d. M.).
126. Paris. L'Anthropologie. (Mat^riaux pour l'histoire de Thomme, Revue
d' Anthropologie, Revue d'Ethnographie reunis.) [t. d. Verleger
Hm. Masson].
127. „ M^moires de la Societe d' Anthropologie.
128. y, Bulletins de la Society d' Anthropologie (127 u. 128 t. d. S. d'A.).
129. ^ Rerue mensuelle de TEcole d' Anthropologie (v. d. l^le d^Anthrop.).
130. „ Annales du Mus^e Quimet.
131. ^ Revue de Thistoire des religions (130 u. 131 v. d. Ministere de Vln-
struetion publique).
Griechenland.
132. Athen. AeXriOv tij5 Icrropüctj; x«l kf^yohrfixifi^ fraipiot^ rtj; 'EXXä^o; (v. d.
Historischen und Ethnologischen Gesellschaft von Griechenland).
133. „ Mittheüungen des kaiserlich - deutschen Archäologischen Institutes
(v. d. A. I.).
134. ^ Bulletin de Gorrespondance Hellenique (v. d. J^cole Fran9aise d'Athenes).
Grossbritannien.
135. Edinburgh. The Scottish Geographical Magazine (v. d. Sc. G. Society).
136. ^ Archaeologia scotica or Transactions of the Society of Antiquariea
of Scotland.
137. ^ Proceedings of the Society of Antiquaries of Scotland (136 u. 137
V. d. S.).
138. London. The Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and
Ireland (v. d. A. I.).
139. „ (Jeographical Journal (v. Hm. C. Künne).
140. ^ Reports of the North West Tribes of Canada (v. Hm. Boas).
141. ^ The Reiiquary and illustrated Archaeologist (wird angekauft).
Italien.
142. Bologna. Atti e Memorie dclla Reale Deputazione di storia patria per le
provincie di Romagna (v. d. R. D.).
143. „ Memorie della R. Accadcmia delle Scienze.
144. „ Rondiconto delle sessioni della Reale Accademia delle Scienze deir
Isütuto di Bologna (143 u. 144 v. d. R. A.).
145. Florenz. Archivio per TAntropologia e la Etnologia (v. Hm. F. Mantegazza).
146. „ Bollettino di Publica/.ione Italiane.
147. Neapel. Bollettino della Societa Africana d'Italia (v. d. S. A.).
148. Parma. BuUettino di Paletnologia Italiana (v. Hrn. L. Pigorini in Rom).
149. Rom. Atti della Societa Romana di Antropologia (v. d. S.).
150. ^ Bullottino deiristituto. Mittheilungen des Kaiserlich-Deutschen Archäo-
logischen Instituts (v. d. D. A. I.).
151. y^ Rivista geografica Italiana (v. d. Societa di studi geografici in Florenx).
152. Q Atti della Reale Accademia dei LinceL
153. « Rendiconti della Reale Accademia dei LinceL
(21)
154. Kom. Notizie degli scavi di antichita (152—154 y. d. B. A. d. L.).
155» j, Bollettino delle opere moderne e straniere.
156. Turin. Gosmos (t. Hm. G. Cora).
Luxemburg.
157. Luxemburg. Ona Hemechi Organ des Vereins fttr Luxembui^r (Je-
schichte, Literatur und Kunst (v. d. Y.).
Niederlande.
158. Haag. Bijdragen tot de Taal-, Land- en Yolkenkunde van Nederlandsch-
Indiö (v. d. Roninklijk Instituut voor de T.-, L.- en V. v. N.-I.).
159. Leiden. Internationales Archiv für Ethnographie (v. d. Kgl. Niederländischen
Cultus-Ministerium).
Norwegen.
160. Bergen. Bergens Museums Aarsberetning (v. d. Mus.).
161. Christiania. Aarsberetning fra Foreningen til Norske Fortidsmindesmerkers
bevaring.
162. „ Kunst og Handverk fra Norges Fortid (161 u. 162 v. d. Universitets
Sämling af nordiske Oldsager).
Oesterreich - Ungarn.
163. Budapest Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn
(v. d. Akademie).
164. „ Archaeologiai Ertesitö (v. d. Anthropolog.-archäologischen Gesellschaft).
165. „' Ethnologische Mittheilungen aus Ungarn (v. d. Red.).
166. Caslau. Zprdva musejuiho spolku „U^ela Öaslavska^. (Mittheilungen aus
der Musealgesellschaft „Öaslauer Biene") [v. d. U. Ö.].
167. ^ Vestnik ceskoslovanskych musei a apolku archaeologickych (v. V.).
168. „ Yeitnik i musei (v. Hm. Öermdk).
169. Hermannstadt. Archiv des. Vereins fttr Siebenbttrgische Landeskunde.
170. ^ Jahresbericht des Vereins für Siebenbttrgische Landeskunde (169 u.
170 V. d. V.).
171. Innsbruck. Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg (v. d. F.).
172. Krakau. Anzeiger der Akademie der Wissenschaften.
173. ^ Zbiör wiadomösci do antropologii krajowej.
174. „ Materialy antropologiczno-archeologiczne (172 — 174 v. d. A. d.W.).
175. Laibach. Argo, Zeitschrift fttr krainische Landeskunde (v. d. Red.).
176. „ Mittheilungen des Museal-Vereins für Krain.
177. ^ (Ljubjani.) Izvestja muzejskega drustva za Kranjsko (177 u. 178 v.
d. M.-V.).
178. Lemberg. Kwartalnik historyczny (v. d. historischen 'Verein).
179. Olmtttz. Öasopis vlasteneckeho Musejniho spolku Olomuckeho (v. d. Ke-
dacteur Hrn. Palliardi in Znaim).
180. Prag. Pamatky archaeologicke a mistopisn^ (v. d. Museum Regni Bohemiae).
181. ^ Mittheilungen des Vereins ftlr Geschichte der Deutschen in Böhmen
(V. d. V.).
182. „ Jahresbericht derLese- undRedehalle deutscher Studenten (v. d.L. u. R.).
183. „ Cesky Lid (v. d. Red.).
184. ^ Casopis Spole^nosti PMtel Staroinitnosti Öeskjch (v. d. Sp.).
(22)
185. Prag. Narodopisnd Vygtara Öeskoslovanskd (v. d. Verein). *
186. Roveredo. Atti della I. R. Accademia di Scienze, Lottere ed Arti degli
Agiati (v. d. A.).
187. Salzburg. Jahresberichte des städtischen Museum Carolino-Augusteum (t.
d. M.).
188. Triest. Atti del Museo civico di storia naturale (r. d. M.).
189. Triest. Bollettino della Societa Adriatica di Scienze natural! (v. d. S.).
190. Wien. Annalen des K. K. Naturhistorischen Hofmuseums (v. d. M.).
191. „ Mittheilungen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft (v. d. A. 0.).
192. „ Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik (v. Hm. C. Rttnne).
193. ^ Mittheilungen der prähistorischen Gommission der kaiserlichen Aka-
demie der Wissenschaften (v. d. Pr. 0).
194. „ Mittheilungen der R. K. Central -(Immission zur Erforschung und
Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale (v. d. K. R. C.-C).
195. „ Wissenschaftliche Mittheilungen aus Bosnien und der Hercegovina.
Herausgegeben Ton dem Bosnisch-Hercegovinischen Landes-Museum
in Sarajevo (v. d. L.-M.).
196. „ Zeitschrift für österreichbche Volkskunde (v. d. V. f. österr. Volksk.).
Portugal.
197. Lissabon. Boletim de la Sociedade de Geographia.
198. ^ Actas (197 u. 198 v. d. S.).
199. 9 0 Archeologo Portuguez (v. d. Museo Ethnographico Portuguez).
200. Porto. Revista de Sciencias Naturaes e Sociaes (t. d. Sociedade Carloa
Ribeiro).
Rnmänien.
201. Bucarest. Analele Academiei Romane (t. d. A.).
202. Jassy. Archiva d. Societatii sdintifice si Literare (v. d. S.).
Rnssland.
203. Dorpat Sitzungsberichte der gelehrten Estnischen Gesellschaft.
204. „ Verhandlungen der gelehrten Estnischen Gresellschaft (203 und 204
V. d. G.).
205. Ras an. Nachrichten der Gresellschaft für Archäologie, Geschichte und Ethno-
graphie (r. d. G.).
206. Moskau. Tagebuch der anthropologischen Abtheilung. [Nachrichten dar '
kaiserlichen Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften]
(t. Hm. Anutschin).
207. ^ Rawkas, Materialien zur Archäologie des Raukasus und Materialien
zur Archäologie der östlichen Gouyemements Russland's (v. d.
Moskauer k. archäolog. G.).
208. St. Petersburg. Arbeiten der Anthropol. Gesellschaft der militär-medici-
cinischen Akademie (russisch) [y. d. G.].
209. ^ Bericht d. k. Russischen Geographischen Gesellschaft (v. d. G.}.
210. Warschau. Wisla. M. Geograficzno-EtnograBczny (v. d. Red.).
Schweden.
211. Stockholm. Antiqvarisk Tidskrift for Sverige.
212. „ Teckningar ur Svenska Statens Historiska Museum.
(23)
213. Stockholm. Akademiens Mänadsblad (21 1—213 t. d. Kongl. Vitterbets Historie
og Antiqyitets Akademien).
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Artur Hazelius.
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216. „ Handlingar angaende nordiske Museet (214 — 216 v. Hm. Hazelius).
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219. „ Svenska Forenroinnesförening. Tidskrift.
220. ^ Svenska Konstminner frän Medeltiden och Renässansen (219 u. 220
V. d. G.).
221. Upsala. Nyare bidrag tili kännedom om de svenska landsmälan och srenskt
folklif.
222. ^ Litteraturacten (221 u. 222 v. d. Üniversitäts-Bibl. i. üpsala).
Schweiz.
223. Aar au. Pernschau (v. d. Mittelschweizerischen Geographisch-Commerziellen
Gesellschaft).
224. Basel. Mittheilungen aus dem ethnographischen Museum (v. d. M.).
225. Neuchätel. Bulletin de la Socicte Neuchäteloise de Geographie (v. d. S.).
226. Zürich. Anzeiger für Schweizerische Alterthumskunde.
227. „ Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft (y. d. A. G.).
228. „ Schweizerisches Archiv filr Volkskunde (v. d. Schw. Ges. f. V.).
III. America.
229. Austin. Transactions of the Texas Academy of Science (v. d. A.).
230. Boston (Mass. U. S. A.). Proceedings of the Boston Society of Natural
History (v. d. S.).
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233. ^ Boletin de la Academia Nacional (v. d. A. N.).
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235. Davenport. Proceedings of the Academy of Natural Sciences (v. d. A.).
236. Halifax (Nova Scotia, Canada). Proceedings and Transactions of the Nova-
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238. „ Anales del Museo de La Plata (237 u. 238 v. d. M.).
239. Milwaukee. Annual Report of the Board of Trustees of the Public Museum
of the City of Milwaukee (v. d. B. o. T.).
240. Philadelphia (Penn'a U. S. A.). Proceedings of the Academy of Natural
Sciences (v. d. A.).
241. „ Proceedings of the American Philosophical Society (v. d. S.).
242. San Jose (Costa Rica). Anales del Museo Nacional (t. d. M.).
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(v. d. V.).
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247. „ Annnal Report of the Canadian Institate.
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249. Washington (D. C. U. S. A.). Annual Report of the Smithsonian Institation
(v. d. S. I.).
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251. „ Annaal Report of the Bareaa of Ethnology (v. d. Bareaa of Ethnol.).
252. „ Special Papers of the Anthropological Society (v. d. S. I.).
253. „ The American Anthropologist (t. d. Anthropol. Society of Washington;.
254. „ Bulletin of the U. S. National Maseam.
255. jt Proceedings of the U. S. National Maseam (254 a. 255 t. d. Smith-
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257. ^ Notalen van de Algemeene en Bestaarsvergaderingen Tan het Bata-
?iaasch Genootschap van Kansten en Wetenschappen.
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Wetenschappen (256—258 v. d. G.).
259. Bombay. The Joamal of the Anthropological Society (v. d. S.).
260. Calcatta. Epigraphia Indica and Record of the Archaeological Sanrey of
India (v. d. Government of India).
261. Irkatsk. Mittheilangen and Denkschriften der Ostsibirischen Section der
kaiserl. Rassischen Geographischen Gesellschaft
262. ^ Berichte der Ostsibirischen Section der kaiserl. Rassischen Geogra-
phischen Gesellschaft (261 a. 262 v. d. 0. S.).
263. Seal, Korea. The Korean Repository (v. Hm. Gonsal Krien).
264. Shanghai. Joamal of the China Branch of the Royal Asiatic Society (t. d. S.).
265. Tiflis. Bericht über das kaakasische Maseam and die öfTentl. Bibliothek in
Tiilis (t. d. Maseam).
266. Tokio. Mittheilangen der deatschen Gesellschaft fQr Natar- and Yölker-
kande Ost-Asiens (v. d. G.).
267. „ The Calendar, Imperial üniversity of Japan (v. d. I. U. o. J.).
Y. Australien.
268. Adelaide. Report on the progress and condition of the ßotanic Garden.
269. Ashfield, Sidney N. S. W. The Aastralasian Anthropological Joamal (v. d.
Anthropological Society of Aastralasia).
270. Sidney. Report of the trastees of the Aastralian Maseam.
271. „ Records of the Aastralian Maseum (270 a. 271 v. d. M.).
Sitzung vom 16. Januar 1897.
Vorsitzender: Hr. R. Virchow.
(1) Statutengemäss erfolgt die
Wahl des Ansschusses für 1897.
Es wurden 46 Stimmzettel abgegeben, darunter ist einer ungültig. Die absolute
Stimmenmehrheit erhalten die HHm. Lissauer, y. Luschan, Minden, Friedel,
K. Ton* den Steinen, >Ehrenreich und v. Raufmann. Da nach §. 29 Abs. 3
der Statuten relative Stimmenmehrheit genügt, so werden auch die HHm. Söke-
land und ?. Hey den, als Träger der nächstgrössten Stimmenzahl, in den Aus-
sehuss berufen.
Das Protokoll geht zu den Acten. —
(2) Der Vorsitzende begrüsst die anwesenden Gäste Dr. Ranke, Paul Kahle,
Architekt Stanek. —
(3) Die Gesellschaft hat zwei hervorragende Gelehrte aus der Zahl ihrer
correspondirenden Mitglieder verloren.
In Bologna ist am 19. December der emeritirte Professor der normalen Ana-
tomie, Luigi Calori, in dem Alter von 89 Jahren gestorben. Er war seit 1871
correspondirendes Mitglied unserer Gesellschaft, der er durch immer neue
literarische Gaben fast bis zu seinen letzten Lebenstagen dauernde Theilnahme
bewiesen hat. Am 8. Februar 1807 in San Pietro in Gasale bei Bologna geboren,
hat er seine wissenschaftliche Entwickelung ganz in letzterer Stadt durchgemacht
1834 erhielt er den Lehrstuhl für Anatomie, den er 66 Jahre hindurch mit
steigendem Ruhm behauptete; die wundervolle anatomische Sammlung der Uni-
versität, die hauptsächlich ihm ihren Reichthum und ihre prächtige Aufstellung
verdankt, wird die Erinnerung an ihn den kommenden Geschlechtern erhalten.
Unseren Bestreitungen ist er besonders nahe getreten, seitdem die Aufdeckung der
Gräber der Certosa und der vielen anderen Nekropolen der alten Stadt das Studium
der prähistorischen Bevölkerungen von Mittel- und Oberitalien in den Mittelpunkt
der Aufmerksamkeit gerückt hatte. In einer Reihe vortrefflicher Abhandlungen
hat er die Eigenthümlichkeit der Schädelformen seines Landes und der Nachbar-
gebiete dargelegt und namentlich die Bedeutung der Brachycephalie nachgewiesen;
ihm verdanken wir auch die Renntniss der vorzüglichen Eigenschaften des brachy-
cephalen Gehirns, das bis dahin als ein minderwerthiges angesehen war. In Ge-
meinschaft mit unserem verblichenen Freunde G. B. Ercolani war er der Gegen-
stand der allgemeinen, weit über den Kreis der technischen Gelehrten hinaus-
reichenden Verehrung; wer von Fremden in jener Zeit Bologna besuchte, fand in
(26)
diesen Männern stets die Träger eines sicheren und ganz selbständigen Wissens^
immer bereit, die reichen Quellen ihrer Erfahrung in angenehmer Bereitwilligkeit
zu öffnen. Ihr Gedächtniss wird uns stets theuer bleiben. Auf die schon am
20. December eingetroffene Nachricht des Todes durch den Rector der Universität^
Hrn. Puntoni, hat der Vorstand sofort von dieser Gesinnung Zeugniss abgelegt —
Am 10. Januar ist zu Kopenhagen der Inspector am Nationalmuseum,
Rristian Bahnson, in Folge einer Bmstkrankheit verschieden. Seine grosse Arbeit
über Ethnographie, fUr welche die seiner Leitung unterstellte Abtheilung des
Museums eine so reiche Fülle von Materialien darbietet, ist leider unvollendet
geblieben. —
(4) Aus der Zahl unserer früheren ordentlichen Mitglieder haben wir gleich-
falls zwei hochgeschätzte^ Männer verloren.
Emil du Bois-Reymond, einer der Mitbegründer unserer Gesellschaft und
einer der berühmtesten Professoren unserer Hochschute, ist nach längerer, schmerz-
hafter Krankheit am 26. December seiner Familie und dem weiten Kreise seiner
Freunde und Verehrer entrissen worden. Seine unsterblichen Verdienste gehören
der allgemeinen Wissenschaft an und bedürfen nicht unserer Anerkennung. Was
wir ihm jedoch als ein specielles Verdienst anzurechnen haben, das ist seine stete
Theilnahme an den Fortschritten der Lehre vom Menschen überhaupt und nament*
lieh der Kenntniss von der Entwickelung der Culturgeschichte. Mehr als irgend
ein anderer Gelehrter unseres Kreises hat er durch seine öffentlichen Vorlesungen
dazu beigetragen, diese Kenntniss zu popularisiren und ihr in den heranwachsenden
Generationen neues Verständniss zu gewinnen. —
Don Jose Rizal von Luzon (Philippinen) war vor 10 Jahren unser Mitglied.
Er sprach in der Sitzung vom 23. April 1887 (Verh. S. 293) über die tagalische
Verskunst. Obwohl damals schon Doctor der Medicin, war er doch ganz erfüllt
von patriotischen Gedanken. Das unglückliche Schicksal seines Vaterlandes unter
der Herrschaft der Spanier und unter dem Druck eines übermächtigen Klerus
bildete den Inhalt seiner meist in das Gewand schöngeistiger Darstellung ge-
kleideten literarischen Produetionen. Als er daher nach längerer freiwilliger Ex-
patriirung nach Spanien zurückkehrte, wurde er der Gegenstand unaufhörlicher
Verfolgung. Die wachsende Missstimmung auf den Philippinen und der endliche
Ausbruch der Revolution, die noch heute nicht niedergeschlagen ist, wurden tu
einem grossen Theil ihm zugeschrieben. Schliesslich nahm man ihn gefangen
und intemirte ihn in Mindanao; als er von da nach Manila zurückgebracht und
zugleich die Ersetzung des als zu milde betrachteten Gouverneurs durch den
General Polaviejo angekündigt wurde, verbreiteten sich sofort die düstersten
Gerüchte über das ihm zugedachte Geschick. Diese Besorgniss ist nur zu bald
in Erfüllung übergegangen: am 30. December ist er ohne richterliches Urtheil, wie
die allgemeine Meinung besagt ohne nachgewiesene Schuld erschossen worden.
Wir verlieren in ihm nicht nur einen treuen Freund von Deutschland und deutscher
Wissenschaft, sondern auch den einzigen Mann, der Kenntniss und Ehitschlossenheit
genug besass, um modernem Denken Eingang in jene entfernte Inselwelt zu ver-
schaffen. —
(5) Unter den uns ihren Forschungsgebieten nach näherstehenden Männem
seien hier erwähnt der berühmte Anatom Prof. Joseph v. Ger lach in Erlangen,
gestorben im Alter von 76 Jahren am 17. December, und Regierungsrath Franz
Krau SS in Wien, ein erprobter Erforscher altslavischer Reste. —
(27)
(6) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Dr. phil. Klemm in Berlin.
^ Rechtsanwalt Dr. Kurt Zander in Berlin.
^ Rechtsanwalt Dr. Albert Hei ff in Frankfurt a. Main.
„ Dr. med. W. Pinckernelle in Breslau.
(7) Eine Einladung der Deutschen Kolonial -Gesellschaft, Abtheilung
Berlin-Gharlottenburg, zu einem am 14. d. M. zu haltenden Vortrage des friiheren
deutschen Gesandten in China, Hm. v. Brandt, über China in ethischer, in-
dustrieller und politischer Beziehung ist leider zu spät eingegangen, um
noch den Mitgliedern mitgetheilt werden zu können. —
(8) In den ersten Apriltagen dieses Jahres sind es 25 Jahre, seitdem der
Grundstein zu der zoologischen Station in Neapel gelegt worden ist. Eine
Anzahl deutscher Gelehrter ist zusammengetreten, um bei dieser Gelegenheit
Hrn. Anton Dohrn Dank und Anerkennung auszusprechen. Die meisten Auf-
gaben dieser Station liegen etwas ausserhalb des Kreises der Arbeiten unserer
Gesellschaft; nichtsdestoweniger haben auch wir vielfache Gelegenheit gehabt, den
wohlthätigen und befruchtenden Einfluss der dort gemachten Untersuchungen auf
das Gesammtgebiet der Biologie zu empfinden. Wir wünschen daher der vortreff-
lichen Anstalt das beste Gedeihen und einen stetigen Fortschritt. —
(9) In Brüssel wird im Sommer dieses Jahres eine internationale Aus-
stellung stattfinden. Die Section des sciences (Sect. 5^^*) umfasst auch eine
Classe für Anthropologie (Cl. 85) mit 4 Unterabtheilungen (anatomische An-
thropologie, prähistorische und protohistorische Anthropologie, Ethnologie und
Ethnographie oder Folklore). Es werden insbesondere wirkliche Objecte, Ab-
güsse, Nachbildungen, Karten, Photographien und Zeichnungen gewtlnscht. An-
meldungen sollen vor dem 15. April an das Commissariat general du Gouvernement
erfolgen. —
(10) Hr. Rud. Virchow giebt Kenntniss von den beiden nachfolgenden
Briefen des Hm. Georg Schweinfurth über
vormenesische Alterthttmer in Aegypten.
1. Brief aus Cairo vom 16. December 1896:
^Das schönste Sommerwetter, das wir jetzt tagsüber hier gemessen, veranlasst
mich, noch für einige Zeit in Cairo zu verweilen; ich werde aber das Weihnachts-
fest wohl schon in Assuan feiem. Unterwegs, und auch noch hier, habe ich
die mir gütigst in einigen Extraabdrücken mitgegebenen Schriften mit Fleiss von
Neuem durchstudirt, habe auch von denselben an sehr geeignete Personen aus-
getheilt und vielen Dank dafür geerotet. Die Touristensaison ist noch schwach
besetzt, aber eine ungewöhnliche Anzahl von Gelehrten ist diesmal nach Aegypten
gekommen, namentlich von deutschen, unter ihnen die Professoren Wiedemann
und Vogel, beide von Bonn.
^In den letzten Tagen habe ich viel mit dem in koptischen Texten der alten
Kirchengeschichte so bewanderten E. Amelineau verkehrt und mir von seinen
vorjährigen Ausgrabungen bei Abydos erzählen lassen. Ich habe jetzt auch
Amelineau's Bericht („Fouilles d'Abydos**, Angers, impr. A. Burdin 1896) vom
29. Mai d. J. gelesen, jenen Vortrag in der Academie des Inscriptions et Beiles-
(28)
Lettres, wo Masp^ro sich in so wegwerfender Weise über Am^lineau^s Aus-
grabungen geäussert hat Den alten Aegyptologen, oder einem Tfaeile derselben
wenigstens, ist es ein Greuel, dass jetzt auf einmal von unberufener oder minder
zünftiger Seite solche Entdeckungen gemacht werden, nachdem Mariette, 18 Jahre
lang bei Abydos grabend, sich nach der Enthüllung der vormenesischen Zeit ge-
sehnt, ohne in dieser Richtung auch nur um einen Schritt weiter gekommen zu
sein. Wie viel grösser ist nun die Enttäuschung Maspcro'sl Dieser hat unter
anderen, mehr als zweifelhaften Argumenten auch das nachfolgende gegen
Amel ine au vorgebracht: „il ne suffit pas d'aller ä Abydos pour mettre du premier
coup la main sur des monuments tres importants: les grands succes se fönt attendre
plus longtemps.^ Meiner Ansicht nach ernten die Aegyptologen von Fach jetzt
nur die Strafe, die ihnen für ihr bisheriges Verhalten gebührt. Weshalb auch
vernachlässigten sie so lange alles Culturelle, suchten sie nur Inschriften, ver-
achteten die Scherben? Jetzt kommt die Strafe, und es ist nur als eine in sich
selbst begründete Gerechtigkeit des Weltlaufs aller Dinge zu betrachten, wenn
solche Entdeckungen, wie die von Petrie, Amelineau und de Morgan, nicht
von Aegyptologen der alten Schule gemacht werden durften. Das war Nemesis.
„Welche Freude werden Sie nun selbst empfinden, wenn Sie gewahr werden,
wie jetzt nach so vielen Jahren Ihre ersten Andeutungen und Winke derartig zur
Geltung gelangen. Das soeben erschienene Werk de Morgan' s (Recherches sur
les origines de T^ypte. Paris, Leroux 1896) bezeichnet einen sehr grossen Schritt
vorwärts, ja eine neue Epoche der Forschung. Wer es mit missgünstigen Blicken
betrachten will, kann dem Werke de Morgan's zahlreiche üngenauigkeiten zum
Vorwurfe machen; es wird aber gewiss nicht gclingei), seinem Verdienste in der
Hauptsache durch Bemängelung von Kleinigkeiten Abbruch zu thun. Er hat kein
Handbuch der ägyptischen Steinzeit schreiben wollen, sondern nur die eigenen Funde
beleuchtet, — ein Probedruck, wie er sagt; dies aber hat er in so übersichtlicher
Weise gethan, dass das Gemeinschaftliche der Charaktere bei diesen Funden in
ganz überzeugender Weise hervortritt und ihr Gegensatz zu den Epochen der
historischen Dynastien sich auf Schritt und Tritt ergiebt.
„Von Fl. Petrie' s letzten Funden hatte de Morgan, als er dies Buch
schrieb, noch nichts gesehen, während ich allein schon nach den Doubletten, die
Petrie nach Berlin geschickt hat, bezeugen kann, dass ein gemeinsames Band
alle diese sogenannten prähistorischen Stationen von Negada, Om-cl-Ga*ab, Abydos
u. s. w. umfasst. Auch Prof. Spiegel berg, der von Flinders Petrie zu Amelineau
kam, hat die vollkommene Identität der Funde Beider constatirt.
„Es ist sehr interessant, das de Morgan' sehe Werk an der Hand Ihrer
Arbeit von YSSS zu beleuchten. Leider hat er dieselbe nicht zur Hand gehabt;
aber derselbe Gedanke, die Sentenz, mit der Sie Ihren Artikel über die ägyptische
Steinzeit einleiteten, geht wie ein Leitmotiv durch das ganze Werk de Morgan's.
Ja, es giebt eine scharfe Grenze zwischen der Zeit vor und nach den Dynastien!
Statt der gelegentlichen Beigabe vereinzelter Steingeräthe in den Gräbern der
historischen Zeit, die gleichsam nur der Ausdruck eines atavistischen Respects
gegi^n dieselben war, wie Sie das ja auch des Weiteren ausgeführt haben, treten
sie an den Fundstellen, die de Morgan aufzählt, in Massen auf. Eine Ver-
mengung der Vorkommnisse ist nur scheinbar vorhanden; überall werden sie
sich geschichtlich deutlich auseinanderhalten lassen. Der von Ihnen S. 371 aus-
gesprochene Wunsch nach Sichtung des Materials ist erfüllt worden. Sie werden
auch sehen, wie Ihre ersten Hinweise auf den quasi (nach nordischen Begriffen)
prähistorischen Charakter der Thonscherben von Wadi Haifa auf den schönen
(29)
Tafeln yon de Morgan zur vollsten Geltung gekommen sind, und zwar in Bezug auf
beide Kategorien, die Sie aufgestellt haben (das. S. 383), die bemalten sowohl wie die
gestrichelten und mit Eindrücken versehenen Scherben. Die Uebereinstimmung aller
ist unbez weifelbar, desgleichen der Gegensatz, in den sich der Charakter dieser
Ornamentik zum ägyptischen Kanon stellt, schliesslich das fast gänzliche oder doch
zum mindesten vorherrschende Fehlen von hinüberführenden Brücken. Da kann
man doch nur zweierlei annehmen: entweder handelt es sich um Vorhergegangenes,
in welchem Falle die Fremdartigkeit aller Fundobjecte nur der Ausdruck des
weiten 2ieitabstande8 wäre, oder um Gleichzeitiges, indem neben der altägyptischen
Cultur fast unvermittelt die Halbcultur eines Wüstenvolkes bestand, die sich an
vielen Stellen und in verschiedenen Epochen immer wieder in genau derselben
Weise manifestirte. Das Letztere wäre doch durchaus unwahrscheinlich. Flinders
Petrie glaubte ein fremdes Volk libyschen Stammes gefunden zu haben, das
nichts von den Aegyptem habe annehmen wollen ; aber gegen eine solche Herkunft
sprachen vor Allem die in den Gräbern von Negada überall auftretenden Stein-
geräthe, die in Thierformen zugeschnittenen Platten u. s. w. aus Schiefer, Speck-
stein und anderen metamorphischen Gesteinen, welch' letztere nirgends in der
Libyschen Wüste existiren, wohl aber in der östlichen Thebais, wo sie z. Th. noch
heutigen Tages von den Ababde angefertigt werden, nehmlich Näpfe und Schüsseln,
die ich 1864 selbst dort eingesammelt habe und deren Formen genau denen der
Petrie'schen Funde entsprechen. Klunzinger und Figari sind die einzigen
Berichterstatter, die dieser Steingeräthe der heutigen Ababde Erwähnung thaten;
allen übrigen, vielleicht mit Ausnahme von Pruner, Bull. soc. anthr. 1869, p. 707,
bis auf de Morgan einschl. ist die Thatsache unbekannt geblieben.
„Man könnte nun auch annehmen, dass in Folge der häufigen Bedrohung
Aegyptens durch libysche Völker das Bedürfniss eines Schutzes längs der so aus-
gedehnten Westseite des Nilthals von jeher bestand und dass desshalb dort nach
Art einer Militärgrenze die für das Wüstenleben geeigneten Bed ja- Völker (den
heutigen Bischarin und Ababde entsprechende Stämme) als Wüsten-Gendarmerie
in permanenten Lagern lagen (Maday, Med'a [= Bedja?], Matoi, Mazai). Aber gegen
eine derartige Deutung spricht die allzugrosse Häufigkeit und Ausdehnung der
betreffenden Funde mit sarglosen Leichen in sitzender Stellung, mit Massen von
Silex- Waffen in den Gräbern, mit Schieferplatten in allerhand Thiergestalt, mit
archaisch verzierten und bemalten Thongefössen, wie sie nach bloss zweijährigem
Suchen bereits in solcher Menge identischer Localitäten dargeboten erscheinen.
Die einfachste Erklärung bietet eben nur die Annahme der Prähistorie, wie sie
von de Morgan in seinem Werke weiter ausgeführt worden ist. Jedenfalls werden
die nächsten Jahre darüber ausreichendes Licht verbreiten.
„Die Einwände Maspero's gegen das hohe Alter der Amelineau'schen
Funde zu Abydos halten wenig Stich. Die Hauptpunkte, auf die es ankommt, hat
er gar nicht erörtert. Er hat in einer mündlichen Entgegnung am 29. Mai u. A.
auch behauptet, dass heute noch die Aegypterinnen Kieselringe tragen, die im
Lande aus den mit concentrischen Schalen abgelagerten Kieselconcretionen der
Gebirgsschichten hergestellt werden. Ich bezweifle das im höchsten Grade und
vermuthe, dass er entweder aus opaker Glasmasse gegossene Armringe gesehen
und für Kieselartefacte gehalten hat, oder eine den Gegenstand betreffende Stelle
im Berichte von Pitt Rivers (p. 385, conf. Virchow, Steinzeit S. 368) irrthümlich
aufgefasst oder in missverständlicher Weise am 29. Mai in Vergleich gezogen hat.
„Dass die vonAmelineau 1895 entdeckten Gräber aus der Zeit vor der ersten
Dynastie zu Abydos durchwühlt worden sind, ist ein Umstand, der bis auf 7 bis
(30)
8 Ausnahmen bei allen bisher in Aegjrpten bekannt gewordenen Gräbern Geltung
hat, der demnach also auch nicht gegen die Wahrscheinlichkeit jener Alters-
bestimmung anzurufen ist. Wäre das berechtigt, so gäbe es in ganz Aegypien
eben nur 7 — 8 sicher bestimmte Grabfunde.
„Am^iineau hat aus den sogenannten prähistorischen Gräbern von Abydos
20 Schädel mit den zugehörigen Skeletten mitgebracht, die von Dr. Fouquet, einem
Arzt in Cairo, der sich bereits seit Jahren mit Rraniometrie beschäftigt, untersucht
worden sind. Seine Arbeit ist dem Werke de Morgan's mit einigen Schädel-
abbildungen beigefügt. Fouquet macht auf den seltsamen Umstand aufmerksam,
dass diese Schädel trotz der Gleichartigkeit der Bestattungsweise und örtlichen
Zusammengehörigkeit eine grosse Ungleichartigkeit der Formen zu erkennen geben.
Ich vermuthe aber, dass bei einer grösseren Anzahl von Schädeln verhältnissmässig
weniger verschiedene Typen sich ergeben würden. Alle Schädel und Gebeine
verrathen nach Fouquet ausgeheilte Wunden der hier Bestatteten, die demnach
wohl sämmtlich Krieger waren. Was aber Fouquet über eine vermeintliche
Versuchs- oder theilweise stattgehabte Einbalsamirung ausführt, erregt die aller-
ernstesten Bedenken. Reinerlei Eindrücke von GewebestofiTen, Binden und dei^l.
Hessen sich nachweisen, und doch sollen Reste von Harz- oder Pechmassen an
einzelnen Gebeinen haften. Diese dürften von Opfergaben herrühren, die, den
Todten beigegeben, später sich mit den Rnochenresten inniger verbanden.
Hr. Amelineau versprach mir, von seinen diesjährigen Ausgrabungen, die er dieser
Tage wieder aufgenommen haben wird, einige Schädel für Sie aufzuheben. Auch
liesse sieb sehr leicht für Ihre Gesellschaft eine Gollection charakteristischer
Topfscherben u. s. w. zusammenstellen, von denen im weggeräumten Schutt der
Ausgrabungen zu Abydos viele Tausende nutzlos daliegen sollen. Wenn ich dazu
im Stande bin, will ich selbst hingehen und nachsehen. Ich werde vorläufig
„lebende** Steingeräthe bei den Ababde einsammeln.*' —
2. Brief aus Cairo vom 22. December 1896:
„Gestatten Sie mir noch ein nachträgliches Postscriptum zu meinem letzten
Briefe. Ich bin gestern bei Dr. Fouquet gewesen, der mir die von den Funden
bei Abydos herrührenden Schädel zeigte. In Betreff zweier Punkte möchte
ich nicht ganz seiner Ansicht sein: wegen der vermeinten theilweisen ,, Ein-
balsamirung^ jener in sitzender Stellung vergrabenen Körper, deren Skelette
Amelinau zu Tage förderte, und wegen der vermeintlich blonden Haare derselben*
Dr. Fouquet ist so liebenswürdig gewesen, mir eine Probe der in der Schädel-
höhle des Exemplars No. 5 der Amelineau' sehen Ausgrabungen von Abydos 1H96
eingeschlossenen Masse einzuhändigen, die Sie einliegend in der Schachtel finden
werden. In De Morgan*s neuestem Werk hat Dr. Fouquet die Frage der
„Einbalsamirung'^, oder der conservirenden Behandlung vermittelst Pech, bei diesen
Körpern erörtert Diese Masse konnte (falls ein fremder Körper) nur nach Ent-
fernung des Kopfes vom Rumpf in die Schädelhöhle gelangt sein, da der be-
treffende Schädel No. 5 auf allen Seiten intact ist Vielleicht hat das dunkle,
glänzende Aussehen der Masse und ihre Verbrennbarkeit ') die Vorstellung von
einer pechartigen Masse erzeugt Gewiss handelt es sich um die im Laufe der
Jahrtausende umgestaltete Himsubstanz.
1) Die Masse schmilzt theilweise vor dem Verbrennen mit heller Flamme, dann ver-
kohlt sie und wird Asche unter Dämpfen, die nichts Harzartiges an sich haben.
(31)
„Hinsichtlich der fahlen, graublonden, hanfffarbigen Haare, die an einem der
z. Th. mit tiefen Beulen behafteten Schädel noch haften (weniger als 1 cm lang),
wage ich kein Urtheil auszusprechen, vermuthe aber, dass auch die Haare durch
die in der Erde befindlichen Salze (die an einem der Schädel in dicken
Rrystallen ansgeschossen sind) und dann namentlich durch die lange Zeitdauer
eine wesentliche Veränderung erfahren haben. Dass es weibliche Mumien der
alten Aegypter giebt, die noch völlig schwarze Haare zeigen, widerlegt doch noch
nicht die Yermuthung, dass diese schwarzen Haare in anderen Fällen eine andere
Färbung angenommen haben könnten.*' —
Hr. R. Virchow: Eis ist uns Allen bekannt, eine wie glückliche Hand unser
berühmter Freund in allen Angelegenheiten gehabt hat, welchen er eine wissen-
schaftliche Untersuchung zuwendete. Wir werden es also als eine vielver-
sprechende Wendung betrachten dürfen, dass er jetzt der Zeit vor Menes, also
der im strengsten Sinne vorhistorischen Zeit Aegypten's seine besondere Aufmerk-
samkeit schenkt. Es ist das um so mehr bedeutungsvoll, als uns in letzter
Zeit die Fühlung mit den Forschern in Aegypten beinahe verloren gegangen ist
Wenn ich mich daher auch Ton dem Eindrucke losmache, den die ungemein
schmeichelhaften Aeusserungen des Hrn. Schweinfurth über meine eigenen, jetzt
schon etwas alt gewordenen Nachweisungen über die ägyptische Steinzeit in mir
hervorgerufen haben, so muss ich doch mit Dank und Freude anerkennen, dass
in der That eine neue Periode der ägyptologischen Forschung begonnen hat.
Meine heutigen Bemerkungen sollen sich jedoch nur auf die beiden Punkte
beziehen, welche durch die Mittheilungen des Hrn. Fouquet in den Vordergrund
des Interesses gerückt sind: ich meine die Beschaffenheit der Haare und den In-
halt der scheinbar isolirt einbalsamirten Schädel.
Was die Haare betrifft, so kann ich darüber nicht viel sagen, da mir keine
derartigen Objecto zugegangen sind. Was aber die Bemerkungen des Hm. Schwein-
furth darüber anlangt, so kann ich, von einem Nebenpunkte abgesehen, die
Richtigkeit derselben durchweg anerkennen. Die zunehmende Entfärbung des
Haares in der Erde habe ich bei Gelegenheit meiner Auseinandersetzungen
über den Kopf der Aline (Verhandl. 1896, S. 196) besprochen. Alles, was Hr.
Schweinfurth über die Beschaffenheit des Kopfhaares und dessen fahle, grau-
blonde, hanfartige Farbe an den Schädeln von Abydos anführt, liegt im Hereiche der
posthumen Veränderungen, welche das Haar im Gontact mit einem wenigstens zeit-
weise feuchten Boden erleidet. Ob dieses Haar an männlichen oder an weiblichen
Köpfen sitzt, ist gleichgültig. Ich habe schwarzes Haar an weiblichen Köpfen
wiederholt gesehen, aber ich besitze unter anderen auch einen männlichen Mumien-
kopf, den Hr. Emil Brugsch in die Zeit der XXI. Dynastie setzte, an dem die
schwarze Farbe unverändert ist. Ebenso habe ich verfärbtes Haar an Mumien-
köpfen beiderlei Geschlechts getrofTen. Ich muss daher das Bedenken darüber,
dass das fahle Haar an den Abydos-Schädeln auf einen blonden Stamm, also etwa
auf Libyer, zu beziehen sei, durchaus theilen. Zu einem solchen Nachweise gehören
bessere Proben.
Anders verhält es sich mit der Frage der Balsamirung der Köpfe. Hier habe
ich zunächst zu bemerken, dass das Eingiessen von geschmolzenem Harz oder
Pech in den Schädel nicht eher möglich ist, als bis der Inhalt des Schädels ent-
leert ist. Dass eine solche Entleerung an einem abgeschnittenen Kopfe durch das
grosse Hinterhauptsloch, also vom Halse her, ausgeführt werden könne, ist un-
denkbar, falls nicht die Trennung hart am Schädelgrunde vorgenommen ist. So-
(32)
kmge der Hals in irgend einer Erstreckung noch mit dem Kopfe im Zusammen-
hange ist, — und ich yermuthe, dass dies hier der Fall war, — mOsste die
flüssige Masse durch den Wirbelcanal, auf einem langen und schwierigen Wege,
eingeführt sein.
Ein anderer Weg der Entleerung und der Einbringung flüssiger B^lung liegt
jedenfalls yiel näher. Es ist der schon von den alten Schnftstellem bezeichnete
Weg durch die Nase und durch ein von da in die Schädelhöhle gebohrtes Loch*
Ob ein solcher Weg benutzt ist, lässt sich an unverletzten Mnmienköpfen nur
schwer erkennen. Da Hr. Schweinfurth nicht daron spricht, dlass er nach einem
solchen Wege an den Schädeln von Abydos gesucht hat, so scheint mir die Mög-
lichkeit nicht ausgeschlossen, dass auf diesem Wege die Entleerung des Qehims
und die Einfüllung von Harz geschehen ist. Das wäre also ein Punkt der weiteren
Untersuchung.
Vorläufig war nichts weiter möglich, als die Untersuchung der freilich sehr
geringen Parcellen harzartiger Masse, welche Hr. Schweinfurth von Hm. Fouqnet
erhalten und mir übersendet hatte. Mit gewohnter Gefälligkeit hat der Vorsteher
der chemischen Abtheilung des Pathologischen Instituts, Hr. Salkowski, sich
dieser Untersuchung unterzogen. Ich gebe nachher seinen Originalbericht Daraus
ergiebt sich, dass diese Untersuchung nicht bloss den eingeschickten Inhalt des
Schädels von Abydos betrofiTen hat, sondern dass zur Vergleichung auch der Inhalt
anderer, namentlich peruanischer Mumienköpfe herangezogen ist. Weitere Vergleiche
haben bis jetzt nicht stattgefunden, da es an geignetcm Material fehlte; doch sollen
sie fortgesetzt werden.
Aus den speciellen Angaben des Hm. Salkowski folgt mit grösster Be-
stimmtheit, dass die Inhaltsmasse des Abydos -Schädels von der peruanischen
gänzlich verschieden ist. Letztere hat in hohem Maasse die Eigenschaften von
eingetrocknetem Gehira; erstere zeigt nicht die geringste Spur davon. Im Gegen-
theil, bei dem Abydos-Schädel liefert der beim Verdampfen des aus dem Inhalt
gewonnenen Alkoholauszuges erhaltene Rückstand mehr als die Hälfte (53 pCt.)
eines wirklichen Harzes, während bei einem Peruaner nur Spuren einer in Aether
nicht löslichen Substanz gefunden wurden. Umgekehrt enthielt die Abydos-Masse 1 7^
die peruanische 66,6 pCi einer direct in Aether löslichen Substanz.
Es scheint daher, dass in den Abydos-Schädel wirkliches Harz eingebracht^
derselbe also einbalsamirt worden ist Um zu bestimmen, was für Harz es war,
müssten sehr viel grössere Quantitäten zur Analyse gestellt werden. Indess wird
sich das wohl auch ausführen lassen, und ich bitte die ägyptologischen Forscher
hiermit um eine reichlichere Hei^bung des fraglichen Materials. Unserem lieben
Freunde Schweinfurth spreche ich aber ganz besondere Anerkennung dafür aus,
dass er auch diese wichtige Frage auf den Weg naturwissenschaftlicher Unter-
suchung geleitet hat —
Hr. Salkowski hat folgenden Bericht erstattet:
Untersuchung der harzartigen Hasse aus dem ägjrptischen Sch&del und
des Inhaltes eines Schädels aus Peru.
I. Masse aus dem ägyptischen Schädel.
Die Substanz ist ziemlich spröde, auf dem Bruch glänzend, tief dunkelbraun
gefärbt, schmilzt auf dem Platinblech und verbrennt mit leuchtender Flamme
unter Hinterlassung von etwas alkalisch reagirender Asche.
Eine nicht gewogene Quantität wurde verrieben und mit Alkohol ausgekocht»
(.33)
filtrirt, der Rückstand mit Alkohol gewaschen, getrocknet, ,d^r Alkoholaaszng
verdunstet. */
a) Rückstand. Leichtbrännliche zerreiblich^ Masse. , Gewicht 0,335, ^«
0,3196 g gaben beim Veraschen 0,0406 Asche = 1,27 pCt. ....
Die Asche wurde mit Wasser übergössen, in dem sich ein. Theil- löste, filtrirt;
der Rückstand mit verdünnter Salzsäure üb^gossen, worin er sich grössteoth^ils
löste, flltrirt.
Der wässerige Auszug giebt nur eine schwache Andeutung yon Phos-
phorsäure-Reaction, der salzsaure eine deutliche Reaction.
b) Die Alkohollösung hinterliess beim Verdunsten ein glänzendes, hartes
und sehr sprödes, durchsichtige», bräunliches Harz im Gewicht von 0,392 g. Im
Ganzen betrug danach die angewendete Substanz 0,335 + 0,392 = 0,727^, der
im Alkohol lösliche Theil also 53,9 pCt. der ganzen Substanz.
Zur weiteren Untersuchung wurde das Harz unter Erwärmen in verdtlnnter
Natronlauge gelöst: dunkelbraune, stark trübe Lösung. Diese wurde mit Aether
geschüttelt, der sich wenig ftirbte. Der Aetherauszug hintetiiess 0,0664 \<7 einer
weichen wachsartigen Masse =■ rund 17 pCt. Die wässerige trübe Lösung wurde
mit Salzsäure angesäuert und wieder mit Aether geschüttelt: der Aetherauszug
hinterliess 0,1164 g = rund 30 pCt. Zwischen der Aetherlösung und der wässerigen
Flüssigkeit schied sich in relativ beträchtlicher Quantität ein anfangs weiches,
dann hart werdendes Harz aus
Das Alkoholextract hat also folgende Zusammensetzung (abgerundet):
nicht in Aether lösliche Substanz (Harz) ...... 53 pCt
direct in Aether lösliche Substanz 1'^«
erst nach dem Ansäuern in Aether lösliche Substanz . 30 „
IL Inhalt des Peruaner Schädels.
Weihce, bräunliche, zerreibliche, mit etwas Sand gemischte Substanz, die beim
Erhitzen nach Fett und verbrennendem Hom riecht, mit leuchtender Flamme ver-
brennt. Die Verarbeitung war dieselbe.
a) Rückstand' = 1,5402 g. 0,371 g desselben gaben 0,0657 g Asche =
18,5 pCt.O-
Die Asche wurde qualitativ ebenso untersucht, wie die aus dem ägyptischen
Schädel.
Der wässerige Auszug der Asche giebt eine enorme Phosphorsäure-
Reaction, der salzsaure Auszug eine sehr starke.
b) Der Alkoholauszug hinterliess 2,015^ einer schmierigen fettigen Masse.
Im Ganzen betrug die angewendete Substanz 2,015 -h 1,5402 = 3,5552 ^, der
in Alkohol lö|liche Antheil also 56,7 pCt. der ganzen Substanz.
Die Zusammensetzung der fettigen Masse war folgende:
nicht in Aether lösliche Substanz Spuren
direct in Aether lösliche Substanz 66,6 pCt
erst nach dem Ansäuern in Aether lösliche Substanz 33,4 „
Die in den Alkoholauszug etwa übergegangenen Salze sind in beiden Fällen
nicht berücksichtigt worden.
Sämmtliche Zahlenangaben beziehen sich auf die bei 100° getrocknete Substanz.
Als wesentliche Unterschiede haben sich danach ergeben:
1) Auf den grösseren Gehalt an Asche ist kein Wert zu legen, da die Substanz Sand
enthielt, dessen Gewicht sieh zu dem Aschengehalt addirt.
Verhnndl. dor Berl. Anthropol. Gesellschaft 1897. 3
(34)
1. die reichliche Quantität Ton Pbosphorsäure in der Asche des Rückstandes
des Pemaner-Scbädelinhaltes , ganz besonders im wässerigen Auszog der Ascher
während sie in diesem bei dem ägyptischen Schädel fast fehlt
2. die durchaus renchiedene Zusammensetzung und das vei^chiedene Aus-
sehen des Alkoholeztractes der beiden untersuchten Substanzen. Da der Inhalt
des Peruaner-Schädels unzweifelhaft aus alter Gehimsubstanz besteht, so ist es
angesichts dieser Differenzen schwer anzunehmen, dass die zur Untersudiung über-
gebene Hasse aus dem ägyptischen Schädel gleichfalls Gehimsubstanz sei. Es ist
Tielmehr wahrscheinlich, dass sie im Wesentlichen aus einer heterogenen harzigen
Masse besteht. Es fällt gegenüber den grossen Differenzen in der Zusammen-
setzang auch nicht ins Gewicht, dass die Quantität des in Alkohol Löslichen bei
beiden Untersuchungsobjecten annähernd dieselbe ist —
(11) Hr. Rud. Virchow berichtet über die
Frage der partJeUen ZerstöroBg des SchloMberges bei Borg a« d. Spree.
Schon früher (Verband]. 1896, S. 579) habe ich die Gefahr besprochen, welche
dem grössten prähistorischen Bauwerke unseres Landes, dem allbekannten Schloss-
berge bei Burg, durch die Anlage einer Ticinal-Eisenbahn droht Im Auftrage der
General- Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft habe ich, zu-
nächst bei unserem vorgesetzten Ministerium, sodann bei verschiedenen betbeiligten
Ressorts Bünspruch dagegen erhoben. Obwohl ich überall mit freundlichem Ent-
gegenkommen empfangen bin, ist bis jetzt doch nicht mehr erreicht, als dass durch
die Aufopferung eines Theils der alten Wallburg vielleicht der Rest gerettet werden
könnte. Ich behalte mir vor, weiter zu berichten, sobald bestimmtere Anhaltspunkte
gewonnen sein werden. —
(12) Hr. Eduard Krause stellt vor
Lappl&oder ini Costttm.
Die aas Schwedisch-Lappland stammenden, der Gmppe der Fjeld-Lappen an-
gehörigen Leute sind erst gestern in Berlin eingetroffen; sie werden in der Flora
von Charlottenburg gezeigt Sie gleichen in Aussehen und Bekleidung den früher
uns vorgeführten Personen.
Der eine Mann hat bei einem Sturz von einem Felsen ein Bein gebrochen.
Da dasselbe schief heilte, so hat er sich aus Renthierknochen und Holz einen ganz
zweckmässig construirten Stelzfoss angefertigt, der voi^zeigt wird.
Auch einige sonstige Geräthe werden voi^legt. —
•
(13) Bei dieser Gelegenheit gedenkt der Vorsitzende des Hannes, dem w^r
die erste Bekanntschaft mit arktischen Völkerschaften verdanken, des neuerlich
hart angegriffenen
EmO Jacobseil.
In der holländischen Presse finden sich seit einiger Zeit heftige Angriffe
auf diesen Reisenden, dem unsere Museen so viel verdanken. So ist
namentlich ein Blatt des Makassaarschcn Gourant vom 30. November 1896 ein-
gegangen, in welchem das Buch: ^Reise in die Inselwelt des Banda- Meeres"^ in
sehr abfälliger Weise beurtheilt und die Thätigkeit des Reisenden daselbst auf
das Bitterste verhöhnt wird. Es mag richtig sein, dass die holländische Ortho-
(35)
graphie nicht immer regelrecht nnd die Beurtheilung der politiBchen Yeihältniafte
zaweilen missverständlicb ansgeftiUen ist Aber man erkennt leieM, dass der Zorn
der Herren des Gonrant hauptsächlich durch die Beziehungen auf Deutiachlaad her-
Toi^rufen ist, welche Hr. Jacobsen an nicht wenigen Stellen preis»id henror-
hebt. Vielleicht hätte davon Manches wegbleiben können, aber ein Vorwurf wtlrde
daraus auch selbst fllr einen Holländer nicht abgeleitet werden dflrfen, weain die
Schilderungen im Uebrigen objectiv richtig sind. Dies darf, Tielleicht dnzelne
Kleinigkeiten abgerechnet, angenommen werden. Für uns, denen ein entsprechendes
Werk in der heimischen Literatur fehlte, wird das Buch einen nicht geringen Nuteen
haben. Bedenkt man überdies, mit wie geringen Mitteln und unter wie schwierigen
Verhältnissen die Reise ausgeführt ist, so wird man mit der Anerkennung für
einen Mann, der für die Ethnographie so viel geleistet hat, nicht geizen wollen. —
(14) Hr. Franz Tappeiner schickt aus Heran, 11. Januar, seine Abhandloag:
„Der europäische Mensch und die Tiroler^, 18%.
Dieselbe wird demnächst besprochen werden. —
(15) Hr. O. Helm in Danzig übersendet den Separatdruck einer Abhandlung:
Die weisse Substanz in den Ornamentritzen yorgeschichtUcber TlMngefässe
Westprenssens
aus den Schriften der Natarf. Gesellschaft in Danzig. N.-P. fX, 2. 1896.
Hr. Rud. Virchow: Die Untersuchungen des Hm. Helm beziehen sich £ast
ausschliesslich auf Steinkistengräber des Oesichtsumen-Typus. Nur die „Fund-
stätte Ton Raldus bei Gulm^ dürfte einer anderen Periode angehören. Die neue
Thatsache, welche dabei gefunden wurde, ist die chemische Zusammensetzung der
weissen Incmstation, welche entweder ganz, oder wenigstens grösstentheils aus
phosphorsaurem Kalk bestand. Hr. Helm kam dadurch zu der Vermuthung,
dass die Masse aus gebrannten und zermahlenen Knochen abzuleiten sei, da eine
andere, vorwiegend aus Phosphorsäure und Kalk bestehende Substanz in West-
preussen nicht vorkomme. Die mikroskopische Untersuchung schien diese Ver-
muthung zu bestätigen. An zwei Urnen erschien die weisse Masse zusammen-
gesetzt aus Bruchstücken von Lamellen, welche im Allgemeinen structurlos waren
nur einige derselben fand der Beobachter „durchsetzt von länglichen, nach einer
Richtung hin verlaufenden Zellen*'. Dass^be sah er an „einer Probe calcinirter
und zermahlener Grabknochen ans einer Düngerfabrik*'.
Dieses Ergebniss weicht von dem der anderen Untersucher erheblich ab. Ich
selbst begann meine Forschung an Scherben aus der ältesten „Stadt^ von Hissarlik
(Alttrojanische Gräber und Schädel. Akadem. Abhandl. Berlin 1882, S. 51; Abb.
auf S. 53). Mein Freund Schliemann hatte die weisse Masse für Tbon ge-
nommen. Es stellte sich aber heraus, dass der Haiq}tbestandtheil krystaliinischer
Kalk war, wie die mikroskopische Untersuchung ergab; ich setzte damals hinzu:
„also vielleicht zerstossener Marmor, der in den Flüssen als Rollstein und in
den benachbarten Gebirgen anstehend gefunden wird. Kreide steht in der Nähe
von Hissarlik nirgends an.^ Aehnliche Incrustationen erwähnte ich auch von
Topfscherben aus dem Hanai Tepe (ebendas. S. 84). Die Frage der Benutzung
einer weissen Thonmasse trat mir bald nachher (Verhandl. 1883, S. 450) besonders
nahe, als ich Gefassscherben mit besonders weisser Incmstation von Albsheim in
der Pfalz erhielt, wo vieUiEUih ausgebeutete Lager von Kaolin anstehen; aber auch
1
(36)
hier fand sich kohlensaurer Rälk.' Ich will diesQ Aufzählang nicht weiter aus-
dehnen; in einer Diskussion unserer Gesellschall (Verhandl. 1895, 8. 462} finden
sich weitere Beispiele. Dahei ergab sich in einem Falle die Möglichkeit, dass
Phosphorit beigemischt sei.
Die Nachweise des Hm. Helm sind also sehr abweichend. Wenn man- auch
den mikroskopischen Befund nicht als entscheidend ansehen will, da erfahmnga-
gemäss so stark zertrümmerte und noch dazu gebrannte Partikeln keine sicheren
Resultate erhoffen lassen, so genügt doch das chemische Ergebniss, um die Frage-
stellung und, wenigstens bis zu emem hohen Orade ron Wahrscheinlichkeit, auch
die Schlussfolgerung des so gewissenhaften üntersuchers anzuerkennen. Es wird
daher eine erneute Nachforschung in Bezug auf die Verbreitung einer derartigen
Gewohnheit zu empfehlen sein. Dabei wäre es jedoch wttnschenswerth, dass jede
Localität und jedes Zeitalter für sich betrachtet werde. Denn es ist an sich ja
nicht anzunehmen, dass dieselbe Zusammensetzung der weissen Masse sich überall
und stets wiederfinden werde. Hr. Helm hat seine Erhebungen fast ausschliesslich
an Thongefössen einer Zeit gemacht, die bis dahin gar nicht oder höchstens rer-
einzelt in Betracht gezogen war. Meine Aufmerksamkeit war vorzugsweise der
neolithischen, also einer weit früheren Zeit zugewendet; aber ich hatte doch auch
schon bemerkt (Verhandl. 1883, S. 453), dass der Uebergang von der Steinzeit in
die Metallzeit je nach den Gegenden sich sehr verschieden gestaltet habe und
dass Formen, die an gewissen Orten ganz neolithisch sind, an anderen Orten schon
der Bronze-, an manchen sogar schon der Eisen-, ja selbst der La Tene-2ieit zugerechnet
werden müssen. Die für unseren Fall nächst wichtige Aufgabe würde also sein,
die Natur der incrustirenden Masse sowohl der Zeit, als dem Orte nach durch eine
Reihe von Analysen festzustellen. Auf alle Fälle werden wir Hm. Helm dafür
verpflichtet bleiben, d^ er den Weg zu einer derartigen Forschung eröffnet hat —
(16) Der Vorsitzende der Oraudenzer Alterthums-Qesellschaft, Hr. Gymnasial-
Director Dr. Anger, berichtet unter dem 10. Januar über
eine neu aafSgeftmdene Broiize-Üme von Topolno, Kreis Schwets.
Der Oesammtbericht über die Ausgrabungen in Topoino (Kreis Schwetz) vom
3. October und 2. November 1896 wird erst dann erfolgen, wenn das Fundmaterial
vollständig vorliegen wird. Die reichen und überaus interessanten Funde, die ich
für die Oraudenzer Alterthums- Gesellschaft und für das städtische Museum im
Verein mit dem Hm. Regierungs-Schnirath Dr. Kaphahn hierselbst und Hrn.
Conservator Meissner, mit freundlicher Unterstützung der HHm. Besitzer Pauknin
in Gross-Konopath, Verwalter Mus wi eck in Topoino und Dr. Rasmus in Orutschno,
in Topoino machte, werden ebenso, wie die gleichzeitigen Funde von dem slavischen
Gräberfelde in Grutschno, sicherlich allgemeines Interesse erregen. Aus der Reihe
dieser Funde hebe ich die Bronze-Urne von Topoino hervor.
Dieser schöne, wohlerhaltene Fund (Fig. 1) verdient eine ausführliche Be-
schreibung:
Ich gebe zunächst die Mäasse des Gefässes, dann die der beiden BfigeUialter
und zuletzt die des Btigels.
Das 17,5 cm hohe, kesseiförmige, aus getriebener Bronze bestehende Geföss
enthielt nur gebrannte Knochen.
Es fasst genau 9 Liter.
Der grösste Durchmesser der oberen Oeffnung beträgt 25,7 n», der Umfang
des umgebogenen Randes 81 cm^ der Umfang dicht unter dem Halse 75 cm. Der
(37)
ziemlich stark herTortretende, ringstim laufende, glatte Widst ist 1,4 cm breit, iind
die gerade BntfernnDg ron da bis zum Ende des amgebogenen RoDdes betragt
2,3 CID. Am äosBersteti Rande ziehen sich parallel mit demielben zwei etwa 3 mm
TOD einander entferote KreiBlinien hin.
' Fig. 1.
Unterhalb des Balsea weitet sich die Urne altmählich ans, bis sie im zweiten
Drittel der Gesammlhöhe einen Darchmesser von 36,5 cm und einen Umfang ron
89,5 cm erreicht. Ueberaos gerällig ist die Verzierung durch die 104 stark ge-
schwungenen (bis 2,5 OD Höhe), von oben nach unten sich hinziehenden Wellen-
linien, die durchschnittlich 8 — 9 mm von einander entfernt sind. Die Wellenbreite
ist mitiiin ziemlich beträchtlich.
Das obere £nde dieser Wellenlinien ist unmittelbar unter dem hervorstehenden
Walst des Halses von zweimal zwei Kreislinieu durchschnitten; anf der entgegen-
gesetzten Seite wird das ontere Ende der Wellenlinien von zwei, etwa 2 mm vim
einander abstehenden KreisUnien begrenzt. Ea folgt dann big zara Fagae eine I rm
breite, glatte Zone, die unmittelbar am Fusse abermals von zwei nahe bei einander
li^enden, das Oeläss umziehenden Kreislinien begrenzt wird.
Diese die WellenUnien oben durchschneidenden and unten begrenzenden Kreise
nnd in die Oberfläche schon eingeschnitten gewesen, ehe die Wellen in die Gefäsa-
wand eingetrieben wurden; denn diese Kreislinien steigen nnd falten mit den
Wellenkimmen und Wellenlhälem.
Der Boden-Durchmesser (Fig. S) betragt 14 em, der Umfuig 46 cm, die Höhe
des Fuases 0,9 cm, die Hohe der Wölbung dea Fusses 2 cm. Anf diesem ge-
(38)
wölbten Boden befinden sich 6, za je 2 geordnete, BKhe bei einander liegende (3 mm),
ooncentrische Kreise, — das bekannte Kennzeichen ftcbt Himischer OelUaae (Darcfa-
measer 3,2 cm, 8 om nnd 13 om).
Ob der Pnaa eingelöthet ist, lässt sich dnrchans niobt erkennen- Das Ge-
wicht dieses stattlichen GelKsaes beträgt, abgesehen ron Bttgelhalter nnd BUgel, 750 g.
Hit dem Knächel am nnteren Thelle sanft angeschlagen, giebt es das grosse E an;
ein stärkerer Schlag am oberen Rande lässt anssenlem recht stark a nnd eine
Reihe von Obertönen erklingen.
Fif-. 2.
Die beiden BUgelhalter sind an die Urne — wahrscheinlich mit Zinn — an-
^lüthet gewesen. Die Löthslellen sind noch jetzt deatlieh erkennbar. Der eine
BUgelhalter tat &,9 c«, der aniiere &,? ein lang; der erstere ist 2,S cm, der andere
3,2 cm hoch: jener wici^ 25.9, dieser 23 ,7. Gleich ist bei beiden die Zahl der
die Contouren begleitenden Kreise (14), — aber die Stellang der Kreise ist bei
dem einen Halter nicht genau so, wie bei dem anderen. Die zur Aalbahme der
beiden BUgelenden bestimmten Löcher sind von verscbiedener Bohmng nnd Grösse.
Das sind aaTfallende UifTcrenzen.
Am merkwürdigsten und belehrendsten ist der Btlgel. Seine Länge — mit
dem Faden ^messen — beträgt 44,5 cm, die gerade Entrernung der beiden BUgel-
enden 2Kcnr, die Hähe 12,50 cm. Kr wiegt 150?.
Der BUgel ist Tor der Beisetzung der Urne ans awei verschiedenen und zwar
aus zwei rechten Bflgelenden znsammengesettt nnd mittels einer nicht ganz ge-
schlossenen Bronzeblllae zaaammengelöthet worden. Von dem grässeren nnd
(39)
dickeren Bflgel, dessen Ende ip eine Spitze aasläuft, ist zam Glück mehr aJs die
Hälfte vorhanden. Die spiralförmige, dieses Bttgelende umziehende Linie geht
von rechts nach links und ist bis zur Mitte der verbindenden BronzehülsQ deutlich
zu verfolgen; sie umzog ohne Zweifel also auch in derselben Richtung dos linke,
jetzt fehlende Ende. Das kürzer^, dünnere, linke Bttgelende ist dagegen am
äussersten linken Ende senkrecht zur Längsrichtung abgeschnitten, und die auch hier
wieder auftretende Spirallinie geht von links nach rechts. Hier sind zudem die
Spirallinien viel enger (0,5 cm\ als dort (1 cm). Femer zeigt das rechte Bttgelende
eine schöne Wölbung, das linke dagegen steigt in unschönem Bogen empor.
Daraus folgt: der ganze Bügel ist aus zwei ursprünglich nicht 3usammepgehörigen
Theilen zusammengesetzt Das linke BUgelende stammt von einem ähnlich ge-
bildeten und doch anders dimensionirten Gefässe her; es wurde zur Reparatur
benutzt, weil es dem Bedürfnisse gerade noch genügte. Künstlerische Ansprüche
befriedigt die Arbeit nicht; aber darauf kam es dem reparirenden Handwerker gar
nicht an. Er vereinigte die beiden nicht zusammengehörigen Stücke, so gut er es
eben verstand; er machte aus der Noth eine Tugend. Nun sind auch die Unter-
schiede der beiden Bügelhalter begreiflich. Offenbar gehört der leichtere, kleinere
Bügelhalter zu dem leichteren, kleineren Bügel-Fragment —
Es dürfte sich nunmehr empfehlen, das Bronze-Geföss mit einem anderen zu
veigleichen, das im März 1874 in Münsterwalde gefunden worden ist. In den
Schriften der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig hat der um die Erforschung
der westpreussischen Urgeschichte hochverdiente Dr. Lissauer eine überaus
interessante und gründlich belehrende Beschreibung der Mtlnsterwalder Bronze-
Urne gegeben. Die im Verlage von Th. Anhnth in Danzig erschienene Schrift:
^Beiträge zur Westpreussischen Urgeschichte von Dr. Lissauer^ enthält auf
S. 1 — 7 eine klare Darstellung der Fnndgeschichte, der Fnndbeschreibung und der
Stellung des Fundes unter den ähnlichen, bekannt gewordenen Gefassen anderer
Gegenden.
Mit Recht hat Dr. Lissauer dem Funde von Münsterwalde eine hervor-
ragende Bedeutung beigelegt. Er sagt: „Wenn man von Marien werder die Post-
strasse nach dem Bahnhofe Gzerwinsk zu fährt, so gelangt man kurz hinter dem
Traject über die Weichsel in das Kirchdorf Münsterwalde. Südlich von der Kirche
befindet sich die Fundstelle. Es fand sich darin: 1. ein Skeletgrab; 2. ein Urnen-
grab (in der Urne befand sich nur eine etwas verbogene Doppelschnalle), und
3. eine bronzene Urne, von 3 kopfgrossen Feldsteinen umstellt
Die Urne selbst war mit den gebrannten Knochenresten eines erwachsenen
Menschen angefüllt, bei deren Untersuchung sich noch folgende Beigaben vor-
fanden :
1. ein grösseres und ein kleineres Stück so stark zusammengeschmolzenen
Goldes, dass man aus der jetzigen Form auf die ursprüngliche nicht mehr
zurückschliessen konnte (Werth = M Mk.).
2. ein Stück ebenso zusammengeschmolzener Bronze.
3. ein Gegenstand aus Bronze, welcher einem Sporn am meisten ähnlich
sieht
4. mehrere kleine, dünne, schön grüngefärbte Bronzestttcke.
Die Urne selbst ist bis auf einen unbedeutenden Sprung vollständig erhalten
und hat eine sehr gefallige Kesselform. Der eigentliche Körper der Urne ist aus
3-74 mm dickem Bronzebiech getrieben, so dass man an einzelnen Stellen die
Hammerschläge deutlich erkennt Während der obere Rand sich in einer Breite
(40)
von 12 itnn nach aussen umlegt, Teijfingt sich der Hals nur wenig; auch der Bauch
weitet sich hur wenig aus, um sich schnell wieder zum eigentlichen Boden
ton beiden Seiten zudammenzuschliessen. Um den Hals läuft ein 12 mm breiter,
mit dem Hammer von innen ausgearbeiteter horizontaler Wulst, während der ganze
Bauch etwas flachere, aber ebenfalls getriebene, yerticale Wellenlinien zeigt, die
natürlich ' abwechselnid concav und convex erscheinen. Im Ganzen zähle ich 114
convexe Wellenlinien, welche einander fast genau parallel und am oberen, wie am
üntei^en Ende durch mehrere oberflächlich eingratirte Kreislinien vom Hals und
Fuss gleichsam künstlerisch abgetheilt sind. — Auf dem uidgebogenen Rande der
oberen OelTnung sieht man an zwei gegenüber liegenden Stellen in einer Aus-
dehnung von 50—^60 mm deutlich Zinnloth, als ob dort ursprünglich etwas aufgelöthet
gewesen sei, während davon auf dem übrigen Theile des Randes nichts zu ent-
decken ist.
^Die Urne st^t auf einem etwa 12 mm hohen, ebenfalls getriebenen Fussr
welcher sich nac^ qntcn 6 mm breit umbiegt und dort den eigentlichen Boden des
Gefösses aufhimnlt. Dieser ist wahrscheinlich besonders gegossen und eingesetzt,
so dass man diese Stelle noch deutlich erkennt
^Dle Maasse des Qetasses sind:
1. obere Oeffnnng: Grösster Durchmesser 196 mm. Umfang des umgebogenen
Randes 664 mm. Umfang dicht unter dem Halse 610 mm,
2. Mitte: Grösster Durchmesser im Innern 205 mm. Grösster Umlai^ von
aussen 622 mtn.
3. Boden: Durchmesser von aussen 95 mm. Umfang von aussen 330 mw.
4. Höhe der ganzen Urne 135 mm,^
•
Hieraus ei^iebt sich, dass beide Gefässe, sowohl das Münsterwalder, als das
Topolnoer, als Bestattunigsumen gedient haben. Beide bestehen aus getriebener
Bronze, beide sind nach Gestalt und Verzierung einander sehr ähnlich. Beide sind
gehenkelt, nur sind von der Münsterwalder Urne die 2 Bügelhalter und der Bügel
verloren gegangen und nur noch die Stellen zu erkennen, wo die Henkel angelöthet
gewesen waren. Der Bügel der Topolnoer Urne dagegen ist vorhanden, aber
nicht der ursprüngliche, sondern eiiT aus zwei Fragmenten später zusammen
gelötheter. Ebenso verhält es sich mit den 2 Bügelhaltem. Das Münsterwalder
Geiciss ist kleiner, schlanker und mit schmäleren Wellenlinien verziert, als das aus
Topolno; es hatte einige interessante Beigaben und war in der Erde ziemlich tief
von Steinen umstellt aufgefunden worden; unser Geföss dagegen enthielt nur die
Brandreste der Leiche und stand 0,75 m tief ohne Steinsetzung in der Erde.
Die Unterschiede der beiden Urnen sind mithin gering und erstrecken sich mehr
auf untergeordnete Momente. —
Bronze -Gefässe sind in den letzten 20 Jahren nicht selten gefunden worden,
in Rondsen allein vier: l. eine Weinkanne; 2. ein gehenkelter Eimer (Urne);
3. eine Schale (Urne); 4. eine Schale (Urne). Aber Bronze-Gefässe mit Wellen-
omament gehören immer noch zu den grössten Seltenheiten.
In Kopenhagen unterscheidet man nach Lissauer's Angabe ^zwei Formen,
eine ältere mit schmäleren und eine jüngere mit breiteren Wellenlinien.^ In
Stockholm und Christiania sah er ^nur je ein einziges Exemplar mit breiteren
Linien; sie haben auf dem Boden die für acht römische Arbeit bezeichnenden
concentrischen Kreislinien. Die ganz erhaltenen zeigen auch henkelarttge Auf-
sätze (Bügel halter), in welchen ein (?)' Bronzebügel steckt^ „Am wichtigsten^
(41)
sagt Li 8 sau er, „ist diejenige Urne, die sich im Maseam von Christiania
befindet, weil dieselbe der Münsterwalder Urne ganz gleicht, ebenfalls einen Gold-
schmuck und einen ganz gleichen Sporn enthielt. Da nun in der Christania-Ume
zugleich ein mehrfach zusammengebogenes, eisernes Schwert gefunden worden ist,
wie solche ffir die ältere Eisenzeit charakteristisch sind, so werden diese Urnen
von den nordischen AlteHhumsforschem in das 3. — 5. Jahrhundert n. Chr. gesetzt,
in welcher Zeit schon römischer Handel den Norden mit seinen Waarön reichlich
versoi^. Für den Weg aber, den dieser Handel einschlug, ist es wichtig, durch
den Münsterwalder Fund an der Weichsel gleichsam eine Station nachgewiesen
zu haben.** —
Durch den Topolnoer Fund ist eine zweite Station nachgewiesen. Beide Orte
sind Stationen des längst bekannten Handels weges, der von Aquileja über Wien
zu den Quellen der Oder und von da über Breslau, Kaiisch — Bromberg und Schwetz
nach Danzig führte. Von Schwetz zweigte sich ein Weg über Rondsen, Marien-
burg (Alyera), Elbing (Truso) nach dem Samlande ab. Es ist kein Grund abzu-
Fig. 8.
f »'
31
1.
sehen, warum auf diesem, von den römischen Händlern vorzugsweise begangenen
Wege bis zum Samlande hin nicht auch gleiche Funde gemacht werden sollten.
Nöthigt uns etwas zu der Annahme, dass derartige Gefässe nur westlich von der
Weichsel Abnehmer gefunden haben? Der Umstand, dass innerhalb 22 Jahren zwei
ftist gleiche Funde westlich von der Weiclisel gemacht worden smd, östlich von der
(42)
Weichsel aber noch kein derartiger Fond bekannt geworden ist, beweist
nichts. Die östiichen Bewohner kannten gewiss dergleichen Gefösae, aber sie
haben sie eben nur zu dem Zweck benatzt, für den sie gearbeitet worden waren.
Um es kurz zu sagen: es ist darchaus zu bezweifeln, dass die römischen Händler
derartige Gefässe den hiesigen Bewohnern als Grabnmen, also zn Bestattongs«
zwecken, angeboten und verkauft haben.
Aus der Beschaffenheit der gefundenen Gefösse erhellt vielmehr, dass es Trink«
gefässe gewesen sind, und dass man diese erst dann zu Bestattongszwecken ver^
wendete, als sie für den eigentlichen Zweck unbrauchbar geworden waren. Denn
wären es von Hause aus Bestattungsgefässe gewesen, so würden sie nicht in be-
schädigtem, defectem Zustande, sondern heil und unverletzt der Erde übergeben
worden sein. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Es empfiehlt sich mithin die
Annahme, dass ein reicher Mann seinen stattlichen Methkessel, der im Laufe der
Zeit oder durch einen Zufall unbrauchbar geworden war, zu seiner oder eines
seiner Angehörigen Bestattung bestimmte. Das wird nicht häufig der Fall gewesen
sein, und daraus erklärt sich auch die Seltenheit solcher Funde. Die Mehrzahl
der Methkessel ist verloren gegangen; aber die für Bestattungszwecke bestimmten
sind, weil sie dem sicheren Schosse der Erde anvertraut worden waren, bis auf
unsere Zeit, und zwar genau in dem Zustande, in dem sie einst beigesetzt wurden,
erhalten geblieben. —
(17) Hr. R. V. W einzier 1, Prag, 5. Januar, bespricht
neue Funde auf der Lösskappe, sttdöstlich von Lobositz a.d«Blb6
(Reiser'sche Ziegelei).
Im Anschluss an die Grabung im Sommer 1894') wurde im Herbste und Winter
desselben Jahres sowohl die grosse Aushebung zum neuen Rmgofen erweitert, als
auch der ganze, noch stehen gebliebene Ziegelthonblock, mit der Ueberbrückung
an der Südseite des alten Ofens, abgegraben. Neben dem Pfarrfelde (Situations-
plan S. 50) wurde zunächst an der Ostwand der Ausgrabung C ein breiter Streifen
nachgenommen, und bei dieser Grabung wurde einer der wichtigsten Funde ge-
macht: ein neolithisches Brandgrab! Wenige Meter südlich davon wurde im
Sommer 1896 das weibliche Skeletgrab 20 (Jahrgang 1895, S. 63) mit reichem
Muschel- und Zahnschmuck gefunden.
Dieses Brandgrab ^ ^ar sehr seicht angelegt (0,75 m tief bei einem Dnrch-
1) Zeitschrift f. Ethnologie, Jahrg. 1895, S. 49. Weinsierl, R. v. Der prihistorisehe
Wohoplatx und die Begr&bnissst&tte auf der LGsskuppe südöstlich von Lobosits a. E. Mit
27 Abbildnngeo. — Auf dem S. 60, Fig. 1 abgebildeten Situationsplan ist der 1894 aus-
gegrabene Complez mit C beseichnet
Ich komme einer angenehmen Nicht nach, indem ich an dieser Stelle Hn. Ziegel-
und Kalkwerksverwalter F. Koprira den besten Dank tum Ausdrucke bringe, fdr die
sorgfältige Beobachtung der ganzen Erdbewegung, im Interesse der Pr&historie. Seiner
wcrkth&tigen Unterstütsung habe ich es su danken, dass auch nicht der kleinste Fund
verloren ging; in meiner Abwesenheit hat Hr. Kopi^iva genaue Situationsseichnungen und
Fundborichte angefertigt, so dass das ganxe Bild, in Folge einer fortwährenden, sorgfUtigen
Beobachtung, sich uns als ein Ganses aufrollt
2) Neolithisehe Brandgrftber, bisher sehr selten beebachtet and ansser mir nur
vom Conservator Hm. Bi^etislav Jelinek in Böhmen coastaürt, sind Ton gaat emincQter
Bedeutung für die Forschung, da man ansnnehmen gewohnt war, dass in Böhmen in dar Stein«
seit die Feuerbestattung nicht im Gebrauche stand. Da nun die Zahl der untenuchtea
(43)
messer von 1 m); die kesselförmige Grabe enthielt ausser Knoehenasche und Holz-
kohlenstttcken auch nnverbraonte Knochenpartikeln. Zwischen Steinen, die Spuren
von Dnrchglühung aufwiesen, lag ein zertrOnunerter, langhalsiger Becher ohne
Ornament') und ein in Folge des Brandes vollständig zerfallener Basaltiiamnier
älteren Typus'}. Der Becher entspricht in Form und Material den bekannten schnur-
versierten Bechern der böhmischen und thüringischen Funde. Das Hanunerfragment,
mit schwachen Schliffflächen, ist eiiiseitig konisch gebohrt und gehört zu jenen
älteren, unregelmässigen Typen mit keilförmiger Schneide und abgerundetem Bahn-
ende, die vorztiglich in den rein steinzeitlichen Ansiedelungen Nordwestböhmens
gefunden werden. — Auch im verflossenen Jahre fand ich in Gross-Czemosek unter
0 neolithischen Bestattungen ein Brandgrab'), während die anderen 8 Gräber
liegende Hocker in Steinkisten bargen. Diese Hocker sind in der neolithischen
Ansiedelung von Gross-Gzernosek zu den ältesten Gräbern zu zählen; mit grossen
Steinen und Geröll gedeckt, bildet diese Gräberstätte die tiefslgelegene Schichte,
die bis auf und theilweise in den Meigcl reicht Darüber setzt sich die neolithische
Cuhnrschicht fort bis unter die Ackerkrame, von den eingetieften bronzezeitlichen
Wohnstätten, Herden und Abfallsgraben der Nachbesiedelung unterbrochen.
Wir finden also auf beiden Ufera der Elbe in den steinzeitlichen Ansiedelungen
und deren Gräberstätten bereits eine neue Art von Bestattung, die den Todtencult,
wie er bislang gepflegt worden, wesentlich änderte. Rechnen wir zu den in der
Umgebung von Lobositz bisher untersuchten neolithischen Brandgräbem jene von
Clbekosteletz und der Umgebung Prags hinzu, so ergiebt sich die immerhin stattliche
Zahl von 22, — eine Zahl, die uns über die Möglichkeit eines Zufalles weit hinweg-
setzt, so dass wir es in Böhmen mit einem Factum zu thun haben, welches ge-
wissenhaft weiter zu verfolgen unser Streben sein wird.
Ausser diesen sorgfaltig untersuchten 22 neolithischen Brandgräbern sind
zwar mehrere als „fsaglich^ zu bemerken, wenn auch nicht in Keehnung zu ziehen:
in der Schwarzenberg^schen Ziegelei*) und bei der TschinkTschen Rüben-
darre, östlich vom Staatsbahnhofe. An letzterem Orte kamen Gulturgraben vor,
Brandgrftber die Höhe von 22 erreicht hat, so ist dies fOr Böhmen sehr bedentungsvoU und
wir können annehmen, dass in den, während der Steinzeit dicht bevölkerten, nordwestlichen
Gauen Böheims, diese Bestattnngsart bei gewissenhafter Durchforschung der Ansiedelungen
und Begräbnissst&tten gewiss noch an mehreren Orten constatirt werden könnte.
Jelinek fand 2 Brandgr&ber bei Lieben (nächst Prag) und 1 bei Opolau. Dem
Schreiber dieser Zeilen gelang es, bis jetat 17 solcher Gräber selbst sn constatiren und zu
untersuchen. Dieselben gehören alle der engsten Umgebung von Lobositz an; es entfallen
auf nnsere Lösskuppe 8, auf LöbeTs Sandgrube am Earrasch 6» auf die Schwarzen-
bergUche Ziegelei 8, auf Oross-Czernosek 5; 2 Brandgr&ber constatirte ich in Elbe-
kosteletz, so dass mit diesen die stattliche 6ksammtzahl von 22 neolithischen Brandgr&bern
für Böhmen erreicht wäre, abgesehen von einigen „fraglichen **, bei deren Aushebung ich
entweder nicht selbst dabei war, oder wo mir die Fandberichte nicht genügen konnten.
1) Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft, Wien, Bd. XXY, S. 189; In
..Weinzierl, R. v., Entgegnung auf Hrn. Dr. Much^s Kritik meiner Publication: „Die
neolithische Ansiedelung von Qross-Czeraosek.^ Mit 8 Abbildungen*' finden wir den be-
schriebenen Becher 8. 198 in Fig. 272 abgebildet.
2) Ebendort 8. 198, Fig. 278 abgebildet.
8) Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, Bd. XXVII: Weinzierl,
R. V., Die neolithische Ansiedelung von Gross-Gzernosek. Ausgrabungen im Jahre 1895
und 1896. Mit 20 AbbUdungen: Grab VI.
4) Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, Bd. XXY, S. 192.
(44)
welche dem Fundmateriale nach der Uebergangsperiode angehören, in allem Andern
aber den Gross-Gzernoseker Brandgräbem ') ähnelten und daher bei grttndlicfaer
Darchforschnng, sofern diese möglich gewesen wäre, vielleicht ein recht inter-
essantes Resultat ergeben hätten.
Ans dem Vorhergehenden ersehen wir also, dass die Feuerbestattung in der
jüngeren Steinzeit in Böhmen bereits Eingang gefanden hat; andererseits aber finden
wir die Gepflogenheit, den Leichnam mit reichem Inventar zu bestatten, auch noch
in der älteren Bronzezeit, und dies vornehmlich in Gräbern, die wir dem* Aunetitzer
Typus zurechnen und deren Verbreitungsbezirk sich mit jenem der neoiithiscben
Bevölkerung in Böhmen deckt').
Welcher, und ob ein Zusammenhang zwischen den bronzezeitlichen Cmen-
gräbem mit Loichenbrand und jenen Aunetitzem Gräbern besteht und welcher Zeit-
intervall die ersteren mit der letzten Zeitphase der Steinzeit bei uns verbindet,
darüber können wir heute noch kein sicheres Urtheil fällen.
Auf unserer Lösskuppe, welche ursprünglich eine ausgedehnte, neolithische An-
siedelung war (Situationsplan S. 50, Bevölkerungscurve II), folgt dieser Ansiedelung
jene Zeitphase der älteren Bronzezeit, welche dem Lausitzer Typus angehört;
sie entspricht theilweise der älteren Bevölkerung (Gor? e III), der wir die Umongräber
(OoTf e lY) zuschreiben müssen.
Wenige Meter nördlich von dem vorbesprochenen neoiithiscben Brandgrabe wurden
zwischen unmittelbar unter der Ackerkrume liegenden Pbonolith- und Glimmer-
schieferplatten, neben einander aufgelegt, 6 kleine Bronzeringe mit dunkler, glänzender
Patina gefunden, wovon zwei eine einseitige, starke Auswetzung zeigen. Daneben
lag ein spiralig zusammengewundener Draht und ein Nadelfragment Zwischen den
Steinplatten und um sie herum waren weder Spuren von Asche, noch Brandreste zu
finden. Auch die glänzende Patina verweist dahin, dass diese Artefacte vielleicht zum
nächstliegenden Umengrabe gehörten, jedoch nicht mit dem Feuer in Berührung
kamen. Auffällig ist die reihenfbrmige Anordnung, in welcher die Ringe gefunden
wurden.
Daneben, in nördlicher ^ichtuftg, wurde ein seichtes Umengrab ausgegraben,
welches mit einer Platte gedeckt war. Auch das nächstfolgende, nördlich von
diesem gelegene Umengrab mit Leichenbrand war mit Platten gedeckt Da dies
1) Mittheilongen der Anthropologischen Gesellschaft Wien, Bd. XXT, 8. 42.
2) Weinsierl, R. v., Die Bronxeseit in Böhmen. Mit einer colorirten Bevölkerongs-
karte. Prag 1897. Wenn wir diese colorirte Bevdlkerungskarte der Bronxezeit mit jener
der jüngeren Steinseit decken (beigelegt dem Vortrage No. 206 des Deutschen Vereins für
gemeinnütsige Kenntnisse: Die neolithische Cnlturepoche in Böhmen), — beide
sind gleich gross gezeichnet — so finden wir, dass die Skeletgrftber mit AonStitier Tjpcn
sich auf jene Fliehe des nördlichen Böhmens vertheilen, welche uns in der Unrchsicht
violet erscheint, da die bevölkerten Flachen der Steinseit carminroth, jene der Bronteseit
blau colorirt sind.
Dieser locale Qr&bertjpus Böhmens, benannt nach den Skeletgribem der älteren
Hroaieseit von AunStits bei Prag, charakterisirt sich haoptsiehlieh durch die kmse,
gerade Gewandnadel mit verkehrt kegeUörmigen Kopfe und dsnMif sitzendem Odir, welch^
letzteres offenbar zum Anbinden diente. Diese Nadeln werden, ausser reichem, charakte-
ristischem Bronzeschmuckc und Bronzewaffen, sowie BemsteinkoraUen und Goldschmnck,
einzeln und auch paarweise in der Achselhöhe an der linken, auch rechten Bmstieite
gefunden. Ich habe mehrere Gräber bei Lobositi untersucht (Pamitkj areh. Xlir;
in einem Ifannesgrabe traf ich, nebst Leisten- Celt, Dolch und einem fraglichen Bronieobject,
zwei solcher Kleidemadeln, die auf der rechten Brustseite neben einander, jedoch in ver-
schiedenen Richtungen, lagen.
(45)
Grabitner im Wiater bei starkem Frost« rorgenomineD wurde, so gingen alle Urnen
beider Gräber verloren. Aus dem rohen ScherbenmateriBle war zu ersehen, daes
in jedem Grabe mebrere Urnen standen, und zwar von gewdhnlicher Form,
ohne dasa eine durch Grösse hervorragend gewesen wäre. In der Leichcnoache
wurden keinerlei Bronzefragtnente gefunden. Die Umesacherben sind vollkommen
gleichartig mit den frQher beschriebenen bronzezeitlichen Uraengräbern mit
Leichen brand. —
Bei Abgrabung der Löeswand gegen die Staatsbahntrace wurde nur ein mit
einer kleinen Platte gedecktes, bronzezeitliches Urnengrab mit Leichenbrand ge-
funden, dessen Urnen vollkommen zertrümmert wurden.
Die Böschung des Pfarrfeldes wurde gegen die Bahntrace in der unteren
Hälfte senkrecht abgegraben, um eine Uauer aufzuführen. Bei dieser Gelegenheit
wurde inmitten der Bt>scbung, 20 m östlich vom Feldraine, ein massiver Armring
aus Bronze, nebst einigen Fragmenten von Armknochen und zwei Umenscherben
gefunden.
Das Armband, welches gegen -die oifeustehenden Enden zu sich abschwächt,
ist mit einigen parallelen und dazwischen eingelegten Zickzacklinien geziert und
gehört zu jenen Formen, die wir aus den Aunetitzer Gräbern kennen, wo sie zumeist
am Unterarme gefunden werden.
Die beiden Umenscherben entsprechen grösseren GefSssen der Bronzezeit,
sind sehr massiv, ohne Ornament, dagegen aussen schwach graphitirt und innen
mit rothem Anstrich versehen.
Die Lagerung dieses Fundes entspricht nicht der ursprtinglichen; es scheint
vielmehr zur Zeit des Bahnbaues ein Theil des in der oberen Schicht des Ein-
schnittes gewesenen bronzezeitlichen Skeletgrabes in die Böschung gerathen zu
sein, ohne dasa nunmehr noch constatirt werden könnte, wo sich das Grab befand
und was noch in demselben gefunden wurde.
Wir haben es hier möglicher Weise mit einem vereinzelten Grabe des
Aunetitzer Typus zu thun, wenn nicht etwa im Pfarrfelde und dem darans tossenden,
noch nicht umgegrabenen Theile von B (Situationsplan S. 50) sich eine Gräber-
slätte dieser Periode befindet.
Gleichzeitig wurde im Winter 1895 _ ^
der Lössblock mit der Bchlenbrücke, ^'
welcher vor der Südseite des alten Ofens
noch stand, abgegraben, und gerade dieser
kleine Complex lieferte recht interessante
Funde. Fig. 1 versinnlicht uns die Situa-
tion. Der scbrafftrte Theil entspricht den
früheren Abgrabungen, während von West
nach Ost zu, mit einer BohlenbrUcke ver-
bunden, je ein Lössblock stehen blieb.
Die Curve A deutet eine neolithische
Wohnstätte an, während darUberliegend
eine Piäcbe B von 15 m Durchmesser an-
grenzt, die einer bronzezeitlichen Gultur-
scbichte entspricht, innerhalb welcher die
Umengräber b, c, d und e gefunden wur-
den. Ausserhalb dieser bronzezeitlichen >ijB„
Schicht wurde in a, etwa 2m von ti ent- o. .- i ,. >tA^
,, ,, ...... „. Situationaplwi. (1:160.)
lernt und »< tief, ein klemes, flach aus-
(46)
^hSmroerteB Armband naa Bronz« mit Qbergreifenden Enden in aschenhaltiger Erde
zwischen iwei Steinplatten gefunden, ümenreite waren nicht dabei, llöglieber-
weise haben wir es hier mit einem Kindergrabe ta thnn, worauf niofat allein der
kleine Armreifen, sondern auch die geringe Quantität von Asche hinweist
Es wurde nun in östlicher Richtung, rertical abgegraben. Im ProBl (Fig. i),
welches dem Schnitte /«r (Fig. I) entspricht, präsentirt sieb nns ein anschauliches
Fig. 2.
Neolithische WohnetAtta (A), darüber bronieieitliche Cnlttinchicbte (B) mit Urnengrab
(Sitaationaplan 6).
Bild. Die neolithische WohostiUte A ist im Ziegellhon bis za einer GesBrnrnttiefe
Ton 3,30 tri eingesenkt; darüber breitet sich die bronzezeü liebe Cnltarschichte B
bis za einer Tiefe von 0,6 m aus, in welcher wir ein Urnengrab mit Leichen-
brand (Situationsplan f>) eingebettet Bnden. Die neolitiiische Wohnstatte .1 '), deren
Vcrticalschnitt enr Linken uns einen 0,8 m tiefen, kessel förmigen Herd e zeigt,
dessen Grandrisa ein Kreis von 1,3 n> Darchmesser ist, hat eine elliptische Form,
mit vollkommen horizontalem, festgetretenem, 1,5 m tief im Zi^elthon eingegrabenem
Niveaa a h. Die Äossenwände dieser Winter- Wob nstätte verlaufen nach innen and
oben schräg, und verlieren sich in der dartiber lagernden jüngeren Schiebte.
Auf dem Boden der Woboslättc ab, deren Länge im Profil 3,:! m betrfigt,
wurden viele gebrannte Lehmklnmpen und Ealrichstficke k mit HOrden-Abd rücken,
sowie ancb zerstreute Gefäss-Sc herben, Thierknochen-Fragmente , Spinnwirtel nnd
Webstuhl-Gewichte m gefanden. Bei l lag ein ganzes, rothes Thongeräth (Fig. 3)
Fift B. V,
WalionfCnnigos, durchlochles ThongcAth.
1) Solehe tief eing.senkte Winter-WohnstStten habe ich sowohl bei Lobositt, wie auch
in Gross- Utemosek vielfscL nntcrsucht und deren intereuantette Profile bildlich dar-
gestellt. ZeitBchr. f. Ethnol. 18»4, 8. 104, Fig. 1, 3: ebend. 18%, S. 6B, iig. 7, nnd HittliaL
d. Anthropol. Ges. Wica 1695, Bd. XXV, ». 190, Fig. 271 (diese letzte bronteteitlich).
(47)
(nefost einem Fragment eines zweiten), welches, oben abgeflacht and etwas eingebogen,
der Länge nach mit einem dnrchgestossenen Loche versehen ist.
Der seitwärts angebrachte-Rüchenherd c ist Tom Niveau der Wohnstätte ans
sanft abgeböscht, 0,80 m tief and war mit Asche, Steinen and Abfällen angefüllt.
In diesen Aschenschiohten, die viele HolzkohlenstUcke enthielten, lag 0,4 m tief,
ein vollkommen erhaltener weiblicher Schädel d ohne Unterkiefer. Seitwärts von
demselben lagen ein spitzer Rnochenpfriemen und nahe der Sohle der Herdgrube
die beiden Radien r, an beiden Seiten abgesplittert
Der Schädel mochte einem etwa 20 — 25 Jahre alten Weibe angehört haben.
Er hat eine hohe, sanft gewölbte Stirn, ein schmales Gesicht, und ist wohlgeformt.
Die Zahnkronen sind nicht abgeschliffen, das letzte Zahnpaar steckt im Riefer,
ein Backzahn ist cariös. Die Länge dos Schädels beträgt 182, die Breite 132 mm, woraus
ein L.-Br.-Index von 72,5 resultirt. Die ausserordentlich gute Erhaltung und gleich-
artig lichte Färbung des Schädels und der Armknochen lassen der Vermuthung Raum,
dass dieselben in die bereits ausgekühlten Aschenlagen gelangten, da sonst wohl
eine Bräunung der Rnocben zu sehen wäre. Das Fehlen des Unterkiefers und
die Verstümmelung der Armknochen, sowie die eigenthümliche Lagerung der
menschlichen Reste überhaupt, deuten auf Anthropophagie*), eine Annahme, die
vielleicht in anderen Beispielen von Verstümmelung ihre Bestätigung findet.
Ich bemerke gleichzeitig, dass im Verlaufe der Grabung, trotz aller angewandten
Sorgfalt, kein menschlicher Rnocben mehr entdeckt wurde.
Der früher schon erwähnte Lihalt dieses Herdes: Scherben, Thierknochen-
Fragmente, Herdsteine und endlich Aschenschichten mit Holzkohlen, deutet darauf
hin, dass dieser Rüchenherd zur Zeit der Einlagerung der menschlichen R^te
nurmehr als Abfallsgrube benutzt wurde. Ueber dem Schädel setzten sich hori-
zontal über einander gelagerte Aschenschichten fort (im Profil auspnnktirt, Fig. 2), und
schliesslich überdeckte eine mächtige Aschenschicht, parallel mit dem Niveau der
Wohnstätte, die ganze Fläche. Ueber dieser Schichte wurde aschenhaltige Erde
mit eingelagerten neolithischen Scherben, Rnocben -Fragmenten vom Rind und
Schwein u. s. w. gefunden.
0,7 — 0,9 m über dem Boden-Niveau der Wohnstätte beginnt die bedeutend
dunklere, fast schwarze Culturschichte der bronzezeitlichen Nachbesiedelung, welche
in gleicher Mächtigkeit (0,6 m tief) die neolithische Wohnstätte nach allen Seiten
hin in horizontaler Richtung überragt, so dass uns das Profil (Fig. 2) ein recht
deutliches Bild bietet, wie die ältere, neolithische und tiefer gelegene Culturschicht
von der jüngeren, bronzezeitlichen (hier auch durch die dunklere Farbe abgegrenzt)
überdeckt ist —
Auf dem Situationsplan (Fig. 1) sehen wir, wie die Wohnstätte A zum grössten
1) Bei der voij&brigen Grabang in Gross- Czemosek fand ich anter ^ neolithischen
Gräbern einen liegenden Hocker (Mittheil. d. Anthropol. Ges., Wien 1897, Bd. XXYII),
in ganz gleicher Bestattung, wie die anderen Hocker; es fehlte ihm jedoch der Sch&del,
an dessen Stelle der lose Unterkiefer lag; die beiden Unterarme and Hände fehlten
ebenfalls, während die Oberarme parallel neben einander lagen and nach aofw&rts ge-
richtet waren. An der Stein -Umkränzung des Grabes war keinerlei Störung zu be-
merken. Auffallend sind hier das Vorhandensein des Unterkiefers und die nach aufwärts
gestreckten Oberarme. Die ganze Sachlage macht den Eindruck, dass eine gewaltsame
Verstümmelang stattgefunden hat, nachdem bereits der Körper in die ritaelle Lage der
Bestattung gebracht worden war. Ein Beispiel der angenommenen Anthropophagie sehen
wir in dem Funde von benagten und zerschlagenen Menschenknochen aus den Abfalls-
graben von Knoviz (Pamätkj Archäol., Bd. XVI, S. 285» Tafel XV).
(48)
Theile durch die mächtige, bronzezeitlicbe Cultarachicht B tiberdeckt wird, die ttber
die BrQcke hinUberragt and theilneiae auch schon in fülberen Jahren abgegrEben
wurde. Diese Culturschicht B'), von nahezu 15 tn Dorohmesaer, besteht durchweg
aas fester, schwarzer Erde, in welcher nur hier und da Sparen tob Asche za
Qnden sind; nuch wurden kleine zerstreate Gefäss-Scberben, sehr seiton aber ein
Thierknochen-Pntgment gefunden.
In einer Tiefe von 0,40 — 0,50 m wurden stellenweise Basaltsteine in horizon-
tiiler Lagening, jedoch in an regelmässigen Abständen von einander, gehinden.
Auf der ganzen B'läche dieser Schicht B, die an den äusseren Contonren im
L&ss scharf begrenzt ist, sind zerstreut mehrere Urnengräber gefanden, nntcrsacbt
und gezeichnet worden, die in Bezug auf die Keramik and ancb aof die Metall-
Beigaben die zeitliche Stellung dieser Culturschicht genau Bsiren.
Die in früheren Jahren südlich von dem Lössblocke vorgenommene Abgraboiu;
wurde nur stückweise aufgenommen and dabei ein einziges ümengrab e constatin,
von dessen Inhalt schon frUher') die Bede war.
Die Winter^Orebung dagegen ergab die Gräber b, e, und jenseits der Brtlcke ('.
Im vorliegenden Profil (Fig. 2) sehen vir in der bronzezeitlichen Schicht B
das Ümengrab (b) mit Leichenbmnd.
Fig. i.
1
L'meD^rab mit l.eichcnbrand. (Siiiiationsplsn c]
I) Solche m&cbtigc, weit sutigedclmt« Caltorsehichten kommen in den 8i«dcluig«D
oft vor; auf der im früheren Situationsplsn (Jahrg. Iij9&, 8. 60J mit B beteichueten Feld-
parcelte befindet sich euxe ebenso mächtige, aber noch weiter ausgedehnt«, schwane Cultur-
schicht, in welcher aber, such nur spärlich, neulithische Artefakte gefunden werden. Die Durch-
setinng der Schicht mit Asche, wemigicich nnr spärlich, nnd das lorstreute Torhandenaeia
TOD Artefakten cbarakterisiren diese Bodenschichten, weicht: UDgestArt unter der Ackerkrume
gelagert sind, ab Cultanchichten. Hier, wie dort, ist das auf dem Plateau gelegene TeiraiD
eben. Die Entätchunf( and der Zwuck dieser grossen Schichten erscheint etwas unklar.
Tiellcicbt sind cm die schlammigen Ueberreste von einstigen Tümpeln, die in reganrelchen
Jahren genngcuden Waaserreichlhnm für die Ansiedelung boten, bis dann endlich auch,
nach deren Austrockoung, im festgewurilenen Schlamme begraben wurde.
i; Zcitschr. l Ethnol. 1S9Ö, S. 13, Grab 1, Fig. 23, Nr. I.
ZtiUchr. f. Ethnologie Ba»A XXIX.
Ansicht der Fflsengräfxr h
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ZtiUdirifl für Ethnologie. Band XXIX.
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(49)
Ueber einer Phonolith-Platte stand schräg eine flache, massive, schtSsselförmige
Hanpttime (Laositzer Typus), Yollständig zertrümmert, deren oberer Theil offenbar
fehlt und an der der Rand der grössten Weitnng roh abgeschliffen ist Der untere
Theil, der nun die Hauptume bildet, war mit verticalen, parallelen Fingerstrichen
bis zum Boden versehen.
Seitwärts von derselben lag, umgestürzt auf der Platte, ein Fragment einer ge-
henkelten Schale und darüber eine kleine, umgekehrte, im Bauchumfang scharf
gekantete Urne, ohne Henkel. Ueber der Kante befindet sich ein umlaufendes
Band aus parallelen Linien. Rechts und links vom Grabe lag ein grösserer Basalt-
stein, und zwischen diesen, sowie in den Urnen und um sie herum Asche mit
Rnochenpartikeln des Leichenbrandes. Das Material dieser Urnen besteht aus
grauem, sandhaltigem Thon, ohne Graphit-Ueberzug. Die Tiefe des Urnen-Grabes
betrug 0,6, der Durchmesser 0,8 m, —
2 m südöstlich von diesem Grabe wurde das Grab c gefunden (Fig. 4).
Auf einer grossen Phonolith-Platte stand, etwas nach links geneigt, die Haupt-
urne 1, vollständig zerdrückt und mit Leichenbrand gefüllt. Diese massive, aus
grauem Thon bestehende Urne ist nicht omamentirt, hat einen stark ausgebauchten
Körper, einen kurzen, gerade aufsitzenden Hals und einen weit und flach aus-
ladenden Rand (Fig. 5, a und 6)*), welcher symmetrisch in vier Punkten aus-
gezogen erscheint Die Höhe dieser Urne be-
trägt etwa 30, der Durchmesser 25 cm. Rechts Fig. 5.
seitwärts lag, nach aussen geneigt, ein kleiner,
flacher, ungehenkelter Becher aus grauem Thon,
dessen Boden sowohl, als auch dessen Wandung
bis zur Hälfte in regelmässigen Reihen durch-
locht ist
Links seitwärts, diesem gegenüber, stand,
nach links geneigt, eine kleine graue Urne, wie
die im vorigen Grabe gefundene und hier oben ^
beschriebene, jedoch ohne Band-Ornament Hauptume des Grabes c.
Neben der Hauptume lagen, in der die- ^ Aufsicht, 6 Profilschnitt (Vxo).
selbe umgebenden Asche, nebst einigen rohen und
auch feineren, graphitirtcn, omamentirten und innen roth ausgestrichenen Scherben
von einer grösseren und zwei kleinen gehenkelten Urnen, zwei kleine, jedoch ver-
schiedene Fragmente von Armreifen aus Bronze, mit rauher, grau-grüner Patina.
Daneben lag noch, im Bereiche dieses Grabes, ein kleines Steinhammer-
Fragment mit einem Theil des schön ausgebohrten Schaffcloches, welches der ausser-
ordentlich schönen Glättung wegen als bronzezeitliches Artefakt angesehen werden
kann. —
Jenseit der Brücke wurde das Umengrab d (Fig. 6) gefunden. Das nahe der
auslaufenden bronzezeitlichen Culturschicht 0,8 m tief eingesenkte Umengrab unt^-
scheidet sich dadurch wesentlich von den anderen, dass die Hauptume von keinen
Beigefässen, sondern von Basalt-Steinen dicht umgeben war.
Die grosse, flache, stark ausgebauchte Urne hat dieselbe Form, wie die
Jahrg. 1895, S. 76, Fig. 26 abgebildete Ume, besteht aus demselben Material und
ist ebenso gross. Dieselbe war ausgefüllt mit Leichenbrand, mehreren rohen
1) Diese Umenform, meist aber ohne ausgeweiteten Rand, ist eine häufige Erscheinung
in den Brandgräbem der Bronzezeit Im Jahrg. 1895 finden wir dieselbe Form in Fig. 26
8. 76 abgebildet Siehe auch Anmerkung 1, S. 77.
V«rk»ndl. der B«rl. AnthropoL OttelUebaft 1997. 4
C50)
Scherben tod zwei kleinerea BeigefUssen, einer Bronze-Nadel, die am Boden lag,
ood einem tfeachmolzenen Bronze -Artefakt. Von den Seiten und unten war die
zerdrückte Urne mit Basalt-Steinen nmetellt und mit einer grossen schweren
PboQolith-Platte gedeckt.
Fig. 6.
ümengrab mit Deckplatt«. (Sttuationsplan </.)
Die Bronze-Nadel') (Fig. 7), 31 em lang, ist an der Spitze umgebogen und mit
einem kugligen Kopfe versehen. Du obere Drittel ist omamentirt durch Reihen
Bronie-Nadel (21 em lang) mit omgebogencr Spitze.
paralleler, einander schräg gegenüber gestellter Striche, die beiderseits durch um-
laufende nnd eingeritzte parallele Striche begrenzt sind.
Das geschmolzene Bronze- Fragment laast nnr annehmen, dass das fragliche
Object ans starkem Blech bestand.
Beide Artefakte tragen eine dunkelgrüne, rauhe Patina. —
Ausser dieser ncolithiscbcn Wohnstütte und den 4 bronzezeillichen Umen-
gräbem worden in den bezüglichen Cultorschichteu noch einige Streufunde gemacht,
woTon, ausser einer kleinen am pel förmigen, bronzezeitlichen Dme, ein kleiner
1) Diese langen, mit einfachem rundem Kopfe versuhen^n Nadeln kommen bSnSg Tor:
meist ist nur das obere Drittel mit paraUnlen, eingeriliten Linien verziert. Die TorUegend«
Nadel ist, bevor noch der Leichenbrand in die Cme geschüttet wurde, in diese hinein-
gezwängt worden, wobei sieh das dnnne, spitze EDde umgebogen baL
(51)
Flachmeissel und mehrere Wirtel, eine Feuerstein-Säge und ein Hammer-Fragment
ans Kreide-Sandstein ans der neolithischen Schicht zu erwähnen sipd.
Die Feuerstein-Säge oder der halbmondförmige Schaber^) ist zur Hälfte vor-
handen; der Rücken desselben ist gerade abgeschliffen, die Flächen sind stark
incrustirt, die bogenförmige Schneide jedoch schwach gezähnt und frisch zu-
geschlagen.
Das Hammer-Fragment ist am zweiseitig konisch gebohrten Schaftloche ab-
gebrochen und zugeschliffen. Die Schneide ist beilförmig.
Die niedliche Form, wie auch das wenig harte Material, lassen annehmen,
dass wir es entweder mit einem Kinder-Spielzeuge oder mit den Anfängen der
Stein-Bearbeitung zu thun haben.
Mit dieser yerhältnissmässig geringen Erdbewegung kamen einige sehr interessante
Objecte zu Tage. Die neolithische Culturepoche präsentirt sich durch jene Wohn-
stätte mit Küchenherd, in welchem menschliche Skelettheile gefunden wurden, — der
zweite Fall Ton scheinbarer Anthropophagie um Lobositz — ; andererseits sehen
wir neuerdings in jenem Brandgrabe mit Becher und Steinhammer, dass die Feuer-
Bestattung bereits in der jüngeren Steinzeit Eingang gefunden hat. Die
ältere Bronzezeit ist gut vertreten (als Nachbesiedelung, Fig. 2) durch 7 ümen-
gräber mit Leichenbrand (Lausitzer Typus), welche theilweise auch ärmliche Bronze-
Artefakte enthalten und uns einige Varianten in der Anordnung der Hauptume mit
den Beigefössen veranschaulichen.
Mit dieser Grabung ist nun, ausser einem ganz geringen Theile, die Feld-
parzelle A (Situationsplan S. 50, Jahrg. 1895) erschöpft. Die nächste Grabung,
welche auf Parzelle B stattfinden soll, liegt im Bereiche der älteren Zeitphase der
neolithischen Ansiedelung und dürfte wieder ein interessantes Studienmaterial
bieten. —
(18) Hr. Dr. C. Mehlis zu Neustadt a. d. H. überschickt unter dem 1. Januar
«ine neue Abhandlung über den
Drachenfels bei Dürkheim a. d. H.
Der Drachenfels hat seit einem Jahrtausend hauptsächlich dadurch die Auf-
merksamkeit auf sich gezogen, dass sich an ihn die Sage von der Drachen-
tödtung durch Siegfried knüpfte. Der Verfasser hat jetzt durch eine ausführliche topo-
graphische und archäologische Beschreibung den Nachweis geliefert, dass auf dem
Drachenfels ein römisches Castell gelegen hat, für dessen Anlage ein schon vor-
römischer Trockenwall benutzt worden ist. Die Erbauung des Castells wird auf
die Wende des 3. Jahrhunderts n. Chr. gesetzt; da aber schon 401 die römischen
Legionen das Rheinthal verliessen und dasselbe 406 Ton den Barbaren besetzt
wurde, so ist die Zeit der römischen Occupation eine recht kurze gewesen. Das
Oastell hatte wahrscheinlich nur eine kleine Besatzung, stand aber durch ver*
schiedene Strassenzüge mit dem Rhein, den Nachbarcastellen und den westlichen
Reichsfestungen in Verbindung. Diese Verhältnisse werden ausführlich geschildert
Bemerkenswerthe Altfunde sind nicht gemacht worden. —
1) Die Form des vorliegenden Artefaktes entspricht den halbmondförmigen Schabern
oder Sägen, wie wir sie aus den Ostsee- Gebieten kennen und in den Werken vonMadsen,
Monte li US, Nilson, Müller u. A. abgebildet finden. In Böhmen sind derartige Flint-
•objecte selten.
(52)
(19) Hr. M. Bartels macht folgende Mittheilong ttber
die Hungersnoth in Nord-Transvaal.
Sie haben aus den Zeitungen bereits von den grossen Verheerungen gelesen,
welche die Binderpest in Süd - Africa angerichtet hat. Auch in dem nördlichen
Transvaal hat sie, nach einer mir von Hm. Missionar C. Beuster in Ha Tsche-
wasse (10. December 1896) zugegangenen Mittheilung, ganz ungeheure Opfer ge-
fordert, so dass die Farbigen fast all ihr Vieh verloren haben. Dazu gesellt sich
nun aber noch ein neues Unglück: das sind die verheerenden Schwärme der
Wander-Hcuschrecken, welche alles geniessbare Pflanzliche fressen, sogar die
Zweige und die Rinde der Bäume. So ist nun dort eine grosse Hungersnoth
ausgebrochen, und die Farbigen müssen ihre Zuflucht zu der Wurzel eines Baumes
nehmen, welchen sie MovQmgoe nennen. Das Ausgraben soll mühsam sein;
darum ist auch der Preis ein hoher: ein Sack voll ist nicht unter 20 ML zu
haben. Die Wurzel, von der ich hier Proben vorlege (ebenso wie auch von den
Eiern der Wanderheuschrecken), kann nicht roh gegessen werden, da sie giftige
Wirkungen haben soll. Sie wird zerstampft und getrocknet und muss dann stark
gekocht werden. Darauf wird sie wie Suppe getrunken. Davon leben jetzt, wie
Hr. Beuster schreibt. Tausende der armen Farbigen. „Es ist ein herz*
erschütternder Anblick^, heisst es dann weiter, „die armen Leute mit der Macht der
Verzweiflung um ihre so eben sprossenden Felder oder um die schon halbreife
Ernte mit den Heuschrecken kämpfen zu sehen. Vom Hunger ermattet, können
sie es meistens mit den immer neu heranziehenden Schwärmen nicht aushalten,
und dann wissen sie, was ihnen bevorsteht: wenn nicht von anderswoher Hülfe
kommt, der Hungertod. Täglich sind wir von hungernden Farbigen umlagert, und
auch wir wissen nicht, woher nehmen, da wir auch selbst aus der Feme nichta
beziehen können, weil das Zugvieh meist verendet ist*^
Ein Eimer voll Reis wird zur Zeit mit 20 Mk., ein Sack Reis mit 100 bis^
300 Mk. bezahlt. —
(20) Hr. M. Bartels berichtet über
einen antiken Motterkranz.
Der Liebenswürdigkeit des Hm. Prof. Josef Hampel in Budapest verdank»
ich die Mittheilung über einen merkwürdigen Fund, welchen Hr. Halla in Duna
Szekcsö im Comitat Tolna kürzlich gemacht hat
„In einem römischen Grabe daselbst fand sich neben den Beckenknochen des
weiblichen Skelets ein Bronzering von 5 cm Durchmesser. Hr. Halla glaubt
annehmen zu dürfen, dass die Römerin den Ring, der offenbar einmal mit Fäden
umwickelt war, wegen eines Frauenübels getragen habe. Zu diesem Schlüsse
führte ihn die Beobachtung, dass in seiner Gegend das Baueravolk auch heute in
ähnlichen Fällen aus Holz hergestellte Ringe trägt, die mit weissem Wachs über-
zogen und ?on ähnlicher Dimension sind, wie jener römische Ring.^ Hr. Hampel
kennt den Finder nicht, glaubt aber aus dem Briefe schliessen zu können, dass
man seiner Beobachtung, wenigstens soweit sie sich auf die Jetztzeit bezieht,
Glauben beimessen könne. Li Bezug auf den antiken Fund möchte ich bemerken,
dass wir allerdings wissen, dass die Römer auf dem Gebiete der Frauenkrank-
heiten anerkennenswerthe Kenntnisse besassen. Auch hatten sie, wie namentlich
Funde aus Pompeji beweisen, allerlei gynäkologische Instramente, zum Theii
sogar von ziemlich complicirter Constraction« In ihren Schriften sprechen sie
(53)
auch dayon, dass in gewissen Fällen Pessi, oder wie wir heute sagen würden,
Pessarien in die C^ni^en eingelegt werden sollen. Dieselben sind dann aber
gewöhnlich direct ans Medicamenten beigestellt. Dass sich schon einmal ein
wiri[liches Pessarinm, ein Matterkranz oder Matterring aas dem Altertham gefanden
halte, ist mir nicht bekannt —
(21) Hr. Merenskj spricht über
die australische Mission auf den Bismarck -Inseln.
Anf den Bismarck-Inseln arbeitet die Aastralian Wesleyan Methodist Missionary
Society, welche ihren Sitz in Sidney hat Ihre Einnahme beläaft sich aaf etwa
300000 Mk., Ton denen 100000 Mk. von den Viti-Inseln kommen. Aaf den
Bismarck-Inseln fing die Oesellschaft ihre Arbeit im Jahre 1875 an. Da Hess
sich der Missionar O. Brown mit seiner Fraa and einigen eingeborenen Helfern
Yon den Yiti- and Tonga-Inseln aaf Nea-Laaenbarg nieder. Das waren die ersten
Weissen, die den Versuch machten, anter den als Kannibalen yerrufenen wilden
Bewohnern dieser Inseln sich niederzalassen. Im Jahre 1878 wurden auch einige
der eingeborenen Missionsgehülfen erschlagen und aufgefressen. Seither hat sich
die Mission auf Neu-Lauenburg befestigt und sich aach auf die Oazellenhalbinsel
von Neu- Pommern ausgedehnt. Ja, neuerdings konnten auch auf Neu-Mecklen-
borg Stationen angelegt werden. Gegenwärtig arbeiten daselbst 4 europäische
Missionare mit 3 eingeborenen Pastoren und 87 Lehrern, unter denen 20 Yiti- und
10 Samoa-Leute sind. Auch stehen 132 eingeborene Unterhelfer im Dienst.
Nachdem im Jahre 1878 die ersten Taufen stattfinden konnten, hat sich die
Zahl der Christen beständig vermehrt. Sie beläaft sich gegenwärtig aaf 2500
Seelen, unter denen 1200 Erwachsene sind. In 50 Schulen werden 1700 Schüler
und Schülerinnen unterrichtet, und die Zahl der Kirchgänger wird auf 6600 ge-
schätzt In Port Hanter auf Neu-Lauenbarg ist ein Prediger- Seminar errichtet,
dessen 26 2iöglinge sich ihren Unterhalt darch Pflege von Pflanzungen erwerben,
die zu der Anstalt gehören. Bemerkenswerth ist, dass diese Mission ihre Arbeit
mit rerhältnissmässig sehr geringem Kostenaufwande betreibt Die Gesammtkosten
beliefen sich im Jahre 1894 auf 32 596 Mk. Vier verheirathete europäische
Missionare erhielten für Unterhalt und Reisen jeder 4000 Mk. Ftlr die eingebomen
Lehrer wurden Insgesammt in dem genannten Jahre 5 300 Mk. aufgewendet
Letztere erhielten nehmlich nur etwas BaamwollstoCT zur Kleidang, eine Quantität
Perlen als Kleingeld and etwas Tabak. Die eingebomen Lehrer sowohl, wie die
eingebornen Christen, werden nicht earopäisirt Man lässt sie verständiger Weise
bei ihren einfachen Lebensgewohnheiten. Grand und Boden für die Anlegung der
Missionsstationen geben die Häuptlinge kostenfrei her, ja, sie errichten auch den
Missionsgehülfen ihre Wohnungen unentgeltlich. Die Eingebomen werden als ge-
lehrig geschildert. Nach 1 y, jährigem Unterricht sind sie meist im Stande, Bücher
zu lesen. Die Christen bleiben bei ihren Lebensgewohnheiten, soweit diese nicht
heidnisch sind. Eine passende Haartracht haben sie dadurch angenommen, dass
sie das zu Berge stehende Haar etwa eine Handbreit vom Kopf ganz gleichmässig
abschneiden. Erstaunlich ist die Willigkeit, mit der die Leute Beiträge leisten
zum Unterhalt ihrer Kirchen und Schulen. Sie beliefen sich im Jahre 1893 auf
6 521 Mk., im Jahre 1894 auf 5 740 Mk. Im letztgenannten Jahre war die Emte an
Kokosnüssen geringer ausgefallen; desshalb erfolgte ein kleiner Rückgang.
Von hohem Werthe sind die literarischen Arbeiten, welche die Missionare
geleistet haben. Die Sprachen dieser Inseln waren vor 20 Jahren vollständig
(54)
unerforscht, jetzt sind sie Schriftsprachen geworden. Von dem Dialeot, der auf
der Gazellenhalbinse) . gesprochen wird , sind Wörterbuch und Orammatik ror-
handen, an denen Missionar Rickard 4 Jahre lang gearbeitet hat. 6500 Wörter
der Eingebomen enthält es, mit englischer Deutung, während der englisch-
melanesische Theil 5000 Wörter enthält. Es enthält auch äusserst werthyoUe
mythologische Notizen, wogegen eine Fabelsammlung, welche die Missionare Terfasst
haben, ^aus Mangel an Mitteln bisher nicht gedruckt werden konnte. Die Sprache
der Bevölkerung in Neu-Lauenbui^ ist von Missionar O. Brown bearbeitet, dessen
Wörterbuch 4500 Wörter enthält. Beiden Wörterbüchern sind wissenschaftlich
durchgearbeitete Grammatiken beigefügt Lesebücher, Katechismen und Gesang-
bücher sind in beiden Dialecten vorhanden, ebenso Evangelien und einige Stücke
des Alten Testaments.
Die Missionsgesellschaft hatte einige 90 ausgezeichnete Photographieen für
die Missionsabtheilung der vorjährigen Colonialausstellung eingesandt, welche] in
ungewöhnlicher Reichhaltigkeit und Vollkommenheit das Leben der eingebomen
und heidnischen Bewohner der in Rede stehenden Inseln darstellen. Ebenso
waren die genannten Wörterbücher und die neugeschaffene Literatur bei dieser
Gelegenheit ausgestellt. Diese Sammlung hat die Gesellschaft jetzt dem Aus-
wärtigen Amte überwiesen. Der Vortragende konnte diese Bilder und Bücher in
der Sitzung des 16. Januar der Anthropologischen Gresellschaft vorlegen. —
Der Vorsitzende dankt dem Herrn Vortragenden für die allgemein in-
teressirenden Mittheilungen und versichert, dass die Gesellschaft die auf Erkundung
des volksthümlichen Lebens, der Sagen und der Gultur- Fortschritte gerichteten
Forschungen stets unterstützen werde. —
(22) Hr. C. F. Lehmann macht weitere Mittheil angen ') über
metrologische Nova.
Dieselben werden später erscheinen. —
(23) Hr. H. Basse bespricht
einige märkische Graberfelder und einen Bargwall.
1. Zwei Urnen-Felder bei Leibsch im Unter-Spreewald,
Kreis Beeskow-Storkow, Reg.-Bezirk Potsdam.
Bei Gelegenheit der diesjährigen General -Versammlung der Nieder -Lausitzer
Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte in Sommerfeld fragte mich Hr.
Director Wein eck aus Lübben, ob ich nicht ein neues Umenfeld bei Leibsch
untersuchen wolle, da er dazu keine Zeit finden könne. Ich sagte solches zu und
wandte mich dem zu Folge an den Entdecker des Feldes, Hm. Rentier Galle in
Colonie Neudamm bei Leibsch, von dem ich die liebenswürdigste Auskunft er-
hielt. — Im October 1896 ging ich ich vom Städtchen Wendisch -Buchholz 8 km
südöstlich zum Dorfe Leibsch, dicht an der Spree gelegen. Wenn man 3 km vor
dem Dorfe auf der Chaussee aus dem Kiefern- Walde heraustritt, sieht man, soweit
das Auge reicht, überschwemmte Wiesen, grosse und kleine glänzende Wasser-
flächen, darin wieder Inseln und Strecken bebauten Feldes, ganz ebenso wie im
Ober-Spreewald bei Burg, Lehde oder Lübbenau, namentlich wenn es, wie im
September und October 1896, viel geregnet hat. — Das Dorf Leibsch ist bekannt
1) Vergl. Verhandl. 1896, S. 438—468.
(55)
durch seinen Fisch- Reich thum, wöchentlich werden die Fische zweimal nach
Berlin gebracht — Am Südende des Dorfes mündet das Ton Gross -Wasserburg
kommende Fliess in die Spree. Parallel mit diesem Fliess zieht sich bis gegen
Grross -Wasserburg ein aufgeschütteter Damm hinunter. Wenn man nun diesen
Damm 1 Arm yerfolgt und dann 1 km den südwestlich abzweigenden Feldweg weiter
fortgeht, sieht man vor sich 4 — 5 Fuss hohe Ackerfelder, die „der Zart^ genannt
werden. Dies Wort konmit häufig in der Mark vor und bedeutet wohl „Bmch^
oder ^sumpfigen Wald^. Diese Feldmark gehört dem Rossäthen L aurisch aus
Leibsch, welchen ich zur Untersuchung mit hinzugezogen hatte. Er sagte mir,
dass er im Frühjahr das höher gelegene Land etwas abgegraben habe, um mit
der gewonnenen Erde das heramliegende niedere Land mehr zu ebnen; dabei
sei er auf yiele Töpfe gestossen, die gross und klein, nesterweise bei einander
gestanden hätten. — Leider waren die Felder vor einigen Tagen besäet worden,
so dass ich nicht arbeiten konnte, wie ich wollte. Trotzdem gelang es mir, wenn auch
nicht ganz erhaltene Gräber, doch mehrere Gefässe und eine Menge von Scherben
zu bergen. Die Töpfe standen 2 Fuss tief im grauen Sande; nur einzelne kleinere
Steine waren ringsherum zu finden, denn die ganze Gegend ist hier arm an
Steinen. — Der Zart liegt gerade in der Mitte zwischen Leibsch und Gross-
Wasserburg; 200 Schritte ist sumpfiges Bruch bis gegen Gross -Wasserburg. 3 km
westlich ragen die Röthener Berge hervor. — Ausser Knochen waren in den Ge-
lassen weitere Beigaben nicht zu finden. —
Fig. 1 ist eine teninenartige, henkellose, stark gebauchte Urne, die mit Leichen-
brand gefüllt gewesen (Knochen und Asche), von brauner Farbe, innen blau-
schwarz, gut gebrannt Oeffnung 21 cm Üurchmesser, beim Halsansatz 20 cm^
grösste Bauchweite 23 cm^ Boden 9, ganze Höhe 16 cm, vom Halsansatz bis
zum oberen Rande 8 cm^ Wandstärke 0,7 cm. — Aussen und innen ganz glatt ge-
rieben.
Fig. 2, ein recht ansehnlicher, mit 2 cm breitem und 6 cm hohem Henkel yer-
sehener, hübsch omamentirter, sehr bauchiger Topf. Höhe 12,5, Oeffnung 14,5,
Fig. 1. Fig. 2.
am Hals-Ansatz 14 cm Durchmesser. Grösste Bauchweite 16, der Boden 6 cm. —
An der unteren Hälfte des Halses ziehen sich ringsherum 5 parallele wagerechte
Furchen; hierunter sind 6 Gruppen, aus je 5—8 parallelen senkrechten Linien be-
stehend, 3 cm lang bis zum Bauch führend, eingeritzt Farbe wie Fig. 1. — Weiter
fanden sich 3 lehmgraue, henkellose Tassen von 4,5 — 5 cm Höhe und 8 — 9 cm
Oeffnung. Eigenthümlich ist bei ihnen, dass sie unten rund sind, also keine Fläche
zum Feststehen haben. Man musste diese Gefässe entweder in Sand oder Erde
oder in besonders dazu vorhandene Gestelle (vielleicht aus Holz?) setzen, um
sie im Haushalt benutzen zu können. — Die Wand-Stärke bei den Tassen beträgt
0,5 cm. Das Material sämmtlicher Gefässe besteht aus bräunlichem Thon, ver-
mischt mit grobem Sand, grösseren und kleineren Stücken Quarz und Glimmer. —
Von diesem Umenfelde etwa 600 m nördlich liegen erhöhte Aecker, die theil-
^
(56)
weise auch schon geebnet sind; diese heissen „der Niva^. Geschrieben findet
man das Wort nirgends, doch jeder Bauer in dieser Gegend kennt den „Niva*'.
Hier sind die Besitzer Lindolf und Wuscheck in Leibsch beim Ackern schon
häufig auf Urnen gestossen. Beim Ueberschreiten dieser Felder sammelte ich yiele
Scherben. Weitere Untersuchungen konnte ich auch hier nicht anstellen, da vor
einigen Tagen erst gesäet war; doch konnte ich vom Bauer Lindorf eine kürzlich
gefundene Urne (Fig. 3) mitnehmen, die mit Knochen gefEÜlt war. Sie ist schlabk,
terrinenartig, mit stark ausgebogenem Band. Durchmesser
Fig. 8. der Oeffnung 17, des Halses 18, Bauchweite 16,5, Boden
9,5, Höhe 18 em, Wandstärke 0,6 cm, Farbe hellgrau. Das
Material dieser Urne besteht aus feinerem Thon, nicht mit
grobem Sand gemischt. — Erwähnen muss ich hierbei, dass
ich auf dem Ni?a neben den gewöhnlichen, von uns als
Scherben von germanischen Gefässen angesehenen, auch rieie
blau-graue Gefass-Scherben fand, die ich, wenn ich solche
allein gefunden hätte, als wendische bezeichnen würde.
Augenscheinlich sind alle hier und im Zart gefundenen
Gefässe erst gebrannt und dann mit einer braunen, härteren
Masse bestrichen worden. —
Dicht vor Leibsch befindet sich die Colonie „Damm^; hier wurden bei Er-
bauung des Kalk-Ofens und bei Anlage des Gartens vom Besitzer Hm. Galle beim
Abfahren eines Hügels viele menschliche Skelette und viele Feuerstein-Instrumente
gefunden, die leider für die Forschung verloren, weil verschleppt sind.
Hervorheben möchte ich noch, dass die Bewohner des Doifes Leibsch meistens
den acht germanischen Typus aufweisen, schlanken, grossen Bau, blondes Haar,
blaue Augen haben und wenn auch platt, doch rein deutsch sprechen. Sie haben
auch urdeutsche Namen, alles im Gegensatz zu den Bewohnern des Ober-Spree-
Waldes. —
2. Rundwall bei Leibsch, im Unter-Spreewald,
Kreis Beeskow-Storkow.
Am Nachmittage desselben Tages traf ich im Dorfe Leibsch den oben er-
wähnten Hm. Galle und gab ihm Rechenschaft von meinen Untersuchungen.
Er sprach auch von mehreren randen Hügeln, die südlich vom Dorfe zwischen
oben bezeichnetem Fliess und Damm in den Wiesen liegen sollten. Wir brachen
trotz Regen sofort auf und gingen den Damm 5 Minuten südwärts, dann fuhren
wir mit einem Kahn etwa 300 Schritte östlich zu einem jetzt noch 4 Fuss hohen,
abgetragenen, beackerten, kreisranden Wall. Die höchste Stelle liegt in der Mitte.
Der Durchmesser beträgt 90 Fuss. Die abgetragene Erde ist wohl benutzt worden,
um den noch an mehreren Funkten erkennbaren, sich ringsheraroziehenden Graben
zuzuschütten. Schwarze, kohlige Erde war mehrfach zu erkennen; auch sammelte
ich viele Scherben, die den Charakter der vom Zart bei Leibsch zeigten. 200 Schritte
östlich fliesst das von Gross- Wasserburg kommende Gewässer. — Etwa 300 Schritte
nördlich von diesem Rundwall liegt eine noch einmal so grosse Rundung, beackert
und theilweise mit Gesträuch bewachsen, 3 — 5 Fuss hoch, die ich aber nicht be-
suchen konnte, da ich schon bis auf die Haut durchnässt war. Ich möchte die-
selbe anderen Forschem empfehlen. — Knochen und Scherben von obigem Rund-
wall, auch die Gefässe vom Zart und von dem Niva befinden sich voriäufig in
meiner Sammlung in Woltersdorfer Schleuse bei Erkner. —
(57)
3. ürnenfeld bei Diensdorf, Kreis Boeskow-Storkow,
Reg.-Bezirk Potsdam.
In der Mitte des östlichen Ufers des sich Ton Norden nach Sttden 1 1 Arm hin-
streckenden Scharmtttzel-Sees liegt das alte Dorf Diensdorf, vielen Berliner Ruderern
bekannt. Südlich, dicht am Dorfe, steht eine Schneidemühle; gleich hinter der-
selben, am Wege nach Herzberg, nennt man die Erhöhung den „Schinderberg^.
Derselbe ist vielfach angegraben, um namentlich die sich im Berge massenhaft
befindenden Steine herauszuholen. Die Steine zum Schulhause sind sämmtlich aus
dem Schinderberge gegraben. Von einem alten Einwohner Diensdorfs mit Namen
Strengel erfuhr ich, dass unter und zwischen den Steinen sich oft grössere und
kleinere Töpfe fanden. Vor 2 Jahren hatte dieser Mann eine Nadel und einen
Ring, nach seiner Angabe aus Gold bestehend, gefunden, die er dem Besitzer
von Saarow (am nordwestlichen Ufer des Sees) für 2 Mk. verkauft hat. Mit dem
alten Strengel untersuchte ich den Berg, fand massenhaft Scherben, aber keine
ganzen Gefösse. Die Stücke haben den Typus der Gefässe aus dem 5 km ent-
fernten Umenfelde bei Wilmersdorf. In einem Topfe soll sogar eine goldene Rette
gelegen haben, was von einigen Bauern im Dorfe bestätigt wurde. —
4. Hügel-Gräber bei Theresienhof, Kreis Beeskow-Storkow.
Von Diensdorf 1 km nördlich, auch dicht am Ost-Ufer des Scharmützel-Sees,
liegt das Landgut Theresienhof, das mehrere Jahre hindurch der bekannten Berliner
Soubrette Emestine Wegner als Tusculum gedient hat. Von Theresienhof Vt ^
östlich in der. Heide am Karschützenberg, nördlich vom Ekenberg (wahrscheinlich
Eichenberg), liegen 4 runde Hügel von 4 — 5 Fuss Höhe und 30 Fuss Durchmesser,
wovon 3 sichtbar angegraben sind. Der vierte Hügel war besser erhalten; nur
von oben war eine Vertiefung gegraben und Steine daraus entfernt, denn alle
Hügel bestanden aus 5 — 100 Pfd. schweren Steinen, dazwischen Sand und Erde.
Mit dem vorhin genannten alten Strengel machte ich mich an die Arbeit, um
diesen vierten Hügel zu bewältigen. Nach riesiger Arbeit, wobei wir mehrere
Fuhren Steine herausholten, waren wir bis zum Abend in die Mitte des Hügels
gelangt; es wurde jedoch nichts weiter, als mehrere Hände voll kleiner Knochen,
zwischen den Steinen unregelmässig liegend, gefunden. Kein einziger Scherben
kam zum Vorschein. Entweder sind die Gefässe aus dem Grabe schon früher ent-
fernt oder der Leichenbrand ist ohne Urne bestattet worden. Der frühere Cantor
in Diensdorf, der jetzt nach Betzin bei Carvesee versetzt ist, hat einige Urnen aus
den Hügelgräbern. Der alte Strengel erzählte, dass er vor etwa 40 Jahren, als
er dort Schäfer war, in einem der angegrabenen Hügel zwischen den Steinen
2 Töpfe gefunden habe, worin sich eine schwärzliche Schnalle befand. —
5. Urnenfeld bei Buchholz, Kreis Ober-Barnim.
Vom Städtchen Alt-Landsberg etwa 5 km nordöstlich liegt das Dorf Buch-
holz mit einer königlichen Domäne. Vom Dorfe Vs ^^ östlich, links vom Wege,
der nach der Spitz-Mühle führt, ist eine Erhöhung, die Zwergberge genannt,
die zur Domäne gehören. Schon mehrere Male sind im Herbst beim Pflügen viele
Steine und kleine und grössere Töpfe zum Vorschein gekommen. Ich hörte davon,
dass die Kinder im Dorfe mit den kleinen Gefässen spielen sollten, und ging
im September 1895 an Ort und Steile. Mit dem Meier der Domäne und dem
Schneider Grassnickel aus dem Dorfe wollte ich nach der beschriebenen Stelle
gehen, alle mit Spaten bewaffnet; nur wollte ich vorher die Erlaubniss des Pächters
(58)
Hrn. Ober-Amtmanns Herschner einholen. Derselbe erklärte mir jedoch, eine
derartige Erlanbniss nicht geben zu können, da er laut Contract über Sachen in
der Erde nicht yerfügen dürfe, trotzdem ich ihm erklärte und versprach, die
eyentaell zu machenden Funde dem königl. Museum zu übergeben. Ich musste
mich leider bescheiden. Im Herbst 1896 sollen wieder einige Urnen herausgekommen
sein, die leider im Dorfe zertrümmert wurden.
Von Buchholz 3 kni nordöstlich liegt links am Wege nach Wesendal der Spitz-
l^Gcg, ganz mit Sieinen besäet und mit Kiefern bewachsen. Hier fand ich eine
Menge von Urnen-Scherben, die ich dem Märkischen Provinzial-Museum übergab. —
(24). Hr. A. Treichel, Hoch-Paleschken, Westpr., berichtet über den
Schlossberg yon Mehlken, Kreis Carthans (nebst Anhängen).
Im westpreussischen Kreise Carthaus liegt nordöstlich von dem Kreisorte die
Ortschaft Mehlken; dieselbe zerfällt in ein selbständiges Gut, welches früher mit
dem benachbarten Exau, polnisch Krzewo, als Rittergut immatricullrt war, und aus
einem Mühlen-Grundstücke, welches um 1880 ein Eugen Behrendt besass, einer
Wassermühle, getrieben durch den Stolpebach (die sogen, kleine Stolpe, im Gegen-
satze zu der mehr Pommern angehörigen grossen Stolpe) und einer Gross-Bäckerei
bestand. Heut zu Tage ruhen Rittergut und Wassermühle in einer Hand und ge-
hören dem Besitzer Hm. Czech.
Die niederdeutsche Bezeichnung Mehlken hängt wohl mit dem poln. mlyn =
Mühle zusammen. Ein anderes Mehlken giebt es noch bei Gnewau, Kreis Neustadt;
ein Mühlchen, Kreis Carthaus; ein Mlinsk, ausser in anderen Kreisen, wie Preuss.-
Stargard und Gulm, noch zweimal im Kreise Carthaus: 1. Ausbau von Mahlkau,
2. Bauemdorf bei Mirchau; beide letzteren werden auch Mlinke oder Mehlke ge-
nannt. Der Ort Mehlken oder Mlyn wird im pomerellischen Urkundenbuche gar
nicht erwähnt Es geht ein Gerede, dass er früher einen anderen Namen ge-
habt habe, der jedoch nicht bekannt ist. Zu dem Mühlen -Grundstücke gehörig
und ganz nahe am Mühlenfliesse gelegen ist ein Burgwall, hier Schlossberg ge-
genannt, obschon auch nicht die mindesten Ziegelreste auf ein Schloss hinweisen.
Gelegentlich einer botanischen Pfingst -Versammlung in Carthaus besuchte ich
diesen in der prähistorischen Literatur bekannten Wall und lasse hier das Er-
gebm'ss meiner Funde und Messungen deshalb folgen, weil nirgends sonst in der
Literatur auf die Beibringung yon Maasszahlen Rücksicht genommen wird.
Eine solche erscheint mir aber durchaus geboten, um in dem Falle einen Anhalt ftir
eine gewisse Menschenzahl zu haben, wenn man die alten Burgwälle als Fliehorte
annehmen will. Dr. R. Behla (Vorgeschichtliche Rundwälle, Berlin 1888, S. 189)
erwähnt den Mehlkener Burgwall nur kurz, sowie Funde von slarischen Scherben
und Knochen vom Rind, Hasen, Wildschwein u. s. w. Nach dem Sitz.-Berichte der
anthropol. Sect der Naturforsch. Gesellschaft in Danzig vom 17. December 1884, sowie
der Danziger Zeitung von 1884, Nr. 14 999 und 15 001, hat Dr. A. Lissauer den
Wall in seine Prähistor. Denkmäler der Provinz Westpreussen, Leipzig 1887, S. 194
für die Höhen längs des linken Ufers der Radaune und Mottlau in dem Lande
zwischen diesen, der Weichsel und dem Meere fUr die arabisch-nordische Epoche
aufgenommen. Es untersuchte Hr. Dr. Conwentz mit Hm. Besitzer Czech
gemeinsam jenen Burgwall, in welchem sehr viele Scherben vom Burgwall-Typus,
darunter auch die in den Fig. 24 — 26 der jenem Werke beigegebenen Tafel V
zu finden sind, und wo Knochen vom Rind, Bären, Hasen, Wildschwein and Stör,
dann zwei Wirtel aus Thon und Bernstein, endlich ein eisernes Messer und bear-
(59)
beiteie Feuersteine gefunden wurden« Alle diese Gegenstände sind im Besitze des
westpreussischen Prorinzial-Museums.
Die Mtihle Mehlken liegt südöstlich Ton dem Gute; an dieser Stelle stossen drei
Erhebungen zusammen, nach Osten zu ein Bergplateau, nach Westen zu eine Hügel-
kette, südöstlich ein isolirter Bergrücken. Das Thal, das daraus gebildet wird, durch-
fliesst der Stolpebach, gleichwie ein Zufluss desselben, das von Carthaus kommende
Rlosteriliess, ein anderes Querthal. Von jenem isolirten Bergrücken hat man gerade
die Stirnseite zur Schaffung eines Bui^alles genommen, indem man ihn südwestlich
mit einem tiefen Abstiche versah. Die Stirnseite grenzte früher unmittelbar an
den Stolpebach; der Landweg, der heute zwischen Fluss und Berg geht, ist erst
neuerdings geschaffen. Der Berg ist kaum 10 Schritte vom Fliesse entfernt Die
Maasszahlen, wie ich sie jetzt gefunden habe, betragen 241 Meterschritte im Um-
fange bei einer Länge von 81 und einer Breite von 73 Meterschritten. Der Ab-
hang zum Stolpebache ist heute mit Baum und Gesträuch bedeckt; an einer freien
Stelle maass ich 50 Schritte Abstieg, dagegen nur 35 Schritte Abstieg nach der
durch Cultur bereits nivellirten Feldseite hin. Doch vermisste ich alle die Merk-
male, welche ich sonst bei Burgwällen gefunden hatte, und konnte mich nur schwer
entschliessen, hier eine prähistorische Umwallung anzunehmen. Es fehlte nehmlich
die Wallkrone selbst, sodann die innere Kesselung, sowie irgend welche Stein-
setzung, femer der öfters gefundene grosse Einzelstein auf- der Oberfläche, sowie
endlich irgend eine sichtbare Zu- und Abgangsstelle. Selbst bei der Annahme
einer noch so starken Yeränderang durch die landwirthschaftliche Beackerung
mtlsste das Meiste von jenen Erfordernissen nicht zu vermissen sein. Auch war
die Femsicht bei solchem Zustande eine nur beschränkte; sie ging kaum über das
rechte und linke Haupt- und das Querthal hinaus, ohne dass der Blick deren
(60)
Ränder überstreichen konnte. Wie konnte so die Umwallung Ton grossem Nutsen
sein? Uebrigens fehlt eine viel höher gewesene Wallkrone ebenfalls bei dem WaUe
von Garczin, Kr. Berent (vergl. Sitz.-Ber. vom 20. März 1866, Bd, 18, S. 244); aber
die Kesselnng ist dort vorhanden und die Funde beweisen das Vorhandensein
eines voi^schichtlichen Bnrg^lalles. Ich war also geneigt, den Wall als eine reine
Schwedenschanze anzusprechen, zumal da mir gesagt wurde, es seien dort alte
schwedische Münzen von Silber gefunden worden mit der Darstellung einer „Taube
mit einem Zweige im Schnabel". Ich weiss nun nicht, ob alte schwedische Münzen
solche Darstellungen zeigen, erfuhr jedoch später durch Hm. Dr. v. K^trzynski
in Lemberg (am Institut Ossolinski), dass höchstens der Vogel Phönix auf
schwedischen Medaillen des 17. Jahrhunderts vorkomme. Und doch schrumpfte
später die Zahl solcher Medaillen auf ein einziges Stück ein, das aber schon
längst verschenkt war, also prüfnngslos bleiben musste. Wenn es wirklich
solche Denkmünzen giebt, so gehört es ja durchaus nicht in den Bereich der
Unmöglichkeiten, dass die kriegskundigen Schweden diese Befestigung, diesen
Höhepunkt, diesen Schauberg auch ihrerseits benutzten, wie sie ihn vorfanden,
unter gänzlicher Belassung im gleichen Zustande oder unter theilweiser Ummode-
lung. Schliesslich gab mir Hr. Gonservator Stubenrauch in Stettin auf meine
Anfrage die Antwort, dass ihm derartig gezeichnete Münzen von Schweden weder
für früher, noch für jetzt bekannt seien. Es mnss also ein uncontrolirbarer Irrthum
hinsichtlich der Provenienz vorliegen. Ich will aber im Weiteren hier gleich den
Punkt der Münzen vorwegnehmen. Wenn nun an der Aassage des Hrn. G. B. Gzech
nicht gezweifelt werden darf, dass hier auf oder an dem Schlossberge auch noch
Münzen gefunden wurden, die mir gezeigt wurden, so dass ich darunter polnische
Stücke von 1695, Gedanensia von 1758 und 1763, Danziger Groschen ans Rupfer
von 1812, auch die selteneren Preussischcn Halbe-Thalerstücke von 1765 (ja sogar
zwei chinesische Rundstücke mit viereckiger Löcherung in der Mitte, also wohl
sogen. Itzebu's, was sehr wunderbar und contrastirend erscheinen muss) feststellen
konnte, so darf nur daran gedacht werden, dass auch spätere Kriegsschaaren,
welche bis auf die neueste Zeit unsere Lande durchzogen, dort ihren Lagerplatz
gehabt haben.
Die chinesischen Stücke wären vielleicht auf russische Verschleppung (ich habe
jedoch noch keinerlei rassische Münzen gefunden!) zurückzuführen, wenn man
nicht auf Sommerfrischler oder Gelegenheitsgäste aus der Seestadt Danzig zurück-
greifen will. Alle diese Zweifel zerstreuten sich aber, als ich am nächsten Tage
wiederkehrte und Hm. G. B. Czech, der am ersten Tage nicht zu Hause war,
selbst sprechen konnte; denn nun musste ich ein ganz anderes Bild von der Sach-
lage gewinnen. Vor etwa 36 Jahren, als Hr. Czech zuerst die Mühle und dazu den
Schlossberg erwarb, war der letztere um 12 — 15 Fuss höher, aber ganz mit Strauch
oder Baum bewaldet, und nur durch Klettern auf allen Vieren zu erreichen. Die
Ostseite ging schräg steil hinunter und war mit Etagen von grossen Felssteinen
ausgelegt; ich bezeichne diese Stelle mit Steinrampe, welchen Ausdruck ich auch
beim Burgwalle von Bendargau im Volksmunde hörte.
Um 1825 oder 1835 wurde der Anfang zur Cultivirung des Schlossbeiges
gemacht Die Holzgewächse wurden ausgerodet und die Steinmassen hinabgekollert,
gesprengt und irgendwie beim Bauen zu Fundamenten verbraucht, das Erdreich
nach allen Seiten hinabgeworfen, um doch irgendwie bequem zur Ackerarbeit auf
den oberen Raum zu gelangen und diesen selbst durch Nivellirung zu vergrössem,
namentlich nach der Landseite zu, um einen bis über 30 Fuss tiefen, steilen Abfall zu
beseitigen. Und doch maass ich jetzt noch an dieser Stelle 35 Schritte sanAeren
(61)
Abstieges! Somit kann die Enthöhung durch Abstich und Verwarf, sowie durch
Einebnnng und Abrandnng durch den Pflug, im Laufe Ton nahezu 40 Jahren
wohl auf 12 — 15 Fuss veranschlagt werden. Oben aber bot sich ein nur wenig
umfangreiches Viereck mit erhöhten Aussenseiten (Wallkrone) für den Beobachter
dar. Dann allerdings war die Anlage aus ganz anderen Augen zu betrachten und
bot auch eine genügende Femsicht gegenüber einer nahenden feindlichen Streit-
macht dar. Als das geschaffene Neuland zur Beackerung kam, sollen an einer
Stelle östlich die Pferde bis zum Buge eingesunken sein. Im Westen gab es eine
Stelle, wo im Feuer gewesene Kopfsteine in zahlreichem Gemenge wohl die Feuer-
stelle andeuteten. Längs dem ganzen Walle lagen gebrannte Steine in kleineren
Einzelhaufen; dazu yiele Knochen.
Bei den Culturarbeiten des Ausrodens und des Entsteinens wurden nun gleich
und ebenso später vielfache Funde, meist in Menge, gemacht Hr. Czech erzählte
mir, dass (von Beigabeu ganz zu schweigen) weit über 50 — 60 Urnen dabei ge-
funden und zerschlagen wurden, ohne dass man damals der Ss^che selbst irgend
welche Beachtung geschenkt hätte, weil das Interesse noch nicht rege gemacht war.
Man fand auch ein Paar Mahlsteine, mit ihren Hohlflächen einander zugekehrt,
sowie später noch ein drittes Stück einzeln; diese wurden bei Neubauten ge-
wissenhaft als zum Vermauern brauchbar gefunden. Gemeldet wird mir noch
ein vierter Mahlstein (Keibstein, Quirl) als in der Nähe gefunden, der sehr alt
sein muss; sein Durchmesser beträgt 20, die Höhe 8 cm; die äussere Kante ist
ganz roh bearbeitet, jedoch noch in einer Schärfe sichtbar. Wirtel aus Thon fanden
sich in reicher Menge, die vielleicht beim Spinnen, vielleicht als Netzhalter ver-
werthet wurden; ihre Kleinheit spricht für das Erstere. Von hellerem Thon sicher und
symmetrisch gearbeitet, aussen von dem am meisten abstehenden Mittelrande in vier
Riefen beiderseits absteigend, hat der mir vorliegende Wirtel einen Umfang von 7,6 cm,
eine Höhe von 2,3 und an den Abplattungen von 2 cm. Von Bernstein gab es nur rohe
Massen; das lehmige Land umher bietet solche als Inclusa recht häufig dar, dann
aber von dunklerer, fast purpurner Färbung, also von minderer Güte; die mehr
am Schlossberge gefundenen Stücke sind dagegen fester, hellweisslich, fast kumst-
farben; einige Stücke davon hatten scharfkantige Einbuchtungen, so dass sie wie
Zangengebilde aussehen, vielleicht nur aus natürlicher Entstehung, wogegen ein
Stück wegen seiner Kleinheit, Glätte und Emaii-Aehnlichkcit wohl als eine bear-
beitete Art von Perle anzusehen wäre. Der Boden im Berge ist sonst meist
mergelhaltiger Grand, daher auch äusserst fruchtbar; es finden sich in ihm viele
Gesteinarten in sonderbaren Bildungen, so von Versteinerungen Belemniten, femer
Schmirgel u. s. w. Im ganzen Abhänge im Nord-Osten (50 Fuss Abstieg) ist früher
ebenfalls mit Erfolg geackert worden, dies aber später unterlassen. Dort ist eine
sehr starke Humusschicht vorhanden, wo ich ausser fester Grasnarbe zwei starke
Exemplare der selteneren und solchen Boden liebenden essbaren Morchel (Morchella
esculenta Pers.) fand. Hierher scheint über die Wallkrone alles Unbrauch-
bare und aller Unrath hinausgeworfen zu sein, wie Küchenabfall. Hr. Czech
meinte, eine Nachgrabung an dieser Stelle ergebe für etwa ein Quadratmeter mit
Leichtigkeit über einen Schubkarren roll Abfall, namentlich an Knochenresten und
an Topfscherben. Wir buddelten gemeinsam an einem ganz geringen Fleckchen
Erde und fanden überreichliche Ausbeute. Die Knochen kann ich nicht bestimmen;
doch von früheren Funden taxirte mein Hofmeister einen Zahn als den eines Hundes
und einen sehr spitzen Zahn als den eines alten Ilehbockes(?) (diese Gattungen
wären also denen von Lissauer angegebenen beizufügen); vom Bären und Stör
aber machten wir erneuerte Feststellung.
(62)
Ein gleich zahlreiches Eigebniss hatten wir an Topfscherben, deren es von
allen Gattungen gab, in Bezug auf Eidmischung, Brandstärke und Färbung, Wand-
stäi^e, Bandstttcke, Stehilächen. Viele waren ohne Zierath, gleich viele oma-
mentirt, darunter die meisten ausgezeichnet in der Auffassung und Ausftthmng.
Fig. 1.
Fig. 3.
Fig. 2.
Fig. 4.
Fig. 6.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 8.
St^htl&che.
Unter diesen Zeichnungen müssen anbedingt die Nrn. 3, 4, 8 anffallen, be*
sonders das riergestrichelte Rreazmaster. Auf dem Acker nebenbei Canden sich
(63)
auch Steinkisten mit Urnen, gefüllt mit Asche und Leichen brand, im Zickzack
ornamentiri Eiserne Objecto kamen nicht zur Erwähnung. Derartige Sachen
werden die Finder wohl gezeigt und abgeliefert haben. Anders fassten sie die
Sache wohl auf bei anscheinend werthvolleren Gegenständen. Die Gulturarbeit
geschah ausserdem vor vielen Jahren, und die Leute sind seitdem fortgezogen oder
haben die Objecto verloren oder veräusseri So steht es um eine Bronzekette,
um bronzene Spangen und Nadein, die nur noch in der Erzählung existiren. Auch
Perlen von Email im Giasfluss (sowie von Bernstein) wurden mehrfach (bis zu 20)
gefunden, wovon nur noch höchstens drei im Pro vinzial -Museum vorhanden sind.
Zu den Funden auf dem Schlossberge gehört endlich ein Gelt aus schwärz-
ichem Stein von grosser Härte. Bei einer Länge von 7,2 cm misst er an der
Schneide 3,7 cm Breite. Am anderen Ende zeigt er eine Höhlung, ist aber an einer
Langseite concav. Er scheint gut polirt und ist an der Schneide durchaus un-
verletzt, kann also nicht lange Zeit im Gebrauch gewesen sein, wenn man annimmt,
dass er zur Trennung oder Schabung kleinerer HartstUcke gedient habe.
Ebenso bewahrt Hr. Gutsbesitzer Gzech noch jetzt einen Sporn auf, von
dem noch drei Viertel der ursprünglichen Gestalt und Grösse erhalten sind. Der-
selbe ist von Bronze und zeigt einen compacten Ansatz als Spomrad. Beide Gegen-
stände habe ich mir als Eigenthum gesichert, ihren Besitz aber zum Zwecke des
unterrichtlichen Zeigens dem Grundherrn überlassen. Während der Stein-Celt der
Bnrgwallzeit angehört, kann der Bronze-Sporn aus «späterer Zeit herstammen. —
Sagen vom Schlossberge Mehlken.
Auch von diesem Schlossberge giebt es Sagen und zwar mehrere:
1. Wenn sich dort in der Umgegend ein Brautpaar verheirathet und der eine
von beiden Theilen nur etwa widerwillig oder gezwungen dareingewilligt hat, so
geschieht es wohl, dass der alte Schlossberg am Trauungstage dazu Musik ertönen
lässt Das ist dann kein gutes Zeichen, weil die Ehe eine unglückliche wird, oder
einer von beiden Theilen bald stirbt.
2. Ein junges Mädchen mit einem Hündchen sitzt fast in der Mitte des
Schlossberges (zur Zeit, als noch nicht so viel davon abgetragen war) und holt
sich von Zeit zu Zeit Wasser aus dem MUhlenfliesse. Sie war verzaubert; als
jemand kam, sie zu erlösen, gelang das nicht. So erzählte ein älteres Mädchen
des Gutshofes.
3. Früher liessen sich dort Mönche in weisser Tracht sehen und gaben
aeufzende, stöhnende Laute von sich. Das geschah besonders in dem parkartigen
Wäldchen des gegenüberliegenden Bergabhanges. Da kam jedoch ein Pfarrer, der
besprach diese Erscheinungen, und seitdem ist es davon still geworden. — [Die
weisse Tracht der Mönche deutet eher auf Oarthäuser-Mönche hin.]
(Diese beiden Stücke, welche ein alter Bauer Wilkowski erzählte, scheinen
mir im Zusammenhange zu stehen mit der mehr kirchlichen und erst in neuester
Zeit auf Grund von bis jetzt noch unbekannten Urkunden entdeckten Thatsache,
dass das Kloster Zuckau mit seiner ursprünglichen Anlage hier in Mehlken seine
Gründungsstelle gehabt hat, ehe die durch Krieg verjagten Mönche in eine andere
Au hinabzogen. Darüber bringe ich ein Mehreres an anderer Stelle.)
4. Es ^spukert^ auch sonst! Oefters am Tage und namentlich im Abend*
grauen kommt es den Einwohnern so vor, als ob plötzlich ein Wagen mit „Vieren
lang^ vorgefahren komme; schnell eilen sie hinaus, um Nachschau zu halten, finden
aber nicht das Geringste vor. So soll es mehrfach dem dortigen Hofmeister er-
gangen sein.
(64)
(Mir will dieser Spuk als eine leicht erklärliche Sinnestäuschmig erscheinen,
und ich führe ihn wohl nicht mit Unrecht zurück auf den in der abendlichen
Nebellufk weiterverpflanzten Widerhall von den vielfachen Bergkuppen dort, an deren
Bande auf sommerfestem, steinholperigem Wege vielleicht zu gleicher Zeit ein
rasches GeiUhrt seine Strasse zieht.) —
Mehlken als alte (Kloster-) Siedelung.
Es wird erzählt, dass hier in Mehlken die erste Anlage des unweit gelegenen
Klosters Zuckau geschehen sei; die Mönche hätten hier sogar Bier gebraut und
einen Eisenhammer angelegt. Durch Krieg vertrieben, seien sie in eine andere
Au (Zuckau) gezogen und, obschon wiederum durch Krieg bedroht, dennoch dort
geblieben. Das soll auch aus Urkunden hervorgehen, die sich wahrscheinlich im
Pfarr- Archive befinden, doch hatte ich bis jetzt keine Oelegenheit, nachzusehen.
Ich hebe zunächst hervor, dass nach Dr. M. Perlbach's pomerellischem Ur-
kundenbuche (S. 12) die älteste Urkunde, welche das Kloster Zuckau betrifft, von
1209, 24. April, Zuckau datirt ist, wonach Mestwin, Fürst von Danzig, diesem Kloster
zwischen der Radaune und Stolpe die Dörfer Zuckau, Mislicyn, Sulislave, Barcline,
dann Eamkau und Schmirau, ganz Oxhöft, Belzcowo im Lande Beigard, und
Orabowo bei Seh wetz verleiht. In dieser ältesten Urkunde, die in Zuckau selbst
ausgestellt ist, findet man aber keine Erwähnung, sei es von Mehlken oder
Mlyn, sei es von einem früheren, anderweitigen Sitze der Mönche. Wie dem
auch sein mag, jedenfalls muss die Anlage eines Eisenhammers an der Stelle,
wo jetzt kein Wasser ist, darauf hindeuten, dass in früheren Zeiten auch dieses
Gebiet viel wasserreicher oder das Wasser selbst viel grösser gewesen ist, worauf
es mir für meine Schlussfolgerung ankommt. Die Lage der ersten Kloster-
Siedelung war alsdann an der Stelle des jetzigen Wohnhauses des Gutes. Dafür
spricht auch der grosse und alte Garten, in dem sich am Bachufer noch jetzt bis
12 Fuss hoch wuchernde Stengel des allerdings nicht officinellen gemeinen Bären-
klau breit machen. Die Brauerei und andere Wirthschaflsgebäude standen weiter
westlich am linken Bachufer. Ich bemerkte am rechten Ufer noch verrätherische
Hopfenpflanzen in einer ganz gut zum Hopfenge stuhle passHchen Niederung. Der
Eisenhammer stand etwa jenen Gebäuden gegenüber. Namentlich machen sich
hier Dämme bemerkbar. Auf einem ist die Stelle des Hammerberges noch gut
zu sehen, namentlich Kohlen und Eisentheile treten zahlreich zu Tage. Unten
war bis vor Kurzem die Unterlage für den Amboss vorhanden, worauf der Hammer
schlug, der Schabat, ein grober Eichenklotz mit einem grossen Eisenstüoke, der
dem Amboss Halt gab. Grübe man tiefer nach, so würden sich mehr Beweise
finden lassen. Zicgelstücke und fast ganze Ziegel von dem bekannten grossen
Formate der Deutschordens- Bauten sah und ergrub ich selbst, nebst Kohlen- und
Eisenstücken. Jedenfalls steht hier die Anlage eines Eisenhammers fest, obschon
keine Geschichte davon Meldung thut. Ausgegrabener Samen von selteneren Pflanzen
kam wieder zur Keimung (Lützow). So wird die Ueberlieferung, wenn auch
durch keine Urkunde unterstützt, wohl Recht haben. Dazu kommt für die Be-
trachtung noch das Alter der Mühle. Die jetzige ist ganz neu und da erbaut, wo
die alte stand, die vor Jahren abbrannte. Deren Anlage war aber sehr alt und
wohl auf eine Zeit vor 800 Jahren zu setzen. Dafür sprechen die Auffindungen,
welche man beim Aufräumen des Schuttes und bei den Vorarbeiten für die B^-
richtung der neuen Mühle machte. Ausser komisch geformten und bei der Mühlen»
Technik selbst vor Jahrhunderten gar nicht mehr vorkommenden Eisentheüen fand
man eingerammte eichene Pfahle, an Zahl etwa 180, wie Hr. G. B. Gzech ver*
(65)
sichert, die sonst ganz yerdeckt gestanden hatten. Dann fand man aasser grösseren
Steinen noch ein steinernes Zapfenlager, wie ein solches jetzt ebenfalls nicht mehr
zur Anwendung kommt. Dazu bemerke ich fQr die historische Folge von solchen
Lagern, dass, wie in der Jetztzeit dazu die ans Sachsen kommenden sogenannten
Ratzensteine (so genannt, weil sie bei Reibnng ganz nach Katzendreck riechen)
verwandt werden, rordem es eine Zeit gab, wo nur Holzlager in Gebrauch waren;
später erst machte man Lager vonSteinen, in denen die Wellenzapfen zu gehen
hatten. Dazu suchte man im eigenen Lande passende Steine aus, was ja im stein-
reichen Kreise Carthaus gewiss nicht schwer fiel. Und solcher Steine, die s. Z. bereits
ausser Gebrauch gesetzt und dort liegen gelassen waren, fand man eine erhebliche
Anzahl. Dass aber die Höhlung aller dieser Steine bis auf 4 — 5 Zoll aasgenutzt war,
wo sie dann gar nichts mehr tangten, setzt einen langen Gebrauch Toraus.
Auffallende Eisenformen, grosse Steine, verdeckte Eichenpfahle, abgenutzte
Steinlager ftir die Wellenzapfen, sowie besonders auch die obigen Vordämme, lassen
sehr leicht eine Anlage vor 800 Jahren, eine Klostermtthle vermuthen. Ich setze
hinzu, dass der heutige Weg zwischen Bach und Schlossberg nur eine neuzeitliche
Schöpfung ist. Das Gewässer des heutigen Baches der Stolpe war also aller Wahr-
scheinlichkeit nach in frühesten Zeiten viel grösser und mächtiger, und erfällte viel-
leicht das ganze Thalbett; auch dann muss die Anlage oder Umschaffung einer
Befestigung an dieser Stelle eine kluge und vorsichtige genannt werden, zumal da
man über die Aussenränder der angrenzenden drei Thäler sicherlich weit in die
Land« hatte sehen können, als die Wallung noch um 15 Fuss höher war. —
Der Schiffsanker von Mehlken.
Bezüglich des Kleinstolpe-Thales sei noch angeführt, dass darin nördlich vom
Bache die Stelle ist (wo, wie bereits in einem vorigen Berichte gelegentlich der
Schiffsfunde bemerkt) um 1830 — 32 eine Viertelmeile von Mehlken beim Torfstechen
ein Anker gefunden wurde, — übrigens nur ein kleines Stück eines solchen
von 27, Fuss Länge, — an dessen beiden Endspitzen noch die zackigen Wider-
haken deutlich bemerkbar waren. Ihre Kleinheit spricht für den Gebrauch bei
einem Binnen-Fahrzeuge. Ein solches aber konnte in frühesten Zeiten hier auf
der damals mehr ausgebreiteten Wasserfläche sehr wohl seine Dienste leisten und
bis nach Danzig hin seine Fahrten machen, weil das Thal der Kleinen Stolpe mit
dem der Radaune in Verbindung steht. Da lohnte sich denn schon eine durch-
gehende Wasserreise! Finder des Ankers war aber schon der Vater eines dortigen
Bauern Wilkowski, dessen weitere Funde, wenn sie auch nicht prähistorischer
Natur sind, ich hier folgen lassen möchte, da es mir sonst an Unterkunft für diesen
Abschnitt mangelt. —
Anhangsweise führe ich einige hierauf bezügliche Angaben aus dem Pommerelli-
schen Urkunden-Buche an, welche beweisen dürften, dass bei uns auch Wasser-Fahr-
zeuge und selbst für Binnen-Gewässer schon sehr früh bekannt waren und zum Theil
auch (als Fischerei-Fahrzeuge) dazu dienten, den Ertrag der Gewässer für den Inhaber
der Gerechtsame zu liefern, zum Theil (als „naves liberae'^) von dieser Leistung
befreit waren. Besonders betone ich das Vorkommen dieser Naves, die liberae, also
Freischiffe heissen, schon für das 13. Jahrhundert. Solcherlei Werke historischer
Art, wie das genannte Urkundenbuch, müssten bei Beurtheilung von Gegenständen
aus älterer Zeit mit in Betracht gezogen und die sich aus ihnen ergebenden That-
sachen in Anrechnung gebracht werden.
Es erscheint als Hauptsache, dass hier Wasser -Fahrzeuge für Binnen-
Gewässer erwähnt werden, woher sowohl Verluste (etwa durch Untergang oder
Vn-bandl. der Berl. AnthropoU OM«U«cbaft 1897. 5
((i«)
Unbrauchbarwerdung), wie auch WiederaufAnduog erklärlich erscheinen. 1281 ver-
leiht Herzog Mestwin von Pommern (S. 285) den in sein Land gekommenen
Mönchen von Beibuk die Petri-Rirche in Stolp mit Dörfern und Zehnten: ^^praeterea
addidimus liberam piscationem in stagno quod Gardna (Garde'sche See) vo-
catur cum una sagena, et duas liberas sagenas in stagno quod Lebesco (Leba-See),
et quatuor naves liberas in captura alleeum (Hänng) cum piscationibus in salso man.^
1282 erneuert Herzog Mestwin von Pommern (S. 299) die Dotation seines
Vaters Swantopolk itir die St. Stanislaus-Rirche in Garde: ^piscaturam que Saluc
(conj. salmonum: der Lachse) nuncupatur.^
1288 erlaubt Herzog Mestwin von Pommern (S. 396) dem Kloster Oliva, zur
Unterstützung seiner Höfe in Brück und Starsin, je ein Schiff in Mechina (heute
Mechlinken) und Trinsina (Most) zu halten und verleiht ihm den Standplatz Kochow:
^duas naves liberas, decementes easdem naves ab omni solucione liberas
semper et exemptas.^ (Nördlich von Starsin ist ein grosses Torfmoor; dies hiess
vielleicht Trinsina, wenn an das polnische trz^sawica ^Moor^ zu denken ist)
Gewiss werden die Naves liberae, wenn an ähnlichen Stellen des Landes vor-
kommend, noch öfter erwähnt werden; nur lässt der Mangel dieser Bezeichnung
im Index über das Wo im Zweifel.
Auch das Wort naulum, Fährgeld, das öfters vorkommt, lässt auf den Ge-
brauch von Transportobjecten auf dem Wasser schliessen. Wir finden es viermal.
1260 verleiht Herzog Sambor von Pommern (S. 157) der Stadt Dirschau das Lübische
Recht, begrenzt ihr Stadtgebiet und bestimmt ihre Rechte: „De censu nauli et
molendinorum quo in Wizla (Weichsel) sunt vel construentur amplius . . . ., duas
partes accipimus, civitas terciaro.** 1280 verleiht Herzog Mestwin von Pommern
(S. 276) dem Bischof Thomas von Plock das Dorf Gerdin mit Zubehör und frei
von allen Lasten: „naulo quoque cum omni jure.^ 1289 gründet Herzog Mestwin
von Pommern (S. 406) das Prediger- Kloster zu Dirschau und stattet es mit Be-
sitzungen aus: „item per Vislam naulum et transitum liberum absque omni thelonei
(Zoll) et nauli solutione.^ 1292 gestattet Herzog Mestwin von Pommern (S. 436)
dem Kloster Byszewo, das ihm verliehene Dorf Zlawies zu Magdeburger Recht aus-
zusetzen, und befreit dasselbe von allen Lasten: „vado et naulo super Wizlam.'^
Von allerlei Fischfang und den darauf bezüglichen Stellen wird ganz abgesehen.
Ein anderes schätzbares Urkundenbuch für unsere Provinz, das Marienbni^r
Tresslerbuch von Dr. Joachim, welches kürzlich erschien und das Jahrzehnt
1399 — 1409 umfasst, sich zeitlich also dem vorigen um 100 Jahre später an-
schliesst, spricht äusserst häufig von SchiflTem und Schiffen in mannichfachen Zu-
sammensetzungen: Schiffsherren, -leute, -kinder (Matrosen), -knechte, -fahrt,
-fracht, -geld, -louge(?), -lohn, -miethe, -pech, -pfund, -preise, -theer und Schiff-
zins, auf zahlreichen Seiten, z. B. deren 75 bei der Schiffsfracht. Ja sogar ist
1403 schon die Rede von „des Meisters schiff, das uf den tag zu Littowen ftlr
4Vt M. Vi Herrentalisch laken^ erhielt, also von einem Staats- oder Reiseschiffe,
und Primegeld ist das Trinkgeld für die Schiffsleute beim Löschen der Waaren.
Die See-Fahrzeuge werden sogar nach Arten unterschieden und erhalten als solche
bereits bezeichnende Namen, wie z. B. Bordinge, Brinthen, Nassuten, Sayen, Suwen,
Baleyger. —
Eisenmoor im Stolpe-Thale östlich von Mehlken, und eisenschüssiger
Kalktuff im Kreise Carthaus.
In Mehlken hielt es ein Bäuerlein, Namens Wilkowski, der nahe der Mühle
wohnt, stark mit Spirituosen. Es heisst von ihm, er habe sechs Sorten Schnaps
(67)
im Hause und gebe schon frühmorgens kleinste Portionen davon an seine Rinder.
Selbstverständlich bleiben die Folgen davon nicht aus, und seine Beine schwellen
an. Geschieht dies nun, so weiss er sich wohl zu helfen: er findet das Mittel
dazu in einer Eisenmoor-Erde, die auf seinem Eigenstücke, einer Wiese im Thale,
östlich von ihm, vorkommt. Von diesem Moder holt er sich eine genügende
Quantität, erwärmt diese und hält etwa 3 Tage lang die geschwollenen Beine darin,
und alles Leiden ist gewichen. Dann kann er wieder weiter saufen. So kannte
er diesen Gebrauch schon von seinem Vater her, der Trinken und Moorgebrauch
wohl schon seinerseits ererbt hatte. Es muss ein nicht genug zu preisender Zufall
gewesen sein, welcher vor Zeiten den ersten Entdecker der Heilkraft zu diesem
Mittel geführt hatte, das ihm sein eigener Grund und Boden verschaffen konnte;
nur ist, neben dem Missbrauche für den Einzelfall, zu bedauern, dass jene Heil-
kraft bisher nicht in den allgemeinen Dienst der Menschheit gestellt worden ist.
Selbst in wissenschaftlicher Beziehung ist diese Thatsache schon festgestellt worden
und die Zusammensetzung der Moorerde von hier durchaus gleich und gleichwerthig
mit der von Polzin in Pommern befunden, einem Bade, zumal dem nächstgelegenen,
das durch seine Moorbäder berühmt ist Hr. Czech in Mehlken hat sich die Mühe
genommen, eine chemische Untersuchung vornehmen zu lassi^n.
Jenes Moor mit seiner Eisenerde veranlasst mich auch noch zu ein Paar
Worten über eisenschüssigen Kalktuff in jenem Kreise, wie e^ auch in jenem
Thale bei Mehlken zu Tage tritt.
Kalktuff kommt im Kreise Carthaus öfters vor. Meist geht sein Vorkommen
mit dem Laufe der Leba; er Andet sich aber auch an der Radaune. Für die Leba-
Strasse gilt die Annahme, ihr früherer (?) Lauf sei über Kalk und Mergel ge-
gangen und das damit gesättigte Wasser habe weiterhin einen Versinterungs-Prozess
durchgemacht. Entweder findet sich der Kalktuff bei Seen oder nahe oder auf grossen
Torfbrüchen. Selten tritt er zu Tage, meist muss er aufgedeckt werden. Häufig
wird er markirt durch rothen Erdboden, die Stelle für Schlachten des Volkmundes.
Meist ist er eisenschüssig. An den Rändern grosser Torf brücher findet man häufig
anter dem Torf eine kalkhaltige Eisenschicht. Niedere Thiere, sowie Moose
und Flechten drücken sich im Kalktuff ab. Das Auffinden seltener Kryptogamen
an oder in dem Kalktuff Hesse sich durch Symbiose erklären, insofern solche
Gattungen sich nur an solche Steine halten. Mir jetzt bekannt gewordene Stellen
seiner Auffindung sind folgende: 1. Semlin an der Radaune, 1V> — ^ ni unter Tage,
in Felsenschichten, an der Brücke aulgedeckt. 2. Bei Miloschewo, Kr. Neustadt,
am Leba-Flusse, stark eisenschüssig. 3. Zwischen Kossitzkauer Untermühle und
Mlinsk am See von Sianowo, durchsetzt mit geringhaltigem Hergel, sehr viel längs
dem rechten See-Ufer, markirt sich durch rothen Boden, begleitet das rechte Leba-
Ufer und tritt hier fast zu Tage. 4. Anhöhen am Flussufer bei Remboschewo.
5. Vorwerk Leohain, Kreis Neustadt, am Rande eines grossen Torf bruches, sowie
unter Mergellagem in Torfgruben. 6. Mehlken, Kr. Carthaus, südöstlich im Thale
des Stolpe-Baches, mehrfach.
Namentlich zeichnete sich hier eine Stelle stets durch ihr quelliges Verhalten aus,
da sie beim Begehen stark wippte. Beim Mergelgraben schoss plötzlich ein Wasser-
strahl von 8 Fuss in die Höhe und es bildete sich mit der Zeit ein teichartiges
Gewässer, welchem man durch gezogene Gräben einen Abfluss schaffen musste.
Hauptsächlich an den Gräben kommt der Kalktuff in Mengen vor, ebenfalls sehr
eisenschüssig. Der entstandene Teich friert jedoch, wegen der Quelle unter ihm,
im Winter niemals zu, und bildet dann den Zufluchtsort für die Wildenten der
6*
(68)
ganzen Umgegend; zu seinen beiden Seiten sind ffir die Ausübung der finssent er*
giebigen Jagd Schiesshütten errichtet. —
(25) Eb". A. Treichel spricht über den
Tapfenstein bei Hehlken, sowie im AUgemeinen ttber Steine mit Fussspnren.
Ein bemerkenswerthes Gebilde, Ton dem ich eine Abbildung gebe, fand ich
ebenfalls in Mehlken, Kr. Carthaus, Tor. Es ist das ein Stein mit eingearbeiteten
Fussspuren zwischen zwei Kreuzen. Augenblicklich liegt der Stein nahe dem Mühlen-
Abwasser und fast in demselben. Doch versprach mir der für Prähistorie sich
sehr interessirende Grundherr, Guts- und Mühlenbesitzer Czech, für Unterbringung
des Steines an einer mindestens mehr sichtbaren Stelle Sorge zu tragen. In einem
stark schwärzlichen Steine, wahrscheinlich einem Granit, Ton fast 75 cm im Qua-
drate, mit ziemlich glatter Oberfläche an der be^ffenden Stelle, finden sich in
deutlichen Umrissen die Tapfen eines Fuss-
paares eingemeisselt. Ihre Länge beträgt
27 und 28 cm bei angemessener Breite,
so dass die Tapfen augenscheinlich als
einem erwachsenen Menschen angehörig
angesehen werden müssen. Es fallen keine
besonderen Ränder der Einmeisselung an
den Füssen auf, wie bei den Torhin er-
wähnten Kreuzen; vielmehr gehen Stein-
rand und Fusstapfe gewölbt in einander
über. Bei diesen Füssen ist selbst die Aus-
arbeitung der je 5 Zehen etwas merklich,
wenn auch an dieser Stelle eine grössere Verwitterung eingetreten ist. Ebenso
tragen zur Verdunkelung der Erkennung die Polster von Flechten und Moosen bei,
deren Ausbildung bei der Nähe des Wassers eine nicht zu kleine ist Den Ab-
stand der Fusstapfen unter einander, sowie von den so eben erwähnten Kreuzen habe
ich festzustellen unterlassen; es wird indessen nicht zu viel darauf ankommen und
jedenfalls von vom herein anzunehmen sein, dass die Abstände von dem Bild-
hauer(?) in richtigem Verhältniss gehalten seien. Man würde für den ersten Augen-
blick voll Zweifel einem Naturspiele (Auswaschungs-Prozess) gegenüberzustehen
glauben können, wenn nicht die in kurzem Abstände davon eingefügten zwei
stehenden Kreuze, von je 10 cm Länge aller vier Kreuzeszinken, in deutlichster
Sichtbarkeit durchaus für die manuelle Herstellung des Ganzen sprächen. Alsdann
könnte vielleicht eine zwischen den beiden Tapfen in der Hackengegend ein-
gefügte kleine, längliche Vertiefung mehr einer natürlichen Deformation des Steines
ihr Dasein verdanken, als einen darstellenden Zweck verfolgen, obgleich ich zur
Zeit noch keine Muthmaassung über das Wie und Weshalb auszusprechen vermag.
Uebrigens zeigen die nach verschiedenen Richtungen sich verbreiternden Fuss-
blätter, dass sie den rechten und den linken Fuss-Abdruck eines Fusspaares nach-
bilden sollen. Auch dieser Tapfenstein, wie ich ihn benennen will, soll vom
Schlossberge herstammen.
Gleichviel wie dem sein mag, es will mir scheinen, dass sich hiermit den
beiden Perioden des Stein-Gultus und des Bronze-Sporns für Mehlken eine dritte
Zeit anreiht, eine, wie ich meine und wie ich sie benennen will, clericale oder
kirchliche Zeit, deren Stabilirung nur beweist, wie ein Platz, namentlich ein zur
Befestigung geeigneter Platz, zu verschiedenen Zeiten und von mannichfachen
(69)
Stämmen oder auch .selbst Volksklassen immer wieder zur Benutzung als passligh
angesehen wird, ganz zu schweigen von einer noch fHlheren Zeit, die mir durch
Aujffindung eines SchüTsankers in der Nähe von Mehlken verbürgt erscheint,
sowie von einer späteren, historischen Zeit (vergl. wirkliche Schwedenschanzen),
wofür eine hier gefundene ältere schwedische Münze sprechen könnte. In Betreff
der Annahme einer kirchlichen Zeit bemerke ich kurz, dass das nahe ehemalige
Kloster Zuckau hier seine erste Niederlassung gehabt haben soll, obschon historisch
mir nichts davon bekannt ist Diese Behauptung entstammt dem Munde eines
jetzt freilich geistig umnachteten geistlichen Herrn, welcher, zumal mit der Gegend
befreundet und bekannt, nicht ohne Unterlage zu deduciren pflegte. Er berief sich
dabei auf eine Urkunde, die — ob falsch, ob richtig verstanden — jedenfalls im
dortigen Pfarr-Archive aufflndbar sei, das mir aber auf meine desfallsige Anfrage
keinerlei Antwort ertheilte. Für eine grössere Siedelung sprechen ja die vor-
gemeldeten Spuren genugsam. Auf etwas Kirchliches aber deuten zu allermeist
die beiden Kreuze hin. Fragt man aber nach der Bedeutung und nach dem Zwecke
des Steines mit dem bekreuzten Fussspuren-Paare, so könnte ich dafür eine Fluth
von Vermuthungen vorführen.
Für's Erste greife ich eine Aufstellung heraus, wie ich sie aus dem Munde
des Volkes an Ort und Stelle selbst hörte. Dies soll ein Stein gewesen sein,
entweder vor oder binnen der kirchlichen Anlage gelegen, auf welchem die-
jenigen, die für irgend ein bedeutsam erscheinendes Vergehen eine Strafe zu ver-
büssen hatten, zu stehen gekommen wären; daher habe man zur Veranschau-
lichung gleichsam die Fusstapfen in den Stein hineingearbeitet, und daher sei der
Stein selbst wohl als ein füsserstein anzusprechen. Er wäre also gleichsam
ein Pranger für grosse Sünder gewesen. Hierfür vermag ich keine weiteren Unter-
lagen zur beweisenden Stütze herzugeben. Auch könnte man bei der obigen Muth-
maassung sehr wohl des Glaubens sein, dass die Mönche, deren Gebäude durch den
Krieg zerstört waren, bei ihrem Wegzuge den so schwer transportabeln Büsserstein
ausser Acht lassen, bezw. zurücklassen durften, zumal da es in so steinreicher Um-
gegend ein Leichtes sein musste, am Orte der neugewählten Niederlassung einen
gleich leicht bearbeitbaren Granitstein für die Hand ihres werkkundigen Bruders
Steinmetz aufzufinden. Gegen die Auffassung als Büsserstein spricht aber sehr
Vieles. Es ist nehmlich nicht bekannt, noch steht es für frühere Zeit fest, dass
innerhalb der katholischen Kirche eine solche Strafe und ihre Ausführung im
Schwange war; in neuerer Zeit aber kann davon keineswegs die B^de sein. Wäre
sie es aber gewesen und somit, möchte ich sagen, zu einem förmlichen Requisite
geworden, so müsste erstlich etwas davon als ganz oder halb kirchliche Vorschrift
überliefert sein, und es müssten zweitens dergleichen Steine sich noch bei sehr
vielen anderen, namentlich älteren Kirchen auffinden lassen. Das ist aber nicht
der Fall und somit jene Deutung auszuschliessen. Betreffs der Strafe habe ich
durch Umfrage nur das gewiss Richtige erfahren, dass es grossen Sündern nur
verboten gewesen war, die Kirche zu betreten; sie mussten draussen bleiben
oder in der Vorhalle sich aufhalten, gewöhnlich unter dem Orgelraume. Auch
würden alsdann solche Steine mit einem gewissen Odium behaftet gewesen und
durch Tradition verpönt geblieben sein, wogegen das gläubige Volk, namentlich
wenn sie auch Fusstapfen als Naturspiele aufweisen, sie mit Heiligen, ja, mit
Gott selbst in Verbindung bringt und ausserdem noch Sagen von der Mutter
Gottes u. s. w. in Verbindung damit entstehen lässt
Waren die Steine mit Fussspuren ursprünglich wohl immer Grabsteine,
und somit die Spuren die Nachbildung der Füsse der darunter oder in der Nähe
(70)
Bestatteten, so fehlten alsdann doch immer die hier vorhandenen Zeichen der
Kreaze. Das Kreuz aber aufzufassen als graphischen Charakter der Sonne, als
ein Amulet, zur Bannung aller bösen Einflüsse, das geht schon wegen seiner christ-
lichen Bedeutung nicht recht an.
Es könnte sich aber auch noch fragen, ob die Kreuze gleichzeitig mit den
Tapfen entstanden oder erst später gemacht worden sind. Die fast gleichmessende
und dennoch nicht belanglos abweichende Länge des Fignrenpaares unter sich,
sowie das nur durch das Moosgrau verdunkelte Auftreten der in diesem Falle
wirklich eingearbeiteten Zehen müssen hier nur an den ersteren Fall denken lassen
und dürfen der Auffassung keinen Raum geben, als wenn etwa späterhin die
Kreuze einem Steine eingefügt wurden, welcher mit Staunen gefunden wurde, da
er die Fusstapfen durch Auswitterung schon von der Mutter Natur empfangen hatte.
Um solche durch Verwitterung oder durch Auswaschung entstandene Einhöhlungen
handelt es sich hier keineswegs; solche sind stets scharf von künstlich gemachten
zu trennen und streng zu scheiden.
Mir will femer scheinen, als ob die Auffassung von der Hand zu weisen sei, wo-
nach solche Fusstapfen-Steine, ob mit Kreuzen, ob selbst ohne solche, wenn sie nicht
einer christlichen Kirche entnommen sind (wofür allerdings bei der Verschwommen-
heit oder Mangelhaftigkeit aller historischen Ueberlieferungen für unsere Gegenden
jeder Beweis fehlen dürfte), noch aus heidnischer Zeit herrühren könnten oder viel-
leicht gar mit der Völkerwanderung hergekommen sein dürften.
Leider fällt dieser Stein und die darauf beßndliche Darstellung nicht in das
Gebiet der Parallelen von den Steinen, wie sie Dr. Rieh. Andree im ersten Bande
seiner Ethnographischen Parallelen behandelt hat, wo er sich nur mit der Deutung
der natürlichen Zeichen, Auswaschungen u. s. w. beschäftigt; sonst könnte man
sich daher Raths erholen.
Um Fussspuren handelt es sich häufig bei Heiden, Christen, Muhamedanem
und Buddhisten in den Ländern, wo solche vorkommen. Hier beweisen die beiden
seitlichen Kreuze aber nur zu deutlich, dass die Herstellung solcher Steine auf
einer christlich-kirchlichen Auffassung beruht haben muss. Schon Buddha sollte in
Ceylon Fussspuren auf Steinen hinterlassen haben. Der Römer stemmte seinen
Fnss auf die Erde als Zeichen der Besitznahme des eroberten Landes. Im Mittel-
alter begegnen wir den Fussspuren und ganzen Füssen auf Geräthen und kirch-
lichen Epitaphien. Steine mit eingehauenen Hufeisen stellten die Römer als Zeichen
ihrer Limites auf. Sogar Karten des Landes will man auf Steinen gefunden haben
(Aegjrpten, Schweiz).
Wie die Römer und Griechen ihren Göttern und Göttinnen Thierfttsse bei-
legten, so haben die Sagen der indogermanischen Völker auch überliefert, dass
Fussspuren der Götter und Dämonen dem Erdboden eingedrückt worden seien.
Neben Buddha ist da noch Isis anzuführen. Diese Fusstapfen sind meist ein sym-
bolischer Ausdruck für die Spuren des Segens einer Gottheit.
Ich hatte mich anfangs bemüht, alle diese Fussspuren, namentlich auf Steinen,
wenn auch nur für Deutschland, zusammenzutragen, musstc mir dann aber sagen,
dass dies Unternehmen ein für eine einzelne Kraft zu grosses und den Rahmen
der Betrachtung eines Einzelsteines überschreitendes sein müsse, zumal da alle
verschiedenen Anlässe und Erklärungen, wie sie Einzelgegenden anhaften, ganz
und gar nicht auf unsere Provinz passen wollten. Dennoch gebe ich als Ein-
schiebsel, was der erste Versuch an Ert^ebnissen gefördert hat, damit das Material
nicht verloren gehe.
Hr. Dom-Capitular Dr. Zimmern in Speyer meldete mir, dass auch im Pflaster
(71)
der grossen Terrasse vor dem Friedrichsbau des Schlosses in Heidelberg eine
solche Fnsssohle in riesigen Formen gezeigt und der Biesentrapp genannt werde.
Durch Rücksprache mit Hm. Dr. Mehlis in Dürkheim a. H. [in dessen Nähe,
auf dem sagenumwobenen Drachenstein, derselbe nach Zeitungsberichten kürzlich
eine Inschrift entdeckte, die nach seiner Ansicht nur eine Runenschrift sein
kann und alsdann die einzige wäre, die in Deutschland noch auf festem Boden
haftet (auf dem dort häufigen Buntsandstein)], erhielt ich auf dem Congresse in
Speyer die Runde, dass Fussspuren auf Steinen, und zwar recht häufig, auch in
allen den Landschaften und Gebieten Süd-Deutschlands vorkämen, in denen vor
Jahrhunderten der Bund der rebellischen Bauern, der Bundschuh, sein Wesen ge-
trieben hat. Die einzelnen Oertlichkeiten habe ich vergessen. Es gewinnt somit
den Anschein, als ob die Fussspuren alsdann mit dem Namen und dem Embleme
des Bundes irgendwie in passendem Zusammenhange gestanden hätten.
Schliesslich stelle ich noch hierher, was ich über Fussspuren im Norden
Deutschlands erfahren habe. Nach Fräul. Direetor J. Mestorf in Kiel giebt es
für Schleswig-Holstein und Dänemark folgende Anhaltspunkte: „Man hat dort
an einem grossen Schalenstein (aus einem Grabhügel) seitlich eine Fusssohle.
Auf den Felsenbildern in Bohuslän kommen sie häufig vor, bisweilen in grösseren
Gruppen beisammenstehend. Ferner findet sich eine Fusssohle auf einer Urne in
Jütland, die von Dr. Sophus Müller in seinem Werke „Ordning af Danmarks
Oldsager^ abgebildet ist. Die Urne ist mit Mäander -Ornament geschmückt und
darunter rings um das Gefäss eine Rosette, darunter wieder eine Fusssohle mit ^deut-
lichen fünf Zehen ^. Daraus geht hervor, dass dies Symbol sich lange Zeit erhalten
hat, denn die schwedischen Hällristningar und unser holsteinischer Schalenstein ge-
hören der Bronzezeit an, wohingegen die Urne aus Jütland in die römische Periode der
Eisenzeit gesetzt werden muss. Ueber die Bedeutung dieses Symbols weiss ich Ihnen
nichts zu sagen. Möglicherweise ist ein Zusammenhang mit den Hufeisen-Steinen
vorhanden; jedenfalls glaube ich dies in Bezug auf die „Hände**. Wir haben einen
Stein (Deckstein eines Steinalter- Grabes) aus Holstein, der ausser zahlreichen
Näpfchen, auch concentrische Ringe, Ring mit Kreuz (oder vierspeichiges Rad ^)
und fünf Hände mit deutlichen fünf Fingern zeigt. Dass diesen Zeichen eine
mythische Bedeutung zu Grunde liegt, scheint ausser Zweifel. Unsere Sagen wissen
ja davon, dass, wo eine Gottheit gewandelt, Segen und Gedeihen spriesst; vielleicht
glaubte man, dass ein Gott oder eine Göttin dort, wo wir das fragliche Zeichen
finden, eine Cultusstätte gehabt hat."
Wie mich Hr. Dr. Joh. Bolte belehrte, sind grössere Artikel über Fussspuren-
Steine in den Nachbarländern Frankreich und Italien noch zu finden in der Revue
des traditions populaires 10. (Empreintes merveilleuses) 1895 und im Archivio delle
tradizione popolari 13, 97 (1894) und 14, 340 (1895) unter dem Titel: Impronte
maravigliose in Italia, wie auch schon in früheren Jahrgängen derselben Zeit-
schriften andere gleichartige Mittheilungen.
Ich kehre nunmehr zu meiner Heimath zurück und muss einer anderen Auf-
fassung Raum geben. Es giebt nehmlich Stimmen, welche Steine mit eingemeisselten
Fusstapfen als Grenzsteine aus altpolnischer Zeit ansprechen. Das Hesse
sich als etwas Neues hören, vielleicht auch als etwas Gültigeres, namentlich, wenn
sich zu diesem Zwecke schriftliche Urkunden darböten; aber auch dann möchte
ich es nur für Grosspolen gelten lassen, wozu ein Theil Pommerellens, freilich
erst in viel späterer Zeit, als Provinz oder Wojwodschaft hinzukam. In unserer
Urkunden-Gompilation (Pomm. Urk.-B.) kommen ausser Seen und Sümpfen wohl
Bäume als Grenzmarken vor, die durch besondere Schnitte gekennzeichnet werden,
(72)
worunter auch das Kreuz; dann Hügelschüttungen mit Inhalt Ton Glasscherben und
Schmiede- Abfall; weniger aber grössere Steine, die auffielen. So wäre es nur ein
Schritt, die Zeichen der Bäume auf den Stein zu übertragen. Ueberdies mussten
Grenzbäume für heilig gehalten und als solche bezeichnet werden, damit sie nicht
umgehauen wurden; beim Steine war das nicht denkbar, wenn er auch rerrückt
werden konnte. Diese Heiligkeit der Grenzen invehirt also sowohl etwas Staat-
liches, wie auch etwas Religiöses, und dies Zusammentreffen mag vielfach, je nach
Zeit und Ort, den Grund der Herstellung solcher Steine mit Fussspuren gebildet
oder beeinflusst haben. Doch betone ich nochmals die Geltung dieser Annahme
mehr für Grosspolen, und sodann das Vorhandensein eines Plus: nehmlich der Rreuz-
paare, die gewiss einem kirchlichen Zwecke zuzusprechen sind. Das ganze Ge-
schäft der Besitz-Ausmessung lag, nachdem einmal das Areal überwiesen war, in
den Händen der Feldmesser, welche auch für unser Land im Pomm. Urk.-Buche er-
wähnt werden. Ueberdies waren die yerliehenen oder gekauften Areale in frtlhester
Zeit wohl nicht so engherzig zugetheilt. Die Sagen von ungetreuen Feldmessern
und die Processe über verrückte Grenzsteine entstanden erst in späterer Zeit, als
das Land für die Bevölkerung knapp zu werden begann ; dazu kam dann noch die
hämische Sinnesart des Nachbarn, ^mit dem man nicht in Frieden leben kann, wenn
es ihm nicht gefällt,^ wie das Wort des Dichters lautet Andererseits documentirte
sich dabei auch eine gewisse Nonchalance, und ich stehe nicht an, hier eine in der
That äusserst naive und naturwüchsige Geschichte einzuschalten, die der üeber-
lieferung nach wahr sein soll, wie im Kreise G arthaus früher auf eine andere
Art die Grenze beim Streite zwischen zwei Nachbarn festgestellt sein soll.
„Handelte es sich bei den Bauern um Streit über die nicht recht feststehende Grenze
ihrer Gemarkungen, so nahm man einen Ochsen, fütterte diesen mit salzigen Sachen
recht satt, stillte dann seinen bald ausbrechenden Durst tüchtig mit Wasser und
führte ihn am Stricke auf den strittigen Grenzrain. Wo nun und in welchen Win-
dungen der Ochs beim allmählichen Weiterführen sich des eingenommenen Wassers
entledigte, welche Procedur bei ihm bekanntlich eine Sache von langer Dauer ist,
da, so wurde angenommen, sei die Grenze gewesen, und dieser Strich wurde für
alle künftige Zeit in Frieden und ohne weiteren Streit als richtige Grenze angesehen.
Solche Entscheidung durch einen Ochsen ist gewisslich neu, dennoch aber durch
Erzählung alter Leute wohl verbüi^. So erzählte es ein Mann Namens Szcypior
(zu deutsch Schnittlauch) aus Kossiczkau, und so, sagte er, habe es ihm schon sein
Vater erzählt (Czech).
Dieser Sache ftige ich einen ähnlichen Bericht über einen russischen Salomo
hinzu. Ein Correspondent der Zeitung ^Schisu i Iskustwo^ erzählt von einem bäuer-
lichen Salomo, dem Dorf-Aeltesten Jakob Iwantschenko, im Bezirke von Rado-
myssl, der sich durch seine bei Schlichtung von Grenz-Streitigkeiten an den Tag
gelegte Weisheit unter den Bauern seines Bezirkes grosses Ansehen erworben hat.
Als der erwähnte Correspondent Iwantschenko befragte, wie er es anfange,
immer beide Parteien zufrieden zu stellen, erzählte der Mann Folgendes: „Die Sache
ist höchst einfach: ich beauftrage zuerst die eine Partei, die Grenze durch Pflöcke
abzustecken, sodann lasse ich die andere Partei dasselbe thun. Wenn so beide
Parteien, jede in ihrer Weise, die Grenze angegeben haben, befindet sich natürlich
zwischen diesen beiden Grenzen ein leerer Raum. Dann rufe ich den Gemeinde-
Diener und sage: Bringe mir Pflöcke her! Wenn man mir die Pflöcke gebracht
hat, schlage ich diese eigenhändig in die Erde und zwar genau in die Mitte des
Raumes, der sich zwischen den durch die streitenden Parteien bezeichneten Grenzen
befindet. Nachdem ich die Pflöcke eingeschlagen habe, wende ich mich an die
(73)
Parteien mit den Worten: So, jetzt habe ich die Pflöcke eingeschlagen; das hier
mass die Grenze sein; wenn Ihr nicht zofHeden seid, könnt Ihr Euch über mich
beschweren. Nach der Yersichemng Iwan tschenko's sind die Bauern mit seiner
l^tscheidong noch immer zufrieden gewesen.^
Doch hören wir jetzt weiter, was mir dorch Hm. Lehrer Jarz^bowski in
Rogasen „über Steine mit eingemeisselten Fusstapfen als Grenzsteine ans alt-
pohiischer Zeit^ mitgetheilt wurde. Kasimir der Grosse (kröl chlopköw = Banern-
könig, 1333—1370) hatte zur Schlichtung von Grenzstreitigkeiten eine Art von Rataster-
Aemtem eingerichtet. In einem Localtermin wurde die Grenze festgestellt imd ein
Grenzstein eingegraben, in den der betreffende Beamte (polnik pieszy, d. i. Fuss,
Feldmesser) zum Zeichen seiner Anwesenheit einen Menschenfuss hineinzumeisseln
pflegte. Waren die Parteien mit seiner Entscheidung nicht zufHeden, so wandten
sie sich an eine höhere Instanz, deren Vertreter (polnik kowny = berittener Feld-
messer) zu dem Menschenfuss noch einen Pferdehuf hinzufügte. Ein solcher Stein
befindet sich bei Rletzko im Kreise Gnesen auf der Stelle, wo der über Paulsdorf
nach Pomarzany führende Weg und die Chaussee sich kreuzen.^
Vielleicht mag sich ein Weiteres darüber finden in einem mir angeführten
Statut von Wieüczka von 1374(?), worüber mir aber kein Nachschlagebuch zur
Verfügung steht.
Zur weiteren Stütze meiner Ansicht, dass der bekreuzte Tapfenstein von Mehlken
in seiner Bedeutung nur auf kirchlichem Gebiete zu fassen sei, hole ich femer
Bausteine aus Neustadt in Westpreussen herbei, das nicht weit davon liegt. Hier
handelt es sich nach meinen Meldungen sogar um zwei Steine, von denen ich den
ersteren nur erwähne, damit er ausgeschieden und nicht wieder auf ihn zurück-
gekommen werde. Hr. Dr. Taubner in Allenberg -Wehlau meldete mir nehmlich
von einem Fussspuren-Steine, welcher in Kniehöhe an der südöstlichen Ecke (nach
Osten sehend) beim Baue des Gewächshauses an der Provinzial- Irrenanstalt in
Neustadt eingemauert und worin der Contour eines Fusses in natürlicher Länge
herausgearbeitet sei; die mitgesendete Zeichnung zeigt, dass nach einem Eindrucke
von 1 cm Tiefe ein Oblong heraussteht und dann wieder ein Eindruck von gleichem
Niveau zu sehen ist. Weil das Herausgearbeitete aber ein Oblong und kein Fuss
ist, so gehört der Stein nicht zu unserer Betrachtung und dürfte bei dieser Ordnung
des Ein und Aus und Ein auch eher ein Answaschungs-Ei^ebniss darstellen, also
ein Artefakt, bei welchem jene Anordnung recht ungewöhnlich wäre. Dieser Stein
mag sonst seine Bedeutung haben, passt aber nicht fär den vorliegenden Zweck;
übrigens muss er auch gar wenig sichtbar sein, weil, laut gef. Antwort der An-
stalts-Direction, es dort niemandem gelingen wollte, ihn neu zu entdecken. Er soll
aus der Nähe von Neustadt stammen und wird auch nicht einmal von einer Sage
umsponnen sein, weil das Volk ihn sonst ftlr etwas Besonderes gehalten und seine
Entfernung zu einem Profanbaue keineswegs zugelassen hätte.
Nun hörte ich aber noch von einem anderen Steine bei jenem Orte, einer erst
spät, zu Ende des 17. Jahrhunderts gegründeten und anfanglich nach dem Namen
der Gründer Weiherowo genannten Stadt, zugleich einem berühmten, weil mit
Leidens-Stationen ausgestatteten Wallfahrts- Orte Westpreussens mit, wie es heisst,
26 Capellen (vergl. meinen Aufsatz über Capellen-Marken und über das Thränen-
Thor in Sitz.-Ber. vom 15. October 1881 in dieser Zeitsch. XIH, S. 313). Wenn
es nun feststeht, dass in früheren Zeiten nach ihrem Drange Pilgerfahrten
zum heiligen Lande stattfanden und dass die von jenen heiligen Orten heim^
kehrenden Pilger sich Nachbildungen von dort zur Erinnerung machen Hessen, so
ist es noch mehr begründet und durch den Augenschein erweislich, dass auch die
(74)
ganze Lage der heiligen Ortschaften in solchen ^Leidens-Stationen*^ oder ^Kreoas-
wegen^ mit minutiösester, selbst geometrischer Ausmessung der Entfernungen zur
Nachbildung gelangte. Wie solches noch in einer kleinen Stadt Posens der Fall
ist, so treffen wir auf die Ausführung jenes Gedankens selbst und zwar sofort bei
der Anlage von Neustadt in Westpr. Bei dieser Thatsache wird die Vermuthung
zur Wahrscheinlichkeit, dass eine fragliche Fusstapfe auch eine Nachahmung irgend
einer Spur sein müsse, die nach der Legende ein Heiliger zurückgelassen habe, im
Besonderen eine Erinnerung an den Fusseindruck, welchen der Heiland bei der
Himmelfahrt auf dem Felsen des Oelberg-Gipfels bewirkt haben soll und dessen
Spur noch heute in der dortigen (Jerusalem-) Himmel fahrts-Rirche, der jetzigen
Muhamedanischen Moschee, gezeigt wird.
Mit der wirklichen Lage an Ort und Stelle deckt sich nun die Nachahmung
vollkommen. An einer der auch durch Gapellen bezeichneten Stationen, welche
den Leidensweg Christi räumlich und figürlich zur Anschauung bringen sollen, und
zwar in der That ebenfalls an der sogenannten Himmel fahrts-Gapelle (also
weder, wie mir anfänglich berichtet wurde, an der Rreuzigungsstätte, noch auf dem
Niederfallplatze) oder vielmehr in derselben ist, wie mir auf meine Anfrage freund-
lichst durch Hrn. Decan Licent. v. Dabrowski mitgetheilt wird, ein Stein, in
welchem die Fusstapfen von zwei menschlichen Füssen eingravirt zu sehen sind ^),
Nun liegt doch wahrlich der Rückschluss sehr nahe, dass die jerusalemitische
Deutung auch hier gelten soll, der Herr sei hinaufgefahren und habe die Spuren
seiner menschlichen Füsse hinterlassen. Wir werden also gleiche oder ähnliche
Deutungen annehmen müssen, wo wir in unserer Provinz ebenso bezeichnete Steine
vorAnden, dies aber in desto stärkerem Maasse, wenn jenem Fusspaare seitlich
noch ein Kreuzpaar beigegeben ist. Diese Auffassung scheint mir denn auch
die plausibelste für den derartig einzig bekannten Stein von Mehlken zu sein,
und zwar um so mehr, wenn sich die bisher allerdings nur in der Luft stehende
Sage von der ersten Ansiedelung eines Klosters an dieser Stelle bewahrheiten
sollte, da auch hier ja, zumal bei dem bergigen Terrain, leicht eine ähnliche An-
lage in^s Auge hätte gefasst sein können, wobei am Ende dem ßurgwalle die Rolle
des Oelberges zugewiesen wäre.
Es begreift sich, dass ich zur weiteren Begrtlndung meiner Annahme auch
nach den zur Sache gehörigen Legenden eine Suche abgehalten habe, wobei ich
besonders in Handbüchern und Real-Encyklopädien auf ein reicheres Ergebniss ge-
rechnet hatte. Somit gebe ich nachtragsweisOt was mir aus solchen Quellen kund
wurde, zuerst ein sehr einschlägiges Besonderes, sodann ein mehr verlängertes
Allgemeines.
Ueber Fusstapfen im christlichen Sinne giebt Dr. J. Schuster's Handbuch
der biblischen Geschichte des Alten und Neuen Testaments, Theil ü, S. 465,
Anm. 20, den folgenden Passus, welcher hauptsächlich zur Stütze meiner Erklärung
dienen mag. ^Wie wir sehen, ist die Verehrung der Fussspuren aus dem Alten
Testamente gekommen, und zwar nach einem Worte des Propheten. Die
mittlere und höchste Spitze des Oelberges wird als die Stätte der Himmelfahrt
Christi verehrt. Schon in den ersten Jahrhunderten pilgerten die Christen hierher,
wo der Herr in dem Augenblicke, als er sich zum Himmel erhob, die Spur seiner
Füsse in den Boden eingedrückt haben soll. Von Eusebius, Bischof von Caesarea
in Palästina, welcher das Leben Constantinus d. Gr. in 4 Büchern beschrieben
hat, wird Folgendes III, 41, 42, 43 berichtet: Er (Constantin) ehrte in der Grotte
]) Etwaige Maasszahlen kann ich erst später bringen.
(75)
der Himmelfahrt deren Andenken auf dem Gipfel des (Oel-) Berges. — Diese (Helena^
Mutier des Kaisers) hatte beschlossen, Gott, dem Könige der Könige, den Tribut
ihrer frommen Gesinnung darzubringen, und zu dem Zwecke kam die bejahrte
Matrone, um das ehrwtlrdige Land zu erforschen und zu besuchen. Als sie nun
den Fusssohlen des Erlösers die gebührende Verehrung gezollt hatte, gemäss
dem Worte des Propheten: ^Lasst uns anbeten an dem Orte, wo seine FUsse ge-
standen haben I^ hinterliess sie die Frucht ihrer Gottesfurcht zugleich auch den
späteren Geschlechtem. Sofort weihte sie Gott 2 Tempel, einen bei der Grotte
der Geburt, den anderen auf dem Berge der Himmelfahrt.
Den Mittelpunkt der Kirche bildeten die Fusstapfen des
Herrn. Nach Arnulf, der im Jahre 670 die heiligen Orte
besuchte, bestand die damalige Himmelfahrts-Kirche aus
3 Säulenhallen, die in der Mitte einen offenen Raum mit
den Fusstapfen des Herrn einschlössen. Die Spur des
rechten Fusses wurde von den Türken gegen Mitte des
1 7. Jahrhunderts weggenommen, weil sie glaubten, auch Muhamed sei auf dem Oel-
berge gen Himmel gefahren, und sie wird in dortiger Moschee des Tempels auf-
bewahrt.**
In F. X. Kraus' Real - Encyklopädie der christlichen Alterthümer (Frei-
burg i. B., bei Härder) verbreitet sich ein von E. Münz in Paris verfasster Ar-
tikel über die Fusssohle also: „Fusssohle, seltener Fass, sind vielsagende alt-
christliche Symbole, deren Bedeutung wechselt, je nachdem sie auf Geräthen oder
Epitaphien vorkommen. Die Fusssohle symbolisirt die Nachfolge Christi
gemäss den Worten der Schrift 1. Petri 2, 21: „Christus hat uns ein Vorbild ge-
geben, damit wir seinen Fusstapfen nachfolgen.** Vergl. Hieb 23, 11; Rom. 4, 12.
^Als Fibula getragen sollte die Fusstapfe eine Mahnung zur Nachfolge Christi
sein. Daher erklärt sich die Anzahl der in den altchristlichen germanischen
Gegenden gefundenen, edirten und unedirten Fibulae in Gestalt von Fusssohlen.
Eine solche Fibel, in der Nähe von Mainz gefunden, bewahrt das dortige Museum.
Eine weitere daselbst bewahrte ist der erwähnten gleich. Altchristliche Fibeln in
Form von Fusssohlen besitzen in Deutschland noch die Museen von Wiesbaden
(gefunden bei Castel), zu Darmstadt (gef. bei Mommemheim), zu Basel (gef. bei
Äugst), zu Zürich (gef. bei Pest in der Donau). Aehnliche Bedeutung hat der
seltenere Fnss. Eine Lampe aus Thon in Gestalt eines Fusses, gefunden bei
Castel, besitzt das Wiesbadener Museum. Eine bronzene, mit Aerugo nobilis über-
zogene, oben mit Henkel versehene Lampe in Fusssohlenform, gef. bei Windisch,
ist unedirt im Museum zu Basel. Folgt der Christ Christo nach, so vollendet er
glücklich seine Erden -Pilgerschaft. Daher ist die Fusstapfe auf Epitaphien
ein Symbol des seligen Scheidens aus dieser Zeitlichkeit. IL Cor. 5, 8:
^Wir haben Lust aus dem Leibe zu wandern und daheim zu sein bei dem Herrn. *^
Vergl. Lupi, Lev. epit. 68. Diese Deutung wird bestätigt durch die neben dem
Symbol vorkommende Inschrift „In Deo** (Boldetti, Osserv. 419); Symbol und
Wort heissen also: der Verstorbene ist abgeschieden in Gott. Sie wird weiter be-
stätigt durch die Fusssohlen auf heidnischen Monumenten, die als ivAbrnuMToi, oder
Votivsteine nach glücklich zurückgelegter Reise gesetzt wurden und diesen Zweck
auch in den Worten: „pro itu et reditu felici*' besagen. Diese Worte erläuternd, sind
manchmal zwei Fusssohlen vorwärts, zwei andere rückwärts gewendet. Lupi 68;
Gruter, Inscr. ant. n. 820 und 1129; Fabretti, Inscr. ant. 472. Auch Füsse im
Profil kommen vor (Lupi 70); selbst ganze Füsse hat man in heidnischen Gräbern,
wie in denen auf dem sogenannten Todtenfelde bei Oberflacht am Lupfen im
(76)
wttrtiembergischen Amte Tattlingen, je einen auf jeder Seite der Leiche ge-
funden. Tgl. die Heidengräber am Lupfen von Dürr ich und Menzel. Ein anderes
Exemplar, gross ansgefOhri, besitzt das Museo Kircheriano in Born; es stammt aus
S. Ermete (vgl. Perret, pl. 53, 37; Lupi 70; v. Schnitze, Arch. Forsch. 277, n. 63).
„Auf Siegel-Ringen, oder wenn das Siegel selbst fusssohlenartig gestaltet ist,
zeigt die Fusssohle das Besitzrecht an, nach dem Grundsätze: quidquid pes tnus
calcaverit, tuum erit. Daher auch die ehemalige Ableitung des Wortes „possessio^
Ton pedis. Auch bei den alten Hebräern war eine Rechtscession nicht gültig (Ruth 4,
7; y. Mos. 25, 7), wenn nicht der Cedirende dem Anderen seinen Schuh ttbergab.
Mit dem fusssohlenartigen Siegel wurde eine Sache als Eigenthum bezeichnet.
Daher s^ht der Name des Besitzers des Siegels meistens im (Genitiv, z. B. auf
einem zu Wiesbaden gefondenen und daselbst verwahrten Bronze-Siegel, das auf der
Vorderseite (eine ganz deutliche Fusssohle mit 5 Zehen) die Legende Fl. Paulini
>|^ bietet. Vergl. Nassau. Annalen VII, Taf. II, 1 und 2. Zwei ähnliche Siegel,
das eine mit der Inschrift Pauli, das andere mit Vitalis, fand Perret in den
Katakomben IV, pl. XXIII, 21 und pl. IP (andere Beispiele bei Boldetti 506;
Arringhi II, 698; Perret; veigl. Mtlnter, Sinnbilder I, 54; Bellermann, Die
altchristlichen Begräbnisse 33; Pellicia III, 25 und Coroedoni, Raggnogl. 40,
welche in der Darstellung der umgekehrten Fusssohlen den Schmerz Über den
Verlust der Lieben sehen, wogegen mit Recht Smith, Dict. I, 682).^
Nach Abschluss der vorstehenden Zeilen brachte, wiederum mit einer gewissen
Dnplicität der Fälle, das Heft 7 unseres diesjährigen Gorrespondenz-Blattes eine
äusserst interessante Abhandlung des Hm. Sanitätsraths Dr. Köhler in Posen ^ttber
Steine mit Fussspuren^. Ich gestatte mir dazu einige Bemerkungen.
Beziiglich einiger geographischer Versehen in der Darstellung, welche mir
auffielen, habe ich nun, zuvörderst nach Rücksprache mit Hm. Dr. Köhler, den
Auftrag zu ihrer Richtigstellung. Culm (Stein 12) liegt nicht in Ostpreussen,
sondern ist Hauptort eines westpreussischen Kreises und wäre in seinem polnischen
Namen (Chelmno) nicht zu verwechseln mit dem Orte Oh. bei Pinne in Posen
(bei Stein 9). — Der Standort für Stein 8 ist die Gegend von Koronowo, also
Polnisch-Krone oder postalisch Krone a. d. Brahe, einer kleinen Stadt im Regierangs-
Bezirke Marienwerder, also ebenfalls in West- und nicht in Ostpreussen gelegen,
so dass auch nicht Deutsch-Krone, früher Arenskrone und polnisch Walcz genannt,
gemeint ist. — Schliesslich muss auch Stein 5 verstellt sein; es muss wohl heissen
Hohenfier, ein Kirchdorf bei Zlotowo, also Flatow, Kreisstadt im Reg. -Bezirk
Marienwerder, ebenfalls Westpreussen, wogegen das Zlotowo in Ostpr. ein Kirch-
dorf bei Löbau wäre. — Die beliebten Umtaufungen haben diese Verwirrung her-
vorgebracht.
lieber Steine mit Fussspuren hat nun zuerst Przyborowski (1874), sodann
Kotlarzewski geschrieben, deren Angaben alsdann Dydynski (1883) umfasst,
bis Prof. Luszczkewicz in Krakau (1894) ein volleres Referat brachte, das nun
Dr. Köhler a.a.O. verwerthete. Ausser den 13 schon bekannten führt derselbe
noch 6 andere an, abgesehen von denjenigen, die nicht dem Gebiete der Provinzen
Preussen und Posen, sowie des ehemaligen Polens angehören. Bei den angeführten
Steinen finde ich keine mit zwei Füssen mit der Beigabe der Krenzzeicben, nur
zwei mit zwei Fussspuren, einige mit nur einem Fus&e und einige mit anderen
Einmeisselun^en. Die letzteren wären wohl besser fortgeblieben. Die Zehen sind
nur bei dem Steine von Wilkowyja angedeutet. Uebrigens ist der Stein 1 mit der
Spur eines Fusses aus Wilkowyja bei Klecko, Prov. Posen, auf welchem der
heilige Adalbert predi^rte, oder doch Stein 7 mit einem Fusse (bei Bikupica bei
(77)
Klecko) doch wahrscheinlich einer derjenigen, die Er. Jarz^bowski erwähnt, ob-
schon hier noch von einem Pferdefuss die Rede ist Sie sollen ja sämmtlich auf
die Merkmale der Einmeisselnng untersucht worden sein und dürften also nicht
auf Verwitterungs-Erscheinungen mit ihren oft sonderbar gestalteten Figuren be*
ruhen, welche das Volk erst nach ihrer Aufßndnng mit seinen Sagen umsponnen
hat Vielleicht hätte dabei auch manches Platz finden können aus meinen Stein-
sagen aus Westpreussen , wie ich sie bisher in 5 Nachträgen der Zeitschrift des
Historischen Vereins fQr den Beg.-Bez. Marienwerder niedergelegt habe, besonders
aber der Stein Bozastopka (1893, H. 31, S. llff.), der sogar mit ganz demselben
polnischen Namen urkundlich im PommerelUschen Urk.-Buche schon für 1281 als
Merkmal eines Orenzducts zwischen Gross -Dommatau und Schwetzin im Kreise
Putzig vorkommt. Vielleicht dürfte auch ^er Stein bei Nowahutta bei Mirchau,
Kr. Garthaus, hierbei Platz finden. Um jedoch hienron zu geschweigen, so greife
ich für eine nähere Betrachtung nur die zwei Fälle mit zwei Fussspuren heraus,
den von Wiosciejewki bei Xions in Posejn (Stein 10) und den Ton Wongrowitz
in Posen (15). Bei dem letzteren ist nur von zwei Vertiefungen die Rede, Ton
einer runden und Ton einer viereckigen, welche nur die Sage ebenfalls als die
Fussspuren des heiligen Adalbert auffasst, der auf diesem Steine gepredigt habe.
Aus den noch dazu verschiedenen Formen der beiden Vertiefungen geht aber
hervor, dass dabei keineswegs an Fussspuren zu denken ist. Vielleicht haben
aber Abbröckelungen von einer ursprünglichen Fussgestalt beiderseits stattgefunden.
Sonst bietet ein volleres Analogen der erstere Stein dar, wo doch von wirklichen
Füssen in der Paarzahl zu sprechen ist, — freilich scheinbar mehr in der Hülle
von Schuhen oder mit der Unterlage von Sandalen, wogegen in meinem Falle sogar
die Zehen sichtbar sind, aber insofern noch mehr adäquat, als dort ebenfalls für
die einzelnen Füsse ein ungleiches Zahlenmaass festgestellt ist.
Dies ungleiche Zahlenmaass der zusammengehörigen Einzelfüsse ist sehr be-
merkenswerth und auch doppeldeutig. Der rechte Fuss ist immer etwas grösser.
Entweder war nehmlich der Meissel-Rünstler, wenn man nicht den Ausdruck
Bildbauer gebrauchen will, sehr dumm, — er hat nur ungeschickt im Groben gear-
beitet (trotz der Andeutung der Zehen) und dennoch das Richtige getroffen, eben
aus Ungeschicklichkeit, wie man wohl in den beiden Fällen annehmen darf. Oder
er wusste um die Thatsache, dass beide Rörperhälften, also auch beide Füsse,
wirklich häufig nicht gleich sind, und machte es bewusst so, wie der Bildhauer (un-
bekannt in Namen und Zeit) bei der Venus von Milo im Louvre zu Paris, über
deren ungleiche Maasse es seiner Zeit zu einem grossen Streite und Hailoh unter
den Kunstkennern kam. Der competenteste Beurtheiler dieser Frage wäre ausser
Arzt und Nachbildner, wie Bildhauer oder Maler, der Schuhmacher, ein Auf-
bildner, der über Tausende von Fällen dieser Art eine Art von Statistik auf-
genommen hat.
Wenn man Fussspurensteine als Grenzmarken auffasst, so beruht die Un-
gleichheit der Fussspuren, wenn zwei solche vorhanden, meist nur auf Unkenntniss
der Bildhauer-Künstler. Wenn man sich alsdann den Gang der Grenzfestsetzungen
vorstellt, so werden es doch nur gewöhnliche Arbeiter gewesen sein, die man zu
diesen Einmeisselungen brauchte und die einfach mit dem Grenzanweiser oder mit
der Oommission mitgingen oder von ihr später geschickt wurden.
Hinsichtlich der Deutung der in Steine eingemeisselten Fussspuren bezeichnete
Prof. Luszczkiewicz einen wesentlichen Theil von ihnen als Ausfluss einer
religiösen Sitte, welche nach dem schwedischen Kriege, also nach 1657, in Polen
sehr verbreitet war und nach eben jenem Herrn mit Muttergottes-Capellen in Ver-
1
(78)
bindong zu bringen ist Wie weit icti selbst der obigen Ansiebt gefolgt bin, ohne
darum gewnsit zu haben, ist aus dem Vorigen ersichtlich. Nur wäre ich gegen
den weiteren Anhang wegen der Zeitbestimmung. Allerdings trägt mein Stein noch
die Kreuze als etwas ganz SigniAcantes.
Rotlarzewski hält solche Steine, indem er Grimmas Ansichten theilt, für
Reichs-Orenzsteine. Das scheint mir aber nicht zutreffend, weil sie alsdann
häufiger an den Grenzen zu finden sein müssten, da sie doch als solche Steine
und als Steine von beträchtlicher Grösse seit kaum 125 Jahren etwa nicht Ter-
schwunden sein könnten, oder in ihrem stillen Dasein von forschenden Menschen
schon längst hätten entdeckt sein müssen.
Przyborowski^s Elrklärung als Grenzsteine der inneren Eintheilung des
Landes (District, Kreis, weiter etwa, /rie ich hinzusetze, Schltlssel, Wojwodschaft)
erscheint aus gleichem Grunde hinfällig; denn dabei wäre eine noch grössere
Häufigkeit der Steine Erfordemiss; den Mangel dieser Häufigkeit hatte ich Torher
schon gegen mich selbst geltend gemacht, t. Dydyhski, Domherr und Probst aus
Klecko in Posen, soll zu beiden (welchen?) Erklärungen neigen, zumal da die
Grundidee gemeinschaftlich ist Das wäre richtig, wenn es sich um die ron
Luszczkiewicz angenommene religiöse Idee und um die staatliche Grenzidee
handelte. Dasselbe hob ich für sonstige Steinmeisselungen ebenfalls henror.
Köhler hält die Theorie Luszczkiewicz's nicht für stichhaltig und die Mischung
der beiden Ideen (nach Dydynski) für die wahrscheinlichste. Für meinen be-
kreuzten Tapfenstein muss ich selbst jedoch bei der im Vorhergehenden begründeten
Ansicht bleiben, welche die von Luszczkiewicz ist, soweit sie zeitlich nicht
eingeengt wird. Sonst hebe ich für mich hervor, dass der Fussspuren-Stein von
Wloeciejewki in der Wand einer Kirche eingemauert gefunden ist, also ebenfalls
religiösen Charakter zeigt, während für die staatliche Auffassung, die ja ebenfalls
gültig sein und bestehen bleiben soll, mein Fall Klecko, die Hozastopka (Gottes-
füsschen) des Pomm. Urk.- Buches und ein Spurenstein bei Mirchau zu sprechen
scheinen. Auch möchte ich immer noch eine Sitte in Gross-Polen von einem Brauche
hier getrennt halten. Wenn es aber Ghrenzsteine sein sollen, so waren sie es viel-
leicht nur für damalige kleinere und doch irgend einmal bestrittene und
private Bezirke, aber nicht zu jeder Zeit, noch auch in jeder Gegend. Anderer-
seits, wenn Einmeisselung nur als religiöser Brauch im Allgemeinen aufzufassen
ist, weshalb kommt denn ein solcher Stein nicht überall bei jeder alten Kirche
Tor? Es wäre alsdann also wohl nicht an eine allgemeine Sitte, sondern an einen
nur jeweiligen Brauch zu denken, hervorgegangen aus der für Kirche und für
Staat gemeinschaftlichen Grundidee. Betrachten wir die Sache aus diesem Ge-
sichtspunkte, so könnte sich dann zu früherer Zeit irgend einmal selbst aus Gross-
Polen vielleicht ein Beispiel irgend einer Art in einen cassubischen Kreis unserer
Provinz Westpreussen herübergerettet haben. Wir wissen leider zu wenig Local-
historisches aus früheren Zeiten für unsere Provinz. Und wenn ich etwa dieser De-
duction zu Liebe ein Phantasie-Gemälde für mich entrollen wollte, so könnte es
ja ein mächtiger Wojwode oder Palatin gewesen sein, der einen Privatbesitz oder
eine staatliche Tenute (lebenslänglich) innehatte, die vielfach umstritten und nach
langem Streite etwa durch Einigung festgelegt wurde, wobei ihm ein gelehrter
capellanus scriba die ihm aus Urkunden oder sonstiger Ueberiieferung bekannten
Merkmale, als Besitzzeichen für den hohen Herrn, dem Steine einzufügen angerathen
hätte. Wenn für unbekreuzte Fussspuren-Steine, bezw. ihre Deutungen ein Theil
zugegeben und ein Theil gestrichen wird, wenn keine allgemeine und durchgängige
Erklärung feststeht, sondern selbige für die immerhin mögUchen Einzelfälle um-
(79)
gewandelt wird, so wird auch, wenn ein solcher Fall zar ßeurtheilnng kommt,
hierbei nicht mehr allgemeiner Streit herrschen auf dem Felde von Hypothese und
Phantasie.
Uebrigens scheint es, als ob Prof. Luszczkiewicz von seiner ursprünglichen
Meinung abgewichen sei, namentlich insoweit er vorher die Fassspuren-Steine als
Artefakte der Zeit des Schweden-Krieges 1655 — 57 ansah. Denn, wie mir Hr.
Dr. Köhler berichtete, als in der Sitzung vom 21. Mai 1896 der Commission für die
Geschichte der Künste der Akademie der Wissenschaften in Krakau Hr. Dr. Feliks
Kopera eine Mittheilung über die im Mittelalter in Polen auf Steine ein-
gemeisselten Füsse machte und für West -Europa die Thatsache bestätigte, dass
dies im Mittelalter mit aller Wahrscheinlichkeit Grenzzeichen waren, die man im
17. Jahrhundert, zu einer Zeit, als sich schon Sagen an sie knüpften, im König-
reiche Polen an den Kirchen einmauerte, erwähnte Prof. Luszczkiewicz dabei
noch, dass sie stets in einer gewissen Höhe an den Kirchen eingemauert wurden,
damit das Volk sie leichter küssen könne, dass es aber stets Sohlen seien, nicht
aber Füsse mit der Form der Zehen zum Beispiel.
Als hierhergehörig erschiene dann auch, was Hr. Dr. Köhler im Weiteren
über die Bezeichnung der Grenzen in Polen sagt, was mit der früheren Auslassung
meist übereinstimmt und wegen des allgemeinen Interesses wohl wiederholt werden
darf. Wo man zu Pferde die Grenze bezeichnete, objazd, ujazd (Umfahren, Um-
reiten), meisselte man an gewissen Stellen ein Hufeisen in Steine; wo man da-
gegen zu Fuss die Grenze feststellte (opole, um das Feld, um die Mark), wurde
zum Zeichen die Fussspur im Steine eingehauen Die Namen Opole und
Ujazd haben sich in polnischen Ländern erhalten und es giebt Städte, wie Dörfer
dieses Namens. In den Urkunden des Posener Landes (Cod. dipl. maj. Polen.,
Posen 1877) finden wir sehr oft die Bezeichnung Opole, die aber schon im 12. Jahr-
hundert eine doppelte Bedeutung hat. Durch Opole bezeichnete man sowohl Theile
des Landes, wie Districte, Kreise, Vicinia, aber auch gleichzeitig eine Abgabe:
^A bove et vacca quod opolne dicitur.** Von dieser Abgabe wurden manchmal
ganze Kreise befreit, oft auch Theile derselben. Dass die Grenzen bestimmt
wurden durch eine Transitio, dafür finden sich in den Urkunden mehrere Belege.
Die Grenze wurde auch genau durch sichtbare Zeichen bestimmt; so heisst es:
per acervos, lapides ubi vidimus, und weiter: cumulos facientes et arbores signantes
(Cod. dipl. maj. Polon., Nr. 26, 1867). Quoeunque convicinitas vulgariter opole
transibit, sie debet perpetuo stare (Terr. Posnan. 1400, S. 55). Eine schriftliche
Urkunde dafür, dass man als Grenzzeichen Fussspuren oder Hufeisen in Steine
gemeisselt hat, besteht nicht. Auffallend grosse Steine erfüllten jedoch den Ur-
kunden gemäss diesen Zweck, wie auch grosse Nägel oder Blechstücke als Zeichen
in den Baum geschlagen oder auf denselben gehängt wurden. Der oben an-
gedeutete Stein von Bozejewice wird noch heute ujazd genannt. Dass man aber
solche Grenzsteine mit diesem Namen schon sehr früh belegte, dafür bürgt die
Notiz in Herb. Stat. 227. Es heisst an betrefitender Stelle: Als Grenzmarken wurden
auffallende Zeichen gezeigt, welche njazdy genannt werden.
Hierzu mögen dann noch folgende Einzelnotizen Platz finden. Auch im localen
Gebiete des Pomm. Urk.-Buches, welches die Zeit von 1140—1315 für Pommerellen
amfasst, treffen wir wenigstens auf den Namen Wobesde für ein Dorf bei Stolp,
auch Wobasdo, Obesda, Objazda, so dass der darin versteckte Namen Objazd gar
leicht zu erkennen ist. Einmal kommt es unter den Dörfern vor, welche nebst
Zehnten, Kirchen und Capellen aus der Umgegend 1281 o. T. u. 0. durch Herzog
Mestwin von Pommern den in sein Land gekommenen Mönchen von Beibuk ver-
(80)
liehen wurden (S. 285), und das andere Mal wird es genannt, als (1294, Mai 3^
Gnesen) dorch Jacob, Erzbischof von Gnesen, dem Nonnen-Kloster zu Stolp die
obige Schenkung unter ZufOgung von anderen Dorfzehnten bestätigt wird (S. 455).
Opole dagegen findet sich nicht als Ortsname, sondern als allgemeine Bezeichnung
für Districts-Verbände, besonders für die daraus resultirenden Dienstleistungen,
bezw. fQr Befreiung da^on, also ganz in demselben Sinne, wie bei Köhler in
zweiter Bedeutung. Ich imterdrücke die genauere Herzählung von 15 dazu ge-
hörigen Beispielen, bemerke übrigens, dass nach derselben Quelle (8. 299, Urk. 339
von 1282, Juni 29., o. 0., wo Herzog Mestwin die Dotation seines Vaters Swanto-
polk für die St. Stanislaus-Kirche in Garde erneuert), ein lapis metam possidens
vorkommt.
Oft genug werden in jener Quelle Steine, lapides, als Grenz-Bezeichnungen er-
wähnt, aber, soviel ich bei mangelnder Angabe im Index ersehen kann, nur dies eine
Mal ein lapis metam possidens. Daraus mag ersichtlich sein, dass die Ghrenzsteine
als solche nicht immer Male oder Zeichen erhalten. Jedenfalls müsste dieser Stein
auf der Strecke von Stolp bis Gkirde wohl noch aufzufinden sein und dann könnte ja
festgestellt werden, ob er ebenfalls Fuss oder Füsse oder Hufeisen als Meta ein-
gemeisselt empfing. Zahlreich kommen in jener Quelle Grenz -Setzungen und
-Messungen vor. Die Herausschälung der für unsere Sache passenden Momente
bedeutete aber eine eigene Arbeit. Ganz besonders häufig kommt als distinctor
ein Castellan Stibor von Putzig vor. Nach ihm mag auch im Kreise Neustadt
ein Stibur-See genannt sein, ein Name, der, wenn er auch durch Yolks-Etymologie
zu Steh-bur (stehe, Bauer!) umgemodelt und mit einer Reihe von Sagen aus-
geschmückt wird, dennoch wohl nach meiner Conjectur, wie ich sie des Breiteren
in der Danziger Zeitung (Beil. 19 950) vom 28. Januar 1893 ausführte, schon des-
halb auf jenen besonders häufig als Feld- und Grenzmesser und -Setzer genannten
Castellan Stibor von Putzig zurückzuführen wäre, weil es dort nirgends ein Dorf
gleichen oder ähnlichen Namens giebt, nach welchem der isolirt liegende See, wie
es sonst zu geschehen pflegt, seinen Namen hätte erhalten haben können.
Schliesslich sei noch zur Warnung vor einem Irrthume bemerkt, dass, wollte
man etwa die polnischen Familien-Namen Ujazdowski und Opolski von jener
Thätigkeit ableiten, wie es sich darbieten möchte, dies dennoch falsch wäre.
Diese Namen bezeichnen vielmehr die Herren (Sitzer, dziedzic, Besitzung, Herr,
pan) von Ujazd und von Opole; die Beamten der Grenz -Regulirung müssten als
ümreiter und Umgeher vielmehr, wie es die polnische Sprache und Grammatik
verlangen, als ujezdnik und als opolnik bezeichnet werden. —
(26) Hr. A. Treichel überschickt folgenden Nachtrag:
Vom Geheimgemach.
Auch in BetrefT dieses Gegenstandes, den ich nur kurz erwähnte, habe ich
in anderer Gegend die Geister wachgerufen, und gewiss werden sich deigleichen
Abnormitäten an noch anderen Oertlichkeiten vorfinden, namentlich da, wo, wie be-
sonders im mittleren und im südlichen Deutschland, zumal bei älterer Bauart
die Häuser sich von dem unteren Stockwerke nach oben zu veigrössem, be-
stimmt jedoch im zweiten Stockwerke, woselbst durch solchen Ueberhang ge-
wissermaassen von selbst die zu der vorliegenden Sache nöthigen Vorbedingungen
gegeben sind. Solche Bauart fiel mir schon im alten Stadtviertel von Frankfurt a. M.
auf. Aus Kreuznach an der Nahe schickte mir Hr. Oberlehrer L. Geisen-
heyner, unter Beifügung von zwei artistischen Beigaben in der jetzt so be-
(81)
liebten Manier von Ansichtskarten, die Lichtdruck- Wiedergabe von zwei ^Pfeiler-
häuschen^ anf der Brücke über die Nahe. Während das eine Häuschen seit
einem Jahre bereits ausser Betrieb steht, ist das andere» wenn auch für's Auge
▼on Tom überkleistert, noch im Betriebe und ein markanter Beweis dafür, dass
in der Badestadt Kreuznach dergleichen Oeheimgemächer nicht geheim sind. So
sollen dort auch noch mehrere öffentliche Oemächer sein, bei welchen die Er-
gebnisse der in ihnen entfalteten Thätigkeit, nach der Reise durch die Luffc» zu
Wasser werden, so dass, fügt mein Gewährsmann bedeutungsoll hinzu, die Fische
der Nahe recht fett seien.
Im Anzeiger des germanischen National -Museums für 1896 (Mittheil. 8.96)
finde ich eine hierhergehörige Vermerkung über Albr. Dürer' s Yerhältniss zu dem.
Rathe seiner Vaterstadt, einen recht bezeichnenden Bathserlass aus dem letzten
Lebensjahre des Meisters, wiedergegeben aus dem Rathsprotokolle von Nürnberg
für 1527 (O. n, Bl. 33b}: ^Tercia 18. Junj 1527: Albrecht Durern sagen man sey
Ime mit guetem willen geneigt, aber seyns heymlichen gemachs halb könn man
es nit anders gegen Ime halten dann andern. — Aber so pald er die straff ent-
richt, sol man Ime dj widergeben. — Burgermeister Junior.^
Ein kürzlich erschienenes, schätzbares ürkundenbuch fUr das Jahrzehnt 1399 big
1409 unserer Provinz zur Deutschordens-Zeit, das Marienbuiger Tresslerbuch yon
Dr. Joachim, welches in der kurzen Aufzählung von Ausgaben-Posten dennoch ein
Bild der Gultur jener Zeit giebt, führt ebenfalls das Oeheimgemach auf, und zwar
unter dem Namen Danczk, so dass es scheint, diese Bezeichnung verdanke ihren
Ursprung wohl einer zuerst in Danzig vorkommenden Neuerung in Betreff der vor-
liegenden Sache. Da wird 1408, 3. Mai, angemerkt (S. 455), an Ausgabe: „Item
6'/, m. 2 fcot dem fmede vor 20 slofTe und vor vorzenete (verzinnte?) nagil zu
thorbanden vor thorbande zu den heymelychen gemach und vor hengil (Thtlrangel,
eiserne Haken) zu den balken zu den heymelychen gemachen.^ Dies be^iffi
Orebyn, ein Dorf bei Danzig, früher Ordenshof. Femer 1408, 22. Juni (S. 489):
„Item 1 fird. Fösen dem muwerer gegeben zerunge, als her ken Kyschaw reyt,
am frytage vor Johannis Baptiste, als her dye danczke muwem Tolde.*^ Rischau
(Schloss-) ist ein Dorf im Kreise Bereut, früher Sattelhof (1 Bitter und 1 Knappe)
des Deutschordens. Man sieht hier die gleiche Geltung der beiden Worte, die vor-
kommen. Für solche Urkunden ist der Ausdruck Danczk dann wohl mit Vorsicht
zu lesen, da er doch auch die Stadt selbst bezeichnet. Derselbe Ort kommt noch
öfters vor. Schon vorher (1408, 19. Sept., S. 454) war folgende Ausgabe geleistet:
„Item 4 m, Fösen dem muwerer of rechenfchaft, als her zu Kyfohaw dy danczk
solde muwem, item 4 m. Niclas Hollant dem zymmermanne of rechentchaft [„im
Voraus, zur späteren Berechnung^] of die heymlichkeit zu Kysschow am hofe zu
machen, am sontage nach Bartholomei^ [letzterer für 1408: 26. August]. Also, als
der Maurer mit seiner Arbeit fertig war, kam der Zimmermann heran.
Uebrigens wird nach Frischbier's Preuss. Wörterbuche (Mtthling) S. 414
der Abtritt auch mit dem wahrscheinlich onomatopoetischen Namen Trünz be-
zeichnet —
Nachtrag: Aus dem „Danzig^ von Danzig hat sich eine Mähr gebildet, welche
in „Wanderungen durch Westpreussen*^, XI. (Danz. Ztg. 22304 vom 6. December 1896,
1. Beilage) genügend als solche gekennzeichnet und in ihrem Ursprünge auf-
gedeckt wird, wobei Verfasser auch auf das bekannte Institut des Danzigers er-
klärend zu sprechen kommt Daher kann ich nur den ganzen betreffenden Passus
hierhersetzen. „Mit dem Dominiksmarkte, welcher mit jedem Jahre mehr zu ver-
blassen beginnt, und dessen vielbesuchte „Lange Buden ^ von jetzt ab durch das
VerbudJ. d«r B«rl. Anthropol. GMeUtchaft IS»?. (>
(82)
jttngste Rind moderner Coltor, die elektrische Bahn, ebenralls von ihrer alt-
gewohnten Stätte yerdrängt sind, schwindet ein Stflck eigenartigen Danziger Lebens,
mit Sagen und Anekdoten aller Art reichlich verziert. So wird auch heute noch
fest und steif die Erzählung von einem feindlichen Ueberfalle geglaubt, der für
alle Fremden das Verbot eines mehr als dreitägigen Aufenthaltes nach sich ge-
zogen haben soll. Wenn man nur wüsste, durch welche schnurrige Verwechselung
diese Sage entstanden isti Rennt der Leser vielleicht das, was man einen ^Danzig'
oder „Danziger^ nennt? In Ostpreussen kehtt diese Bezeichnung bei Schlössern,
klösterlichen Anlagen und grösseren Wohngebäuden häufig wieder, auch in Wesi-
preussen findet man sie z. B. in Marienburg, Marien werder und anderen Städten,
nur in Danzig selbst ist sie ziemlich unbekannt. Man bezeichnet hiermit einen
mit dem Haupthause nur durch einen tlberführenden Grang verbundenen Anbau
(ßbr Zwecke bestimmt, welche man gern den Blicken entzog). Um sich einen
Begriff von einem solchen „Danzig*^ zu machen, betrachte man den eigenthümlichen
Bau des ehemaligen Patricier-Hauses, der jetzigen Erziehungs- Anstalt Tempelbui^
bei Emaus, welcher seine erste Anlage beibehalten hat, obgleich die Verwendung
der einzelnen Räume nicht mehr die ursprüngliche ist. — Nun erzählt ein alter
Schriftsteller, dass die Littaner einst bei einem Angriffe auf die ostpreussische
Ordensfeste Johannesburg den „Danzig^ erstürmt hätten; ein polnischer Schrift-
steller missversteht die Sache und macht daraus eine Erstürmung der Stadt Danzig.
Diese Nachricht wurde mit der eines Thomer Annalisten, dass die Danziger um
die Dominikszeit einmal eine Niederlage erlitten hatten, zu einem einzigen Ereigniss
zusammengeschweisst, und so hat sich zugleich mit dem Ordens-Privileg für den
Dominiksmarkt jene Sage entwickelt, welche noch heute um so fester geglaubt
wird, als unser Landsmann, der sonst achtbare Oerichtsschreiber Caspar Schütz,
sie in breiter Behaglichkeit nacherzählt. Mag sie immerhin weiter bestehen, sie
wird den Dominiksmarkt selbst vielleicht noch überleben!^ —
(27) Neu eingegangene Schriften:
1. Saville, M. H., The Temple of Tepoztlan, Mexico. New York 1896. (Bull.
Mus. of Natur. Hist) Gesch. d. Verf.
2. Ploss- Bartels, Das Weib. 5. Aufl. 2. und 3. Liefer. Leipzig 1896-97.
Gesch. d. Verf.
3. Schmeltz, J. D. E., Ethnographische Musea in Midden-Europa. Leiden 1896.
Gesch. d. Verf.
4. Niederle, L., 0 puvodu Slovami. v Praze 1896. Gesch. d. Verf.
5. The Egyptian Research Account. Report of the second year. London 1896.
Gesch. durch Hrn. Plinders Petrie.
6. Hampel, J., A Bronzkor emlekei Magyarhonban. III. Resz: Budapest 1896.
Gesch. d. Verf.
7. Sijthoff, A. W., Catalogued'Estampes Japonaises. Leyden, o. J. Gesch. d. Verf.
8. Raschetzin, L., Die Erkenntniss des Buddhismus und des Christentiiums
vom Standpunkte des reinen Pessimismus. Leipzig, o. J. (Russisch.)
Gesch. d. Verf.
{
Berichtigung:
S. 25 lies Dr. Kaecke sUU Ranke.
Verhandl. 1897 , ^ ^^ ^ Adrian Jacobson sUtt Emü.
Sitzung Yom 20. Februar 1807.
Vorsitzender: Hr. R. Virchow.
(1) Als Gast anwesend Hr. Hauptmann Oüssfeldt. •—
(2) Der Ausschus« hat in seiner Sitzung Tom 16. Januar Hm. Lissauer
zum Obmann gewählt. —
Nachdem Hr. y. Hey den die Wahl in den Ausschuss nicht angenommen hat,
ist in der Sitzung Tom 12. Februar Hr. Dames in denselben eooptirt worden. Der-
selbe hat die Wahl angenommen. —
(3) Die Gesellschaft hat folgende Mitglieder durch den Tod Terloren:
Ludwig Rärnbach aus Klein bei Posen, 33 Jahre alt, in Deutsch-Neuguinea,
am 1. December, nach Erkrankung der Milz und Leber. —
Ludwig Hei mann, Kedacteur der Zeitschrift für Versicherungswesen, der sich
früher an den Discussionen über Acciimatisation eifrig betheiligte, am 16. Februar. —
Commerzienrath Arons, eines unserer ältesten Mitglieder. —
Emil Eyrich, Porträtmaler, am 31. Januar.
Der Vorsitzende widmet dem Letzteren Worte dankbarer Anerkennung!
Hr. Eyrich hat während einer langen Reihe von Jahren ihn in treuester, hin-
gebender Weise unterstützt Der verstorbene Zeichenlehrer Dworzaczek, der früher
für ihn gearbeitet und i;i der Methode der zeichnerischen Darstellung anthro-
pologischer Objecto die Wege gebahnt hat, lenkte, als er selbst durch seine Amts-
thätigkeit behindert wurde, die Aufmerksamkeit des Vorsitzenden auf Eyrich. Dieser
trat sofort eifrig in die ihm angebotene Stellung ein; er brachte ausser der technischen
Vorbereitung ein wirkliches Interesse an anthropologischen und archäologischen
Gegenständen mit. Seine Bescheidenheit und sein schnell wachsendes Verständniss
erleichterte nicht bloss ein schnelles Fortarbeiten in der hergebrachten Weise,
sondern auch die Vertiefung in die Aufgaben des darstellenden Künstlers und die
fortschreitende Verbesserung der Methode. Insbesondere ermöglichte sein guter
Wille und seine Sorgfalt in der Wiedergabe auch des kleinen Details jene Voll-
endung in der Schädel-Zeichnung, welche seine Arbeiten weit über die Leistungen
der meisten anderen Zeichner emporhob. Der Vorsitzende erinnert an die von
ihm hergestellten Tafeln zu den Crania Americana ethnica, welche allgemein ge-
schätzt und als Muster betrachtet werden. Bei den archäologischen Objecten ent-
wickelte er ein ungewöhnliches Talent und eine noch viel mehr bewundemswerthe
Geduld in der Zusammen fügung auch der kleinsten Bruchstücke zu anschaulichen
Gesammtbildern, wofür die Tafeln über die kaukasischen Gürtelbleche als ruhm-
Tolles Beispiel angeführt werden können. Seine Ausdauer in der Arbeit zeigte
sich auch in der Anfertigung jener zahllosen Textfiguren und vieler Tafeln,
welche für die Verhandlungen unserer (jesellschaft und für die Zeitschrift für
(84)
Ethnologie als Illii|^tionen veröffentlicht worden sind. Es gentigt, anf die be-
treffenden Pnblicationen hinzuweisen, um die Grösse des Verlostes anschaulich
SU machen, welchen wir durch seinen Tod erlitten haben. Ein schweres Hen-
leiden mit allen seinen qualvollen Folgeznständen führte nach langen schweren
Leiden das Ende herbei, aber sein Eifer war so gross, dass er es sich nicht
nehmen Hess, noch anf dem Krankenlager fortznarbeiten. Die letzten Zeichnungen
lieferte er wenige Tage vor dem Erlöschen seiner Herzkraft ab. Man darf sagen,
dass er als ein nnermüdeter Arbeiter auf dem Felde seiner Th&tigkeit dahingerafft
ist. Wir Alle werden ihm ein dankbares and voll anerkennendes Oedächtniss be-
wahren. —
(4) Wir erfahren den Tod des wackeren Kubary, der anf Yap, seiner zweiten,
mikronesischen Heimath, nach so vielen Arbeiten und Enttäuschungen dahin-
geschieden ist Er war einer der Pioniere, welche Caesar Oodeffroy im Beginn
seiner colonialen Handelsuntemehmungen in die ferne Inselwelt hinausgeschickt
hatte; von ihm stammt eine grosse Anzahl ethnographischer, anthropologischer und
naturwissenschaftlicher Objecte, die jetzt in vielen europäischen Museen als be-
sonders werthvoUe Schätze aufbewahrt werden. Auch wir besitzen von ihm eine
Sammlung mikronesischer Schädel, über welche Hr. Virchow seiner Zeit in den
Akademie-Berichten gehandelt hat Mehrere wichtige Abhandlungen, insbesondere
die über die Palaus, sind durch unsere Museums-Verwaltung veröffentlicht worden. —
Am 13. Februar ist zu Lübbenau einer unserer treuesten Freunde, Traugott
Hirschberger, im Alter von fast 86 Jahren gestorben, nachdem er noch bis in
seine letzten Tage für unsere Literessen thätig gewesen war. Er war der beste
Kenner des Spreewaldes, und als solcher hat er uns nicht bloss als Führer, sondern
auch ganz besonders als Alterthumsforscher zahlreiche und höchst werthvoUe
Dienste geleistet Er hat die Gräberfelder von Zirkwitz und Kagow in den Kreis
unserer Forschungen eingereiht, ihm verdanken wir die Hinweisung auf den
Batzlin und mehrere der wichtigsten Burgwälle. Von seinen grossen und dauernden
Verdiensten für das gewerbliche Unterrichtswesen und andere conmiunale Ein-
richtungen in seiner Stadt, von seiner patriotischen Hingebung im öffentlichen
Dienst ist hier nicht der Platz, ausführlich zu berichten. Er war ein ganzer Mann
mit selbständiger und zielbewusster Thätigkeit, der uns stets fehlen wird, wo es
gilt, kräftig einzugreifen. Seine letzten Briefe betrafen die uns noch beschäftigende
Angelegenheit des Schlossberges von Burg, insbesondere die Erhaltung dieser ehr-
würdigen Anlage. —
Li Oldenburg ist am 29. Januar der langjährige Director des Orossherzog-
lichen Museums, C. F. Wiepken, im 82. Lebensjahre gestorben. Es sind achon
mehrere Jahre her, seitdem wir ihn zu einem Jubeltage durch eine Adresse be-
grüssten. Unter seiner Leitung ist das Oldenburger Museum aus kleinen Anfängen
zu einer schönen, vaterländischen Anstalt entwickelt worden. Dabei fand er noch
Zeit, die Vögel und Käfer des Herzogthums in besonderen Werken zu schildern« —
Die Königliche Akademie der Wissenschaften in Turin hat am 7. Februar ihr
berühmtes Mitglied, den Senator Oalileo Ferraris verloren. —
(5) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Dr. med. Ludwig Dittmer in Berlin.
^ Oberbürgermeister a. D. Dr. Gustav Brecht in Quedlinburg.
^ Kammergerichta-Assessor Dr. Herz in Berlin.
(85)
' Hr. Baron Moritz t. Leonhardi in Gross-Karben im Orossherzogthom
Hessen.
^ Dr. Biermann in Zollhaus, Nassau.
(6) Hr. A. Bastian, der nach einem Briefe an Hm. M. Bartels von seiner
Reise nach der Insel Lombok nach Bataria zurückgekehrt ist, befindet sich im besten
Wohlsein. Er hat um eine Verlängerung seines Urlaubes nachgesucht. —
(7) Das correspondirende Mitglied Hr. Serrurier zeigt in einem Briefe aus
Batavia vom 1. October an, dass er in Folge der Ablehnung eines neuen Gebäudes
lUr das ethnographische National -Museum in Leiden durch die gesetzgebende
Kammer seine Demission als Director des dortigen Museums gegeben hat. —
(8) In Dresden hat sich unter dem Vorsitze des Herzogs Johann Albrecht
von Meklenburg ein Gomit^ gebildet, um dem am 26. Juni 1889 zu Dabari (Ndali)
im Hinterlande von Togo am Tropenfleber gestorbenen Dr. Ludwig Wolf in Loma
an der deutschen Togo-Kttste einen Gedenkstein zu setzen, unter dem später die
Gebeine des Verstorbenen beigesetzt werden sollen. Das Denkmal soll zugleich
den Mitgliedern der damaligen Expedition, Hauptmann Kling und Schiffszimmer-
mann Bugs lag, gewidmet werden. Das Comite hat unter dem 1. September 1896
einen Aufhif zu Geldbeiträgen erlassen.
Der Vorsitzende macht Mittheilung von demselben und erinnert daran, dass
Dr. Wolf bis zu seinem Tode von allen seinen Forschungsreisen im Congo- und
Togo -Gebiete unserer Gesellschaft mustei^gültige wissenschaftliche Berichte ein-
gesendet hat, die in unserer Zeitschrift yeröfitentlicht sind; auch die Ergebnisse
«einer Sammlangen sind vorzugsweise hierher gelangt und zählen zu den Zierden
unserer Anstalten.
Eine Zeichnungsliste wird aufgelegt Die Erträge werden an das Bureau der
deutschen Colonial-Gesellschaft hierselbst (W. Potsdamerstrasse 22a} abgeliefert
werden. —
(9) Ein Comite fordert unter dem 20. Januar 1897 zur Errichtung eines
deutschen Colonial-Museums in Berlin und zur Betheiligung an einer
Actien-Gesellschaft auf. —
(10) Das Orient-Comite in Berlin hat in einer Sitzung vom 24. Januar d. J.
aber seine Auflösung berathen. Sollte dieselbe eintreten, so wdrde eine Vereinigung
thatkräftiger Männer, die fär die Orient -Forschung grosse Anstrengungen gemacht
und, namentlich in Sendschirli, schöne Triumphe errungen hat, aus dem öffent-
lichen Leben ausscheiden. —
(11) Die Königliche Akademie der Wissenschaften hat den ersten Preis der
von dem Herzog de Loubat errichteten Stiftung für amerikanistische
Studien Hrn. Ed. Seier für seine Publication der ron Alexander v. Humboldt
geretteten mexikanischen Bilder-Handschriften ertheilt. —
(12) Hr. Rud. Virchow berichtet über die
Gründung eioes Landesvereins für s&chsische Volkskunde.
Am letzten Sonntag (14. Februar) betheiligte ich mich, einer gütigen Ein-
ladung entsprechend, an einer grossen Versammlung von Männern aus allen Theilen
Sachsens, welche in Dresden zusammentrat Der Beschluss, sich zu einem Landes-
(86)
Termin zasammenzaschliessen, wurde mit Begeisterong gefossl. Eine recht hübsche
Ausstellang toh Haasmodellen, Tracbtenbildem a. A. gab auch dem Nenlinge Oe-
legenheit, sich ein Bild von den Strebnngen des Vereins zu verschaffen. Letzterer
hat sich alsbald anter dem Vorsitze des Generals Freiherm t. Friesen constitairt
und fordert zum Beitritt aaf. Jahres-Beitrag 1 Mk. 50 Pfg. —
(13) Es wird beschlossen, für die zweite Serie der Verhandlangen (Jahr-
gang 1889 — 1899) wiederam ein Oeneral-Register ausarbeiten zu lassen. —
(14) Die Allgemeine schweizerische Oesellschaft ffir die gesammten
Natarwissenschaften hat in ihren Neaen Denkschriften, Bd. XKXV, eine vor-
trefflich ausgestattete Abhandlung des Hm. Jakob Nttesch über
das Schweisersbild bei Schaffhausen
reröffentlicht, welche in ausHihrlicher Weise sowohl die territorialen Verhältnisse,
als namentlich die anthropologischen, zoologischen und archäologischen Funde be-
handelt
Hr. Nttesch bemerkt in einem Briefe an Hm. Vircliow darüber Folgendes:
„Durch das Zusammenwirken der sämmtlichen Betheiligten war es möglich:
a) die Aufeinanderfolge einer Tundren-, Steppen-, und Waldfauna in einer
Vollständigkeit zu constatiren, wie eine solche von keinem anderen Orte
ans der Pleistocänzeit bis jetzt bekannt ist;
b) alle diese Faunen als postglacial und damit postglaciale Klimaschwankungen
zu erweisen;
c) die Gleichzeitigkeit der Existenz des paläolithischen Menschen mit den
beiden älteren dieser postglacialen Faunen festzustellen;
d) aus der neolithischen Zeit zum ersten Male eine ansehnliche Begräbniss-
stätte der waldbewohnenden Neolithiker, einer älteren Berölkerang, als
die eigentlichen Pfahlbauer der schweizerischen Seen, sowie
e) eine bisher in Europa ans der neolithischen Zeit noch nicht bekannte
menschliche Rasse von kleinem Wuchs, Pygmäen, nachzuweisen;
f) eine klare Aufeinanderfolge der Schichten am Schweizersbild zu erkennen,
welche ermöglichte, auch über das absolute, nicht blos relative AHer der
Niederlassung (etwa 28000 Jahre) und der einzelnen Schichten annähernde
Zahlenwerthe anzugeben, und
g) in den übereinander liegenden Schichten eine Folge der verschiedenen
Cultur-Epochen und die Dauer derselben zu constatiren, und zwar dauerte
— wenn die neolithische Zeit 4000 Jahre hinter uns liegt — :
die paläolithische Zeit mit der Tundren- und Steppenfauna: 8000 Jahre;
die Zwischenzeit zwischen der älteren und jüngeren Steinzeit: 120(K)
Jahre (!);
die Pfahlbauzeit, bezw. die ganze neolithische Zeit: 4000 Jahre und
die historische, Bronze-, Kupfer- und Eisenzeit: 4000 Jahre.
„Sollten weniger als 4000 Jahre seit der neolithischen Zeit verflossen sein, »o
reduciren diese Zahlen für die einzelnen Epochen sich entsprechend; wenn sie
auch keinen Ansprach auf absolute Sicherheit machen können, so ist es doch
interessant zu ersehen, dass seit dem ersten Erscheinen des Menschen am Schweizers-
bild und seit der letzten Eiszeit nicht Hunderttausende von Jahren verflossen sind,
wie bisher angenommen wurde, und dass zwischen der ältesten und der jüngeren
(87)
Steinzeit ein bisher nicht geahnter, mächtiger Zeitranm liegt, der mindestens so
gross ist, wie die historische and neolithische Zeit zasammengenommen. —
„Wenn es gelungen ist, ein möglichst Yollatändiges Bild von der Niederiassnng
am Schweizersbild, sowohl in paläontologischer, geologischer, mineralogischer and
anthropologischer Hinsicht, als aach in caltargeschichtlicher Beziehung zu geben,
so ist der Erfolg wohl in erster Linie der grossen Bereitwilligkeit zu verdanken,
mit welcher die verehrten Herren Mitarbeiter ihre reichen Kenntnisse in den
Dienst der Wissenschaft stellten und die Bearbeitung specieller Funde übernahmen;
als Orundlage der Forschungen dichten die methodischen Ausgrabungen der Nieder-
lassung. Das Werk sucht eine Lücke in der Oeschichte der Schweiz und Mittel-
europas auszufüllen: Joh. v. Müller hat die Schweizergeschichte in historischen
Zeiten beschrieben; Keller in Zürich hat durch seine Berichte in den 60er und
70er Jahren über die Pfahlbauten die neolithische Zeit desselben Landes enthüllt;
das vorliegende Werk versucht ein Bild desselben Landes in der paläolithischen Zeit
zu entrollen." —
(15) Hr. C. Kohl übersendet neue Mittheilungen über römische und neo-
lithische Gräberfelder bei Worms. Dieselben werden für die „Nachrichten
über deutsche Alterthumsfunde" benutzt werden. —
(16) Hr. Rud. Virchow legt die ihm von dem Verfasser, Sanitätsrath
Dr. Schneider, Director des Land-Krankenhauses in Fulda, übersendete Schrift:
„Die Milseburg, die Perle der Bhön'' (B^ulda 1892) vor.
In der Sitzung vom 9. Juli 1870 habe ich der Oesellschaffc über einen Besuch
der Milseburg berichtet (Verhandl. IL S. 467). Ich war damals mit einer grösseren
Untersuchung über die deutschen Brand- und Stein wälle beschäftigt, und es
interessirte mich, in dem bis dahin recht wenig erforschten Gebiete der Bhön einen
Ringwall zu vergleichen, von dem mir Kunde geworden war. Das Ergeboiss
meiner Betrachtung fasste ich in dem Satze zusammen: „Ich bezweifle nicht, dass
es sich um eine Einschliessung handelt, die zu bestimmten Zwecken der Zuflucht
oder der Andachtsübung hat dienen sollen." Brandspuren nahm ich nirgends wahr.
Hr» Schneider berührt in seiner Schrift diesen Ringwall nur beiläufig.
Er sagt (S. 40): „Zum Abstieg empfehlen wir den Wallpfad und von diesem
ab den Gang über die grünen Matten, welche von den Besitzern mit dem ab-
gefallenen Geröll eingefasst sind." In einem Briefe vom 19. Januar d. J. schreibt
er mir jetzt: „Diese Gerölleinfassung hat sich nun als prähistorischer Wall
entpuppt; Sachverständige (der Limes -Forscher Prof. Wolff in Frankfurt a. M.
und Bau-Inspector Mais in Cöln) haben dies unzweifelhaft festgestellt." Diese
Bestätigung meiner Ansicht ist mir natürlich sehr angenehm und sie hat wissen-
schaftlich grosse Bedeutung. Immerhin wäre es sehr erwünscht, wenn Hr. Schneider,
wie er es in Aussicht stellt, eine genauere Durchforschung der Felsspitze and ihrer
Umwallung vornehmen wollte. —
(17) Hr. H. Schumann in Löcknitz berichtet in einem Briefe vom 1. Februar
über ein Steinzeitgrab von Betzin in Pommern. Die Mittheilung ist in den
„Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde", Jahrg. 1896, S. 95 veröffentlicht. —
(18) Hr. A. Götze hat einen Bericht eingesendet über Brandgräber der
Völkerwanderungszeit von Messdorf, Kreis Osterberg. Derselbe ist in
den „Nachrichten" 1897, S. 1 gedruckt. —
(88)
(19) Hr. Mehlis überschickt einen Bericht über die Aufgrabung einer
römischen Villa auf dem Weilberge bei üngstein, Rheinpfalz. Der*
selbe ist in den ^Nachrichten^ 1897, 8. 11 gednickt. —
(20) Hr. Premier- Lieutenant Schmidt übersendet aus Oraudenz, 16. nnd
17. November 1896 und 6. Februar 1897, Berichte über
1. zwei Hügelgräber bei Schlagenthin, Kreis Tuchel,
2. eine Steinkiste bei Klein-Kensau, Kreis Tuchel,
3. einige urgeschichtliche, wahrscheinlich neolithische Fundstellen in der
Umgegend von Graudenz.
Dieselben werden in den ^Nachrichten über deutsche Alterthumsfbnde^ rer-
öffentlicht werden. —
(21) Hr. B. Frank el schickt 3 Photographien von Männern aus Samoa mit
Elephantiasis scroti. —
(22) Hr. Baron v. Korff schenkt photographische Abbildungen von
Port Darwin, Australien, und einen Australier-Schädel. —
(23) Hr. F. W. K. Müller übersendet einige
Anmerkungen zu Bartels -Ploss: „das Weib'^ (4. Aufl.).
ZuI,S.84:
Fig. 29 ist bezeichnet als ,Junge Japanerin, nach einem japanischen Holz-
schnitte^. Das Bild stammt allerdings aus einem japanischen Werke *)> stellt
aber eine chinesische Hofdame des Mittelalters dar. Das betreifende Werte ent-
hält eine kleine Auswahl von chinesischen Oedichten aus der Tang- Zeit mit
lUostrationen und japanischem Commentar. Zu einem Klagegedicht, das einer
Hofdame in den Mund gelegt wird, bildet nun Fig. 29 die Illustration.
Zu I, S. 120:
Die in Fig. 53 dargestellten drei Frauen sind wohl Chinesinnen, aber keine
„Tomehmen*' (eher wohl Halbwelt-Damen aus Amoy, nach mündlicher Mittheiiung
von Prof. G. Schlegel).
Zu I, S. 295:
Statt „gekke^ lies: gekkei (ausgesprochen wie gekke).
^ ^mengori, megori^ lies: meguri (in Tokio ausgesprochen wie mengori).
„ ygeschin^ lies: gesshin.
„ ffjakh^ lies: yaku.
Uepburn s. v. menses hat noch: tsuki no mono (= das Monatliche), sawari
(s Hindemiss, Unterbrechung, Krankheit), keisui, keikö, tsukiyaku.
Zu I, S. 317:
Statt ^shimokase^ lies: shimokaze.
„ „kama^ lies: koma.
Zu I, S. 507f.:
Die Unfruchtbarkeit der Frauen zu erkennen, ist in dem Werke «Eitai dai
zassho banreki dai sei^ ^) p. 244 u. 245 eine Reihe körperlicher Merkmale genannt
1) Im Besitze des Hro. Bsrtels und von ihm freundlichst behufs Einsichtnahme tor
Verfügung gestellt.
2) Eine Encyklopftdie der Wahrsagekonst, Fig. 192 ist demselben Werke p. 78 b ent-
nommen.
(89)
Die darauf bezüglichen Auszüge wurden dem Herrn Heransgeber bereits über-
geben.
Zu I, S. 412:
Die japanischen Courtisanen werden u. A. auch keisei genannt. In seiner
80 eben erschienenen ^Biblioth^ue japonaise^ p. 285 erklärt Hr. Serrurier diesen
Ausdruck als „citadelles döversentes ou fragiles^. R ei sei ist aber die japanische
Aussprache der chinesischen Ideogramme k'ing-^'eng (ch'ing-ch'eng). Letzteres
ist eine uralte Metapher der Chinesen zur Bezeichnung der Frauen-Schön-
heit und der Gefährlichkeit dieser Schönheit Yei^l. Mayers ^Chinese
reader's manual'* p. 99: ^^ ß^ ^^ ij^ k'ing kwoh k'ing cVeng — „the
▼anquisher of states and cities, — a hyperbole derived in part from the She
king Hence met for the power of female loveliness". Veigl. ferner
Oiles, ^Chinese dictionary^ p. 230:
^— j^* /fg xJi
# Ä # H
^one glance would upset a city, a second woald upset a State — so beautifui
is she. Thus sung Li Yen-nien [im 2. Jahrhundert vor Chr.] about bis sister,
the faTourite concubine of Wu-Ti of the Han dynasty.**
Derartige im Japanischen ganz geläufige und viel gebrauchte Ausdrücke haben
oft ein recht ehrwtlrdiges Alter aufzuweisen. Ein anderes Beispiel ist das ^apanische^
Sprüchwort: ^i no naka no kairu daikai wo shirazu*^*) = der Frosch im Brunnen
weiss nichts vom Weltmeer.
Ein Folklorist, der in Japan dieses Sprüchwort aus dem Volksmunde auf-
zeichnet, dürfte wohl kaum ahnen, dass dieses Sprüchwort, wie manches andere,
erst durch die Leetüre der chinesischen Classiker in Japan Heimathrecht ge^
Wonnen hat und schon aus dem 4. Jahrhundert vor Chr. stammt. Der bekannte
japanische Gelehrte Kaibara Yoshifuru ^ J^ ^^ "^ [lebte 1663—1700]
hat in seinen „Rotowazagusa^ nachgewiesen, dass dieses Spruch wort schon in dem
Hou-han-shu und beim Philosophen Chuang-tsi vorkommt. (Kotowazagusa 1,
p. 3 b.)
Zu II, S. 53 und 203, 252:
Zwei japanische Zauberformeln, zu gebrauchen, wenn die B^rau nicht gebären
kann, bezw. wenn die Nachgeburt nicht kommen will, wurden dem Hm. Heraus-
geber bereits übergeben.
Zum Abschnitt: die Ernährung Erwachsener mit Frauenmilch.
Hr. Bartels bemerkt hierzu (U, S. 406, 4. Aufl., bezw. S. 409, 3. Aufl.): ^In
einem japanischen Bilderbnche, das sich im Besitze des Berliner Museums für
Völkerkunde befindet, fand der Herausgeber eine kleine Abbildung (Fig. 290),
welche eine an der Erde sitzende Frau darstellt, an deren aus dem zurück-
geschlagenen Kleide hervorstehender Brust ein anderer erwachsener Mensch, nach
der Haartracht zu urtheilen, ebenfalls eine Frau, begierig zu sangen scheint Ein
Kind schiebt von hinten her die Säugende der Trinkenden entgegen. Da dieses
1) MittheiluDgen der deutschen Qesellschafb für Natur- und Völkerkunde Ost -Asiens.
Bd. I, Heft IV, S. 25.
(90)
Bilderbuch im Uebrigen allerlei Darstellungen aus dem tllglichen Leben enthält,
80 muss man annehmen, dass der TorgefQhrte G^enstand etwas ftir japanische
Aagen ganz Bekanntes and ohne weiteres Verständliches sein müsse.
— Es besitzt übrigens das königliche ethnographische Maseom in München in
seiner japanischen Abtheilong ebenfalls einen auf unser Thema bezüglichen Gegen-
stand. Dieses von Siebold mitgebrachte Stück ist eine zierliche kleine Gruppe,
in Elfenbein geschnitzt .... [Folgt Beschreibung des Münchener Netsuke *), dazu
Fig. 291] .... Wenn der Haarputz und die Gesichtszüge den Herausgeber nicht
täuschen, so scheint die saugende Person eine alte Frau zu sein.^
Da diese Sätze schon in der 3. Auflage vorkommen, aber bisher noch keine
weitere Erklärung gefunden haben, so sei es gestattet, hierauf zurückzukommen.
Beide Bemerkungen des Herausgebers Hrn. Bartels sind richtig: es handelt sich
um eine alte Frau und um ein den Japanern ohne weiteres verständliches Bild,
ja sogar. Dank dem vortrefflichen Ratiiloge Anderson's*), um ein dem Europäer
verständliches Bild. Beide von Bartels abgebildeten Vorgänge stellen ein und
dasselbe dar, nehmlich eines der berühmten Nij fish i kö (der vierundzwanzig Bei»
spiele von kindlicher Liebe bei den Chinesen): die ^' y^ /^ T6 Fujin oder
^ 1^ ^ Tö Saishi (Tang Tsui shi), eine Chinesin aus der Tang-Zeit
(618—907), welche ihre Urgrossmutter (nach Anderen: ihre Schwiegermutter) mit
ihrer eigenen Milch am Leben erhielt. Anderson sagt hierüber s. v. Ts'ui She
(jap. Saishi): ^Ts'ui She had a great-grandmother of extreme age, who, having
lost the whole of her teeth, was unable to eat rice. Ts'ui She, however,
came every day to wash her and dress her hair, and nourished her with milk
from her own bosom, so that the venerable woman's health was maintained for
many years. At length she was Struck down by a severe illneas, and before her
death she summoned all her relatives, young and old, to teil them of the kindness
she had received, saying that she herseif could not requite it, but she prayed to
the gods that the children of Ts*ni She might hereafter manifest to their parents
the same degree of flltal piety that their mother had lavished upon her.^
Vergl. femer noch Mayers s. v. Ts'ui Shi*): ^Distinguished as the solitary
female among the Twenty-four examples of ftlial piety. It is related of her that,
her mother-in-law being old and tootbless, she nourished her with milk from her
own breast, by which means she infused new life and vigour into the frame of
her adopted pareni**
Die Vorlage für Fig. 290 beiPloss-Bartels ist sicher die Zeichnung Hokusai*»
in Mangwa, Heft 8, p. 20a, gewesen. Uebrigens schiebt nicht das Kind j^ron
hintenher die Säugende der Trinkenden entgegen*^, sondern es hebt einfach die
Hände in die Luft, wie im Erstaunen. Die Unterschrift des Bildes hätte nach
dem Gesagten also statt: „japanische Frau, einem erwachsenen Weibe die
Brust reichend (nach einem japanischen Holzschnitt)^ richtiger zu lauten i
Chinesische Frau, einer Greisin die Brust reichend. Nach einem japanischen
Holzschnitt [Hokusai].
1) Dies ist die richtige Form des Wortes, nicht Netzke, wie Gonse und darnach
Bartels schreiben.
2) W. Anderson, Descriptive and historical catalogue of a coUection of Japanese
and Chinese paiotings in the British Maseum. London 1886, p. 176.
S) Mayers, The Chinese rcader's mannal. Shanghai 1874, p. 238.
(91)
Tabniri« Worte in der Hochzeitsnacht
(Enfdge dem ^Bhon konrei tebiki gusn!^ » illnstrirten Handbuch ftlr die Hochseit8»
Geremonien, 1769, H. 1):
konrei no yo iamajiki kotoba: Wörter, welche in der Hochzeitsnacht
nicht gebraucht werden dürfen:
kaesu zurückschicken,
wakarum geschieden sein,
modosu zurückgeben,
noku sich zurückziehen,
saru verlassen,
samuru sich ernüchtern,
usui . ., dünn,
yaru weggeben, senden,
aku genug haben,
modoru zurückkehren,
okuru hinausgeleiten, wegsenden,
hanaruru verlassen, trennen,
shimanu nicht durchdringen,
kirau nicht gern mögen, verabscheuen,
itoma Abschied.
(24) Hr. A. Nehring schreibt unter dem 16. Februar 1897:
Ueber das Vorkommen von Zwergen neben grossen Lenten in demselben
Volke.
Da ich mich ktlrzlich viel mit den Herberstain'schen Sdinften befasst habe,
möchte ich auf eine Stelle derselben hinweisen, welche für das Nebeneinander-*
vorkommen von Pygmäen neben grossen Leuten innerhalb desselben Volks-
stammes eine gewisse Bedeutung hat, zumal da Herberstain aus eigener An-
schauung zu berichten scheint Dieser seiner Zeit hochbertthmte, weitgereiste
österreichische Diplomat hat zwei Oesandtschaftsreisen nach Moskau ausgeführt,
die eine von Ende 1616 bis Anfang 1518, die andere 1526. Er war sehr darauf
bedacht, möglichst genaue Notizen über die von ihm berührten Länder und Völker
zu sammeln; auf beiden Beisen berührte er den südliehen Theil Samogithiens,
des heutigen Gouvernements Rowno, und er berichtet ausführlich über die Be-
schaffenheit dieses Landes und seiner Einwohner, sowohl in der lateinischen, als
auch in der deutschen Ausgabe seines berühmten Reisewerks')*
Diese deutsche Ausgabe, welche Herberstain mit besonderem Fleiss be-
arbeitete und 1557 in Wien herausgab, ist verhältnissmässig selten; da sie mir
augenblicklich vorliegt, führe ich den betreffenden Abschnitt hier an'), und zwar
in etwas modemisirtem Deutsch. Derselbe lautet: ^Samaithn, das man lateinisch'
Samogithia und in russischer Sprache Ramotzkasemla nennt, ist das dem
Fürstenthum Lithauen nächste Land nach Norden hin, gehört auch zu demselben
Orossfürstenthum und grenzt sogar an das Meer, indem es (sc. Samaithn) hier
1) Der Titel der lateinischen Ausgabe, welche xuerst in Wien 1549 erschien, lautet:
^Rernm Moscoviticamm Commentarii*; derjenige der deutschen Ausgabe, Wien 1557, lautet:
Moscovia der Haoptstat in Reissen .... beschreibong n. s. w.
9) 8iebe Bogen Q, S. 2.
(92)
4 Meilen breit ist und Prenssen von Livland trennt. Es hat (sc. zur Zeit meiner
rassischen Beisen) kein namhaftes Schloss oder eine Stadt gehabt, es wäre denn
seither etwas darin erbant worden. Der Oberste wird von den OrossfUrsten darin
verordnet, den nennen sie nach seinem Amt Starosta als den Aeltesten; in Polen
nennt man einen gewöhnlichen Hauptmann ebenso. Solches Amt ist in Samaithn
auf Lebenszeit, falls derselbe es nicht verwirkt. Darin ist auch ein Bischof des
römischen Glaubens; sie sind mit dem König Jagello, der Wladislaus genannt
wurde, und mit dem Lithauischen Lande getauft worden. Die Einwohner (von
Samogithien) sind meistens grosse und lange Personen; daneben haben
die Väter neben den grossen (Rindern) auch kleine Zwerge, die sie ins-
gemein Carln nennen. Sie kleiden sich gewöhnlich schlecht, fast alle in Orau, und
wohnen in schlechten Häusern, welche die Form von langen Scheunen oder Vieh-
ställen haben. Li der Mitte ist der Heerd und das Feuer. Danebenher steht das
Vieh: Rosse, Schweine, Ochsen u. s. w. Alles herum, damit der Hauswirth und
Andere ohne Unterlass das Alles besehen mögen. So haben sie auch gar selten
ein abgetrenntes Zimmer zu ihrer nächtlichen Buhe.
„Die Reichen und Edeln trinken aus Wisenthömem; sie sind beherzte Leute,
haben viel Panzer und andere Wehr, und namentlich Jagdspiesse, die sie auch zu
Ross führen, und sehr kleine Pferde, also dass man sich wundem muss, dass
dieselben unter den schweren Personen so viel Arbeit leisten können. Mit ihnen
bauen sie ihre Felder und brauchen sie im Kriege. Sie ackern ihr Erdreich nicht
mit Pflugeisen, sondern mit Holz; es fahrt Einer viele solche zugerichtete Hölzer
mit sich auf den Acker, damit er, falls eines bricht, statt dessen bald ein änderet
hat; und das Erdreich ist dort zäh.
„Einer ihrer Starosten brachte Pflugeisen in das Land; da begab es sich, dau
2 oder 3 Jahre darnach das (Getreide missrieth, gaben dem Eisen die Schuld,
brauchten wiederum das Holz. Der Starosta musste es geschehen lassen, da er
einen Aufruhr fürchtete. Das Land ist mit Gehölzen und Wäldern stark bewachsen;
ausserdem giebt es dort viele Stimpfe und Seen. Da soll man, wie sie sagen»
mancherlei Gesicht oder Gespenster sehen. So findet man dort noch bis heute
viel Abgöttereien bei den Einwohnern, deren etliche das Feuer, etliche gewisse
Bäume, femer Sonne und Mond anbeten. Andere aber haben ihre Götter in ihren
Hänsern; das sind Wflrmer wie die (gemeinen) Eidechsen, aber grösser, mit vier
Füssen, schwarz und dick, an 3 Spannen lang. Etliche nennen sie Giowites, andere
Jatzuka, noch andere Szmya^ u. s. w. u. s. w.
Li der lateinischen Ausgabe seines Werkes nennt Herberstain diese Thiere
„serpentes quosdam quatuor brevibus, lacertarum instar, pedibus, nigro oboesoque
corpore, trium palmaram longitudinem non excedentes, Givuoites dictos''. Es ist
mir unklar, welches Reptil hier gemeint sein mag; offenbar beschreibt H. dasselbe
nur nach Hörensagen. Aber im Uebrigen machen seine Mittheilungen über die
Einwohner von Samogithien den Eindrack, als ob sie grösstentheils auf eigwier
Anschauung berahten; dieses dürfte insbesondere der Fall sein hinsichtlich des
häufigen Vorkommens von Zwergen neben grossen, langen Personen. Li der
lateinischen Ausgabe heisst die betreffende Stelle folgendermaassen: „In Samogithia
hoc in primis admirandum occurrit, quod, cum ejus regionis homines procera
ut plurimum statura sint, filios tamen alios corporis magnitudine excellentes,
alios perpusillos ac plane nanos, veluti vicissitudine quadam, procreare solent^
Diese Stelle ist von einigen Forschem so verstanden worden, als ob nach Herber-
stain ein regelmässiger Wechsel in der Geburt grosser und kleiner Leute bei
den Samogethen stattfände. Dieses steht aber nicht da; H. sagt nur: „veluti ricissi-
(93)
tndine quadam^, und in der deutschen Ausgabe seines Werks, welche nach meinen
Beobachtungen in Zweifelsfällen zuverlässiger ist, als die lateinische, sagt er über-
haupt nichts von einem solchen Wechsel, sondern beschränkt sich auf die einfache
Hittheilung, dass neben den grossen Leuten auch zwerghafte vorhanden seien,
und zwar als Kinder derselben Eltern.
Da heute in der Anthropologie vielfach von dem Vorkommen besonderer
europäischer Zwei^grassen die Rede ist und als Beweis dafür namentlich die von
KoUmann beschriebenen Funde vom „Schweizersbild^ bei Schaffhausen
angeführt werden, so ist es wohl nicht unnütz, auf die obige Angabe Herber-
stain's hinzuweisen. Dass es Zweigrassen gegeben hat und noch heute giebt
(z. B. in Indien, in Africa), steht ja wissenschaftlich fest; aber es erscheint doch
fraglich, ob es sich bei den Funden am Schweizersbild bei Schaffhausen um zwei
gesonderte, gleichzeitig neben einander lebende Bässen, eine grosse und eine
kleine, handelt Ein solches Nebeneinanderleben zweier besonderer Rassen,
welche der Grösse nach sehr verschieden sind, an gleichem Ort erregt doch
gerechte Bedenken, und man könnte das Nebeneinandervorkommen von grossen
und kleinen Individuen an derselben Begräbnissstätte viel einfacher durch die
Annahme ähnlicher Verhältnisse, wie sie nach Herberstain im 16. Jahrhundert
bei den Samogethen vorlagen, erklären.
Dass in manchen Familien auch in Deutschland noch heute neben grossen,
schlank gebauten Individuen auffallend kleine vorkommen, kann ich auf Grund
eigener Erfahrung bestätigen. Ebenso steht es durch zahlreiche zoologische Be-
obachtungen fest, dass bei unseren freilebenden Säugethieren oft kolossale Grössen-
unterschiede der einzelnen Individuen aus derselben Gegend vorkommen. So hat
Reinh. Hensel bei unseren Musteliden^) geradezu eine Riesen- und eine
Zwergform unterschieden; ich selbst habe Riesen und Zwerge des gemeinen
Wildschweins und des Urstiers (Bos primigenius), mein früherer Assistent, Hr. Dr.
£. Schaff, jetzt Director des zoologischen Gartens in Hannover, hat solche beim
Bär (Ursus arctos) und bei dem Fischotter (Lutra vulgaris) nachgewiesen''). Die
mir unterstellte Sammlung enthält ein reiches Beweismaterial hierfür. So z. B.
haben wir den Schädel eines zwerghaften, etwa 3jährigen Keilers (Sus scrofa ferus)
aus Schlesien, dessen Basilarlänge nur 250 mm beträgt, während dieselbe bei einem
normal entwickelten 3 jährigen Keiler etwa 350 — 360 mm zu betragen pflegt Aus
dem durch sein vorzügliches Schwarzwild berühmten Revier von Abtshagen unweit
Stralsund habe ich neben sehr starken Individuen solche gesehen, welche trotz
ihres vorgerückten Lebensalters zwerghaft geblieben waren.
Meistens entstammen solche zwerghafte Individuen bei den Wildschweinen
einem Herbstwurfe. Die normale Wurfzeit der Wildschweine ist bei unserem
Klima der Frühling; die um diese Zeit geworfenen Frischlinge entwickeln sich im
Lauf des Sommers und Herbstes so weit, dass sie die Noth der Winterszeit ohne
dauernde Schädigung ertragen können. Zuweilen werden aber auch im Herbst
(oder am Ende des Sommers) Frischlinge geworfen. Diese sind beim Eintritt des
Winters noch zu schwach, um Hunger und Kälte, gegen welche das Wildschwein
ziemlich empfindlich ist, ohne Schaden zu ertragen; sie gehen entweder zu Grunde,
1) Siehe Reinh. Hensel, Craoiologische Studien, in „Nova Acta^, Bd. 42, Nr. 4,
Halle 1881.
2) Siehe s. B. meine Angaben in den Sitxungsber. d. BerL Ges. natura Freonde, 1889,
8. 5fF. E. Schaff, ebendaselbst, 8. 94fr. und 8. 114 ff.
1
(94)
oder bleiben zeitlebens in d^ Grösse znrttck. Der Jäger pflegt die letzteren als
^ Kümmerer^ zu bezeichnen; dieselben sind keineswegs kränklich, aber sie bleiben
hinter der normalen Körpei^rösse der Species zurück.
Etwas Aehnliches konunt anch bei den Menschen vor, namentlich unter primi-
tiren Lebensverhältnissen. Man kann sich sehr wohl denken, dass bei den Samo-
gethen diejenigen Rinder, welche zu Beginn der guten Jahreszeit geboren wurden
und somit ihre ersten Lebensmonate unter günstigen Entwickelungsveriiältnissen
(bei Geuuss frischer Luft u. s. w.) zubrachten, ein kräftigeres Waohsthum zeigten,
als diejenigen, welche in der kalten Jahreszeit geboren wurden und ihre ersten
Lebensmonate wohl meistens in den stallartigen, niedrigen Hütten mitten zwischen
dem Vieh zubringen mussten. Letztere Individuen konnten dadurch für zeitlebens
in ihrem Wachsthum ungünstig beeinflusst werden.
Aehnliche Verhältnisse dürften wohl bei der neolithischen Bevölkerung am
^Schweizersbild^ voigelegen haben. Man könnte zwar auch an eine herrschende,
grosse und an eine beherrschte, kleine Rasse denken; aber die gemeinsame
Bestattung spricht gegen diese Annahme.
Wenn wir in der Voigeschichte weiter zurückgehen, so deuten diejenigen
Beste, welche bisher in Europa von diluvialen Menschen gefunden worden sind,
mit Bestimmtheit darauf hin, dass die diluvialen Bewohner Mitteleuropas durch-
schnittlich eine ansehnliche Grösse hatten, und nicht von zwerghafter Gestalt waren.
Auch die menschlichen Zähne, welche ich aus dem Diluvium von Taubach und
von Pfcdmost beschrieben habe ')> deuten keineswegs auf zweighafte Individuen
hin ; jene Zähne sind im Gegentheil relativ gross, und wenn man auch nicht ohne
Weiteres aus der Grösse der Zähne auf die Körpeigrösse schliessen darf, so
harmoniren doch die von mir beschriebenen diluvialen Menschenzähne mit dem,
was wir sonst über die durchweg ansehnliche Statur der mitteleuropäischen Diluvial-
menschen wissen.
Die Menschen von Spy in Belgien und von Piredmost in Mähren waren keine
Zwerge; sie sprechen gegen die Ansicht Roll mann' s, dass die Vorfahren des
Menschen von pygmäenhafter Statur gewesen seien. Auch der vielgenannte Pithec-
anthropus erectus aus dem Pliocän von Java wird für diejenigen, welche ihn mit
den Vorfahren des Menschen in Beziehung setzen, einen Beweis darstellen, dass
die letzteren schon in der Pliocän-Zeit eine ansehnliche Grösse besassen und
schlank gebaut waren. Dass dagegen die noch weiter in das Tertiär hinauf-
reichenden Vorfahren des Menschen meistens von kleinerer Statur gewesen sein
mögen, ist nicht unwahrscheinlich; denn man darf vermuthen, dass die Statur
dieser noch unbekannten menschlichen Vorfahren erst allmählich im Laufe der
sehr langen Tertiär-Periode die schlanke Form erlangt hat, welche wir später beim
„Homo sapiens^ als die normale beobachten. —
Hr. B. Virchow: Die Geschichte von Herberstain ist in dem Streite über
die Race prussienne zwischen Quatrefages und mir Gegenstand einer ausftlhr-
lichen Erörterung gewesen. Meine Bemerkungen finden sich in meiner Abhandlung
^über die Methode der wissenschaftlichen Anthropologie "^ , S^eitschrift für Ethno-
logie 1872, Bd. IV, S. 311. Ich glaubte damit diese Frage abgethan zu haben,
sehe jetzt aber, dass ich mich getäuscht hatte. Immerhin darf ich auf meine
früheren Ausführungen verweisen. —
1) Siehe diese Verhandlungen, 1895, S. 338 und S. 427.
(95)
(35) Hr. K. O. Halibnrton hat die von ihm schon 1895 (Yerhandl. S. 525)
angekfindigten, aber bisher nicht eingegangenen Abhandlungen über
Zwergrassen
in zwei Exemplaren an Hm. Bnd. Virchow eingesendet Es sind dies
1. Survivals of dwarf races in the New World (Proc. Amer. Assoc. for the
adr. of science 1894. Vol. XLIIl).
2. Dwarf surnvals, and traditions as to Pigmy races (ibid. 1895. Vol. XLIV).
Darin findet sich eine grosse Fülle von Angaben über alte und neue Zwerg-
rassen, leider ohne genügende Beschreibungen der physischen Beschaffenheit der
Individuen, dagegen untermischt mit zahlreichen, aber schwer zu controlirenden
linguistischen und mythologischen Hinweisen. Auf manche dieser Angaben wird
später zurückzukommen sein. Hier möge namentlich auf die weite Verbreitung
des Wortes Tiki (oder Tiki-Tiki) hingewiesen sein. —
(26) Hr. F. Jagor übergiebt einen Auszug aus einem Briefe des Hrn.
G. Seh wein furth aus Assuan, 15. Januar, betreffend
Steinger&the der Ababde.
„. . . Ich habe hier glücklicher Weise eine ganze Gollection Steingeräthe von den
Ababde der Umgegend zusammengebracht, Rochtöpfe und Näpfe aus Talkschiefer
u. s. w. (ebenso Tabakpfeifen u. s. w.), die mit denen identisch sind, die Flinders
Petrie in seinen prähistorischen Oräbern bei Nagada fand. Bereits vor 35 Jahren
hatte ich diese Steingeräthe der Jetztzeit kennen gelernt und davon nach Berlin ge-
sandt, sie sind aber im Museum (damals) verloren gegangen. Ausser Klunzinger
hat kein Reisender neben mir diese Thatsache erwähnt. Nun aber bringe ich
für das Museum eine ganze Menge, um die Thatsache einmal vor den Augen der
Welt festzunageln. '^ —
Hr. B. Virchow, der gleichfalls einen Brief von Hrn. Schweinfurth erhalten
hat, behält sich die Besprechung für die nächste Sitzung vor. —
(27) Hr. Sökeland macht folgende Mittheilung über
das Spinnen mit Spindel and Wirtel.
In der vorjährigen October-Sitzung unserer Gesellschaft — Verh..l896, S. 473
— besprach Hr. Götze eine alterthümliche Spinnvorrichtung. Durch die Güte der
Lehrerin Frl. Stelzer in Schöneberg bin ich heute in der Lage, eine für das
hiesige Trachtenmuseum bestimmte ebensolche Spindel aus Fehlen bei Alt-Rloster,
Provinz Posen, dort „Spille^ genannt, vorlegen zu können, auf der Flachs ge-
sponnen wurde.
Interessant ist, dass die heute besprochene Spindel einen Thonwirtel hat,
während auf der von Hrn. Götze gezeigten ein solcher aus Baumrinde steckte. Die
Verschiedenartigkeit der Wirtel erklärt sich vielleicht aus den an oben erwähnter
Stelle mitgetheilten Angaben des alten Schäfers. —
Hr. W. Schwartz bemerkt zu dem Bericht des Hm. Götze Folgendes: Eine
sachverständige Dame, der ich die dort erwähnten Aeusserungen des Schäfers aus
Trebichow mittheilte, dass man zum Spinnen von Wolle nur ganz leichte Wirtel
aus Holz „oder noch besser aus Baumrinde verwenden könne", erklärte mir, dass
(96)
dies ihr sehr wahrscheinlich sei, da ein schwerer Wirtel die Elasticität der Wolle,
die vor allem zu wahren sei, beeinträchtigen würde. Als Parallele fahrte sie an,
dass man auch jetzt noch allgemein, wenn man ein Knäuel Wolle wickle, stets
einen Finger einschiebe und über denselben fortwickle, um die Elasticität zu
erhalten. Schliesslich bemerkte sie noch, dass auch dem entsprechend die gewöhn-
lichen Leute noch heute auf dem Lande, wenn sie direct aus dem Fell, wie es
abgeschoren, spännen, das Gespinnst dabei sehr locker hielten, da sie später
doch das natürliche Fett mit allem ihm anhängenden Schmutz erst noch heraus-
waschen müssten, und wenn sie sich da nicht vorgesehen hätten, das Gespinnst
ihnen zu sehr einlaufen würde. Anders sei es, wenn die Wolle vorher gewaschen
und dann durch einen Wollkämmer kunstgerecht gekämmt würde; dadurch erhielte
sie einen gleichmässig strähnigen und doch flockenartigen Charakter, so dass man
sie leichter hantiren und feinere Fäden von ihr spinnen könne. —
(28) Hr. P. Staudinger zeigt
Cameol-, bezw. Achatperlen aus Mossi (Hoschl).
In einer Ihiheren Sitzung gab ich an, dass nach einer Hittheilung von 6.
A. Krause in Kirotaschi am Niger von Eingebomen Cameolperlen angefertigt
würden. Diese Nachricht ist von Hrn. v. Carnap bestätigt worden. Die heute
vorgelegten Stücke wurden in Mossi gesammelt. Theilweise haben sie die bekannte
Walzen- und Olivenform der Idarfabrikate, theilweise die nach einem Ende zu
sich mehr verjüngende 4- oder 6seitige Form, etwas den Perlen ähnlich, die Hr.
Vohsen aus dem Sierra-Leone-Hinterland von den Timmneh brachte und die vom
Konogebirge herkommen sollen. Die vorgezeigten Stücke stammen indessen wohl
aus dem Nigergebiei
Aehnliche Perlen sollen nach der Aussage eines Kaufmanns auch in Indien
für den Handel angefertigt werden, und ich fand auch im Ind. Gaz. eine Bemerkung,
wonach in Cambay die Bhils verschiedenfarbige Cameolperlen schleifen; indessen
war keinem der von mir befragten Westafrikaner etwas von einer Einfuhr von
dort nach der Westküste bekannt
Unter den vom Togoneger Brace hier verkauften Leibschnüren seiner Frauen
bestanden einige aus ähnlichen schmalen raaden Scheiben von Cameol, wie sie
sonst aus Muschel- oder Kernschalen gemacht werden. Die Steine der Cameol-
perlen nannte er Erdhexensteine (auf Ewe: Asekpe). Eine aus Diorit oder Syenit
bestehende mühlsteinähnliche Steinperle, sowie eine schön geschliffene und get>ohrte
Kugelperle aus gelblichweissem Quarz wurden ebenfalls in Mossi gesammelt
Aus demselben Lande stammen auch einige sehr alte weisse Glasperlen von
Kirschengrösse; das Material konnte leicht als Stein angesprochen werden, und erst
durch 2iertrümmerung eines Stückes wurde Gewissheit darüber verschafft. Im Togo-
Hinterland tragen sie die Fetischleute bei ihren Tänzen.
Die Steinzeit für den Congo ist nun ebenfalls nachgewiesen. Nach Mittheilung^i
im Mouvement g^graphique wurden beim Bahnbau Pfeilspitzen, Messer, Schaber
und eine Art von Hammer gefunden. Als Material der ersteren werden Kiesel und
Quarzarten angegeben.
Die Technik ist, nach den Abbildungen zu urtheilen, eine rohe. Ueber das
Alter dieser Funde Vermuthungen auszusprechen, hat vorläufig noch keinen Zweck,
da wir nicht wissen, wann die Einführung oder Gewinnung der Metalle am Congo
begann. —
(97)
(29) Hr. P. Staudinger spricht über
das ZinnTOi^ommen im tropischen AfHca und eine gewisse Zinn-Indnstrie
der Eingebomen.
Schon seit längerer 2ieit fiel mir die häufigere Anwendung von dünngeschlagenem
Zinn, bezw. Zinnblech als Bekleidung für Armringe, Messerscheiden, Holzgefasse
u. s. w. bei ethnogn^hischen G^egenständen aus Adamaua, bezw. dem weiteren west-
lichen Sudan und West-Africa überhaupt auf. Dr. Zintgraff zeigte hier vor einigen
Jahren Holzgefasse und Tabakspfeifen der Bali aus dem Hinterlande von Kamerun,
die mit einem dünnen, weissen Metall belegt waren, welches, wie zu vermuthen
war, nicht aus Silber, sondern aus Zinn bestand. Ein befreundeter Geolog schrieb
mir, dass nach der Untersuchung der Metallbezug als von europäischer Zinnfolie
stammend, anzusehen sei.
Allerdings hegte ich schon damals Zweifel, ob nach den fernab vom euro-
päischen Handel gelegenen Ländern grössere Mengen von Zinnfolie oder auch Löth-
zinn, wie es die Araber wohl manchmal im westlichen Sudan einführen, gekommen
sein könnten. >
Bald darauf erfuhr ich zu meinem Erstaunen, dass Eingeborene am oberen
Benue in Flussthälem Zinn gewinnen, es schmelzen, in Stäbchenform giessen und
an die Agenten der englischen Handelsgesellschaft in dem unterhalb von Jola
gelegenen Orte Lau verhandelten. Da mir bis jetzt kein Fundort, bezw. Ver-
arbeitungsort von Zinn im tropischen Africa (in Südafrica ist es schon vor längerer
Zeit gefunden) bekannt war, so interessirte mich diese Thatsache sehr. Nach
einigen Jahren erhielt ich auf verschiedene Anfragen durch die Yermittelung des
Hrn. Taubman von Hrn. Lieutenant Arnold die Nachricht, dass die Eingebornen
des Benue-Qebietes in der Gegend der Zinnminen Zinn in einer gewissen Ausdehnung,
sowohl zur Anfertigung von Messerscheiden (wohl nur Beschlägen des Holzes), als
auch zur Herstellung von kleinen Töpfen (vielleicht nach europäischen Mustern)
benutzen. Er stellte das Vorhandensein einer beträchtlichen Menge von Zinn dort
fest Aber es sei nicht immer bestimmbar, ob es von Eingebornen stamme oder
ob diese nicht von den Europäern die Benutzung des Zinnes entlehnt hätten.
Letzteres ist bei der geringen Anzahl von europäischen Kaufleuten, die bis jetzt
in der dortigen Gegend waren, wohl nicht anzunehmen.
Als Curiosum fähre ich die Bekleidung des Helmes der Wattpanzerreiter des
Sultans von Muri mit Zinnstreifen an, welche auf dem Zeug aufgelegt sind. Die
Krönung des Helmes bildet eine Art kleiner Schornstein aus Zinn, 3 — 4" hoch.
Hat man nun in der neueren Zeit erst unlängst von diesem Zinnfunde Kenntniss
erhalten, so erwähnt doch Dapper in seinem vor 200 Jahren erschienenen Sammel-
werke über Africa bereits Zinn als Ausfuhrproduct. —
Während meine Angaben über Zinnvorkommen im westlichen Sudan sich
schon in der Druckerei befinden, muss ich noch schleunigst eine Unterlassung be-
richtigen. In Rohlfs' Werk ^Quer durch Africa** befindet sich Bd. H, S. iOl
folgende, auch im Buche Andree's „Die Metalle** u. s. w. erwähnte Stelle: „Ein
sehr ergiebiges Zinn-Bergwerk ist bei Rirue (in Sokoto) im Betrieb, von wo das
geförderte Metall nach Wukari und Adamaua, sowie nach Kano und Sokoto ver-
führt wird.** Leider war mir diese Angabe Rohlfs', dessen Reisewerk ich vor
langer Zeit gelesen habe, aus dem Gedächtniss entfallen; ich versäume nun
nicht, dies durch Anführung der eben erwähnten Zeilen wieder gutzumachen. Bei
meinem damaligen Aufenthalt in den Haussaländern habe ich nichts von diesen
Zinn-Bergwerken erfahren. Wo Rirue liegt, kann ich zur Zeit nicht ausmachen,
VerlModl. dar B«rl. AntbropoL OMellkebaft 1897. 7
(98)
da ich den Ort auf der Roh 1 falschen Ronte nicht finde. Vielleicht lie^ er aach
anweit des mittleren oder oberen Benue, da Wnkari und Adaouuia als Einfahmngs-
orte genannt sind. —
(80) Hr. M. Bartels legt vor
hansgewerblielie C^genstände ans Bosnien.
Vielleicht ist es den älteren unter unseren Mitgliedern noch erinnerlich, dass ich
im Jahre 1886 eine Sammlung von Gegenständen des bäuerischen Hausgewerbes aus
dem russischen Oouv. Podolien *) vorgelegt habe. Ich machte damals darauf auf-
merksam, dass nicht nur in fernen Welttheilen, sondern auch überall in Buropa der
stets wachsende internationale Verkehr die Eigenthümlichkeiten des Volkes zu ver-
nichten drohe, und dass es durchaus noth wendig sei, neben den ethnographischen
Sammlungen von überseeischen Völkern auch solche von den Völkern Europas
anzulegen. Dass diese Anschauungen auch von Anderen getheilt worden sind,
zeigt die in erfreulicher Weise immer zunehmende Begründung volkskundlicher
Museen nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Nachbarländern. Auch
unser hiesiges Museum für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Haus-
gewerbes ist von diesem Gesichtspunkte aus in das Leben gerufen. Leider er-
freut sich dasselbe immer noch nicht der ihm gebührenden allgemeinen Theil-
nahme, und merkwürdiger Weise stehen ihm gerade diejenigen Kreise kühl gegen-
über, in denen man für ein solches Institut die breitesten Sympathien erwarten
sollte. Wir hören vielfach Klagen laut werden über die zunehmende Vaterlands-
losigkeit Mir scheint nun weniges so geeignet, die Liebe und das Interesse für
das Vaterland in weiten Kreisen zu erwecken, wie die pietätvolle Bewahrung
dessen, was unsere Vorväter geschaffen haben, in den uns von ihnen erhaltenen
Stücken tritt uns ihr Denken und Empfinden entgegen, das uns mit Theilnahme
für sie erfüllt, nicht selten auch mit Stolz, dass sie solche Dinge mit einfachen
Mitteln aus eigener Kraft zu schaffen vermochten. Sehr zu bedauern wäre es,
wenn der so eben beklagte Mangel an materieller und sympathischer Theilnahme
dahin führen sollte, dass unser Trachten-Museum dem Vaterlande verloren ginge.
Schon jetzt würde sich auch mit den grössten Geldopfem ein zweites ähnliches nicht
mehr zusammenbringen lassen; denn Vieles ist durch Achtlosigkeit in dem Volke
unwiderruflich untergegangen.
Um unser volksthümliches Hausgewerbe in entsprechender Weise zu würdigen
und zu verstehen, bedürfen wir des Vergleichungsmateriales von den übrigen
Stämmen Europas. Ich brauche das in diesem Kreise nicht eingehender zu be-
gründen. Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es auch hier die
höchste Zeit zum Sammeln ist. So ist z. B. sogar schon in einem so ab-
gelegenen Lande, wie Bosnien, um mit Adolf Bastian zu reden, die zwölfte Stunde
angebrochen. Als ich Ihnen im vorigen Jahre meinen durch Projectionsbilder
illustrirten Bericht über meine Fahrt durch dieses Land mit der Wiener anthro-
pologischen Gesellschaft erstatten durfte, da vermochte ich Ihnen schon einige Be-
lege hierftir beizubringen. Hoch oben auf dem Glasinac, viele Stunden weit von
jeder grösseren Stadt, fanden wir bereits, wie das geschmackvolle National-Costüm
der Frauen durch die modernen Fluderärmel verdrängt wird. Die kunstreichen
Waffen dürfen nur noch von wenigen, bevorzugten Männern getragen werden. Be-
nutzen dürfen sie dieselben aber nicht, und so ist es wohl natürlich, dass man
1) Verhandl., Bd. XVHI, 1886, 8. 329.
(99)
sich sehr bald nicht mehr der Hflhe unterziehen wird, sie anzufertigeii. So werden
anch wohl die taschenreichen Gürtel der Männer allmählich dem Tiroler Ruck-
sacke der Touristen weichen, und anstatt mit ihren einheimischen kunstreichen
Scbliessen und Schnallen werden sich die Mäddien und Frauen mit den Herr-
lichkeiten der Zehnpfennig-Bazare schmücken. Ist auch die österreichische Be-
giemng in höchst anzuerkennender Wbise bemüht, durch die Errichtung Ton
Schulen für die Teppich -Weberei und die Metall -Intarsia -Arbeiten diese alten
Industriezweige zu erhalten und weiter zu pflegen, so sind das doch nur zwei
Gruppen der vielseitigen, einheimischen Kunstfertigkeit, und auch hier wird halb
nnbewusst manches sogenannte stilvolle Muster die ursprünglichen Ornamente beein-
flussen. Die anderen Schaffensgebiete werden unwiderruflich und unaufhaltsam
ihrem Untergange entgegengehen.
Einige Stücke des bosnischen Hausgewerbes konnte ich im vorigen Jahre
vorlegen, darunter namentlich mehrere Stickereien in Gold und bunten Farben,
die durch die Eigenthümlichkeit ihrer Muster Beachtung verdienten. Durch die
liebenswürdige Vermittelung des Hm. Gustos Giro Truhelka in Sarajevo habe
ich nun kürzlich einige Stücke erhalten, welche sämmtlich in das Gebiet der
Holz-Tndustrie fallen. Ich möchte dieselben heute vorlegen. Zum Vergleiche habe
ich zwei schon früher gezeigte Stücke mitgebracht, weil dieselben ebenfalls aus
Holz gefertigt sind. Es wird Sie interessiren, zu hören, was mir Hr. Truhelka
schreibt: ^Ich hoffe, dass Sie an diesen Stücken Gefallen finden werden, und
bedaure nur, dass die Gollection nicht umfangreicher geworden ist Heut zu
Tage ist es aber schon schwierig, derartiges zu sammeln, da das Volk bereits
diese Objecte durch billige Fabrik waare vertauscht hat, so dass man gute und ge-
schmackvolle Schnitzereien nur noch vereinzelt im Hochgebirge findet, wohin der
moderne Einfluss noch keinen Zutritt erhielt.^
Sie finden hier die Bestätigung für das, was ich vorher auseinandergesetzt
habe.
Um mit den Stücken des häuslichen Gebrauches zu beginnen, lege ich zuerst
einen an ein Petschaft erinnernden Gegenstand vor, der Slovo genannt und zum
Stempeln des Brotes benutzt wird (Fig. la und b), aus Gl am 06. Auf der kreis-
förmigen Stempelfläche (Fig. Ib) finden sich vier
symmetrische, gleichseitige Dreiecke eingeschnitten, Fig. 1 s.
die mit ihren Spitzen so gegen die Mitte hin- /-^cpas Fig. Ib.
geschoben sind, dass sie die Figur eines griechischen
Kreuzes zwischen sich frei lassen. In diesem
freien, kreuzförmigem Räume ist aussej^em noch
ein doppelt contourirtes griechisches Kreuz aus-
geschnitten worden. Die Dreiecksflächen sind / / \ \ v
in übereinstimmender Weise mit einem ein- '- -^
geschobenen Rechteck und drei kleinen, runden Vs
Gruben verziert, und der Rand des Stempelfeldes
ist von einem ganzen Kranz radiär gesteUter kurzer Einschnitte umschlossen.
Hieraus können wir den Schlnss ziehen, dass der Stempel einem Griechisch-
Orthodoxen gehört hat. Wahrscheinlich haben wir in diesem Ornamente die Eigen-
thumsmarke des Besitzers zu erkennen.
Die Mehrzahl dieser bosnischen Holzgeräthe ist mit Verzierungen in Kerb-
schnitt bedeckt.. Bei einigen derselben ist aber auch der Grund fortgeschnitten, so
dass die Ornamente erhaben stehen geblieben sind. Gewöhnlich sind es geometrische
(100)
Ornamente, ausnahmsweise auch wohl sülisirte Pfkinzenmotive, deren Herkunft aus
den ersteren sich mehrmals dorch Parallelstücke leicht nachweisen lässi
Ein Löffel von gefälliger Form (Fig. 2), ebenfalls aas Glamoc stammend, ist
das am wenigsten yerzierte meiner Stücke. Br ist so eingerichtet, dass sein Stiel
eingeklappt werden kann. Auf diese Weise kann er
^^* ^' bequem in einer Tasche des Ledergttrtels getragen
werden. Für den Ctebrauch bei den Mahlzeiten ist
dem Bosniaken das Messer das wichtigste Gerith;
nächstdem kommt der Löffel, während eine Gabel
vielfach gar nicht in Anwendung kommt. Statt der-
selben bedient man sich der ersten drei Finger der
rechten Hand, aber niemals der linken, weil dieselbe
für unrein gilt
Granz besonders reich geschnitzt ist eine kleine,
hölzerne Tasse (Fig. 3). Sie ist mit sechs horizon-
ij talen Omamentstreifen beschnitzt, in denen sich Drei*
ecke, ein 2Uckzackband, sechsstrahlige Sterne u. s. w.
beOnden. Der mit der Schale aus einem Stück geschnitzte Henkel ist ebenfalls
mit kleinen Dreiecken yerziert, und ein grosses griechisches Kreuz ist aus dem*
selben ausgeschnitten.
Kg. 3. Vs Fig. 4. V
if
a
Das einzige Stück, das eine Inschrift trägt, ist eine grosse Doppelflöte (Fig. 4).
Bs sind linear eingeschnittene cyrillische, mit lateinischen untermischte Buchstaben;
entziffert ist dieselbe noch nicht Eine ganz ähnliche Doppelflöte, aber mit un-
gleich langen Schenkeln« verdanke ich Hm. Prof Nothnagel, der sie Tor längeren
Jahren von den Morlacken aus Istrien mitgebracht hat.
Ein breites, flach dachförmiges Holz aus Olamoö mit festem Handgriff (Fig. 5) hat
als Wäscheklopfer (Pratljica) gedient und ist, wie seine erhebliche Abnutzung zeigt
viel gebraucht worden. Es trägt sich kreuzende Band-Ornamente und grosse, ziemlich
roh gearbeitete Kosetten. Der Künstler hat den Versuch gemacht auch die Unter-
seite zu omaroentiren. Hier sind zwei rückläufige Spiralen, der sogenannte laufende
Hund, eingeschnitten. Danach ist aber der Versuch aufgegeben, und wohl mit
Recht Denn auf dieser Aufsohlagfläche konnte ein Ornament nur hinderlich
wirken.
Ein runder, mit scheibenförmigem Vorsprang versehener Stock (Fig. 6} ist
wahrscheinlich ein Spinnrocken. Oben hat er Kerbschnitt-Verzierung; sonst trägt
er nur lineare Ornamente (darunter eine Pflanzenranke), die, wie ihre schwarze
Farbe andeutet wahrscheinlich mit einem heissen Messer eingeschnitten sind.
Mit Sicherheit Spinnrocken, d. b. Kunkeln (Preslica), sind die beiden Stücke
Fig. 7 a, b und Fig. 8, ebenfalls aus Glaraoö stammend. Ein runder Stock läoft nach
oben in eine mit ihm aus einem Stück gearbeitete Holzplatte aus, welche gefällig
profllirte Umrisse zeigt und deren eine Fläche reich mit geschmackvollen Kerb-
schnitt-Verzierungen bedeckt ist. Die andere Fläche bleibt nn verziert Auf dieser
(101)
wird mit Bändem oder auch wohl mit einem Tuche die zam Abspinnen beBtimmte
rohe Volle festgebundea. Das ontere Ende des Stockes bSlt die Vna in der linken
Band, oder sie steckt es links in den Kleidergnrt und sllltzt dann nur das Oeiftth
mit dem linken Arm, während die rechte Hand ziehend den Faden dreht, der sich
Fig- 5. V.
anf eine an ihm bangende and frei in der Lad tanzende Holzspindel anfwickeH.
Anf diese Weise vermCgeo die Frauen im Gehen zu spinnen; sie können sich
dabei in ihrer Wirthschaft bew^en, aber aach Wanderungen zu Markte oder aar
das Feld unternehmen. In der Hercego?ina und in Dalmatien ist die gleiche Art
des Spinnens gcbränchlich; in dem letzteren Lande vermochten wir auf der Land-
(102)
Strasse nach Salöna mehreren spinnend dahinwandemden Frauen ihre Spinnmcken
Ton der Hüfte wegzalsaofeil. Auch in Bellinzona, in der südlichen Schweiz, sah
ich vor mehreren Jahren eine Fran, welche in ähnlicher W^eise spann; aber sie hatte
dabei den Stock des Spinnrockens anter den linken Arm geklemmt
Unter den Schnitzverzierungen, welche diese beiden Spinnrocken schmücken^
zeichnet sich durch die Gefälligkeit ihrer Formen namentlich eine Anzahl von
grossen Rosetten ans. Bei dem Spinnrocken (Fig. 7 b) sind es drei aufeinander-
folgende Rosetten von abnehmender Grösse, die je durch ein geschmackvoll ge*
schnitztes Zwischenstück von einander getrennt sind.' Das untere Zwischenstück
hat eine ungleichseitig viereckige Form mit ausgezackten Seitenrändern; das obere
Zwischenstück wird durch ein ungefähr gleichseitiges Dreieck gebildet In dem
anderen Spinnrocken (Fig. 8) sind die Mittelpunkte der 3 Rosetten durch je eine ein-
gelegte kleine Perle aus buntem Glase beigestellt, während der Grund derselben
in geschmackvoller Weise roth ausgemalt ist Auch hier sind die Rosetten durch
reich geschnitzte Zwischenstücke von einander getrennt Es findet sich hier auch
noch ein Ornament, das aus parallelen, geraden Linien besteht, welche dann sym-
metrisch nach rechts and links in eine Volute sich aufrollen. Diese gestielten
Voluten, wie man sie nennen könnte, wie auch die Rosetten, finden sich in ganz^
gleicher Weise unter den geometrischen Ornamenten auf den riesigen, im Lande
zerstreut vorkommenden Stein-Sarkophagen, welche aus dem Mittelalter stanunen
und gewöhnlich als Bogumilen-Steine bezeichnet werden. Börnes') bildet eine
Anzahl derselben ab. Hier ist es natürlicher Weise sehr wahrscheinlich, dass
es sich am eine unmittelbare Ueberlieferung der künstlerischen Motive handelt,
oder dass diejenigen auf den Steinen mit denen auf den hausgewerblichen Gegen-
ständen aus der gleichen Quelle geflossen sind. Aber auch einige von diesen
Ornamenten finden sich schon in einer sehr viel älteren Zeit, denn sie kommen
bereits auf Goldblechen vor, welche Schliemann in Mykenä ausgegraben hat
Hier muss es allerdings unentschieden bleiben, ob es sich um eine continuirliche
Uebertragung oder am selbständige Erfindungen handelt
Die ebenfalls aus Glamo6 stammende Spindel (Presljec) [Fig. 9] hat die be-
trächtliche Länge von 49 cm. Auch an ihr hat sich das künstlerische Bemühen des
Verfertigers deutlich bethätigt, indem er den Stab in verschiedene Etagen und Ab-
sätze von mannich fachen Formen zerlegt und so die Langweiligkeit der Form ge-
fällig unterbrochen hat. Ausserdem hat er ein Kunststück gemacht, das bei holz-
schnitzenden Völkern sehr beliebt und verbreitet ist. Er hat nehmlich an zwei
Stellen den Rem des Stabes ringsherum so umschnitten, dass er von der durch-
brochen geschnitzten äusseren Schicht gitterartig umschlossen wird, aber in der-
selben frei beweglich liegt. Diesen beiden beweglichen Stücken ist die Form von
Kreuzen gegeben.
Die beiden Geräthe (Fig. 10 und Fig. 11), Vodir genannt, sind Behälter für
den Wetzstein der Sense. Jedes ist aus einem einzigen Holzklotze geschnitten;
ihre Form erinnert an ein kleines Fass, aber ihr unteres Ende läuft in einen zier-
lichen Zapfen aus. Ihre Hinterfläche ist glatt und besitzt jederseits ein über-
stehendes, durchbohrtes Ohr, mit dessen Hülfe das Geräth an dem Gürtel befestigt
werden kann. Es ist vollkommen wasserdicht, so dass der darin aufbewahrte
Wetzstein in bequemer Weise feucht gehalten werden kann.
Das Stück (Fig. 11), dessen nähere Provenienz ich nicht kenne, ist über seinen
ganzen Körper hin dicht mit eingeschnittenen einfachen, aber gefällig angeordneten
1) Moni Börnes: Bosnien und die Herc«govina. S. 28-84. Wien 1889.
(103)
OrnameoleD bedeckt, welche eine ttberraschende Aehnlichkeit mit f^wisaen Ver-
zierongeD auf neolJthischen ThoDgefilssen zeigen. Das Stück (Fig. 10), welches
ans Roma stammt, gehört zu denjeDigen Gegenständen, bei welchen der Grnnd
TortgeBchnitten ist, nm das Ornament erhaben hervortreten zu lassen. Wahr-
scheinlich liegt dem letzteren als Vorbild irgend eine Stickerei zu Grande.
Die letzten beiden Stttcke (Fig. 13a, b and Fig. 13a, b), von der Form unserer
Federkasten für Schüler, heissen Britvenica and stammen ans Donji Unac. Es
sind Behälter für RnBirmesser und zwar haben sie einen VexirverBcblass. Der
Deckel ist an der einen Schmalseite durch einen senkrechten Nagel flxirt, der
Fig. 10. Vi.
Fig. 12b. V,.
Fig. 12a. V„
Fig. 18«. V,
Fig.lSb. V4
durch die Mitte einer kleinen Münze geschlagen ist; an der anderen Schmalseite
greift er mit zwei vorspringenden, rechteckigen Zapfen in zwei entsprechende Aus-
schnitte des Randes ein. Der Deckel kann aber Uberhaapl nur bewegt werden,
nachdem man unter ihm eine unregelmässig vierseitige Holzscheibe am den durch
die Mttnze geschlagenen Nagel hemm-, bezw. herausgedreht hat. Dann lassen sieb
durch RUckwärtsziehen des Deckels die Zapfen aus ihren Ausschnitten heraus-
ziehen. Dieses Rfickwärtsziehen wird durch einen kleinen Längsschlitz ermöglicht,
welcher unter der Münze verborgen ist Sind nun die Zapfen aus den Aasschnüten
heraus, dann ist es möglich, den Deckel von dem Kasten nach der Seite abzn-
(104)
drehen, wodurch dieser dann geöffnet wird (Fig. 12a). In seinem Inneren befinden
sich drei Abtheilungen, von denen zwei dazu bestimmt sind, je ein Rasirmesaer
aufzunehmen. Die dritte, ungefUhr quadratische Abtheilung ist wahrscheinlich
für die Seife bestimmt.
Der Deckel und die beiden Längsseiten sind bei beiden Rasten sehr reich mit
erhabenen Ornamenten geschmückt; die beiden Schmalseiten, und natfirlicher Weise
auch der Boden, sind vollständig unyerziert geblieben. Der Rasten (Fig. 12a) trägt
mehrere Flechtbandomamente und einige quadratische Felder, in denen gestielte
Voluten zu Rreuzen vereinigt sind. In dem Hittelpunkte dieser Rreuze ist jedesmal
eine kleine, rothe Perle mit weissem Hitteltheile eingelegt Auf der Mitte jeder
Seitenfläche läuft ein stilisirtes Ranken band dahin, dessen Herkunft aus der rück-
läufigen Spirale unverkennbar ist (Fig. 12 b). Der Rasten (Fig. 13 a) trägt jeder-
seits an der gleichen Stelle in Wirklichkeit die rückläufige Spirale. Auf seinem
Deckel hat auch er die Quadrate mit den gestielten Voluten. Anstatt dass deren
Stiele aber Rreuze bilden, ist in das Mittelfeld jedes Quadrates eine grosse Rosette
eingelegt Deren Mitte trägt wieder eine zierliche Einlage von Metallstreifen.
Die Metall-Einlagen bilden einen Rreis mit zierlich ausgezackter Peripherie. In
jedem der Rreise befindet sich ein schmales Rreuz von dem gleichen Metall;
jeder Arm desselben bildet sich gegen sein freies Ende hin in einen regelmässigen
Dreizack aus, dessen Spitzen sich innen an die Peripherie des Rreises anlegen.
Eine chemische Analyse ist nicht gemacht; nach dem Ansehen ist es aber sehr
wahrscheinlich, dass es sich hier um Zinn-Einlagen handelt Dieses Stück bildet
somit den Uebergang zu den Dingen, über die Hr. Jacobsthal vortragen will.
Erwähnen möchte ich noch, dass einzelne Ornamente hier und da durch kleine Un-
genauigkeiten erkennen lassen, dass sie mit der freien Hand gearbeitet sind. —
(31) Hr. E. Jacobs thal spricht, unter Vorlegung der Originalstücke, über
Metall-Einlagen in Hols, Honi und Bein.
Dem Freunde traditioneller Volkskunst wird der ästhetische Genuss an modernen
Erzeugnissen derselben nicht selten getrübt durch Unvollkommenheiten der Aus-
führung, welche einer primitiven Technik anhaften, oder durch eine Formgebung,
welche entweder in stark degenerirten oder allzu unreifen Einzelheiten sich äussert.
Um so dankbarer wird er es empfinden, wenn ihm Runst-Erzeugnisse begegnen«
welche sowohl in der technischen Herstellung, wie in der formalen Ausgestaltung
jedem Vei^leiche mit hochstehenden Werken alter oder neuer Runst- Industrie
Stand halten.
Innerhalb der kleinen Sammlung von Metall-Einlagen in Holz, Hom und Bein,
welche ich mir vorzulegen gestatte, möchte ich jene Vollkommenheit in Form und
Ausführung in erster Linie den aus Bosnien und der Hercego vi na stammenden
kleinen Gebrauchs -Gegenständen (Löffel, Gabeln, Messergriffe, Vorstecknadeln,
Gigarrenspitzen) zuschreiben.
Ihr Schmuck besteht in einer Omamentirung aus feinen Metallstreifen, Stiften,
Ringen oder gewundenen Drähten, welche in den Grundstoff eingetrieben sind.
Zu diesem Zwecke werden bei den weicheren Arten desselben, Holz und Hom,
Rillen zur Aufnahme des Metalls mit dem Messer eingeschnitten, dann der hoch-
kantige, unten zugeschärfte Metallstreifen hineingehämmert Für die Ringe werden
namentlich in dem härteren Bein und Hom Bohrlöcher hergestellt. Nach Vollendung
dieser Arbeiten wird der Gegenstand geschliffen, unter umständen polirt.
CI05)
Die meisten der Torlie^nden Oerftlhe a. s. w. sind im Jahre ISSfi in Con-
staotinoppl, BruBsa, Smyrna von mir gesammelt worden, wohin sie ans Bosnien
gelangt sein mfigen. Später worden von heramsiehenden bosnischen Händlern
einselne StUcke in Dentachkmd erworben.
Dm weisse Metall der Eünlagen ist durch eine Analyse des Bm. Prof. Dr. Rfi-
dorff als Nensilber bestimmt worden; in geringem Umrange wird Ton Hessing-
drähton (je zwei nm einander gewunden) Gebranch gemacht Die Formen-Elemente
beschränken sich sonach aaf die einfache Linie, den Pnnkt (ans einem Draht-Quer-
schnitt) und eine gleichmässig wiederkehrende blattUhnliche Lamelle aus Blech.
Trotzdem ist eine Schönheit und Mannicbfaltigkeit in der Ornamentik entwickelt,
welche, im Rhytbbns schwungvoller Linienttlhrnng und harmonischer Flächen-
Tertiieilung an hellenische Tasenmalerei der besten Zeit erinnernd, die an sich un-
bedentenden Gegenstände zu kleinen Kunstwerken stempelt (Fig. I und 2).
flg. 1. Fig. 3.
Unte^ordneter erscheinen nach dieser Richtung die einem naiveren Ver*
zieruDgstrieb entstammenden Decorationeu der KnochengrifTe und einiger HomlÜiTel
durch zerstreute Funkte, Ringe, Kreisflächen aus Metall (Messing) oder Perl-
mutter und Elfenbein (Fig. 3 und 4).
Bei einem Vergleiche der ArbeiU-n aus Bosnien mit denen anderer Herkunft
mnss zunächst Indien in Betracht gezogen werden. Eine frühere Mittheil nng Ober
ähnliche, in Mainpuri (Districl Dehli) noch betriebene, Tdr-kasch!') genannte
Kunattechnik verdanken wir dem Geh. Reg.-Rath Prof. Reoleaux, der in den
Verhandlungen des Vereins für deutsches Kunstgewerbe, Berlin I88<), Nr. 5, zwei
Schälchen von Holz mit Messing-Einlagen reröftent liebt und deren Ausführung
beschrieben hat Letztere entspricht durchaus dem in Bosnien ireabten Verfahren;
die Omamcntirung besteht jedoch ans nur 2 Formen-Elementen: der Linie (als
1) Mach Hm.,H. Jansen stammt diese Kunst (persisch Tär-kaschl, ^wQrtlich „Draht-
ziehern" im Sinne von .Draht^Einlego arbeit") aus Persien, wie auch der Name persisch
iit; in Indien ist sie erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts von Schiris ans eingefährt
worden (vgl. Hanter, .Imperial Qaietteer of India", VI, p. 609 unten). D. Red.
(106)
»elbBtändJgem Motiv und als Uniriss Btilisirter Pflanzen and ThJerformen), sowie
einem winzigen millimeleigrossen Ring and dessen Gnippirung zu drei oder fOnf.
Es e^iebt sieb d&rans, dass zwar ein sehr feiner, aber rur die Entrernang wenig
wirksamer Schmuck erzielt wird. Um so berremdlicher erschien anf der Golonial-
Ansstellnng in London )866 die Verwendung dieser Technik auf den Füllungen einer
grossen, mit reichem Holzschnitz werk eingerahmten ThUr modcrn-indiBcher Pro-
renionz. Schon in geringem Abstände dem menschlichen Ange unerreichbar, er-
weckte die so kunstreiche Mcnschcnarbcit mehr das Badanera Qber ihre verfehlte
Aasnutzung, als ästhetische Befricdigang; es entzieht sich eben die erst bei intimerer
Betrachtung ihre Reize entfallende künstlerische Leistung jeder Verwerthung für ,
Objecte grösseren Maassstabes. Das untenstehende Ornament (Fig. 6) entstammt
einer Schale aus Mainpuri im Besitze des Hm. Rculeaux. — Erst im Jabre 1888
brachte die April-Nummer des .^Journal of India Art" eine ausführlichere, auf
Autopsie begründete Beschreibung des Tar-kaschi in Mainpuri von F. S. Growse.
Unter den vielen mitgetheilten Objccten befindet sich auch die oben erwähnte ThUr,
mehrere Bilderrahmen, Consolen u. b. w. Die Technik wird von der Kaste der
Fig. 6.
Ojhiis betrieben, deren Sitz bis zur letzten Generation in Kuruuli bei Mainpuri sieb
befand, nachdem sie vor 100 Jahren ans Rajputana durch den Sultan Singh ver-
trieben worden waren. Mr. Growse ist im Jahre 1864 als Beamter der ongliachen
Regierung naih Mainpuri gekommen und fand dort die Tär-kasbi fast nur zum
Schmuck hölzerner Sandalen (wooden clogs, kharäuns) verwendet, welche die, eine
Berührung mit L^der scheuenden Hindus beim Baden benutzen. (Einige sehr reich,
iiuch mit Silber, (irniimcntirte Exemplare solcher Sandalen beflnden sich in der
Sammlung des Hrn. Reuleaux.) Mr. Growse «ur bestrebt, durch Ertheilung
von Auftrligen für weiU-re Ausführungen den dem Erlöschen nuhen Zweig der
Kunst-Tocbnik zu ffirdcrn. Aber seine Neigung für die mitleliilteriiche Formen-
sprachc seiner Heimuth führte ihn dnKu, durch Einführung gothisehor Musler eine
Bcreiehorung di;r Ornümont-Motive hcrbcifuhrcn zu wollen, was — wie er jetzt
si'Uisl gesteht — nur Misserfolge hervr.rrier Spüter sind dann durch Mr. Charies
Hörne, dann seit ISTO durch den Inj.;cnieur Ooddington wieder Formen zur An-
wenduni: gelangt, die dem iiidisthen Ornamentenschutz entlehnt wurden.
, . (107) ,
Aar der erwähnten Ausstellong in London befanden sich auch Drochsler-
arbeiten in Hörn, kleine Büchsen mit eingelegtem gewandeaera Hessingdraht and
£irenbeiD-Scheibchen aas Hascblarpar. Vorstehende Ab bildapg (F^g. 6), n&cb
der VerttfTeiitlicbang in den „Terh. d. V. f. deutsches Runstgew. 1888, Nr. 13",
Ton Realeaax, zeigt den Fonuencbarakter dieser AasfUbrungea.
Das Bestreben, grossere Wirkungen durch Metall-Einlagen zn erreichen,
warde Ferner durch einige Holzplatten aus Jhang (Pondjab) illnstrirt Sie zeigten
Blatt- nod Blüthenwerk aas HesBiagblech, in grösserem Maassstabe, mit dem
Linienwerk an einer einheitlichen Composition vereinigt, welche die ganze Fläche
organisirte, also mehr eine Art Metall -Intarsia, die mit den Bonle -Arbeiten dos
17. Jahrhanderts rerglichen werden kann. Mr. Growse giebt aach davon 2 Bei-
spiele aas Chiniot, Jhang Diatrict, Pundjab, denen nachstehendes Detail entnommen
ist (Pig. 7).
Fig. 7.
Eine ähnliche AuITassnng der Ornamentirung, wenn aach, bez. der sanberen Her-
Stellung nicht dieselbe Stufe erreichend, finden wir bei Arbeiten, die aas Damaskus
stammen. Das Bild rähmchen zeigt auch eingetriebene Messingstreifen, welchen
gleichmässige, spitze Meseingblättchen angesetzt sind (Fig. 8), während die jetzt
hänfig in den Handel gebrachten grösseren Gegenstände, wie Tabourcts, Con-
,(108)
solen D. 8. w., wegen der harmooiscben QesHmmtwirknng der in das ttefbraane
Holz eingetriebenen Zinnstreifen mit den eingelegten Perlmatter-Blättern , be-
gebrte Decorationestückc geworden sind (Fig. 9).
Eine im k. k. iteterreich Ischen Museum in Wien befindliche, hier in einer
Zeichnung aus dem , Kunsthandwerk " (W. Speemann) vorliegende Platte aus
Ifarocco (Pig. 10) bennlzt, bei einem ebenfalls grösseren Maassstabe der durch
Umrisslinien in Silber chanikterisirten Ranken-Ornamente, Einlagen von breiteren
Elfenbein-Blättern xar Betonun); der Hauptpunkte im lUiytbmas der LinienfUhnuag.
Kehren wir jedoch wieder zur Betrachtang der feiner durchgeführten Arbeiten
zurück. Auf der Ansstellun); in Niachny-Nowgorod halte ich in diesem Jabre Oe>
legenbeit, bei dem Aussteller Juaub Ogli aus Unzakul (Daghcstan) die Her-
slellang kleinerer Gegenstände: Bpnzieratöcke, Pfeifen u. s. w., während ihrer Ent-
stehung zu beobachten. Mit sehr primitivem Werkzeuge wurde die Omamentirang
aus Silberst reifen dem Holze eingehämmert, und nur Punkte, einzeln oder coro-
binirt, bildeten das ergänzende Element (Fig. 1 1). Grössere Flächen Wirkung wird durch
eine Art Schrafflning von neben einander gesetzten Linien erzielt Auch von den
mir durch Hm. Dr. Jagor fUr die heuli^'c Vorlage freundlichst zur Verfügung ge-
stellten Gegenttünden stammen einige ans dem Kaukasus und zeigon die Be-
schränkung auf Linie und Punkt in ihrer omamentalen Ausstattung.
Fig. 10. Fig. 11.
Dogmen entfaltet sich ein grosser Reichthuni an verschiedenartigen Elementen
bei den aus demßanat stammenden hölzernen, im Uebrigen mit Metall beschlagen
versehenen Pfcifenköpfcn derselben Sammlung. Ein bei den bisher erwähnten Ar-
beiten nicht uufCrulendcs Motiv, eine zusammengedruckte Wellenlinie, beherrscht
den Charakter der eingetriebenen ürnumcnlirung (Fig. 12), zeigt sich auch in dem
llosohlagp des einen der Kopfe.
Durch die gleichzeitige Verwendung von ;i Metallen, Messing, Kupfer und
SilberC:'), sowie von Perlmutter, wird zugleich eine bescheidene farbige Wirkung
Die eben crwiihnti' /usam mengedrückte Wellenlinie aus Messing (sowie eine
iihsenartigo Form) lindel sich auch nuf hölzernen Armringen aus Kano (Nigergebiet)
im hiesigen Museum fUr Völkerkunde, auf dio mich die HHrn. Dr. Staudinger
und Dr. v. Luscban aufmerksam gemacht hatten (Fig. 13).
Hei der Aufziihinng der aus iio weit entfcrnlen Gebieten stammenden Arbeilen
gleicher Kunsttechnik dUrfen die mittelcuropUiachun F.rzeugnissc nicht unerwähnt
(109)
bleiben. Bekannt ist, dass too denselben bei der OrnamentiniDg der Holztheile
von Penerwaffen rrflher anagiebiger Gebranch gemacht worden ist, aber auch
Stöcke, Hessergriffe u. s. w. des 18. Jahrhnnderts zeigen Hetall-Einlagen. Die
Technik ergoheint nodi um die Ifitte dieses Jahrhunderts, wie das Kästchen mit
der giKvirten Inschrift Karlsbad 1849 beweist Nach einer Angabe des Hm.
Oirect. Dr. Tobb werden in Teplitz noch ähnliche Gegenstände gerertigt. In den
fttnfeiger Jahren wurden auch ron England Arbeiten eingeführt, die nur in der
mehr orientalischen Charakter andeutenden Zeichnung der Blüthen sich tod den
To^ienannten nnteracheiden. Die Uetnll-Einlagen beschränken sich bei beiden auf
Linien, die auch als Stengel, bezw. Ranken auftreten, welche Perlmutter-Blatter
und -BlUthen tragen (Fig. 14).
l-ig. 12. Fig. 18.
Auf der Gewerbe- Ausstellung in Bremen (1890) befand sich unter den Schuler-
arbeiten des dortigen Gewerbe -Museuros eine Anzahl kleiner Gegenstände: Bild-
rähmchen, Lineule u. s. w. aus polirtem Holz mit Einlagen von je 3 Metallen,
Kupfer, Messing und Ziak. Die Einführung der Technik in die dortige
Lehren slalt ist aus Indien erfolgt. Der früher erwähnte engüBcbe Ingenieur
G. T. Coddington hatte bereits im Jahre 1881 den Versuch gemacht, die Tfir-
kaschi ans Mainpuri nach Florenz zu übertragen, dort aber keine geeignete Per-
sönlichkeit für den handwerklichen Betrieb gefunden. Er wandte sich Bpäter an
den k. k. Werkmeister Joseph Lacedelli in Cortina d'Ampezzo, welcher bald im
Stande war, die Arbeiten auszuführen und zu lehren, so dass sich in Cortina eine
Art Hans Industrie entwickeln konnte- Diese Angabe ist dem 1889 erschienenen
Werkchen des königl. Gewerbe-Schullehrers Matthins „Anleitung zum Einlegen
der Metalle in Holz" (Leipzig, Zehl) entnommen, in welchem auBfUhrliche An-
gaben über das Werkzeug und die Ausführung selbst enthalten sind. Eine Aus-
stellung jener Cortina- Arbeiten in Bremen (1888) ist wohl die Veranlassung zur
Verpflanzung der Technik in die dortige Lehranstalt gewesen (Mitth. d. Gewerhe-
HaseaiDB in Bremen 1888, H. UI).
(110)
Nicht ohne Einfloss mögen aber auch die nur in cMesem Hmeom bereits seit
fielen Jahren Torhanden gewesenen, „ans der Hereegovina^ stammenden und den
zuerst vorgelegten yöllig entsprechenden Arbeiten geblieben sein. —
Um die Erhaltung der Runsttechnik in ihrer Heimath hat sich die öster-
reichische Verwaltung seither bemüht. Ein Weiterleben und Blflhen derselben ist
daher zu erhofTen, wenn sich diese Förderung auf ein Behüten beschränkt In
ähnlichen Fällen haben od die besten Absichten es nicht verhindern können,. dass
Tolksthümliche Knnstweisen durch das Hineintragen fremder Elemente in die Her-
stellungsart oder die Formgebung erstickt worden sind.
Einige der hier vorgelegten bosnischen Arbeiten habe ich seiner Zeit in den
„Blättern für Arch. und Rnnsthandwerk^, 1888, Nr. 7 (Berlin, A. Braun & Co.),
durch Lichtdruck veröffentlicht —
(32) Hr. V. Luschan bringt Vorlagen aus dem Königl. Maseam für
Völkerkunde. —
Hr. P. Standinger bemerkt in Betreff der voi^ezeigten Lagos-Masken:
^Anch ich sah bei meinem kurzen Aufenthalte in Lagos vor 13 Jahren bei ver-
schiedenen Europäern bemalte Holzmasken oder richtiger Köpfe; sie wurden
indessen schon damids, wie man mir mittheilte, zum Verkauf an die Weissen,
also gewissermaassen zum Export angefertigt, so dass ich den Ankauf der dort
leicht zu erlangenden Stücke bei meinem Dortsein unterliess. Bezüglich der
abenteuerlichen Form, namentlich auch der den Teufelsmasken ähnlichen, bemerke
ich, dass beider eine Beeinflussung von ausserhalb in jüngster Zeit mitunter aus-
geübt wurde, indem Raufleute nach West^AfHca deutsche, bezw. europäische
Masken, wohl aus Papiermache bestehend, einführten. Speciell wurde mir auf
Bulbine, auf den Los-Inseln, von einer grösseren Masken-Einfuhr Mittheilung ge-
macht —
(ßiS) Neu eingegangene Schriften:
1. Forrer, R., Der D^pdtAmd von Bonneville. Strassburg i. E. 1896. Qesch.
d. Verf.
2. Mehlis, C, Der Drachenfels bei Dürkheim a. d. H. Neustadt a. d. H. 1897.
Gesch. d. Verf.
3. Hansen, A. M., Menneskeslaegtens Aelde. 3. Hefte. Rristiania 1894. Gesch.
d. Verf.
4. Tappeiner, F., Der europäische Mensch und die Tiroler. Meran 1896. Gesch.
d. Verf.
5. Tylor, E. B., On American Lot-Games, as evidence of Asiatic intercourse
before ihe time of Columbus. Leiden 1896. (Sep.-Abdr. a. d. Intern.
Arch. f. Ethnogr.) Gesch. d. Verf.
6. Hirsch, H., Die mechanische Bedeutung der Schienbeinform. Mit besonderer
Berücksichtigung der Platyknemie. Berlin 1895. Gesch. d. Verf.
7. Apte, Raghunath Narayan. The Sujna Gokulji Zala Vedant Prize Essay 1889.
Bombay 1896. Gesch. d. Bombay University.
8. Steinbrecht, C, Die Wiederherstellung des Marienbni^r Schlosses. Berlin
1896. Gesch. d. Hm. Conwentz.
9. Philologikos syllogos Parnasses. Epeteris. L Athen 1897. Gesch. d. Ges.
Sitzung vom 20. März 1897.
Vorsitzender: Hr. R. Virchow.
(1) Vorstand und Ansschuss der Gesellschaft haben zu correspondirenden
Mitgliedern erwählt:
Hm. Robert Munro, M. A., M. D., F. R., 8. E., Secretary of the Society
of Antiquaries of Scotland, Edinburgh.
^ de Morgan, Director des Museums in Gizeh.
^ W. M. Flinders Petrie, M. G. L., L. L. D., Edwards -Professor of
Egyptology in the University Gollege in London.
(2) Wieder eingetreten in die Gesellschaft sind als ordentliche Mit-
glieder:
Hr. Contre-Admiral z. D. Strauch in Friedenau.
^ Ludwig Schneider, Conservator der k. k. Gentral-Commission der
Kunst- und historischen Denkmale, Smircic in Böhmen.
Neu angemeldet:
Hr. Dr. A. M. Warburg in Hambui^.
(3) Die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Turin meldet den am
19. Februar erfolgten Tod ihres berühmten Mitgliedes Luigi Schiaparelli. —
(4) Die nächste General -Versammlung der deutschen anthropo-
logischen Gesellschaft wird Tom 3. bis 5. August in Lübeck tagen und bei
dieser Gelegenheit am 6. Schwerin, am 7. August Kiel besuchen. —
(5) Bei der am 3. April in Aussicht stehenden feierlichen Sitzung der Gesell-
schaft für Erdkunde zu Ehren Fr. Nansen's werden die Mitglieder unserer
Gesellschaft, welche gleichzeitig Mitglieder der Gesellschaft für Erdkunde sind,
aufgefordert, zahlreich zu erscheinen. Eine directe Betheiligung unserer Gesell-
schaft ist nach Lage der Sache ausgeschlossen. —
Der Vorsitzende, der demnächst eine Reise nach dem Süden antreten und
zur Zeit nicht in Berlin anwesend sein wird, giebt schon jetzt den Gefühlen der
Bewunderung und der herzlichsten persönlichen Theilnahroe für den ebenso glück-
lichen, als tapferen Forscher warmen Ausdruck. —
(6) Es liegt das Programm für den vom 20. bis 25. April in Jena stattfindenden
deutschen Geographentag yor. —
(7) Das Gentral-Gomitö für die erste Gentenar-Feier der Geburt
Ton Antonio Rosmini ül>ersendet aus Rorereto, 5. März, eine Einladung zur Be-
theiligung auf den 2. Mai. — .
(112)
(8) Hr. R. Haas mann übersendet aus Dorpai, 17. März, ein Dankschreiben fttr
seine Ernennung zum correspondirenden Mitgliede und fOgi einen Bericht bei filer
den vorbereitenden Congress in Moskau (4. bis 6. Januar), sowie das Programm fttr
den XI. Russischen Archäologischen Congress, der im Jahre 1899 in Kiew
stattfinden soll. —
(9) Der internationale medicinische Congress wird in Moskau vom
19. bis 26. August d. J. tagen.
(10) Hr. A. v. Heyden berichtet unter dem 10. April über einen
Grabfund in der Fides-Kirche za Schlettstadt.
Im Jahre 1892 wurden die am Ende des 12. Jahrhunderts errichteten Gebäude,
welche die heutige lindes- Kirche bilden, einer gründlichen Restauration unterzogen.
Man fand dabei in einer Art Crypta einige Steintärge und in einem späterer Zeit
angehörenden Sarkophage mit den Resten eines Holzsarges unter einander geschüttete
Theile einer Frauenleiche, welche wohl der Erbauungszeit der Kirche angehört,
namentlich aber in Mörtelguss abgeformte Theile ihres Körpers. Der Ansguss
dieser Formen in Gyps ergab das vollständige Bild des Kopfes und des Körper^
bis unter die Brüste. Die Formen des Gesichtes sind ron ungewöhnlicher Schön-
heit: ein feines, unendlich liebenswürdiges Lächeln, die grösste seelische Ruhe
umspielt die Züge dieser 35— 40 Jahre alten Frau. Die linke Seite des Gesichtes
ist etwas zerstört, was aber das wundervolle Profil in keiner Weise beeinträchtigt
Zum Glück ist der Mörtelguss treu genug, um im Ausguss charakteristische Züge
in der Kleidung erkennen zu lassen, welche auf eine Frau der höheren Stände hin-
weisen. Das einfach gescheitelte Haar liegt in einer Flechte schräg über Yorder-
haupt und Stirn, wie die Bilder der Weingartner- Liederhandschrift dieses mehrfach
zeigen. Am Körper sind deutlich die Stoffunterschiede der Theile des weiblichen
Gewandes des 12. Jahrhunderts, Hemd, Rock und Suckenie zu unterscheiden,
während sich der bei einer vornehmen Frau nie fehlende Mantel schleierartig um
Kopf und Schultern legt
Der Annahme, dass man es mit dem Abgüsse einer Pestleiche zu thnn habe,
widersprechen wohl die unverzerrten ruhigen Züge der Dahingeschiedenen.
Den genauen Fundbericht des Baurathes W ine kl er und einige Hypothesen
über die muthmaassliche Familie der Leiche geben kurze Bemerkungen des Prof.
Seder in einer besonderen, in Strassburg bei R. Schwarz & Co. erschienenen
Brochüre, welche auf 8 Tafeln die Bilder der Leiche und deren versuchte Restauration
bringt. —
(11) Hr. A. Bässler übersendet aus Nen-Seeland, Januar, einen weiteren
Reisebericht, speciell über
neuseeländische Alterthttmer.
Die Maoris pflegten «früher die in der Erde ruhenden Todten nach einer ge-
wissen Zeit wieder auszugraben und von den Knochen die letzten Fleisch-Anhängsel
mit Muscheln abzukratzen, um sie nach Abhaltung eines ^Tängi*^ entweder an einer
anderen Stelle neuerdings zu vergraben oder in Höhlen niederzulegen. Diese Orte
wurden möglichst versteckt gewählt, geheim gehalten und waren stets „tapu^.
Häuptlinge bestattete man abseits von den Uebrigen und so verborgen, dass ihre
üeberreste niemals in die Hunde ihrer Feinde fallen konnten, was für den ganzen
(113)
Stamm ein grosser Schimpf gewesen wäre. Verliess ein Stamm seinen Bezirk, um
sich wo anders niederzulassen, so grab man — und <la8 thun die Maoris auch
heutigen Tages noch, yergl. meine ^Südsee-Bilder^ — die Knochen nochmals aus,
reinigte sie wiederum, hielt abermals ein „Tängi^ ab und nahm sie dann nach
dem neuen Wohnort mit, wo dieselben neuerdings verborgen wurden. Von da ab
war der Platz „tapu^ und wurde und wird nicht mehr betreten, theils aus Ehr-
furcht vor den Todten, theils — und wohl noch mehr — aus Angst vor den den
Platz umschwebenden Geistern. Würde man daselbst beim Suchen nach Schädeln
angetroffen, so könnte man sich auf unangenehme Stunden gefasst machen. —
Ungefähr 90 km nördlich von Auckland ergiesst sich an der östlichen Ktlste
der Nordinsel Neu-Seelands der Mangawai-Pluss in^s Meer. Der Ort ist von Weitem
kenntlich durch ein kleines felsiges Vorgebirge, das sich von den monotonen,
meilenweit sied erstreckenden Sandhügeln der Rüste deutlich abhebt. Diese Htigel
sind einst vielfach zu Begräbniss-Stätten benutzt worden, bergen aber jetzt nur
noch wenige menschliche Ueberreste. Stürme aus Osten verwehten den Sand oft
derart, dass sie die Skelette freilegten, die von den Wellen in's Meer gespült
wurden. Als später Weisse jene Gegenden nach Kauriharz durchsuchten, stiessen
sie manchmal auf einen Schädel, statt auf Harz, mit dem sie dann oft Unfug
trieben und die Maoris erschreckten, so dass diese sich bewogen fühlten, die
noch vorhandenen Gebeine weiter in's Innere der Insel überzuführen. So kam es,
dass ich bei meinen Nachgrabungen nur noch auf einer Stelle Erfolg hatte, und
zwar am linken Ufer des Mangawai, unweit des Vorgebirges, wo ich auf einem
Hügel, ungefähr 1 m unterhalb der Oberfläche desselben, zwei vollständige Skelette
fand. Leider zerßelen sie trotz grösster Vorsicht vollständig, als ich sie aus dem
gerade hier etwas feuchten Sand nehmen wollte. Sie ruhten liegend; der Kopf,
etwas aufgerichtet, lag nordwestlich von den nach SO. gerichteten Füssen; nach
ihrer ersten Bestattung schienen sie nicht wieder ausgegraben zu sein. Das hat
darin seinen Grund, dass sie von einer Schlacht herrührten, die einst gegen von
Süden vordringende Maoris hier geschlagen wurde, in der viele der heimischen
Krieger fielen, die man auf diesem Hügel begrub, ohne sich ihrer grossen Zahl
wegen später um sie zu kümmern. Sie gehören zum Stamm „Ngatiwhatua^. Ihre
Keste tragen die Nrn. 66 und 67. Nicht weit davon lagen in trockener Sandschicht,
fast an der Erdoberfläche, einige Skelettheile: Nr. 68.
Etwa 60 km nördlich von diesem Platze wurde vor mehreren Jahren eine Höhle
entdeckt, welche eine Menge Skelette barg und in welcher der Curator des Museums
von Auckland, der davon benachrichtigt worden war, 73 Schädel fand. Von diesen
überliess er mir gütigst die noch vorhandenen sechs, welche die Nrn. 69 — 74
tragen, sowie sieben Unterkiefer (Nr. 75), die aber nicht zu den Schädeln zu ge-
hören scheinen. Nr. 74 ist als Häuptlings-Schädel dadurch kenntlich, dass er voll-
ständig mit der rothen Farbe „Rokowai'* *) bemalt ist, — eine Ehre, die nur Häupt-
lingen zukam. Unweit dieser Höhle soll sich, nach Aussage des Entdeckers, noch
eine zweite befunden haben, die mindestens ebenso viele Skelette barg. Dieselbe
ist nicht mehr auffindbar. Das Fortschaffen der Schädel war den Maoris zu Ohren
gekommen, und um Wiederholungen vorzubeugen, haben sie den Zugang zu dieser
anderen Höhle sö ^geschickt verborgen, dass man nur durch einen Zufall dieselbe
nochmals auffinden wird. —
In der Nähe des Sees „Rotorua" liegt, zwischen augenblicklich sehr stark ar-
beitenden Geisern und unzähligen Seh lamm -Vulkanen; die kleine Maori-Nieder-
1) rother, gebrannter Ocker.
Vtrhftndl. der Berl. Anthropol. GeselUcbaa 18'i7.
(114)
lassang „Whakarewarewa^. Diese intensive Thäiigkeit der Geiser u. s. w. steht in
Verbindung mit mehreren heftigen Ausbrüchen des ^Tongariro*', die in den letzten
Wochen stattfanden, um die heissen, den Maoris schon längst als heilbringend be-
kannten Gewässer auch für Weisse nutzbar zu machen, hat man in den letzten Jahren
hie und da kleine Holzhütten errichtet Bei einer solchen Arbeit stiess man Tor
2 Jahren auf eine ungefähr 1,5 — 2 m unter der Erdoberfläche liegende Gruft, in der
man 13 Skelette fand. Von diesen stammt der vorzüglich eriialtene Schädel Nr. 76/76',
Tom Stamme der „Tnhourangi^. Weitere Nachgrabungen, die ich in dieser Gegend
anstellte, wo sich noch andere Begräbnissplätze finden sollen, blieben erfolglos. Ob
auch hier die Maoris die Todten nochmals aus- und anderswo wieder eingegraben
haben, konnte ich nicht ermitteln; jedenfalls hatten sie sich seiner Zeit, als sie ton
der Ausgrabung der 1 3 Skelette gehört hatten, Beschwerde führend an die Regierung
gewendet und der Finder war aufgefordert worden, die Gebeine wieder an Ort und
Stelle zu vergraben, was er auch, bis auf die Schädel, gethan hat. Aber auch
diese Knochen sind, wie ich mich überzeugte, seitdem verschwunden, — ob durch
Maoris oder durch Weisse, wird wohl niemals aufgeklärt werden. —
Im Nordosten der Nordinsel Neu-Seelands, nördlich von der Halbinsel Goro-
mandel und von dieser nur durch den Goromandel-Canal getrennt, Hegt ^Otea*"
(jetzt Great Barrier Island genannt), eine Insel, die sich über 32 km von Süden
nach Norden erstreckt und an ihrer breitesten, ungefähr in der Mitte gelegenen
Stelle von Westen nach Osten beiläufig 19 An» missi Von dem inmitten der Insel ge-
legenen etwa 800 m hohen „Hirakimata*^ laufen verschiedene Höhenzüge aus, die
zumeist an der Küste als steil abfallende Hügel enden. Dichter Wald bedeckte
einst die Insel überall da, wo nicht Felsen und steiniger Boden jedes Wachsthum
hinderten. Damals dienten diese Felsen als Begräbnissplätze; die Knochen wurden
in vor Regen und Wind geschützten Spalten, zwischen oder noch lieber in natür-
lichen Höhlen unter den Felsen, niedergelegt, genau wie es auf ^Moorea^ geschah.
Alle Skelette, die ich gefunden, waren derart entweder allein oder zu mehreren zu-
sammen aufbewahrt.
Die südöstlichen Ausläufer der vom „Hirakimata^ kommenden Höhenzüge
bilden die ^Kaituki'^-HügeL Hier fand ich in einer Höhe von etwa 75 m in felsigem,
fast unzugänglichem Terrain, welches die ganze Breitseite eines Hügels einnahm,
die Schädel Nr. 77—88, die Schädelthefle Nr. 89, und abseits von den übrigen, die
je zu zweien oder mehreren bei einander lagen, die Schädel und Knochen (im
Ganzen 20 Theile) Nr. 90. —
Im Südwesten von „Otea^ liegt die Bucht „Tryphena^. An ihrem Ende eiv
heben sich über einem steilen Hügel schroffe Felsen; unter diesen fand ich die
Schädel Nr. 91 und 92, den Unterkiefer Nr. 93 und die Schädeltheile Nr. 94.
Nördlich von Tryphena liegt „Okubu'^-Bay, an deren westlichem Ufer ich
Nr. 95 — 97 erhielt, an derem östlichen ich an zwei verschiedenen Stellen a) Schädel
Nr. 98/98 und 99, sowie ünteridefer Nr. 100, b) Schädel Nr. 101 fand.
„Okubu'^-Bay ist von der nördlicher gelegenen Bucht „Wangaparapara^ durch
den etwa 420 m hohen „Ahumata*^ getrennt Der Berg ist nur wenig mit Bäumen
bewachsen; doch wird man bei der Besteigung sehr gehindert durch dichtes ^Ma-
nnka^- Gebüsch und hohe Famkräuter, aus denen überall zericlüftete Felsen her-
vorragen. Auf einem ungefähr 250 m hohen Kamm, von dem man beide Buchten
übersehen kann, sind diese besonders zahlreich und scheinen hauptsächlich den
Leuten von „Wangaparapara^ als Begräbniss-Stätte gedient zu haben. Von hier
stammen Nr. 102/102, 103/103, 104—124; femer Nr. 125: drei Unterkiefer; Nr. 126:
Schädeltheüe (27 Stück) und Nr. 127: Skelettheile. —
(115)
Von den „Moriori^ auf den Ghatham-Inseln erhielt ich die Schädel
Nr. 128/128 und Nr. 129; letzterer ist angeblich der einer jungen Frau. —
(12) Hr. H. Matiegka in Prag schickt unter dem 6. März eine Reihe von
anthropologischen Schriften. Die Mehrzahl derselben ist in czechischer
Sprache abgefasst; von den zwei in deutscher Sprache geschriebenen behandelt
die eine die Asymmetrie der Extremitäten (Prager Medicinische Wochen-
schrift, 1893, Nr. 47), die andere die Anthropophagie in der prähistorischen
Ansiedelung bei KnoTize und in der prähistorischen Zeit überhaupt
(Mittheil, der Anthropol. Ges. in Wien, Bd. 26 oder Neue Folge 16). Von der
einen der czechischen Abhandlungen*) giebt der Verf. selbst folgende Analyse:
I. Skelet-Oräber bei Gross-Czernossek-Gzalositz, in der Nähe von
Leitmeritz: zwei Skelette, in blosser Erde ruhend, ausgestreckt im rechten Winkel
zu einander (mit den Füssen) gelagert; an dem einen Skelet fand sich ein Schlangen-
Armband von l'/i Windungen, mit eingedrückten Kreisen und mit schlangenkopf-
ähnlichen Endstücken versehen; dabei ein Eisenfibel -Fragment (La Tene oder
römisch). —
iL Aschengrube bei Wehinitz (Lobositz) nebst Asche, Kohle und Scherben,
auch Bruchstücke eines durch Feuer beschädigten Bronzeringes mit Schloss und
hohlen Buckeln enthaltend, wie solche sonst aus La-Tene-Skelet-Oräbern bekannt
sind (wahrscheinlich kein Brandgrab). —
IIL Fundort bei Liebshausen (vergl. auch Pamätky Archaeol. XIV,
S. 363 und Prähistor. Blätter VII, 1895, S. 4): Skclet-Oräberstätte aus der La Tene-
zeit, über eine aus älterer Zeit (Hallstatt?) stammende Wohnstätte übergreifend
(Abfall- und Aschengruben mit Stein- und Bein- Werkzeugen, wenig Bronze, aber
charakteristischen Gelassen und Scherben, Taf. XXXI, mit Ausnahme von Fig. 28).
Die Skelet-Gräber enthielten Eisen waffen (La-Töne-Sch werter, Taf. XXX, Fig. 2,
Lanzenspitzen, Schildbeschläge) und Eisenschmuck (Armbänder Taf. XXIX, Fig. 5,
«inen Halsring Taf. XXX, Fig. 7, Eisenfibeln Taf. XXIX, Fig. 12 und 13, Eisen-
glirtel- Kelten Taf. XXIX, Fig. 7), eine prächtige Bronzegürtel-Kette mit rothem
Email, andere Bronze-Eisenkctten, Buckelringe (Taf. XXX, Fig. 10, 14, 15), Glas-
(Fig. 12) und andere Armbänder, Lignitringe (Fig. 11). Charakteristisch sind einige
Gefässe (Taf. XXX, Fig. 8, Taf. XXXI, Fig. 28 mit Bodenspirale) und einige Objecto
{Doppclring, Taf. XXX, Fig. 6), römischen Einfluss rerrathend. — Am meisten über-
rascht der Keichthum und die Mannich faltigkeit der Gürtelketten, der Arm- und
Fussringe (besonders derer mit hohlen Buckeln) und ihrer Verschlüsse. Schon
durch diese allein unterscheidet sich die La-Tene-Gultur in Böhmen auffallend von
jener, die sich uns in den zeitlich sonst sehr nahestehenden, an Schmuck armen
Brandgräbem von DobHchov darbietet (Pamdtky Archaeol. XV, Dr. Piö: Archaeol.
ryzkum 1893). —
(13) Hr. Ed. Krause hat unter dem 11. März folgenden Nachtrag zu seiner
Vorstellung der Lappen (S. 34) eingesendet, besonders über
lappische Greräthe.
Es sind schwedische, nördlich von Stockholm angesiedelte Lappen; sie haben
in der Hauptsache schwedische Lebensweise angenommen, wenn sie auch noch
1) Dr. JindHch Matiegka: Ndlezj Lsteneskö le severozdpadnich Öech (La-Tene-Funde
SOS Nordwest-Böhme». Pamätky Archaeol. XYII, 18%, Taf. XXIX— XXXI).
8*
(116)
in Zelten leben. Immerhin haben sie sich noch maDches UrsprUDgüche bewahrt:
dahin gehört besonders die Bearbeitung des HoIzcb zu allen möglichen Haus- und
WirthschaftE-GerUthen. Von den zum Theil sehr hübsch gearbeiteten und beschnitzlen
Sachen wurde eine grössere Anzahl voi^clegt, darunter ein aus Holz geschnitztes
Käsesieb (Fig. 1) mit Trichter (Fig. 2), ferner ein beschnitzter Löffel aus Holz (Fig. 3).
Fig 4.
Fig. la zeigt das höl/eme Sieb von der Seile, Fig. lA
1 oben gesehen. In
letzterer Fi^iir sind die Rippen zu sehen, welche den Boden bedecken;
mit dem Xapfo aus demselben Stück geschniltcn. Ferner sieht man in der Miltf
des Hodens ein viereckiges Loch, sowie an der Peripherie des Bodens zwei
dreieckige und ein rundes Loch zum Ablassen der Molken. Dieser Siebnapr wird
beim Gebrauch auT den Trichter (Fij,'. 2) gesetzt, in welchen feines Gras gelebt
wird, um den Käse zurückzuhalten. Dadurcn werden die Löcher im Siebe nach und
nach voll von Kiisekrümelehen, und lusscn dünn wohl noch die Molken, nicht aber
den Kiisc durch. Man hat so dun Küse beim Abheben des Siebes vollstündig rem
und braucht ihn nicht erst von dem Grasiilter zu trennen. Fig. 2u stellt den
Triehlcr von der Seile gesehen dur, Fig. il' den beschnitztcn Griff von oben.
Das Sieb hat l-'fi cm, der Trichter 16 ein oberen Durchmesser; beide sind aus
Birken-Miiserhok geschnitzt.
(117)
Fig. 3 zeigt einen aus Holz geschnitzten Löffel, in dessen hohlem Stiel drei
Kugeln spielen, welche nicht hineingesteckt, sondern an Ort und Stelle aus dem
beim Aashöhlen des Stieles lose werdenden Stück Holz geschnitzt sind. Auch der
Behang am Stielende ist mit dem Stiel aus einem Stück geschnitzt. Die Ver-
zierungen im Löffel selbst sind in ziemlich feinen Strichen eingravirt, die Blätter
und Blumen schraflArt. Der Löffel ist' 1 7,5 cm lang.
Dies nur einige Proben der vielen Schnitzarbeiten, welche die Leute mit sich
rührten. Von Interesse dürfte ausserdem noch ein Stelzbein sein, das sich der
eine Lappe selbst gemacht hat. Er hat vor Jahren beim Absturz von einem Felsen
ein Bein gebrochen. Der Bruch ist schief geheilt. Um das Bein gebrauchen zu
können, hat er sich das Stelzbein Fig. 4 erfunden. Die obere Pfanne stützt den
Oberschenkel, an den sie angeschnallt wird; der Unterschenkel legt sich mit seiner
Anssenseite gegen die Stelze, die Fussspitze greift hinter die Stelze. So kann der
Mann ohne grosse Beschwerden marschiren.
Auch ein Brustlatz für eine Braut wurde vorgelegt, der mit Ringen benäht
ist, von denen der Frau bei der Geburt eines Kindes in der Ehe stets einer ab-
gerissen wird. —
(14) Hr. Ed. Krause übergiebt einen Bericht über
Sagen, welche an vorgeschichtliche Gräber anknüpfen,
nnd ttber anderen Aberglauben.
Während meiner Ausgrabungen auf dem Hügelgräber-Felde bei Seddin (vergl.
^Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde^ 1896, S. 82) unterhielten sich meine
Arbeiter angelegentlich über mancherlei Aberglauben, der sich an die Gegend
knüpfL Vor Allem spukte da wieder die goldene Wiege, welche in einem der
Hügel liegen soll; sie wussten leider nicht in welchem, sonst hätten wir sie sicher
bemusgeholi
Eine andere Sage knüpft sich an drei sehr grosse Hügelgräber, welche in einer
geraden Linie von etwa 3 hm Länge liegen. Sie sind jetzt alle drei angegraben,
der eine ganz abgetragen. Der südlichste, grösste von ihnen war bei meinem
Besuche noch 8,5 m hoch und hatte die Gestalt eines grossen Kraters, in Folge
von Nachgrabungen. Er heisst, nach einem Vorbesitzer, der Garlinsche Berg,
häufiger aber noch der Hinzer-Berg, weil nach der Sa^^e in ihm der Kiesenkönig
Heinz oder Hinze begraben sein soll. Dieser ruht der Sage nach in einem goldenen
Sarge, dieser in einem silbernen, der wiederum in einem kupfernen Sarge steht
Der König soll ein goldenes Schwert und andere Kleinodien bei sich haben.
Das nächstgelegene grosse Hügelgrab in dieser Reihe sollte nach der Sage
den goldenen Fingerring des Riesenkönigs Hinze bergen. Als vor etwa 30 Jahren
Steine daraus zum Wege- und Hausbau abgefahren wurden, so dass etwa die
Hälfte von ihm abgetragen wurde, fand man in der Mitte einen goldenen Armring,
über dessen Verbleib ich nichts ermitteln konnte. Da hatte man den Fingerring
des Riesenkönigs. Um so mehr glaubte man nun an den Schatz im Hinzer-Berge
and daran, dass in dem dritten Hügel Heinzens „Geldschrank^ ruhe. Dieser Hügel
wurde gänzlich abgetragen, um die Steine zu verwerthen, denn alle diese Hügel
sind ans Steinen aufgeführt und bergen im Innern eine oder mehrere Steinkisten.
Aber hier wurden weder Hinzens Geldschrank, noch sonst Alterthümer gefunden.
Doch der Fund des goldenen Ringes Hess den Besitzer des Hinzcr-Berges
nicht ruhen. Es ging ihm schlecht, da er mehr im Kruge, als auf seinem Felde
and Hofe war. Hinzens Goldsarg sollte ihn herausreissen. Also an's Werk. Wochen
(118)
am Wochen brachen er and sein Knecht mit der Radehacke die Steine and acbafften
sie den Berg hinunter , so dass der spätere Besitzer riele Handert Fahren Steine
zum Bahn- und Ohaussee-Bau verkaufen konnte und ein Krater von 12 — 15 m
oberem Durchmesser in den Hügel gegraben wurde; aber der Goldsarg kam nicht
Nur ein Bronze-Schwert und einige andere Bronzen wurden gefunden. Diese aber
sind mit dem Bauer verschollen, den die Schulden von Haus und Hof trieben.
Erst sein Nachfolger fand das Gold in den Steinen, indem er sie verkaufte.
Der Kiesenkönig soll auch in einem der Hügel in Kehrberg, Kreis Ost-
Priegnitz*}) stecken, ebenfalls in goldenem Sarge ruhend. Aber in allen den Hügeln,
die ich dort aufgrub, fand ich ihn nicht; ebenso wenig fand ich ihn in den Hügeln
auf dem benachbarten Krams, wo er übrigens zum „Wiesenkönig^ geworden ist
und in einem mit Gold angefüllten Sarge liegi
Eine andere, sehr poetische Sage knüpft sich an das der römischen Kaiser-
zeit angehörende Urnengräber- Feld auf dem schwarzen Belage, 1 km südlich von
Rebenstorf, Kreis Lüchow, Provinz Hannover, im hannoverschen Wendlandc,
dem Fundort der schönen Fenster-Urne des Museums in Salzwedel. Das Gräber-
feld liegt am sanften Süd-Abhange eines grösseren Erdrückens, des sogenannten
schwarzen Berges. In Rebenstorf leben mehrere Leute, die in ihrer Jugend den
dortigen y^Spuk'' gesehen haben. Erst vor Kurzem noch, ehe ich dort Urnen aus-
grub, hatten ihn mehrere Kinder, grössere Mädchen, an verschiedenen Tagen
gesehen, doch meist wenn sie einzeln, seltener wenn ihrer mehrere beisammen
waren. An heissen, sonnigen Sommertagen tritt dieser „Spuk"^ auf, ist also nicht
so gruselig, wie sonst der meist nächtlicher Weile erscheinende Spuk es zu sein
pflegt. Zwerge, Männlein und Weiblein, „die Ungererdschken^, trocknen dann am
schwarzen Berge ihre weiss gewaschene Wäsche. Sie unterhalten sich dabei ganz
munter und treiben mit lustigem Lachen allerhand Scherz bei ihrer Arbeit, nicken
und lachen auch den Kindern und sonstigen Anwesenden freundlich za. Wenn
diese aber näher zu ihnen herangehen oder ihnen laut zurufen, oder nach ihnen
schlagen oder werfen, sind sie wie mit einem Schlage im Erdboden verschwunden.
Man mag dann aber sehen, dass man heil davonkommt.
Bei Bösel, Kreis Lüchow, befindet sich ein Urnengräber-Feld auf dem sogen.
Schlossberge. Da ist schon oft das Schlossfräulein Abends von Hütejungen und
Wanderern gesehen worden. Es thut aber Niemandem was zu Leide, sondern
wandelt still seines Weges. Auch geht dort ein schwarzer Hund um. Auf dem
am Schlossberge vorüherführenden Fahrwege ist es nicht richtig, da bleiben oft
die Pferde vor dem Wagen wie angewurzelt stehen, gerade da, wo sich der Weg
in das Thal zu senken beginnt, und sind nicht vom Fleck zu bringen, weder mit
Gewalt, noch mit Güte.
Dasselbe geschieht oft auf dem, an dem La-Tene-Umengräber-Felde bei Qross-
Chüden, Kr. Salzwedel, vorüberführenden Fahrwege von Jeebel nach Gross-ChOden.
Vor wenigen Jahren erlebte das ein mit seiner Tochter heimfahrender, noch jetzt
lebender Bauer. Nichts vermochte die Pferde zum Weitergehen zu bewegen. Endlich
pinkte sich der Bauer ein Stück Schwamm für die Pfeife an, dass die Funken nar so
stoben, und plötzlich rasten die Pferde wie toll davon. Auf demselben Gräberfelde
geht auch ein grosser, schwarzer Hund um, wie es gar keinen in der ganzen Gegend
giebt. Hütejungen haben ihn oft gesehen. Er erscheint Abends, wenn es schummerig*
wird. Der Schulze Rec kling hat ihn als etwa 12 jähriger Junge selbst gesehen.
Er treibt sein Wesen hauptsächlich ungefähr in der Mitte des Gräberfeldes, da, wo
1) S. VerhandL 1891, S. 262.
(119)
früher ein grosser Grabhügel stand. In diesem Hügel liegt eine goldene Wiege.
Der Yorbesiteer des Planes, der jetzt dem Schulzen Reckling gehört, Bauer
Bäcker inJeebel, hat den Hügel aufgedeckt, um die goldene Wiege zu hpben,
fand aber nichts, als grosse Steine und dazwischen zerdrückte Töpfe. Als das für
die Arbeiter mitgenommene Fass Bier leer war, stellten diese die Arbeit ein und
waren nicht zum Weiterarbeiten zu bringen; denn es wurde Abend, und da geht
der schwarze Hund um.
Auch andere Thiere sind dort gesehen worden.
In dem oben erwähnten Rebenstorf herrscht ein eigenthümlicher Weihnachts-
brauch. Am Weihnachts-Heiligabend muss alle bewegliche Habe jedes Gehöftes
unter Dach sein, Wagen, Pflüge und sonstige Ackeigeräthe, überhaupt alles zum
Hofe Gehörende. Ist etwas davon rerborgt, so wird es sicher am Weihnacbts-
Heiligabend zurückgefordert, wenn yielleicht auch nur auf einen Tag.
In der Walpurgis-Nacht, ^der Mainacht^, gingen (?) die Frauen gegen Morgen
aufs Feld und mähten vor Sonnen-Aufgang etwas Saat von den Nachbars-Feldern,
damit ihr Vieh besser gedeihen solle, das des Nachbars aber nicht Auch wird
von ihnen die Flachs-Saat ror Walpurgis bekreuzigt, nachher nicht mehr.
Wird in Rebenstorf ein Füllen geboren, so hängt man die Nachgeburt an
einen Baum, die eines jungen Hengstes an einen Birnen-, die einer Stute an einen
Apfelbaum.
In Salzwedel werden die Bäume zu Weihnachten ^beschenkt^, indem man
ihnen ein Strohband um den Stamm bindet, damit sie besser tragen sollen. —
(15) Hr. Ed. Krause berichtet femer über
eine Drachen-Sage von Seddin, in der West-Priegnitz.
In dem bereits vorher angezogenen Seddin ist der Drache noch in voller
Thätigkeit, wie ich durch die Unterhaltung meiner Arbeiter unter einander erfuhr.
Mehrere meiner Leute hatten ihn selbst gesehen. Wer ihn an sich zu fesseln weiss,
dem bringt er Glück und namentlich grosse Reichthümer. DieWittwe des Krügers
hat ihr Vermögen zum grossen Theil durch den Drachen. Er fliegt in Gestalt
einer feprigen Schlange in den Schornstein. Ob die Krüger-Wittwe schon früher
sich den Drachen dienstbar gemacht, war nicht bekannt, jedenfalls hat sie aber
früher schon Capitalien auf Zinsen ausgeliehen. Als sie dann den Krug verkaufte,
blieb sie trotzdem im Dorfe, wenn auch in einem anderen Hause, zur Miethe
wohnen. Seitdem sie nun dort wohnt, war der Drache mehrfach von meinen
Leuten bei ihr gesehen worden. Schon von Weitem sahen sie die feurige Schlange
zum Schornstein hineinfliegen. Sie schlichen näher und sahen die Wittwe bei der
Lampe am Tische sitzen und lesen oder Handarbeiten machen. Unter dem Tische
aber sahen sie eine kleine weisse Flamme. Das war der Drache. Nach längerer
Zeit stand die Frau auf und ging in's Schlafzimmer, gefolgt von dem Drachen,
der weissen Flamme. Dasselbe beobachtete ein anderer von meinen Leuten, als
er Nachts um zwölf Uhr noch einen Lichtschein aus dem Fenster der Frau be-
merkte. Diesmal brannte die Lampe nicht; der Drache sass als weisse Flamme
auf dem Tische, anscheinend bei einem Haufen Geld, und die Frau sass mit freund-
lichem Gesicht bei ihm am Tisch. Auch ein anderer Arbeiter, der dies Alles erst
jetzt von seinen Dorfgenossen erfuhr, hatte den Drachen gesehen. Da stand er
bei Sonnen-Untergang am Abendhimmel in Gestalt einer ganz schmalen, lang-
gestreckten, blauen, horizontal liegenden Wolke, aber mit einem richtigen Kopfe,
vier Beinen und einem langen Schwanz.
(120)
Auf der Brücke, die man nach Wolfsgarten zu passiren muss, erscheint Nachts
ein Schimmel ohne Kopf; auch hat sich schon Abends dort den Frauen etwas auf
die Kiepe gehockt, so dass sie sie kaum noch tragen konnten. Das blieb sitzen,
bis sie entweder an das Dorf oder den Dorfteich, oder nach der anderen Richtung
hin an den Kirchhof kamen. —
(16) Hr. Ed. Krause überreicht im Anschluss an seine, yorstehenden Mit-
theilungen einige
Sagen der Umgegend von Trebichow, Kreis Crossen,
welche Hr. Premier-Lieutenant Hans v. Schierstädt die Güte hatte für ihn zu
sammeln.
Es war vor langer, langer Zeit, — damals lebte noch der Ur-Grossvater des
Grossvaters des verstorbenen alten Fenak in Radenickel.
Zwischen dem Teufelssee und Meschak wuchs noch kein Wald. Dort lag Acker,
der von Radenicklem schlecht und recht bearbeitet wurde und auf dem sie ihr
Vieh weideten. Bei den Viehheerden fand sich stets in der Zeit zwischen 12 und
1 Uhr Nachts ein weissgeborner Schimmel ein, der um 1 Uhr in der Richtung des
Teufelssees wieder verschwand.
Der alte Penak hatte den schönen Schimmel oft beobachtet und war schliesslich
zu dem Entschluss gekommen, das Thier möglichst für seine Zwecke zu ver-
wenden.
Er versuchte den Schimmel zu fangen, was ihm ohne Mühe gelang, spannte
ihn vor die Egge und wurde mit Erstaunen gewahr, dass der Schimmel ganz allein
eggte.
Von nun an fing er täglich das gutmüthige Thier und dieses leistete in kurzer
Zeit eine Tagesarbeit, so dass er vor, 1 Uhr. schon, wieder ausgespannt war und
in der Richtung des Teufclssees verschwinden konnte.
Fortan trug der Acker des Penak reichlichere Frucht, als der seiner Nach-
barn, denn keiner konnte so sauber bestellen,' wie Penak mit Hülfe des wunder-
baren Schimmels.
Lange Jahre hatte der Bauer so seinen Acker regelmässig bearbeitet, als ihm
der Gedanke kam, den Schimmel noch mehr auszunutzen, um viel, viel reicher zu
werden. Er liess nun wieder einmal den Schimmel seinen Acker eggen, spannte
ihn aber nicht um 1 Uhr aus. Dieses half ihm indess nichts, denn um Punkt
1 Uhr ging der Schimmel mit der Egge durch und verschwand .mit ihr im
Teufelssce.
Dort liegen Schimmel und Egge noch heute, und nur selten noch steigt ersterer
heraus und eggt die Blossen und Wiesen in der Nähe des Teufelssees zur Mitter-
nachtzeit, oder erschreckt als Schimmel ohne Kopf den einsamen Wanderer. —
Der Nachtreiter am Teufelssee.
In der Nähe des Teufclssees zwischen Grochow und Meschak stand noch vor
75 Jahren ein Theerofen.
Die Kiefern-Stubben zur Theer-Gewinnung wurden in ältester Zeit auch des
Nachts gerodet. Dabei kam es dann öfters vor, dass die Arbeiter durch den Naeht-
reitcr erschreckt und sogar geneckt wurden. Schliesslich trieb der Nachtreiter die
Sache so arg, dass die Leute sich fürchteten und nicht mehr arbeiten wollten.
Der alte Schneider aus Radenickel, der viele Dinge wusste, beruhigte die Leute
und versprach ihnen, bei der nächsten Gelegenheit den Nachtreiter zu entfernen.
(121)
Denn wenn man vom Nachtreiter etwas verlangt, was er nicht ausführen kann,
käme er nicht wieder.
Als nnn gelegentlich des Stabben-Rodens der Nachtreiter die Arbeiter wieder
belästigte, rief ihm der alte Schneider zu: ^ärgern könne sie Jeder, das sei keine
Kunst, er solle ihnen lieber etwas zu essen bringen.*' Der Nachtreiter verschwand
und kam nach einiger Zeit mit einer Pferdekeule wieder, die er den Leuten hin-
warf, und wollte nun den alten Schneider sogar anfassen. Der aber sagte ihm:
«die Pferdekeule könne doch so kein Mensch essen, er müsse auch Salz dazu
bringen, damit sie sie kochen könnten.^ Salz aber konnte der Nachtreiter nicht
bringen, er verschwand und kam nicht wieder.
Südlich von Radenickel liegt auf dem Acker ein Berg (Hügel), der Sprukels-
ben? genannt, auf diesem reitet nach Mitternacht der Nachtreiter auf einem Pferde
(Schimmel?) ohne Kopf. Man muss nicht hingehen, wenn man es hört. —
In Balkow gehen noch heute die Leute, wenn ihr Vieh krank ist, zur Hexe
und beschimpfen diese, dadurch wird das Vieh gesund. Ob bestimmte Worte
bei der Beschimpfung gebraucht werden und wie die Hexe entdeckt wird, konnte
ich noch nicht ermitteln.
Zur Advents- und Passionszeit müssen die Balkowerinnen blaue Röcke tragen;
sonst g^hen sie „bunt^ (Scharlachrock), auch schwarz. Die alten Leute wissen,
dass früher zu bestimmten Festen auch immer bestimmte Farben getragen wurden.
Von dieser Sitte ist aber jetzt nur noch für die oben angegebene Zeit der blaue
Rock tibrig geblieben (die Tracht ist kostspielig). Leider wird den Rindern in
der Schule von den Lehrern nicht erlaubt, die zur Tracht gehörige Haube zu
tragen, sie tragen sie dann später auch nicht. —
Ferner thcilt mir Br. v. Schierstädt über den Glauben an den Drachen
noch Folgendes mit:
In Balkow giebt es noch Leute (früher auch in Ziebingen, Anrith, Matschdorf
und Grimnitz), denen aus uralter Zeit die Wissenschaft überkommen ist, mit Hülfe
des Drachens (Teufels) zu Wohlstand zu gelangen.
Der Drache erscheint dort manchmal in Gestalt eines schwarzen Huhnes.
Deshalb werden von denen, die sich nach herrschender Ansicht fromm dünken,
zugelaufene schwarze Rüken oder Hühnchen gewissenhaft wieder entfernt oder
auch heimlich zu einem Nachbar getragen, dem man wohl Wohlstand, aber auch
den Drachen gönnt, und bei diesem ausgesetzt; nur selber darf sich der Fromme
mit dem Drachen nicht einlassen.
Erzwingen lässt sich die Hülfe und Ankunft des Drachens nicht; seine Er-
werbung ist aber mit Hülfe von Hexen, die es dort noch giebt, nicht ausgeschlossen.
Kommt nun ein Bewohner Balkows in die glückliche oder unglückliche Lage,
dass ihm ein schwarzes Rüken zuläuft, so hat er dieses in einer geräumigen Tonne
auf dem Boden zu verwahren, regelmässig mit Wasser und Futter zu versehen
und übrigens sehr gut zu behandeln. Dann verlässt der Drache nächtlicher Weile
durch den Schornstein das Haus und trägt, auf demselben Wege zurückkommend,
seinem Ernährer Dinge zu, die seinen Wohlstand fordern. Wohl jeder Orts-
Einwohner hat schon gesehen, wie der Drache (Feuerkugel, die in scheinbarer
Richtung eines Hauses niedergeht — auch sehr hell leuchtende Sternschnuppen
werden dafür gehalten — ) zurückkehrt, oft als Zeichen seiner über- oder richtiger
unterirdischen Herkunft einen Rauchstreifen in der Luft zurücklassend.
Li Folge dieser anstrengenden Thätigkeit kann es nicht ausbleiben, dass sich
das Aussehen des Drachens mehr oder weniger verändert, und ebenso am Tage das
(122)
schwarze Huhn in der Tonne mehr und mehr ^knbrig^ (bestossen? struppig?) aus-
sieht Solch' kubriges Aussehen verleitete nun vor längerer Zeit die Magd eines
wohlhabenden Bauern, die das Euhn aus der Tonne nehmen und füttern sollte,
es mit dem Fusse zu stossen, was für die Wirthschaft und die Magd die nach-
theiligsten Folgen hatte. Die Wirthschaft ging mehr und mehr zurück, da der
Drache seine Thätigkeit einstellte, und die Magd bekam ein unheilbares Uebel am
Bein. In ihrer Noth gestand sie der Bäuerin ihre That und wurde sofort aus dem
Dienste entlassen, worauf das Glück wieder in der Wirthschaft einkehrte.
Auch in Trebichow glauben die Leute an die schwarze „Hünne^ als Drachen.
Anstatt des Ausdrucks „Drache^ bedienen sich die Leute auch der Bezeichnung
„Meister Hans'*.
Die Leute halten ihren Glauben an Drachen u. s. w. vor den Geistlichen
äusserst geheim, so dass diese meist nichts davon wissen. —
(17) Hr. H. Schumann übersendet aus Löcknitz, 1. März, einen Bericht
über einen
Bronze -Depotfkind von Clempenow in Pommern.
Derselbe ist in den „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde" 1897, S. 7,
gedruckt. —
(18) Hr. Rud. Virchow berichtet im Verfolg der früheren Mittheilnngen
(S. 34) über den Stand der Verhandlungen betreffend die
Dnrchschneidnng des Schlossberges von Burg im Spreewalde.
Nachdem ich mir durch wiederholte Besprechungen mit dem Bau-Unternehmer
der projectirten Localbahn, Hrn. Becker, eine genauere Einsicht in die Pläne ver-
schafft und die verschiedenen möglichen Linien geprüft hatte, legte ich zunächst
das Ergebniss dem Vorstande und Ausschuss unserer Gesellschaft vor. Da das
Local-Comite und der Bau-Unternehmer zu einem Verzicht auf die Benutzung
des Schlossberges für die Bahnlinie und der dadurch gewonnenen Erde für die
an sich schwierige Herstellung des ßahnplanums nicht zu bestimmen waren, so
schien mir die Hauptaufgabe bei den weiteren Verhandlungen darin zu liegen,
wenigstens die äussere Gestalt des Berges in seinen grossen Formen zu erhalten
und eine Abtragung der peripherischen Theile desselben soviel als möglich zu ver-
hindern. Dieses erschien erreichbar, wenn die Bahnlinie mitten durch den Schloss-
berg gelegt würde, der gerade in seiner Mitte am wenigsten hoch und durch lange
Beackerung sehr beschädigt ist, und wenn von der Anlage von Bahngebäuden inner-
halb dos Schlossberges gänzlich Abstand genommen würde. Der Vorstand und
Ausschuss erklärten sich damit einverstanden.
Inzwischen erhielt ich eine Einladung des Local-Comites zu der Grundstein-
Legung für den bei Straupitz zu erbauenden Bahnhof auf den 15. März. Ich
begab mich dahin und fand ausser dem Bau- Unternehmer und den Vertretern der
Nachbar-Gemeinden den Kreis-Landrath, Hrn. Grafen v. Schulen bürg, und den
durch eigene Forschungen über die Bedeutung des Gegenstandes wohl unter-
richteten Grafen Houwald, den Besitzer der nüchstgrossen Strecke. Allerseits
legte man Einspruch dagegen ein, dass der Berg ganz geschont werde, und ich
musste anerkennen, dass gute Gründe dafür beigebracht werden konnten. Dagegen
erklärte man sich bereit, auf den vorher erwähnten Plan einzugehen, auch alle
Fundstücke sorgfältig sammeln zu lassen und an die Verwaltung des prähistorischen
(123)
Mosernns abzuliefern and eine Beanfsichtigang durch zu bezeichnende Sach-
▼erstftndige zuzulassen.
Es schien mir jedoch nothwendigy weitere Fürsorge für die Erhaltung der zu
schonenden Abschnitte des Berges zu treffen. Der Gedanke, den ganzen Berg für
den öffentlichen Zweck anzukaufen und dadurch auch die Besitzer und andere Per-
sonen an der weiteren Zerstörung der ehrwürdigen Anlage zu hindern, war schon
früher, wenngleich mehr gelegentlich, in grösseren Kreisen besprochen worden,
and es durfte angenommen werden, dass auch die Provinzial- Behörden und die Ge-
meinden sich daran betheiligen wfLrden, falls die Staatsregierung die Sache in die
Hand nähme. Das Local-Comite erklärte sich bereit, seine Mitwirkung zu einem
solchen Zweck, namentlich zu Verhandlungen .mit den Besitzern, zur Verfügung
zu stellen.
Indem ich Seiner Excellenz dem Herrn Ünterrichts-Minister Bericht erstattete
über den Gang dieser Verhandlungen, erlaubte ich mir zu b^iintragen, der Herr
Minister wolle
1. die Genehmigung zu der Ausführung der projectirten Linie und zu der
Benutzung des dabei gewonnenen Materials an Bodenbestandtheilen er-
theilen, bezw. vermitteln,
2. die Erwerbung der weiteren Theile des Berges aus öffentlichen Mitteln
recht bald in die Wege leiten.
Zugleich bezeichnete ich zwei Männer aus der Nachbarschaft, welche für die
Beaufsichtigung der demnächst vorzunehmenden Grabungen geeignet seien, und
bemerkte: für den Fall, dass wichtigere Funde gemacht oder unerwartete Verhält-
nisse aufgedeckt werden sollten, würden sowohl das Museum für Völkerkunde, als
auch die Anthropologische Gesellschaft stets in der Lage sein, aus ihrem Personal
geschulte Kräfte zu stellen.
Es ist dabei zu erwähnen, dass nach den bisherigen Ermittelungen der Boden
des Berges aus einer natürlichen, überwiegend sandigen Erhöhung besteht, über
welche nur dünne Calturschichten gelagert sind. Letztere sind gerade in den
mittleren Theilen so viel durchwühlt, dass darin bedeutende Funde kaum zu er-
warten sein dürften. Indess sind doch in früherer Zeit einzelne wichtigere Stücke
zu Tage gekommen, so dass eine beständige Aufmerksamkeit geboten ist.
Immerhin darf die jetzige Vereinbarung als das höchste Maass des nach Lage
der Gesetzgebung und nach den Bedürfnissen des praktischen Lebens Erreichbaren
mit einer gewissen Befriedigung aufgenommen werden. —
(19) Hr. Hermann Busse zeigt
märkische Alterthümer ans den Kreisen Nieder- und Ober-Barnim,
Beeskow-Storkow, Ost-Havelland.
Wird in den ^Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde'^ gedruckt werden. —
(20) Hr. Otto Helm in Danzig übersendet nachstehenden Bericht über die
chemische Untersuchung vorgeschichtlicher Bronzen.
In dem städtischen Museum zu El hing in Westpreussen befindet sich eine
reichhaltige Sammlung vorgeschichtlicher Gegenstände, welche ausschliesslich aus
dem Kreise Elbing stammen. Namentlich ist die Bronzezeit unter den Funden
dieser Sammlung gut vertreten. Die meisten Bronzefunde wurden in Steinkisten-
Gräbern gemacht, nur wenige waren Einzelfunde. Dann befinden sich in dem
(124)
Mnaeam noch zahlreiche Fände ans der aeolithischen uad ans der rdmischen Epoche.
Ton letzteren sind die bemerken swerthesten die aar einem reichhaltigen Gräber-
felde des Silberberges bei Leazen gefundenen Beigaben, damnter die in mehreren
Exemplaren vertretene Armbmst-Sprossenfibel (Esten- Fibel). Hr. Prof. Roh. Dorr,
der Vorsitzende der Glbinger AI terthnms- Gesell seh all, war so freondlich, mir ans
der bezeichneten Sammlung einige Bronzen znr Vertilgung zu stellen, um dieselben
einer chemischen Analyse zu unterwerfen. Ich wählte von ihnen sechs ans, deren
Zusammensetzung ich nachstehend mitlheile. Um ein Urtheil über das Alter und
die Zagehörigkeit jedes einzelnen Untersuchungs-Objectes zu gewinnen, fllge ich
ich den Analysen noch einige von Hrn. Dorr angefertigte Abbildungen bei.
1. Hohlcelt mit Oehr (Fig. 1), gefunden im Vogelsanger Walde bei Elbing
(s. Lissauer, Prähistorische Denkmäler der Provinz Westpreussen, 1887, S. 83
und Dorr, Programm des Elbinger Real-Gymnasiums 1893, 5. 16 unter 3). Der
Celt ist aussen mit einer grünen Patina bezogen, innen von rothgellKr Farbe.
Pig- 2- V,
In lOOTheilcn sind enthalten:
Kupfer 91,12 Theile
Zinn 0,78 „
Blei 1,63 ,
Silber 0,45 „
Eisen 0,49 ^
Antimon 4.48 „
Arsen 0,32 „
Nickel 11,61 „
Schwefel 0,1-2 „
(125)
Wie aus der vorstehendca Analyse ersichtlich ist, zeichnet sich der Hohicelt
durch einen Gehalt yon mehr als 4 pCt. Antimon aus, dagegen ist in ihm nur eine
geringe Menge von Zinn enthalten. Die Bronze ähnelt in dieser Beziehung einigen
ToigeschichUichen Bronzen des Westpreussischen ProTinzial-Mnseams.
2. Schaftcelt (Fig. 2), gefanden höchst wahrscheinlich in Orunanhöhe bei Elbing
(s. Lissauer, wie oben, 8. 93 und Dorr, wie oben, S. 16 unter Nr. 4), aussen mit
gelblich-grUner Patina bezogen, innen hellkupferroth.
In lOOTheilen des Gelts sind enthalten:
Kupfer 90,99. Theile
Zinn 3,34 „
Blei 2,02 „
' Eisen 0,28 „
Antimon 1,53 ^
Nickel 0,95 „
Schwefel 0,89 „
Kobalt Spuren
AufTällig ist in der Zusammensetzung des Geltes der nicht unbedeutende Gehalt
von Nickel und Antimon.
3. Lanzenspitze (Fig. 3), gefunden zu Drewshofif bei Elbing, unter einem
Steine im Walde (s. Lissauer, wie oben, S. 83 und Dorr, wie oben, S. 15 unter
Nr. 1). Sie ist aussen mit einer glänzenden grünen Patina bezogen, innen rothgelb.
In lOOTheilen sind enthalten:
Kupfer 80,59 Theile
Zinn
. 13,38
Blei
. 2,26
Silber
0,15
Eisen
0,21
Antimon ....
2,79
Nickel
. 0,41
Schwefel
0,21
In der untersuchten Lanzenspitze sind Antimon und Blei in bemerkenswerther
Menge enthalten.
4. Spirale (Fig. 4), in Grunauhöhe bei Elbing gefunden, nach Lissauer und
Dorr der Hallstädter Epoche angehörend (s. Dorr, wie Torhin, 8. 18, unter Nr. 2).
Die Spirale ist aussen dunkelgrttngrau bezogen, innen gelbroth.
In 100 Theilen sind enthalten:
Kupfer 92,62 Theile
Zinn 3,46 „
Blei 1,59 „
Silber 0,15 „
Eisen 0,35 „
Antimon 0,83 „
Nickel 0,65 ,
Schwefel 0,35 „
Arsen Spuren
5. Schlei fcnringe, aus Urnen entnommen, welche sich auf dem Neustädter
Felde, südlich vom Elbinger Bahnhofe befanden. Die Urnen standen in Stein-
kisten-Gräbern (s. Dorr, wie vorhin, 8. 19, unter Nr. 5). Die Ringe sind aussen
(116)
in Zelten leben. Immerhin haben aie aich noch manches Ursprüngliche bewahrt;
dahin gehört besonders die Bearbeitung des Holzes zo allen möglichea Haas- und
Wirthschafts-Geräthen. Von den zum Theil sehr hübsch gearbeiteten nnd beschnitzten
Sachen wurde eine grössere Anzahl vorgelegt, darunter ein aus Holz geschnitztes
Käsesieb (Fig. 1) mit Trichter (Fig. 2), ferner ein beschnitzter Löffel aus Holz (Fig. 3).
Fig 4.
Pig. la zeigt »las hölzerne Sieb von der Seite, Fig. 1* von oben gesehen. In
letzterer Figur sind die Eippen zu sehen, welche den Boden bedecken; sie sind
mit dem Napfe aus demselben Stück geschnitten. Femer sieht man in der Mitte
des Bodens ein viereckiges Loch, sowie an der Peripherie des Bodens zwei
dreieckige und ein rundes Loch zum Ablassen der Molken. Dieser Siebnapf winl
beim Gebrauch auT den Trichter (Fig- -) gesetzt, in welchen feines Gras gelegt
wird, um den Küse zurückzuhalten. Dadurch werden die Löcher im Siebe nach and
nach voll von KäsekrUmelchen, und lassen dann wohl noch die Molken, nicht aber
den Käse durch. Man hat so den Käse beim Abheben des Siebes vollständig rein
and braucht ihn nicht erst von dum GrasßUer zu trennen. Fig. 2u stellt den
Trichter von der Seite gesehen dar, Fig. 2/i den boschnitzlen Griff von oben.
Das Sieb hat 1 j,ti c»i, der Trichter 16 nn oberen Durchmesser; beide sind aas
Birken-Maserholz geschnitzt.
(117)
Fig. 3 zeigt einen aus Holz geschnitzten Löffel, in dessen hohlem Stiel drei
Kugeln spielen, welche nicht hineingesteckt, sondern an Ort und Stelle aus dem
beim Aushöhlen des Stieles lose werdenden Stück Holz geschnitzt sind. Auch der
Behang am Stielende ist mit dem Stiel aus einem Stück geschnitzt. Die Ver-
zierungen im Löffel selbst sind iii ziemlich feinen Strichen eingravirt, die Blätter
and Blumen schraffirt. Der Löffel ist' 17,5 cm lang.
Dies nur einige Proben der vielen Schnitzarbeiten, welche die Leute mit sich
führten. Von Interesse dürfte ausserdem noch ein Stelzbein sein, das sich der
eine Lappe selbst gemacht hat Er hat vor Jahren beim Absturz von einem Felsen
«in Bein gebrochen. Der Bruch ist schief geheilt. Um das Bein gebrauchen zu
können, hat er sich das Stelzbein Fig. 4 erfunden. Die obere Pfanne stützt den
Oberschenkel, an den sie angeschnallt wird; der Unterschenkel legt sich mit seiner
Aussenseite gegen die Stelze, die Fussspitze greift hinter die Stelze. So kann der
Mann ohne grosse Beschwerden marschiren.
Auch ein Brustlatz für eine Braut wurde vorgelegt, der mit Ringen benäht
ist, von denen der Frau bei der Geburt eines Kindes in der Ehe stets einer ab-
gerissen wird. —
(14) Hr. Ed. Krause übergiebt einen Bericht über
Sagen, welche an vorgeschichtliche Gräber anknüpfen,
und über anderen Aberglauben.
Während meiner Ausgrabungen auf dem Hügelgräber-Felde bei Seddin (vcrgl.
^Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde^ 1896, S. 82) unterhielten sich meine
Arbeiter angelegentlich über mancherlei Abei^lauben, der sich an die Gegend
knüpft Vor Allem spukte da wieder die goldene Wiege, welche in einem der
Hügel liegen soll; sie wussten leider nicht in welchem, sonst hätten wir sie sicher
herausgeholt
Eine andere Sage knüpft sich an drei sehr grosse Hügelgräber, welche in einer
geraden Linie von etwa 3 km Länge liegen. Sie sind jetzt alle drei angegraben,
der eine ganz abgetragen. Der südlichste, grösste von ihnen war bei meinem
Besuche noch 8,5 m hoch und hatte die Gestalt eines grossen Kraters, in Folge
von Nachgrabungen. Er heisst, nach einem Yorbesitzer, der Garlinsche Berg,
häufiger aber noch der Hinzer-Berg, weil nach der Sage in ihm der Riesenkönig
Heinz oder Hinze begraben sein soll. Dieser ruht der Sage nach in einem goldenen
Sarge, dieser in einem silbernen, der wiederum in einem kupfernen Sarge steht
Der König soll ein goldenes Schwert und andere Kleinodien bei sich haben.
Das nächstgelegene grosse Hügelgrab in dieser Reihe sollte nach der Sage
den goldenen Fingerring des Riesenkönigs Hinze bergen. Als vor etwa 30 Jahren
Steine daraus zum Wege- und Hausbau abgefahren wurden, so dass etwa die
Hälfte von ihm abgetragen wurde, fand man in der Mitte einen goldenen Armring,
über dessen Verbleib ich nichts ermitteln konnte. Da hatte man den Fingerring
des Riesenkönigs. Um so mehr glaubte man nun an den Schatz im Hinzer-Berge
and daran, dass in dem dritten Hügel Heinze's „Geldschrank'^ ruhe. Dieser Hügel
wurde gänzlich abgetragen, um die Steine zu verwerthen, denn alle diese Hügel
sind aus Steinen aufgeführt und bergen im Innern eine oder mehrere Steinkisten.
Aber hier wurden weder Hinzens Geldschrank, noch sonst Alterthümer gefunden.
Doch der Fund des goldenen Ringes Hess den Besitzer des Hinzer-Berges
nicht ruhen. Es ging ihm schlecht, da er mehr im Kruge, als auf seinem Felde
und Hofe war. Hinzens Goldsarg sollte ihn herausreissen. Also an's Werk. Wochen
(118)
am Wochen brachen er und sein Knecht mit der Radehacke die Steine und schafften
sie den Berg hinunter, so dass der spätere Besitzer viele Hundert Fahren Steine
znm Bahn- und Chaussee-Bau verkaufen konnte und ein Krater von 12 — 15 m
oberem Durchmesser in den Hfigel gegraben wurde; aber der Goldsarg kam nicht.
Nur ein Bronze-Schwert und einige andere Bronzen wurden gefunden. Diese aber
sind mit dem Bauer verschollen, den die Schulden Yon Haus und Hof trieben.
Erst sein Nachfolger fand das Gold in den Steinen, indem er sie verkaufte.
Der Riesenkönig soll auch in einem der Hügel in Kehrberg, Kreis Ost*
Priegnitz')} stecken, ebenfalls in goldenem Sarge ruhend. Aber in allen den Hügeln,
die ich dort aufgrub, fand ich ihn nicht; ebenso wenig fand ich ihn in den Hügeln
auf dem benachbarten Krams, wo er übrigens zum „Wiesenkönig^ geworden ist
und in einem mit Gold angefüllten Sarge liegt.
Bine andere, sehr poetische Sage knüpft sich an das der römischen Kaiser-
zeit angehörende Urnengräber- Feld auf dem schwarzen Bei^e, 1 km südlich von
Rebenstorf, Kreis Lüchow, Provinz Hannover, im hannoverschen Wendlande,
dem Fundort der schönen Fenster-Urne des Museums in Salzwedel. Das Gräber-
feld liegt am sanften Süd-Abhange eines grösseren Erdrückens, des sogenannten
schwarzen Berges. In Rebenstorf leben mehrere Leute, die in ihrer Jugend den
dortigen ^^P^^'' gesehen haben. Erst vor Kurzem noch, ehe ich dort Urnen aus-
grub, hatten ihn mehrere Kinder, grössere Mädchen, an verschiedenen Tagen
gesehen, doch meist wenn sie einzeln, seltener wenn ihrer mehrere beisammen
waren. An heissen, sonnigen Sommertagen tritt dieser „Spuk*^ auf, ist also nicht
so gruselig, wie sonst der meist nächtlicher Weile erscheinende Spuk es zu sein
pflegt. Zwerge, Männlein und Weiblein, „die Ungererdschken", trocknen dann am
schwarzen Berge ihre weiss gewaschene Wäsche. Sie unterhalten sich dabei ganz
munter und treiben mit lustigem Lachen allerhand Scherz bei ihrer Arbeit, nicken
und lachen auch den Kindern und sonstigen Anwesenden freundlich zu. Wenn
diese aber näher zu ihnen herangehen oder ihnen laut zurufen, oder nach ihnen
schlagen oder werfen, sind sie wie mit einem Schlage im Erdboden verschwunden.
Man mag dann aber sehen, dass man heil davonkommt.
Bei Bösel, Kreis Lüchow, befindet sich ein Urnengräber-Feld auf dem sogen.
Schlossberge. Da ist schon oft das Schlossfräulein Abends von Hütejungen und
Wanderern gesehen worden. Es thut aber Niemandem was zu Leide, sondern
wandelt still seines Weges. Auch geht dort ein schwarzer Hund um. Auf dem
am Schlossberge vorüherführenden Fahrwege ist es nicht richtig, da bleiben oft
die Pferde vor dem Wagen wie angewurzelt stehen, gerade da, wo sich der Weg
in das Thal zu senken beginnt, und sind nicht vom Fleck zu bringen, weder mit
Gewalt, noch mit Güte.
Dasselbe geschieht oft auf dem, an dem La-Tfene-Umengräber-Felde bei Gross-
Chüden, Kr. Salzwedel, vorüberführenden Fahrwege von Jeebel nach Gross-Chüden.
Vor wenigen Jahren erlebte das ein mit seiner Tochter heimfahrender, noch jetzt
lebender Bauer. Nichts vermochte die Pferde zum Weitergehen zu bewegen. Endlich
pinkte sich der Bauer ein Stück Schwamm für die Pfeife an, dass die Funken nur so
stoben, und plötzlich rasten die Pferde wie toll davon. Auf demselben Gräberfelde
geht auch ein grosser, schwarzer Hund um, wie es gar keinen in der ganzen Gegend
giebt. Hütejungen haben ihn oft gesehen. Er erscheint Abends, wenn es schummerig
wird. Der Schulze Reckling hat ihn als etwa 12 jähriger Junge selbst gesehen.
Er treibt sein Wesen hauptsächlich ungefähr in der Mitte des Gräberfeldes, da, wo
1) S. Verhandl. 1891, S. 262.
(119)
froher ein grosser Grabhügel stand. In diesem Hügel liegt eine goldene Wiege.
Der Yorbesitzer des Planes, der jetzt dem Schulzen Reekling gehört, Bauer
Bäcker inJeebel, hat den Hügel aufgedeckt, um die goldene Wiege zu hßben,
fand aber nichts, als grosse Steine und dazwischen zerdrückte Töpfe. Als das für
die Arbeiter mitgenommene Fass Bier leer war, stellten diese die Arbeit ein und
waren nicht zum Weiterarbeiten zu bringen; denn es wurde Abend, und da geht
der schwarze Hund um.
Auch andere Thiere sind dort gesehen worden.
In dem oben erwähnten Rebenstorf herrscht ein eigenthümlicher Weihnachts-
brauch. Am Weihnachts-Heiligabend muss alle bewegliche Habe jedes Gehöftes
unter Dach sein, Wagen, Pflüge und sonstige Ackei^eräthe, überhaupt alles zum
Hofe Gehörende. Ist etwas davon verborgt, so wird es sicher am Weihnachts-
Heiligabend zurückgefordert, wenn vielleicht auch nur auf einen Tag.
In der Walpurgis-Nacht, ^der Mainacht^, gingen (?) die Frauen gegen Morgen
aufs Feld und mähten vor Sonnen-Aufgang etwas Saat von den Nachbars-Feldem,
damit ihr Vieh besser gedeihen solle, das des Nachbars aber nicht Auch wird
von ihnen die Flachs-Saat vor Walpurgis bekreuzigt, nachher nicht mehr.
Wird in Rebenstorf ein Füllen geboren, so hängt man die Nachgeburt an
einen Baum, die eines jungen Hengstes an einen Birnen-, die einer Stute an einen
Apfelbaum.
In Salzwedel werden die Bäume zu Weihnachten ^beschenkt^, indem man
ihnen ein Strohband um den Stamm bindet, damit sie besser tragen sollen. —
(15) Hr. Ed. Krause berichtet femer über
eine Drachen-Sage von Seddin, in der West-Priegnitz.
In dem bereits vorher angezogenen Seddin ist der Drache noch in voller
Thätigkeit, wie ich durch die Unterhaltung meiner Arbeiter unter einander erfuhr.
Mehrere meiner Leute hatten ihn selbst gesehen. Wer ihn an sich zu fesseln weiss,
dem bringt er Glück und namentlich grosse Reichthümer. DieWittwe des Krügers
hat ihr Vermögen zum grossen Theil durch den Drachen. Er fliegt in Gestalt
einer feurigen Schlange in den Schornstein. Ob die Krüger-Wittwe schon früher
sich den Drachen dienstbar gemacht, war nicht bekannt, jedenfalls hat sie aber
früher schon Capitalien auf Zinsen ausgeliehen. Als sie dann den Krug verkaufte,
blieb sie trotzdem im Dorfe, wenn auch in einem anderen Hause, zur Miethe
wohnen. Seitdem sie nun dort wohnt, war der Drache mehrfach von meinen
Leuten bei ihr gesehen worden. Schon von Weitem sahen sie die feurige Schlange
zum Schornstein hineinfliegen. Sie schlichen näher und sahen die Wittwe bei der
Lampe am Tische sitzen und lesen oder Handarbeiten machen. Unter dem Tische
aber sahen sie eine kleine weisse Flamme. Das war der Drache. Nach längerer
Zeit stand die Frau auf und ging in^s Schlafzimmer, gefolgt von dem Drachen,
der weissen Flamme. Dasselbe beobachtete ein anderer von meinen Leuten, als
er Nachts um zwölf Uhr noch einen Lichtschein aus dem Fenster der Frau be-
merkte. Diesmal brannte die Lampe nicht; der Drache sass als weisse Flamme
auf dem Tische, anscheinend bei einem Haufen Geld, und die Frau sass mit freund-
lichem Gesicht bei ihm am Tisch. Auch ein anderer Arbeiter, der dies Alles erst
jetzt von seinen Dorfgenossen erfahr, hatte den Drachen gesehen. Da stand er
bei Sonnen-Untergang am Abendhimmel in Gestalt einer ganz schmalen, lang-
gestreckten, blauen, horizontal liegenden Wolke, aber mit einem richtigen Kopfe,
vier Beinen und einem langen Schwanz.
(120)
Auf der Brücke, die man nach Wolfsgarten zu passiren muss, erscheint Nachts
ein Schimmel ohne Kopf; auch hat sich schon Abends dort den Frauen etwas auf
die Kiepe gehockt, so dass sie sie kaum noch tragen konnten. Das blieb sitzen,
bis sie entweder an das Dorf oder den Dorfteich, oder nach der anderen Richtung
hin an den Kirchhof kamen. —
(16) Hr. Ed. Krause überreicht im Anschluss an seine, vorstehenden Mit-
theilungen einige
Sagen der Umgegend von Trebichow, Kreis Crossen,
welche Hr. Premier-Lieutenant Hans v. Schierstädt die Güte hatte für ihn zu
■sammeln.
Es war vor langer, langer Zeit, — damals lebte noch der Ür-Grossvater des
Grossvaters des verstorbenen alten Penak in Radenickel.
Zwischen dem Teufelssee und Meschak wuchs noch kein Wald. Dort lag Acker,
der von Radenicklem schlecht und recht bearbeitet wurde und auf dem sie ihr
Vieh weideten. Bei den Yiehheerden fand sich stets in der Zeit zwischen 12 und
1 Uhr Nachts ein weissgeborner Schimmel ein, der um 1 Uhr in der Richtung des
Teufelssees wieder verschwand.
Der alte Penak hatte den schönen Schimmel oft beobachtet und war schliesslich
zu dem Entschluss gekommen, das Thier möglichst für seine Zwecke zu ver-
wenden.
Er versuchte den Schimmel zu fangen, w^s ihm ohne Mühe gelang, spannte
ihn vor die Egge und wurde mit Erstaunen gewahr, dass der Schimmel ganz allein
eggte.
Von nun an fing er täglich das gutmüthige Thier und dieses leistete in kurzer
Zeit eine Tagesarbeit, so dass er vor 1 Uhr. schon wieder ausgespannt war und
in der Richtung des Teufelssees verschwinden konnte.
Fortan trug der Acker des Penak reichlichere Frucht, als der seiner Nach-
barn, denn keiner konnte so sauber bestellen,' wie Penak mit Hülfe des wunder-
baren Schimmels.
Lange Jahre hatte der Bauer so seinen Acker regelmässig bearbeitet, als ihm
der Gedanke kam, den Schimmel noch mehr auszunutzen, um viel, viel reicher zu
werden. Er Hess nun wieder einmal den Schimmel seinen Acker eggen, spannte
ihn aber nicht um 1 Uhr aus. Dieses half ihm indess nichts, denn um Punkt
1 Uhr ging der Schimmel mit der Egge durch und verschwand .mit ihr im
Teufelssee.
Dort liegen Schimmel und Egge noch heute, und nur selten noch steigt ersterer
heraus und eggt die Blossen und Wiesen in der Nähe des Teufelssees zur Mitter-
nachtzeit, oder erschreckt als Schimmel ohne Kopf den einsamen Wanderer. —
Der Nachtreiter am Teufelssee.
In der Nähe des Teufelssees zwischen Grochow und Meschak stand noch vor
75 Jahren ein Theerofen.
Die Kiefern-Stubben zur Theer-Gewinnung wurden in ältester Zeit auch des
Nachts gerodet. Dabei kam es dann öfters vor, dass die Arbeiter durch den Nacht-
reiter erschreckt und sogar geneckt wurden. Schliesslich trieb der Nachtreiter die
Sache so arg, dass die Leute sich fürchteten und nicht mehr arbeiten wollten.
Der alte Schneider aus Radenickel, der viele Dinge wusste, beruhigte die Leute
und versprach ihnen, bei der nächsten Gelegenheit den Nachtreiter zu entfernen.
(121)
Denn wenn man rom Nachtreiter etwas verlangt, was er nicht ausführen kann,
käme er nicht wieder.
Als nan gelegentlich des Stubben-Rodens der Nfachtreiter die Arbeiter wieder
belästigte, rief ihm der alte Schneider zn: ^ärgern könne sie Jeder, das sei keine
Kunst, er solle ihnen lieber etwas zu essen bringen.'' Der Nachtreiter verschwand
und kam nach einiger Zeit mit einer Pferdekeule wieder, die er den Leuten hin-
warf, und wollte nun den alten Schneider sogar anfassen. Der aber sagte ihm:
^die Pferdekeule könne doch so kein Mensch essen, er müsse auch Salz dazu
bringen, damit sie sie kochen könnten.'' Salz aber konnte der Nachtreiter nicht
bnngen, er verschwand und kam nicht wieder.
Südlich von Radenickel liegt auf dem Acker ein Berg (Hügel), der Sprukels-
berg genannt, auf diesem reitet nach Mitternacht der Nachtreiter auf einem Pferde
(Schimmel?) ohne Kopf. Man muss nicht hingehen, wenn man es hört. —
In Balkow gehen noch heute die Leute, wenn ihr Vieh krank ist, zur Hexe
und beschimpfen diese, dadurch wird das Vieh gesund. Ob bestimmte Worte
bei der Beschimpfung gebraucht werden und wie die Hexe entdeckt wird, konnte
ich noch nicht ermitteln.
Zur Advents- und Passionszeit müssen die Balkowerinnen blaue Röcke tragen;
sonst gehen sie „bunt^ (Scbarlachrock), auch schwarz. Die alten Leute wissen,
dass früher zu bestimmten Festen auch immer bestimmte Farben getragen wurden.
Von dieser Sitte ist aber jetzt nur noch für die oben angegebene Zeit der blaue
Rock übrig geblieben (die Tracht ist kostspielig). Leider wird den Rindern in
der Schule von den Lehrern nicht erlaubt, die zur Tracht gehörige Haube zu
tragen, sie tragen sie dann später auch nicht. —
Ferner theilt mir Hr. v. Schierstädt über den Glauben an den Drachen
noch Folgendes mit:
In Balkow giebt es noch Leute (früher auch in Ziebingen, Anrith, Matschdorf
und Grimnitz), denen aus uralter Zeit die Wissenschaft Überkommen ist, mit Hülfe
des Drachens (Teufeis) zu Wohlstand zu gelangen.
Der Drache erscheint dort manchmal in Gestalt eines schwarzen Huhnes.
Deshalb werden von denen, die sich nach herrschender Ansicht fromm dünken,
zugelaufene schwarze Küken oder Hühnchen gewissenhaft wieder entfernt oder
auch heimlich zu einem Nachbar getragen, dem man wohl Wohlstand, aber auch
den Drachen gönnt, und bei diesem ausgesetzt; nur selber darf sich der Fromme
mit dem Drachen nicht einlassen.
Erzwingen lässt sich die Hülfe und Ankunft des Drachens nicht; seine Er-
werbung ist aber mit Hülfe von Hexen, die es dort noch giebt, nicht ausgeschlossen.
Kommt nun ein Bewohner Balkows in die glückliche oder unglückliche Lage,
dass ihm ein schwarzes Küken zuläuft, so hat er dieses in einer geräumigen Tonne
auf dem Boden zu verwahren, regelmässig mit Wasser und Futter zu versehen
und übrigens sehr ^ut zu behandeln. Dann verlässt der Drache nächtlicher Weile
durch den Schornstein das Haus und trägt, auf demselben Wege zurückkommend,
seinem Ernährer Dinge zu, die seinen Wohlstand fördern. Wohl jeder Orts-
Einwohner hat schon gesehen, wie der Drache (Feuerkugel, die in scheinbarer
Richtung eines Hauses niedergeht — auch sehr hell leuchtende Sternschnuppen
werden dafür gehalten — ) zurückkehrt, oft als Zeichen seiner über- oder richtiger
unterirdischen Herkunft einen Rauchstreifen in der Luft zurücklassend.
In Folge dieser anstrengenden Thütigkeit kann es nicht ausbleiben, dass sich
das Aussehen des Drachens mehr oder weniger verändert, und ebenso am Tage das
(122)
schwarze Huhn in der Tonne mehr und mehr ^knbrig^ (bestossen? struppig?) aus-
sieht Solch^ kubriges Aussehen yerleitete nun vor längerer Zeit die Magd eines
wohlhabenden Bauern, die das Huhn aus der Tonne nehmen und füttern sollte,
es mit dem Fasse zu stossen, was für die Wirthschaft und die Magd die nach-
theiligsten Folgen hatte. Die Wirthschaft ging mehr und mehr zurück, da der
Drache seine Thätigkeit einstellte, und die Magd bekam ein unheilbares Uebel am
Bein. In ihrer Noth gestand sie der Bäuerin ihre That und wurde sofort aus dem
Dienste entlassen, worauf das Glück wieder in der Wirthschaft einkehrte.
Auch in Trebichow glauben die Leute an die schwarze „Hünne^ als Drachen.
Anstatt des Ausdrucks ^ Drache'^ bedienen sich die Leute auch der Bezeichnung
y,Meister Hans^.
Die Leute halten ihren Glauben an Drachen u. s. w. vor den Geistlichen
äusserst geheim, so dass diese meist nichts davon wissen. —
(17) Hr. H. Schumann übersendet aus Löcknitz, 1. März, einen Bericht
über einen
Bronze -Depotfund von Clempenow in Pommern.
Derselbe ist in den ^Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde^ 1897, S. 7,
gedruckt, —
(18) Hr. Rud. Virchow berichtet im Verfolg der früheren Mittheilungen
(S. 34) über den Stand der Verhandlungen betreffend die
Durchschneidung des Schlossberges von Burg im Spreewalde.
Nachdem ich mir durch wiederholte Besprechungen mit dem Bau-Unternehmer
der projectirten Localbahn, Hrn. Becker, eine genauere Einsicht in die Pläne ver-
schafft und die verschiedenen möglichen Linien geprüft hatte, legte ich zunächst
das Ergebniss dem Vorstande und Ausschuss unserer Gesellschaft vor. Da das
Local-Comitü und der Bau-Unternehmer zu einem Verzicht auf die Benutzung
des Schlossberges für die Bahnlinie und der dadurch gewonnenen Erde für die
an sich schwierige Herstellung des ßahnplanums nicht zu bestimmen waren, so
schien mir die Hauptaufgabe bei den weiteren Verhandlungen darin zu liegen,
wenigstens die äussere Gestalt des Berges in seinen grossen Formen zu erhalten
und eine Abtragung der peripherischen Theile desselben soviel als möglich zu ver-
hindern. Dieses erschien erreichbar, wenn die Bahnlinie mitten durch den Schloss-
berg gelegt würde, der gerade in seiner Mitte am wenigsten hoch und durch lange
Beackerung sehr beschädigt ist, und wenn von der Anlage von Bahngebäuden inner-
halb des Schlossberges gänzlich Abstand genommen würde. Der Vorstand und
Ausschuss erklärten sich damit einverstanden.
Inzwischen erhielt ich eine Einladung des Local-Comites zu der Grundstein-
Legung für den bei Straupitz zu erbauenden Bahnhof auf den 15. März. Ich
begab mich dahin und fand ausser dem Bau-Unternehmer und den Vertretern der
Nachbar-Gemeinden den Kreis-Landrath, Hrn. Grafen v. Schulenburg, und den
durch eigene Forschungen über die Bedeutung des Gegenstandes wohl unter-
richteten Grafen Houwald, den Besitzer der nüchstgrossen Strecke. Allerseits
legte man Einspruch dagegen ein, dass der Berg ganz geschont werde, und ich
musste anerkennen, dass gute Gründe dafür beigebracht werden konnten. Dagegen
erklärte man sich bereit, auf den vorher erwähnten Plan einzugehen, auch alle
Fundstücke sorgfaltig sammeln zu lassen und an die Verwaltung des prähistorischen
(123)
Mnseams abzuliefern und eine Beaufsichtigang durch zu bezeichnende Sach-
Terständige zuzulassen.
Es schien mir jedoch nothwendig, weitere Fürsorge für die Erhaltung der zu
schonenden Abschnitte des Berges zu treffen. Der Gedanke, den ganzen Berg ftlr
den öffentlichen Zweck anzukaufen und dadurch auch die Besitzer und andere Per-
sonen an der weiteren Zerstörung der ehrwürdigen Anlage zu hindern, war schon
früher, wenngleich mehr gelegentlich, in grösseren Kreisen besprochen worden,
und es durfte angenommen werden, dass auch die Provinzial- Behörden und die Ge-
meinden sich daran betheiligen würden, falls die Staatsregierung die Sache in die
Hand nähme. Das Local-Comite erklärte sich bereit, seine Mitwirkung zu einem
solchen Zweck, namentlich zu Verhandlungen .mit den Besitzern, zur Verfügung
zu stellen.
Indem ich Seiner Excellenz dem Herrn Unterrichts-Minister Bericht erstattete
über den Gang dieser Verbandlungen, erlaubte ich mir zu b^jintragen, der Herr
Minister wolle
1. die Genehmigung zu der Ausführung der projectirten Linie und zu der
Benutzung des dabei gewonnenen Materials an Bodenbestand tb eilen er-
theilen, bezw. vermitteln,
2. die Erwerbung der weiteren Theile des Berges aus öffentlichen Mitteln
recht bald in die Wege leiten.
Zugleich bezeichnete ich zwei Männer aus der Nachbarschaft, welche für die
Beaufsichtigung der demnächst vorzunehmenden Grabungen geeignet seien, und
bemerkte: für den Fall, dass wichtigere Funde gemacht oder unerwartete Verhält-
nisse aufgedeckt werden sollten, würden sowohl das Museum für Völkerkunde, als
auch die Anthropologische Gesellschaft stets in der Lage sein, aus ihrem Personal
geschulte Kräfte zu stellen.
Es ist dabei zu erwähnen, dass nach den bisherigen Ermittelungen der Boden
des Berges aus einer natürlichen, überwiegend sandigen Erhöhung besteht, über
welche nur dünne Culturschichten gelagert sind. Letztere sind gerade in den
mittleren Theilen so viel durchwühlt, dass darin bedeutende Funde kaum zu er-
warten sein dürften. Indess sind doch in früherer Zeit einzelne wichtigere Stücke
zu Tage gekommen, so dass eine beständige Aufmerksamkeit geboten ist.
Immerhin darf die jetzige Vereinbarung als das höchste Maass des nach Lage
der Gesetzgebung und nach den Bedürfnissen des praktischen Lebens Erreichbaren
mit einer gewissen Befriedigung aufgenommen werden. —
(19) Hr. Hermann Busse zeigt
märkische Alterthümer aus den Kreisen Nieder- und Ober-Barnim,
Beeskow-Storkow, Ost-Havelland.
Wird in den ,, Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde^ gedruckt werden. —
(20) Hr. Otto Helm in Danzig übersendet nachstehenden Bericht über die
chemische Untersuchung vorgeschichtlicher Bronzen.
In dem städtischen Museum zu Elbing in Westpreussen befindet sich eine
reichhaltige Sammlung Torgeschichtlicher Gegenstände, welche ausschliesslich aus
dem Kreise Elbing stammen. Namentlich ist die Bronzezeit unter den Funden
dieser Sammlung gut vertreten. Die meisten Bronzefunde wurden in Steinkisten-
Gräbern gemacht, nur wenige waren Einzelfunde. Dann befinden sich in dem
(124)
Uuseom noch zahlreiche Funde aus der neolithischeo nnd aus der römischen Elpoche.
Von letzteren sind die b emergens wert besten die anf einem reichhaltigen Gräber-
felde des Silberbergea bei Lenzen gefundenen ßeigaben, darunter die in mehreren
Exemplaren «erbetene Armbrust-Sprossenfibel (Esten- Fibel). Hr. Fror. Hob. Dorr,
der Vorsitzende der Elbinger Alterthnms-Gesellschaft, war so freundlich, mir ans
der bezeichneten Sammlung einige Bronzen zur Verfügung zo stellen, um dieselben
einer chemischen Analyse zu unterwerfen. Ich wählte von ihnen sechs ans, deren
Zusammensetzung ich nachstehend mittheile. Um ein TJrtheil über das Alter und
die Zugehörigkeit jedes einzelnen Untcrsuchungs-Objectes zu gewinnen, lUge ich
ich den Analysen noch einige von Hrn. Dorr angefertigte Abbildungen bei-
1. Hohlcelt mit Oehr [Fig. 1), gefunden im Vogelsanger Walde bei Elbing
(s. Lissauer, Prähistorische Denkmäler der Provinz Westpreussen , 1887, 8, 83
und Dorr, Programm des Elbinger Keal-Oymnasiums 1893, S. 15 unter 2). Der
Celt ist aussen mit einer grünen Patina bezogen, innen von rothgelber Farbe.
Fig. 3.
I^g-2. V,
Tn lOOTheilen sind enthalten:
Kupfer 91,12 Theile
Zinn 0,78 „
Blei 1,63 ,
Silber 0,45 „
Eisen 0,49 ,
Antimon 4,48 ,,
Ar«en 0,32 ,
Nickel 0,61 „
Schwefel 0,12 „
(125)
Wie ans der Yörstehendcn Analyse ersichtlich ist, zeichnet sich der Hohicelt
durch einen Gehalt von mehr als 4 pCt. Antimon aus, dagegen ist in ihm nur eine
geringe Menge von Zinn enthalten. Die Bronze ähnelt in dieser Beziehung einigen
vorgeschichtlichen Bronzen des Westpreussischen Provinzial-Museums.
2. Schaftcelt (Fig. 2), gefunden höchst wahrscheinlich in Orunauhöhe bei Elbing
(s. Lissauer, wie oben, S. 93 und Dorr, wie oben, S. 16 unter Nr. 4), aussen mit
gelblich-grüner Patina bezogen, innen hellkupferroth.
In 100 Theilen des Gelts sind enthalten:
Kupfer 90,99. Theile
Zinn 3,34 ^
Blei 2,02 „
* Eisen 0,28 „
Antimon 1,53 „
Nickel 0,95 ^
Schwefel 0,89 „
Kobalt Spuren
Auffällig ist in der Zusammensetzung des Geltes der nicht unbedeutende Gehalt
von Nickel und Antimon.
3. Lanzenspitze (Fig. 3), gefunden zu Drewshoff bei Elbing, unter einem
Steine im Walde (s. Lissauer, wie oben, S. 83 und Dorr, wie oben, S. 15 unter
Nr. 1). Sie ist aussen mit einer glänzenden grünen Patina bezogen, innen rothgelb.
In lOOTheilen sind enthalten:
Kupfer 80,59 Theile
Zinn 13,38 „
Blei 2,26 „
Silber 0,15 „
Eisen 0,21 „
Antimon 2,79 „
Nickel 0,41 „
Schwefel 0,21 „
In der untersuchten Lanzenspitze sind Antimon und Blei in bemerkenswerther
Menge enthalten.
4. Spirale (Fig. 4), in Grunauhöhe bei Elbing gefunden, nach Lissauer und
Dorr der Hallstädter Epoche angehörend (s. Dorr, wie vorhin, S. 18, unter Nr. 2).
Die Spirale ist aussen dunkelgrüngrau bezogen, innen gelbroth.
In 100 Theilen sind enthalten:
Kupfer 92,62 Theile
Zinn 3,46 „
Blei 1,59 „
Silber 0,15 „
Eisen 0,35 „
Antimon 0,^3 „
Nickel 0,65 „
Schwefel 0,35 „
Arsen Spuren
5. Schleifenringe, aus Urnen entnommen, welche sich auf dem Neustädter
Felde, stidlich vom Elbinger Bahnhofe befanden. Die Urnen standen in Stein-
kisten-Gräbern (s. Dorr, wie vorhin, S. 19, unter Nr. 5). Die Ringe sind aussen
(116)
in Zelten leben. Immerhin haben sie sich noch manche§ Ursprüngliche bewahrt;
dahin gehört besonders die Bearbeitnng des Bolzes zu allen möglichen Hans- und
Wirthscharts-Geräthen. Ton den zum Theil sehr hübsch gearbeiteten und be8chnitzl«n
Sachen wurde eine grössere Anzahl vorgelegt, darunter ein aus Holz geschnitztes
Käsesieb (Fig. 1) mit Trichter (Pig. 2), ferner ein beschnitzter Löffel aus Bolz (Fig. 3).
Fig 4.
Fig. Id zeigt das hälzeme Sieb von der Seite, Fig. Ih von oben gesehen, la
letzterer Figur sind die Rippen zu sehen, welche den Boden bedecken; sie sind
mit dem Napfe aus demselben Stück geschnitten. Ferner sieht man in der Uitie
des Bodens ein viereckiges Loch, sowie an der Peripherie des Bodens zwei
dreieckige und ein rundes Loch zum Ablassen der Holken. Dieser Siebnupf wird
beim Gebrauch auf den Trichter (Fig. 2) gesetzt, in welchen feines Gras gelegt
wird, um den Küse zurückzuhalten. Uadurcti werden die Löcher im Siebe nach und
nach voll von Küsekrilm eichen, und lassen dann wohl noch die Molken, nicht aber
den Käse durch. Mnn hat so den Käse beim Abheben des Siebes vollständig rem
und braucht ihn nicht erst von dem Grasfllter zu trennen. Fig. 2a stellt den
Trichter von der Seite gesehen dar, Fig. iO den beschnitztm Griff von oben.
Dos Sieb hut l.'i,6 cm, der Trichter 16 nn oberen Durchmesser; beide sind ans
Dirken-Muserholz geschnitzt.
(117)
Fig. 3 zeigt einen aus Holz geschnitzten Löffel, in dessen hohlem Stiel drei
Kugeln spielen, welche nicht hineingesteckt, sondern an Ort und Stelle aus dem
beim Aushöhlen des Stieles lose werdenden Stück Holz geschnitzt sind. Auch der
Behang am Stielende ist mit dem Stiel aus einem Stück geschnitzt. Die Ver-
zierungen im Löffel selbst sind in ziemlich feinen Strichen eingravirt, die Blätter
and Blumen schraf&rt. Der Löffel ist* 17,5 cm lang.
Dies nur einige Proben der vielen Schnitzarbeiten, welche die Leute mit sich
führten. Von Interesse dürfte ausserdem noch ein Stelzbein sein, das sich der
eine Lappe selbst gemacht hat. Er hat vor Jahren beim Absturz von einem Felsen
ein Bein gebrochen. Der Bruch ist schief geheilt. Um das Bein gebrauchen zu
können, hat er sich das Stelzbein Fig. 4 erfunden. Die obere Pfanne stützt den
Oberschenkel, an den sie angeschnallt wird; der Unterschenkel legt sich mit seiner
Aossenseite gegen die Stelze, die Fussspitze greift hinter die Stelze. So kann der
Mann ohne grosse Beschwerden marschiren.
Auch ein Brustlatz für eine Braut wurde vorgelegt, der mit Ringen benäht
ist, von denen der Fran bei der Geburt eines Kindes in der Ehe stets einer ab-
gerissen wird. —
(14) Hr. Ed. Krause übergiebt einen Bericht über
Sagen, welche an vorgeschichtliche Gräber anknüpfen,
und über anderen Aberglauben.
Während meiner Ausgrabungen auf dem Hügelgräber-Felde bei Seddin (vorgl.
^Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde^ 1896, S. 82) unterhielten sich meine
Arbeiter angelegentlich über mancherlei Abeiglauben, der sich an die Gegend
knüpft. Vor Allem spukte da wieder die goldene Wiege, welche in einem der
Hügel liegen soll; sie wussten leider nicht in welchem, sonst hätten wir sie sicher
herausgeholt.
Eine andere Sage knüpft sich an drei sehr grosse Hügelgräber, welche in einer
geraden Linie von etwa 3 km Länge liegen. Sie sind jetzt alle drei angegraben,
der eine ganz abgetragen. Der südlichste, grösste von ihnen war bei meinem
Besuche noch 8,5 m hoch und hatte die Gestalt eines grossen Kraters, in Folge
von Nachgrabungen. Er heisst, nach einem Vorbesitzer, der Garlinsche Berg,
häufiger aber noch der Hinzer-Berg, weil nach der Sage in ihm der Riesenkönig
Heinz oder Hinze begraben sein soll. Dieser ruht der Sage nach in einem goldenen
Sarge, dieser in einem silbernen, der wiederum in einem kupfernen Sarge steht
Der König soll ein goldenes Schwert und andere Kleinodien bei sich haben.
Das nächstgelegene grosse Hügelgrab in dieser Reihe sollte nach der Sage
den goldenen Fingerring des Riesenkönigs Hinze bergen. Als vor etwa 30 Jahren
Steine daraus zum Wege- und Hausbau abgefahren wurden, so dass etwa die
Hälfte von ihm abgetragen wurde, fand man in der Mitte einen goldenen Armring,
über dessen Verbleib ich nichts ermitteln konnte. Da hatte man den Fingerring
des Riesenkönigs. Um so mehr glaubte man nun an den Schatz im Hinzer-Berge
and daran, dass in dem dritten Hügel Heinzens „Geldschrank^ ruhe. Dieser Hügel
wurde gänzlich abgetragen, um die Steine zu verwerthen, denn alle diese Hügel
sind aus Steinen aufgeführt und bergen im Innern eine oder mehrere Steinkisten.
Aber hier wurden weder Hinzens Geldschrank, noch sonst Alterthümer gefunden.
Doch der Fund des goldenen Ringes Hess den Besitzer des Hinzer-Berges
nicht ruhen. Es ging ihm schlecht, da er mehr im Kruge, als auf seinem Felde
und Hofe war. Hinzens Goldsarg sollte ihn herausreissen. Also an's Werk. Wochen
(118)
am Wochen brachen er und sein Knecht mit der Radehacke die Steine und achafften
sie den Berg hinanter, so dass der spätere Besitzer viele Hundert Fahren Steine
zam Bahn- und Ohanss^e-Ban verkaufen konnte und ein Krater von 12^15 m
oberem Durchmesser in den Hfigei gegraben wurde; aber der Ooldsarg kam nicht.
Nur ein Bronze-Schwert und einige andere Bronzen wurden gefunden. Diese aber
sind mit dem Bauer verschollen, den die Schulden von Haus und Hof trieben.
Erst sein Nachfolger fand das Gold in den Steinen, indem er sie verkaufte.
Der Kiesenkönig soll auch in einem der Hügel in Kehrberg, Kreis Ost-
Priegnitz*)) stecken, ebenfalls in goldenem Sarge ruhend. Aber in allen den HOgeln,
die ich dort aufgrub, fand ich ihn nicht; ebenso wenig fand ich ihn in den Hügeln
auf dem benachbarten Krams, wo er übrigens zum „Wiesenkönig*^ geworden ist
und in einem mit Gold angefüllten Sarge liegt
Bine andere, sehr poetische Sage knüpft sich an das der römischen Kaiser-
zeit angehörende Umengräber-Feld auf dem schwarzen Bei^e, 1 km südlich von
Rebenstorf, Kreis Lüchow, Provinz Hannover, im hannoverschen Wendlande,
dem Fundort der schönen Fenster-Urne des Museums in Salzwedel. Das Gräber-
feld liegt am sanften Süd-Abhange eines grösseren Erdrückens, des sogenannten
schwarzen Berges. In Hebenstorf leben mehrere Leute, die in ihrer Jugend den
dortigen ^Spuk^ gesehen haben. Erst vor Kurzem noch, ehe ich dort Urnen aus-
grub, hatten ihn mehrere Kinder, grössere Mädchen, an verschiedenen Tagen
gesehen, doch meist wenn sie einzeln, seltener wenn ihrer mehrere beisammen
waren. An heissen, sonnigen Sommertagen tritt dieser „Spuk*^ auf, ist also nicht
so gruselig, wie sonst der meist nächtlicher Weile erscheinende Spuk es zu sein
pflegt. Zwerge, Männlein und Weiblein, „die Ungererdschken**, trocknen dann am
schwarzen Berge ihre weiss gewaschene Wäsche. Sie unterhalten sich dabei ganz
munter und treiben mit lustigem Lachen allerhand Scherz bei ihrer Arbeit, nicken
und lachen auch den Kindern und sonstigen Anwesenden freundlich zu. Wenn
diese aber näher zu ihnen herangehen oder ihnen laut zurufen, oder nach ihnen
schlagen oder werfen, sind sie wie mit einem Schlage im Erdboden verschwunden.
Man mag dann aber sehen, dass man heil davonkommt.
Bei Bösel, Kreis Lüchow, befindet sich ein Umengräber-Feld auf dem sogen.
Schlossberge. Da ist schon oft das Schlossfräulein Abends von Hütejungen und
Wanderern gesehen worden. Es thut aber Niemandem was zu Leide, sondern
wandelt still seines Weges. Auch geht dort ein schwarzer Hund um. Auf dem
am Schlossberge vorüberführenden Fahrwege ist es nicht richtig, da bleiben oft
die Pferde vor dem Wagen wie angewurzelt stehen, gerade da, wo sich der Weg
in das Thal zu senken beginnt, und sind nicht vom Fleck zu bringen, weder mit
Gewalt, noch mit Güte.
Dasselbe geschieht oft auf dem, an dem La-Tfene-Umengräber-Felde bei Qross-
Chüden, Kr. Salzwedel, vorüberführenden Fahrwege von Jeebel nach Gross-ChOden.
Vor wenigen Jahren erlebte das ein mit seiner Tochter heimfahrender, noch jetzt
lebender Bauer. Nichts vermochte die Pferde zum Weitergehen zu bewegen. Endlich
pinkte sich der Bauer ein Stück Schwamm für die Pfeife an, dass die Funken nur so
stoben, und plötzlich rasten die Pferde wie toll davon. Auf demselben Gräberfelde
geht auch ein grosser, schwarzer Hund um, wie es gar keinen in der ganzen Gegend
giebt. Hütejungen haben ihn oft gesehen. Er erscheint Abends, wenn es schummerig
wird. Der Schulze Reckling hat ihn als etwa 12jähriger Junge selbst gesehen.
Er treibt sein Wesen hauptsächlich ungeföhr in der Mitte des Gräberfeldes, da, wo
1) S. VerhandL 1891, 8. 262.
(119)
früher ein grosser Grabhügel stand. In diesem Hügel liegt eine goldene Wiege.
Der Yorbesitzer des Planes, der jetzt dem Schulzen Reckling gehört, Bauer
Bäcker inJeebel, hat den Hügel aufgedeckt, um die goldene Wiege zu h^ben,
fand aber nichts, als grosse Steine und dazwischen zerdrückte Töpfe. Als das für
die Arbeiter mitgenommene Fass Bier leer war, stellten diese die Arbeit ein und
waren nicht zum Weiterarbeiten zu bringen; denn es wurde Abend, und da geht
der schwarze Hund um.
Auch andere Thiere sind dort gesehen worden.
In dem oben erwähnten Rebenstorf herrscht ein eigenthümlicher Weihnachts-
brauch. Am Weihnachts-Heiligabend muss alle bewegliche Habe jedes Gehöftes
unter Dach sein, Wagen, Pflüge und sonstige Ackergeräthe, überhaupt alles zum
Hofe Gehörende. Ist etwas davon yerborgt, so wird es sicher am Weihnachts-
Heiligabend zurückgefordert, wenn yieileicht auch nur auf einen Tag.
In der Walpurgis-Nacht, „der Mainacht^, gingen (?) die Frauen gegen Morgen
aufs Feld und mähten vor Sonnen-Aufgang etwas Saat Yon den Nachbars-Feldem,
damit ihr Vieh besser gedeihen solle, das des Nachbars aber nicht. Auch wird
Ton ihnen die Flachs-Saat vor Walpurgis bekreuzigt, nachher nicht mehr.
Wird in Kebenstorf ein Füllen geboren, so hängt man die Nachgeburt an
einen Baum, die eines jungen Hengstes an einen Birnen-, die einer Stute an einen
Apfelbaum.
In Salzwedel werden die Bäume zu Weihnachten „beschenkt*^, indem man
ihnen ein Strohband um den Stamm bindet, damit sie besser tragen sollen. —
(15) Hr. Ed. Krause berichtet femer über
eine Drachen-Sage von Seddin, in der West-Priegnitz.
In dem bereits vorher angezogenen Seddin ist der Drache noch in voller
Thätigkeit, wie ich durch die Unterhaltung meiner Arbeiter unter einander erfuhr.
Mehrere meiner Leute hatten ihn selbst gesehen. Wer ihn an sich zu fesseln weiss,
dem bringt er Glück und namentlich grosse Reichthümer. DieWittwe des Krtlgers
hat ihr Vermögen zum grossen Theil durch den Drachen. Er fliegt in Gestalt
einer feprigen Schlange in den Schornstein. Ob die KiHger-Wittwe schon früher
sich den Drachen dienstbar gemacht, war nicht bekannt, jedenfalls hat sie aber
früher schon Capitalien auf Zinsen ausgeliehen. Als sie dann den Krug verkaufte,
blieb sie trotzdem im Dorfe, wenn auch in einem anderen Hause, zur Miethe
wohnen. Seitdem sie nun dort wohnt, war der Drache mehrfach von meinen
Leuten bei ihr gesehen worden. Schon von Weitem sahen sie die feurige Schlange
zum Schornstein hineinfliegen. Sie schlichen näher und sahen die Wittwe bei der
Lampe am Tische sitzen und lesen oder Handarbeiten machen. Unter dem Tische
aber sahen sie eine kleine weisse Flamme. Das war der Drache. Nach längerer
Zeit stand die Frau auf und ging in's Schlafzimmer, gefolgt von dem Drachen,
der weissen Flamme. Dasselbe beobachtete ein anderer von meinen Leuten, als
er Nachts um zwölf Uhr noch einen Lichtschein aus dem Fenster der Frau be-
merkte. Diesmal brannte die Lampe nicht; der Drache sass als weisse Flamme
auf dem Tische, anscheinend bei einem Haufen Geld, und die Frau sass mit freund-
lichem Gesicht bei ihm am Tisch. Auch ein anderer Arbeiter, der dies Alles erst
jetzt von seinen Dorfgenossen erfuhr, hatte den Drachen gesehen. Da stand er
bei Sonnen-Untei^gang am Abendhimmel in Gestalt einer ganz schmalen, lang-
gestreckten, blauen, horizontal liegenden Wolke, aber mit einem richtigen Kopfe,
vier Beinen und einem langen Schwanz.
(120)
Auf der Brücke, die man nach Wolfogarten zu passiren muss, erscheint Nachts
ein Schimmel ohne Kopf; auch hat sich schon Abends dort den I<Vauen etwas auf
die ELiepe gehockt, so dass sie sie kaum noch tragen konnten. Das blieb sitzen,
bis sie entweder an das Dorf oder den Dorfteich, oder nach der anderen Bichtnng
hin an den Kirchhof kamen. —
(16) Hr. Ed. Krause überreicht im Anschluss an seine vorstehenden Mii-
theilungen einige
Sagen der Umgegend von Trebichow, Kreis Crossen,
welche Hr. Premier-Lieutenant Hans y. Schierstädt die Güte hatte für ihn zu
' sammeln.
Es war vor langer, langer Zeit, — damals lebte noch der Ur-Grossvater des
Gross Vaters des verstorbenen alten Penak in Radenickel.
Zwischen dem Teufelssee und Meschak wuchs noch kein Wald. Dort lag Acker,
der von Kadenicklem schlecht und recht bearbeitet wurde und auf dem sie ihr
Vieh weideten. Bei den Viehheerden fand sich stets in der Zeit zwischen 12 und
1 Uhr Nachts ein weissgebomer Schimmel ein, der um 1 Uhr in der Eichtang des
Teufelssees wieder verschwand.
Der alte Penak hatte den schönen Schimmel oft beobachtet und war schliesslich
zu dem Entschluss gekommen, das Thier möglichst für seine Zwecke zu ver-
wenden.
Er versuchte den Schimmel zu fangen, was ihm ohne Mühe gelang, spannte
ihn vor die Egge und wurde mit Erstaunen gewahr, dass der Schimmel ganz allein
eggte.
Von nun an fing er täglich das gutmüthige Thier und dieses leistete in kurzer
Zeit eine Tagesarbeit, so dass er vor 1 Uhr.«chon wieder aasgespannt war und
in der Richtung des Teufelssees verschwinden konnte.
Fortan trug der Acker des Penak reichlichere Frucht, als der seiner Nach-
barn, denn keiner konnte so sauber bestellen,' wie Penak mit Hülfe des wunder-
baren Schimmels.
Lange Jahre hatte der Bauer so seinen Acker regelmässig bearbeitet, als ihm
der Gedanke kam, den Schimmel noch mehr auszunutzen, um viel, viel reicher zu
werden. Er Hess nun wieder einmal den Schimmel seinen Acker eggen, spannte
ihn aber nicht um 1 Uhr aus. Dieses half ihm indess nichts, denn um Punkt
1 Uhr ging der Schimmel mit der Egge durch und verschwand .mit ihr im
Teufelssee.
Dort liegen Schimmel und Egge noch heute, und nur selten noch steigt ersterer
heraus und eggt die Blossen und Wiesen in der Nähe des Teufelssees zur liitter-
nachtzeit, oder erschreckt als Schimmel ohne Kopf den einsamen Wanderer. —
Der Nachtreiter am Teufelssee.
In der Nähe des Teufelssees zwischen Grochow und Meschak stand noch vor
75 Jahren ein Theerofen.
Die Kiefern-Stubben zur Theer-Gewinnung wurden in ältester Zeit auch des
Nachts gerodet. Dabei kam es dann öfters vor, dass die Arbeiter durch den Naeht-
reiter erschreckt und sogar geneckt wurden. Schliesslich trieb der Nachtreiter die
Sache so arg, dass die Leute sich fürchteten und nicht mehr arbeiten wollten.
Der alte Schneider aus Radenickel, der viele Dinge wusste, beruhigte die Leute
und versprach ihnen, bei der nächsten Gelegenheit den Nachtreiter zu entfernen.
(121)
Denn wenn man vom Nachtretter etwas verlangt, was er nicht ausfuhren kann,
käme er nicht wieder.
Als nnn gelegentlich des Stubben-Eodens der Kachtreiter die Arbeiter wieder
belästigte, rief ihm der alte Schneider zn: ^ärgern könne sie Jeder, das sei keine
Kunst, er solle ihnen lieber etwas zu essen bringen.'' Der Nachtreiter verschwand
und kam nach einiger Zeit mit einer Pferdekeule wieder, die er den Leuten hin-
warf, und wollte nun den alten Schneider sogar anfassen. Der aber sagte ihm:
„die Pferdekeule könne doch so kein Mensch essen, er müsse auch Salz dazu
bringen, damit sie sie kochen könnten.'' Salz aber konnte der Nacbtreiter nicht
bringen, er verschwand und kam nicht wieder.
Südlich von Radenickel liegt auf dem Äcker ein Berg (Hügel), der Sprukels-
berg genannt, auf diesem reitet nach Mittemacht der Nachtreiter auf einem Pferde
(Schimmel?) ohne Kopf. Man muss nicht hingehen, wenn man es hört. —
In Balkow gehen noch heute die Leute, wenn ihr Vieh krank ist, zur Hexe
und beschimpfen diese, dadurch wird das Vieh gesund. Ob bestimmte Worte
bei der Beschimpfung gebraucht werden und wie die Hexe entdeckt wird, konnte
ich noch nicht ermitteln.
Zur Advents- und Passionszeit müssen die Balkowerinnen blaue Röcke tragen;
sonst gehen sie „bunt" (Scharlach rock), auch schwarz. Die alten Leute wissen,
dass früher zu bestimmten Festen auch immer bestimmte Farben getragen wurden.
Von dieser Sitte ist aber jetzt nur noch für die oben angegebene Zeit der blaue
Rock übrig geblieben (die Tracht ist kostspielig). Leider wird den Rindern in
der Schule von den Lehrern nicht erlaubt, die zur Tracht gehörige Haube zu
tragen, sie tragen sie dann später auch nicht —
Ferner theilt mir Br. v. Schierstädt über den Glauben an den Drachen
noch Folgendes mit:
In Balkow giebt es noch Leute (früher auch in Ziebingen, Anrith, Matschdorf
und Grimnitz), denen aus uralter Zeit die Wissenschaft überkommen ist, mit Hülfe
des Drachens (Teufels) zu Wohlstand zu gelangen.
Der Drache erscheint dort manchmal in Gestalt eines schwarzen Huhnes.
Deshalb werden von denen, die sich nach herrschender Ansicht fromm dünken,
zugelaufene schwarze Küken oder Hühnchen gewissenhaft wieder entfernt oder
auch heimlich zu einem Nachbar getragen, dem man wohl Wohlstand, aber auch
den Drachen gönnt, und bei diesem ausgesetzt; nur selber darf sich der Fromme
mit dem Drachen nicht einlassen.
Erzwingen lässt sich die Hülfe und Ankunft des Drachens nicht; seine Er-
werbung ist aber mit Hülfe von Hexen, die es dort noch giebt, nicht ausgeschlossen.
Kommt nun ein Bewohner Balkows in die glückliche oder unglückliche Lage,
dass ihm ein schwarzes Küken zuläuft, so hat er dieses in einer geräumigen Tonne
auf dem Boden zu verwahren, regelmässig mit Wasser und Futter zu versehen
und übrigens sehr gut zu behandeln. Dann verlässt der Drache nächtlicher Weile
durch den Schornstein das Haus und trägt, auf demselben Wege zurückkommend,
seinem Ernährer Dinge zu, die seinen Wohlstand fördern. Wohl jeder Orts-
Einwohner hat schon gesehen, wie der Drache (Feuerkugel, die in scheinbarer
Richtung eines Hauses niedergeht — auch sehr hell leuchtende Sternschnuppen
werden dafür gehalten — ) zurückkehrt, oft als Zeichen seiner über- oder richtiger
unterirdischen Herkunft einen Rauchstreifen in der Luft zurücklassend.
In Folge dieser anstrengenden Thätigkeit kann es nicht ausbleiben, dass sich
das Aussehen des Drachens mehr oder weniger verändert, und ebenso am Tage das
(122)
schwarze Huhn in der Tonne mehr nnd mehr ^knbrig^ (bestossen? struppig?) aus-
sieht Solch' kubriges Aussehen rerleitete nun vor längerer Zeit die Magd einet
wohlhabenden Bauern, die das Buhn aus der Tonne nehmen und füttem sollte,
es mit dem Fusse zu stossen, was für die Wirthschaft und die Magd die nach-
theiligsten Folgen hatte. Die Wirthschaft ging mehr und mehr zurück, da der
Drache seine Thätigkeit einstellte, und die Magd bekam ein unheilbares Uebel am
Bein. In ihrer Noth gestand sie der Bäuerin ihre That und wurde sofort aus dem
Dienste entlassen, worauf das Glück wieder in der Wirthschaft einkehrte.
Auch in Trebichow glauben die Leute an die schwarze „Hünne^ als Drachen.
Anstatt des Ausdrucks ^ Drache^ bedienen sich die Leute auch der Bezeichnung
„Meister Hans^.
Die Leute halten ihren Glauben an Drachen u. s. w. vor den Geistlichen
äusserst geheim, so dass diese meist nichts davon wissen. —
(17) Hr. H. Schumann übersendet aus Löcknitz, 1. März, einen Bericht
ttber einen
Bronze -Depotfund Ton Clempenow in Pommern.
Derselbe ist in den „Nachrichten über deutsche Alterthnmsfunde^ 1897, 8. 7,
gedruckt. —
(18) Hr. Rud. Virchow berichtet im Verfolg der früheren Mittheilungen
(S. 34) über den Stand der Verhandlungen betreffend die
Durchschneidung des Schlossberges Ton Barg im Spreewalde.
Nachdem ich mir durch wiederholte Besprechungen mit dem Bau-Unternehmer
der projectirten Localbahn, Hrn. Becker, eine genauere Einsicht in die Pläne ver-
schafft nnd die verschiedenen möglichen Linien geprüft hatte, legte ich zunächst
das Ergebniss dem Vorstande und Ausschuss unserer Gesellschaft vor. Da das
Local-Gomite und der Bau-Üntemehmer zu einem Verzicht auf die Benutzung
des Schlossberges für die Bahnlinie und der dadurch gewonnenen Erde für die
an sich schwierige Herstellung des ßahnplanums nicht zu bestimmen waren, so
schien mir die Hauptaufgabe bei den weiteren Verhandlungen darin zu liegen,
wenigstens die äussere Gestalt des Berges in seinen grossen Formen zu erhalten
und eine Abtragung der peripherischen Theile desselben soviel als möglich zu ver-
hindern. Dieses erschien erreichbar, wenn die Bahnlinie mitten durch den Schloss-
berg gelegt würde, der gerade in seiner Mitte am wenigsten hoch und durch lange
Beackerung sehr beschädigt ist, und wenn von der Anlage von Bahngebäuden inner-
halb des Schlossberges gänzlich Abstand genommen würde. Der Vorstand und
Ausschuss erklärten sich damit einverstanden.
Inzwischen erhielt ich eine Einladung des Locnl-Comites zu der Grundstein-
Legung für den bei Straupitz zu erbauenden Bahnhof auf den 15. März. Ich
begab mich dahin und fand ausser dem Bau- Unternehmer und den Vertretern der
Nachbar-Gemeinden den Kreis-Landrath, Hrn. Grafen v. Schulenburg, und den
durch eigene Forschungen über die Bedeutung des Gegenstandes wohl unter-
richteten Grafen Houwald, den Besitzer der nächstgrossen Strecke. Allerseits
legte man Einspruch dagegen ein, dass der Berg ganz geschont werde, und ich
musste anerkennen, dass gute Gründe dafür beigebracht werden konnten. Dagegen
erklärte man sich bereit, auf den vorher erwähnten Plan einzugehen, auch alle
Fundstücke sorgfältig sammeln zu lassen und an die Verwaltung des prähistorischen
(123)
Hmeiuns abzuliefern und eine Beanfsichtigong durch zu bezeichnende Sach»
verständige zuzulassen.
Es schien mir jedoch nothwendig, weitere Fürsorge für die Erhaltung der zu
schonenden Abschnitte des Berges zu treffen. Der Gedanke, den ganzen Berg für
den öffentlichen Zweck anzukaufen und dadurch auch die Besitzer und andere Per-
sonen an der weiteren Zerstörung der ehrwürdigen Anlage zu hindern, war schon
früher, wenngleich mehr gelegentlich, in grösseren Kreisen besprochen worden,
und es durfte angenommen werden, dass auch die Provinzial- Behörden und die Ge-
meinden sich daran betheiligen würden, falls die Staatsregierung die Sache in die
Hand nähme. Das Local-Comite erklärte sich bereit, seine Mitwirkung zu einem
solchen Zweck, namentlich zu Verhandlungen .mit den Besitzern, zur Verfügung
zu stellen.
Indem ich Seiner Excellenz dem Herrn Unterrichts-Minister Bericht erstattete
über den Gang dieser Verhandlungen, erlaubte ich mir zu b^^intragen, der Herr
Minister wolle
1. die Genehmigung zu der Ausführung der projectirten Linie und zu der
Benutzung des dabei gewonnenen Materials an Bodenbestandtheilen er-
theilen, bezw. vermitteln,
2. die Erwerbung der weiteren Theile des Berges aus öffentlichen Mitteln
recht bald in die Wege leiten.
Zugleich bezeichnete ich zwei Männer aus der Nachbarschaft, welche für die
Beaufsichtigung der demnächst vorzunehmenden Grabungen geeignet seien, und
bemerkte: für den Fall, dass wichtigere Funde gemacht oder unerwartete Verhält-
nisse aufgedeckt werden sollten, würden sowohl das Museum für Völkerkunde, als
auch die Anthropologische Gesellschaft stets in der Lage sein, aus ihrem Personal
geschulte Kräfte zu stellen.
Es ist dabei zu erwähnen, dass nach den bisherigen Ermittelungen der Boden
des Berges aus einer natürlichen, überwiegend sandigen Erhöhung besteht, über
welche nur dünne Gulturschichten gelagert sind. Letztere sind gerade in den
mittleren Theilen so viel durchwühlt, dass darin bedeutende Funde kaum zu er-
warten sein dürften. Indess sind doch in früherer Zeit einzelne wichtigere Stücke
zu Tage gekommen, so dass eine beständige Aufmerksamkeit geboten ist.
Immerhin darf die jetzige Vereinbarung als das höchste Maass des nach Lage
der Gesetzgebung und nach den Bedürfnissen des praktischen Lebens Erreichbaren
mit einer gewissen Befriedigung aufgenommen werden. —
(19) Hr. Hermann Busse zeigt
märkische Alterthümer aus den Kreisen Nieder- und Ober-Barnim,
Beeskow-Storkow, Ost-HaTelland.
Wird in den „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde'^ gedruckt werden. —
(20) Hr. Otto Helm in Danzig übersendet nachstehenden Bericht über die
chemische Untersuchung Torgeschichtlicher Bronzen.
In dem städtischen Museum zu Elbing in Westpreussen befindet sich eine
reichhaltige Sammlung vorgeschichtlicher Gegenstände, welche ausschliesslich aus
dem Kreise Elbing stammen. Namentlich ist die Bronzezeit unter den Funden
dieser Sammlung gut vertreten. Die meisten Bronzefunde wurden in Steinkisten-
Gräbern gemacht, nur wenige waren Einzelfunde. Dann befinden sich in dem
(124)
Hnseum noch zahlreiche Fände ans der neolithischeo and aas der römischen Epoche.
Von letzteren sind die be merkenswert he sten die auf einem reichhaltigen Orttber-
felde des Silberberg^ bei Lenzen gefundenen Beigaben, dantnter die in mehreren
Exemplaren Tertretene Armbmst-Sprosaenßbel (Esten- Fi bei)- Hr. Prof- Rob. Dorr,
der Vorsitzende der Elbinger Alterthnms-Oesellschaft, war bo freundlich, mir ans
der bezeichneten Sammlung einige Bronzen znr Verfügung zn stellen, am dieselben
einer cheroischen Analyse zn nnterwerren. Ich wählte von ihnen sechs aas, deren
Zosammenaetznng ich nachstehend mittheile, um ein Urtheil Über das Alter and
die Zagehorigkeit jedes einzelnen Untersachnngs-Objectea zu gewinnen, fUge ich
ich den Analysen noch einige von Hrn. Dorr angefertigte Abbildungen bei.
1. Hohlcelt mit Oehr (Fig. I), gefunden im Vogelsanger Walde bei Elbing
(s. Lissauer, Prähistorische Denkmäler der Provinz Wesipreassen, 1887, 8. 83
und Dorr, Programm des Elbinger Beat-Qymnasiams 1893, 8. 15 anter 2). Der
Celt ist aussen mil einer grünen Patina bezogen, innen von rotbgelber Farbe.
Fig. 8. ',',
In lOOTheilen sind enthalten:
Kupfer 91,12 Theile
Zinn 0,78 „
Blei 1,63 ,
Silber 0,45 ,
Eisen 0,49 „
Antimon 4,48 ^
Arsen 0,32 „
Nickel 0,61 „
Schwefel 0,12 „
(125)
Wie ans der Torstehendcn Analyse ersichtlich ist, zeichnet sich der Hohicelt
dnrch einen Gehalt tod mehr ala 4 pCt. Antimon aus, dagegen ist in ihm nur eine
geringe Menge von Zinn enthalten. Die Bronze ähnelt in dieser Beziehang einigen
To^eschichtlichen Bronzen des Weatpreus siechen Frorinzial-MaseuraB.
2. Schaftcelt (Fig. 2), gefunden höchst wahrscheinlich in Gronanhöhe hei Elbing
(s. LiBsaner, wie oben, S. 93 und Dorr, wie oben, S. 16 unter Nr. 4), aussen mit
geiblich-grttner Patina bezogen, innen hellkupferroth.
In lOOTheilen des Celts sind enthalten:
Kupfer 90,99.Theile
Zinn 3,34 „
Blei 2,02 „
Eisen 0,98 „
Antimon 1,53 „
Nickel 0,a5 „
Schwefel 0,89 ,
Kobalt Sporen
AulTiillig ist in der Zusammensetzung des Celtes der nicht unbedeutende Gehalt
von Nickel und Antimon.
3. Lanzenspitze (Fig. 3), gefunden zu DrewshofT bei Elbing, miter einem
Steine im Walde (s. Lissauer, wie oben, S. 83 und Dorr, wie oben, S. 15 unter
Nr. l). Sie ist aussen mit einer glänzenden grünen Patina bezogen, innen rotbgelb.
In 100 Theilen sind enthalten:
Kupfer 80,59 Theile
Zinn 13,38 „
Blei 2,2G ,
Silber 0,15 „
Eisen 0,21 „
Antimon 2,79 „
Nickel 0,41 „
Schwefel 0,21 „
In der untersuchten Lanzenspitze sind Antimon und Blei in beraerkenswerther
ilenge enthalten.
4. Spirale (Fig. 4), in Grunauhöhe bei Elbing gefunden, nach Lissauer und
Dorr der Hallstädter Epoche angehörend (s. Dorr, wie vorhin, S. 18, unter Nr. 2).
Die Spirale ist aussen dunkelgrUngrau bezogen, innen gelbroth.
In 100 Theilen sind enthalten:
Kupfer 92,62 Theile
Zinn 3,46 „
Blei 1,59 „
Silber 0,15 „
Eisen 0,35 „
Antimon 0,83 „
Nickel Ü,65 „
Schwefel Ü,35 „
Arsen Spuren
5. Schleifen ringe, aus Urnon entnommen, welche sich auf dem I
Felde, südlich vom Elbinger Bahnhofe befanden. Die Urnen standen
kisten-Gräbem (s. Dorr, wie vorbin, S. 19, unter Nr. 5). Die Ringe sii
1
(126)
mit einer graugrünen Patina bezogen, innen besitzen sie eine rotbgeibe Farbe.
Ausser ihnen wurden in den Urnen noch viele andere Gegenstände, welche ans
Bronze gefertigt waren, gefunden; darunter als bemerkenswerthester das viereckige
Schlussstück eines Ring-Halskragens, ein offener Halsring aus dickem Bronze-
draht, an dem sich, durch Eisenrost damit verbunden, Fragmente eines ursprünglich
wahrscheinlich ebenso grossen eisernen Ringes befanden. Dorr setzt das Alter
dieser Gräber etwa 300—300 vor Chr. In 100 Theilen des Metalles sind enthalten:
Kupfer 84,26 Theile
Zinn 15,03 „
Eisen 0,07 ^
Nickel 0,35 „
Schwefel 0,29 „
Antimon Spuren
6. Armbrust-Sprossenfibel (Estenfibel nach Dorr), Fig. 5, gefunden in dem
ausgedehnten Gräberfelde auf dem Silberberge bei Lenzen im Kreise Elbing.
Fundort und Fund -Gegenstände wurden von Hm. Dorr in der Sitzung der
Anthropologischen Gesellschaft zu Danzig am 11. December 1895 ausführlich be-
schrieben. Die Gräber stellen Brandschichten und Brand-
Fig* 6* Vi gruben dar, welche etwa 55 cm unter der Erdoberfläche
liegen und von kreisförmig oder elliptisch gestaltetem Pflaster
aus Kopfsteinen bedeckt sind. Die Brandschichten ent-
halten gebrannte menschliche Knochen mit spärlichen Bei-
gaben aus Bronze, Eisen und Thon. Unter den Bronze-
Beigaben zeichnen sich vor Allem sieben Armbrust-Sprossen-
fibeln aus, von welchen ich die Bruchstücke einer zer-
brochenen chemisch analysirte. Ausser diesen Fibeln fanden
sich dann noch bronzene und eiserne Riemenzungen vor,
bronzene, nach den Enden zu verdickte Armringe, Messer, Thongefasse ohne Inhalt
u. A. Dorr setzt das Alter dieser Brandgräber in die Zeit von 450 — 550 nach Chr.
und ist der Ansicht, dass das Volk, welche sie einst anlegte, die Esten waren, die
Torfahren der Pruzzen.
Da die aufgefundenen Armbrust-Sprossenflbeln nur in Alt-Preussen, östlich von
der Weichsel bis nach Ostpreussen hin vorkommen, so ist es höchst wahrscheinlich,
dass sie ein heimisches Product der Metall-Industrie der Esten sind, aus welchem
Grunde Dorr vorschlägt, sie mit dem Namen „Estenfibeln^ zu bezeichnen.
In 100 Theilen der Armbrust-Sprossenflbel sind enthalten:
Kupfer 91,20 Theüe
Zinn 6,11 ^
Zink 1,29 „
Eisen 0,14 ^
Antimon 0,15 ^
Nickel 0,95 ^
Schwefel 0,16 ^
Silber Spuren
Die Fibeln sind aussen mit einer grünlichen Patina bezogen, innen rothgelb.
Die chemische Analyse bestätigt durch den Nachweis von Zink, dass die Fibeln
der eigentlichen Bronzezeit nicht mehr angehören. —
Die vorstehenden chemischen Untersuchungen führen zu dem Eigebniss, dass
auch bei mehreren im Kreise Elbing gefundenen vorgeschichtlichen Bronsen, ebenao
(127)
wie bei den aas dem westpreussischen Mnseam stammenden, welche ich der
chemischen Analyse unterzog, Antimon in grösserer Menge vorkommt. Namentlich
enthielt der Hohlcelt in seiner Mischung nahezu 473 pCt., die Lanzenspitze nahezu
3 pCt. Antimon.
Auch hinsichtlich der anderen, in den Bronzen enthaltenen Bestandtheile ist
die Aehnlichkeit der Elbingcr Bronzen mit den vorerwähnten aus Westprenssen
stammenden unverkennbar. Alle stellen bunte Gemische von Metallen dar, in
welchen das Rupfer den Hauptbestandtheil ausmacht, die anderen Metalle in ausser-
ordentlich wechselnder Menge vorhanden sind. Aehnliche Resultate erhielt ich bei
der chemischen Analyse mehrerer aus Siebenbürgen (Ungarn) stammender Bronzen.
Schon früher wurde von Chemikern auf diese wechselnde und bunte Zu-
sammensetzung vorgeschichtlicher Bronzen aufmerksam gemacht, namentlich von
V. Bibra. Letzterer schloss daraus (v. Bibra, „Die Bronzen und Rupferlegierungen
der alten Völker", 18G9, S. 117), dass die Alten wenigstens in den ersten Zeiten
der Bronze-Darstellung wohl nur in wenigen Fällen die regulinischen Metalle zu-
sammenschmolzen, um ihre Bronzen zu fertigen, sondern meist die betreffenden
Erze benutzten. Hatte aber dann das erzeugte Artefakt nicht die gewünschte
Eigenschaft, fehlte zum Beispiel die Härte, die Hämmerbarkeit, der Glanz, so
setzten sie ihrer nächsten Schmelzung mehr von demjenigen Erze zu, von dem
sie wussten, dass es das Fehlende ersetzen würde.
V. Bibra hat leider keine vorgeschichtlichen Bronzen aus den östlich belegenen
Theilen Preussens untersucht, ebenso keine aus Ungarn stammenden; er wäre,
wenn er den Antimongehalt gekannt hätte, durch welchen sich mehrere dieser
Bronzen auszeichnen, sicher noch in seiner Ansicht bestärkt worden.
Von den alten Völkern waren es ohne Zweifel die einst in Siebenbürgen
(Ungarn) ansässigen, welche von dem Erzreichthum ihres Landes ausgiebigen Ge-
brauch zu machen verstanden. Sie benutzten ihre Antimon-, Arsen- und Bleierze,
um durch Zuschlag derselben zu den Rupfererzen in ihren primitiv construirten
Oxydations- und Reductions-Oefen eine Metallmischung zu erzielen, welche dem
reinen Rupfer gegenüber eine grössere Härte, leichtere Schmelzbarkeit und bessere
Gnssfahigkeit zeigte. Zur Erlangung dieser Eigenschaften genügte oft nur eine
Beimischung weniger Procente dieser Metalle. Das hierzu sehr allgemein an-
gewandte Zinn war zu damaliger Zeit nicht immer zu errreichen und gewiss sehr
kostbar; es liess sich jedoch durch das ihm in seiner Natur sehr ähnliche Antimon
ersetzen, welches in Siebenbürgen (Ungarn) recht häufig in Verbindung mit Schwefel
oder Sauerstoff vorkommt. Oft enthalten die dort gewonnenen Rupfererze schon
von Natur aus Antimon, Blei, Arsen oder andere Erze, so unter anderen die dort
sehr verbreiteten sogenannten Fahlerze (vgl. Helm, Bronze-Untersuchungen, Zeit-
schrift für Ethnologie Berlin 1895, S. 13 u. f). Die Verarbeitung derartiger natürlich
vorkommender Mischerze war wahrscheinlich die erste Veranlassung zur Ent-
deckung der Vorzüge gewisser Rupferlegirungen, speciell zur Erfindung der Bronze.
Als im Jahre 1888 die deutsche Anthropologische Gesellschaft in Danzig ver-
sammelt war, sprach ich die Ansicht aus, dass es vielleicht gerade die ältesten
Bronzen seien, welche auf vorbezeichnete Weise hergestellt wurden, diejenigen,
welche gegen das Ende der Rupferzeit angefertigt wurden, dass wahrscheinlich in
dieser Zeit mit allen möglichen Erzen und Zusätzen zu Rupfererzen experimentirt
wurde, um die leichter schmelzbare, härtere und goldig glänzende Bronze zu erhalten.
Zu ähnlichen Resultaten, wie ich, kommt Hr. Hampel in Budapest, ein
competenter Forscher auf vorgeschichtlichem Gebiete. Auch er weist auf eine An-
zahl chemischer Analysen vorgeschichtlicher uiigarischer Bronzen hin, welche er
(128)
durch Hrn. J. Loczka, Custosadjanct am Museom in Budapest, anfertigen Hess
(J. Loczka, Chemische Analyse einiger Gegenstilnde aus dem Bronzezeitalter
Ungarns). Darnach besitzen diese Bronzen eine gleich complicirte Zusammen-
Setzung, wie die westpreussischen ; einige derselben enthalten auch Antimon
in nicht unbedeutender Menge (J. Hampel, Neuere Studien über die Rupferzeit,
1896, S. 83 u. f.). Hampel erwähnt u. a. ein in Ungarn gefundenes Bronzeschwert
(Abbild, u. Beschreib, im Arch. Ert., 1895, XV, 444—445), welches aus Kupfer
mit Antimon-Zusatz besteht und kein Zinn enthält. Aehnliche Mischungen vor-
geschichtlicher Bronzen aus Siebenbürgen analysirte ich (Verhandl. der Berliner
Anthropolog. Gesellschaft, Sitzung vom 19. October 1895, S. 619 u. f. und vom
2. December 1895, S. 762 u. f.), unter ihnen einen Gelt von Ispänlaka, welcher
ebenfalls kein Zinn, dagegen Antimon enthielt. Auch unter den von mir analysirten
westpreussischen Torgeschichtlichen Bronzen (Zeitschr. f. Ethnol, Organ der Berl.
Anthropol. Gesellsch. 1895, S. 1 — 12) waren zwei, in denen kein Zinn, dagegen
nicht unbedeutende Mengen von Antimon sich vorfanden.
Hr. Hampel sagt in seinen neueren Studien über die Kupferzeit (1896,
S. 85), dass, „wenn die gemachten Bronze-Untersuchungen sich noch weiter be-
stätigen, die Annahme nicht mehr abzuweisen sei, dass (für Ungarn) der Kupfer-
Zinnmischung eine Kupfer-Antimonmischung vorangegangen, welche zugleich die
ßronze-Cultur vorbereitete. In Ländern, wie Ungarn, wo Antimon bereits in den
Kupfererzen erscheint, musste man häufig die Beobachtung machen, dass dessen
Anwesenheit den Härtegrad der Erzmischung wesentlich beeinflusst Der fernere
Schritt von dieser Beobachtung zur zielbewussten Anwendung konnte dann nicht
ausbleiben."
Die ausserordentliche Aehnlichkeit in der chemischen Zusammensetzung der
in Westpreussen gefundenen vorgeschichtlichen Bronzen mit den in Siebenbürgen
(Ungarn) vorkommenden veranlasste mich, die Ansicht auszusprechen, dass einst
zwischen diesen beiden Ländern eine Handelsverbindung stattgefunden habe. Als
Tauschobject diente von der Ostsee-Küste aus ohne Zweifel der vielbegehrte Bern-
stein. ' Den Weg, welchen diese Handelsverbtndung einst einschlug, festzustellen,
bleibt der Forschung vorbehalten. Zu erwägen ist bei dieser Nachforschung, dass
vorgeschichtliche Bronzen, welche sich durch einen höheren Antimongehalt aus-
zeichnen, bisher nur in vereinzelten Fällen in anderen Ländern als den vor-
angefUhrten aufgefunden wurden, dass ferner eine grosse Anzahl von Formen der
in Ungarn gefundenen Bronze- Artefakte mit solchen, welche in Westpreussen ge-
funden wurden, übereinstimmt.
Der Weg, welchen dieser Handelsverkehr einst genommen hat, dürfte deshalb
nicht auf weiten Umwegen zu suchen sein; vielmehr hat ihm wahrscheinlich der
noch heute allgemein als Handelsstrasse benutzte Weichselstrom die erste Richtung
gegeben, und weierhin hat er sich dann von Volk zu Volk bis nach Dakien fortgesetzt
Die Nothwendigkeit, noch mehr chemische Analysen vorgeschichtlicher Bronzen
zu machen, als bisher geschehen, liegt nach dem, was ich hier ausgeführt habe,
nahe. Namentlich für Länder, in denen keine Metalle bergmännisch gewonnen
werden, wie Nord-Deutschland, Dänemark und das nordwestliche Russland, wird
die chemische Analyse der dort gefundenen Bronzen stets von grossem Werihe
seih, um über den Bezug und das Herkommen der Metalle, aus denen sie ge-
fertigt wurden, über ihre Fabrication und andere Dinge treffende Aufschlüsse zu
erhalten. Hierbei wird auf die die Bronzen begleitenden Mengen von Antimon,
Blei, Arsen, Nickel, Silber und Zink Werth zu legen sein. Es werden bei diesen
Untersuchungen namentlich die älteren Formen der Bronzen zu berücksichtigen
(129)
«eiD, deren Bestandtheile noch unvermischt erhalten blieben, während die jüngeren
durch ümschmelzongen und Beimischungen schon manche Veränderungen erfahren
haben.
Die bis dahin bekannt gewordenen chemischen Analysen sind nicht genügend,
um nach dieser Richtung hin sichere Stützpunkte zu gewähren. Solche Unter-
Buchungen, davon bin ich überzeugt, werden von nicht zu unterschätzender Be-
deutung sein, nicht allein für die Entstehungsgeschichte der ersten Bronzen und
die Kenntniss der zu ihrer Darstellung verwendeten Materialien, sondern auch für
die Vorgeschichte der Völker im Allgemeinen, deren Verbreitung und Wanderungen,
Handelsbeziehungen und Cultur-Entwickelung. —
' (21) Hr. A. Treichel in Hoch-Paleschken, Westpreussen , übersendet ausser
mehreren volkskundlichen Mittheilungen folgenden historischen Nachtrag zu
seinen AusAlhrungen (8. 58 flg.) über
Hehlkeiif Kreis Carthans.
Es fehlte mir in meiner Arbeit über den Burgwall bei Mehlken bezüglich
der FVage, ob eine frühere Niederlassung des Klosters von Zuckau nicht etwa
wo anders und nicht in der Nähe von Mehlken bestanden habe, an einer
sicheren Unterlage, so dass ich diese Frage unentschieden lassen musste. Heute
jedoch bin ich in der Lage, darüber Gewisses zu vermelden und auszu-
sagen, dass zu dem, was bisher nur als unbegründete, wiewohl zu den Funden
passende Sage gelten musste, sich ein geschichtlicher Hintergrund finden lasse.
Der schon erwähnte Probst Lic. J. Stenzel hat in seinem Schriftchen über das
Kloster Zuckau (Danzig 1892), auf welches ich erst jetzt stosse, darauf hingewiesen,
dass die erste Ansiedelung an einem Orte geschehen sei, der seitwärts von Zuckau
in einem niedrigen Grunde gelegen war, wo das Flüsschen Stolpe (also die sogen.
Kleine Stolpe) in die Kadaune mündet. Das würde durchaus mit der (westlichen
und nahen) Lage von Mehlken übereinstimmen. Dieser Ort hiess einst Stolpa, wie
ja viele Orte, die in ihrer ersten Anlage durch Holzpfählungen hergestellt wurden,
diesen Öfters wiederkehrenden oder einen selbst noch bei heutiger Zeit daran an-
klingenden Namen führen Lic. Stenzel sagt unverhüllt, aber ohne genaue Platz-
angabe, von diesem geographischen Punkte in seiner Schrift schon dasselbe aus, was
ich erst viele Jahre später fast als Märchen habe hören müssen, mit den Worten: ^^^^^
-es sollen sich daselbst [ja, aber wo? Diese Unterleissung hätte nicht geschehen sollen!]
noch Ueberreste der ersten Anlage gefunden haben. ^ Gewiss, ich habe die Spuren
gesehen, für begründet halten müssen und mich jetzt wundem dürfen, wie der
Volksmund so viele Jahrhunderte hindurch die Wahrheit hat festhalten können!
Aber schon früh verlor sich dieser Name, wahrscheinlich als bald darauf die Ueber-
ftthrung des Klosters an seine jetzige Stelle stattfand, wenn es auch fraglich
ist, ob dies aus Ursache eines feindlichen Ueberfalles geschehen sei. Ob sich nun
Lic. Stenzel gerade dabei auf die ergiebigen und quellenmässigen „Klasztory
ienskie w dyecezyi Chelminskiej*' ( Frauen - Klöster der Diöcese Culm) des
f Domvicars Fankid ejski stützt, weiss ich nicht, möchte andererseits auch bei
dieser Betrachtung die Werke über die Bau- und Kunst-Denkmäler der Provinz
Westpreussen ausser Acht lassen und nur erwähnen, dass seine Hauptstütze eine
pomerellische Studie von Prof. Th. Hirsch ist, niedergelegt in der Zeitschrift d.
westpr. Geschichts-Vereins 1882, H. 6, S. 1 — 148. Beide jedoch kommen zurück auf
eine Urkunde (vei^gl. Pomerell. ürL-B., S. 12, Nr. 14), wonach Herzog Mestwin L,
iFürst in Danzig, im Jahre 1209 (24. April, Zuckau) die Stiftungs-Urkunde über ein
Vtrhandl d«r B«rl. Antbropol. GetetUcbaft 1897. 9
(130)
NonneD- Kloster ausstellt, — die erste sichere Nachricht über das pomerellische
Hochland, die uns ans dem historischen Dunkel entgegentritt. Hier handelt ea
sich aber nicht um ein erst zu grtlndendes Kloster, sondern es heisst: „zu einem
Kloster für die Nonnen, welche Gott und der heiligen Maria in Stolpa dienen^ (ad
claustrum sanctimonialibus deo et beatae Mariae in Stolpa famulantibus). Darao&
geht hervor, dass eine solche Anlage eines Klosters, übrigens der Norbertinerinnen,
schon bestanden haben muss vor Ausstellung der obigen Urkunde. Wo diese aber
zu suchen, dazu hat uns die Tradition zuerst, und dann erst die sicherere Spur ge-
wiesen. An die heutige Stadt Stolp ist gar nicht zu denken, weil dort keine
Norbertinerinnen erwähnt werden, übrigens ein Bxodus derselben aus einer als
palissadirte Stadt in's Auge gefassten Ansiedelung in das zwar. nicht flache, aber
doch feldmässigere Land nicht zu denken ist. Auch wirft es ein Streiflicht auf
jene früheren Zeiten, dass in jener Stiflungs-Ürkunde von 1 209, ausser in anderen
Begabungen durch Fürst, Hausfrau und Söhne, auch die Biber mit eingeschlossen
werden (in castoribus intra metas claustri manentibus), wie man sieht, in diesem
Falle keineswegs eine der gewöhnlichen Erweiterungen des Ausdruckes. Somit wäre
die erste Kloster-Anlage wohl für Mehlken auch historisch erwiesen. Der Grund der
Uebersiedelung nach Zuckau mag in Verschiedenem gelegen haben. Für 1201 wird
dort nehmlich schon eine Jacobi-Kirche erwähnt, an welche es Anschluss zu finden
galt. Dieser noch bestehende Bau trägt auf dem Ostgiebel sogar eine Wetter-
fahne mit der Jahreszahl 1031, welche schon einmal in meinen Berichten (Arabische
Zahlenzeichen an Kirchenfahnen, 1893, Nachrichten, H. 5, S. 72 ff.) zur Vermerkung
gelangte. Bs ist nur zu verwundem, dass Mehlken bei Hrn. Lac. Stenzel nicht
zu den nach Zuckau gehörigen Ortschaften gerechnet wird, wie sie noch für den
Anfang dieses Jahrhunderts aufgeführt werden. Ein feindlicher Ueberfall mag mit-
gewirkt haben zur Uebersiedelung, sei er geschehen oder nur befürchtet, da wir aua
den kärglichen üeberlieferungen sogar für Zuckau von Heimsuchungen erfahren: so
1224 schon von den Streifzügen heidnischer Pomcsanier in die Umgegend von Danzig,
wo, wie Oliva am 12. September, so auch Zuckau am 12. October erliegen musste;
als Ort der blutigen That der Ermordung der Nonnen gilt eine Anhöhe, auf welcher
jetzt eine dem heiligen Johannes von Nepomuk geweihte Gapelle steht; diesen Heiligen,
der ja den Wassertod in der Moldau bei Prag starb, treffen wir in dieser wasser-
reichen Oegend übrigens sehr häufig in Standbildern an, die am Wasser gelegen.
Auch ist der Ueberfall durch die Hassiten von 1433 zu erwähnen. Vielfach indeas
waren immer die Frauen und Töchter des kassubischen Fürstenhauses in und für
Zuckau thätig; ich erwähne nur die jetzt fast sagenhaften Namen Damroca und
Witoslawa. Die Uebersiedelung des Klosters muss aber (nach Stenzel) in den
nächsten Jahren nach 1209 geschehen, jedenfalls aber schon vor April 1224 zu
denken sein, da in einer Urkunde aus diesem Jahre schon Zuckau als Wohnsitc
der Nonnen angegeben wird. Uebrigens fehlten ihnen hier auch nicht die sebon
für Mehlken volkskundlich gemeldeten Bauwerke Tür Brauerei, Wasch-, Schlacht-
und Backhaus. Alle diese EÄumlichkeiten wurden nach dem am 9. December 1862
erfolgten Tode der letzten Ordensfrau Agnes Bojanowski meistbietend zum Nieder-
reissen verkauft und einem Danziger für 873 Thaler zugeschlagen. ^So wurden in
unserer westpreussischen Heimath, die an und für sich so arm an historiachen
Bauwerken ist (schreibt Stenzel mit Recht), die Denkmäler unserer Vergangenheit
noch in einer Zeit vernichtet, welche sich so gern ihres historischen Sinnes rühmt *^
Den genetischen Zusammenhang aber zwischen Gründung und Stiftung zeigi
uns Lic. Stenzel in einer Schilderung (S. 12), die ich ebenfalls zur VeranBcbmn-
lichung hierhersetzen will. „Es war die Sitte allgemein, dass das Kloster, welche«
(131)
zur üebernahme einer neuen Ansiedelung ansersehen wnrde, einige seiner Mit-
glieder an Ort und Stelle sandte. Diese hatten die Gegend und die Verhältnisse
kennen zu lernen, und genau zu untersuchen, ob der filr die Grtlndung ausersehene
Ort die nöthigen Eigenschaften ftLr den beabsichtigten Zweck besass. Sobald die
Verhältnisse und die Oertlichkeit den neuen Ansiedlem genehm erschienen, pflegte
ihnen Seitens des Klosters die Erlaubniss zum weiteren Verbleiben gegeben zu
werden, worauf dann die Bestätigung und Anerkennung der neuen Niederlassung
durch das General-Gapitel erfolgte.^ So geschah es einerseits in Oliva, wohin
schon 1170 die ersten Mönche aus Kolbatz kamen, obwohl die Stiftungs-Urkundo
erst 8 Jahre später ausgestellt wurde; so geschah es andererseits, diesmal im
Wechsel historisch nachweisbar, fär Pogutken-Pelplin. Einen ähnlichen Hergang
haben wir uns bei der Errichtung des Klosters von (Mehlken-) Zuckau zu denken,
obschon hier nichts von einem Wechsel überliefert worden ist. Die ersten Nonnen
kamen hierher aus Strzelno, einem unbedeutenden Städtchen bei Inowraclay im
Grossherzogthum Posen; sie waren von Alardus gesandt, dem Abte des St. Vincenz-
Stiftes in Breslau. Die Schenkung der Jacobi-Kirche in Zuckau von 1201 geschah
unzweifelhaft an Alardus zu dem Zwecke einer Niederlassung des Ordens des
heiligen Norbert. So vertrieb dessen weibliche Glieder auch wohl der Wille der
Oberen und die grössere Zweckmässigkeit! —
(22) Hr. G. Schweinfurth schreibt in einem an Hm. Rud. Virchow ge-
richteten Briefe aus Assuan, 18. Febraar, über
neue Forschiugen in Aegypten und die Einbalsamining von Köpfen
im Alterthom.
„Hier in Assuan herrschte den ganzen Winter hindurch reges Leben und viel
Touristen- Verkehr. Das sehr gut gehaltene Hdtel beherbergt 90 Gäste und ist
immer noch voll. Zahlreiche Dahabiehen und kleine Miethsdampfer kommen und
gehen ausser den drei grossen, die wöchentlich mit ihren Uammel-Heerden an-
gerückt kommen. Ganz überraschend ist die Zahl deutscher Touristen. Es fehlt
nicht an Aegyptologen und anderen interessanten, überhaupt an hervorragenden
Persönlichkeiten, ron denen man hier in Müsse vollauf profltiren könnte, wenn
nicht die Damen mit dabei wären, die jetzt mehr als je ihre Rechte geltend zu
machen gewillt sind. Alle sind einer Ansicht über die Vorzüge Assuans, wo doch
im Gegensatze zu Luksor halbwegs Wü«tenluft und Staubfreiheit herrscht Die
Stadt, die sich durch Bauten sehr verschönert hat, wird in musterhafter Ordnung
und sehr reinlich gehalten.
„Ich mache häufig Ausflüge nach allen Richtungen, wobei sich überall ver-
schiedenes Neue ergiebt. Ein Thal, das nach Osten gekehrt und 4 hn nördlich von der
Stadt mündet, das Wadi Abu Agjag, ist voller Inschriften und Graffiti aus allen mög-
lichen (hieroglyphischen, kuflschen, modern-arabischen und vielleicht prähistorischen)
Epochen, da durch dasselbe die grosse Strasse nach Berenike führte. Ein merk-
würdiges Quiproquo hat sich in allen Assuan behandelnden Reisebüchem und dergl.
eingebtti^rt, das ist die Angabe von Bischarin, die hier zu sehen sein sollen,
während alle hier vor der Stadt lagernden Hamiten Ababde sind und die Bischarin
erst nach 10 — 12tägigem Marsch in südöstlicher Richtung und nicht nördlich von
22^ 30' nördl. Breite zu erreichen sind. Ich stelle mir vor, dass diese Bezeichnung
aus älterer Zeit vor Mehemed Ali datirt, als Bischarin hierselbst mit Carawanen
vielleicht noch in persona erschienen sein mögen. Nach der Eroberung des Sudan
1822 wurde der grosse Heerweg von Assuan, bezw. Korosko nach Abu Hamed
(132)
den Ababde als Privileg übergeben, weil diese, mehr arabisirt, also mehr civilisirt,
dann aber vor Allem, weil mehr in den Klauen der ägyptischen Macht befindlich,
zur Sicherung des grossen Verbindungsweges mit Khartnm weit mehr Garantie
darboten, als die Bischarin. Die Einwohner am Nil, die Nubier hierselbst, werden
den altgewohnten Namen wohl beizubehalten Yorgezogen haben, zumal da sich die
beiden Völker äusserlich nicht unterscheiden, und dann, wie ich vermuthe, weil in
dem Namen Bischari das HauptstUck zum sprachlichen Ausdruck gelangt, durch
welches die Rasse im Gegensatz zu den geschorenen Nilfoewohnern charakterisirt
werden kann, nehmlich das lange Haar, arabisch schäV, woran man beim Nennen
des ^Hischäri^ (altägyptisch: „am Rotheu Meer^) doch immer erinnert wird'). In
Folge dieser Verwechselung müssen, wenn man genau sein will, viele ältere An-
gaben richtig gestellt werden, namentlich die sprachlichen Studien, die hier zur
Erforschung der Bedauye-Sprache vermittelst angeblicher Bischarin-Gewährsmänner,
die aber Ababde waren, gemacht worden sind, so namentlich die Werke Ton
H. Almkwist über die Bischari-Sprache, deren Titel eine Abänderung in dem er-
läuterten Sinne zu erfahren haben würde ^). Reinisch dagegen hat das meiste
seiner Studien im Süden des Gebietes der Bega-Völker herausgebracht.
„Von Hrn. Legrain, Museums-Inspector, habe ich 25 Proben von sogen, prä-
historischen, bezw. vorpharaonischen Gräberfunden, meist Inhalt der den Todten bei-
gegebenen, mit den Aschen der Lebensmittel gefüllten Thongefasse. Hr. de Morgan
versprach mir eine weitere Fortsetzung, von einem neueren Funde derselben Art bei
Selsele, der eben erst ausgebeutet worden ist. In den Aschen finden sich die ver-
kohlten Reste von Getreidekörnern, die sich bei genauerer Untersuchung sicher be-
stimmen lassen werden. Dagegen müssen erst neue Methoden ausfindig gemacht
werden, um die überaus mürben, selbst unter dem Rasirmcsser zerkrümelnden Uolz-
und Rindenreste in ihren anatomischen Structurverhältnissen beurtheilen zu können.
Es scheint, dass bei etlichen der in contracter Körperlage begrabenen Körper Hüllen
nachweisbar sind, die vielleicht gleich Mumienbinden durch Umwickelung auf-
getragen wurden, Rinden, Papyrusschäfte und dergl. Indess kann ich nicht beur-
theilen, ob diese Hüllen den Körpertheilen direct auflagen oder ob dieselben etwa
ein sargartiges Gefäss darzustellen den Zweck hatten.
„Ich will auf der Rückreise einen Besuch bei der Ausgrabungsstelle des
Hm. Am^lineau bei Abydos machen. Letzterer hat mir einige Schädel für
Sie versprochen, und ich hofl'e, seine Vermuthung werde sich bestätigt haben,
dass er jetzt an die alte Nekropole genathen ist, von der in seinem Briefe die
Rede ist. Ich will auch mein möglichstes thun, um mir Schädel der Bedauye-
Völker (Bega) zu verschaffen, fürchte aber, dass meine hiesige Wirksamkeit
sich nicht auf so hohe Ziele wird erstrecken können. Dazu muss man mit
zuverlässigen Leuten in den Wüsten umherreisen und nach den alten Ababde-
Gräbern') suchen, die sich durch Steinhaufen verrathen. Eine weit bessere Ge-
legenheit dürften dazu die Vorbereitungs-Arbeiten der Engländer zur Wieder-
eroberung des Sudans bieten. In der grossen Nubischen Wüste, zwischen Wadi
Haifa und Abu Hamed (350 km) wird eine Eisenbahn gebaut und zwar (für den
im Sommer 1898 zu erwartenden Vormarsch) mit ägyptischen Soldaten. Auf dieser
1) Dieselbe Behauptung vernahm ich ohne mein Zuthun aus dem Munde eines ein-
gebomen Kopten, unseres deutschen Consular-Agenten Todros in Luksor, als wir auf dem
Markte Ababde antrafen und er sie Bischarin nannte. (Nachschrift von G. Schw.)
2) VergL Bd. I, 8. 3. (üpsala 1881.)
8) Der Briefschreiber hat nachträglich 6 Schftdel früherer Wüftenbewohner ausgegraben,
die er in der Umgegend von Assuan fand.
(133)
Strecke werden sich gewiss auch Gräber finden und diese müssen den ßischarin
angehören. Ich vermuthe, dass zur Zeit keine Sammlung der Welt über ein
einigermaassen brauchbares Material Ton Schädeln der Bischurin, oder Ababde, oder
Hadendoa yerfUgt, höchstens werden einzelne Schädel Yorhanden sein. Beschämend
für Aegypten ist das Fehlen jeglicher Schädel -Sammlung in der Medicinischen
Schule. Wie soll man da die Schädel aus den sogen, prähistorischen Gräbern
Aegyptens durch Vergleiche prüfen? Plinders Petrie wird von seinen 3000 durch-
wühlten Gräbern von Nagada gewiss viele Schädel nach England gebracht haben.
Werden diese nicht untersucht und beschrieben?
^Da die Identität der Amölineau'schen Funde mit denen von Flinders Petrie
ausser Frage steht, so müssten sich doch unter den von Letzterem herrührenden
Schädeln auch solche mit Harz-Infiltrationen in der Schädelhöhle vorfinden. Es
liesse sich also reichlicheres Untersuchungsmaterial hinsichtlich des Schädel-Inhaltes
erlangen. Ich war in hohem Grade überrascht, aus Ihren Mittheilungen zu ersehen,
dass das Verdict des Laboratoriums hinsichtlich des Schädel -Inhaltes auf Harz
lautet. Da zur Unterscheidung von Fett- und von Harzsäuren ganz bestimmte
und unzweideutige Mittel vorhanden sind, darf ich ja ein solches Verdict nicht be-
zweifeln, und ich möchte es doch. Um wegen des Einführungs-Canals durch die
Nasenhöhle bei den Schädeln von Abydos Nachforschung zu halten, habe ich an
Dr. Fouquet geschrieben und ihn auf Ihre Querschnitte aufmerksam gemacht.
Ich habe von Geh. Rath Prof. C. Engler, dem Chemiker von Carlsruhe, der hier
war, erfahren, dass derselbe aus Mammuth-Rnochen alte Fettreste von harzartigem
Aussehen (ich weiss nicht, in welcher Gestalt) nachgewiesen hat. Eine Verschieden-
heit des Verhaltens der Peruanischen Schädel und der von Abydos ist durch die
Verschiedenheit des Terrains gegeben. In Peru waren die Körper nie Regen-
güssen ausgesetzt, in Abydos, wo jede Hülle oder Sarg fehlte, gab es sicher alle
8— 10 Jahre einmal einen Guss; der Beweis ist in den Salzkrystallen gegeben, die
an einigen dieser Schädel ausgeschossen sind.
„Ich erhielt vor Kurzem einen sehr interessanten Brief von Hrn. Amelineau aus
Abydos, der dort mitten in der ersten Dynastie ist. Wie ich höre, sollen jetzt auch
de Morgan und Prof. Wiedemann, vielleicht in Folge der wichtigen Funde, dorthin
gegangen sein. Amelineau schrieb mir am 5. Februar, dass er ein 96 m langes und
29 m breites Bauwerk aus ungebranntem Thon aulgedeckt habe, bei 10 m Tiefe, und
dass dasselbe aus zwei Hälften besteht, von denen er die erste bereits ausgebeutet
hatte. Diese Hälfte bestand aus 37 verschiedenen Räumen. Er fand über 2000, aus allen
möglichen Steinarten gehauene Gefässe von der vollkommensten Art der Ausführung,
die sich denken lässt. Wunderbare Kieselmesser grösster Art wurden erbeutet. In
einem einzigen dieser Räume wurden 594 solcher Kiesel-Artefakte aufgelesen, die
einen fein ausgeführt, die anderen von roher Arbeit. An einer anderen Stelle fand
Amelineau auf ein Mal 1220 kleine Kupfer-Gegenstände, namentlich Beile, Sicheln
und andere Instrumente. Wie er die zweite Hälfte des Bauwerkes in Angriff nahm,
stiess er auf vereinzelte Gi:äber. Das erste enthielt zwei Körper, davon der eine in
contracter Körperlage vergraben ohne Sarg, der andere in einer Art von Holzkiste ohne
Deckel. Amelineau vermuthet, dass das Bauwerk, auf das er in diesem Jahre
gestossen ist, an Alter den Funden des Vorjahies vorauszusetzen sei. Hoffentlich
wird bald grössere Klarheit über den Fund verbreitet werden, wenn erst einmal
verschiedene Kenner die Oertlichkeit in Augenschein genommen haben werden. Hr.
Prof. Sayce hat vor Kurzem bei el Qab einige 40 neue Inschriften aufgefunden.'' —
In einer Nachschrift macht Hr. Schweinfurth Mittheilung von einer neu auf-
gefundenen Stein-Inschrift:
(134)
^Prof. Sayce hat auf seiner Dahabieh einen Stein, das Fragment einer sehr
rohen Figur ans Sandstein, auf deren Rücken Zeichen angebracht sind, die keiner
bekannten Schrift angehören; der Fund ist mit Sicherheit als der Zeit der
XVIII. Dynastie zugehörig erklärt worden."
Hr. Rud. Virchow legt femer folgenden an ihn gerichteten Brief des Hm.
Dr. Fouquet aus Oairo, 21. Februar, Tor:
„J'ai reiju aujourd'hui meme une lettre de M. le Prof. Seh wein furth qui a
bien voulu m^enroyer la traduction d'un passage de votre lettre concemant l'examen
des matiferes resineuses renant d'un des cranes d'el Omra. Yotre examen confirme
celui que j'avais fait moi-meme et je suis tres heureux de savoir que ces matieres
ne ressemblent pas k Celles que Ton trouve dans les momies peraviennes. —
^Au Caire je suis tres bien place pour recevoir des documents antbropo-
logiques, mais en fort mauraise Situation pour les Studier. «Tai peu de lirres et
pas de collections anthropologiques pouvant me permettre d'etablir des comparaisons.
J^avoue d^ailleurs, sans peine, qae cela n^cst pas du tont ma specialite, bien que
je trouve ces recherches fort passionnantes. —
„Votre objection relative au procede d'extraction de la cervelle par la voie
nasale, ne peut s^appliquer a mes cranes.
Non seulement Tethmoide n'est point perfore, mais encore la cloison entiere
des fosses nasales, les coraets, leur muqueuse meme dessechee, sont en place en
certains cas.
^Dans Tune des tetes (le n^ 3) les debris des yeux se trouvaient meme dans
les orbites. — II n'y avait certainement pas d'autre voie que le trou occipital pour
penetrer dans la cavite cranienne. Je prends toutefois bonne note de votre opinion
et dans la revision que je viens de faire j'ai pris soin d^eclairer par l*inierieur
la tete, dans un Heu obscur pour pouvoir juger s*ü existait une Ouvertüre peu
visible. Oette apres-midi j'avais, au contraire, avec un ecran trouö cherch^ ä faire
penetrer les rayons du soleil ä Tinterieur par la fente sphenoidale; pais avec an
miroir laryngien j'ai etudie tous les points de la base du cräne sans pouvoir trouver
un pertuis capable de livrer passage ä Tenc^phale meme dissoci^. — Comme d*nn
autre cöt^ je partage votre opinion et comme avec vous j'admets qu*il faut extraire
la cervelle avant dMntroduire une matiere resineuse, meme liquide, j'avais du
songer ä une decollation au moins partielle du cadavi% pour aborder la voie du
trou occipital. —
^L'abscnce de toute partie molle sur les pieces soumises ä mon examen ne
me permettait pas d'appuyer mon hypothese sur une Observation de fait —
„J'ai trouv^, u d'autres epoques, des pratiques aussi bizarres; tous en trouveret
un tres succinet expose dans une petite note publice par moi ä T Institut Egyptien. —
„J'ajouterai que j'ai des raisons tr^s fortes de penser que, ä el Omra 3 fois et
pour un crane ayant date certaine de la XII« Dynastie, ce qui pour cette epoque est
sürement une exception, la cervelle avait du etre enlevee par la fente sphenoYdale.^ —
(135)
Hr. Virchow: Die Abhandlang des Hrn. Pouquet (Note pour servir a
Vhistoire de rembaumement en l^lgj^te. Institut Egyptien, S^nce du 6 Mars 1 896)
betrifft die Schädel des Hm. Amelineau nicht. Sie giebt dagegen sehr wichtige
Einzelheiten über die Untersuchnng der berühmten Priester-Mumien von Deir-el-
Bahri (XXI. Dynastie), von denen Hr. Fouquet mehr als Hundert auswickeln
konnte. Er fand dabei manche ßesonderheiten, über welche weder die alten, noch
die neueren Schriftsteller etwas berichtet haben. Da dieselben jedoch für den voi^
liegenden Fall keine Bedeutung haben, so will ich daraus nur erwähnen, dass Hr.
Fouquet an einzelnen Mumien die Angabe des Papyrus Khind bestätigt fand, wo-
nach zur Entfernung der Weichtheile 17 verschiedene Einschnitte in die Leichen
gemacht wurden. Von solchen traf er 8 an den Extremitäten, einen am Rücken,
2 im Gesicht (an den Mundwinkeln), 2 im Innern des Mundes längs den inneren
Rändern des* Unterkiefers; dazu rechnet er ferner die Perforation des Siebbeins,
die Abtragung beider Augen und die Eröffnung der linken Bauchseite. Da jedoch
manche Mumien nur die letztere Oeffnung zeigen, so nimmt er an, dass diese von
armen Leuten und solchen, die an ansteckenden Krankheiten gestorben waren, hei^
stammten. A^as die uns specieH interessirende Perforation des Siebbeins anlangt,
so hält er daran fest, dass dieselbe regelmässig von der Nase aus durch einen
das Siebbein durchdringenden Haken hervorgebracht wurde, so dass die Oehim-
substanz durch einen Wasserstrahl ausgespült werden konnte.
Ich . habe inzwischen gleichfalls an einer Anzahl von ägyptischen Mumien-
Schädeln Untersuchungen über die bei der Einbalsamirung erfolgte Extraction des
Gehirns, specielt über die Stelle, wo die Perforation des Schädelgrnndes von der
Nase aus vorgenommen warde, angestellt. Diese zeigen zwei verschiedene Durch-
bohrungsstellen.
Um die Beobachtung zu erleichtem, habe ich die Schädel nebst den an-
getrockneten Weichtheilen durch einen mitten über die Wölbung geführten Säge-
schnitt in zwei Hälften zerlegt. Man ist auf diese Weise in der Lage, sowohl die
Beschaffenheit der äusseren Theile, als die der Innenfläche genau zu übersehen
und beide mit einander zu vergleichen.
Einer dieser Schädel (Fig. 1 — 3), bei dem der Mund noch durch eingelegte
Oewebsstücke vollständig geschlossen ist, Hess aussen nichts weiter erkennen, als
eine stärkere Ausdehnung der linken Nasenöffnung, die sowohl in der Vorder-
Ansicht (Fig. 1), als in der Seitenansicht (Fig. 2) bemerkbar ist. An der Innen-
seite des abgesägten Vordertheils des Kopfes zeigte sich sofort eine weite, rund-
liche Oeffnung mit zerbrochenen Rändern, welche den vorderen Abschnitt der Sella
turcica und den hinteren Theil des Planum ethmoideale etwas schief durchbrochen
hatte. Das Ephippium war dabei an seinem oberen Umfange verletzt; die Ala
temporalis sinistra zeigte in der Richtung auf die linke Nasenhöhle ausgedehntere
Defecte, so dass der Proc. clinoideus anterior mit seiner Umgebung gänzlich zer-
stört war (Fig. 3). Von da fUhrte der künstlich hergestellte, fast horizontal ver-
laufende Canal durch den Körper des Keilbeins in die linke Nasenhöhle.
In einem anderen Falle fand sich die innere Oeffnung auf der rechten Seite,
dicht neben der Crista galli in derLamina cribrosa des Siebbeines. Da hier
die angetrocknete Dura mater noch vollständig erhalten war, so Hess sich bestimmt
feststellen, dass das perforirende Instrument, wie ein Geschoss, ein scharfes Loch
in der Hirnhaut hervorgebracht hatte (Fig. 4). Die Richtung des künstlichen Canals
war hier eine fast senkrechte, so dass nur an einer kleinen Stelle die vordere
Oeffnung der Nasenhöhle direct sichtbar war.
(136)
(137)
Die Bichtang der Perforation war also in den beiden Fällen nicht unerheblich
Terschieden, und es ist selbstrerständlich, dass die Dorchgängigkeit des Canals, ins-
besondere die Möglichkeit, ihn Yon aussen her nach dem Tode aufzufinden, in
einzelnen Fällen recht gross, in anderen recht gering ist. Wir besitzen von unserenk
leider zu früh yerstorbenen correspondirenden Mitgliede Prof. A. Macali ster,^
dem früheren Präsidenten des grossbritannischen anthropologischen Instituts, eine
prächtige kleine Abhandlung: Notes on Egyptian Mummies, London 1898 (Joum.
of the Anthr. Institute, 1893, Not.), in welcher die genauesten Angaben über diese
Operation und über die nachträgliche Ausfüllung der Nasenhöhle mit Geweben ent-
halten sind (p. 115). Er fand, dass in 56 pCi seiner Schädel die Extraction dea
Gehirns durch die Nase ausgefflhrt war, und zwar in 5 pGt. durch die linke, in
3 pGt. durch die rechte Nasenöffnung; in den anderen war dabei die Scheidewand
zerbrochen. In zwei Fällen war das Instrument durch das Basisphenoid (den
Körper des Keilbeins) eingetrieben, in einem war das Gehirn durch den Grund
der Augenhöhle extrahirt. Obwohl im Allgemeinen grosse Sorgfalt darauf ver-
wendet war, das Gesicht unversehrt zu erhalten, so fand Macalister doch in
manchen Fällen grosse Verletzungen. Einmal war die ganze Nase gebrochen und
durch eine Thonnase ersetzt, ein andermal war das ganze Gesicht, Nase, Kiefer u. s. w.
zertrümmert und die Höhle mit Gewebe und darüber mit Thon geschlossen und
dann sorgsam bandagirt. Von ganz besonderem Interesse mit Bezug auf die An-
gaben des Hm. Fouquet ist folgender Fall: Der Kopf war vollständig durch den
ersten Halswirbel hindurch abgetrennt xmd ein mit Asphalt beschmierter Sycomoren-
Stock in den Kopf getrieben, um den letzteren auf der Wirbelsäule zu befestigen (to-
peg the head to the spine). Die Bandagen waren so gut angelegt, dass vor ihrer
Entfernung die vorherige Enthauptung (the pre-sepulcbral decapitation) nicht bemerkt
wurde. Es Hess sich jedoch nicht ausmachen, ob die Abtrennung des Kopfes vor
oder erst nach dem Tode ausgeführt war.
Wir werden uns also hüten müssen, die vorkommenden Fälle nach einem
allgemein gültigen Schema zu beurtheilen, und ich erkenne an, dass nach dei^
Angaben des Hm. Fouquet ein Urtheil über das an den Schädeln des Hm.
Amelineau eingehaltene Verfahren sidi erst gewinnen lassen wird, wenn die
Untersuchung des Inhaltes dieser Schädel zu einer grösseren Evidenz geführt sein
wird. Da wir bisher keine ausreichenden Materialien für eine ausgiebige Analyse
der in diesen Schädeln enthaltenen Masse besitzen, so müssen wir unser Urtheil
vorläufig suspendiren. Die Extraction des Gehims ohne Perforation dea
Schädelgewölbes und ein Ersatz des Schädelinhaltes durch balsamirende Sub-
stanzen ist nicht anders denkbar, als durch den Wirbelcanal und das grosse Hinter-
hauptsloch, aber eine solche Operation bietet die grössten technischen Schwierig-
keiten. Auch ein sehr erfahrener Operateur der Jetztzeit würde dieselbe kaum aus-
führen können. Man mag nun über die Geschicklichkeit und namentlich über die
Geduld der alten Einbalsamirer so günstig denken, wie nur immer möglich, immer
wird man sich doch erst entschliessen können, ein so complicirtes und dabei
schwer verständliches Verfahren anzunehmen, wenn die Natur der ausfüllenden
Masse sicher festgestellt ist.
Um die Frage, ob das in der Schädelhöhle vorgefundene Material nicht bloss
eingetrocknetes und im Laufe von Jahrtausenden verändeites Gehirn ist, weiter zu
klären, habe ich Hrn. Salkowski bestimmt, sich, im Anschlüsse an seine früheren
Analysen (S. 32), einer weiteren Untersuchung zu unterziehen. Ich habe ihm dazu
das geringe Material geliefert, welches ich durch die Zersägung und Ausleerung
(138)
verschiedener ägyptischer und peruanischer Momienköpfe gewonnen habe. Sein
Re&oltat war auch diesmal in Rücksicht auf die schwebende Frage ein negatives,
wie die sofort anznschliessende Darstellung ergeben wird. —
(23) Hr. E. Salkowski hat unter dem 19. März folgenden Bericht erstattet über
»
weitere üntersuchuiigeii von aus der Schädelhöhle yon Hnmienköpfen
entleerten Hassen.
Gegenstand der Untersuchung waren: 1. Substanz aus einem ägyptischen
Mumiei^opfe, in Anlehnung an die früheren Untersuchungen mit der fortlaufenden
Nr. lü bezeichnet; 2. Nr. IV Substanz aus verschiedenen Peruanischen Schädeln,
vereinigt; 3., 4., 5. Nr. V, VI und Vü Substanz aus ägyptischen Mumienköpfen.
Nr. in, IV, VI und VII sind mir von Hrn. R. Virchow direct übergeben worden,
Nr. V verdanke ich Hm. Li s sau er. Die letztere Masse rührt nach der freundlichen
Mittheilung desselben von einem Mumienkopfe her, den Gerhard Rebifs aus der
Oase Siwah aus den Felsengräbern im Todtenberge, „Gebel Muta^, mitgebracht hat
Die Masse stammt nicht aus der Schädelhöhle selbst, sondern aus den beiden
ersten Halswirbeln. Um die Halswirbel herum sass eine äusserlich ganz ähnliche
Masse, welche ich bei der Untersuchung möglichst vermieden habe.
Da die zur Verfügung stehende Quantität des Untersuchungsmaterials eine er-
heblich grössere war, als früher, so konnte ich auch andere Wege zur Unter-
suchung einschlagen. Vor Allem schien es mir wichtig, auf einem sicheren Wege
festzustellen, inwieweit die zu untersuchenden Massen, ihrer Zusammensetzung
nach, als Gehimsubstanz zu betrachten seien, bezw. inwieweit sie möglicher Weise
etwas Anderes als Gehimsubstanz sein könnten. Hierzu wählte ich die Ermittelung
des Gehaltes an Stickstoff, welcher jedenfalls der Hauptsache nach auf Eiweits-
Substanzen zu beziehen ist, und die Bestimmung dos für das Nervengewebe
ehakteristischen Phosphorgehaltes. Die Bestimmung des Stickstoffes geschiüi nach
-der Methode von Rjeldahl, die Bestimmung des Phosphors in der üblichen
Weise durch Schmelzen mit einem Gremisch von Salpeter und Soda, Fällung der
entstandenen Phosphorsäure mit molybdänsaurem Ammoniak, Ueberführang in
Magnesium-Pyrophosphat und Wägen desselben. Da die Substanzen sehr ver-
schiedene Quantitäten von hygroskopischem Wasser, sowie von Aschen-Bestand-
theilen, bezw. auch Sand enthielten, so war es noth wendig, um von einem v^»
gleichbaren Material ausgehen zu können, durchweg auch den Gehalt an Wasser
und Asche zu bestimmen. Die nachfolgenden Zahlen für Stickstoff und Phosphor
beziehen sich daher auf die „organische Trockensubstanz^ der Massen. Alle diese
Bestimmungen sind von Hm. Dr. Georg Schrader ausgeführt, während ich die
Untersuchung auf Fette und harzartige Substanzen übemommen habe.
Da die Zahlen für den Wasser- und Aschengehalt des Untersnchungsmaterimls
immerhin ein gewisses Interesse haben, so seien sie hier angeführt:
Nr. Hl enthielt 2,52 pCt. Wasser, 8,57 pGt Asche.
„ IV „ 1,372 „ „ , 3,61 „
„ V „ 3,486 , „ , 20,25 ^
. VI ^ 1,64 „ „ , 9,078 ^
„ VU „ 1,435 , „ , 5,446 ^
Es handelte sich also in allen Füllen um sehr wasserarme Substanzen gegen-
über frischer Gehimsubstanz, deren Wassergehalt man auf mnd 75 pCt veran*
schlagen kann.
(139)
Die Bestimmungen des Stickstoffes mid des Phosphors') ergaben Folgendes:
Nr. III enthielt 6,41 pOt. Stickstoff, 1,049 pCt. Phosphor.
„ IV , 4,70 „ „ , 0,66 „
„ V „ 8,04 „ „ , 0,275 „
„ VI , 4,45 „ „ , 0,607 „
» VII „ 4,33 y^ „ , 0,932 „ „
Nach diesen Bestimmangen sind Nr. III, lY, VI, YII der Hauptsache nach
Oehimsubstanz, immerhin könnten noch ansehnliche Quantitäten von heterogenen
Substanzen beigemischt sein. Nr. V erscheint bei seinem hohen Gehalt an Stick-
stoff und seinem niedrigen Gehalt an Phosphor etwas unsicher. Die Masse könnte
zum Theil wohl aus eingetrockneter Musculatur bestehen.
Auch die Untersuchung der durch heissen Alkohol ausziehbaren Stoffe ist
diesmal etwas anders ausgeführt worden. Zunächst habe ich darauf rerzichtet, zu
ermitteln, wieviel von in Alkohol löslichen Stoffen in den Massen enthalten sei,
einerseits weil davon nach den früheren Untersuchungen kein wesentlicher Anf-
schluss zu erwarten war, andererseits weil die erhaltenen Zahlen wegen des
wechselnden Gehaltes des Alkoholextraktes an Salzen doch mit Unsicherheiten be-
haftet sind, dieser aber nicht bestimmt werden konnte, ohne das Untersuchungs-
object, das Alkoholextrakt, zu zerstören. Es hätten durchweg doppelte Extractionen
vorgenommen werden müssen und das schien nicht lohnend genug.
Die Untersuchung beschränkte sich also auf die Zusammensetzung der
durch Ausziehen mit Alkohol erhaltbaren Substanz. Das eingeschlagene Verfahren
war dasselbe, wie bisher, jedoch mit dem wesentlichen Unterschiede, dass diesmal
die Quantität der harzartigen Substanz nicht aus der Differenz bestimmt, sondern
direct gewogen wurde. Die Untersuchung verlief also folgendermaassen : eine
nicht genau gewogene Quantität der so gut wie möglich zerkleinerten Masse wurde
mit Alkohol ausgekocht, nach dem Erkalten flitrirt, der alkoholische Auszug ein-
gedampft, unter Erwärmen in mit Natronlauge alkalisirtem Wasser gelöst, die ent-
standene trübe Lösung mit Aether ausgeschüttelt. Der flltrirte ätherische Auszug
hinterliess nach dem Abdestilliren und Verdunsten das Neutralfett oder richtiger
gesagt, die direct in Aether lösliche Substanz (A). Dann wurde die alkalische
Lösung angesäuert und mit Aether geschüttelt, der Aether- Auszug nochmals mit
Wasser geschüttelt. Der verdunstete Aether-Auszug lieferte die Fettsäuren (B).
Die theils sofort, theils beim Schütteln des Aether- Auszuges mit Wasser aus-
geschiedene harzartige Substanz wurde gesammelt, die Beste in Alkohol gelöst,
alles vereinigt. Die alkoholischen Auszüge lieferten beim Verdunsten die harzartige
Substanz (C). Sämmtliche erhaltenen Substanzen wurden bei 100^ getrocknet und
gewogen. Die Gewichtsmengen von A, B und C wurden addirt, gleich 100 gesetzt,
und hieraus die Zusammensetzung znrückberechnet.
Ehe ich die erhaltenen Zahlen mittheile, möchte ich noch etwas über die Be-
schaffenheit der beim Verdunsten des Alkohol-Auszuges erhaltenen Substanz sagen.
Nur in Fall Nr. V erinnerte ihre Beschaffenheit einigermaasseu an die bei der ersten
Untersuchung beobachtete, in allen anderen Fällen war dieselbe dagegen von salben-
artiger, ziemlich weicher Consistenz '). Dem entsprach nun auch die Zusammen-
setzung.
1) einschliesslich der phosphorsaoren Salze. Alle Zahlen beliehen sich auf die Asche und
die wasserfreie Trockensabstani, bezw. sind auch diese umgerechnet worden. Die meisten
Stickstoff-, sowie einige Phosphor-BestimmuDgen sind doppelt ausgeführt worden.
2) sehr ähnlich der aus dem Pemanischen Sch&dolinhalt durch Alkohol-Extraction er-
haltenen Substanz.
(140)
Zusammensetzung der in Alkohol löslichen Substanz in Procenten:
Nr. III : Nr. IV Nr. V Nr. VI Nr. VH
Direct in Aether losliclie Substanz
(Neutralfett)
Nach (lern Ansäueni in Aethor lösliche
Substanzen (Fettsäuren)
Harzartige Substanz
14,3
75,4
14,3
7,2
86,2
6,6
2,3
66,4
31,8
0,9
92,6
7,4
14,1
79,9
7,0
In allen Fällen war also die Quantität der harzartigen Substanz sehr gering,,
einigermaassen erheblich nur in der Masse aus Fall V, die mir aber ihrer Herkunft
nach nicht vollständig sicher erscheint. Auch in diesem Falle war ihre Quantität
erheblich kleiner, wie bei dem Inhalt aus dem Mumienkopfe der ersten Untersuchung.
Ferner fehlte die harzartige Substanz auch in dem Alkohol-Auszuge der Masse aus
Peruanischen Mumienköpfen nicht ganz.
Die BeschafTenheit der harzartigen Substanz war in allen Fällen dieselbe: eine
spröde, bräunlich gefärbte, durchsichtige Masse. Erwähnenswerth ist vielleicht
noch, dass das ,. Neutral fett "^ in allen darauf untersuchten Fällen eine sehr starke
Cholesterin-Reaction gab.
Nach dem Kesultat dieser Untersuchungen liegt kein zwingender Grund zu der
Annahme vor, dass in den untersuchten Fällen Harze in die Schädelhöhle hin-
eingebracht worden sind. Es scheint mir sehr wohl möglich, dass die kleine
Quantität harziger Substanzen im Laufe der Zeit aus Gehim-Bestandtheilen selbst
entstanden ist. Verharzungen gehören in der organischen Chemie zu den ge-
wöhnlichsten Erscheinungen; allerdings sind dabei meistens starke Reagentien im
Spiele, es ist jedoch sehr Avohl denkbar, dass die Länge der Zeit die Mitwirkung
starker Reagentien ersetzt. —
1
(24) Hr. R. Yirchow bespricht, unter Vorlegung der neuerdings eingesendeten
Knochentheile, folgende Mittheilung des Hm. Ober-Bürgermeisters Brecht, d. d.
Quedlinburg, 17. December 1896, über eine
Aiis^rabiinju: auf der Moorseliaiize bei Quedlinburg.
Die im Eigenthura der Stadt Quedlinburg befindliche Moorschanze, ein Htigel
von 40 m unterem Durchmesser und etwa 5 m Höhe, liegt 1 hn südlich von Quedlin»
bürg, hart am rechten Rande des etwa 20 m hohen diluvialen Bode-Ufers.
In der Voraussetzung, dass der Hügel ein vorgeschichtliches Grab bei^,
wurde die Ausgrabung beschlossen und nach Anweisung des Prof. J. Schmidt,
Directors des Frovinzial-Museums zu Halle, am 11. August 1896 mit der Ziehung
eines Grabens von 1,90 m Sohlbreite von ONO. nach WSW., nach der Mitte zu, be-
gonnen. Der Graben wurde bis auf den gewachsenen Boden ausgebracht, der aua
Kies mit einem etwa 5 rm starken Lehmüberzuge bestand und am Rande dea
Hügels 1.34 m unter der gegenwärtigen Höhe des Ackers ermittelt wurde. Es
zeigte sich alsbald, dass dtT Hügel von diesem Urboden ab künstlich auf-
geschüttet ist.
Nahe am Rande, f).*) cm unter der Oberfläche, fanden sich die Bruchstücke
eines gerauhten Latene-Gefässes, nohmlich der runde Boden von 10 mi Durch-
messer und einige Theile der Wandungen; daneben das Bruchstück einer roh ge-
(141)
bt-annten Tasse von unbestimmbarem Alter (Fig. 1). In der Aufschüttung, in der
man die Schichten verschiedener Erdgattungen unterscheiden konnte, fanden sich
dann verschiedene kleine Scherben mit Stich- und Schnittverzierung aus der jüngeren
Steinzeit (Fig. 2 — 4), und ein IOV2 cm langes, schräg zageschliffenes Stück eines
Röhrenknochens. Als sich der Graben dem Mittelpunkte des Hügels auf 6 m ge-
nähert hatte, fand sich 1 m unter der Oberfläche, unter einem fast verrotteten Bohlen-
stücke von 1 m Länge, 40 cm Breite und 6 — 10 cm Dicke, ein gut geformtes und
gebranntes, gehenkeltes Gefäss (Fig. 5) von 14 cm oberem Durchmesser und 7Va cm
Höhe, aus der frühen Bronzezeit, das weiter keinen Inhalt hatte, als das ein-
gedrungene morsche Holz.
Fig. 1.
Fig. B.
Fig. 2.
Fig. 5. Va
Fig. 4.
Nahe dem Mittelpunkte des Hügels wurden 3,15 m tief einige wagerecht liegende,
sehr gewölbte Scherben angetroffen, ohne Verzierung und ohne ausgeführte Form,
die einem amphorenartigen Gefässe angehört haben können, aber ein Ganzes nicht
liefern.
Neben dieser Stelle und unmittelbar am Mittelpunkte des Hügels wurde die
hier sehr kiesige Aufschüttung durch einen tiefschwarzen, ganz mit Asche und
vielen kleinen Rohlenstücken , verrotteten Holzstückchen und Thierknochen durch-
setzten Erdkörper von modrigem Gerüche abgelöst. Dieser Erd-Aschenkörper lagerte
auf dem ürboden. Seine Höhe war 1,90 m; am Rande verringerte sich die Höhe
und lief theilweise in Null aus. Die ostwestliche Ausdehnung betrug 7,5 m, die
südnördliche 5 m.
Am Ostende dieses Aschenkörpers fand sich in der Mitte des Hügels auf dem Ür-
boden, der hier 5,53 m unter der Oberfläche des Hügels lag, eine Art von Stein bau
(Fig. 6) aus 9 unbehauenen Geschiebe -Steinen, in der Stärke von 15 X 20 bis
50 X 70 cm. Die Steine lagen in der Form eines Hufeisens, dessen Schenkel etwas
auseinandergezogen waren, die offene Seite nach Westen (Fig. 7). Die Schenkel
entfernten sich von einander bis auf 1 m; nicht ganz so gross war die Tiefe der
Figur. Der zweitgrösste (38 X 58 cm) der Steine stand aufrecht, gegenüber der
offenen Seite in der Mitte (6); über ihm lag der grösste (a). Die anderen lagen
unregelmässig neben einander.
Am Ende der beiden Schenkel der Figur fand sich je ein Pferde- (?) Kiefer. Der
auf dem Südende lag unter einem Steine über Rohlenstückchen; der auf dem Nord-
ende lag zwischen zwei Steinen über und unter Stückchen von Kohlen und ver-
modertem Holze. Die Riefer lagen 60 cm von einander entfernt. Unter einem der
(140)
Zusammensetzung der in Alkohol löslichen Substanz in Procenten:
Nr. III , Nr. IV 1 Nr. V I Nr. VI i Nr. VH
Direct in AeÜier lösliche Substanz
(Neutralfett)
Nach dem Ans&aem in Aether lösliche
Substanzen (Fettsäuren)
Harzartige Substanz
14,8
76,4
14,3
7,2
86,2
6,6
2,3
66,4
81,8
0,9
92,6
7,4
14,1
79,9
7,0
In allen Fällen war also die Quantität der harzartigen Substanz sehr geringe
einigermaassen erheblich nur in der Masse aus Fall V, die mir aber ihrer Herkunft
nach nicht yollständig sicher erscheint. Auch in diesem Falle war ihre Quantität
erheblich kleiner, wie bei dem Inhalt aus dem Mumienkopfe der ersten Untersuchung.
Ferner fehlte die harzartige Substanz auch in dem Alkohol-Auszuge der Masse aus
Peruanischen Mumienköpfen nicht ganz.
Die Beschaffenheit der harzartigen Substanz war in allen Fällen dieselbe: eine
spröde, bräunlich gefärbte, durchsichtige Masse. Erwähnenswerth ist vielleicht
noch, dass das „Neutralfett^ in allen darauf untersuchten Fällen eine sehr starke
Cholesterin-Reaction gab.
Nach dem Resultat dieser Untersuchungen liegt kein zwingender Grund zu der
Annahme vor, dass in den untersuchten Fällen Harze in die Schädelhöhle hin-
eingebracht worden sind. Es scheint mir sehr wohl möglich, dass die kleine
Quantität harziger Substanzen im Laufe der Zeit aus Gehim-Bestandtheilen selbst
entstanden ist. Verharzungen gehören in der organischen Chemie zu den ge-
wöhnlichsten Erscheinungen; allerdings sind dabei meistens starke Reagentien im
Spiele, es ist jedoch sehr wohl denkbar, dass die Länge der Zeit die Mitwirkung
starker Reagentien ersetzt. —
(24) Hr. R. Virchow bespricht, unter V^orlegung der neuerdings eingesendeten
Knochentheile, folgende Mittheilung des Hrn. Ober-Bürgermeisters Brecht, d. d.
Quedlinburg, 17. December 1896, über eine
Ausgrabung auf der Moorsehanze bei Quedlinburg.
Die im Eigenthum der Stadt Quedlinburg befindliche Moorschanze, ein Hügel
von 40 m unterem Durchmesser und etwa 5 m Höhe, liegt 1 hm südlich von Quedlin-
burg, hart am rechten Rande des etwa 20 m hohen diluvialen Bode-Ufers.
In der Voraussetzung, dass der Hügel ein vorgeschichtliches Grab berge^
wurde die Ausgrabung beschlossen und nach Anweisung des Prof. J. Schmidt,
Directors des Provinzial-Museums zu Halle, am 11. August 1896 mit der Ziehung
eines Grabens von 1,90 wi Sohlbreite von ONO. nach WSW., nach der Mitte zu, be-
gonnen. Der Graben wurde bis auf den gewachsenen Boden ausgebracht, der aus
Kies mit einem etwa 5 cm starken Lehmüberzuge bestand und am Rande des
Hügels 1,34 m unter der gegenwärtigen Höhe des Ackers ermittelt wurde. Es
zeigte sich alsbald, dass der Hügel von diesem Urboden ab künstlich auf-
geschüttet ist.
Nahe am Rande, 55 cm unter der Oberfläche, fanden sich die Bruchstücke
eines gerauhten Latene-Gefasses, nehralich der runde Boden von 10 cm Durch-
messer und einige Theile der Wandungen; daneben das Bruchstück einer roh ge-
(141)
brannten Tasse ron unbestimmbarem Alter (Fig. 1). In der Aufschüttung, in der
man die Schichten verschiedener Erdgattungen unterscheiden konnte, fanden sich
dann rerschiedene kleine Scherben mit Stich- und Schnittverzierang aus der jüngeren
Steinzeit (Fig. 2 — 4), und ein lOy, cm langes, schräg zugeschliffenes Stück eines
Röhrenknochens. Als sich der Graben dem Mittelpunkte des Hügels auf 6 m ge-
nähert hatte, fand sich 1 m unter der Oberfläche, unter einem fast verrotteten Bohlen-
stücke von 1 m Länge, 40 cm Breite und 6 — 10 cm Dicke, ein gat geformtes und
gebranntes, gehenkeltes Oelass (Fig. 5) von 14 cm oberem Durchmesser und 77, an
Höhe, aus der frühen Bronzezeit, das weiter keinen Inhalt hatte, als das ein-
gedrungene morsche Holz.
Fig. 1.
Fig. 3.
Fig. 2.
Fig. 5. Va
Fig. 4.
Nahe dem Mittelpunkte des Hügels wurden 3,15 m tief einige wagerecht liegende,
sehr gewölbte Scherben angetroffen, ohne Verzierung und ohne ausgeführte Form,
die einem amphorenartigen Gefasse angehört haben können, aber ein Ganzes nicht
liefern.
Neben dieser Stelle und unmittelbar am Mittelpunkte des Hügels wurde die
hier sehr kiesige Aufschüttung durch einen tiefschwarzen, ganz mit Asche und
vielen kleinen Kohlenstücken, verrotteten Holzstückchen und Thierknochen durch-
setzten £rdkörper von modrigem Gerüche abgelöst. Dieser Erd-Aschenkörper lagerte
auf dem ürboden. Seine Höhe war 1,90 m; am Rande verringerte sich die Höhe
und lief theilweise in Null aus. Die ostwestliche Ausdehnung betrug 7,5 m, die
südnördliche 5 m.
Am Ostende dieses Aschenkörpers fand sich in der Mitte des Hügels auf dem Ür-
boden, der hier 5,53 m unter der Oberfläche des Hügels lag, eine Art von Steinbau
(Fig. 6) aus 9 unbehauenen Geschiebe- Steinen, in der Stärke von 15 X ^0 bis
50 X 70 cm. Die Steine lagen in der Form eines Hufeisens, dessen Schenkel etwas
auseinandergezogen waren, die offene Seite nach Westen (Fig. 7). Die Schenkel
«ntfemten sich von einander bis auf 1 m; nicht ganz so gross war die Tiefe der
Figur. Der zweitgrösste (38 X 58 cm) der Steine stand aufrecht, gegenüber der
offenen Seite in der Mitte (6); über ihm lag der grösste (u). Die anderen lagen
nnregelmässig neben einander.
Am Ende der beiden Schenkel der Figur fand sich je ein Pferde- (?) Kiefer. Der
auf dem Südende lag unter einem Steine über Kohienstückchen; der auf dem Nord-
ende lag zwischen zwei Steinen über und unter Stückchen von Kohlen und ver-
modertem Holze. Die Kiefer lagen 60 cm von einander entfernt. Unter einem der
Steine lag ein Knochenstück,
um 1,30 m.
(142)
Die Aschen-Erdschicht überragte den höchsten Stein
Fig. 6.
Durchschnitt in der Richtung SO.— KW.
H, Husarenstieg, QL, gelber Lehm, U» Urboden, A, Asche,
a Steinpackong mit Pferde- (?) Kiefern, b Einielsch&del, c Gerippe.
Fig. 7,
a aufrecht stehender, h darfiber liegender Stein.
Beim weiteren Abbau des Aschen-Erdkörpers Ton Ost nach West fanden sich
yerschiedene Nester Ton bräunlicher und röthlicher Erde, zahlreiche Holzreste,
Knochen und Kohlenstückchen (Fig. 8, A.A.)y Höhlungen von 25 — 75 cm Durch-
messer, nur theilweise mit ganz lockerer Erde und Knochenresten ausgefüllt
Auch fand sich ein Erdenkloss mit dem schönen Abdrucke eines (Eichen-?)
Blattes. Als die Abräumung 2 m weit Ton der Steinsetzung yorgeschritten war,
zeigte sich eine 2,60 m lange, von 1,20 m Höhe über dem Urboden im Süden bi«
65 cm über dem Boden im Norden streichende Höhlung, die in dem oberen, 1,50 m
langen Theile unregelmässig gekrümmt war und bis zu 15 cm Durchmesser hatte,
(143)
in dem unteren Theile aber geradlinig war und 10 cm Dnrchmesser hatte. Der obere^
Theil der HöUang zeigte an der oberen Fläche Tiele von der Erde festgehaltene^
Fig. 8.
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Aiisschachtimg der Moorschanze, Horixontal- Ansieht.
A. Aseheoerde mit Kohlen, Knochen und Holzresten, St. u, Pf. Steinpackong mit Pferde- (?)•
Kiefern, S. Einzelsch&del, 0, Gerippe.
Fig. 9.
Knochenspnren, der untere viele Holzreste. 30 em unter dem oberen Theile war
eine etwa 30 cm tiefe, 20 cm hohe und 35 cm lange Höhlung, in der sich yiele
Knochen, eine Scherbe mit Stich- und Strich -Yerziemng
(Fig. 9) und ein Erdenkloss mit dem gut erhaltenen Ab-
drucke der Innenfläche der Mittelfinger einer Hand fanden.
50 cm darunter war ein zusammenhängender, etwa 70 cm
langer, 1 mm starker Streifen von Knochenstoff.
Bei der Weiterarbeit in der Richtung nach Westen
traf man eine Tom Urboden im Winkel von etwa 50 **
ron Ost nach West bis 70 cm unter der Oberfläche des Hfigels aufsteigende, 2 m
lange Röhre Ton 50 cm Durchmesser, die mit ganz lockerer Aschenerde geftUlt
war, und daneben eine andere, nach Süden herumgehende, von 2 m Länge und.
10 em Dnrchmesser mit lockerer Asche und yerbrannten Knochen.
(144)
Von dem unteren Anfange dieser Röhre 1,20, tod der 2,60 langen Höhlung
1,50 und von der Steinsetzung 3,50 m entfernt und von ihr in westlicher Richtung,
fand sich dann ein Schädel, der nach der Blosslegung gelb war, alsbald aber
roth wurde.
Fig. 10.
Monrschanze bei Quodlinbnrg,
Aufnalime <.auf ',', verkleinert) Ton N., etwit 2,5 m Ober dem SchSdel
nnil 2,6 m von ihm entfernt.
Der Schüdel lag an! einer etwa 15 cm starken Scliii-bt Tbonerde,
welche auf den Urboden anfgetragen war. Dieser Auftrag ist
bi« auf eine geringe Entfernung Totii Srhüdcl entfernt, um den
ürboden sichtbar lU machen. Daher der Kreis nm den SchAdel.
Der Schildel war von einer 15 cm starken thnnigen Erdschicht unterbettet, die
ihrerscils auf dem Urbodon lag. Mit einer gleichen Schicht war er auch bedeckt.
Der Aschen-Rrdbörper über dorn Schädel war 1,90 m hoch. Darüber war noch
2,80 m ÄufschUttDng. Der Schilde! hatte Rückenlage, mit dt;r Richtung genau nach
West. Die Achse war aber nicht wagerei^ht, aondcm in einem Winkel von 20° nach
hinten (Osten) geneigt. HO cm um den Schädel herum war die Aschenerde besonden
C145)
reich an reiner Äsche, Knochen und KohlenstOckchen. In der Asche Aber dem
Bchädel lagen mehrere Scheriten, daninter zwei mit Stich-Verzienint; (JPig. 12, a, &);
swei andere mit Stich-Verziemng (ßig, 13, o, b) nnd eine mit Zickzack -Terziemn^
(Fig. 14) fanden sich in der Nähe; doch ist es nicht sicher, ob sie nicht von der
Anrschfittang heruntergefallen waren. Von dem Schädel in seiner Lage 'wnrden
Photographien anfgenommen (Fig. 10 und 11).
Fig. U.
Moorschanie bei Quedlinburg.
Der Schädel lag 4,80 m tief nnitt einer 1,90 m hoben Äachen-Erdscbitht.
Die Anfnahme ist von Osten aus erfolgt, etwa 1,60 in Qber dem Sch&dol -
nnd 7 m von ihm entfernt.
Fig. 12.
Fig. 13.
Efei der weiteren Entfernang der Aschen-ErdHChicht fand sich 2,50 in von dem
Einzelschädel in westHUdweBtl icher Richtung ein auf dem Urboden lagerndes Ge-
rippe. Die Aachen-Erdschicht über diesem Gerippe betrog 1,90 w, wurde in der
Cmgebnng nach Sud, West und Nord aber niedriger und verlief sich in einer Ent-
femnng von 2 — 3 m. Die Entfernung von dem Gerippe bis zur Oborlläche des
HUgela betrug 4,70 m.
Das Gerippe lag in Rückenlage mit dem etwas nach links geneigten Kopfe
nach Westen. Schädel mit Unterkiefer, Rippen und Becken waren in der richtigen
TokudL dtr Bul. «DtlirBpoL a»*ILicli(ri 1397. IQ
(146)
Lage; die Armknochen schienen über der Brust gekreuzt gewesen zu sein. An
das Becken schloss sich nur eine Lage von Knochen an, so, als seien die Unter-
schenkel unter die Oberschenkel geschlagen. Die ganze Länge des Gerippes betrug
95 cm.
Nachdem sämmtliche Knochen aus der lockeren Erde hervorgenommen waren,
ergab sich, dass verschiedene Knochen zur Vollständigkeit eines Menschen-Gerippes
fehlten, andere überreich vorhanden waren und das Gerippe aus den Knochen von
3 oder mehr Menschen zusammengesetzt gewesen war. Es fand sich 1 Schädel
mit nicht zugehörigem Unterkiefer, 2 rechte und 1 linkes Oberarmbein, 2 ver-
schiedene Ellen, 6 Speichen, 9 Rippen, 2 Lendenwirbel, 1 Kreuzbein, 2 Hälftien des
Beckens, 2 verschiedene Oberschenkel -Knochen, 2 verschiedene Schienbeine,
3 Wadenbeine und ein anderer Röhrenknochen. Auf dem Urboden in der Um-
gebung des Gerippes waren Spuren von verrottetem Holze und ganz kleinen
Knochenresten; grössere Knochenreste und deutliche Asche fehlten hier.
Im Norden des Gerippes wurde gefunden:
a) im Abstände von 25 an, aber 80 cjh höher als das Gerippe, der Abdruck
eines Pferdehufes in thohiger Erde,
b) im Abstände von 1,45 7/1, aber 1,20 m höher als das Gerippe, ein hammer-
ähnlicher, unbehauener Stein von 22 cm Länge (Pig. 15), 10 — 6 cm Breite
und 4Vi — 3 cm Dicke und
c) im Abstände von 2,50 m, aber 1,50 m höher, als das Gerippe, ein Schweine-
kiefer.
In der Nähe dieser Gegenstände traf man auch eine Scherbe mit Schnitt- und
Strich-Verzierung (Pig. 16).
Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16.
Todten- Urnen und Beigaben der üblichen Art standen im Umkreise von
0,70 — 3,50 m von dem Gerippe, wie auch von dem Einzelschädel, nicht. Der Ur-
boden war an der Stelle des Einzelschädels um 34 cm höher, als an der Stelle des
Gerippes, und 20 cm höher, als an der Stelle des Steinbaues. —
Ilr. R. Virchow: Schon in seinem ersten Begleitschreiben hatte Hr. Brecht
auf die Hauptpunkte des, wie er sich ausdrückte, „ziemlich räthselhaften^ Ergeb-
nisses der Untersuchung hingewiesen: „auf der höchsten Stelle des Urbodens ein
einsamer Schädel, 3*/, m nach Osten eine Art von Steinbau mit zwei Pferde-
Kiefern, 27, m nach Südwesten ein aus Knochen von mehreren Menschen
sorgsam zusammengesetztes Gerippe; über dem Allen eine 1,90 m hohe
Schicht von Erde, die mit Asche und Resten von Knochen, Holz und Kohlen ganz
durchsetzt war, und dabei keine Spur von Leichenbrand, keine Urne, keine Bei-
(147)
gabeD.^ Er erwähnte zugleich die Meinung des bei der Ausgrabung zugezogenen
Hrn. J. Schmidt, dass möglicherweise der Htigel gar nicht als Todtenhügel auf-
getragen sei.
In einem neueren Begleitschreiben vom 16. Februar, bei Ucbersendung der
Knochen, betont er mit Recht die ^ausserordentliche Terschiedenheit in der Ge-
stalt der beiden SchüdcP. Er erwähnt zugleich, dass Hr. Weinhold in seiner
Abhandlung über die heidnische Todtenbestattung in Deutschland einige analoge
Funde anführe, nehmlich aus einem Hügelgrabe bei Olmütz die Knochen zweier
Skelette, zu einem Gerippe yereinigt^ mit nur einem Schädel, und aus einem Hügel-
grabe bei Ranis nur 4 Schädel. In dem Torliegenden Falle „scheine das künstlich
zusammengesetzte Gerippe einen zuverlässigen Beweis des Skeletirens zu er-
geben".
Bei dem Auspacken und Ordnen der Knochen war begreiflicherweise meine
Aufmerksamkeit vorzugsweise diesem „Gerippe^ zugewendet. Es fand sich, dass
die osteologische Bestimmung der einzelnen Knochen, sowie die Angaben über
ihre Zahl zutreffend waren. Schon aus dieser letzteren folgt, dass einzelne
Knochen, wie der Radius, in 6, ein Paar andere in je 3 Exemplaren vorhanden
waren, so dass also, die Zusammengehörigkeit von je 2 vorausgesetzt, doch Be-
standtheile von 2, ja einmal von 3 Gerippen vorliegen mussten. Allein die genauere
Betrachtung erwies, dass die Voraussetzung von je 2 zusammengehörigen Knochen
nicht zulässig ist, dass vielmehr eine fast allgemeine Discordanz unter den ihrem
allgemeinen Charakter nach gleichwerthig erscheinenden Knochen bestand. Ich
gebe zunächst eine kurze Uebersicht dieser Gebeine:
Os humeri .... 3 Stück (alle unter einander verschieden),
ülna 2 ^ (sehr verschieden),
Radius 6 „ (fast alle verschieden, höchstens 2 zusammen-
gehörig),
Os femoris ... 2 „ (1 rechtes und 1 linkes, aber verschieden lang
und stark),
Tibia 1 „ (von einem Kinde, dicl^, die Epiphysen abgelöst),
„ 2 „ (von Erwachsenen, ganz verschieden),
Fibula 3 „ (verschieden),
Beckenknochen . . 2 „ (Seitentheile von 2 Personen, an dem einen
eine ganz weite Pfanne mit hyperostotischem
Rande),
^ . . 1 „ (Kreuzbein, klein, anscheinend weiblich, stark
gekrümmt, mit grossen Intervertebrallöchern),
Wirbel 2 „ (lumbare, vielleicht zusammengehörend),
Unterkiefer ... 1 „ (sehr klein, vielleicht weiblich).
Es konnte daher nicht zweifelhaft sein, dass mindestens von 3 verschiedenen,
und zwar sowohl männlichen, als weiblichen Gerippen, Knochen da waren, ja sogar
die Tibia eines Kindes. Nach der Beschaffenheit der Radien mussten wenigstens
f> ursprüngliche Gerippe benutzt worden sein. Die mir zugegangene Beschreibung
lässt nicht erkennen, in welcher Weise die Herstellung eines „künstlichen Gerippes"
ausgeführt war. Wahrscheinlich waren die Knochen nicht „zusammengesetzt",
sondern nur in solcher Reihenfolge niedergelegt, wie sie für die Herstellung eines
Skelets nothwendig erschien. Wäre ein voUstündigos Gerippe (Skelet) vorhanden
gewesen, so müsste sich aus den eingesendeten Knochen ein solches wieder zu-
sammensetzen lassen; dies ist jedoch gänzlich unmöglich, da selbst die paar*
weise vorhandenen Knochen nicht zusammenpassen. Wenn man auf ein „voll-
10*
(148)
ständiges^ Gerippe verzichten wollte, würde nar ein Haufe von Gebeinen übrig-
bleiben, bei denen der Nachweis zasammengehöriger Knochen nur für vereinzelte
Stücke zu liefern wäre. Dadurch wird anch die Möglichkeit widerlegt, dass die
Knochen ans mehreren Gräbern gesammelt und erst nachträglich zusammengelegt
sind. Wie sollte jemand auf den Gedanken kommen, aus einem Grabe ein rechtes,
aus einem anderen ein linkes Os femoris zu entnehmen und beide „künstlich'^ zu ver-
einigen? Oder wie könnte im Ernst der Plan ersonnen werden, mit zwei Lendenwirbeln
ein Skelet nachzubilden, während der Schädel ohne Halswirbel niedeigeiegt wurde?
Wenn an einer Stelle neben einander eine Mehrzahl von Gräbern geöCTnet wird,
so kann es leicht geschehen, dass bei der Wiedereinscharrung der Knochen Skelet-
theile verschiedener Gerippe bunt durch einander zusammengelegt werden. An
einem Orte, wo nur zwei Schädel zu Tage gekommen sind, ist eine solche An-
nahme, zumal wenn es sich um Knochen von 3 oder gar 5 Skeletten handelt, nicht
zulässig. Wo sollten die vielen fehlenden Knochen geblieben sein? Dazu kommt
ein anderer Umstand, der von grosser Wichtigkeit ist. Der Erhaltungszustand der
verschiedenen Knochen ist ein so verschiedener, dass man an eine einheitliche
Herkunft derselben nicht denken kann. Die beiden Schädel sind verhältnissmässig
gleichartig beschaffen. Sie haben jenes tief bräunliche Aussehen, welches bei
Schädeln, die nicht zu lange in der Erde gelegen haben, häufig angetroffen wird.
Sie zeigen auch jenes losere GefUge der oberflächlichen Theile, welches beim
Eintrocknen das Abblättern der äussersten Rindenschicht bedingt, und jenes ver-
hältnissmässig leichtere Gewicht, welches auf die Einwirkung feuchter Umgebungen
und eine dauernde Auslaugung der Erdsalze hindeutet. Ich kann ihnen daher keine
sehr lange Dauer der Bestattung zuschreiben, am wenigsten eine Dauer, die bi»
in die neolithische Zeit zurückreichen könnte. Ein Paar Jahrhunderte scheinen
mir das äusscrste Zeitmaass auszudrücken, welches man ihnen zugestehen darf;
vielleicht sind sie noch jünger.
Diesem Zustande entsprechen einzelne der anderen Knochen, so namentlich
das kleine Kreuzbein. Andere dagegen sind ganz fest, an ihrer Oberfläche glatt
und von mehr weisslich- oder gelblich-grauer Farbe, übrigens unverletzt. Sie sehen
aus, wie regelmässig macerirte Knochen, wie man sie in anatomischen Anstalten
absichtlich zum Studium herrichtet. Wäre es ein Sachverständiger, ein Anatom
oder ein Arzt gewesen, der sie niedergelegt hätte, so könnten manche von ihnen
nicht sauberer sein. Ist es nun ganz undenkbar, dass ein früherer Besitzer, der
sie zu wissenschaftlichen Zwecken gesammelt hatte, sie schliesslich hat vergraben
lassen, oder dass seine Erben oder Nachfolger sie haben wegbringen lassen?
Sollten auf der Moorschanze Hinrichtungen stattgefunden haben, so könnte die
Gelegenheit, Gebeine zu vergraben, von dem Besitzer benutzt sein, um sich der
nicht mehr zu verwendenden Theile zu entäussern.
Dabei bemerke ich, dass Spuren, die auf eine Enthauptung hinweisen, sich
nicht vorfinden, wie denn auch sonstige Zeichen von Gewalt-Einwirkungen, die so
od unter einer grösseren Zahl von einzelnen Knochen bemerkt werden, fehlen.
Selbst, wenn die Moorschanze einmal eine Richtstütte gewesen wäre, auf der
man die Hingerichteten oder deren Gebeine bestattete, wären Enthauptung oder
Riiderung als Todesart auszuschliessen. Des Gegensatzes wegen will ich hier an
einen, auch in anderer Beziehung sehr merkwürdigen Fund erinnern, den ich in
der Sitzung vom 19. Januar 1884 (Verhandl. S. 53, Taf. II) eingehend beschrieben
habe. In dem Burgwull von Ketzin an der Havel, in der Nähe von Potsdam^
wurden an einer Stelle 3 Schädel mit Unterkiefern, und ausserdem 2 einzelne
Unterkiefer gefunden; alle weiteren Skeletknochen fehlten. Es blieb mir kein
(149)
Zweifel, „dass wir es hier mit den abgeschlagenen Köpfen von Männern zu thnn
hatten, deren Körper nicht mit an die Stelle gebracht wurden, wo man schliesslich
iiie Köpfe einscharrte*^. Deutliche Uiebyerletzungen um das grosse Hinterhaupts-
loch und an den Unterkiefern lieferten den Beweis, dass die Köpfe gewaltsam ab-
geschlagen waren. Sie glichen darin anderen Schädeln, die ich früher beschrieben
hatte und die ich kurz aufzählte. Hier haben wir also ein Beispiel, das sich einer-
seits durch den Mangel zugehöriger Skcletknochen dem Quedlinburger Funde,
wenigstens dem ^einsamen ^ Schädel anschliesst, andererseits durch die occipitalen
Verletzungen sich gänzlich daron unterscheidet.
Betrachten wir nunmehr die beiden Quedlinburger Schädel etwas näher:
1. der nach Annahme der Finder zu dem Gerippe gehörige Schädel
(Fig. 17), zu dem ein passender Unterkiefer nicht yorhanden ist, erweist sich als
«in annähernd ausgebildeter Kephalone: seine Gapacität beträgt 1555 ccm,
sein Horizontal-Umfang 570 mm, der rerticale 333, der sagittale 396, seine hori-
zontale Länge 194, seine grösste Breite 163, seine gerade Höhe 138, seine Stirn-
breite (minimale) 107 mm. Daraus berechnen sich ein stark brachycephaler
(84,0) Breiten- und ein ausgesprochen orthocephaler (71,1) Höhen-Index. Der
Schädel besitzt gewaltige Stirnhöhlen, denen ein starker Stimnasenwulst ent-
spricht (Fig. 17—19)').
Fig. 17. Vs
Der Schädel hat einem alten Manne angehört: der Oberkiefer ist ganz zahnlos;
nur die Alreole des rechten mittleren Schneidezahnes ist erhalten und zeigt eine
ungewöhnlich gerundete Form. Einige andere Vorderzähne sind später ausgefallen
and haben nur zertrümmerte Alveolen hinterlassen. Alle anderen Zähne scheinen
vor längerer Zeit verloren gegangen zu sein: die Alveolen der linken Backzähne
sind gänzlich obliterirt und der ganze Alveolarfortsatz bis auf einen niedrigen
Rand geschwunden. Auch von diesem fehlt rechts ein Stück wegen Zertrümmerung
der Kieferhöhle. Von den Nähten in der Schläfengegend sind nur die Sut. spheno-
temporales erhalten; alles Andere ist synostotisch (Fig. 17). Dafür ist der obere
Theil der Schläfengegend, soweit die Sut. coronaria noch offen ist, bombenförroig
ausgeweitet. Von der Pfcilnaht ist nur das vordere Dritttheil noch vorbanden
(Fig. 18). Die Lambdanaht beginnt gegen die Spitze hin zu verstreichen. Ueber
der Spitze befindet sich eine mediane Vertiefung. Rechts eine Spur der Sni
iransv. occipitis. Die Plana temporalia gehen weit in die Höhe bis über die Tub.
1) Die Schädel sind von Hm. Heibig nach der geometrischen Methode gezeichnet.
(140)
Zusammensetzung der in Alkohol löslichen Substanz in Procenten:
Nr. III Nr. IV i Nr. V I Nr. VI Nr. VH
Direct in Aether lösliche Substanz
(NeutTÄlfett)
Nach dem Ans&uem in Aether lösliche
Substanzen (Fetts&urcn)
Harzartige Substanz
14,3 I 7,2
2,3
0,9
14.1
76,4
14,3
86,2 66,4
6,6 31,8
92,6 79,9
7.4 7,0
In allen Fällen war also die Quantität der harzartigen Substanz sehr geringe
einigennaassen erheblich nur in der Masse aus Fall V, die mir aber ihrer Herkunft
nach nicht vollständig sicher erscheint. Auch in diesem Falle war ihre Quantität
erheblich kleiner, wie bei dem Inhalt aus dem Mumienkopfe der ersten Untersuchung.
Ferner fehlte die harzartige Substanz auch in dem Alkohol-Auszuge der Masse aus
Peruanischen Mumienköpfen nicht ganz.
Die Beschaffenheit der harzartigen Substanz war in allen Fällen dieselbe: eine
spröde, bräunlich gefärbte, durchsichtige Masse. Erwähnenswerth ist Tielleieht
noch, dass das ^Neutralfett^ in allen darauf untersuchten Fällen eine sehr starke
Cholesterin-Reaction gab.
Nach dem Resultat dieser Untersuchungen liegt kein zwingender Orund zu der
Annahme vor, dass in den untersuchten Fällen Harze in die Schädelhöhle hin-
eingebracht worden sind. Es scheint mir sehr wohl möglich, dass die kleine
Quantität harziger Substanzen im Laufe der Zeit aus Gehim-Bestandtheilen selbst
entstanden ist. Verharzungen gehören in der organischen Chemie zu den ge-
wöhnlichsten Erscheinungen; allerdings sind dabei meistens starke Reagentien im
Spiele, es ist jedoch sehr wohl denkbar, dass die Länge der Zeit die Mitwirkung
starker Reagentien ersetzt. —
(24) Hr. R. Yirchow bespricht, unter V^orlegung der neuerdings eingesendeten
Knochentheile, folgende Mittheilung des Hm. Ober-ßürgermeisters Brecht, d. d.
Quedlinburg, 17. December 1896, über eine
Ant^^abnng auf der Hoorsehanze bei Quedlinburg.
Die im Eigenthum der Stadt Quedlinburg befindliche Moorschanze, ein Hügel
von 40 m unterem Durchmesser und etwa 5 m Höhe, liegt 1 km südlich von Quedlin-
burg, hart am rechten Rande des etwa 20 m hohen diluvialen Bode-Ufers.
In der Voraussetzung, dass der Hügel ein vorgeschichtliches Grab berge«
wurde die Ausgrabung beschlossen und nach Anweisung des Prof. J. Schmidt,
Directors des Provinzial-Museums zu Halle, am 11. August 1896 mit der Ziehung
eines Grabens von 1,90 m Sohl breite von ONO. nach WSW., nach der Mitte zu, be-
gonnen. Der Graben wurde bis auf den gewachsenen Boden ausgebracht, der ans
Kies mit einem etwa 5 cm starken Lehmüberzuge bestand und am Rande des
Hügels 1,34 m unter der gegenwärtigen Höhe des Ackers ermittelt wurde. Es
zeigte sich nlsbald, dass der Hügel von diesem Urboden ab künstlich auf-
geschüttet ist.
Nahe am Rande, 55 cm unter der Oberfläche, fanden sich die Bruchstücke
eines gerauhten Latene-Gefässes, nehralich der runde Boden von 10 cm Durch-
messer und einige Theile der Wandungen; daneben das Bruchstück einer roh ge-
(141)
brannten Tasse von unbestimmbarem Alter (Fig. 1). In der Aufschüttung, in der
man die Schichten verschiedener Erdgattungen unterscheiden konnte, fanden sich
dann verschiedene kleine Scherben mit Stich- und Schnittverzierung aus der jüngeren
Steinzeit (Pig. 2 — 4), und ein 10*/, cm langes, schräg zageschlififenes Stück eines
Böhrenknochens. Als sich der Graben dem Mittelpunkte des Hügels auf 6 m ge-
nähert hatte, fand sich 1 m unter der Oberfläche, unter einem fast verrotteten Bohlen-
atücke von 1 m Länge, 40 cm Breite und 6 — 10 cm Dicke, ein gut geformtes und
gebranntes, gehenkeltes Oefäss (Pig. 5) von 14 ein oberem Durchmesser und Ty^ cm
Höhe, aus der frühen Bronzezeit, das weiter keinen Inhalt hatte, als das ein-
gedrungene morsche Holz.
FiR. 1.
Fig. B.
Fig. 2.
Fig. 5. Va
Fig. 4.
Nahe dem Mittelpunkte des Hügels wurden 3,15 m tief einige wagerecht liegende,
sehr gewölbte Scherben angetroffen, ohne Verzierung und ohne ausgeführte Form,
die einem amphorenartigen Gefässe angehört haben können, aber ein Ganzes nicht
liefern.
Neben dieser Stelle und unmittelbar am Mittelpunkte des Hügels wurde die
hier sehr kiesige Aufschüttung durch einen tiefschwarzen, ganz mit Asche und
vielen kleinen Kohlenstücken, verrotteten Holzstückchen und Thierknochen durch-
setzten £rdkörper von modrigem Gerüche abgelöst. Dieser Erd-Aschenkörper lagerte
auf dem Urboden. Seine Höhe war 1,90 m; am Rande verringerte sich die Höhe
und lief theilweise in Null aus. Die ostwestliche Ausdehnung betrug 7,5 m, die
südnördliche 5 m.
Am Ostende dieses Aschenkörpers fand sich in der Mitte des Hügels auf dem Ur-
boden, der hier 5,53 m unter der Oberfläche des Hügels lag, eine Art von Stein bau
(Pig. 6) aas 9 unbehauenen Geschiebe -Steinen, in der Stärke von 15 X 20 bis
50 X 70 cm. Die Steine lagen in der Form eines Hufeisens, dessen Schenkel etwas
auseinandergezogen waren, die offene Seite nach Westen (Fig. 7). Die Schenkel
entfernten sich von einander bis auf I m; nicht ganz so gross war die Tiefe der
Figur. Der zweitgrösste (38 X 58 cm) der Steine stand aufrecht, gegenüber der
offenen Seite in der Mitte (6); über ihm lag der grösste (</). Die anderen lagen
anregelmässig neben einander.
Am Ende der beiden Schenkel der Figur fand sich je ein Pferde- (?) Kiefer. Der
auf dem Südende lag unter einem Steine über Rohlenstückchen; der auf dem Nord-
ende lag zwischen zwei Steinen über und unter Stückchen von Kohlen und ver-
modertem Holze. Die Riefer lagen 60 cm von einander entfernt. Unter einem der
(142)
Steine lag -ein Knochenstück. Die Aschen-Erdschicht überragte den höchsten Stein
um 1,30 m,
Fig. 6.
Durchschnitt in der Richtung SO.— NW.
H, Husarenstieg, OL gelber Lehm, U, Drboden, A. Asche,
a Steinpackong mit Pferde- (?) Kiefern, b Einzelschftdel, c Gerippe.
Fig. 7.
a anirecht stehender, h darfiber liegender Stein.
Beim weiteren Abban des Aschen-Erdkörpers von Ost nach West fanden sich
rerschiedene Nester von bräunlicher und röthlicher Erde, zahlreiche Holzreste,
Knochen und Kohlenstückchen (Fig. 8, A.A,)^ Höhinngen von 25 — 75 cm Darch»
messer, nur theilweise mit ganz lockerer Erde und Knochenresten ansgefttUt
Auch fand sich ein Erdenkloss mit dem schönen Abdrucke eines (Eichen-?)
Blattes. Als die Abräumung 2 m weit von der Steinsetzung vorgeschritten war,
zeigte sich eine 2,60 m lange, von 1,20 m Höhe über dem Urboden im Sttden bis
65 cm über dem Boden im Norden streichende Höhlung, die in dem oberen, 1,50 m
langen Theile unregelmässig gekrümmt war und bis zu 15 cm Durchmesser hatte,
(143)
in dem unteren Theile aber geradlinig war und 10 cm Durchmesser hatte. Der obere^
Theil der Höhlung zeigte an der oberen Fläche yiele von der Erde festgehaltene^
Fig. 8.
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Aosscbacbtang der Moorsohanze, Horisontal-Ansicht
A. Aschenerde mit Kohlen, Knochen und Holzresten, St u, Pf. 8teinpackung mit Pferde- (?)-
Kiefern, S. Einzelschädel, 0. Gerippe.
Fig. 9.
Knochenspuren, der untere viele Holzreste. 30 cm unter dem oberen Theile war
eine etwa 30 cm tiefe, 20 cm hohe und 35 cm lange Höhlung, in der sich viele
Knochen, eine Scherbe mit Stich- und Strich -Verzierung
(Fig. 9) und ein Erdenkloss mit dem gut erhaltenen Ab-
drucke der Innenfläche der Mittelfinger einer Hand fanden.
50 cm darunter war ein zusammenhängender, etwa 70 cm
langer, 1 mm starker Streifen von Knochenstoff.
Bei der Weiterarbeit in der Richtung nach Westen
traf man eine vom Urboden im Winkel von etwa 50*^
von Ost nach West bis 70 cm unter der Oberfläche des Hügels aufsteigende, 2 m
lange Röhre von 50 cm Durchmesser, die mit ganz lockerer Aschenerde gefüllt,
war, und daneben eine andere, nach Süden herumgehende, von 2 m Länge und.
10 cm Durchmesser mit lockerer Asche und verbrannten Knochen.
(144)
VoD dem unteren Anfange dieser Röhre 1,20, Ton der 2,60 lan;^n Höhlung
],5U und von der Steinsetzung 3,50 in entfernt und tod ihr in westlicher Richtung,
fand sich dann ein Schädel, der nai^h der BlosBlefZung gelb war, alsbald aber
roth wurde.
Fig. 10.
MoDTSchanie bei Quedlinburg.
Anfuabme :aufV( verkleinert) von N., etwa 3,5 'n über dem Schädel
nu<l 3,5 m tod ihm entfernt.
Der Schädel lag auf einer etvs 15 im starken Schiebt Thoncrde,
welche auf den Urbodcn aiifgetragon war. Diesir Anftraf; ist
bis anf eine geringe Entfernung viun Schädel entfernt, nm den
Urhodcii eichtliar zu machen. Daher der Kreis nin den Schädel,
Der Schiidol war von einer 15 cm starken thonigen Enischicht unterbettet, die
iJirerscits iiuf dem Urboden lag. Mit einer gleichen Schicht war er au<-h bedeckt
Der Aschen-Erdbörper über dem Schädel war 1,90 ui hoch. Darüber war noch
2,80 ni Aufachilttung. Der Schädel hattu Rückenlage, mit der Richtung genau nach
"West. Die Achse war aber nicht wagerecht, sondern in einem Winkel von 20" nach
hinten (Osten) geneigt. HO cm um den Schüdel herum war diu Aschenerde besonders
(145)
reich sd reiner Asche, Knochen nnd KohlenstUckchen. la der Asche über dem
Schädel lagen mehrere Scherben, darunter zwei mit Stich-Yerziernnf? (Fig. 12, a, b);
awei andere mit Stich- Verzierung (Fig. 13, a, i) and eine mit Zickzack -Terzierung
(Fig. 14) fanden sich in der Nähe; doch ist es nicht sicher, ob sie nicht von der
AnfschUttang herantergerallen waren. Ton dem Schädel in seiner Lage 'worden
Photographien aufgenommen (Fig. 10 nnd 11).
Fig. U.
Moorschanie bei Quedlinburg.
Der Sch&del lag 4,80 m tief unt^r einer 1,90 m hohen Aschen- Erdsciücht.
Die Anrnbhme ist von Osten «la erfolgt, etwK 1,60 in aber dem Sch&dol -
nnd 7 m ron ihm entfernt.
Pig- 12.
Fig. 13.
Bei der weiteren Entfernung der Aschen-Erdschicht fand sich 2,50 m von dem
Einzelscbädel in wcststldwestt icher Richtung ein auf dem Urboden lagerndes Ge-
rippe. Die Aschen-Erdschicht über diesem Gerippe betrug 1,90 m, wnrde in der
Umgebung nach Süd, West und Nord aber niedriger und verlief sich in einer Ent-
fernung von 2 — 3 m. Die Entfernung ron dem Gerippe bis zur Oberfläche des
Hügels betrag 4,70 m.
Das Gerippe lag in Rackenlage mit dem etwas nach links geneigten Kopfe
nach Westen. Schädel mit Unterkiefer, Rippen nnd Becken waren in der richtigen
Vubudl. dtr BarL ABlIinpaJ. GHallicbift 139;. 10
(146)
Lage; die Annknochen schienen über der Brost gekreuzt gewesen zu sein. An
das Becken schloss sich nur eine Lage von Knochen an, so, als seien die Unter-
schenkel unter die Oberschenkel geschlagen. Die ganze Länge des Gerippes betrog
95 cm.
Nadhdem sämmtHche Knochen aus der lockeren Erde hervorgenommen waren,
ergab sich, dass verschiedene Knochen zur Vollständigkeit eines Menschen-Gerippes
fehlten, andere überreich vorhanden waren und das Gerippe aus den Knochen von
3 oder mehr Menschen zusammengesetzt gewesen war. Es fand sich 1 Schädel
mit nicht zugehörigem Unterkiefer, 2 rechte und 1 linkes Oberarmbein, 2 ver-
schiedene Ellen, 6 Speichen, 9 Rippen, 2 Lendenwirbel, 1 Kreuzbein, 2 Hälften des
Beckens, 2 verschiedene Oberschenkel -Knochen, 2 verschiedene Schienbeine,
3 Wadenbeine und ein anderer Röhrenknochen. Auf dem Urboden in der Um-
gebung des Gerippes waren Spuren von verrottetem Holze und ganz kleinen
Knochenresten; grössere Knochenreste und deutliche Asche fehlten hier.
Im Norden des Gerippes wurde gefunden:
a) im Abstände von 25 cm^ aber 80 an höher als das Gerippe, der Abdruck
eines Pferdehufes in thoniger Erde,
b) im Abstände von 1,45 tr, aber 1,20 m höher als das Gerippe, ein hammer-
ähnlicher, unbehauener Stein von 22 cm Länge (Fig. 15), 10 — 6 cm Breite
und 4V8 — 3 cm Dicke und
c) im Abstände von 2,50 m, aber 1,50 m höher, als das Gerippe, ein Schweine-
kiefer.
In der Nähe dieser Gegenstände traf man auch eine Scherbe mit Schnitt- und
Strich-Verzierung (Fig. 16).
Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16.
Todten-Umeu und Beigaben der üblichen Art standen im Umkreise von
0,70 — 3,50 m von dem Gerippe, wie auch von dem Einzelschädel, nicht Der Ur-
boden war an der Stelle des Einzelschädels um 34 cm höher, als an der Stelle des
Gerippes, und 20 cm höher, als an der Stelle des Steinbaues. —
Hr. It Virchow: Schon in seinem ersten Begleitschreiben hatte Hr. Brecht
auf die Hauptpunkte des, wie er sich ausdrückte, „ziemlich räthselhaften^ Eigeb-
nisscs der Untersuchung hingewiesen: „auf der höchsten Stelle des Urbodens ein
einsamer Schädel, 3'/, m nach Osten eine Art von Steinbau mit zwei Pferde-
Kiefern, 2'/, m nach Südwesten ein aus Knochen von mehreren Menschen
sorgsam zusammengesetztes Gerippe; über dem Allen eine 1,90 m hob«
Schicht von Erde, die mit Asche und Resten von Knochen, Holz und Kohlen gani
durchsetzt war, und dabei keine Spur von Leichenbrand, keine Urne, keine Bei-
(147)
gaben. ^ Er erwähnte zugleich die Meinung des bei der Ausgrabung zugezogenen
Hrn. J. Schmidt, dass möglicherweise der Hügel gar nicht als Todtenhögel auf-
getragen sei.
In einem neueren Begleitschreiben vom 16. Februar, bei üebersendung der
Knochen, betont er mit Recht die y,ausserordentliche Verschiedenheit in der Ge-
stalt der beiden Schädel^. Er erwähnt zugleich, dass Hr. Weinhold in seiner
Abhandlung über die heidnische Todtenbestattung in Deutschland einige analoge
Funde anführe, nehmlich aus einem Hügelgrabe bei Olmütz die Knochen zweier
Skelette, zu einem Gerippe vereinigt^ mit nur einem Schädel, und aus einem Hügel-
grabe bei Kanis nur 4 Schädel. In dem vorliegenden Falle „scheine das künstlich
zusammengesetzte Gerippe einen zuverlässigen Beweis des Skeletirens zu er-
geben**.
Bei dem Auspacken und Ordnen der Knochen war begreiflicherweise meine
Aufmerksamkeit vorzugsweise diesem „Gerippe" zugewendet. Es fand sich, dass
die osteologische Bestimmung der einzelnen Knochen, sowie die Angaben über
ihre Zahl zutreffend waren. Schon aus dieser letzteren folgt, dass einzelne
Knochen, wie der Radius, in 6, ein Paar andere in je 3 Exemplaren vorhanden
waren, so dass also, die Zusammengehörigkeit von je 2 vorausgesetzt, doch Be-
standtheile von 2, ja einmal von 3 Gerippen vorliegen mussten. Allein die genauere
Betrachtung erwies, dass die Voraussetzung von je 2 zusammengehörigen Knochen
nicht zulässig ist, dass vielmehr eine fast allgemeine Discordanz unter den ihrem
allgemeinen Charakter nach gleichwerthig erscheinenden Knochen bestand. Ich
gebe zunächst eine kurze üebersicht dieser Gebeine:
Os humeri .... 3 Stück (alle unter einander verschieden),
ülna 2 „ (sehr verschieden),
Radius 6 „ (fast alle verschieden, höchstens 2 zusammen-
gehörig),
Os femoris ... 2 „ (1 rechtes und 1 linkes, aber verschieden lang
und stark),
Tibia 1 „ (von einem Kinde, dicl^, die Epiphysen abgelöst),
„ 2 „ (von Ei;wachsenen, ganz verschieden),
Fibula 3 „ (verschieden),
Beckenknochen . . 2 „ (Seitentheile von 2 Personen, an dem einen
eine ganz weite Pfanne mit hypcrostotischem
Rande),
„ . . 1 „ (Kreuzbein, klein, anscheinend weiblich, stark
gekrümmt, mit grossen Interrertebrallöchern),
Wirbel 2 „ (lumbare, vielleicht zusammengehörend),
Unterkiefer ... 1 „ (sehr klein, vielleicht weiblich).
Es konnte daher nicht zweifelhaft sein, dass mindestens von 3 verschiedenen,
und zwar sowohl männlichen, als weiblichen Gerippen, Knochen da waren, ja sogar
die Tibia eines Kindes. Nach der Beschaffenheit der Radien mussten wenigstens
5 ursprüngliche Gerippe benutzt worden sein. Die mir zugegangene Beschreibung
lässt nicht erkennen, in welcher Weise die Herstellung eines „künstlichen Gerippes"
ausgeführt war. Wahrscheinlich waren die Knochen nicht „zusammengesetzt",
sondern nur in solcher Reihenfolge niedergelegt, wie sie für die Herstellung eines
Skelets nothwendig erschien. Wäre ein vollständiges Gerippe (Skelet) vorhanden
gewesen, so müsste sich aus den eingesendeten Knochen ein solches wieder zu-
sanunensetzen lassen; dies ist jedoch gänzlich unmöglich, da selbst die paar«
weise vorhandenen Knochen nicht zusammenpassen. Wenn man auf ein «voU-
10*
(148)
ständiges^ Gerippe verzichten wollte, würde nur ein Hanfe von Gebeinen übrig-
bleiben, bei denen der Nachweis zusammengehöriger Knochen nur für vereinzelte
Stücke zu liefern wäre. Dadurch wird auch die Möglichkeit widerlegt, dass die
Knochen aus mehreren Gräbern gesammelt und erst nachträglich zusammengelegt
sind. Wie sollte jemand auf den Gedanken kommen, aus einem Grabe ein rechtes,
aus einem anderen ein linkes Os femoris zu entnehmen und beide „künstlich^ zu ver-
einigen? Oder wie könnte im Ernst der Plan ersonnen werden, mit zwei Lendenwirbeln
ein Skelet nachzubilden, während der Schädel ohne Halswirbel niedergelegt wurde?
Wenn an einer Stelle neben einander eine Mehrzahl von Gräbern geöffnet wird,
so kann es leicht geschehen, dass bei der Wiedereinscharrung der Knochen Skelett
theile verschiedener Gerippe bunt durch einander zusammengelegt werden. An
einem Orte, wo nur zwei Schädel zu Tage gekommen sind, ist eine solche An-
nahme, zumal wenn es sich um Knochen von 3 oder gar 5 Skeletten handelt, nicht
zulässig. Wo sollten die vielen fehlenden Knochen geblieben sein? Dazu kommt
ein anderer Umstand, der von grosser Wichtigkeit ist. Der Erhaltungszustand der
verschiedenen Knochen ist ein so verschiedener, dass man an eine einheitliche
Herkunft derselben nicht denken kann. Die beiden Schädel sind verhältnissmässig^
gleichartig beschaffen. Sie haben jenes tief bräunliche Aussehen, welches bei
Schädeln, die nicht zu lange in der Erde gelegen haben, häufig angetroffen wird.
Sie zeigen auch jenes losere Gefüge der oberflächlichen Theile, welches beim
Eintrocknen das Abblättern der äussersten Rindenschicht bedingt, und jenes vor-
hältnissmässig leichtere Gewicht, welches auf die Einwirkung feuchter Umgebungen
und eine dauernde Auslaugung der Erdsalze hindeutet. Ich kann ihnen daher keine
sehr lange Dauer der Bestattung zuschreiben, am wenigsten eine Dauer, die bis
in die ncolithische Zeit zurückreichen könnte. Ein Paar Jahrhunderte scheinen
mir das äusserste Zeitmaass auszudrücken, welches man ihnen zugestehen darf;
vielleicht sind sie noch jünger.
Diesem Zustande entsprechen einzelne der anderen Knochen, so namentlich
das kleine Kreuzbein. Andere dagegen sind ganz fest, an ihrer Oberfläche glatt
und von mehr weisslich- oder gelblich-grauer Farbe, übrigens unverletzt. Sie sehen
aus, wie regelmässig macerirte Knochen, wie man sie in anatomischen Anstalten
absichtlich zum Studium herrichtet. Wäre es ein Sachverständiger, ein Anatom
oder ein Arzt gewesen, der sie niedergelegt hätte, so könnten manche von ihnen
nicht sauberer sein. Ist es nun ganz undenkbar, dass ein früherer Besitzer, der
sie zu wissenschaftlichen Zwecken gesammelt hatte, sie schliesslich hat vergraben
lassen, oder dass seine Erben oder Nachfolger sie haben wegbringen lassen?
Sollten auf der Moorschanze Hinrichtungen stattgefunden haben, so könnte die
Gelegenheit, Gebeine zu vergraben, von dem Besitzer benutzt sein, um sich der
nicht mehr zu verwendenden Theile zu entäussern.
Dabei bemerke ich, dass Spuren, die auf eine E^nthauptung hinweisen, sich
nicht vorfinden, wie denn auch sonstige 2^ichen von Gewalt-Einwirkungen, die so
oft unter einer grösseren Zahl von einzelnen Knochen bemerkt werden, fehlen.
Selbst, wenn die Moorschanze einmal eine Richtstätte gewesen wäre, auf der
man die Hingerichteten oder deren Gebeine bestattete, wären Enthauptung oder
Räderung als Todesart auszuschliessen. Des Gegensatzes wegen will ich hier an
einen, auch in anderer Beziehung sehr merkwürdigen Fund erinnern, den ich in
der Sitzung vom 19. Januar 1884 (Verhandl. S. 53, Taf. II) eingehend beschrieben
habe. In dem BurgwuU von Ketzin an der Havel, in der Nähe von Potsdam«
wurden an einer Stelle 3 Schädel mit Unterkiefern, und ausserdem 2 einzelne
Unterkiefer gefunden; alle weiteren Skeletknochen fehlten. Es blieb mir keia
(149)
Zweifel, ,,da8s wir es hier mit den abgeschlagenen Köpfen von Männern za thtin
hatten, deren Körper nicht mit an die Stelle gebracht wnrden, wo man schliesslich
die Köpfe einscharrte*'. Deutliche Uiebyerletzungen um das grosse Hinterhaupts-
loch und an den Unterkiefern lieferten den Beweis, dass die Köpfe gewaltsam ab-
geschlagen waren. Sie glichen darin anderen Schädeln, die ich früher beschrieben
hatte und die ich kurz aufzählte. Hier haben wir also ein Beispiel, das sich einer-
seits durch den Mangel zugehöriger Skcletknochen dem Quedlinburger Funde,
wenigstens dem „einsamen*^ Schädel anschliesst, andererseits durch die occipitalen
Verletzungen sich gänzlich davon unterscheidet.
Betrachten wir nunmehr die beiden Quedlinbürger Schädel etwas näher:
1. der nach Annahme der Finder zu dem Gerippe gehörige Schädel
(Fig. 17), zu dem ein passender Unterkiefer nicht vorhanden ist, erweist sich als
«in annähernd ausgebildeter Kephalone: seine Capacität beträgt 1555 ccm,
sein Horizontal-Umfang 570 mm, der verticale 333, der sagittale 396, seine hori-
zontale Länge 194, seine grösste Breite 163, seine gerade Höhe 138, seine Stirn-
breite (minimale) 107 mm. Daraus berechnen sich ein stark brachycephaler
{84,0) Breiten- und ein ausgesprochen orthocephaler (71,1) Höhen-Index. Der
Schädel besitzt gewaltige Stirnhöhlen, denen ein starker Stirnnasen wulst ent-
spricht (Fig. 17—19)').
Fig. 17. Vs
Der Schädel hat einem alten Manne angehört: der Oberkiefer ist ganz zahnlos;
nur die Alveole des rechten mittleren Schneidezahnes ist erhalten und zeigt eine
ungewöhnlich gerundete Form. Eünige andere Vorderzähne sind später ausgefallen
und haben nur zertrümmerte Alveolen hinterlassen. Alle anderen Zähne scheinen
vor längerer Zeit verloren gegangen zu sein: die Alveolen der linken Backzähne
sind gänzlich obliterirt und der ganze Alveolarfortsatz bis auf einen niedrigen
Rand geschwunden. Auch von diesem fehlt rechts ein Stück wegen Zertrümmerung
der Kieferhöhle. Von den Nähten in der Schläfengegend sind nur die Sut. spheno-
temporales erhalten; alles Andere ist synostotisch (Fig. 17). Dafür ist der obere
Theil der Schläfengegend, soweit die Sut. coronana noch offen ist, bombenförroig
ausgeweitet. Von der Pfeilnaht ist nur das vordere Dritttheil noch vorhanden
(Fig. 18). Die Lambdanaht beginnt gegen die Spitze hin zu verstreichen. Ueber
der Spitze befindet sich eine mediane Vertiefung. EiCchts eine Spur der Sni
transv. occipitis. Die Plana temporalia gehen weit in die Höhe bis über die Tub.
1) Die Schädel sind von Hm. Heibig nach der geometrischen Methode gezeichnet.
(150)
par. nnd nach hinten bis an die Lambdanaht. Die Basis cranii ist sehr breit and
Toll. Am Hinterhaupt tiefe Muskelzeichnongen. Das Foramen magnum gross und
breit, etwas schief, nach hinten etwas verlängert (Fig. 19). Die Scheitelcanre stark
gewölbt (Fig. 17). Das Stirnbein gross, breit und etwas flach gewölbt
Das Gesicht erscheint im Ganzen etwas reclinirt, so dass der Al?eolarfortsatz
nahezu opisthognath erscheint. Bei der äusseren Betrachtung könnte man fast
glauben, es handle sich um jene basilare Impression, wie ich sie bei nieder-
ländischen Kephalonen mehrfach nachgewiesen habe; bei der basilaren Ansicht ist
freilich die Apophysis basilaris ungewöhnlich breit, jedoch nicht eingedrückt, und
die Proc. condyloides liegen sehi* weit auseinander, aber sie stehen weit vor (Fig. 19).
Fig. IS. Vi
Fig. 19. V.
Das Obei^sicht ist niedrig und sehr breit, die Stirnnasennaht von dem (freilich
sehr defectcn) Alveolarrande nur G7 nun entfernt. Die Kieferhöhlen gross und
blasig aufgebläht Die Orbitac hoch, etwas schräg gestellt, Index 80,0, chamae-
konch. Die Nasenbeine fehlen, der Index ist leptorrhin, 45,6. —
Der, wie es scheint, in der Nähe dieses Schädels gefundene Unterkiefer,
der sicherlich nicht zu dem Schädel gehört, ist sehr klein und zeigt noch den
rechten Weisheitszahn in seiner Alveole halb eingeschlossen, während der linke
fehlt und seine Alveole trichterförmig erweitert und undeutlich geworden ist Neben
jtingeren Zähnen, namentlich einem linken Schneidezahn und 3 Praemolaren, rechts
eine ganz verstrichene Alveole und jederseits ein Paar tiefgraubranner Wurzel-
Stummel; der linke Molaris I tief abgenutzt, von dem Mol. I rechts nur ein plattet
Wurzelstück vorhanden. Dabei zeigt die KJnngegend eine leicht progenäische
Bildung. Alae sehr schief gestellt Jedenfalls stammt dieser Kiefer von einem
jüngeren Indi?iduum. —
2. Der „einsame"^, gleichfalls männliche Schädel ist in den meisten
Beziehungen ganz verschieden. Seine Capacität beträgt nur 1348 ccm^ sein
Horizontal-Umfang 526, der verticale (frontal) 306, der sagittale 358, Stimbreite
100 mm; er misst in der horizontalen Länge 191, in der grössten Breite 138, in
der geraden Höhe 127 mm. Er ist demnach chamacdolichocephal (Längen*
(151)
oreit«nindex 73,3, LängenhiJheDindex 66,5), so dass er lang, schmal und niedrij*
ansBieht (Fig. 20). Da seine ziemlich vollständig erhaltenen Zähne stark abgenutzt
sind (Fig. 22), so mnss anf ein höheres Alter (^schlössen werden. Seine Ober-
fläche ist besser erhallen, als bei dem Schädel Nr. 1 , aber sie hat gleichfalls eine
tterbrännliche Farbe.
Die Scheitelcnrre ist lang und flach (Fig. 20). Anch hier ist der mittlere
Abschnitt der Sagittalis verstrichen (Fig. 21), der vordere im Verstreichen; die
Obliteration ist in diesem Falle vielleicht schon in der Jugend geschehen. Alle
übrigen Nahte sind offen. Im oberen Abschnitte der Lambdanafat einige Schalt-
knocben (Fig. 21); über derselben ein deutlicher Absatz, durch stärkere Answölbung
der Hinterhanptsschuppe bedingt (Fig. 20). Die Stirn flachgewölbt, etwas znrtlckgelegt,
mit kleinen Tubera supraorbitalia, aber stärkerem Nasen fortsatz, so dass an der Sat.
(152)
nasofirontalis ein tiefer Absatz hegt Die Basis lang nnd schmal, Apophysis breit,
Proc. condyloides weit ron einander. Foramen magnum gross, breit nnd mehr ge-
rundet (Fig. 22).
Das Gesicht hoch und schmal, leptoprosop (Index 90,8). Die Orbitae hoch,
etwas eckig, Index 85,7, hypsikonch. Nase sehr schmal, stark vortretend, in der
Mitte etwas eingebogen; Index 41,8, hyperleptorrbin. Kiefer ganz orthognath,
Gaumen lang und schmal; Index 66,0, leptostaphylin. Der Unterkiefer kräftig,
die Aeste hoch und breit, das Mittelstück stark und hoch, das Kinn steil, breit und
vortretend (Fig. 20).
Dabei ist zu bemerken, dass sowohl der Schädel, als das Gesicht etwas schief
sind. Am Schädel sieht man die linke hintere Seitengegend etwas abgeflacht
(Fig. 21); die Nase steht mehr nach links (Fig. 21 u. 22). Daher passen die Längs-
nähte vom Schädel und vom Gesicht nicht genau auf einander.
Eine Zusammenstellung der Messzahlen und Indices eigiebt folgende üebersicht:
Schftdel ans der Moorschanze
von Quedlinburg
Schädel
Nr. 1 $
(bei dem
Gerippe)
I. Absolate Hesszahlen.
Capacität ccm
GrOsste horiiontale Länge mm
„ Breite ^
Gerade Höhe „
Ohrhöhe „
Horizontalumfang „
Minimale Stimbreite ^
Gesicht, Höhe A n
n B „
Breite a „
n b ,
» c ,
Orbita, Höhe ,
, , Breite «
Nase, Höhe „
n , Breite „
Gaumen, Länf^c „
, , Breite
n. Berechnete Indices.
L&ngenbre itenindex
Längenhöhenindex
Ohrhöhenindex . .
Gesichtsindex. . .
Orbitalindcx . . .
Nasenindex. . . .
Gaumenindex. . .
1555
194
163
138
109
570
107
67
144
97
32
40
57
26
84,0
71,1
56,1
80,0
46,6
Schädel
Nr. 2 $
(einsam)
1348
191
138
127
108
526
100
119
74
131
92
95
86
42
55
23
56
37
72,3
66,5
66,4
90,8
85,7
4L8
66,0
(153)
Die indiridaellen Eigenschaften der beiden Schädel sind gross genug, um den
Gedanken an die Zugehörigkeit derselben zu verschiedenen Stämmen zu recht-
fertigen. Ich muss jedoch hervorheben, dass ein solcher Gedanke nur gegenüber
von „reinen^, d. h. unvermischten, Stämmen zulässig ist, dass er aber auf Nationen
oder Völkerbünde oder gemischte Stämme nicht ohne Weiteres angewendet werden
darf. So habe ich früher durch eine umständliche Untersuchung nachgewiesen,
dass in Holland und den angrenzenden deutschen Gebieten in grosser Häufigkeit
Verhältnisse vorkommen, die der Annahme einer Mischung verschiedener Stämme
sehr günstig liegen, sich aber auch durch die Annahme weitgehender Variation er-
klären lassen. Ich verweise auf meine „Beiträge zur physischen Anthropologie
der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Priesen" (Berlin 1876), speciell
auf 8. 356 u. folg., sowie auf die sich daran schliessenden „weiteren Mittheilungen
über friesische und niederländische Schädel" in den Monatsberichten der Königl.
Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 2. November 1876, S. 622 u. folg. Der
kephalonische Schädel Nr. 1 und der chamaecephale Nr. 2 aus der Moorschanze
von Quedlinburg legen die Vergleichung sehr nahe. Es bedarf wohl nur einer Er-
innerung an das wiederholt von mir erörterte Friesenfeld (Frisonovelt) am Ost-
harze (Verh. Bd. XVII, S. 67, 566, und Bd. XX, S. 511), um auch eine historische
Unterlage für eine thatsächliche Beziehung einer bis in die merovingische und
karolingische Periode zurückreichenden Verwandtschaft zu gewinnen. Indess ver-
zichte ich für diesmal auf eine weitere Erörterung, die eine umfassende Zusammen-
stellung des umfangreichen Materials an Schädeln aus den Harzgebieten nöthig
machen würde.
Dagegen möchte ich einige Bemerkungen über anderweitige Angaben des Hm.
Brecht vortragen:
1. Die von ihm wiederholt erwähnten beiden Pferdekiefer haben sich bei
genauerer Prüfung als Rinderknochen erwiesen. Hr. Prof. Schütz von
der Königlichen Thierarzueischule erklärt dieselben als Unterkiefer-Hälften
eines kleinen Rindes. Auch das S. 142 erwähnte Rnochenstück ist die
Spitze des Kronenfortsatzes eines solchen Kiefers.
2. Die in den Zeichnungen (Fig. 1—5, 9, 12 — 14, 16) nach Skizzen des Hm.
Brecht wiedergegebenen Abbildungen von Thonscherben und Gefässen
scheinen mir nicht mit Sicherheit auf neolithische Geräthe hinzudeuten.
Ich verkenne nicht, dass sie, namentlich in den Ornamenten, manche
Analogie mit Gefässen der Steinzeit darbieten. Aber für überzeugend
vermag ich sie nicht ohne Weiteres anzuerkennen. Das Fehlen wirklicher
Steingeräthe fordert zu grosser Vorsicht auf. Der unbehauene, hammer-
ähnliche Stein (Fig. 15) dürfte eine zufällige Beigabe eines natürlichen
Gebildes sein.
Selbst wenn man den neolithischen Charakter der keramischen Stücke an-
erkennen wollte, würde es doch unmöglich sein, die Schädel der gleichen Periode
zuzuschreiben. Sie haben so sehr die Merkmale einer mehr recenten Herkunft an
sich, dass man höchstens annehmen dürfte, die Schädel seien an einer Stelle
beigesetzt, wo vorher schon Gräber einer älteren Zeit vorhanden waren. Die
Anhäufung von Asche, Kohlen und Knochen und die Steinpackung könnten auf
früheren Leichenbrand hinweisen; indess hat keiner der Knochen oder Schädel,
welche ich beschrieben habe, Brandspuren an sich. Die Auffindung der Rinder-
knochen könnte als Beweis gelten, dass hier eine Leichenfeier stattgefunden hat.
Da aber der andere, von Hrn. Brecht (S. 146) erwähnte Knochen sich nach der
Bestimmung des Hm. Schütz als die rechte Unterkiefer-Hälfte eines Hausschweines
(154)
erwiesen hat, so müsste die Leichenfeier einer Bevölkerung zugeschrieben werden,
welche schon im Besitze der wichtigsten Hausthiere war.
Eine vollständige Auflösung des vorliegenden „Räthsels^ vermag ich nicht zu
geben. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass bei der Grösse der Moorschanze
eine weitere Ausgrabung vielleicht neue Anhaltspunkte für die Beurtheilung des
höchst sonderbaren Befundes bringen könnte. —
(25) Hr. Rud. Virchow bespricht
Schädel der Bakwiri, Kamermi.
Ein glücklicher Umstand hat mich in den Besitz von 2 Schädeln der Bakwiri
gebracht, jenes Stammes, der den Südost-Abhang des Kamerun-Gebirges bewohnt.
Unter dem 23. Februar übersandte mir aus Darmstadt, wo er einen Theil seines
Urlaubes zubrachte, Freiherr v. Stein, Lieutenant in der Kaiserlichen Schutztroppe
für Kamerun, den Schädel eines im Buea- Kriege, December 1894, gefallenen
Bakwiri-Mannes. Im letzten Sommer hatte mir Hr. Stabsarzt A. Plehn das freilich
sehr defecte Skelet eines Weibes von ßuea mitgebracht, das seiner Kleinheit wegen
meine Aufmerksamkeit erregte; Hr. v. Stein hatte die Person im Leben gekannt.
So konnte über das Geschlecht der beiden Leute kein Zweifel aufkommen.
Ich bemerke das ausdrücklich, da bei den ersten Dualla-Schädeln von Kamerun,
welche in meine Hände gelangten, solche Zweifel in hohem Maasse bestanden. In
der Sitzung unserer Gesellschaft vom 23. April 1887 (Verhandl., S. 332) zeigte ich
zwei solche Schädel, welche Hr. Zintgraff eingesendet hatte. Beide hatten Zettel:
der eine bezeichnete einen Schädel als den eines Mannes, der andere den zweiten
als den einer Frau. Ich bemerkte jedoch dabei: „Offenbar sind dieselben durch
irgend einen Umstand verwechselt worden; wenigstens hege ich nicht das mindeste
Bedenken, die Bezeichnungen zu vertauschen.^ So habe ich sie denn auch be-
schrieben. Die jetzt vorliegenden Schädel können das Bedenken erregen, ob ich
mich damals nicht getäuscht habe. Es ist mir Aehnliches bei Schädeln „wilder*
Stämme auch sonst begegnet, und ich will daher die Gelegenheit wahrnehmen,
um von Neuem zu grösster Vorsicht in der Bestimmung des Geschlechts fremd-
ländischer Völker zu mahnen.
Das Skelet der Frau von Buea kann annähernd auf eine Höhe von 1415 mm
veranschlagt werden. Diesem niedrigen Maasse scheint auch der Kopf (Fig. 2) zu
entsprechen, der im Ganzen klein und zart aussieht. In der That hat er ein Ge-
wicht von nur 537,5 <7, während der weit kräftigere und anscheinend grössere Nr. l
710,5 g wiegt. Aber die Capacität des ersteren beträgt 1330, die des letzteren
1329 ccm, also das gleiche Maass. Um keine Fehler zu begehen, habe ich beide
Messungen mit aller Vorsicht wiederholt. Ich füge hinzu, dass der Horizontal-
Umfang des weiblichen Schädels 492, der des männlichen 500 mm ergab. Bei den
früheren Dualla-Schädeln waren ähnliche Verhältnisse herausgekommen. Der nach
dem angehängten Zettel als männlich bezeichnete hatte einen Horizontal - Umfang
von 490 mm und eine Capacität von 1300 crm, der als weiblich bezeichnete ergab
die Zahlen von 562 mm und 1370 ccm. Zum Mindesten folgt daraus, dass es bei
diesen Leuten unthunlich ist, aus der Grösse des Horizontal- Um fanges sichere
Schlüsse auf die Grösse des Schädciraumes oder gar auf das Geschlecht zu ziehen.
Dass von den jetzt vorliegenden Schädeln der scheinbar kleinere weibliche Schädel
die gleiche Capacität besitzt, wie der anscheinend viel grössere männliche, erklärt
sich, wie die genauere Vcrgleichung ergiebt, hauptsächlich aus der viel kräftigeren
(155)
Gesichtsbildnng des männlichen (P)g. I), ist aber im Hinblick aur ein weit ver-
breitetes Vorartheil recht bemerkenswerth.
Nr. 1. Der münnliche Schädel (Fig. I) erinnert durch seine lange, scbtiiale
nnd hohe Form an die Stenocephalen der Sudsec, denen er auch durch seine
colossale Prognathie recht nahe kommt. Seine Form ist orthodolichocephal
(L.-Br.-I. 70,7, L.-H.-E. 72,3, Ohr-H.-I. 62,5). Die Länge wird durch das stark
hinausgeschobene Hinlerhaupt vcrslärkt: die gerade horizontale Hinterhauptslänge
beträft 56 mm — 30,4 pOt. der Gesammtlänge. Die Scheitetcurve ist flach gewölbt,
das Stirnbein zurückgeschoben, so duss die Fontanellstcllc (Bregma) fast senkrecht
über dem vorderen Kande des grossen Hinterhiiuptsloches steht- Alle Nähte sind
offen, nur die an der vorderen Fontanellstelle und am Lambdawinkel einTach.
Im hinteren Abschnitte der Sagittalis, dicht hinter den etwas schier gestellten
Emissarien, ein cigenthUmlichcr, median gestellter Höcker: an dieser Stelle liegt
jederseits von der erhaltenen Naht eine flache .Anschwellung, die mit der jen-
seitigen eine leicht zugespitzte Erhöhung bildet. Auch die temporalen Nähte offen,
aber die 8ut aphenoterap. kurz; rechts 7, links 9 mm lang. Dem entsprechend ist
der Angalus parietalis schmal und kurz, die Ata sphenoidealis stark eingebogen,
aber es findet sich keine Andeutung eines Stirn rorlsatzes, dugegen eine flache Vor-
wölbung des Proc. tomporalis vom Stirnbein. Die Plana temporalia müssig hoch.
Senkrecht über die Squama tempor.ilis verlauft eine starke Gefässrinne, die bis
anf das Parietale reicht; ihr centrales Ende führt zu einer grossen OeCTnung, die
am hinteren Ansatz des Proc. zygomaticua nach innen verschwindet. Auch die
Basis ist lang und schmal; der stark verlängerten Hlnterhauptsschnppe entspricht
ein langes, vorn schmales, hinten in eine Art von Spitze anagezogenes nnd
daher grob dreieckiges Foramen magnum von 33 mm Länge und 25 mm Breite:
Index 75,7.
Das Gesicht erscheint hoch und schmal, hat jedoch einen mesoprosopen
Index ($&,i). Die Stirn hat ein fast weibliches Aussehen: die minimale
Stimbrette beträgt nur 92 mm; Supraorbitalwülsle fehlen fast ganz, dagegen ist der
Stirnnasen fortaatz vorgewölbt, geht aber unmerklich in die flachen Orbilalränder
(156)
über. Die Orbitae sind gross und etwas schief diagonal entwickelt; ihre Fissuren
weit und im Dach eine Reihe Ton GefUssIöchem: Index 80,0, chamaeprosop.
Wangenbeine stark, mit weit vortretender Tuberositas maxillaris, aber die Joch-
bogen eher angelegt; Tuberositas temporalis flach. Nasenwurzel sehr breit, auch
die knöcherne Nase im Ganzen colossal breit und flach, so dass die beiden Nasen-
beine fast in einer Ebene liegen; die Nasennaht etwas gewunden, nach unten
synostotisch. Die NasenöfTnungen gross; vorzugsweise breit, weniger hoch.
Nasenindex 63,0, ultraplatyrrhin. Oberkiefer gross, namentlich hoch und mit
starkem, weit vorgeschobenem Alveolarfortsatz: extrem prognath; die Zähne,
besonders die vorderen, sehr gross, beide mittleren Schneidezähne medial schief
abgefeilt, so dass zwischen ihnen eine V- förmige Oeffnung liegt Gaumen lepto-
staphylin (Index 70,0). Unterkiefer in der Mitte sehr hoch und stark eingebogen,
daher das breite Rinn weit vorgeschoben; Seitentheile unverhUltnissmässig niedrig,
mit tiefem Absatz vor dem Winkel (Proc. lemurianus); Aeste sehr breit
und steil. —
Nr. 2. Der weibliche Schädel (Fig. 2) ist, wie gesagt, sehr leicht, aber von
derselben Capacität, wie der schwerere und anscheinend grössere Schädel Nr. 1.
Er ist kürzer und niedriger, aber erheblich breiter, als der letztere, so dass seine
Form ein chamaemesocephales Maass (L.-Br.-I. 75,1, L.-H.-I. 68,9, O.-H.-L 59,8)
ergiebt. Der Hinterkopf ist viel kürzer; er misst in der Horizontalen nur 46 mm s
25,9 pCt. der Gesammtlänge. Seine Scheitelcurve ist langgestreckt und fast flach,
nur zeigt sich hinter der Coronaria eine sattelförmige Einbiegung; nach vom
und hinten, gegen Stirn und Hinterhaupt ein schneller Abfall mit stärkerer Vor-
wölbung der medianen Theile. Die Stirn ist ausgemacht weiblich, die Stirn breite
wie bei dem Manne, die Tnbera flach vortretend, die Glabella voll, gar keine
vortretenden Wülste am unteren Umfange, Alles ganz glatt und flach. Tubera
parietalia stärker entwickelt, aber die grösste Breite unter und vor denselben. Hinter-
hauptsschuppe breit.
Alle Nähte offen. Die Sagittalis stark gezackt, nur zwischen den Emissarien
einfacher. Lambdawinkel flach, im linken Schenkel ein viereckiger Schaltknochen,
ein kleiner an der rechten Fontanelle. Beiderseits ein Processus frontalis
squamae temporalis. Der rechte (Fig. 2) 6 mm lang und vom ebenso breit,
links etwas länger und schmaler, darüber ein kleines halbmondförmiges Epipte-
ricum. Die ziemlich breiten Alae sphenoideales sind durch diese Fortsätze von
den kurzen und stumpfen Anguli parietales ganz abgetrennt Die Proc. temporales
der Stirnbeine etwas aufgetrieben, die Schläfenschuppen abgeplattet.
An der langen Basis cranii ein colossnlcs Foramen magnum: 37 mm lang und
31 mm breit, Index 83,7, also gänzlich verschieden von dem männlichen. Die Proc.
condyloides weit nach vorn, aber mehr quergestellt. Das Hinterhaupt sehr dick.
Der Proc. basilaris breit und flach. Die Warzenfortsätze klein.
Das seiner Zeit zum Zwecke einer Section abgesägte Schädeldach dünn, mit
einem starken quergeraden Osteophyt des Stirnbeins und zum Theil der Seitenwand-
beine.
Das Gesicht leptoprosop (Index 91,1). Wangenbeine und Jochbogen zart,
wenig vortretend. Orbitae gross und hoch, Index 91,6, hyperhypsikonch. Nase
hoch, der lange Rücken breit, abgeflacht, eingebogen, Apertur niedrig und breit,
Index 48,9, mesorrhin. Der Oberkiefer in seinem Körper zarter, mit starkem,
16 mm langem, weit vorstehendem Alveolarfortsatz, äusserst prognath. Zähne
gross. Der rechte obere Weisheitszahn ist im Durchbrechen, der linke und die
(157)
beiden unteren fehlen. Ebenso die lateralen Schneidezähne oben und der linke
Caninus unten. Die medialen oberen Schneidezähne sind an ihrer inneren Seite
stark abgefeilt, so dass sie eine V-förmige Spalte bilden, die namentlich von
hinten her sehr deutlich zu sehen ist. Gaumen hyperleptorrhin (Index 62,9). —
Der etwas plumpe Unterkiefer ist lang und dick, insbesondere an d^ Seitentheilen;
die Winkel flach. Die unteren Schneidezähne stark prognath, an ihrer Schneide
durch tiefe Einkerbungen dreigetheilt. Das Rinn zurückstehend; die Aeste
breit, aber niedrig und schräg gestellt.
Bakwiri-Schädel
Schädel
Nr. 1 5
I. Schädelmaasse.
Gewicht g
Capacitftt ccm
Horizontalumfang mm
Grösste horizontale Länge „
n Breite „
Gerade Höhe
Ohrhöhe „
Hinterhauptslänge „
Bünimale Stimbreite „
Foramen magnum, Länge „
„ 9 , Breite ^
Gesicht Höhe A „
n B „
Breite a „
. b
Orbita, Höhe .
„ , Breite.
Nase, Höhe .
„ , Breite .
Gaumen, Länge
„ , Breite
n. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex .
Längenhöhenindex .
Ohrhöhenindex . . .
Hinterhauptsindex . .
Gesichtsindex. . . .
Obergesichtsindex. .
Orbitalindex ....
Nasenindex
Gaomenindex ....
Hinterhanptslochindex
Schädel
Nr. 2 $
710,5
537,5
1829
1880
600
497
184
177
129
138
182
122
110
104
56
46
92
92
88
87
25
81
115
108
66
64
180
118
92
89
92
82
88
33
41
86
46
47
29
24
60
54
40
84
70,7
75,1
72,3
68,9
62,5
59,8
80,4
25,9
88,4
91,1
50,7
66,6
80,0
91,6
68,0
48,9
70,0
62,9
75,7
88,7
i
(158)
Die beiden Schädel bieten demnach, trotz mancher Aehnlichkeit in gröberen
Verhältnissen, eine ungewöhnlich grosse Zahl von Verschiedenheiten dar, so gross,
dass man nicht überrascht sein würde, sie bei Leuten verschiedenen Stammes zu
finden. Nun ist es ja nicht ausgeschlossen, dass die Frau, obwohl sie in Buea,
also mitten im Bakwiri-Gebiet, wohnte, doch von fremdem Stamme war, sei es,
dass sie als Sklavin gekauft oder als Kriegsbeute erworben war Wir werden
das schwerlich ermitteln können. Eine bloss geschlechtliche Variation ist nicht
ohne Weiteres zuzulassen. Das aufrälligste Unterscheidungs-Merkmal zwischen
beiden Schädeln könnte ja der Stimfortsatz des Schläfenbeins sein, den das Weib
besass, aber der Mann nicht. Nun ist aber meines Wissens bis jetzt gerade diese
Variation (oder dieser Atavismus) bei Frauen nicht häufiger beobachtet worden,
als bei Männern. Ein Stimfortsatz an einem ausgemacht prognathen Ropf verdient
sicherlich mehr Aufmerksamkeit, und das vereinigte Auftreten beider Anomalien
bei demselben Individuum könnte vielleicht darauf hinweisen, dass in der Frau
wahres Negerblut circulirte. Aber der Prognathismus des Mannes ist nicht minder
gross, als der der Frau. In diesem Punkte unterscheiden sich beide von den
Dualla. Auch die Feilung der Zähne dürfte hier zu er\^'ähnen sein.
In Betreff der Schädel indices gilt dasselbe. Meine beiden ersten Dualla-Schädel
waren hypsimesocephal (Verhandl. 1887, S. 332 — 33). Auch aus den Messuogen
des Hrn. Zintgraff an Lebenden hatte ich ein mcsocephales Mittel berechnet
(ebcndas. S. 334). Ebenso fand ich bei zwei Schädeln, die Hr. F. Plehn ans dem
Dorfe Mbome im Urwalde, wo sie als Trophäen aufgehängt waren, mitgebracht
hat, hypsi- und einfach-mesocephale Indices (Verhandl. 1891, S. 291, 294). Auch
der junge Ekambi, den Hr. Kund aus Akwadorf zu uns geführt hatte, war hypsi-
mesocephal (Verhandl. 1889, S. 542). Ich verwies daher auf die Bantu-Stämme
des Congo-Gebietes als nächstverwandte (ebendas. S. 545). Aber unsere beiden
Bakwiri passen in dieses Schema nicht. Der Mann war orthodolichocephal, die
Frau chamaemesocephal. Der erstere ist daher in gar keine Parallele zu den auf-
gezählten Dualla zu bringen; die Frau aber, obwohl mesocephal, ist zugleich so
ausgesprochen chamaecephal, dass mir bis jetzt kein analoger Fall aus der Kame-
runer Gegend vorgekommen ist. Ich trage daher grosses Bedenken, diese Ver-
schiedenheiten auf bloss individuelle Variation zu beziehen, zumal da an den
Schädeln ein besonderer Grund der Variation nicht zu erkennen ist. Der Umstand,
dass die Bakwiri ein Gebirgsstamm sind, ist ohne Weiteres auch nicht genügend,
um eine so tiefgreifende Verschiedenheit von den Niederungsstämmen zu erklären.
Hr. C. Morgen, ein so erfahrener Kenner der betreffenden Stämme, unter-
schied in seinem Vortrage vom 19. November 1892 (Verh., S. 512) im Kamerun-
Gebiet zwei, der Abstammung nach völlig von einander verschiedene Volksstämme:
nördlich vom 5. Breitengrade Sudan-Neger, südlich davon Bantu. Er erkannte an,
dass vielfache Vermischungen beider vorkommen, so ^dass vielfach die ursprfing-
llche Abstammung nicht mehr zu erkennen ist^. Wenn nun in unserem Falle eine
solche Vermischung nicht nachgewiesen ist, so will ich doch nicht verhehlen, dass
sie mir mehr plausibel erscheint, als die blosse Variation. Jedenfalls muss diese
Frage zunächst ganz scharf gestellt werden. Es wird dann hoffentlich nicht an
Beobachtern fehlen, welche weiteres Material heranbringen, und wir werden nicht
verfehlen, wenn uns das Material zugeführt wird, es nach Krallen zu verarbeiten.
Gerade die Bergstämmc und dann die Stämme des Hinterlandes mflssten zuerst in
Angriff genommen werden. Ist es doch einigermaassen betrübend, dass wir von
den Bakwiri, einem so nahe an dem eigentlichen Kamerun-Gebiete wohnenden
(159)
Stamme, fast gar keine brauchbaren anthropologischen Kenntnisse besitzen. Möge
daher mein Aufruf recht bald seine Wirkung ausüben! —
(26) Hr. Preuss spricht, unter Vorlage zahlreicher und sehr fleissig ausgeführter
eigener Zeichnungen, über
kttnstlerische Darstellnngen ans Kaiser Wilhelms -Land
und deren Beziehnngen znr Ethnologie.
Die Abhandlung wird im Text der „Zeitschrift für Ethnologie" gedruckt
werden. —
(27) Neu eingegangene Schriften:
1. V. Hellwald, F., Die Erde und ihre Völker. 4. Aufl. von W. üle. Lief. 12 u. 13.
Verlag der Union. 1897.
2. Bulletins de la Societe d'Anthropologie de Paris. 4. S^rie. T. 7. Fase. 5.
Paris 1896.
3. Records of the geological survey of India. Vol. XXVI. Part 1. Febr. 1893.
Calcutta.
4. Memoires de la Societe de Medecine ä Ekaterinoslawe 1895. (Russisch.)
5. Expose des travaux geographiques ex^cutes en Finlande. Helsingfors 1895.
6. Das öffentliche Localrauseum zu Minussinsk. 1. und 2. Tomsk 1886/87.
(Russisch.)
7. Rechenschafts-Bericht über das Localrauseum von Minussinsk f. d. Jahr 1892.
Minussinsk 1893. (Russisch.)
8. Beilage zum Rechenschafts-Bericht des Minussinskischen Localmuseums für
1^90. Krassnojarsk o. J. (Russisch.)
Nr. 1 — 8 durch Hrn. R. Virchow.
9. Vestnik narodopisn^ho Musea ceskosloFanskeho. Öislo 1. y Praze 1896.
10. Hubert, F. A., PHspeyky k d^jindm ndrodopisu ceskoslovanskeho. 1. v Praze
1896.
11. Niederle, L., I. Zpraya v cinnosti narodopisneho Musea ceskoslovanskeho.
V Praze 1896.
12. Derselbe, Führer durch das cechoslavische Ethnographische Museum. Prag 1896.
Nr. 9 — 12 Gesch. d. Öechosl. Ethnogr. Musenms.
13. Buschan, G., Körperlänge. Wien, o. J. (Real-Encyklopädie der gesammten
Heilkunde. 3. Aufl.) Gesch. d. Verf.
14. Herrmann, P., Das Gräberfeld von Marion auf Cypern. Berlin 1888. Gesch.
d. Verf.
15. Müller, Soph., Vor Oldtid. 15. Levering. Kjobenhavn 1897. Gesch. d. Verf.
16. V. Török, A., lieber den Yezoer Aino-Schädel. 11. und III. Theil. Braun-
schweig 1895/96. (Arch. f. Anthropol.) Gesch. d. Verf.
17. Balaw eider, A., Abstammung des Allseins. Wien 1894. Gesch. d. Verf.
18. Ploss-Bartels, Das Weib. 5. Aufl. 4. und 5. Lief. Leipzig 1897. Gesch.
d. Verf.
19. Alfaro, A., Mamiferos de Costa Rica. San Jose 1897. Gesch. d. Verf.
20. Behla, R., üeber Nichtvererbbarkeit von Stummelschwänzen bei Thicren.
Berlin, o. J. (Naturwissensch. Wochenschrift. XI. 41.)
21. Derselbe, Die Mondscheibe in der Volks-Phantasie. München 1896. (Corresp.-
Bl. d. deutsch, anthropol. Ges.)
Nr. 20 u. 21 Gesch. d. Verf.
(160)
22. Hol ab, E., Die Greuel in Ehodesia. — Graf Berchtold auf Borneo. — Die
afrikanische Seuche. — Hungersnoth in Süd-Africa. Wien 1896. (Neues
Wiener Tageblatt, Nr. 204, 206, 228, 306 u. 318.) Gesch. d. Verf.
23. y. Andrian, F., Ueber Wort-Aberglauben. München 1896. (Corresp.-Bl. d.
deutsch, anthropol. Ges.) Gesch. d. Verf.
24. Vedel, E., Efterskrift til Bomholms Oldtidsminder og Oldsager. Rjebenhavn
1897. Gesch. d. Verf.
25. Kohl, C, Nachträge zu den Berichten über neue prähistorische Funde aus
Worms und Umgebung. Darmstadt 1896. (Quartalbl. d. bist. Ver. f. das
Grossh. -Hessen.) Gesch. d. Verf.
26. Zibrt, C, 0 srovndvacim studiu lidoveho poddni. v Praze 1897. (Öeski Lid.)
Gesch. d. Verf.
27. Pleyte, 0. M., Katalog Nr. I. Verzeichniss einer ethnographischen Sammlung
aus der Südsee, während der Jahre 1880 — 82, angelegt vom General-Oonsul
0. Zembsch in Apia (Samoa). Leiden 1897. Gesch. d. Verf.
28. Stieda, L., Aus der russischen Literatur. Braunschweig, o. J. (Archiv f.
Anthropol., Bd. XXIV.) Gesch. d. Verf.
29. The Medico-legal Journal. XIV. No. 1—2. New York 1896. Gesch. d. Hm.
Baron v. Landau.
30. Bulletin de la Society Ouralienne d'amateurs des sciences naturelles. XVIII. 1.
Jekaterinenburg 1896. (Russisch.)
31. Bulletins de la Societe d'anthropologie de Paris. VII. 4. Paris.
Nr. 30 u. 31 durch Hm. R. Virchow.
32. Heierli, J., und W.Oechsli, Urgeschichte des Wallis. Zürich 1896. (Mitth.
d. antiquar. Ges. in Zürich.) Gesch. d. Verlegers.
33. Olympia, Textband III. 2. Beriin 1897. Gesch. d. Veriagshandlung.
34. Deininger, J. W., Das Bauernhaus in Tirol und Vorarlberg. I. Abth. 5. Heft.
Wien, o. J. Angekauft.
Berichtigung:
Auf 8. 26, Zeile 1 von unten lies ^»Kraas, ein erprobter Höhlenforscher*' statt
»Krauss, ein erprobter Erforscher altslavischer Reste".
Sitzung Tom 24. April 1897.
Vorsitzender: Hr. W. Schwartz.
(1) Als Gäste sind anwesend die HHm. Corvetten-Capitän Eüdiger, Landes-
Haaptmann von Neu-Goinea; Dr. med. Jacobsthal, Charlottenbui^; Dr. med.
Däubler, Berlin. —
(2) Die Gesellschaft hat wiedemm den Tod eines ihrer geschätztesten cor-
respondirenden Mitglieder zu beklagen: Dr. med. Heinrich Wankel, Knappschafts-
Arzt in Blansko, Mähren, ist am 5. April in einem Alter von 75 Jahren gestorben.
Der Tod hat ihn von schwerem Siechthum erlöst. Er hat uns fast 20 Jahre an-
gehört,, zuerst als ordentliches, später als correspondirendes Mitglied. An den Con-
gressen der deutschen anthropologischen Gesellschaft hat er wiederholentlich Theil
genommen, so dass viele von uns in persönliche, freundschaftliche Berührung mit
ihm getreten waren. Für die vorgeschichtliche und urgeschichtliche Erforschung
Mährens war er einer der eifrigsten und glücklichsten Vorkämpfer. Es braucht
nur an seine erfolgreichen Ausgrabungen in der Slouper- imd der B]f6iskdla-
Höhle, sowie des Mammuthjäger-Lagers bei Pfedmost erinnert zu werden. Jahre
lang ist der Verstorbene auch der Vorstand des Museums in Olmütz gewesen.
Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. —
(3) Von unseren ordentlichen Mitgliedern haben wir durch den Tod verloren
den Geheimen Regierungsrath Prof. Hermann Weiss in Berlin, den früheren
Director der königl. Rupferstich-Sammlung und danach des königl. Zeughauses.
Durch sein klassisches Werk über die Costümkunde ist er allgemein bekannt
So lange ihn nicht ein schweres körperliches Leiden hinderte, hat er ziemlich regel-
mässig an unseren Sitzungen theilgenommen. Seine geistige Frische hat er sich
trotz seiner grossen körperlichen Beschwerden bis zu seinem Tode erhalten. Er
starb am 21. April. Sein freundlicher Rath und seine immer hülfsbereite Belehrung
wird schmerzlich vermisst werden. —
(4) Aus der Zeitung wird uns das Dahinscheiden eines Mannes bekannt,
der zwar nicht Mitglied unserer Gesellschaft war, aber vielen von uns in
freundlichster persönlicher Erinnerung geblieben ist: Oberförster Dr. Frank in
Schussenried (Württemberg), f am 9. April. Ihm verdankt die Prähistorie seines
engeren Wirkungskreises Bedeutendes durch die sorgfältige, wissenschaftliche Er-
forschung des Pfahlbaues von Schussenried. Als der deutsche Anthropologen-
Congress in Ulm tagte (im Jahre 1892), hatten wir Gelegenheit, unter der sach-
kundigen Ftlhrung des Verstorbenen diesen Pfahlbau zu besuchen und neuen Aus-
grabungen beizuwohnen. —
Hr. M. Bartels legt einige ihm damals freundlichst überlassene Proben von
da vor, die er dem königl. Museum anbietet. —
Yerlundl. dtr BtrI. AntbropoL OtteUtob»ft 1897. 11
(162)
(5) Seine Majestät der Kaiser hat sein Allerhöchstes Interesse für die Ge-
sellschaft TOD Neuem dadurch bekundet, dass er bei der so eben erfolgten Neu-
bildung der Sachverständigen -Oommissionen für die königl. Museen als Sach-
verständige für die beiden Abtheilungen des königl. Museums für Völkerkunde fast
nur Mitglieder unserer Gesellschaft ernannt hat
Für die vaterländische Abtheilung wurden ernannt als ordentliche Mit-
glieder die HHm. R. Virchow und W. Schwartz; als Stellvertreter die HHrn.
A. V. fleyden, K. Künne und M. Bartels.
Für die ethnologische Abtheilung als ordentliche Miiglieder die HHm.
R. Virchow, F. Freiherr v. Richthofen, William Seh önl an k und M. Bartels;
als Stellvertreter die HHm. W. Joest, K. Künne, K. von den Steinen, Strauch
und Ehrenreich.
Bisher noch nicht Mitglieder unserer Gesellschaft sind die ebenfalls für die
ethnologische Abtheilung ernannten Sachverständigen Hr. v. König, Wirklicher
Legations- und Vortragender Rath im Auswärtigen Amt, als ordentliches Mitglied;
Hr. Commerzienrath und Persischer General-Consul Gilka und Hr. Prof. Dr. Louis
Lew in als Stellvertreter. Das Mandat der beiden Sachverständigen-Commissionen
währt bis zum 31. März 1900. —
(6) Der Herr Cultus-Minister hat durch Erlass vom 1 2. April der Gesellschaft
für das Jahr 1897,98 wiederam eine ausserordentliche Beihülfe von 1500 Mk. be-
willigt. Er spricht dabei sein Bedauern aus, „nach Lage und Bestimmung der
dortseitigen Fonds die beantragte Erhöhung der Beihülfe auf 2000 Mk. nicht ein-
treten lassen zu können**. —
(7) Von den neu erwählten correspondirenden Mitgliedern, Hrn. Munro
(Edinburgh) und Flinders Petrie (London) sind Dankschreiben für ihre Ernennung
eingegangen. —
(8) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Historien- und Porträtmaler Paul Beckert in Charlottenburg.
^ Maurer* und Zimmermeister Hans Gessner in Berlin.
^ Dr. med. Walter Levinstein in Schöneberg bei Berlin.
(9) Hm. Dr. Lehmann-Nitsche, der heute zum letzten Male unter uns
weilt, werden die besten Wünsche mit auf den Weg gegeben. Derselbe ül>eraimmt
die Stellung des Naturalista an dem Museum in La Plata, welche bisher unser
correspondirendes Mitglied, Hr. ten Kate, innegehabt hatte. Mögen durch seine
Vermittelung die freundschaftlichen Beziehungen, welche wir seit vielen Jahren mit
dem gelehrten Süd-America unterhalten, immer fester und gedeihlicher werden. —
(10) Hr. Joest übersendet aus Wellington auf Neu-Seeland unter dem 8. März
einen Zeitungs-Ausschniti Auch Hr. Sökeland hat eine Postkarte von ihm er-
halten, aus der sein Wohlbefinden ersichtlich ist. —
(11) Die Vossische Zeitung vom 6. April bringt folgende Notiz über eine
nordamerikanische Expedition nach der Nordwest-Kftste
and nach den asiatischen Nachbarländern.
Mr. Morris K. Jesup, Präsident des amerikanischen Museums für Natur-
geschichte, rüstet, wie ^Nature"^ mittheilt, eine anthropologische Expedition
aus, die auf einer siebenjährigen Heise (deren Kosten auf mehr als (K) 000 Dollarn
(163)
geschätzt werden) sich mit dem Studium des vorgeschichtlichen Menschen in
allen Theilen der Welt beschäftigen soll. Die Expedition wird von dem Anthro-
pologen Prof. F. W. Putnam, dem Secretär der ^American Association for the
Advanceroent of Science", geführt werden. Ihm zur Seite stehen der auch in
unseren Anthropologen-Kreisen wohlbekannte Dr. Franz Boas, der mehrere Jahre
unter den Indianer-Stämmen des nordwestlichen Amehca's zugebracht hat, und ein
Stab von Assistenten. Man will sich zuerst nach der Nordwest- Rüste von Nord-
America, nördlich von British Columbia, begeben und die Küste bis nach Alasca
und der Behringstrasse hinaufgehen. Darauf wird die Expedition nach Asien hin-
übersetzen, in Sibirien und China thätig sein, und den Indischen Ocean entlang
nach Aegypten ziehen. -
«
(12) Der Vorsitzende der Nieder -Lausitzer anthropologischen Gesellschaft,
Hr. Prof. Jen t seh (Guben), übersendet eine Einladung zur Theilnahme an der
13. Haupt-Versammlung dieser Gesellschaft, die am 8. und 9. Juni in Finster-
walde in der Lausitz stattfinden wird. Für den ersten Versammlungstag ist eine
Ausgrabung auf einem nahen Gräberfelde und der Besuch eines slavischen Rund-
walles und anderer sehenswerther Punkte geplant. Am zweiten Tage finden die
wissenschaftlichen Verhandlungen u. s. w. statt. —
(13) An die Mitglieder der Gesellschaft ist eine Einladung ergangen zur Theil-
nahme an einem unter dem Patronate Sr. Majestät des Königs der Belgier vom
16. bis 19. August dieses Jahres in Brüssel stattfindenden Congres International
Coloaial. Derselbe bildet die XIV. Section der Exposition Internationale; Präsident
dieser Section ist Hr. Baron Lambert. Für die Mitglieds-Karte sind 10 Francs
zu entrichten. Hierfür erhält man auch die Veröffentlichungen. Eine Damenkarte
kostet 5 Francs. Nach dem aufgestellten Programm wird verhandelt werden über
Colonisation , Colonies, Methodologie coloniale, Organologie de la colonisation,
Etüde des colonies particuliöres u chaque pays, Introduction en Afrique des noirs
d'Amerique, Philosophie de la colonisation, Questions diverses.
Wir werden aufgefordert, auch noch sonstige uns geeignet erscheinende Themata
für die Verhandlung in Vorschlag zu bringen.
Unser Mitglied, Hr. Louis Henning in Antwerpen, hat sich erboten, Berichte
ttber diese Ausstellung einzusenden. —
(14) Aus dem Vortrage des Hrn. Jacobsthal über Metall -Intarsien, sowie
aus den Vorlagen hausgewerblicher Gegenstände in Bosnien durch Hrn. Bartels
ist erinnerlich, dass in Bosnien mehrere hausgewerbliche Industriezweige geblüht
haben. Die österreichisch-ungarische Regierung hat staatliche Schulen eingerichtet,
in welchen die heranwachsende Jugend beiderlei Geschlechts in einigen dieser
Industrien methodischen Unterricht erhält; namentlich sind es die Metall-Intarsia-
nnd Tauschir-Arbeiten einerseits, die Teppich -Knüpferei und Textil- Industrie
andererseits. Auch das Treiben und Graviren in Metall wird gelehrt. Diese staat-
lichen Schulen haben zur Zeit hier in Berlin eine Ausstellung ihrer Arbeiten ver-
anstaltet. Sie befindet sich im Monopol-Hotel in der Friedrichstrasse und ist von
10 — 2 und von 4 — Vs^ ühr unentgeltlich zugängig. —
"(15) Die Vossische Zeitung (3. April) brachte die Nachricht, dass am 1. April
in Cairo der Grundstein für das neue Museum gelegt wurde, welches die
%7ptischen Alterthümer aufnehmen soll. —
11*
L
(164)
(16) Es hat sich ein Comite gebildet, am dem bertthmten Berliner Anatomen
and Physiologen Johannes Hdller in seiner Vaterstadt Coblenz ror seinem Ge>
bnrtchaase ein Denkmal zn errichten. Der engere AnBBchnss wendet sich aach an
die Mitglieder onserer Gesellschad mit der Bitte, zu diesem Denkmale beicnatenern,
and hat fOr diesen Zweck Listen eingesendet Dieselben werden vorgelegt. —
(17) Hr. C. F. Lehmann übersendet folgenden Hinweis auf
weitere Darstellnngen Bagyriflcher Ruhebetten.
Die Torli^ende Darstellung ') 7on Betten, an denen ein Mann beschäftigt ist (s.
Abbild.), zeigt, dass die Ansicht, es befinde sich in der von mir Mher wieder»
gegebenen DarsteDong (Verh. 1896, 8. 585) ein Uensch in dem Bett, an welchem
sich ein stehender Mann z» schaffen macht, irrig ist Zn dieser, wie bemerkt, anch
dnrch das „Verzeichniss der vorderasiatiachen AlterthOmer and Gypsabgfisse" der
kSnigl. Hnseen anscheinend sanctionirten, aber an zaständiger ^lle anf Grand
eben der jetzt vorgelegten Darstellnng Terworfoaen Ansicht verleitete namentlich die,
wie sich nnn heransstellt, nur scheinbare Andeatang eines Aoges nngeftlhr an der
fUr den Kopf eines im Bette Liegenden za erwartenden Stelle.
Dass anter jener inigen Voraassetzang die „Darstellung mit Aosnahme der
Bewegungen der Hauptperson nur skizzirt gehalten sei, so dass die KSrperlinie
des im Bett Li^enden und die Details des Bettes and seiner etwaigen Bedeckaog
nicht besonders hervortreten", war von vornherein hervorgehoben worden. DerVer^
gleich mit den hier wiedergegebenen Darstellangen lässt aber wohl keine andere
1) Layard, Konuments of Ninivah, I, PI. 77. 3. je das tweit« Zell in den boiden
unteren Reihen der Abbildung.
(165)
Deutung zn, als dass wir es dort mit dem gleichen hochgepolsterten Kuhebett zu
thun hatten, dessen yornübergebengtes Rissenende einen Kopf vortäuscht, ^er an
dem Bett Beschäftigte macht sich mit der Glättung der Rissen zu schaffen, aller-
dings mit einer einigermaassen auffallenden Haltung der Hände.
So sicher die Deutung auf eine Massage die nächstliegende war, wenn es sich
um einen im Bette Liegenden handelte, so sicher dttrfte von einem Belege für die
Uebung der Massage bei dieser Darstellung nicht mehr geredet werden, sobald
nur ein Zweifel an der Voraussetzung, es sei jemand im Bett liegend dargestellt,
erlaubt wäre. Hier erscheint aber diese Voraussetzung geradezu widerlegt.
Die früher und die heute gegebenen Darstellungen behalten ihr Interesse nur
als Darstellungen assyrischen Lebens. —
(18) Hr. Dr. Kohl übersendet aus Worms zwei Nummern der "Wormser
Zeitung vom 10. und 26. April, in welcher er über die neuen dortigen archäologischen
Funde berichtet. In dem ausgedehnten römischen Gräberfelde auf den Terri-
torien des Preiherm y. Heyl sind 496 Gräber sachgemäss eröffnet worden. Die
Skeletbestattung in Holzsärgen herrschte Tor; Stein-Sarkophage fanden sich nur 21,
darunter nur 4 yoUständig unberührte; Brandgräber sind in dieser Zeit, dem 3. und
4. nachchristlichen Jahrhundert, schon sehr selten. Es fanden sich über 100 Gläser,
darunter solche yon den schönsten und seltensten Formen, Hunderte yon Thon-
gefässen, sowie eine grosse Zahl yon Beigaben, darunter ein bronzener Spazier-
stock-Knopf und die Zwinge dazu, Münzen, bis zu 8 in einem Grabe, welche der
Verstorbene yermuthlich in einem kleinen Beutel in der Hand gehalten hatte, und
femer in dem Steinsarge eines kleinen Mädchens zwei bemalte Gänse-Eier. Der
noch nicht untersuchte Theil des Gräberfeldes enthält yermuthlich noch Hunderte
yon Gräbern.
In der Nähe yon Worms, bei Wachenheim, auf dem südlichen Abhänge des
Pfrimmthales, hat man das Brandgrab eines Kriegers der mittleren La-
Tene-Periode, mit einem grossen Schwert in eiserner Scheide, einem ketten-
förmigen Schwertgehänge, einer schilfblattförmigen Lanzenspitze und einem band-
förmigen Schildbuckel, alles in Eisen, ausserdem eine schöne Bronze-Fibel auf-
gefunden.
Dieser Fund führte zu der Entdeckung eines neuen neolithischen Gräber-
feldes, welches gerade in der Mitte zwischen demjenigen am Hinkelstein und
dem kürzlich untersuchten auf der Kheingewann bei Worms sich befindet. Es
wurde ein auf seiner rechten Seite „liegender Hocker" entdeckt mit zwei Feuer-
stein-Messern und Thierknochen. Der Wormser Alterthums- Verein wird an dieser
Stelle weitere Ausgrabungen in Angriff nehmen. —
(19) Fräulein M. Lehmann-Filhes übersendet eine Mittheilung über
Freysnes im östlichen Island.
Aus dem „Jahrbuch der isländischen Alterthümer- Gesellschaft" (Arbok hins
islenzka fomleifafäags") ftlr 1896 ist Mittheilung zu machen yon einer Unter-
suchung, die der Arzt Jon Jönsson in der Mülasysla im östlichen Island an-
gestellt und im Arbok beschrieben hat. Dort durchströmt ein zu einem See, dem
Lagarfljot, erweiterter Fluss eine der schönsten Gegenden Islands. Zwei Land-
spitzen (nes), Thörsnes und Freysnes genannt, strecken sich einander gegenüber
in das Lagarfljot hinein. Etwa 4 dänische Meilen dayon, nach dem oberen, süd-
westlichen Ende des Lagarfljot, liegt der Hof Bessastadir. Hier hat ein Tempel
(166)
gestanden. MüncUiche Ueberliefening, deren der Probst Sigurdur Onnnarsson
(„Safn til sögu Islands"" ü, S. 460) und der Bezirksarzt Thorvardur Rerilf
(^Ärbök hins islenzka fomleifafelags"" 1882, S. 38) gedenken, erzählt, nach Ein-
führang des Christenthnms seien die Götterbilder aus diesem Tempel in das
Lagarfljöt geworfen worden; wo sie an 's I^md trieben, wurden die Stellen nach
ihnen benannt, Thorsnes nach Thor, Freysnes nach Freyr. Nach einer anderen
Tradition ist die Verwüstang des Götzenhaoses schon vor der Einfiihrang des
Christenthums geschehen and den beiden Göttern Thor und Freyr, jedem auf seiner
Landspitze, ein neuer Tempel erbaut worden*).
1) Im „Arbök'' für 1882, S. 35ff. yerdfrentlicht Sigurdur Yigfüsson eine den Tempel
von Bessastadir und seine Verwüstung betreffende Stelle aus einer in der Laudes-Bibliothek
in Reykjavik befindlichen Handschrift der Droplaugarsonasaga („Geschichte von den Söhnen
Droplaug's**). In den gedruckten Ausgaben dieser Saga ist die betr. Schilderung nicht
enthalten. Wenn auch nicht die Handschrift selbst, hält Sigurdur Yigfüsson doch ihren
Inhalt in allem Wesentlichen für alt und acht — Zwei Droplaugs- Söhne, Helgi und
Grfmur, sind von Ameidarstadir nach Vidivellir unterwegs, werden von schrecklichem Un-
wetter, Schneetreiben und Dunkelheit überfallen, yerirren sich in Folge dessen und er-
leiden allerlei Ungemach. — „Da sahen sie im Schneetreiben etwas Grosses, Schwanes
▼or sich. Sie sehen, dass es ein grosser Wall ist, so hoch, dass Helgi nur gerade ebenso
hoch langen konnte. Sie gehen um den Wall herum und er war kreisrund; sie finden
eine Pforte im Wall und da war ein verschlossenes Gitter davor und wohl verwahrt Helgi
sprach: „Wissen wirst Du, wohin wir jetzt gekommen sind.** „Nein,* sagt Grimur, „das
ist bei weitem nicht so, hierher bin ich nie zuvor gekommen, soviel ich mich erinnere".
„Mit mir ist es nicht so,^ sagt Helgi, „ich erkenne bestimmt, wohin wir gekommen sind,
dies ist der Tempelwall meines Pflegevaters Bessi' Grfmur sprach: „Lass uns
möglichst schnell von hier fortgehen.** „Nein," sagt Helgi, „ich möchte hier hineinkommen,
denn ich will die Behausungen sehen, die hier vorhanden sind". Damit geht er an die
Pforte und schlägt mit dem Schwertknauf auf das Schloss und bricht es ab; alsdann
stemmen sie sich gegen die Thür und brechen sie auf; dann gehen sie hinein in den
Tempel. Da nimmt Grfmur das Wort und spricht: .Uebel thust Du nun, Bruder, dass
Du hier mit soviel Gewalt verfährst und Alles am Tempel verdirbst; ich weiss, dass es
Deinem Pflegevater Bessi sehr übel gefallen wird, wenn er es wahrnimmt** Helgi ant-
wortet: „Wissen will ich, welche Aufnahme wir bei diesen Unholden finden, denn es ist
nicht gewiss, dass ich es ein anderes Mal nöthiger habe, als jetzt; sie wird ein anderes
Mal nicht gut sein, wenn sie sich jetzt schlecht erweist** Da geht Helgi in den Tempel
hinein und sieht, dass es dort hell ist, so dass nirgends ein Schatten hinfiel; es war da
Alles mit Vorhängen behängt, und beide Bänke waren besetzt und Alles funkelte von Gold
und Silber. Diese (= die auf den Bänken sassen) glotzten mit den Augen und luden die
nicht ein, die gekommen waren. Im Hochsitz („öndvegi") auf der vornehmeren Bank
sassen Freyr und Thor zusammen. Helgi trat vor und sprach: „Da sitzt ihr Lumpe, — die,
die Euch verehren, mögen Euch für vornehme Häuptlinge halten, aber wenn Ihr woDt,
dass wir Brüder an Euch glauben, wie Andere, so stehet auf und benehmt Euch, wie vor-
nehme Leute, und ladet uns Brüder ein, denn draussen ist jetzt schlechtes Wetter. Wenn
Ihr das nun bejahen wollt, so werden wir an Euch glauben, wie andere Menschen. Wenn
Ihr aber eine hofiihrtige Miene aufsetzt und uns keine Hülfe leisten wollt, so werden wir
nicht das Geringste von Euch halten.** Aber sie nahmen eine hoffährtige Miene an und
schwiegen. Da wendet sich Helgi quer über den Fussboden: da sassen Frigg und Freyja.
Er sprach da dit'selben Worte zu ihnen, wie zu jenen, und sagte, er wolle ihnen Freund-
lichkeit erweisen, wenn sie sie gut aofhähmen. Grfmur sprach: «Sei nun so gut, Bruder,
und gieb Dich nicht länger mit diesen Unholden ab und lass uns von hier fortgeben, denn
mir scheint kein Beistand zu erwarten von solchen Bestien, die nicht reden und nicht
sehen, noch hören können, und es ist darum eine schlimme Schande, irgend auf sie iq
vertrauen." Helgi antwortet: ,,Nie soll mir das begegnen, was manchem geschieht, dass
(167)
um festzustellen, ob dieser üeberlieferoDg etwas Thatsächliches zu Grunde
liege, unternahm Hr. Jon Jönsson seine Untersuchung und fand auf Thorsnes
einen alten Wall, der indessen auch für einen alten Schafpferch gelten könnte, auf
Freysnes aber deutliche Ueberreste von Baulichkeiten, die der Bauer auf dem be-
nachbarten Hofe Ekkjufell unter dem Namen „Godatoettur'^ 0 kannte. Die Ruine
misst einschliesslich der Wände 96 Fuss in der Länge und 23 in der Breite. Die
nördliche Giebelwand ist halbkreisförmig. Zwei Querwände theilen das Gebäude
in drei Räume: der nördlichste, grösste hat nur eine Thür nach aussen, in der
östlichen Längs wand neben der Querwand, steht also mit dem übrigen Theile des
Gebäudes nicht in Verbindung; die beiden anderen Abtheilungen sind durch eine
Thür in der Querwand mit einander verbunden, und neben der südlichen Giebel-
wand führt eine Thür nach Osten in's Freie. Der nördliche Raum hat die dicksten
Wände und die dickste Erdschicht auf dem Felsboden; auch befinden sich in ihm
4 Erhöhungen: eine runde innerhalb der runden Giebelwand und 3 längliche parallel
mit den 3 anderen Wänden. Des Verfassers Meinung geht dahin, dass sie die
Ueberreste der Altäre (stallar; Sing.: stalli oder stallur) sind, auf denen die Götter
gestanden haben; femer, dass nur dieser Raum, das afhüs, ein festes Dach aus
Rasen gehabt habe, der vordere Theil des Tempels aber offen gewesen und nur
zur jedesmaligen Benutzung nach Art der Thingbuden') mit einem Zeltdach ver-
sehen worden sei. (Hierzu bemerkt eine Autorität auf diesem Gebiete, Dr. Yaltfr
Gudmundsson, in der von ihm redigirten S^itschrift „Eimreidin^ (= „der Dampf-
wagen*'), gelegentlich einer Besprechung des Arbök: „Dann folgt eine klare und
einsichtsvolle Schrift vom Arzte Jon Jonsson über die Godatoettur auf Freysnes
in der Mülasysla. Besonders bemerkenswerth ist darin u. a. die Bemerkung, dass
nur der für die Götter bestimmte Raum, — der „hörgur**'), wie ich ihn nenne, —
mit einem Dach versehen, der Tempel („hof") selbst aber ohne Dach gewesen sein
werde; denn dies stimmt gut zu der ursprünglichen Bedeutung des Wortes, und
man müsste darauf Acht geben, ob nicht an mehr Orten, wo sich alte Ruinen be-
finden, Anzeichen davon zu sehen sind.")
Etwa 20 Klafter von der Südecke des Gebäudes entfernt, liegen mehrere kleinere
Ruinen mit dünneren Wänden, vermuthlich alte Thingbuden. Dieses Thing findet
sich zwar in der Literatur nicht erwähnt, wohl aber ein Lambanessthing, von dem
man nicht weiss, wo es gelegen hat Der Verfasser hält es für möglich, dass es
ich den Wall da berenne, wo er am niedrigsten isf Damit rüttelt er an Thor und Frejr
und reisst sie von den Bänken und zieht ihnen alle Kleider ab und macht es so mit einem
nach dem anderen, bis er allen Göttern die Kleider abgerissen hat, und stösst sie von den
B&nken hcnmter auf den Fassboden; dann trägt er sie alle zusammen in eine Ecke vom
und verwahrt sie dort, so dass nichts verdorben werden konnte. Grimur sprach: „Das
ist böser Spott und Du setzest Dich der Feindschaft unseres Pflegevaters Bessi aus.''
Helgi antwortet: ,,Ich aber meine, dass ich nie in meinem Leben ein besseres Werk
vollführt habe, als dieses, weil sie uns diesen ganzen Tag auf falsche Wege geführt haben;
ich habe mich früher in meinem Leben nie verirrf Damit geht Uelgi hinaus und lässt
den Tempel offen; nun dringt das Schneetreiben durch den ganzen Tempel'' — Was
weiter mit den Qöttem geschah, wird hier nicht erzählt, doch scheint mir diese Episode
interessant, schon wegen der Schilderung des Tempels. (Vergl. auch Verhandl. 1898,
S. 606.)
1) Tcettur = ein ungewöhnlicher Plural von t<5tt (od. töpt = Ruine), anstatt t<5ttir;
Godatoettur also: Götzenruinen.
2) Vergl. Verhandl 1895, S. 358 ff.
8) Ebendas. 1893, S. 604.
i
(168)
hier gefunden sei und den Namen Freysnes erst erhalten habe, als Freyr daselbst
^Land nahm**. —
(20) Hr. W. V. Schulenburg übergiebt eine Mittheilung über
die Harpa auf Island und die Harfe in der Mark.
In ihren „Isländischen Volkssagen^ ^) theilt Fräulein Lehmann-Filh^s mit,
dass ^der auf Mitwinter folgende Monat (vom 24. Januar bis 22. Februar) Thorri
heisst, der dann folgende Ooa; der letzte Winter-Monat Einmanudur^ [was Alles
nach Simrock') auch für Norwegen gilt W. v. 8.] ,,und der erste Sommer-Monat
Harpa".
Am ersten Thorri-Tage musste der Bauer als Hausherr anderen ein Gastmahl
geben; das hiess Thorri empfangen. An einigen Orten im Nordland (auf Island)
muss die Hausfrau ihren Bauer gut bewirthen und das heisst noch jetzt „Thorra-
blot^ (Thorrisopfer). Beim Empfang des Thorri musste der Bauer, nur mit dem
Hemd bekleidet, auf einem Fuss um das Haus „hüpfen" [also hinken]. Am ersten
Goa-Morgen musste die Bäuerin, als Hausfrau, die Goa empfangen und dabei wenig
bekleidet dreimal um das Haus gehen. Ebenso, heisst es weiter, mussten die
Jünglinge den Einmanudur, die Jungfrauen die Harpa empfangen. „Es ist kaum
zu bezweifeln," sagt Fräulein Lehmann-Filhes, „dass diese Sitte, Harpa zu
empfangen, ein Ueberrest ist von dem alten Sumarmalablot (Sommeranfangs-Opfer),
wenn auch vom festlichen Empfange jetzt überall wenig mehr zu finden ist," und sie
spricht die Yermuthnng aus, ob diese Harpa yielleicht Frau Harke oder Harfe sei.
Diese Annahme dürfte gestattet sein, denn die Harke heisst in der Mark vielfach
Harfe. Die Einholung der Harpa würde ganz der deutschen Sitte entsprechen, den
Sommer einzuholen, und als Sommer-Göttin kann auch Frau Harfe, in ihren früheren
Verhältnissen, betrachtet werden. Bezüglich des feierlichen Empfanges in wenig
bekleidetem Zustande möchte ich hinweisen auf ähnliche Sitten in der Mark'),
wenngleich verschiedene Ursachen zu Grunde liegen mögen.
Es wäre zu wünschen, dass weitere Einzelheiten über die Harpa bekannt
würden, sei es von Island, sei es aus Norwegen, von wo Island besiedelt wurde. —
(21) Hr. W. V. Schulenbnrg übergiebt eine Mittheilung über
das Wollespinnen mit Spindel und Wirtel.
In den Verhandl. 1896, S. 473 hat Hr. A. Götze Mittheilungen gemacht Ober
Wollespinnen mit der Spindel und weitere Angaben für wünschenswerth erklärt.
Auf eine Anfrage schrieb mir der Bauer, Schulze Hantscho-Hano in Schleife
(Kreis Rothenburg in Schlesien): „Beim Spinnen der Wolle musste früher ein
leichter Wirtel sein. Denn der Hirte oder Schäfer, welcher die Strickwolle ge-
sponnen und dann sogleich mit der Spille [= Spindel] den Faden zwirnte, hob den
Faden-Rnaul [d. h. die Wolle] hoch über den Kopf, drehte die Spille auf dem
rechten Oberschenkel stark an und Hess die Spille, unten vor sich, so lange frei
drehen, bis die Wolle genügend gezwirnt war. Ich habe dies als Rind bei meinem
Grossvater, welcher Schäfer war, öfters gesehen. Gleichzeitig war auch dieser
Wirtel gross. Denn die Wolle wurde dicht an den Wirtel gewickelt, damit recht
1) Berlin 1891. S. 259, 26a
2) Deutsche Mythologie, S. 876, 880.
3) Brindonburgia (Monatsblatt). Berlin 1896. S. 162—164: 148.
(169)
viel aaf die Spille giag. Beim Flachs- nnd Hanfspinnen wurde der tannene
oder auch bleierne Wirtel bald abgenommen, damit die Spille nicht so schwer
war. Spille nnd Wirtel haben sich die alten Schäfer selbst geschnitzelt. Die
Spille mnsste einen Kerb haben, sonst blieb der Wollenfaden nicht eingehakt. Die
Eurechtgekratzte Wolle hielt der Hirte oder Schäfer unter dem linken Hemdsärmel
nod spann beim Gange hintar der Heerde.
„Ich habe in der letzten Zeit einige kleine Wirlei Ton gebranntem Thon ge-
fanden, aber diese sind znm Spinnen doch nicht gebraacht worden. Ich glanbe
mehr, dass sie irgendwie als Perlen znm Schmuck für die Heiden hier oder sonst
zu etwas benutzt worden sind. Die Dinger habe ich nicht mehr, sie waren in
dieser Grösse:"
@ ® ©
Ich selbst (W. t. S.) habe bei früherem mehrmaligem Aufenthalt in dortiger
Gegend zwar noch das Übliche FlacbBspinoen mit der Spindel gesehen in den
Hinsem (vergl. meine Abbildung einer solchen Spinnerin in den Verhandl. XIV,
1882, S. 35), aber nicht mehr das Wolleapinnen im Freien. —
(22) Hr. H. Jentsch (Guben) übersendet folgende Mittbeilung über eine
Skarabäen-Gemme von Sadersdorf, Kreis Gnbea.
Zu den bisher nicht reröffentlichten Funden aas dem Sadersdorfer Gräber-
felde'), das ans der mittleren und der Spät-La-Tene-Zeit bis in die provincial-
römiscbe Cultar- Periode hineinreicht, gehört ein Skarabäus aus gefrittetem
Thon (Fig. 1). Er ist gefunden mit einigen raeloneniormigen , bläulich weissen
Perlen aua demselben Stoffe, von denen leider eine seiner unteren Fläche an-
haftet (Fig. 2), femer mit einem angeschmolzenen, aufgebogenen Bronzeringe
Ton 1,2 cm DurcbmesBer im Lichten, mit zwei kleinen, eimerformigen Breloquea*)
fvmd mit einer milcbglas artigen Masse, die einem Knochenstücke angebacken
ist. Von der Gluth hat auch jener ßkarabäus gelitten; die untere Platte (Pig. 3)
Fig. 1. Fig. 2. Fig. 8.
1) S. Verhandl. 1896, 8.240: Nieder-Lauaitier UittheU., »d.4, 8. 1—88, ancb den
SoBderdmck: Das Grfiberfeld bei Sadersdorf und die jflngit« Oermanenzeit der Nieder-
Lauitz. Guben 1896.
2) In der letztangefohrten Schrift, S. 41, Fig. 13.
(170)
zeigt einen Sprung; auch ist ihre Oberfläche porös und kömig geworden. Der
Kücken ist an der einen Seitenkante gleichfalls löcherig. Die Farbe ist ungleich-
massig: an der wohlerhaltenen Seite überwiegend hell bläulich, an der entgegen-
gesetzten mehr weiss; dem Schlussstück der Flügeldecken haften kleine Streifen
lackartig rother Farbe an. Die Länge beträgt 26, die grösste Breite 15 mm. Der
unteren Fläche ist eine dem Umriss — jedoch in Folge des begonnenen Schmelz-
prozesses nicht ganz genau — entsprechende Furche eingeprägt und im Felde
innerhalb derselben nahe der angeschmolzenen Perle ein Kreis und zwischen diesem
und dem Längsriss eine etwa einem F ähnliche Zeichnung, endlich unter der Perle
eine längliche keulen- oder flaschenförmige Austiefung. Eine Deutung der Zeichen
hat sich bis jetzt nicht als möglich erwiesen. Das Stück ist der Länge nach
zwischen der unteren Platte, die durch eine stellenweise überschmolzene Furche
abgetrennt ist, und dem Thierkörper durchbohrt. Die Oeffnung von 2 — 3 mm Durch-
messer ist aber zur Durchführung des erwähnten kleinen Bronzeringes mit übrigens
fast rhombischem Querschnitt zu eng; von einem anderen Ringe, der etwa auf
dem Finger zu tragen gewesen wäre, hat sich keine Spur gefunden; die Gemme
war daher wohl zugleich mit den übrigen Schmuckgegenständen aufgereiht
Bemerkenswerth ist, dass, während in dem weiteren Bezirke unserer Provinz
und in ihrer Umgebung Seitenstücke fehlen, deren zwei in nicht zu grosser Ent-
fernung gefunden worden sind, nehmlich ostwärts, im Abstände von 10 km ^ bei
Amtitz eine Skarabäen-Oemme *) aus Cameol, an deren Zusammengehörigkeit mit
den zugleich ausgegrabenen römischen Münzen des 2. nachchristl. Jahrhunderts
nach dem vorliegenden Sadersdorfer Funde nicht mehr gezweifelt') zu werden
braucht, obgleich sie der Bericht aus dem Jahre 1830 über das muthmaassliche
Nachbegräbniss in einem alten Lausitzer Oräberfelde nicht ausdrücklich hervorhebt,
und ferner in 25 hn östlichem Abstände jenseit der Oder bei Tammendorf,
Kreis Grossen'), in der Richtung auf Kurtschow: hier ist eine ovale Oemme (In-
taglio) mit flach gewölbtem, aber nicht käferartig geformtem Rücken, mit der Dar-
stellung des Asklepios und der Hygieia, zwischen den Scherben einer zerfallenen
Urne gefunden worden, weisslich von Farbe, angeblich aus durchglühtem Cameol
bestehend. Dieser Fimd ist zugleich mit mehreren Gold- und einigen Silbersachen,
auch einer wohlerhaltenen eisernen Scheere, geborgen worden und wird durch die
Xebenfunde gleichfalls der provincial-römischen Periode zugewiesen.
Dies zweite Seitenstück giebt vielleicht einen Anhalt für Vermuthungen, wenn
auch nicht über die Herkunft, so doch über den Weg der Einführung des Amtitzei^
und Sadersdorfer Exemplars, da es den Blick auf die Oderstrasse lenkt. Auf
irgend eine Handelsbeziehung zu Aegypten selbst wird aus diesen Fanden niemand
Schlüsse ziehen, da sie unzweifelhaft von Italien her durch Händler nach Deutsch-
land verschleppt worden sind. Dass sie der eingegrabenen Zeichnungen wegen
als Amulette verwendet wurden, ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, die Fund-
umstände nöthigen aber nicht zu dieser Annahme: nach den Nebenfunden können
wir sie nur als Schmuckstücke ansprechen. —
1) Abgebildet im Lausitz. Magazin, Bd. 8, 1830, Taf. 8, Fig. 4, im Gubener Gymnasial-
Programm 1883, Taf. 1, Fig. 20. Befindet sich in der Gubener Gymnasial-Sammlnng.
2) Nieder-Laasitzer Mittheilongen III, S. 191.
3) Siehe A. Götze, Die Vorgeschichte der Neamark. Ijuidsberg 1897. 8. 46. Die
obigen Einzel-Angaben nach dessen frenndlichen brieflichen Mittheilnngen. — Im KOnigL
Moscum für Yölkcrkundo za Berlin.
(171)
(23) Hr. Lehmann-Nitsche überreicht folgende Mittheilung:
Ein Burgwall und ein vorslavischer Urnen -Friedhof von Königsbmnn,
Cujavien.
Einigen Bewohnern des etwa 5 km nordöstlich von der Kreis-Hauptstadt Strelno
gelegenen Banerndorfes Königsbrunn in Onjanen waren schon seit längerer Zeit
„Schanzen^ bekannt, welche sich bei näherem Zusehen und genauer, im September 1895
Yorgenommener Untersuchung als ein vorgeschichtlicher Burgwall herausstellten.
Derselbe liegt etwa \ km in nordnordwestl. Richtung von der Ortschaft mitten im
freien Felde und ist wohl in frtlheren Jahren gleichmässig abgefahren, um einer-
seits die herum gelegene Niederung trockener und fruchtbar zu gestalten, anderer-
seits die Anlage selbst in die landwirthschaflliche Bestellung mit einzubeziehen;
im Uebrigen hat der Pflug, der seit Jahren darüber hingeht, das Seine gethan, die
Wälle niedriger und breiter zu machen und schärfere Spuren zu verwischen, so
dass gewissermaassen nur noch der Grundriss der Burg-Anlage vorhanden ist, der
sich allerdings noch ganz deutlich erkennen lässt:
Vier Erd- Wälle von etwa 20 Schritt Durchmesser umfassen ein Rechteck (Fig. 1}
von 140 Schritt Länge und 80 Schritt Breite (auf der Höhe der Wälle abgeschritten),
dessen äusserer Umfang GOO Schritt beträgt und dessen längere Seite von Norden
nach Süden gerichtet ist. Von einem Wallgraben ist nichts zu sehen, und es
muss dahingestellt bleiben, ob überhaupt ein solcher vorhanden gewesen. Zu
dem östlichen Walle führt als Zugang senkrecht darauf zu ein kurzer, ansteigender
Wall, der sich, allmählich wieder abnehmend, noch eine kleine Strecke in das
Burginnere erstreckt, dessen Niveau nach der Mitte zu ganz leicht buckelartig an-
steigt. Die Höhe der Wälle ist nur noch sehr gering, etwa IVs bis 2 m; nur der
östliche Wall, zu welchem der eben erwähnte Zugang führt, ist höher und steigt
an seiner nordöstlichen Ecke wohl auf 3 m an, was mit den gegebenen natürlichen
Verhältnissen in innigem Zusammenhange steht. Wie trefflich nehmlich die ganze
Borg-Anlage sich diesen anpasst, wird so recht klar, wenn man sich die genauere
Lage auf der Oeneralstabs-Karte ^) ansieht (Fig. 2):
Kg. 1.
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Fig. 2.
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Grundriss des Bargwalles.
Sitnations-Skizze.
Copie der Generalstabs-Karte.
1) Vergl. preuss. Landes -Aufnahme 1888, herausg. 1889, Blatt 1794, Strelno, wo
übrigens der Burgwall nicht eingezeichnet ist
(172)
Nördlich von Kfinigsbrann in schräger Bicbtnng, Ton BW. nach NO. ver-
laufend, zieht eich nehmlich, beginnend zwischen den Orischallen Blnmendorf und
Kaiserthal, weiterhin stldlich an Bzegotki vorbei bis ganz nordöstlich hinauf nach
Bozejewice ein Strich snmpQger Niederung, deren niedrigster Fonkt anf der
Karte mit 88,7 m angegeben wird. An einer Stelle, wo diese einen kurzen
Zipfel nach Süden sendet, schiebt sich zwischen diesen und die eigentliche Niederung
von Osten her eine ftlr die dortigen Terhältnisse nicht nnbedentende Anhöhe
(höchster Fnnkt nach Angabe der Karte 93,8 m) zungenformig herein: aaf dieser
Höhe ist der Bargwall (Fig. i) angelegt Sie steigt von Osten her allmählich an
und fällt nach dem Snmpfe zn ziemlich steil ab; es musste daher der östliche
Wall höher, als die übrigen, aufgeworfen werden, sollte er die gleiche Höhe mit
denselben haben, und er konnte allein den Zugang vermitteln, da die Qbngen Seiten
der Burg vom Sumpf hufeisen förmig gedeckt waren. Hente freilieb haben ver-
besserte Vorflnth -Verhältnisse und erst im vorigen Jahre ausgeftlhrie grössere
Drainagearbeiten den Boden entwässert und die Niederung fast ganz trocken gel^t,
so dass der Werth einer Anhöhe
Pj^ g g^en fHlher nicht mehr in Be-
tracht kommt, wo der Sampt
jedenfalls viel ausgedehnter und
nnpassirbar, das Bnrgwall-Terrain
kleiner und leichter zu verthei-
digen war. Noch vor Kurzem
soll in der Niederung in un-
mittelbarer Nähe der „Schanzen"
danemd Wasser gestanden ha-
ben. —
Beim Nachsuchen auf dem
gepflügten Boden fanden sich anf
den Wällen nnd im Bnrginnem
Reste von Holzkohle, gebrannt«
ThonstUcke, ein Knochenpfrie-
men, Thierknochen, ein Stein,
dessen abgeriebene flächen dar-
auf achliessen lassen, dass er
irgendwie zom Glätten diente, und
eine grosse Anzahl von Scher-
ben. Darunter sind zwei neo-
lithische am beachtenswerthesten
(Fig. 3). Die übrigen sind voi^
slavische geglättete, zum Theil
mit einfachem Strich -Ornament
versehen, femer typisch slavische
mit Bargwall -Ornament, auch
einige mittelalterliche'). Es ist
demnach der Bargwall in vor>
slavischer Zeit angelegt und von
den Slaven weiter benutzt worden.
DafUr spricht auch der weitere
1) Slmmtlichc luf dem Burgwsll gesammelteo, eben erwUinten Stficke habe ich dem
Berliner KOnigl. Mnseum für TOlkerkundt; äb^rgebea
(173)
Umstand, dasa etwa 1000 Schritte wesUich davon ein vorslavischer Ümen-Friedhof
entdeckt wnrde, deaaen Oefäaae denselben Charakter, wie die vorsl ansehen Scherben
des Btugvralles, zeigen.
Vor etwa 40 Jahren wnrde nehmlich auf einer leichten Anhöhe, welche frOfaer
im Volksmonde der Katzenbuckel genannt wnrde nnd etwa 800 Schritt von der
Ortscbaft entfernt liegt, beim Steineaachen eine grosse Anzahl von Urnen, angeblich
Aber 30, aufgedeckt und zum grössten Theil zerstört. Sie sollen in Steinkisten ge-
standen haben; oh das wirklich der Fall war und welcher Art die Steinsetzung
gewesen, liess sich nicht mehr feststellen. Die noch unversehrt gebliebenen Umeii
nahm der Finder, ein Bauer des Dorfes, mit nach Hause und hob sie auf seinem
Dachboden auf, mnsste sie aber auf Veranlassung seiner Fran, die es auf dem Boden
spuken hören wollte, wieder an Ort und Stelle tragen und ve^n^ben. Erst im
Herbst 189.S wurden sie von Nenem an's Tageslicht befördert, als der neue Be-
sitzer des betreffenden QrundstUckes, Ur. Erxleben, mit dem TiefpQuge pflagen
liess und bei dieser Gelegenheit sie wieder anfdeckte. Hr. Lehrer ßadler ia
Königsbninn schützte sie seitdem ror Zerstörung.
Was von den ganzen Fnndstttcken noch flbrig blieb, besteht aus 5 Urnen,
einem Hützendeckel, einer Schale und dem Boden einer grösseren Urne.
Fig. *. Fig. 6.
Urne I (Fig. 4) ist ein mächtiges bauchiges Gel&sa, mehr breit, als hoch, nnd
ziemlich plump mit der Hand geformt. Die ganze Aussenseite ist grob verstrichen,
rauh nnd nneben, nur Hais nnd BodenstUck sind sorgsam herausgearbeitet und
sorgfältig aussen geglättet, der Hals in einer Höhe von etwa 6 — 7, der Boden von
etwa 3 cm. Der Thon ist ziemlich grob und mit vielen grob zeratossenen Qaarz-
stSckchen durchsetzt; die Stärke der Wandung beträgt '/, — 1 cm. Das Oeföss ist
aussen ziegelroth gebrannt und der Brand geht fast ganz durch; die Innenseite ist
dagegen mehr gelblich. Das Gelass hatte zwei öhsenartige kleine Henkel.
Höhe 27,5 CTn; Durchmesser des Bodens 12,5 cm, des Bauches 28,5 cm, der
Oeftnnng 19,0 em; gröaster Umfang 90 cm. Umfang des Halses 57 cm.
Urne II (Pig. 5) ist von hoher, schlanker Vasenform, die Anaaenseite, wie bei
der vorigen, nur weniger rauh. Geglättet iat nnr der Hals, und zwar in einer Höhe
von etwa 10 cm. Der Rand ist etwas defect, so dass er nicht mehr ergänzt und
(174)
die Höhe dea Geföesea nicht mehr genau bestimmt werden kann. Die Einwirknng
des Feuers beim Brennen war weniger stark, der Brand ist ziemlich nnregelmässig,
gelblich, abwechselnd mit ^Iblichrotb, der obere (glatte) Theil geschwärzt. Henkel
nicht vorhanden. Wandstärke etwa '/= — '/• <™- Das Material ist feiner, als bei
dem vorigen Qefasse, und enthält nur wenigen zerstosaenen Quarz.
Höhe etwa 28,5 cw; Durchmesser des Bodens 10,0 cm, des Bauches 23,0 cm,
der Oeffnung 12,0 cm; grösster Umfang 73,0 cm. Umfang des Halses 39 cm.
Urne m (Fig. 6) ist ein Geffiss von
Fig. 6. eleganter offener Vasenform, aus feinem,
mit Glimmer rersetztem Thon sehr sorg-
föltig gearbeitet, achwach und unregel-
mässig gelblich bis gelblichroth gebrannt,
durchweg gl eich massig geglättet. Der
Brand ging nicht durch die ganze Wand-
stärke: die innere Schicht ist schwarz.
Auch nach dem Boden zu hat daa Feuer
weniger stark eingewirkt. Unter dem
Halse, der leicht abgesetzt ist, zieht sich
ein mit einem Stäbchen ganz leicht ein-
gedrücktes Strich -Ornament herum, nur
unterbrochen durch drei symmetrisch an-
geordnete, röhren artige Henkel.
Höhe 20 cn; Durchmesser des Bodens
10,0 cm, des Bauches 24,5 cm, der OeCTnuug
16,5 cm; grösster Umfang 78 cm. Umfang des Halses wegen Beschädigang nicht
zu messen.
J
Drne IV (Fig. 7), bedeutend kleiner, hat die Form einer Vase mit hoch auf-
gezogenem Halse. Die wintere Hälfte ist, wie bei Urne I und II, raah, ausserdem
stark verwittert. Aus der oberen sorgfaltig geglätteten Hälfte ist ein Elals ganz
leicht abgesetzt (auf der Zeichnung nicht zu sehen). Der Brand ist itnregel-
mässig, röthlicb, gelblich bis schwarz (am oberen Bande), das Material verhält-
nissmäasig fein, mit Qnara durchsetzt. Wand '/• — 'It c"> stark. Henkel und Orna-
mente fehlen.
(175)
Höhe 20,5 cm; Durchmesser des Bodens 10 — 11 cm, des Bauches 19 cm, der
OeflhuTig 10 cm; grösster Umfang 60 cm, Umfang des Halses 32 cm,
Urne V (Fig. 8) steht in der Form zwischen Nr. H und IV; Aussenseite des
unteren Theiles, wie dort Im Besitz des Hrn. Propstes Kittel in Hochkirch.
Höhe 25 cm; Durchmesser des Bodens 10 cm, des Bauches 25 cm, der Oeffnung
12 cm; grösster Umfang 70 cm. Umfang des Halses 40 cm.
Sämmtliche 5 Urnen waren mit calcinirten Knochenstückchen angefüllt.
Urne V, deren Inhalt noch ganz intact, wurde nicht weiter untersucht Von
den übrigen vier enthielt nur Nr. I Beigaben: Reste von einem Paar Ohr-
ringen in Gestalt kleiner, etwa 2 cm langer Stückchen eines feinen, 2 mm starken
Bronzedrahtes und zwei flacher, unregelmässig gearbeiteter Eisenringe mit beider-
seits eingekerbtem Band, wie sie als Anhängsel an Bronze-Ohrringen an
^ Gesichtsurnen vorkommen (Fig. 9).
Fig. 9.
Fig. 10. Fig. 11.
Sehr interessant ist es, dass Hr. Conservator Ed. Krause das gleiche An-
hängsel, aber in Knochen, in einer mit calcinirten Knochen angefüllten Ge-
sichtsurne von Schwartow, Kreis Lauenburg in Pommern, auffand, wie er
mir gütigst mittheilte. Die betreffenden von ihm ausgegrabenen Funde, im Besitz
des Königl. Museums für Völkerkunde zu Berlin, werden von ihm später publicirt
werden. In Geföss Ic, Nr. 1979, lag mitten unter den Knochen „eine runde, in der
Mitte durchlochte Knochenscheibe mit gekerbtem Rande, gebrannt und defect,
Durchmesser 2 cm** (Inventar-Katalog des Königl. Museums Ic, Nr. 1980).
Die übrigen Fundstücke des cujavischen Friedhofes bestanden aus einem
Mützendeckel (Höhe 4,5 cm^ Durchmesser 12 cm), Fig. 10, einer flachen Schale
(Höhe 4,5 cm, Durchmesser 13,5 cm), Fig. 11, und dem Bodenstücke einer grösseren
Urne (Durchmesser 10 cm).
Auf der Stelle, wo der Friedhof sich befunden, kamen auch hin wieder ge-
brannte Thonstücke zum Vorschein.
Nach Allem erscheint es in hohem Grade wahrscheinlich, dass Friedhof und
Burgwall in Beziehung zu einander zu bringen sind. —
(24) Hr. M. Bartels zeigt drei photographische Aufnahmen des Marktes in
Lyck (Masuren), die sein Bruder, Oberst Bartels (Lyck) übersendet hat. Die-
selben sind als Geschenk für das Museum für deutsche Volkstrachten u. s. w. be-
stimmt —
(25) Hr. M. Bartels legt einige photographische Aufnahmen von Dayaken
aus West-Bomeo vor, welche er von Hm. Capitän Schulze (Batavia) käuflich er-
worben hat. —
I
(176)
(26) Von Hm- Dr. W. Wenge in Wilmersdorf wird das erste Heft einer
neuen Zeitschrift übersendet, welche von ihm herausgegeben wird. Sie heisst
„Zeitschrift für Criminal -Anthropologie, Gefängniss -Wissenschaft
und Prostitutionswesen". —
(27) Hr. Th. Voges berichtet aus Wolfenbüttel, 21. April, über eine
Doppelaxt aus Kupfer von Börssum.
Wird in den „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde^ 1897, Nr. 3, rer-
öffentlicht —
(28) Hr. Li SS au er spricht über
*
gewellte*) Bronze-Urnen.
In den Verhandlungen der Gesellschaft vom 16. Januar, S. 36, hat Hr.
Director Anger in Oraudenz über die Bronze-Üme von Topolno, Kreis Seh wetz,
eine Mittheilung TeröflTentlicht, in welcher er diese mit einer ähnlichen Urne Ton
Münsterwalde, Kreis Marien werder, vergleicht, die der Vortragende im Jahre 1874
in den Schriften der Naturf. Oesellsch. zu Danzig III, 3, beschrieben hat. Seit jener
Zeit ist die Zahl dieser immerhin seltenen Bronzegefässe auf etwa 25 gestiegen.
Es handelt sich stets um kleine Kessel ans dünnem Bronzeblech, mit wenig oder
gar nicht eingezogenem Halse, deren Wandungen durch getriebene verticale Wellen-
linien von innen heraus verziert sind, während der dickere Boden concentrische
Kreise zeigt, die auf der Drehbank abgedreht sind; die vollständigen Exemplare
besitzen sämmtlich Bügel, die unvollständigen zeigen meistens noch Löthstellen
auf dem oberen Rande, an welchen die durchlochten Lappen zum Einhängen der
Bügel befestigt waren.
Trotz der bedeutenden Vermehrung der bekannt gewordenen Gefösse dieser
Art ist das Fnndgebiet doch dasselbe geblieben, wie früher. Es entfallen nehmlich
15 auf Dänemark'), 2 auf Schweden'), 3 auf Norwegen^) und 5 auf Nord-Deutsch-
land; von diesen letzteren wurden eines in Böen a. d. Haase in Oldenburg^), 2 in
Zerbst und 2 an der tmteren Weichsel in Münsterwalde und Topolno, wie schon
erwähnt, geftinden. Südlicher sind bisher keine solchen Geftisse bekannt ge-
worden.
Die beiden in Zerbst gefundenen sind im Besitz des Königl. Museums fClr
Völkerkimde zu Berlin (U, 4248 und 4249), doch ist die nähere Fundgeschichte
nicht bekannt. Sie sind im Wesentlichen einander und den übrigen Gelassen
dieser Art gleich und unterscheiden sich nur durch die Grössenveriiältnisse, wie die
folgende Zusammenstellung lehrt*). In der einen derselben konnten an der am
Boden angetrockneten Erde noch deutliche Reste von gebrannten Knochen nach-
1) Ich wähle diese Bezeichnung, um jede Yerwechselung mit den gerippten CisUn
ansiuschliessen.
2) Sophos Müller, Ordning af Danmarks Oldsager, Kjebenhavn 1888—95. II. Nr. 188.
8) Bruzelius im K. Akad. Minadsblad. Stockholm 1874. S. 27.
4) Undset in Aarb. f. nord. Oldk. 1880. 8. 188.
5) Bericht über die Thätigkeit des Oldenbnrger Landesrereins für Alterthnmskmide,
Oldenburg 1875. 8. 18.
6) Die nachstehende Zeichnung, welche von Hrn. Brunn er freundlichst angefertigt
und mit gütiger Erlaabniss des Hm. Director Voss hier zum ersten Male verftffentliehi
wird, stellt die eine derselben vor.
(177)
gewiesen werden, — auch, sind noch schwache Sparen von Löthstellen auf dem
oberen Bande zu erkennen.
Urne von Zerbst.
Die Form aller dieser Gefasse weicht im Allgemeinen wenig von der obigen
ab. Nor die Urne von Böen im Museum zu Oldenburg zeigt einen stärker ein-
gezogenen Hals und ebenso, wie die von Oremolla in Stockholm '), bedeutend breitere
Wellenlinien, als die anderen; die letzte unterscheidet sich ferner dadurch von
allen übrigen, dass sie keinen Bügel, sondern 2 Tragringe hat, welche unter der
Oberkante angelöthet sind und im herabhängenden ruhenden Zustande eine runde
Scheibe mit einer rohen Menschenmaske umrahmen, welche ebenfalls an der Ge-
(asswand befestigt ist. Diese Tragringe sind an der äusseren Peripherie gewunden,
ebenso wie der Bügel an der Oldenburger, an der Graudenzer von Topolno und an
einigen Urnen im Museum zu Kopenhagen; doch kommen auch glatte Bügel vor.
Der Bügel an der Oldenburger Urne zeichnet sich femer durch eine grössere
Dicke aus, als sie an den grösseren, mehr kelchförmigen römischen Bronze-Gefässen
gewöhnlich ist; derselbe endet femer an beiden Seiten in vogelkopfahnliche Ge-
stalten, wie dies auch an einigen der Ropenhagener Urnen der Fall ist. Die meisten
enden jedoch spitz.
Was femer die getriebenen Wellenlinien, das charakteristische Merkmal dieser
Gefasse betrifft, so werden sie oben gewöhnlich von mehreren Kreislinien begrenzt,
welche unterhalb eines ringförmigen Wulstes um den kiirzen Hals gezogen sind.
Bei dem Oldenburger Gefäss, an welchem der Wulst und die Kreislinien fehlen,
beginnen sie direct unter dem breit umgelegten Rande; bei dem Gefasse von
Topolno verlaufen jene Grenzkreise über die Wellenlinien hinweg, da diese offenbar
aus Versehen zu hoch angefangen wurden. Dagegen zeigen die Gefasse von
Zerbst unter den Kreislinien und die von Yalleby in Kopenhagen nahe unter dem
Wulst selbst einen zickzackförmigen Saum, der die Wellenlinien oben begrenzt —
Das untere Ende derselben und der Fuss bieten, . wie es scheint, keine Verschieden-
heiten dar. —
1) Bruzelius 1. c. und Montelius, Sveuska Fornsaker. Stockholm 1872. Nr. B73.
V«rbaudl. der Berl. Aothropol. GeielUcbaft 1897. 12
(178)
Ueber die Grössen Verhältnisse giebt die folgende Zasammenstellung eine lieber-
sieht, soweit diese bisher zu erreichen ist
Fundort
Münster- To-
walde polno
Zerbst I Zerbst II Böen VaUoby ÖremoUa' b^«)
Höhe cm
Durchmesser der
oberen Oeffnung „
Durchmesser der
grössten Breite „
Durchmesser des
Bodens » , » , „
18,5
19,6
20,6
9,ö
17,5
25,7
16,3 26,8') , 20
26,3 ; 25,8
26,5 27,5 27,7
14,0
29
85
18,0 18,6 I 17
11,6«) 28,5
20,0«)
20,0«)
11,2«)
18,0
28,7 I 21,0
80,6«) i 27,6
11,0
12,3
Die meisten dieser gewellten Bronze-Ümen sind, soweit deren Fundgeschichte
bekannt ist, als wirkliche Aschengefässe zur Aufnahme des Leichenbriandes benutzt
worden, obwohl kein Zweifel darüber obwalten kann, dass sie ursprünglich zu
häuslichen Zwecken angeschafft worden sind. Doch kommen sie auch als Bei-
gaben in Skeletgräbem vor, wie in Nordrup*), wo eine gewellte Urne zu Raupten
des Skelets stand, oder in Yalleby ^), wo zwei solcher Gefässe zu Füssen der Leiche,
geftillt mit Vogelknochen, angetroffen wurden; das eine dieser letzteren zeigte aussen
auf dem Boden eine unleserliche Inschrift, wenigstens vermochte Engelhard t nicht
zu entscheiden, ob es lateinische Buchstaben oder Runenzeichen sind.
Was endlich die Sjeitstellung dieser Urnen betrifft, so gehören dieselben ihrer
Technik nach in Uebereinstimmung mit den darin gefundenen Beigaben der so-
genannten Völkerwanderungs-Periode, 200 — 400 nach Chr.*), an, der Zeit, in
welcher der Import von fabrikmässig hergestellten Waaren aus den römischen
Grenzprovinzen oach dem Norden am meisten blühte. Die edlen Formen der vor-
hergehenden Periode sind um diese Zeit schon verloren gegangen^; statt des
schweren Metalls findet sich dünnes Blech, statt des künstlerisch gestalteten
Gefäss-Henkels ein einfacher Bügel, statt der soliden Mundkante der GefUsse
ein dünner Rand, statt der tief eingedrehten Kreise am Boden seichte Kreislinien, —
mit einem Worte: statt des Kunst-Handwerks Fabrik-Arbeit Gerade im unteren
Weichsel-Gebiet tritt dieser Gegensatz der Perioden scharf hervor. Das Danziger
Museum besitzt aus einer Kiesgrube bei Rondsen, Kr. Graudenz, einen römischen Fund
der älteren Zeit^): ein kannenförmiges Bronze-Gefäss mit kleeblattförmiger Mund-
Öffnung, mit einem schön ciselirten, aus geflochtenen Weinreben gebildeten Henkel,
welcher oben und unten in einen bärtigen Männerkopf endet; femer ein zweites
casserollenartiges Bronze-Gefäss, dessen cannelirter Griff in einen Widderkopf
1) Dieses Gefäss ist stark verdrfickt
2) Auf der Zeichnung gemessen. — Sophus Müller giebt für den grössten Durch-
messer überhaupt 17—27 cm an.
8) Im Museum zu Christiania: die Maasse sind nach der Abbildung in Rjgh, Norske
Oldsager, Christiania 1885, Nr. 351, genommen.
4) Sophus Müller, Vor Oldtid. Kjebenhavn 1897. 8.522.
5) Engelhardt, Aarbeger f. nord. Oldk. 1873. 8. 285 ff., Fig. 10 und 10a.
6) nach Montelius Eisenalter, Periode Y.
7) VergL hierüber Sophus Müller: Vor Oldtid. 8. 504.
S) Lissauer, Die pr&histor. Denkmiler der ProYini Westpreussen. L«ipiig 1887.
8. 147, Tafel IV, Fig. 22 und 25.
(179)
•endet; dazu Fibeln mit oberer Sehne n. a. m. Man Tei^leiohe nur a. a. O. Tafel IV
die Henkelkanne (Fig. 22) mit der gewellten Urne darunter (Fig. 25), um den ganzen
Unterschied der Zeiten sofort zu überschauen!
Aber nicht nur die technische Arbeit, — auch die Form der einzelnen Stücke
ist eine andere geworden. Die Casserollen aus Bronze, welche früher eine ge-
wölbte Form und breite Griffe, oft mit Fabrik-Stempel, hatten, zeigen jetzt gerade
Seitenwände und schmälere, aber lange Griffe mit zwei hakenförmigen Absätzen;
statt der Fibeln mit oberer Sehne treten die verschiedenen Formen der Armbmst-
. Fibeln auf: zuerst die mit ^ hohem Nadelhalter ^, mit „dreikantigem Nadelhalter^,
mit „umgeschlagenem Fuss^ — Tischler's Periode C von 150 — 250 — , später
^Zwei- und Dreirollen-Fibeln'', „grossköpfige Fibeln^, Armbrust-Sprossen-Fibeln'^
u. a- m. — Tischler's Perioden D— E 250—400 nach Chr.
An der Hand dieser wohlbegründeten Thatsachen wird es weiterhin möglich,
die Zeitstellung der gewellten Bronze -Urnen innerhalb der Völkerwanderungs-
Periode etwas genauer zu bestimmen.
In der Urne von Münsterwalde lag ein Rnopfspom aus Bronze von der
gleichen Form, welche ein in Vimose gefundener aus Eisen zeigt'). Nun wird
zwar der Vimoser Moorfund sehr verschieden datirt. Während ündset^) den-
selben als einen der jüngsten unter den 4 grösseren Mooritinden um das Jahr 400
nach Chr. datirt, setzt ihn Montelius') als den ältesten in das 3. Jahrhundert;
ebenso setzt Tischler^) den Münsterwalder Rnopfspom sammt der gewellten Urne
in seine Periode C, — also jedenfalls nicht später, als in das 3. Jahrhundert Für
diese letztere Bestimmung spricht auch der Fund eines Denars der Faustina jun.
im Vimoser Moor, obwohl eine einzige Münze nicht entscheidend ist.
Zwei ganz gleiche Sporen aus Bronze sind nun auch in der Bronze-Urne von
Brunsberg, Norwegen^), gefunden worden, zusammen mit verschiedenen Waffen
und einer Armbrust-Fibel mit „hohem Nadelhalter'', welche auch Sophus Müller^
als seine vierte Form der Völkerwanderungs-Periode zuschreibt, d. i. dem dritten
und vierten Jahrhundert Dieselbe Fibelform tritt aber auch in dem Skeletgrabe
von Valleby, Seeland auf^, zusammen mit zwei gewellten Bronze-Urnen, einem
Bronze-Gefäss der älteren und einer Bronze-Casserolle der jüngeren Form mit
geraden Wänden und zwei hakenförmigen Absätzen an dem langen Griff, so dass
Sophus Müller diesen Fund in die Uebergangszeit von der „römischen" zur
„Völkerwanderungs-Periode" setzt, welche also vom Ende des 2. bis in den An-
fang des 3. Jahrhunderts gerechnet werden muss. Dasselbe ist der Fall bei den
gewellten Bronze-Urnen von Eilerup, Fünen, wo gleichfalls eine Gasserolle mit
Sieb der jüngeren Form zusammen mit einem älteren Trinkhom aus Bronze ge-
funden worden, und von Gjerum, Jütland^), wo den Resten des Leichenbrandes
in der Urne auch eine ältere Goldbreloque beigegeben war.
Auch mit der Urne von Oreroolla in Schweden^) ist eine Casserolle und ein
Sieb der jüngeren Form nebst 2 Glas-Bechern mit eingeschliffenen Ovalen gefunden
1) Engelhardt, Njdam Mosefandet Kjobenhavn 1865. S. 54.
2) ündset. Das erste Auftreten des Eisens. Hamburg 1882. S. 469.
3) Montelius-Reinach, Les temps pröhistoriques en Suede. Paris 1895. 8. 170.
4) Olshansen, YerhandL der Berliner anthropoL Gesellschaft 1890. S. 199.
ö) Rygh, Norske Oldsager, Nr. 226.
6) Aarbeger f. nord. Oldk. 1874. S. 840.
7) Ebend. 1873. S. 285ff., Fig. 7, 8, 10 und 17.
8) Engelhardt, Ny dam Mosefundet. S. 57. Nr. 3.
9) Brnzelins 1. c.
12 •
(180)
worden; indessen haben diese GelUsse zwar den Griff der jüngeren, aber noch die
gerundete Wandung der älteren Zeit, so dass auch dieser Fund eher auf die Ueber*
gangszeit oder doch auf den Anfang der Vöikerwandemngs-Periode hinweist
Allerdings kennen wir aus Dänemark eine Reihe von Funden, wie von Nordrup,
Thorslunde, Gaardstedt^) u. a., in denen gewellte Bronze-Urnen nur mit Beigaben
der Yölkerwanderungs-Periode zusammen vorkommen; nirgends aber ist mit den-
selben ein Gegenstand gefunden worden, welcher auf den Schluss der Periode, auf
Tischler' s Periode D— E, hinweist
Soweit sich das aus dem bisher bekannten Material feststellen lässt, können
wir daher aus dieser Untersuchung den Schluss ziehen, dass die geweilten Bronze-
Urnen überhaupt dem 3. Jahrhundert nach Chr. angehören, und dass bisher keine
Thatsache bekannt geworden ist, welche beweisen könnte, dass sie in noch späterer
Zeit in Gebrauch waren. —
(29) flr. Olshausen spricht über
ein weiteres AusfüUungs-Material der vertieften Ornamente
an Thongeräth.
Wiederholt habe ich hier Zusammenstellungen aller der Stoffe vorgelegt, welche
mir als zur Ausfüllung der vertieften Ornamente an Thongeräth dienend bekannt
waren (diese Verh. 1895, S. 124 o. 464). Als scheinbar ganz neu konnte ich damals
Urnenharz hinzufügen, das ich an 2 steinzeitlichen Scherben, einem von der Insel
Amruro, Schleswig-Holstein, und einem zweiten von Wernsdorf, Rr. Beeskow-
Storkow, Keg.-Bez. Potsdam, festgestellt hatte. Seither habe ich gefunden, dass etwaa
Aehnliches schon früher mitgetheilt war. Undset erwähnt in seinem Werke „Das
erste Auftreten des Eisens in Nord-Europa'', Hamburg 1882, S. 243 — 44, Note 5,.
ein Urnenfragment von Staffel de, Kr. Randow i. Pommern, dessen vertiefte
Omamentlinien mit Muschelschalen ausgelegt sind, die in Reihen mittels Harz
befestigt sind. Siehe Günther und Voss, Photogr. Album d. Berliner prähist Aus-
stellung von 1880, III, Taf. 22, zwei Scherben, deren einer eine Thierfigur zeigt,
wie sie ganz ähnlich an Gesichtsumen und deren Verwandten vorkommen (vergl.
Undset, a. a. O. Taf. 14, 13 und Conwentz, Bildliche Darstellungen von Thieren
usw. an westpr. Gräberumen, in Schriften d. naturf. Ges. Danzig, N. F. 8, 3 [1894]
S. 191 ff. u. Taf. 3 u. 4). — Der Fund stammt aus einem Grabhügel und befindet
sich in der Stettiner Sammlung unter No. 1299. Herr Conservator A. Stuben-
rauch bestätigte mir nochmals die Richtigkeit der Beobachtung; die Reste der
Muschelschalen sind jetzt allerdings nur noch äusserst gering, früher müssen sie
aber z. Th. über die Umenflächcn und aus den Vertiefungen der Ornamente her-
vorgeragt haben.
Herr Stubenrauch konnte mir nun noch einen zweiten Fund dieser Art nach-
weisen. Ein Thongefäss aus einem grossen Depotfunde von Schwennens, Kr.
Randow, 2 — 3 Meilen von Staffeide, ist genau in derselben Weise verziert gewesen,
doch sind die Muschelschalen nun schon sämmtlich herausgefallen. Auch bezüg-
lich der Thonmasse, der Wandstärke, Farbe (schwarz) und Giättung gleicht das
Geföss den Scherben von Staffeide. Schumann, welcher dasselbe in diesen Ver-
handl. 1894, S. 435 ff. als Fig. 2 abbildet und die Verzierung sonst ausführlich
bespricht, erwähnt die Einlage g^ar nicht, und die Zeichnung erweckt den unrichtigen
Eindruck, als wenn die vertieften Linien des Ornaments nicht glatt eingeschnitten
1} Aarb«ger f. nord. Oldk. 1874. S. 372.
(181)
oder eingezogen, sondern dnrch Eindrücken von kleinen, dicht aneinandergereihten
Zellen erzeugt seien. Da aber Schumann selbst Ton „sorgfältig eingestrichenen^^
Wellenlinien redet, so sind vielleicht in der Zeichnung die Löcher im Harze wieder-
gegeben worden, in welchen die Muschelschalen sassen. Die Photographie der
Staffelder Scherben im Album macht einen ganz ähnlichen Eindruck. „Zellen'^ der
angedeuteten Art wtlrden auf die Steinzeit weisen; der ganze Fund gehört aber in
die jüngere Bronzezeit, Montelius' Periode 4 und 5. Ungefähr ebenso ist auch der
Scherben von Staffeide anzusetzen, dessen Thierzeichnung, wie bemerkt, auf die
Keramik der Oesichtsumen hindeutet Oesichtsumen selbst sind freilich so weit
westlich nicht angetroffen; ihr westlichster Fundort in Fonimem ist Mühlendorf
{MahlendorO, nördlich von Labes, Kr. Regenwalde. (Baltische Studien 17, 1 [1858]
S. 17; 33 [1883], S. 300; Emil Walter, Prähist. Funde in Pommern zwischen
Oder und Rega, Stettin 1889, No. 16 [Programm mit Fundkarte]). Etwas weiter
östlich folgt dann Kreitzig, Kreis und nördlich von Schivelbein (Bali Stud. 29,
118—20 und 305). Um die Zeit der Oesichtsumen wird es sich aber handeln,
mithin sind die Funde von Staffeide und Schwennenz beide viel jünger, als die
von Amrum und Wemsdorf. Die Rolle, welche das Harz in ihnen spielt, ist auch
eine etwas andere; an jenen steinzeitlichen Scherben trat es als selbständiges,
alleiniges Füllsel auf, bei den Randowem diente es wesentlich nur zur Befestigung
der Muschelschalen.
Diese Muschelschalen bieten nun noch ein weiteres Interesse. 0. Helm
hatte zuerst in Conwentz' 16. amtlichem Bericht über das westpreussische Pro-
vincialmuseum f. 1895, S. 34 u. 40, dann ausführlicher in den Schriften d. naturf.
Oes. in Danzig, N. F. 9, Heft 2 ri»96], die weisse Einlage in mehreren Oefässen
aus westpr. Steinkisten (der Oesichtsurnenzeit) wegen ihres sehr hohen Oehaltes
an Kalkphosphat als gebrannten Knochen ani^sprochen, worin ich ihm
schon am erstgenannten Orte beistimmte. Auch Hr. Tt Virchow hat neuerdings
Helmes Deutung für sehr wahrscheinlich erklärt (diese Verhandl. 1897, 36). Von
anderer Seite dagegen vrar mir die Yermuthung geäussert, es könne sich um phos-
phorsäurehaltige junge Ralkbildungen handeln, die aus Muschel- oder Schnecken-
schalen und dergleichen entstanden seien, um sog. Wiesenkalk. Solches Material
habe ich nie in Händen gehabt und Analysen desselben sind mir nicht bekannt;
aber nach Feststellung der Verwendung von Muschelschalen an 2 Gefässen in der
geschilderten Weise schien es mir doch nöthig, die Möglichkeit einer solchen Her-
kunft der von Helm beobachteten Masse zu prüfen an Hand der Analysen jener
Schalen. Leider steht mir hierzu im Augenblick nur J. E. Schlossberger's All-
gemeine Thierchemie Bd. 1 [Chemie der Gewebe], Lpz. 1856, zur Verfügung, wo
ich in dem Abschnitt: Mineralbestandtheile der Molluskenschalen, S. 208—12, fol-
gende Angaben finde: Spuren von Phosphorsäure scheinen in keiner Bival venschale
und in keinem Gastropodengehäuse zu fehlen; dem entsprechend ist auch Phosphor-
säure in allen Versteinerungen führenden Kalken enthalten. Calciumcarbonat
tiberwiegt aber mit Ausnahme eines, wohl etwas verdächtigen Falles (Schale der
Zungenmuschel, Lingula, mit 85,79 Phosphat in 100 Asche) stets bei weitem das
Phosphat, während es bei den Knochen umgekehrt ist (85 Phospat). Insbesondere
enthält in lOOTheilen die innere Schale der gemeinen Sepia (Sepia officinalis) nur
Spuren von Phosphorsäure; die Asche der Enten- oder Teichmuschel (Xnodonta)
0,55 Phosphat, 99,45 Carbonat; die j^meine Auster (un^eglüht) 1,2 auf 98,1 Car-
bonat; die Asche des Deckels der Weinbergschnecke (Helix pomatia) 5,73 Phosphat,
94,24 Carbonat. — Erheblich mehr Phosphat enthalten allerdings die Crustaceen-
panzer (S. 215—21), so in 100 Asche: die Scheeren des Hummers 12,06; der
(182)
Brustpanzer des Flusskrebses 13,17; der F. des kleinen Krebses ^Pinnenwächter*^
(Sqnllla) 47,52, alle 3 nach einem und demselben Analytiker.
Die genannten Substanzen würden demnach wohl zur Erklärung eines niederen
und selbst mittleren Gehalts an Phosphorsäure in den Umeneinlagen dienen können,
. aber nicht zur Erklärung des fast reinen Phosphats, es sei denn, dass in Kalken,
gebildet aus jenen Schalen, Gehäusen und Panzern, eine Anreicherung an Phosphor-
säure stattfände, etwa durch vorzugsweises Auslaugen des Carbonats durch die Kohlen«
säure führenden Tagewässer.
Auch ein anderes Naturproduct, das sich durch seine blendende Weisse gleich«
sam aufdrängt, die Eierschale, kommt hier wenig in Betracht. Denn es ent-
hält nach S..224 die Hühnereiechale, laut Angabe zweier verschiedener Analy-
tiker, auch nur 5,7 oder gar nur 1,0 pCt Calcium- und Magnesiumphosphat
Ich halte daher, wo das Füllsel wesentlich Kalkphosphat ist, an Helmes
Deutung fest, bemerke jedoch, dass das scheinbar Yöllige oder doch fast völlige
Fehlen der Kohlensäure in der Ausfüllmasse, bei einem Gehalt von etwa 12 pCt.
Garbonat in der Knochenasche, wohl stets auf die Schwierigkeit der Beobachtung
zu schieben ist, die schon Helm selbst in Schriften N. F. 9,2, S. 5, No. 3 berührte.
Es empfiehlt sich, das zu prüfende trockene Pröbchen auf einem Uhrglase mög-
lichst beisammen zu halten, dann mittels eines Glasstabes einen einzigen
Tropfen Säure daran zu bringen. Jede Vergrösserung der Flüssigkeitsmenge be-
wirkt eine verstärkte Absorption der ausgeschiedenen Kohlensäure bis zum völligen
Unterbleiben einer Entwickelung von Gasblasen, die ja hier das alleinige Kenn-
zeichen für das Vorhandensein von Kohlensäure ist
Nimmt man nun allgemein an, dass die überwiegend Kalkphosphat enthaltenden
weissen Füllsel Knochenasche seien, so entsteht die Frage, ob es sich um thierische
oder menschliche Knochen handelt Es würden ja Thierknochen, in ein Heerdfeuer
gerathen, vollständig durchgebrannt und so für den fraglichen Zweck dienlich ge-
worden sein können. Näher liegt jedoch der Gedanke, dass die Anregung zur
Verwendung von Knochenasche bei Verzierung der Grabgelasse in Vorgängen des
Begräbnisses selbst gelegen habe, d. h. im Leichenbrande, und man demnach auch
die Asche menschlicher Gebeine benutzte. Dann würde sich aber diese Verwendung
auf die Zeit nach dem ersten Auftreten des Leichenbrandes beschränken,
also für die Steinzeit im Allgemeinen ausgeschlossen bleiben müssen, auch in späterer
2jeit schwerlich bei Körperbestattung zu finden sein, vielmehr nur in Brandgräbem
vorkommen. Unter diesem Gesichtspunkte gewinnt Helm's Beobachtung an einem
Scherben vom Lorenzbei^ bei Kaldus, Kr. Kulm, Westpr., erhöhte Bedeutung.
Der Scherben, nach Conwentz* brieflicher Mittheilung Einzelfund, ist ein stein-
zeitlicher (Amtlicher Bericht f. 1895, S. 34), seine Einlage enthält aber Phosphor-
säure in nicht geringer Menge. Allerdings fand sich auch in der Masse des
Scherbens selbst Phosphorsäure, wenn auch nur sehr wenig. Will man aber trotz-
dem annehmen, die Einlage sei Knochenasche, worüber sich Helm vorsichtiger-
weise nicht ausspricht, so bleibt nur die Wahl, an Thierknochen zu denken, oder
einen der wenigen Fülle von steinzeitlichem Leichenbrand, die, wie wir wissen,
bei uns zu Lande vorgekonmien sind, vorauszusetzen. So kennt man aus dem
hier besonders in Betracht kommenden nordöstl. Deutschland einen sicheren Fund
der Art v^ Warnitz, Kr. Königsberg i. Neumark, und einen andern von Lieben-
thal, Kr. und SO von Marienburg, Westpr. (Siehe meine Arbeit über Leichen-
verbrennung, diese Verhandl. 1892, 141fr. und A. Götze, Die Vorgeschichte der
Neumark, Würzburg 1897, S. 16 — 17, aus Schriften des Vereins f. d. (beschichte
der Neumark, Heft 5, Landsberg a. W.). Kaldus würde sich gut zwischen jene
(183)
beiden Orte einfügen. Neolithische Scherben von dort, deren einer ebenfalls weiss
ausgelegt gewesen zu sein scheint, besitzt auch das K. Mus. f. Völkerkunde Berlin
(Xo. I b, 205 b). Die Auffindung weiterer steinzeitlicher .Brandgräber in Deutsch-
land würde man um so eher erwarten dürfen, wenn sich die Beobachtungen Je-
linek's und y. Weinzierl's bestätigen sollten, nach denen auch in Böhmen an
yerschiedenen Orten solche zum Vorschein gekommen sind, entsprechend meinet*,
^Leichenverbrennung^ S. 157 — 58 ausgesprochenen, Vermuthung. (Mittheilungen
der anthrop. Ges. Wien, 1891, S. 1—2; 1894,8. 144 ff., namentlich 149—51; 1895,
S. 29 ff., besonders S. 40—43, und S. 192—93. — Zeitschr. f. Ethnol. 1894, 102;
1895, 53 u. 67; 1897, Verhandl. S. 42-43. — Prähistorische Blätter, München,
1895, S. 42). Man beachte indess die flinwendungen M. Much^s, Wiener Mitth.
1895, S. 29, Note. —
(30) Hr. A. Götze spricht unter Vorlage erläuternder Fundstücke aus der
Schliemann-Sammlung über
Technisches aus Troja.
Den Vorgang bei der Bearbeitung der Steing er äthe kann man genau ver-
folgen, da solche in allen Stadien der Bearbeitung vorhanden sind.
Für die Kenntniss der Töpferei ist eine im Jahre 1894 aufgedeckte Anls^e
der VI.— VII. Schicht von Wichtigkeit.
Von metallurgischen Geräthen sind Schmelztiegel, Gusstrichter und Gussformen
vorhanden, und zwar die letzteren in drei Arten : eintheilige und zweitheilige Formen,
sowie — bis jetzt ein ünicum — eine verlorene Form.
So viel nur kurz über den Inhalt des Vortrages, welcher demnächst in er-
weiterter Gestalt in dem Berichte über die Resultate der Ausgrabungen in Troja
aus den Jahren 1890 — 94 veröffentlicht werden wird. —
(31) Herr G. Fritsch spricht über
RaphaeFs Adam und Eva im Original und Kupferstich.
Als ich im vorigen Winter über die graphischen Methoden zur Darstellung
der Verhältnisse des menschlichen Körpers sprach und das Vorgetragene an Pro-
jectionsbildern erläuterte, führte ich auch ein Bild vor, welches der Proportions-
lehre von Zeising entnommen war und vom Autor kurz als „Raphaels Eva^
bezeichnet wurde, ohne dass sich eine weitere Angabe über die Herkunft des zu
Grunde liegenden Originals dabei findet. Ich wählte es damals, weil sich an der
Figur gleichzeitig eine Anwendung des goldenen Schnittes, auf dieselbe bezogen, fand.
Die später angestellten Versuche, über die Herkunft des Originals, sowie über
seine Beschaffenheit nähere Aufschlüsse zu erlangen, schlugen fehl, da die Raphael-
Werke das Bild nicht enthalten, und es bleibt nur die Vermuthung übrig, dass
Zeising einen angeblich in der Albertina zu Wien oder in Dresden befindlichen
Entwurf Raphaels seiner Zeichnung, die im Holzschnitt wiedergegeben wurde, zu
Grunde gelegt hat. Die Nachforschungen hatten aber ein anderes bemerkens-
werthes Resultat durch die Vergleichungen der verschiedenen Darstellungen, in
welchen ^Raphaels Eva^ erscheint, und dürften wohl von einem allgemeinen Stand-
punkt einiges Interesse verdienen.
Raphael's berühmtes Bild „Adam und Eva im Paradies*' befindet sich bekannt-
lich zu Rom im Vatican, wo es in der „Sala della segnatura^ ein etwas schräg
(184)
gegen die gewölbte Decke anstrebendes Feld an der Seite des Fensters einnimmt.
Es ist kein sogenanntes „Zwickelbild^, wie sie die schnell nach oben rerbreiterten
Felder zwischen den Garten gewölbter Bogen einnehmen, sondern die leichte
Wölbung der Ansteigimg bewirkt nur eine geringe Ansbiegung des umgebenden
Rahmens; die Verhältnisszahl der Höhe zur Breite ist 1,29. Als Beispiel eines
richtigen, ebenfalls von Raphael herrührenden Zwickelbildes mag- hier die Venns-
gruppe aus dem ^Leben der Psyche^ folgen. Wir sehen auf demselben, dass auch
bei Kaphael das weibliche Schönheitsideal doch einen recht soliden Charakter
hatte, der fast an Formen des Rubens erinnert Man möchte die arme Psyche
bedauern, dass sie sich den Groll einer so stattlich veranlagten Dame zugezogen
hatte; denn eine richtige Ohrfeige aus derartig begabtem Handgelenk muss eine
recht üble Sache gewesen sein.
Die Vorführung dieser RaphaeFschen Venusfigur schien mir nun deswegen
hier angezeigt, weil sie sich durch besonders normale Verhältnisse der Glieder
auszeichnet und darin von der sogleich zu besprechenden Eva erheblich abweicht;
die Beine haben bei ihr ein Verhältniss zum Körper, wie es in der Natur bei un-
seren Rassen als das am meisten verbreitete vorkommt, und nicht die erstaunliche
Länge anderer menschlicher Figuren derselben Zeit Diese mächtige Entwicklung
der unteren Rörperhälfte zeichnet auch RaphaeFs Eva aus, wie es sich schon aus der
bei Zeising aufgenommeneu Figur ergiebt und seiner Zeit von mir betont wurde.
Da die Abbildung immer noch einen etwas apokryphen Charakter trägt, so war auf .
die Beobachtung nicht viel zu geben, sondern es musste erst festgestellt werden,
wie weit sie dem Original entspricht und ob sie überhaupt mit demselben etwas
zu thun hat Das Ergebniss schon dieser Vergleichung spricht für die Vermuthung,
dass es sich thatsächlich um einen Entwurf des Meisters zu dem Original auf dem
Frescobilde handelt; er ist, um ein bekanntes Scherzwort zu gebrauchen, „ebenso,
aber anders^. Die Haltung des Oberkörpers wurde beibehalten, der erhobene linke
Arm legt sich um den Ast eines Baumes, an dem auch der obligate Schlangen-
schwanz nicht fehlt, aber damit ist die Uebereinstimmung wesentlich zu Ende.
Bekanntlich existiren zu einer ganzen Reihe raphaelischer Bilder, besonders
seiner Madonnen, sehr bemerkenswerthe Entwürfe des Malers, an denen man sieht
wie sich die Figuren in seiner Phantasie erst allmählich sicher und bestimmt aus-
gestaltet haben und manche uncorrecte Linie des meist nackt entworfenen Körpers,
der erst dann mit der Gewandung bekleidet wurde, stehen blieb. Auch im vor-
liegenden Falle kann man, unter der Voraussetzung, dass die Abbildung nicht von
Zeising entstellt wurde, Besonderheiten der Zeichnung sehen, welche uncorrect
wirken und von denjenigen Beschauem, die eine ausgesprochene Leidenschaft haben,
Verzeichnungen aufzudecken, als solche angesprochen werden sollten. Ich freue
mich hier wiederum zu betonen, dass ich mich nicht zu dieser Klasse von Be-
schauem rechne, mich nie über Verzeichnungen aufrege, weil ich die so vielfach
unterschätzte Schwierigkeit der Beurtheilung von solchen kenne und daher auch hier
nur Besonderheiten der Darstellung bespreche. Aus irgend einem, vielleicht ganz zu-
fälligem Grande hat der Künstler beim Erheben des linken Armes die Brost der
entsprechenden Seite nicht folgen lassen und so einen anscheinenden Fehler in die
Figur gebracht.
Wir können in diesem Falle Raphael durch Raphael controliren, indem wir
das Frescobild selbst zu Rathe ziehen, von dem glücklicher Weise eine recht gute
Photographie existirt. Freilich zeigt sich, dass der Zahn der Zeit an dem Bilde
nicht unbeträchtlich genagt hat, aber die Gesammtwirkung, besonders der Evaflgur,
(185)
ist doch recht gat erhalten; störend wirkt Tomehmlich nur das grob heraustretende
Mosaik des hellen Hintergrundes, auf dem die Farben al fresco aufgesetzt sind.
Hier erscheint die Stellung der Brüste in gebührender Uebereinstimmung mit der-
jenigen der Schultern und des erhobenen linken Armes, aber die untere Körper-
hälAe ist ebenfalls auffallend mächtig und lang.
Dabei zeigt die Figur eine Besonderheit, welche mir sofort aufftel, da sie auch
beim üppig entwickelten Körper der erwachsenen Frau nicht vorzukommen pflegt:
der linke, etwas vorgestreckte Unterschenkel setzt sich gegen das Fussblatt durch
eine quere Doppelfalte ab, wie sie fettleibigen Kindern in den ersten Lebensjahren
sehr häufig zukommt. Ohne dass ich dieses Merkmal besonders schön finden
konnte, lag es mir doch fern, Raphael zu kritisiren, ihn eines Fehlers zu zeihen,
sondern ich tröstete mich in dem Gedanken, dass der Künstler wohl seine triftigen
Gründe dabei gehabt haben mochte.
Die Yermuthung lag nahe, dass Veränderungen des Originals in der Zeit oder
durch spätere Uebermalung den störenden Eindruck veranlasst haben könnten, und
ich wurde so darauf geführt, die von dem Bilde vorhandenen Stiche eingehend
zu vergleichen. Das Ergebniss dieser Untersuchungen war im höchsten Maasse
überraschend und drängt unvermeidlich zu weiteren Schlüssen von allgemeiner
Bedeutung, da in der Literatur solche Vergleichungen nur selten angestellt zu sein
scheinen. Man könnte mit dürren Worten sagen : die Kupferstecher haben das
Bild überhaupt nicht wiedergegeben, wenn man sich auf RiehTs^) be-
hcrzigenswerthen Ausspruch stützt, dass der Kupferstecher zwar berechtigt sei, den
Ktlnstler zu interpretiren, aber nicht als ^absichtlicher Verbesserer".
Die Eigenthümlichkeit der Technik, die besondere Vortragsweise des Kupfer-
stechers nöthigt ihn, sich mancherlei Freiheiten in der Behandlnngsweise des Gegen-
standes zu gestatten, und als freier Künstler wird er sich wohl auch gelegentliche
unwesentlichere Abweichungen gestatten dürfen: „nur dass die Kunst gefällig sei,^
wie Goethe's Faust sich ausdrückt
Ueber diese Grenze hinaus sollte er dagegen logischer Weise nicht gehen;
denn wenn ein Kupferstecher sich aus freier Entschliessung an die Wieder-
gabe eines classischen Bildes durch den Stich heranwagt und damit eine jahrelange
mühevolle Arbeit unternimmt, so sollte man doch meinen, dass er eine gewisse
Andacht für das Original mitbringt und so verhindert wird, muthwillige Ver-
besserungen daran vorzunehmen.
Eine solche Anschauung über die Kupferstecher ist im gebildeten Laienpublicum
auch sehr allgemein verbreitet, und ich selbst huldigte noch bis vor kurzer Zeit
dieser Meinung, bis ich sie als irrig erkannte und zu dem leider unerlässlichen
Spruch wort zurückkehren musste, welches ich nunmehr auch auf diesem Gebiet
weiter empfehlen möchte, nämlich: „Trau, schau, wem!*^
An der Hand des vorliegenden Materials lässt sich der Beweis leicht führen,
dass die Nachbildner gleichzeitig als Kritiker aufgetreten sind und entgegen dem
oben ausgesprochenen Grundsatz als absichtliche Verbesserer gearbeitet haben.
Dabei handelt es sich nun keineswegs um Kleinigkeiten, wie eine feindselige
Richtung unter den Kritikern alsbald achselzuckend vermuthen dürfte, sondern um
1) „Der wahrhaft geniale Kupferstecher copirt eben nicht bloss, er interpretirt zugleich,
aber er soll nicht interpretiren als ein absichtlicher Verbesserer, wie initnnter Edlinck
gethan, auch nicht als ein Professor, der umschreibt, sondern als der selbstentsagende
Künstler, welcher dem veränderten Material entsprechend umbildet und das Original im
Spiegelbild seines ehrlichen Verständnisses wiedergiebt" (Ri ehl, Culturhistor. Studien S. 229).
(186)
Grössen Verhältnisse, welche man im gewöhnlichen Leben scherzweise als ein
^Zimmermannshaar^ zu bezeichnen pflegt.
Es sollen hier die Reproductionen von drei verschiedenen Stichen voi^legt
werden^ nämlich von dem berühmten deutschen Kupferstecher Müller, von dem
Italiener Gar elii und von dem Franzosen Richomme, wodurch die Yergleichung
einen etwas internationalen Beigeschmack erhält; leider war mir der älteste Stich
von Marcanton, der zu Baphaers Zeiten selbst angefertigt wurde, nicht zugänglich.
Ich würde dies noch mehr bedauern, wenn nicht feststünde, dass der Maler für
den Stich sein Werk nochmals gezeichnet hätte, und so etwaige Abweichungen der
Vorlage von dem ersten Original des Bildes vorhanden gewesen sein mögen.
Solche Abweichungen sind durchaus nicht unwahrscheinlich, weil Raphaei
selbst seinen Darstellungen einen heiligen Ernst entgegenbrachte; seine wechseln-
den Entwürfe zu den Bildern lehren, wie schwer er mit seinen eigenen Leistungen
zufrieden zu stellen war. So existirt ausser einer berühmten Federzeichnung des
Adam, welche sich in der Oxford-Sammlung befindet, ein Studienblatt RaphaeFs im
Louvre, auf dem dieser Adam vom Künstler fünfmal in verschiedener, besonders die
Beine betreffender Haltung entworfen wurde. Von einer derartig mühsam ge-
troffenen Entscheidung sollte dann der Kupferstecher doch auch nicht abgehen.
Aber nicht auf den Adam allein beziehen sich die beabsichtigten Verbesserungen,
sondern auch auf die Eva im Ganzen und in Einzelheiten, auf die Auffassung der
Schlange mit dem Weiberkopf, die Wiedergabe des Terrains bis hinauf zu dem
Format des Bildes selbst
Das längliche Eckfeld des raphaelischen Bildes ist von keinem der genannten
Kupferstecher auch nur annähernd wiedergegeben worden. Berechnet man
die Verhältnisszahlen der Höhe zur Breite bei den verschiedenen Stichen, so er-
giebt sich, dass, während die Zahl beim Original 1,29 beträgt, sie bqi
Richomme schon auf 1,21 sinkt, bei Garelli auf 1,16 und bei Müller bis
zu 1,12 herabgeht. So ist bei dem deutschen Kupferstecher aus dem länglichen
Eckfelde ein beinahe quadratisches Bild geworden.
Da der gewonnene Raum in der Breite doch ausgefüllt werden musste, so
wurden die Figuren entsprechend in die Breite gedehnt und haben sich dies Pro-
crustesbett ruhig gefallen lassen müssen, während der Bewunderer des Originals
wohl berechtigt ist, Zeter zu schreien.
Wählt man die Grösse der photographischen Wiedergabe nach der Höhe, so
geht das Bild nach Müller nicht in denselben Rahmen und es wird von den seit-
lichen Gliedern (Eva^s linkem Arm und Adam's rechtem Fuss) ein Stück ab-
geschnitten; zieht man dagegen vor, die Breite festzuhalten, so bleibt oben und
unten noch genug Raum übrig, um auch die äusserst sinnige Beigabe, die der philo-
sophisch angehauchte Kupferstecher zugegeben hat, geniessen zu können. Ich be-
dauere, dass der betreffende Sinnspruch nicht höflicher für die Damen ausgefallen
ist, er lautet: r»^ <^s in grauer Vorzeit sich begeben, noch täglich sehen wir's im
Leben."^ Diese billige Philosophie muthet uns um so sonderbarer an, wenn man
bedenkt, dass Raphaei in seiner genialen Ausschmückung der Stanza della Segna-
tura den Sündenfall gleichsam als illustrative Beigabe zu der darüber schwebenden
allegorischen Figur der Theologie angebracht hat.
Der in die Breite jret^angene Adam ist erheblich massiver geworden und liegt
mehr vornüber, die Eva hält ihre Arme in einer mehr der Horizontalen genäherten
Lage. Im Uebri^n ist Müller dem Original treuer geblieben; er hat die eigen-
thümliche Falte über dem Fussrücken der Eva. welche mich eigentlich auf die
Vergleichung brachte, zwar gemildert, aber doch deutlich gekennzeichnet; das
(187)
Terrain ist in wesentlicher Uebereinstiramong mit dem Raphaerscben Bilde. Völlig-
yerfehlt ist dagegen der weibliche Kopf der Schlange, deren freundliches Lächeln
dem anmuthigen Liebreiz der Eva nur Abbruch thun kann, während das Original
trotz seines Alters den dämonischen Ausdruck und das cynische Grinsen des
Schlangen weibes noch wohl erkennen lässt. '
Der Italiener Garelli, dessen Stich in der Gesammtwirkung einen etwas weich-
lichen, kraftlosen Eindruck hervorruft, ist den Verhältnissen des Urbildes erheblich
treuer geblieben; die seitlichen Verschiebungen sind geringer, aber er hat auch die
Falte des Fussrückens nur in der Andeutung belassen, die Schlange ebenfalls ver-
fehlt, das Terrain etwas frei behandelt, aber noch ähnlich, wie Eaphael, dar-
gestellt
Höchst merkwürdig ist nun aber die Vergleichung des Stiches, welchen uns
der Franzose Richomme, wie ausdrücklich darunter vermerkt, nach dem Vatica-
nischen Bilde, entworfen hat. Ersichtlich ist derselbe von dem Geschmack seiner
Zeit (1816) beeinflusst, aber ein Blick auf das Bild lehrt sofort, auf welch hoher
Stufe damals die Technik der Kupferstechkunst in Frankreich stand. Trotz der
unerhörten Freiheiten, die er sich in Einzelheiten erlaubt hat, ist doch bei ihm
allein etwas von der noch jetzt ersichtlichen wunderbaren Lichtwirkung und dem
prachtvollen Farbenglanz des raphaelischen Bildes zum unverkennbaren Ausdruck
gelangt; Richomme allein hat einigermaassen Glück gehabt mit der Wiedergabe
des dämonischen Grinsens im Gesicht des Schlangenweibes. Gegenüber dieser
unbestreitbaren Gesammtwirkung des herrlichen Stiches vergisst man fast darauf,
den Einzelheiten mit kritischem Blick nachzugehen; wir dürfen es uns aber hier
im Interesse der Sache nicht versagen. Zunächst ergiebt sich freilich, das»
Richomme das Format RaphaePs genauer eingehalten hat, als die bereits be-
sprochenen Stecher, dagegen sieht man mit einer gewissen Bestürzung, dass die
Bildiläche erheblich vcrgrössert werden muss, um die Figuren vergleichbar zu
machen; wie bei dem fast quadratischen deutschen Stich reicht dann die Breite
des hier verfügbaren Bildfeldes gar nicht aus, um den französischen Stich ganz
aufzunehmen.
Man fragt unwillkürlich: Ja, wie ist denn das überhaupt möglich? und die Ant-
wort darauf ist von verblüffender Einfachheit: Der Künstler hackte von den Figuren
so viel ab, wie ihm gut dünkte. Dadurch musste natürlich auf der Bildfläche
Raum frei werden; dieser wurde in zierlicher, dem Zeitgeschmack entsprechender
Weise mit einem sorgfältig gepflegten, botanischen Garten im Kleinen ausgefüllt,
der in Raphaers kühne Phantasie schwerlich hineinpasste. Dabei ist dann gleich-
zeitig unsere liebe Urmutter Eva ganz glücklich von ihrem Fussleiden geheilt
worden: die merkwürdige Falte ist nicht nur absolut verschwunden, sondern der
Operateur hat sogar noch etwas zur Verbesserung der Fussstellung beitragen
können, indem er die sonst verdeckte Ferse am inneren Fussrande erscheinen lässt.
Das wichtigste und für mich wegen der allgemeineren Vergleichungen werthvollste
Moment der absichtlichen Abweichung des Stechers vom Original beruht ober in
der erstaunlichen Verkürzung der Evafigur. Man möchte zunächst glauben, es
handle sich dabei um eine gewisse, allgemeine Reduction der Grösse, was zwar
überflüssig, aber immerhin möglich erscheinen musste; durch Uebertragung der
Bilder auf einander lässt sich indessen leicht zeigen, dass davon nicht die Rede
sein kann, sondern dass Richomme thatsächlich der armen Eva ein Stück von
ihren Beinen abgeschnitten hat.
Richomme hat sich vermuthlich gesagt: ^Ach die Beine sind ja immer noch
lang genug I'^ und mit allem Respect vor Raphael muss ich bemerken, dass er in
(188)
dieser Hinsicht nicht ganz Unrecht hat Es dürfte wohl Jeden tiberraschen zu
sehen, um welch enormes Maass (etwa Vio cler ganzen Länge des Körpers) es sich
dabei handelt; daher wird man den obigen Ansdraclc, dass die Abweichungen ge-
legentlich von der Breite eines Zimmermannshaares seien, unter solchen Umständen
wohl nicht zu hart finden.
Unzweifelhaft kommt das von Kichomme gewählte Verhältniss in den Längen
der Extremitäten in der Natur häufiger zur ßeobachtmig, als dasjenige der raphae-
lischen Eva; er ist aber von dem Vorwurf nicht frei zu sprechen, dass er eigen*
willig an dem Urbilde eine Verbesserung anzubringen versucht hat In dieser
Hinsicht ist also auch das schöne Werk von Rieh o mm e keine richtige Wieder-
gabe des Originals, welches er angeblich reproduciren wollte.
Der Kritiker hat über den andächtigen Kupferstecher triumphirt. Da die gleich
anfangs gezeigte Fignr der Venns aus dem Leben der Psyche deutlich beweist,
dass auch Raphael das Vorkommen anderer, als der in der Eva gewählten Ver-
hältnisse des Körpers, bekannt und geläufig war, so musste sein Nachbildner wohl
die Meinung und den künstlerischen Geschmack des Meisters, den er verewigen
wollte, respectiren und sich selbst eine innerlich berechtigte Verbesserung desselben
versagen.
Zum Schluss kann ich nicht unterlassen darauf hinzuweisen, dass wohl gerade
Raphael unter den Kunstkennern vom Fach privatim eine ganz merkwürdig
wechselnde Beurtheilung erfahrt, wie andächtig man auch immer öffentlich vor ihm
im Staube liegen mag. Leider werden solche privaten Meinungen nicht gleich
stenographirt und gelangen nicht in die Oeffentlichkeit, sie würden sonst in vielen
Beziehungen recht lehrreich und nützlich wirken können.
Mir kam es im vorliegenden Falle aber gewiss nicht darauf an, Raphael zu
kritisiren, sondern in Ermangelung solcher stenographirten Privatunterhaltungen
durch die graphische Methode nachzuweisen, welche Freiheiten sich die Kritik,
hier in den Händen der Kupferstecher, auch mit einem Genius, wie Raphael,
nimmt
Darin kann nur eine erneute Stärkung der Ueberzeugung gefunden werden,
dass vielfach die Kunstkritik nur mit der hohlen Phrase arbeitet und öffentlich
Mücken seiht, während sie heimlich (oder vielfach unwissentlich) Elephanten ver-
schluckt. Für das gebildete Publicum aber sollte daraus eine dringliche
Mahnung gefolgert werden, mit eigenen Augen zu sehen und sich
lieber auf die eigenen Augen zu verlassen, als durch die Brille eines
Anderen zu sehen, auch wenn derselbe seinem Auftreten nach als der eigent-
liche Erfinder der Kunst betrachtet werden will. —
(32) Hr. G. Oppert überreicht eine
Skizze über Kaschmir.
Sohon im grauen Alterthume war das im Nordosten von Indien inmitten
riesiger Schneeberge gelegene Thal von Kaschmir hochberühmt wegen seines herr-
lichen Klimas, seiner hinreissenden Naturschönheit, seiner erstaunlichen Frucht-
barkeit und seiner geschützten Lage, so dass Viele es für das irdische Paradies
hielten. Obgleich es in Wirklichkeit nicht dieses überschwängliche Lob verdient,
so ist es gleichwohl einer der gesegnetsten Plätze der Erde, der unter einer ge-
rechten und sorgsamen Verwaltung der höchsten Entwicklung fähig ist.
Herodot erwähnt es zweimal (IIJ, 102 und IV, 44), und berichtet, dass
Skylax von Karyanda auf Befehl des Königs Darius Hystaspes von der Stadt
(189)
Kaspatyros seine Fahrt den Indus stromabwärts antrat. Hekataeus aus Abdera,
der Begleiter Alexanders des Grossen, spricht in seinen Fragmenten von Kaspapyros
und Ptolemaeus kennt das Land Raspeiria und die Hauptstadt Kaspeira.
Die Sanskritepen, das Mahäbhärata und Rämäyana, gedenken ebenfalls des
heiligen, im Norden gelegenen Landes. Der uralten Sage gemäss war das Thal
von Kaschmir ursprünglich ein grosser See. Der Verfasser der Käjatarangipl, der
Pandit Kalhapa, erzählt in seinem Geschichtswerke (I, 25 — 28), „dass seit dem
Beginn des Kalpa das im Innern des Himälaya gelegene Land Kaschmir sechs
Manyantara hindurch (d. h. 6 X ^ 320 000 Jahre), mit Wasser gefüllt, der See der
SatT gewesen, und dass beim Beginn des jetzigen Vaivasvata Manrantara der
Prajäpati Kasyapa*) den Druhipa (Brahma), Upendra, Rudra und die übrigen
Götter herabzusteigen und den im See wohnenden Unhold Jalödbhava zu tödten
bewog und den See hierdurch in das auf der Erde als Kaschmir bekannte Land
umschuf. Dies übergab er dann seinem Sohne Nila, dem Herrn aller Näga, dessen
Sonnenschirm aus dem quellenden Sprudel (bei Vernag) des schwellenden Vitastä-
Wassers entsteht^. Derselben Chronik zufolge giebt es „in diesem von Yishnu,
*
8iva und den anderen Gottheiten geschmückten Lande keinen Fleck, sei er selbst
so klein wie ein Sesamkorn, ohne Heiligthum. Durch die Macht der Frömmigkeit,
nicht aber durch die bewaffneter Krieger, kann es erobert werden, und deshalb
existirt auch bei seinen Bewohnern nur die Furcht vor der nächsten Welt. Im
Winter giebt es Badehäuser mit warmen Bädern, am Strome sind sichere Ufer-
plätze, und die Flüsse bieten keine Gefahr und sind frei von Wasser-Ungethümen.
Die Sonne erzeugt in dem Lande, das der Vater Kasyapa gewissermaassen zu
seiner Verherrlichung erschaffen, selbst im Sommer keine übermässige Hitze.
Hohe Lehrgebäude (Fig. 1), Safran, eiskaltes Wasser und Weintrauben, Dinge,
welche im Himmel sogar schwer erlangbar sind, sind hier gewöhnlich. In diesen
drei Welten ist das edelsteinreiche Gebiet des Kuvera des Preises werth, eben-
daselbst auch der Felsen (Himälaya), der Vater der Gaun'), und das in ihm ge-
legene Land Kaschmir (Räjat I, 38 — 43)'*.
Nach dem Nilamatapuräria") gewährte Vish^u dem vom Könige der Vögel,
Garuda, bedrängten Schlangen -König Väsuki den Satisaras als Zufluchtsort für
seine ünterthanen, die Näga (Schlangen), und Nlla wurde als König eingesetzt.
Als nun Jalödbhava, der Sohn des Unholdes Sarograha, die benachbarten Gebiete
verheerte, begab sich Kasyapu mit seinem Sohne Nila nach dem Sitze Brahma's
und erbat sich von diesem, sowie von Vishou und äiva Beistand gegen das Un-
gethüm, das sich in den See geflüchtet hatte und dort unangreifbar war. Auf den
Rath Vishi;u's durchbrach Siva mit seinem Dreizack die das Wasser umgebende
Bergkette, und Vishiju schlug, als das Wasser abgelaufen war, dem Jalödbhava
mit seinem Diskus den Kopf ab. In diesem so entstandenen Kaschmir erhielten
dann die Götter und die Näga ihre Plätze angewiesen. Da sich die letzteren aber
der von Kasyapa beabsichtigten Niederlassung der Menschen widersetzten, ver-
fluchte Kasyapa die Näga dazu, mit den Pisächi (Teufeln) zusammenzuwohnen. Nila
erwirkte jedoch eine Milderung des Fluches, wonach Menschen und Pisächi vier
Kalpa ^) hindurch abwechselnd je sechs Monate im Jahre das Land inne haben
1) Der Name des Thaies von Kaschmir wird von dem des Kasyapa abgeleitet.
2) oder Parvati, Gemahlin des Siva.
3) Siehe „Detailed Report of a tour in search of Sanskrit Manuscr. made in Kashroir,
Bajpntana and Central India' by G. Bühler, Bombay 1877, p. 39, 40.
4) Ein Kalpa = 482 000000 Jahren von Sterblichen = einem Tage Brahma's = 1000 Yuga,
(190)
sollten. Nach Verlanf der vier Kalpa blieb ein alter Brafamane, Chandradera, nach
dem Abzug der anderen Menschen noch im I^nde and fiel in die Hände der
Pisöchi, welche ihn als Spielzeug betrachteten und missbandelten. Es gelang ihm
indessen, zum Könif; Nila zu entkommen. Dieser lehrte ihn seine Gebote, welche
er, als sechs Monate später die Menschen wieder in's Land kamen, deren König
Tiryodaya mittheilte und ihre strenge Beobachtung von ihm erwirkte, so dass Kaschmir
in Zukunft das ganze Jahr für Menschen bewohnbar blieb. Der Räjataraiigiijl (I,
184) zafolge führte Chandradeva die Gebote Nila's unter König Abhimanyn wieder
ein. Vordem hatten sich die Näga gegen die Buddhisten erhoben und das Land
verheert; durch die Beobachtung dieser Torschrirten wurde die Ruhe bald wieder-
hergestellt. Später kam Gonanda III. zur Regierung.
Fig. 1.
bereis J
dieser Reise brachte er sechzehn Jahre zu"). Er beschreibt folgend ermaassen '
Kaschmir: „Das Königreich Kaschmir (Kia-shi-mi-lo) ist ungefähr 7000 Li') im \
Umfang, und von allen Seiten von Bergen eingeschlossen. Diese Berge sind sehr \
1) Siehe BuiliUiistic records of the Western World l>y Samuel Beal. Vol L p
XVIH— XIX.
2) Eiu Li int ungefähr ',\ cngliadic Meile oder 0,82 hu.
\
1
(191)
hoch. Obwohl Pässe durch diese Bei^e führen, so sind doch solche eng und ge-
wunden. Die Nachbarstaaten, welche Kaschmir angegriffen haben, konnten es nie
unterjochen. Die Hauptstadt ist auf der Westseite von einem grossen Fluss be-
grenzt Von Norden nach Süden erstreckt sie sich 12—13 Li und von Osten nach
Westen 4-^5 Li. Der Boden ist für den Getreidebau geeignet und hat Ueberfluss
an Früchten und Blumen. Hier giebt es auch Drachenwurz, wohlriechende Oelb-
wurz, Fochii^) und medicinische Pflanzen. Das Klima ist kalt und rauh. Es giebt
viel Schnee, aber wenig Wind. Das Volk trägt lederne Wämmser und weiss-
leinene Anzüge. Sie sind leichtsinnig und frivol und von Charakter schwach und
feige. Da das Land von einem Drachen beschützt wird, hat es sich immer die
Herrschaft über die Nachbar- Völker angemaasst. Die Bevölkerung hat ein hübsches
Aeusseres, ist aber verschlagen. Sie hat Vorliebe für das Lernen und ist gut unter-
richtet Es finden sich unter ihr sowohl Ketzer wie auch Gläubige, gegen
100 Klöster (Sahghäräma) und 5000 Priester. Der König Asöka erbaute 4 Stüpa,
deren jeder ungefähr ein Nössel voll Reliquien von Buddha (Tathägata) besitzt
Die Geschichte des Landes berichtet, dass es einst ein Drachensee gewesen. Als
der Herr Buddha nach Bezwingung eines Unholdes in U-chang^na (Udyäna) nach
dem mittleren Königreiche (Indien) zurückkehrte und gerade in der Luft über
demselben sich befand, sagte er zu Änanda: „Nach meinem Nirväiia wird der
Arhat Madhyäntika ein Königthum in diesem Lande gründen, die Bevölkerung
civilisiren und durch seine eigenen Bemühungen das Gesetz des Buddha auswärts
verbreiten.^ Madhyäntika, der Schüler, des Ananda, hörte im hundertsten Jahre
nach dem Nirväpa diese Prophezeiung Buddha's und begab sich hocherfreut durch
die Luft nach Kaschmir*}, wo ihm der Näga einen Fleck, auf welchem er mit
seinen Knien ruhen konnte, im See einräumte. Der Arhat machte aber durch seine
zauberische Gewalt den Umfang seines Körpers immer grösser, und da der NSga
das Wasser von ihm abhielt, wurde der See zuletzt trocken und der Näga musste
ihn verlassen. Er erhielt jedoch das Versprechen, zurückkehren zu dürfen, so-
bald Buddha's Lehre aus dem Lande verschwinden sollte. Madhyäntika kaufte
dann von den umliegenden Ortschaften für die Priester eine Anzahl armer Leute
als Diener, die Ki-li-ta (Kritlya)') hiessen. In der Folgezeit machten sich aber
diese Sklaven wiederholt zu Herren des Landes. Hundert Jahre nach dem Nir-
väpa gelangte Asöka, der König von Magadha, zur Herrschaft über die Welt, er-
richtete 500 Sanghärama in Kaschmir und gab das Land den Priestern. 400 Jahre
nach dem Nirväpa brachte Kanishka, König von Gandhära, Kaschmir unter seine
Botmässigkeit und berief ein Concil von 300 weisen Männern, denen Vasumitra
präsidirte, um Buddha's Lehre festzustellen. Nach Kanishka's Tod gelangten die
Krftlya abermals zur Herrschaft, bis der König von Himatala aus dem Lande der
To-hu-lo (Tukhära) und dem Geschlechte der ääkya dem Könige der Kritiya den
Kopf abschlug, die Priester wieder in's Land zurückführte und ihnen dasselbe
übergab. '^ Jedoch war diese Restauration nur von kurzer Dauer, denn die Kntiya
rissen immer von Neuem die Macht an sich und verdrängten den Buddhismus.
Deshalb war zur 2jeit des Hiuen-tsiang der Zustand Kaschmir^s den Buddhisten
nicht günstig und Ketzerei herrschte im Lande ^).
1) Lenülles de verre.
2) Er fliegt mit 10000 Bettelmönchen durch die Luft nach dem Berge U^ira in
Kaschmir; siehe ebendas. I, 134.
8) Vielleicht vom Sanskritworte krita = „gekauft*^. Im Chinesischen mal-te, gekaufte
Leute, ibid. I, 150, n. 94.
4) Siehe Buddhistic records. I. p. 148 ff.
(192)
Was die Krltiya betrifft, so ist es bemerkenswerth, dass das Vishpopnräpa und
Bhägavata besagen, dass läüdra, Ausgestossene und Barbaren am Indus, Dänrika
und Chandrabhäga in Kaschmir Herren werden würden (siebe H. H. Wilson,
Vishoupuräpa IV, 223, 224). In verschiedenen Sanskritwerken kommt Rira als
Name Ton Kaschmir und seiner Bewohner vor (siehe Böhtlingk und Roth
Sanskrit- Wörterbuch unter Kira, II, p. 298). In der Räjatarangipi werden das Volk
der Krittika und deren Vertreterin, die Kiityadevi, erwähnt (I, 131 — 147) aber die
Kfittika sind hier Buddhisten.
Obwohl die brahmanischen und buddhistischen Berichte, wie wir gesehen
haben, je nach ihren religiösen Ansichten von einander abweichen, so stimmen sie
doch in der Angabe überein, dass das Thal Kaschmir ehedem ein grosser See ge-
wesen; hiermit stimmt auch die geologische Formation des Landes ttberein. Das
jetzige Thal hat wirklich einstmals unter Wasser gestanden, und zwar mnss der
See eine Höhe ron gegen 5800 Fuss über dem Meeresspiegel erreicht haben, denn
die Karewa ^) oder felsigen Klippen, welche das Hochland bilden und durch tiefe,
an einigen SteUen 300 — 400 Fuss hinabfallende Schluchten von einander getrennt
sind, waren wahrscheinlich nicht überschwemmt. Dies gilt zumal von der Hoch-
ebene bei Martand, die sich schroff und steil nach der heiligen Quelle bei Bawan
und Mattan senkt.
Die Bergwand wurde bei Bäramüla durchbrochen und somit dem Flusse, den
die Brahmanen Vitastü, die Griechen Hydaspes, die Muhammedaner Bihut und
die Neueren Ihilam nennen, Abfluss gewährt Vishpu soll als Eber Varäha, einer
Sage gemäss, dieses bewirkt haben, und nach ihm die Stätte Varähamüla, das
heutige Bäramüla, genannt sein. Den Namen Kaschmir's, des Landes des Kasyapa,
leitet Burnouf von Kasyapa-mira, See des „Kasyapa^ ab.
Kaschmir ist der einzige Staat des vorderindischen Continents, der eine das
Alterthum einschliessende, fortlaufende geschichtliche Literatur besitzt Leider sind
die ältesten Chroniken nicht vorhanden, und der Verlust des von Suvrata ver-
fassten Abrisses ist sehr zu bedauern. Der Paqdit Kalhaoa geht in seiner Rftja-
tarangipi bis zum Jahre 1 148 A. D., 1070 der Saka-Aera, und seine Nachfolger haben
sein Werk bis in die Zeit Kaiser Akbar^s fortgesetzt Ausser der Käjatarangipi be-
sitzen wir noch das vorhin erwähnte Nilamatapuräpa und verschiedene Mähätmya*).
Für chronologische Bestimmungen sind die vier ersten Bücher der Räjatarangiqf
werthlos. Gonanda I. gilt als Zeitgenosse und Freund Jaräsandha's und als Feind
Krishpa^s, gegen den er bei Mathurä im Kampfe lallt Sein Sohn Dämodara hat
das gleiche Schicksal, und Krishna setzt dessen Gemahlin Yasovati als Königin
ein. Ihr Sohn Gonanda IL ist zu jung, um am Kampfe zwischen den Kaurava und
Päpdava theilzunehmen. Verschiedene Herrscher aus verschiedenen Familien re-
gieren Kaschmir. Kalhapa widerspricht seiner eigenen Behauptung, dass Kaschmir
nie von Fremden unterjocht worden. Hushka, Jushka und Kanishka sind turusch-
kischer Herkunft und Buddhisten, Gründer dreier nach ihnen benannter Städte und
vieler Klöster und Tempel. Ihnen folgen Abhimanyu und Gonanda IIL, der die
Vorschriften Nila^s wiederherstellte'). Unter Vasukula fielen die Mleccha in
Kaschmir ein. Mit Durlabhavardhana, dem kayastischen Schwiegersohn Bäläditya's,
beginnt die historische Zeit Kaschmir's Ruf (598—634) reizte die Habgier der
1) Die bedeutendsten Karewa sind bei Pämpor, Islam&bad im Norden, und bei Zyn&pnr,
Nonagar, Khanpur und Damudar im Süden.
2) Ausser Suvrata und dem Nilamataparaoa erwähnt Kalha^a noch die Kdnigsllsten
von KshSmCndra, Hcläräja und Padmamihira. Siehe Kaj. I, 12, 18, 17, 18.
3) Raj. I, 168-172.
(193)
Eroberer, aber im Allgemeinen war ihre Herrschaft nicht von langer Dauer. Ausser
den Indo-Scythen verheerten im 1 1 . Jahrhundert die Turushka unter den vorher er-
wähnten Hammira (Räj. Vü, 53 ff.) Kaschmir. Hammira ist der bekannte Eroberer
Mahmud vonGhazna, der um lOlöRaschmir unterjochte. 1305 erschienen die Tibetaner
im Lande, vertrieben den König Soha D^va, und Ringhana, der Sohn des tibeta-
nischen Königs Yuftan, usurpirte den Thron. Er soll Muhammedaner geworden sein
und den Namen Sadaru<-'d-din angenommen haben. Nach dem Tode UdyänadSva's
bestieg sein Minister Shäh Mir als Shamsu-'d-din 1340 den Thron. Er wird ge-
wöhnlich als der erste muhammedanische Herrscher von Kaschmir bezeichnet. Bis
1536 regierte seine Familie, in der sich Shähäbu-'d-din (1356) und Sikandar (Batshikan)
als fanatische, die alten Hindu-Tempel und Heiligthttmer zerstörende Muhammedaner
hervorthaten, während das Andenken des grossen Bädshäh Zinalabudin (1423),
welcher 53 Jahre Kaschmir beglückte, noch heute geehrt wird. Er selbst, ein
Künstler und Dichter, förderte Künste und Wissenschaften. Er führte die Shawl-
Webereien, die Olas-Fabrication, Papiermachö-Industrie und Buchbinderei ein, und
errichtete viele Bauten. Später bemächtigte sich Käji, welcher der einilussreichen
Chakfamilie von ärtnagar entstammte, der Herrschaft, und obgleich er selbst 1540
dem Mirza Haidar, einem Milchbruder des Kaisers Humayün unterlag, so behaupteten
doch die Chak ihr Ansehen, bis Akbar 1587 Kaschmir seinem Reiche annectirte.
166 Jahre, bis 1753, bildete Kaschmir eine Provinz des Reiches der Orossmogule.
Diese erkoren dasselbe zu ihrem Sommeraufenthalt, schmückten es mit prachtvollen
Bauten und legten auf der über Bhimbar und den Pir-Panjäl-Pass dahin führenden
kaiserlichen Landstrasse luxuriöse, jetzt theils in Trümmern liegende, theils noch
bestehende Rasthäuser (Sarai) für sich und ihr zahlreiches Gre folge an. Der Einfall
Nadir Schah's in Indien (1739) gab der Herrschaft des Grossmoguls den Gnaden-
stoss, und Kaschmir, dass zuletzt von verschiedenen Beamten selbständig ver-
waltet worden war, gehörte von 1753 bis 1816 unter sechzehn Gouverneuren zum
Reiche der Duri^ni, das sich auch über Pishäwar, Labore und Multän erstreckte.
Am 5. Juli 1819 besiegte Divan Chand, der General Ranjit Singh's, den
Pathan -Gouverneur Jabbar Khan bei Chotipur und brachte hierdurch Kaschmir
unter die Herrschaft der Sikh, die es bis 1846 behielten, als die Engländer Lahore
nahmen und Kaschmir am 16. März 1846 dem Mahäräja von Jamu, Ghnlab Singh,
übermachten, welcher im Laufe seiner Regierung Ladakh, Skardu, Gilgit und Astor
seinem Reiche hinzufügte. Ihm folgte sein Sohn Ranbir ^ingh und diesem wieder
1H85 sein ältester Sohn, der gegenwärtige Mahäräja Partab Singh auf dem Throne.
Kaschmir steht unter britischer Oberhoheit, und ein britischer Resident repräsentirt
in Srlnagar den Vicekönig von Indien. Seit dem Vorwiegen des britischen Ein-
flusses hat sich das Land bedeutend gehoben.
Das kaschmirische Reich hat demnach eine viel grössere Ausdehnung als das
Thal von Kaschmir, und da Hiuen-tsiang Kaschmir einen Umfang von 7000 Li
zuschreibt, während die Thallandschaft nur 300 Li an Umfang hat, so rouss auch
zu seiner Zeit das Gebiet des Königs von Kaschmir andere Länder umfasst haben ;
wahrscheinlich gehörten zu ihm die ganze gebirgige Region zwischen dem Indus
und dem Chinab bis nach der Salzkette im Süden').
Das jetzige Gebiet von Kaschmir, das in die fünf administrativen Bezirke
Jamu, Kaschmir, Ladakh, Skardu und Gilgit zerfällt und mit Ausnahme des Thaies
von Kaschmir überwiegend gebirgig ist, erstreckt sich von 32^ 17' bis zu 36*^58'
nördlicher Breite und von 73^26 bis zu 80^30' östlicher Länge. Es grenzt im
1) Siehe The ancient Geographj of India, by Alexander Cunningham, p. 89.
V«rhandl. der Berl. Anthropul. Oc^rll^chaft 1897. 13
(194)
Norden an mehrere kleinere Fürstenthümer nnd das Karakomm-Oebirge, im Osten
an Tibet, im Süden an Spiti, Lahnl und Panjab und im Westen an letzteres,
Hazara, Chiläs und Därel. Es umfasst gegen 30 900 englische Qoadratmeilen
und wurde nach dem Census von 1891 ron 2 543 952 Menschen bewohnt; hiervon
kamen 1439 543 auf Jamu, 949 041 auf Kaschmir, 2^274 aufLadakh, 110 325 auf
Skardu und 16 769 auf Gilgit.
Die Ausläufer des Himälaya in Kaschmir rangiren zwischen 3 — 4000', die
mittlere Bergkette erreicht 8000 — 10000', während die höchsten, mit ewigem Schnee
bedeckten Bergriesen den zweithöchsten Berg der Erde, den Nanga Parvata oder
Dayarmur, unter sich zählen. Alle diese Höhenzüge gehören zum Flussgebiete des
Indus, der, anfänglich Ton Südosten nach Nordwesten fliessend, Ladakh durch-
strömt, unweit Kiris mit dem gewaltigen Shäyok sich vereinigt, dann bei Haramosh
sich südlich wendet, bei Hatu-Pir Astor verlässt und schliesslich in südwestlicher
Richtung durch das Panjab strömt. Der Jhilam*) (wie oben erwähnt, die Vitasti
der Inder, der Hydaspes der Oriechen, nnd die Bihat der Muhammedaner) ist der
bedeutendste Nebenfluss des Indus auf kaschmirischem Gebiet, während noch den
Süden der Chinab (der Chandrabhäga der Inder und der Akesines der Griechen)
benetzt Viele Pässe führen in das Thal von Kaschmir, die bekanntesten sind im
Westen über Baramula (5525 ', Tia Marri, Punch und Abbottabad); im Süden über
den Pir Panjal (11400', via Bhimbar und Räjäori), Firozpur (12 500', via Punch
und Räjäori) und über den Banihäl (9200, via Jamu); im Osten über Marbal
(11 750' über Kistawär und Chamba) und über Margan (11 600', via Maru, Wardwan
und Suru); und im Norden über Zojilä oder Dras (11 300', via Dras und Ladakh)
und über Eäjdiangan (11900', via Gurais, Tilail und Klein-Tibet). Bis Rawal-
pindi') geht die Eisenbahn. Dort beginnt die Grand Trunk Road per „Tonga''
und führt direct nach Baramula. Die Strecke zwischen Rawal-Pindi und Baramula
beträgt I62V4 englische Meilen. Gewöhnlich unterbricht man die Tour in Harri, ehe-
mals Sommer-Residenz des Lieutenant-Govemor des Panjab, dessen Haus jetzt in
ein Hotel verwandelt worden ist. Marri ist jetzt die bedeutendste Militärstation
auf dieser Grenze. Die Grand Trunk Road geht über Sunnybank, wo sich der
Weg nach Marri abzweigt, nach Kohala, wo der Jhilam überschritten wird und
man von britischem auf kaschmirisches Gebiet übertritt. Ton Rawal-Pindi steigt
die Landstrasse ungefähr 4300', senkt sich aber gegen 4000' wieder nach Kohala').
Ein sehr hübscher, schattiger Weg fQhrt von Mani in 8 Meilen nach Deywal, und
von da sind es noch 10 Meilen nach Kohala. Allerdings ist man auf dieser Strecke
der Sonne ausgesetzt; trotzdem ist auch diese Strasse reich an herrlichen Fem-
blicken, während man unten im Thal das Brausen des Jhilam hört, in den
sich unweit Kohala die Kanair stürzt. Als ich im Jahre 18D3 vom Panjab aus
Kaschmir besuchte, waren durch die furchtbaren Regengüsse alle Brücken über den
Indus, den Jhilam und die übrigen, den Weg nach Kaschmir kreuzenden Flüsse
weggeschwemmt worden, und es stand nur die Strasse über Kohala offen; aber
auch hier musste man den Jhilam in einem über einem Telegraphendrahte hangenden
Korbe passiren, auch war die Grand Trunk Road fUr .^Tonga"^ und ^Ecka*^ durch
Erdrutsche unfahrbar, und selbst fär Pferde und Esel an vielen Stellen ungangbar
1) Trojer (ü, 294) erklärt diesen Kamen durch jala, Wasser; siehe Lassen, Ind.
Alt 1, p. 62 (41).
2) Unweit Rawal, 15 Meilen van Pindi, liegt Manikyala mit dem berühmten Stöpa.
8) Die Entfernung zwischen Kawal-Pindi und Sannybank beträgt SB'/«, und die von
Sunnybank nach Kohala 277« Meilen.
(195)
geworden. Die bisherige Fahrstrasse war an manchen Orten weggeschwemmt, und
alle locken und üebergangsorte zerstört. Von Station zu Station war man nn-
gewiss, ob man die nächste erreichen könne, oder nicht. Diese ehemals so schöne
Landstrasse war erst am 10. September 1890 vom Mahäräja Partab Singh eröffnet,
nachdem sie mit vieler Schwierigkeit erbaut worden, wobei 100 Arbeiter ihr Leben
Terloren hatten. Sie geht, denn jetzt ist sie wieder hergestellt, am linken Ufer
des Jhilam entlang, der laut brausend und schäumend Ton Baramöla an in seinem
Felsenbett hinabströrot Sie führt ron Kohala über Dulai, dessen anheimelndes
Rasthaus stehen geblieben war, nach Domel. Hier hatte die Fluth furchtbar ge-
haust; beinahe der ganze Ort mit Brücke und Kasthaus war zerstört worden, und
höchst gelahrliche Bergrutsche rersperrten den Weg. In Domel mündet auch die
von der Eisenbahn-Station Hasan-Abdal über Abbottabad führende Strasse, welche
die Krishqaganga und den Jhilam bei Muzaffarabäd überschreitet; beide Brücken
waren 1893 auch weggeschwemmt. Man hat die Absicht, von Hasan-Abdal eine
Eisenbahn nach Domel zu bauen und somit Kaschmir dem Weltverkehr zu er-
öffnen. Grarhi und Hattian mit Seil -(Jhüla-) Brücken und Mussuk mit Böten aus
Büffelfellcn, um den Jhilam zu passiren, Ghakoti, Uri und Rampur bilden die
Halteplätze nach Baramula. 2 Meilen vor Rampur bei Urambuah liegt, inmitten
von Laubwerk, der alte Tempel Pandu Ghar, der, ebenso wie der benachbarte jen-
seit Rampur gelegene Tempel bei Bhavanyar (Fig. 2), an die Ruinen von Martand
und Avantipur erinnert.
Von Ouzerat über Bhimbar beginnt die sogenannte kaiserliche Strasse, so be-
nannt, weil die Grossmogule dieselbe auf ihren häu6gen Ausflügen nach Kaschmir
benutzten, und der Franzose Fran(^ois Bern i er hat ausführlich eine derartige Reise
beschrieben, welche er im Gefolge von Aurang-Zeb mitmachte^). Es ist hier un-
nöthig, diese Route eingehend zu schildern, da sie schon häufig beschrieben worden
ist. Die Grossmogule waren auf ihren Zügen von einem zahlreichen Gefolge und
einer ansehnlichen Armee begleitet; Bernier berichtet, dass Aurang-Zeb nicht allein
30 000 Mann Gavallerie, sondern auch über 10 000 Mann Infanterie, 50 — 60 leichte
Feldgeschütze aus Bronze und 62 schwere Geschütze mit sich führte*). Auf dem
ganzen Wege waren zur Aufnahme der kaiserlichen Familie und des Hofstaates in
Zwischenräumen von wenigen Meilen umfangreiche und prächtige Rasthäuser oder
Sarai. Von Bhimbar gelangt man über Saidabad, Noashera, Changas, Rajaori,
Thanna Mandi') nach Barangalla. Zwischen diesen beiden Stationen liegt der
Rutten Pir. In Barangalla starb der Grossmogul Jahanghir, der 13 Sommer mit
seiner geliebten NOrmahal in Kaschmir zugebracht hatte und Yernig vor seinem
Tode zu erreichen wünschte. Zwischen Poschin und Aliabad Sarai Übersteigt man
den bekannten Pir Panjäl, der nach einem Fakir Pir Panjäl Pantral benannt ist.
Dann folgen Hirpur, Shupiyan, wo der Weg nach Vernäg in östlicher Richtung
sich abzweigt, Ramu und ^rinagar, das 17 Meilen von Ramu entfernt liegt.
Der jetzige Beherrscher von Kaschmir benutzt von seiner alten Residenz Jamu
aus den Weg über den Banihal-Pass, welcher zwischen Devgol und Vernäg liegt,
und seine Reiseroute berührt von Jamu aus Nagrota, Dansal, Udampur, Drumtal,
Batoti, Ramband, Ramsu, Devgol, Vemag und Islamabad, von wo man direct per
Boot, oder über Land durch Avantipur nach Srinagar gelangen kann. Von ärlnagar
1) Siebe Yojages de Fran<;oi8 Bernier. Amsterdam 1699. H. p. 206—363.
2) Siehe ebendas. ü. p. 208.
3) Von Thanna Mandi geht über Suran, Punch, Kahnta, Haidarabad und Uri ein anderer
Weg nach Srinagar.
13*
(196)
Khrt man per Boot nach GandarbBl Über Shadipttr, oder geht Aber Land beim Hari
Pairat Torbei durch Naoshera. ?'/■ Meilen hinter Qandarbal befp&nt das Sindha-
thal, und man gelangt über Kangan, Gond, Qagangir, Sonamarg, Baltal, den 11500'
hohen Zogi-la-Pasa, Matayac, Dras, Tashgtun, Chnn^ond, Kaigil, Shargol, den
13 001' hohen Nämika-Lfi-Paaa, Kharbo, LUmayDrO, über den 13 400' hohen Fotu-
Pass, Khabi, TimiBgam, Tämtse, Nimfi nach Leh, das 260 englische Meilen von
Snnagar lie^
Fig. 2.
Uiudu-Tempel bei BhaTuajac, Bepräient»at des indiscb-kaichmiriacben
SteiosijU, im QegnaaUi tum ciobeimbclieD Hahbtu, «elcheo <lie tum
Islam bekehrten Easchmir>^r für ihre Hoächeea lieibeh ielten.
Von Islamabad geht Über das 11 Meilen entrernte Kishtwar ein anderer Weg
nach Leb').
Von ärinagar Tilbri über Bindipur in 21 Mlrdcbea die Strasse nach Qilgit
Seitdem Gilgit von eogliscben Truppen besetzt ist, hat man eine gute Ueeratrasae
n Er paasirt Bftgni, Pijas. Siri, Atholi, Kuadbel, Hacbel, Bnjwu, Bugjan Hivan,
Ganra, über den ITS'O' hohen UmasILa, Ating, Saoi, Padam, Thandhe, Zan^U, NamtM,
aber den 14 16U' hohen Cheloog Labbo, Pangatse, Mir<i. über den 16600' hohen Nin-
V*se, Yalohnng, l'buuli«a, Hoaupatcu, Waala, Laia^jüra nach Leh.
(197)
nach dort angelegt Die Orte, welche passirt werden, sind: Rralpura, Tragbai
(9160'), Zotkusu (9050'), Kunzälwan, Gurais, Gurikot (9370'), Kala Pani, Kamri-
Pass (13 300'), Pukarkot, Chagam, Gurikot von Astor, Astor (Hasora), Harcho,
Daschkin, Dniyan, Ramghat, Bhawanji, Chakarkote (über den Indus), und Minawar,
von dem GUgit 1 1 Meilen entfernt ist.
Bis Gurais führt derselbe Weg nach Skärdü; von hier zweigt man aber ab
nach Bangla (8725'), Mapanum (10130'), Burzil (10 740'), Sikhbach (13 160'),
über den Stakpita- O2 90(»') und den Sarsingar-Pass (13 860'), Lalpani (12 500'),
üsar Mar (13 970'), Karpitü (7636') und den Burji-Pass (15 700').
Das Thal von Kaschmir, von 9 — 19000^ hohen Schneebergen umgeben, mit dem
Pir Panjäl im Süden und dem Haramuk im Norden und vom Jbilam durchströmt,
ist ungefähr 90 englische Meilen lang, 18 — 22 Meilen breit und umfasst gegen
3500 englische Quadrat-Meilen. Von Kanbal bei Islamabad bis Bäramäla, d. h. un-
gefähr 60 Meilen, ist der Jhilam schiffbar. Er entspringt unweit von Vemäg; unfern
von Ranbal fliessen in ihn die Häpat-, Bnnjh- und Sandiahan-Bäche, unterhalb Kanbal
strömt ihm zur Rechten die Liddar in zwei Zweigen zu, bei Shadipur nimmt er
den Sindh, bei Dabgao den Pohra auf, während auf der linken Seite der Yeshan
bei Marhäma, die Ramchu bei Karkarpur und die Dudhganga unweit ^nnagar sich
mit ihm vereinigen. Von den Landseen sind der Dal oder Stadtsee bei ^rinagar
und der Anchar, der kleine, aber schöne Manasbal (Mänasa sarovara) unterhalb
Sumbai und der grosse Wullar (Ullöla) erwähnenswerth. Unzählige Quellen,
meistens im östlichen Theile des Thaies, entspringen den Bergen; die berühmtesten
sind Ananta Nag, Bawan, Atchibal, Vemdg, Kukar Näg und Vateritter. Auch an
Mineralquellen fehlt es nicht, wie der Wian Näg bei Pampur und der Salik Näg
und Malik Näg bei Islamabad, welche eisen- und schwefelhaltig sind. Im Kasch-
mirischen bedeutet Näg ^Quelle ^, eine Bedeutung, die Näga im Sanskrit meines
Wissens nicht hat.
Das Klima in Kaschmir ist im Ganzen recht angenehm und für den Europäer
zuträglich; Juli und August sind die heissesten, Januar und Februar die kältesten
Monate im Jahre. Leider wird das Land aber vielfach von Erdbeben heimgesucht.
Die europäischen Hausthiere acclimatisiren sich rasch in Kaschmir. Die ein-
heimischen Pferde und Rinder sind klein. Fliegen, Mosquitos und andere Insecten
sind sehr zahlreich und im Sonuner äusserst lästig; Bienenzucht wird viel ge-
trieben, und der Seidenwurm wird gezüchtet. Der Ibex, Markhor, Bara singh und
anderes Wild finden sich in grosser Menge in den Bergen, wie auch Affen,
Schakale, Bären und Leoparden. Merkwürdigerweise finden sich, obgleich der
Näga-Cultus in Kaschmir durch die Brahmanen so verbreitet ist, keine oder
wenigstens sehr wenige Schlangen in Kaschmir, eine Thatsache, welche schon
Bernier hervorgehoben hat^). Der Boden des Landes ist sehr fruchtbar. Getreide
und Gemüse gedeihen prächtig, und Fruchtbäume und Waldbäume bedecken Thal
und Berg. Walnüsse, Maulbeeren, Pfirsiche, Kirschen, Aprikosen, Granatäpfel,
Weintrauben, Aepfel, Birnen, Quitten, Haselnüsse, Ahorne, Pappeln, Weiden,
Kastanien und andere Pflanzen wachsen üppig').
Die volksthümliche Eintheilung von Kaschmir ist inKamräj (Kramaräjya), nördlich
und östlich von i^rlnagar, und Miräj (Meräj) südlich und östlich davon. Kaschmir
besitzt vier Städte: ^rinagar mit 118 960, Anantanäg mit 10 227, Sopur mit 8410
1) Siehe Bernier II, p. 270: „II ne s'j trouve ni Serpens, ni Tigres, ni Ours, ni
Ljoos, si ce n'est tres-rarement.*
2) Siehe Ince's Eashmir Handbook, p. 3 — 16.
(198)
und BäramOla mit 5656 Einwohnern, von denen bezw. 26069, 981, 858 und 787 Hindu,
und 92 575, 9236, 7550 und 4809 Muhammedaner sind.
Es liegt uns fern, eine Beschreibung des Landes und der Städte Kaschmir's
hier zu geben, denn schon viele Reisende haben solches gethan*)* I^ie heutige
Stadt i^rlnagar liegt an beiden Seiten des Jhilam. Srinagara war auch der Name
der angeblich vom Könige Asöka gegrQndeten (Räj. I, 1<^), vom Könige Abhiroanyu
aber verbrannten Stadt (um 630 a. D.)* Pandritan, stidöstlich vom Takht-i-Sulaiman
am rechten Ufer des Jhilam gelegen, bezeichnet die Lage der ehemaligen Residenz
Puräpädhistäna. Ein kleiner, inmitten eines Teiches gelegener Tempel stammt
noch aus älterer Zeit. Pravarasena gründete, anstatt des alten ärinagar, Pravarapura,
das heutige Srinagar. Der Tempel auf dem sogenannten Takht-i-Sulaiman („Thron
Salomo^s*^) wird ialschlich dem Jalöka, dem Sohne Asöka's zugeschrieben. Nach
Anderen soll ihn Sandhimati oder Aryaräja erbaut haben, doch ist dies fraglich.
Auf dem Hari Parvat oder Börparvat, d. h. dem ääri(ka) Parvat, steht die von
Akbar zur Bezwingung ^nnagar's erbaute Festung. Viele Ortschaften am Jhilam
bewahren noch Spuren ihrer früheren Bedeutung, wie Pampur mit seinen Safran-
Plantagen und den in seiner Nähe befindlichen Mineralquellen; Ladu, Karkarpur und
Payech mitseinenTempelruinen; Avantipur, die ehemalige, vonAvantivarma(855 — 833)
gegründete Residenz mit angeblich 3 Millionen Einwohnern, deren Ruinen an die
mächtigen Bauten von Martand erinnern. Bijbehar oder Bijhror, das alte Vijay^svara,
wo Asöka einen prächtigen Tempel errichtet, den Sikandar aber zerstört haben soll.
Auch Anantanäg, das heutige Islamabad, war ehedem eine Stadt von hoher Be-
deutung, wovon die 5 Meilen nördlich gelegenen Ruinen des dem Sonnengotte ge-
weihten Martapda (Pig. 3) Zeugniss ablegen. Im Volksmunde heissen diese, wie
auch andere Tempel-Trümmer Pandu Lari oder Pandu Gor, Häuser der Pändava,
denn alles Alte wird mit den Pändava in Beziehung gebracht Anderthalb Meilen
von Martand liegt das kleine Dorf Bawan oder Mattan (Martända) mit seiner
heiligen Quelle inmitten schöner Platanen. Dieselbe ist dem Gott Vishnu geweiht
Unweit davon liegen auf dem Wege zum Liddar-Thal die von Pilgern besuchten
Bohlen von Bhumju. Auch das durch seine Quellen berflhmtc, von Jahanghir mit
einem Lustschloss geschmückte Atchibal ist unweit Martand. Die Entfernung von
Atchibal nach Vemäg beträgt nur 15 Meilen. Auf dem Wege liegt das kleine Dorf
Shangus, ehemals berühmt wegen seiner schönen Tänzerinnen (Fig. 4). Vemäg,
am Fusse des Banihal-Passes, ist einer der herrlichsten Plätze in Kaschmir und
war deshalb der Lieblingssitz Jahanghir's, wo er sich über der Quelle des Jhilam
einen Sommer-Palast erbaute.
Von Srinagar stromabwärts passirt man Purana Chowni, den Landungsplatz
für Gulmarg. Weiter unten liegt Shadipur mit der Insel Prayäga, wo der Sindhu
in die Vitastä (Jhilam) fliesst. Auf ihr steht ein grosser Ahombaum (Chenar),
und sieben Stufen führen zum Schreine Siva's. Von diesem heiligen Platze haben
sich viele Hindu in den Fluss gestürzt, unter anderen auch Mitranarma mit seiner
Gattin, der treue Minister der Könige Lalitäditya und Kuvalayapida (Räj. III, 1005).
1) Jetzt wird Kaschmir jedes Jahr von Tausenden besucht: früher war es aber nicht
so zugänglich, da es besonderer Erlaubiiiss bedurfte, es zu betreten. Von älteren Reisenden
mögen hier aber erwähnt werden: der Jesuit Xavier und Goei, die zur Zeit Akbar's
Kaschmir besuchten (U)6ö\ der Franzose Bernier, der Jesuit Desideri (1714), der
Madras-Civilist Forster ,1786 , Moorcraft (1823^, Jacquemont ^831), Wolff (1882)
und Baron v. Hügel, Vigne und Dr. Henderson ;1885\
(1!«0
Fig. 3.
TJinii'r);mppi' tud Shantni«.
(200)
Hinter Shadipur liegt Samba], von wo ein Canal nach dem berühmten Mänasbal-
See führt. Dann gelangt man nach dem wegen seiner Stürme gefürchteten Wullar-
See (Ullöla), in dem die minenreiche Insel Lanka liegt Am südlichen Ufer Hegt
Sopur (Suyyapura oder Svayyapura), so benannt nach dem berühmten Architecten
des Königs Avantivarma, und weiter abwärts, am Ende des schiffbaren Jhilam, der
Ort Bäramüla, der mit dem gegenüber liegenden Ushkar oder Hashkapura einst
eine Stadt bildete. Das Andenken an Huvishka lebt noch in der Bevölkerang, and
man zeigte mir die Gnmdmaaern seines ehemaligen Palastes. Bäramüla (Varäha-
müla) ist eine aufblühende Stadt, zeigt aber noch die Sparen des Erdbebens von
1885. Den Oensasberichten zufolge theilt sich die kaschmirische Bevölkerang mit
Bezug auf ihre Religion in fünf Gemeinden. Die Muhammedaner stehen mit
883 099 Seelen an der Spitze, dann folgen der Zahl nach 60 3 IG Hindu, 5473 Sikh,
145 Parsi und 8 Christen.
Obwohl unter den Hindu Unterschiede bestehen und anerkannt werden, giebt
es unter ihnen eigentlich keine Rasten. Sie bilden eine brahmanische Genossen-
schaft, trotzdem die Vorfahren vieler Familien, wie wohlbekannt, aus verschiedenen
Theilen Indien^s stammen. Der gebräuchliche Name der Kaschmir- Brahmanen,
„Pagdif^ (Gelehrte), ist um so auffälliger, als die Mehrzahl derselben sehr ungebildet
und ununterrichtet ist Ihrer verschiedenen Herkunft und Lebensstellung ungeachtet
essen und lernen alle Hindu mit einander, aber in Bezug auf eheliche Verbin-
dungen sind sie mehr reservirt. Für besonders vornehm gelten die Nachkommen
der 11 Familien, welche den muhammedanischen Verfolgungen (1435 — 42) wider-
standen, nicht zum Islam übertraten und im Glauben ihrer Väter beharrten; diese
Brahmanen bilden die Aristokratie, studiren Sanskrit, leben grösstentheils von
Stipendien und anderen Einnahmen, welche sie zumeist der Gunst des Mahäräja ver-
danken. Die übrigen Pagdit ernähren sich so gut sie können in verschiedenen Berufen.
Gewöhnlich behaupten die Brahmanen, dass sie Chaturvedi, d. h. Renner der vier
Veden seien; in ihren häuslichen Ceremonien aber folgen sie dem Chäräyapiya
Kä(haka, welcher dem Weisen Laugäkshi zugeschrieben wird. Sie beobachten
auch strenge die Sacramente (Samskära), Bussen (Präyascitta), Todtenspenden
(äräddha) und Gelübde (Vrata). Alle, Männer sowohl wie Frauen, tragen einen
grossen, grauen, wollenen Mantel. Bei den Männern der niederen Klassen bildet
dieser Mantel und eine Leibbinde (Langöfi) die ganze Bekleidung. Die Reichen
tragen selbstverständlich schönere Stoffe, leichtere im Sommer und schwere Unter-
kleidung im Winter. Auch haben alle den brahmanischen Gürtel (Mekhalä). Die
Frauen tragen häufig Manschetten, einen Gürtel um die Taille und einen über den
Rücken fallenden Schleier. Das Haar ist in der Mitte gescheitelt, gelockt, und
Schnurgehänge sind an beiden Seiten der Ohren. Die meisten Brahmanen essen
Ziegen- und Hammelfleisch, auch Fisch, aber kein Ochsen- und Schweinefleisch
und das verbotener Thiere. Beinahe alle Kaschmirer sind Anhänger des Gottes
i^iva; einige Familien indessen sind ääkta, d. h. Verehrer der äakti, und zwar sind
sie in diesem Falle meistens Vämachari oder Vämapanthi, d. h. Verehrer der linken
Hand, die den roheren, mehr sinnlichen Quitos repräsentirt*).
Die Kaschmir-Brahmanen haben sich sehr um die Sanskrit-Literatur verdient
gemacht Viele der bedeutendsten Gelehrten und Dichter der Vor- und Neuseit
haben in Kaschmir gelebt und gewirkt, und noch jetzt befinden sich dort ans*
gezeichnete Kenner des Sanskrit, die von der jetzigen Herrscher-Familie sehr be-
1) Vergleiche hierüber auch den obent^rw ahnten Bericht Dr. G. Bühler's.
(201)
^ünstigt werden. Auch ist Kaschmir reich an werthyolien Handschriften, zu deren
Erforschung seiner Zeit Prof. Dr. Georg Bühl er Kaschmir auf Kosten der indischen
Regierung erfolgreich bereiste.
Die überwiegende Mehrzahl der Kaschmirer sind Muhammedaner. Die erste
Einführung des Islam knüpft sich an die angebliche Bekehrung des tibetanischen
Prinzen Rinchana, der um 1320 Sahadeva, den König Ton Kaschmir, vertrieb und
sich des Landes bemächtigte. Rinchana war Anfangs wahrscheinlich Buddhist und
trat später zum Islam über, wozu ihn der Fakir Bulbul Shah bekehrt haben soll.
Dieser soll der erste Muhammedaner gewesen sein, der sich in Kaschmir nieder-
Hess, und er liegt am rechten Jhilam-Ufer, unterhalb der Ali-Kadal-Brücke, in
^rinagar begraben (Fig. 5). Staats-Religion wurde aber der Islam nach dem Tode
des Königs UdyänadSva (1339), als sein Minister Shah Mir des Königs Wittwe
Kottädevi heirathete und unter dem Namen Shamsu-'d-din den Thron bestieg. Die
Zwangsbekehrung der Bevölkerung zum Islam begann Shah Mir's Enkel Shihäbu-^d-din,
dazu angestachelt von dem bigotten bukharischen Fakir Syed Ali Hamadäni (1356),
nach welchem die bedeutendste muhammedanische Moschee in ^rinagar (Fig. 6)
benannt ist, und die Verfolgung wurde fortgesetzt von Shihäbu-*d-din's grausamem
Neffen, dem Ikonoklasten Sikandar. Allmählich erhoben sich blutige Fehden zwischen
Sunniten und Schiiten, angeregt vornehmlich von den sogenannten Nur-Bakshi-
Schiiten, welche den herrschenden Sunniten entgegentraten. Akbar, der Partei für
die Sumiten nahm, stellte den FriMen äusserlich wieder her. Uebrigens gelten
die Kaschmir-Muhammedaner keineswegs für eifrige und devote Bekenner des
Islams.
Der Buddhismus scheint immer nur vorübergehend in Kaschmir geherrscht zu
hal>en; jetzt ist er ganz aus dem Thal verschwunden, und der brahmanische
Hinduismus und der Islam sind die zwei Hauptreligionen des Landes. Die Sikh
sind eingewanderte Panjäbi.
Ueber die ethnologische Zugehörigkeit der Kaschmirer wissen wir nichts Zu-
verlässiges. Es ist ein schöner, grossgewachsener, kräftiger Menschenschlag, aber,
wie schon Hiuen-tsiang bemerkt, sehr feige und schlau. Wahrscheinlich haben
langdauemde Unterdrückungen dies herbeigeführt. Unter der Hindu-Bevölkerung
haben Viele helle und röthliche Haut und Gesichtsfarbe; die Muhammedaner (Fig. 7),
welche, meiner Meinung nach, mit wenigen Ausnahmen die Nachkommen der ein-
heimischen Bevölkerung sind, machen merkwürdiger Weise durch ihre gebogenen
Nasen einen entschieden jüdischen Eindruck, obwohl deshalb auf etwaige semitische
Abstammung nicht geschlossen werden darf. Trotz des vorwiegend arischen Ur-
sprunges der heutigen Kaschmirer deuten noch manche Volksschichten auf das
Vorhandensein einer unarischen Urbevölkerung, wozu vornehmlich die Feldarbeiter,
auch die Batal (Batwal), Galawän (Pferdeknechte) und die sogenannten Dum oder
Dorfwächter zu rechnen sind.
Diese niederen Volksschichten sind von dunklerer Farbe als die übrigen
Kaschmirer, und beanspruchen, wie in anderen Theilen Indien's, die eigentlichen
Herren des Bodens in alter Zeit gewesen zu sein. Und diese Ueberlieferung
acheint durch die bei Hiuen-tsiang sich vorfindende und vorher erwähnte Sage
von der durch Madhyäntika nach Kaschmir gebrachten dienenden Klasse der Ki-
li-to, welche sich später zu Herren des Landes machten, bestätigt zu werden.
Wenn man nun bedenkt, dass der religiöse Cultus der Ur-Einwohner Indien's der
weiblichen Energie, der äakti oder Devi geweiht war, und dass dieser später Auf-
nahme in das brahmanische Religionssystem fand, so ist das Vorwiegen der Devi-
(■->02)
Fig. 6.
Blick von iler Ali Kadal, ilPr eiKten Hriicke übur ilen JhiUm in ^rinajjar.
Fig. 6.
Ali'Hamadltni-Mo^chee in ^rina^'ar am Jhilam. ilie achönsU' aus H<>U i<rbantc UoBchov
(203)
Verehrnng im Kaschmir-Thale in dieser Binaicht aehr beacbtenswsrth. Zunächst
gehört dieser Gottheit dag ganze Thal, denn es war ursprünglich ihr See, der
Satisaras. Dann aber ist ihr der heiligste Platz in Kaachmir, zu dem aus ganz
Indien Brahmanen herbeiaträmen, d. h. die Quelle der Khir (Ksfaira = Milch)
BhaTänl bei Talamnla am Ausgange des Sindbu-Thales, nnweit von Gandarba],
geweiht. Dort steht ein kleiner, in anaprachsloser Form erbauter Tempel, in-
mitten von prächtigen Waldbäumen. Die Pilger müssen, wenn sie die Göttin be-
suchen, sich des Fleiachgeniiaaes enthalten; ihr werden Zucker, Milch, Beis und
Blomen als Opfergaben geweihi
Gruppe von 6 Muhanimedanern (4 Kaachmir-Bootleutcn) mit 2 Kindern
und 2 Faujäbi-Dienera.
Die Gottheit auf dem Uari Parvnt. ebenTalls eine Göttin, iat die Hör oder
g&rikä D^'i, welche die schwarze oder grause Seite der Amm», die Räli, re-
präsentirt, weshalb ihr auch Fleiachopfer gespendet werden. So giebt es noch
viele Tempel in Kaschmir, welche ausschliesslich dem Cultus der D^vt dienen.
Viele derselben stammen allerdings aus spiiterer Zeit, aber sie sind trotzdem als
Evidenz Tür die urapriingliehe Religions-Anschauung der eingebomen Bevölkerung
beachtenswerth.
Das Kashmtri, die Landessprache in Kaachmir, ist aus dem alten Präkrit
entstanden, und ist eng TerknUpft mit den benachbarten Pahäri- oder IlUgel-
Dialekten. Es hat aber viele Wörter aus dem Persischen, Arabischen, Tibetanischen,
Panj&bi und Uindustäni entlehnt —
(204)
(33) Hr. F. V. Luachan bespricht
eine neue Form der Armbrust
aus dem Uinterlande von Kamerun. Die vor*
gelegten Stücke stammen aus einer Sammlung, die
das Berliner Museum kürzlich von dem Lieutenant
Freiherm v. Stein erworben hat und aollen fUr
die Bnkwiri charakteristisch aein. Im wesent-
lichen schliessen sie sich an die gewöhnliche Arm-
brust der Fan an, sind aber mit einem langen
hölzernen Laufe versehen.
Bekanntlich wird allgemein angenommen, dass
die Armbrust der Fan nicht autochthon ist, son-
dern sich im Laufe ron etwa Tier Jahrhunderten
aus der europäischen Armbrust entwickelt hat;
diese Ansicht ist nicht ganz ohne Widerspruch
geblieben, aber wie immer sich das verhält. Dir
die neue Armbrust der Bakwiri kann gar kein
Zweifel sein, dass sie ala eine Gombination der
Fan-Armbrust mit einer europäischen Flinte auf-
zufassen ist. Die beistehende Abbildung zeigt den
wie bei einer Flinte gebildeten, veraierten Schalt
und den sehr stark gekrümmten Bügel. Die Sehne
ist aus Bastfasern gedreht und sehr krärtig; der
nAbzug" ist noch primitiver, oder richtiger gesagt,
noch mehr degenerirt, als dies schon bei der Arm-
brust der Fan der Fall ist: die gespannte Sehne
wird in eine geschweiite Rinne gelegt und beim
Losschieasen mit einem Finger in die Höbe ge-
hoben. Die Bolzen sollen einfache runde Stäbchen
aein, etwa i^ cm lang und 3— 4 mm dick, natürlich
ohne irgendeine Art von Befiederung. Die Ber-
liner Sammlung besitzt zwei Stücke dieser bisher
unbekannt gewesenen Armbrust, die unter IIIc,
686:1 und 63 katalogisirt sind: der Lauf der einen
ist t,63, der der anderen 1,38 m lang. Die Aus-
höhlung scheint mit einem glühenden Draht er-
folgt zu sein und ist eine sehr regelmässige. Hier
Torgenommene Sc biessr ersuche haben ergeben,
dass trotzdem die Treffsicherheit eine recht geringe
ist; natürlich leidet auch die Anfangs-Gflschwindig-
keit des Projectiles durch die Reiboog in dem
langen Laufe und die Waffe kann daher kaum
als eine besonders glücklich construirte bezeichnet
werden. Es ist wahrscheinlich, dass die Bolzen
vergiftet wurden, um wenigstens dadurch die
Wirkung etwas kralliger zu gestalten. —
Armbnut der Bakwiri, '/,.. d. n. Gr.
(205)
(34) Neu eingegangene und erworbene Schriften:
1. Virchow, R., Ueber ^Criminalanthropolögie. München 1896. (Corresp.-Blatt
der deutschen anthrop. Ges.) Gesch. d. Verf.
2. Jacobsthal, J. E., Orientalische Neusilber-Einlagen in Holz und Hom. Berlin
1888. (Blätter für Architektur u. Kunsthandwerk). Gesch. d. Verf.
3. Boas, F., The limitations of the comparative method of anthropology. New-
York 1896. (Science.)
4. Derselbe, Traditions of the Ts'ets'ä'ut. Boston, o. J. (Journal of American Folk-
Lore. Vol. IX— Nr. 35.)
5. Derselbe, Sixth report on the Indians of British Columbia. Lirerpool 1896.
(Report on the North-Westem Tribes of Canada. Section H.)
Nr. 3—5 Gesch. d. Verf.
6. Ploss-Bartels,Das Weib. 5. Aufl. 6. u. 7. Lief. Leipzig 1897. Gesch.
d. Verf.
7. Conwentz, Erläuterungen zu den rom Westpreussischen Prorincial-Museum
in Riga 18^6 ausgestellten Gegenständen. Danzig 1896. Gesch. d. Verf.
8. Buschan, G., Einfluss der Rasse auf die Häufigkeit und die Formen der
Geistes- und Nervenkrankheiten. Berlin 1897. (Allg. Med. Central-2jeitung.)
Gesch. d. Verf.
9. Cora, G., Die Zigeuner. Turin, o. J. (Ausland 1890.) Gesch. d. Verf.
10. Fewkes, J. W., The Miconinovi flute altars. (Boston), o. J. (Joum. Amer.
Polk-Lore IX., Nr. 35.)
11. Derselbe, Pacific coast shells from prehistoric Tusayan pueblos. Washington
1896. (Amer. Anthrop.)
12. Derselbe, Two ruins recently discovered in the Red-rock country, Arizona.
Washington 1896. (Amer. Anthrop.)
13. Derselbe, The prehistoric culture of Tusayan. Washington 1896. (Amer.
Anthrop.)
14. Derselbe, Tusayan totemic signatures. Washington 1897. (Amer. Anthrop.)
Nr. 10—14 Gesch. d. Verf.
15. Conze, A., üeber den Ursprung der bildenden Kunst. Berlin 1897. (Sitzungsb.
d. K. Pr. Akad. d. Wissenschaft.) Gesch. d. Verf.
16. yanderChijs, J. A., Nederlandsch-Indisch Plakaatboek. 15.Deel. 1808—1809.
Batavia 1896. Gesch. d. Verf.
17. Piette, M. E., Fouilles faites a Brassempouy en 1895. Paris 1896. (Bull.
Societe d'Anthrop. de Paris.)
18. Derselbe, Etudes d'ethnographie prehistorique. Paris, o. J. (L'Anthropologie
VII Nr. 3.)
Nr. 17 u. 18 Gesch. d. Verf.
19. Mercer, H. C, An exploration of aboriginal shell heaps revealing traces of
cannibalisra on York river, Maine. Boston 1897. (Publ. of the University
of Pennsylvania.)
20. Derselbe, The discovery of aboriginal remains at a rockshelt^r in the Delaware
Valley known as the Indian hoase. Boston 1897. (Publ. of the Univers,
of Pennsylv.)
21. Derselbe, An exploration of Durham cave in 1893. Boston 1897. (Publ. üniv.
of Pennsylvania.)
Nr. 19—21 Gesch. d. Verf.
22. Radioff, W., Altas der Alterthümer der Mongolei. IIl. Lief. St.-Petersburg
1896. Gesch. d. Raiserl. Akademie d. Wissensch.
(206)
23. Bulletin de la societe ouralienne d'amateurs des sciences naturelles. XIII lirr.
2. und XV livr. 1. Ekaterinebui^ 1891—95.
24. Hazeu, 0. A. J., Bijdrage tot de Kennis van het Javaansche Tooneel. Leiden
1897. (Dissertat.)
Nr. 23 u. 24 durch Hrn. R. Virchow.
25. Hendriks, H., Het Burusch van Mäsarete. 's Gravenhage 1897. Gesch. <).
K. Instituut van Nederlandsch-Indie.
26. Rijks ethnographisch Museum te Leiden. 12 Berichte ran anno 1894 en
5 Berichte van anno 1895.
27. Serrurier, Uittreksel uit het Verslag van den diiecteur van's rijks ethnographisch
Museum te Leiden. 1894/95.
(Nr. 26 u. '27 sind vom R. ethnogr. Museum in Leiden geschenkt.)
28. Serrurier, L, De Wajang Poerwä. Leiden 1896. Gesch. des Ministers van
Binnenlandsche Zaken.
29. Miller, G. S., The beach mouse of Muskeget Island. Boston 1896. (Proc.
Boston S. N. H.)
30. Shaler, N. S., Conditions and effects of the expulsion ofgases from the earth.
Boston 1896. (Proc. Boston S. N. H.)
31. Proceedingsof theannualmeeting, May 6, 1896. Boston 1896. (Proc. Boston S.N.H.)
32. Dyar, H. G., On the larvae of the higher bombyces (Agrotides Grote.) Boston
1896. (Proc. Boston S. N. H.)
33. Marcou, J., The Jura of Texas. Boston 1896. (Proc. Boston S.N.H.)
34. Bangs, 0., An important addition to the fauna of Massachusetts. Boston 1896.
(Proc. Boston S. N. H.)
35. Woodworth, J. ß., On the fracture System of joints, with remarks on certain
great fractures. Boston 1 896. (Proc. Boston S. N. H.)
36. Batch eider, Gh. F., Some facts in regard to the distribution of certain mammals
in New-England and Northern New-York. Boston 1806. (Proc. Boston S. N H-)
37. Füller, M. L., A new occurrence of carboniferous fossils in the Narragansett
basin. Boston 1896. (Proc. Boston S. N. H.)
38. Mason, 0. T., Primitive travel and transportation. Washington 1896. (Report
U. S. Nat. Mus. for 1894.)
39. Culin, S., Mancala, the national game of Africa. Washington 1896. (Report
U. S. Nat Mus. for 1894.)
40. Wilson, T., The golden patera of Rennes. Washington 1896. (Report CS.
Nat. Mus. for 1894.)
41. Derselbe, The Swastika. Washington 1896. (Rep. ü. S. Nat Mus. for 1894.)
42. Satoh, A., The wooden statue of Baron II Ramon-No-Rami Naosuke. Wash-
ington 1896. (Rep. U. S. N. Mus. f. 1894.)
43. Mc Guire, J. D., A study of the primitive methods of drilling. Washington
1896. (Rep. ü. S. N. Mus. f. 1894.)
(Nr. 29—43 sind vom Smithsonian Institut geschenkt.)
44. Glasnik. VIII. 1896. Nr. 3—4. Sarajevo 1896. Gesch. d. Herrn R. Virchow.
Sitzung vom 15. Mai 1897.
Vorsitzender: Hr. R. Virchow.
(1) Die Gesellschaft hat folgende ordentliche Mitglieder durch den Tod
verloren :
Medicinalrath Dr. Menger, langjähriges und sehr verdientes Mitglied des
Central-Comites der deutschen Vereine vom Rothen Kreuze, am 29. April. —
Maurermeister Strassmann, einen der um die Stadt Berlin hochverdienten
Gebrtlder Strassmann, am 3. Mai. —
Dr. Marimon y Tudo in Sevilla, ihr einziges spanisches Mitglied. —
(2) Am 12. April ist der ausserordentliche Professor Dr. Julius Hoffory, ein
vorzüglicher Renner der skandinavischen Literatur, hierselbst verstorben. —
(3) Als neues Mitglied wird angemeldet: Gand. med. Alfred Bormann in
Berlin. —
(4) Das neu gewählte correspondirende Mitglied Hr. J. de Morgan dankt in
einem Schreiben an den Vorsitzenden aus Teil el Amama, 7. April, in den freund-
lichsten Ausdrücken für die ihm erwiesene Ehre und macht zugleich Mittheilung
über die
Auffindung eines Königsgrabes in Negada.
^Je prepare, en ce moment, un travail sur une tombe royale que je viens de
decouvrir ä N^gadah. Gette s^pulture, dont le monument en briques crues ne
renfermait pas moins de 27 chambres, contenait une foule d^objets du plus haut
interet.
„Nous ne possedons que la banniere royale, et les egyptologues ne sont pas
encore fix^s sur sa lecture. Dans tous les cas ce roi appartient aux d^buts des
annales eg^tiennes. II n^est certainement pas posterieur ä ia II® dynastie, mais
probablement doit etre ränge dans la premiere.
^Les chambres royales, dans lesquelles tout le mobilier avait ete incendi^,
contenaient tres peu d^objets metalliques, un grand nombre dUnstruments de siiex,
beaucoup de vases de terre et de pierre, des vases en quartz et en obsidienne, des
fignrines d^ivoire repr^sentant des lions, des chiens et des poissons, des pieds de
meubles en ivoire et un grand nombre de sceaux faits au cylindre et portant des
textes qui n'ont encore pu etre interpretes, tant ils sont archaiques.
„J'espere, Monsieur le President, que cette nouvelle interessera nos collegues;
cette decouverte nous foumit un jalon de plus dans les debuts de Thistoire
^gyptienne.** —
I
(208)
(5) Das ordentliche Mitglied Hr. W. Krause sendet in einem Sehreiben an
den Vorsitzenden vom Bord der „Karlsruhe", südlich von Kreta, 23. April, einen
Bericht über den Antritt seiner
australischen Reise.
„In Antwerpen musste ich mich mit dem Lloyd-Dampfer etwas aufhalten und
sah im Musee du Steen ein Dutzend ziemlich merkwürdiger Schädel. Hr. Baron
de Yinck sagte mir, dass sie einer paläontoiogischen Gesellschaft in Antwerpen
gehörten, die sich jedoch aufgelöst hätte. In dem offtciellen Kataloge des Musee du
Steen, den ich nach Berlin mitbringen werde, sind sie nicht registrirt. Sie stammen
von Ausgrabungen her, mit ein Paar Ausnahmen, die zur Vergleichung aufgestellt
zu sein scheinen; diese sind ganz modern und könnten Negern oder Papua's an-
gehört haben. Zu näherer Untersuchung fehlte mir die 2jeit
„Ein instructives Verfahren sah ich im zoologischen Garten zu Antwerpen.
Man vereinigt wohl überall die Raubthiere, Raubvögel, Stranssvögel u. s. w. zu
Gruppen. In Antwerpen aber sind innerhalb der Gruppen die näher verwandten
Arten in räumliche Nachbarschaft gebracht, was die Vergleichung erheblich er-
leichtert. Ausserdem haben die über nur kleine Bezirke verbreiteten Species neben
ihren Namen eine kleine Weltkarte hangen, worauf in rothem Deberdrnck der be-
treffende Verbreitungsbezirk angegeben ist." —
(6) Das Secretariat der Anthropologischen Gesellschaft in Wien übersendet eine
Einladung zu einer Excursion nach Brunn und Umgegend für die Tage vom
27. bis 29. Mai. Der dortige Geschäftsführer, Hr. Alexander Makowsky, der hoch-
verdiente Erforscher der Brünner Lössfunde, schickt das reichhaltige Programm,
welches vorgelegt wird. —
(7) Der Vorsitzende der Niederlausitzer Gesellschaft für Anthro-
pologie und Alterthumskunde, Hr. H. Jentsch, übersendet nochmals die Ein-
ladung und das Programm für die am 8. und 9. Juni in Finsterwalde zusammen-
tretende 13. Hauptversammlung der Gesellschaft.
In dem an den Vorsitzenden gerichteten, sehr warmen Begleitschreiben wird
die Bitte um persönliche Theilnahme wiederholt und über das Wachsthum der Ge-
sellschaft berichtet, die gegenwärtig schon 415 Mitglieder zählt.
Der Vorsitzende bedauert, dass die gleichzeitige Tagung des Congresses für
innere Medicin in Berlin es ihm unmöglich macht, an der Versammlung der von
ihm so hoch geschätzten Gesellschaft persönlich theilnehmen zu können. —
(8) Es liegen verschiedene Einladungen zur Theilnahme an belgischen Con-
gressen vor: ausser dem Congres archeologique de Malines und der Ex-
position internationale (S. 27, 163) wird ein internationaler Gongress für
Nerven-Heilkunde, Psychiatrie, Elektro-Pathologie und Hypnologie
auf den 14. bis 19. September nach Brüssel berufen. —
(9) Der schon früher (S. 85) besprochene Verein für sächsische Volks-
kunde, dessen Satzungen eingegangen sind, hat die erste Nummer seiner „Mit-
theilungen ** erscheinen lassen. —
(10) Aus Hohenstadt in Mähren ist ein Aufruf des ^Ausschusses für die Er-
greifung umfassender Schutzmaassregeln zur Erhaltung der deutschen
(209)
Sprachinsel Hohenstadt und Umgebnng" TomJuli 1896 eingesendet worden,
welcher, unter Aufzählnng der grOBsen Opfer, welche die BUrger der kleinen,
kanm 3000 Einwohner zählenden Stadt fUr die AafrecbthBltuDg ihrer nationalen
Stellung gebracht haben, dringend nm Httlfe bittet. —
(U) Hr. General t. Erobert schenkt Iilr die Sammlung der GeHellschaft eine
Reibe charakteiistiscber Photographien kaakasisoher Typen. —
(19) Hr. E. Rösler Übersendet aus Sohnsoha, 19./31. März, folgende Hit-
theilnngen über
archäologische Funde in Trsnshaukasien.
1. Photographische Abbildung prähistorischer Thongefässe
ron Dshawat, Gouvernement Baku.
Die Äschenkrlige stammen aus dem Kreise Dshawat, Gouvernement Baku,
Transkaakasien, und befinden sich im Besitze des Hm. Baba Ttlnebekjanz in
Sohuscha. In meinem vorjährigen Berichte über archäologische Forschungen in
Transkaukasicn ist dieses Fundes bereits Erwähnung getban worden, vergl, Verb.
1896, 8. 169, HO dass die vorliegende Abbildung als Illastrations-Ergänznng der
betreffenden Noliz angesehen werden kann. Letztere möchte ich heute noch durch
(210)
einige Bemerkungen vervollständigen, da ich anlangst (jelegenheit hatte, die Fund-
objeete einer sorgfältigeren Prüfung zu unterziehen.
Ueber die grosse Aehnlichkeit der Urnen mit denen von Dawschanli-Artschadsor,
Ssircl^awande-Ballukaja und Chodshali habe ich mich damals schon kurz geäussert;
sie ist sofort in's Auge fallend: dasselbe Kunstverständniss offenbart sich hier, wie
dort, in der vorzüglichen Arbeit, der gefälligen Form und dem originellen Buckel-,
Rillen- und Hand-Ornament. Zwar tragen die Oefasse vom Araxes nicht die typische,
schwarze Glanz-Farbe derer vom Chatschenaget u. s. w., doch ist dies — wie an
einzelnen von ihnen, an welchen noch Spuren des schwarzen Ueberzuges bemerkbar
sind — einst der Fall gewesen. Das jetzige verwaschene, graue Colorirt erklärt sich
aus dem längeren Verweilen der Urnen im Wasser des reissenden Flusses Araxes,
aus welchem sie — nach der ganz zufälligen Entdeckung des Depotfundes in Folge
eines Ufer- Abrutsches — zum Theil mit Netzen herausgefischt worden sind.
Die Ai^alogie zwischen den keramischen Erzeugnissen aus den Bronze-Oräbem
der Flüsse des östlichen Kleinen Raukasus, und zwar in dem im Norden vom
Chatshenaget und im Süden vom Araxes begrenzten Gebiete, darf somit als fest-
stehend ausgesprochen werden. Alle diese formvollendeten Artefakte machen den
Eindruck, als ob sie aus einer kunstgewerblichen Centrale hervorgegangen seien.
Diese hochentwickelte Periode der Töpferkunst nun fällt in die Bronzezeit mit
den letzten Nachklängen aus der Steinzeit; denn in allen Gräbern, worin solche
Urnen von mir gefunden wurden, bestand die metallische Ausbeute, neben Gold,
Silber und Zinn in unbedeutenden Mengen, nur aus Bronze. Mit dem Ver-
schwinden der Bronze scheint die Blüthezeit der keramischen Industrie hier ein
zeitweiliges Ende erreicht zu haben; wenigstens bin ich in Gräbern aus der
üebergangszeit von der Bronze zum Eisen, in denen also neben Bronze schon
Eisen auftaucht (Gräber aus der reinen Eisenzeit sind mir bis jetzt in dieser
Gegend überhaupt noch nicht vorgekommen), niemals auf keramische Producte
dieser Art gestossen.
Von den nach Angabe des Besitzers in und mit den Krügen an's Licht ge-
förderten zahlreichen Silbermünzen konnte ich bis heute trotz aller Bemühungen
noch keine zur näheren Untersuchung erhalten, was sehr zu bedauern ist, da es
ja höchst wichtig wäre, daraus zu bestimmen, wann ungefähr die Sachen der Erde
anvertraut sein mögen; doch hat Hr. Tünebekjanz versprochen, eine der Münzen
der Kaiserlichen Archäologischen Commission in Petersburg zur Ansicht zu senden.
Dass derselbe sich nach Jahr und Tag nun doch noch entschlossen, seine irdenen
Schätze für einige Minuten dem Objectiv des Photographen preiszugeben, verdient
dankende Anerkennung! —
2. Ein durchbohrter Steinhammer von Horadies.
Gouvernement Elisabethpol.
Der Hammer ist, entgegen meiner Anordnung, vom Photographen leider
nicht von der vortheilhaftesten Seite wiedergegeben worden. Er wurde im vorigen
Jahre etwa 8 Werst nördlich vom Flusse Araxes im Dorfe Horadies, Kreis
Dshebrail, Gouvernement Elisabethpol, gefunden. Erdarbeiter stiessen beim Aus-
heben des Grundes zu einem Hausbau auf zwei solcher Instrumente, wobei eines
von ihnen, und zwar das grössere, ^der Wissenschaft wegen" zerschlagen') und
verworfen wurde. Der im Bilde reproducirte kleinere Hammer aber kam durch
1) Es ist eine sich bei meinen archäologischen Aus^abungen steta wiederholende,
nicht gerade angenehm berührende Erscheinung, dass die hiesigen Arbeiter an den ans
(2U)
Znfall dem mir bekannteD, im Flecken Wank residirenden Pristaw BachschN
Bek Ter-Akopofr in die Hände, der sich, gelegentlich seiner letzten Anwesenheit
in Schascha, bewegen liess, ihn mir Hlr die Kaiserliche ÄrchäologiBche Commission
zn überlassen.
Das Uaterial des Artefakts ist graugrüner, sehr fester, von schwarzen und
gelblichen Adern nnd bandartigen Streifen durchzogener Stein (Serpentin?). Das
sich nach beiden Enden zu verjüngende Oeräth hat eine randliche, leicht gebogene
Form and länn vom, an dem vom Stielloch aus längeren Tbeiie, in eine auf
beiden Seiten mit zwei schlafen artigen Ginsenkungen versehene, ziemlich scharfe,
gewölbte, intacte Schneide aus, während der kürzere, hintere Theil in einer stumpfen
Spitze endigt und ebenfalls solche Flankeneinbuchtungen aufweist. An diesem
Ende trägt das Werkzeug, durch das Vergrösserungsglas betrachtet, deutlich erkenn-
bare Sparen seines Gebrauchs in Gestalt von Schrammen und Kitzen. Das Stielloch
ist fassartig geformt und sehr glatt gebohrt. Der obere Rand desselben ist etwas
ausgebrochen, der untere wohlerhalten, sich nach aussen sanft erweiternd. Der
Hammer ist sehr saaber gearbeitet und schön geglättet. Sein Gewicht beträgt
200 ff.
Fig. 2. V.
Der üoradieser Steinharomer erregt nach meiner Meinung besonderes Inter-
esse, da er — soviel mir bekannt — das erste in dieser Gegend Transkaukasiens
gefundene Artefakt Ist, welches ohne Zweifel den ausgeprägten Charakter der
Geriithe des neolithischen Zeitulters trägt. Zudem ist die Zahl der hier im
Kleinen Kaukasus gemachten Funde vorgeschichtlicher Steingeräthe, welche zur
positiven Beweisführung der Existenz einer ausgebreiteten Steincnltnr dienen
kannten, einstweilen leider ja noch eine sehr beschränkte. Die im westlichen
Gebiete des Area gesammelten, ans den Stollen alter Salzbergwerke stammenden,
sowie die bei Belenendorf, unfern Eliaabethpol, einem Steinbmche entnommenen
Hämmer: — das igt wohl so ziemlich Alles, was das südliche Transkaukasien bis
jetzt von dem am meisten typischen Hauptwerkzeng dieser Epoche aufzuweisen hat.
Fast alle diese Instrumente sind aber noch recht mangelhalt gearbeitet: ungeglättet
einem Grabe heruisbefOiderteii GegeniUndeo, bevor sie sie weitergeben, unbedingt erst
ihre Kraft versuchen müssen. Gelingt ihnen diese djnamische Probe, was ja nicht selten
der Fall ist, so pflegen sie mir die Stücke des lerbrochenen corpus delicti mit einem viel-
BBgeodea, verstand aissioni gen Grinsen in fiberreichen. —
(212)
and angebohrt, and scheinen — wie sieh ja auch durch die Stätte ihres Aaffindens hin-
reichend erklärt — nar zum Losschlagen der Erze und des Gesteins benatzt worden
zu sein, mithin also ihre Entstehung mehr einem örtlichen Bedtlrfniss verdankt zu
haben. Von einer hier zu Lande entdeckten ausgesprochenen Culturstätte aus der
Steinzeit dagegen kann heute noch keine Hede sein. Gegen die wenigen erwähnten
Steingeräthe bekundet nun der Hammer ron Horadies einen ganz gewaltigen kunst-
gewerblichen Fortschritt, und es drängen sich die Fragen auf: woher tauchen hier
plötzlich solche Artefakte mit unyerkennbarem Gepräge der jttngeren Steinperiode
auf? Sind sie Ausflüsse einer selbstständigen Cultur oder aus anderen Gegenden
eingeführt?
Vielleicht rechtfertigt sich meine aus der Lage der Dinge resultirende Ver-
muthung, dass an dem Fundorte des Stackes — einem Ton (Gebirgsausläufern ge-
bildeten, sich in der Richtung NW. — SO. gegen den Araxes öffnenden Thale —
ehemals eine neolithische Absiedlung bestanden haben mag. Um nun dieser Sache
auf den Grund zu kommen, habe ich bei Einsendung des Fundobjects an die
Kais. Archäol. Kommission in Vorschlag gebracht, mich mit der näheren Er-
forschung der Oertlichkeit zu beauftragen. Gelangt diese für die berorstehenden
Osterferien geplante Untersuchung des Dorfes Horadies und seiner Umgebung zur
Ausführung, so gedenke ich auf der Rückreise einige der am Köndalan-tschai, beim
Dorfe Karabulagh, belegenen, in meinem Bericht über die Dshebrailer Excursion
vom Jahre 1895 schon beschriebenen Grabhtigel auszugraben.
Hoffentlich hat der in diesem Jahre überaus andauernde schneereiche Winter
bis dahin das Feld geräumt und der ersehnte Lenz die Bahn über das Gebirge
freigelegt —
Hr. R. Virchow: Die Mittheilungen des unermüdlich thätigen Forschers er-
regen diesmal besonderes üiteresse.
Die Thongefässe schliessen sich den durch die Ausgrabungen der HHm.
Bayern und W. Belck an der Akstafa und bei Kalakent in grosser Zahl zu Tage
geförderten nahe an. Es wird daher nicht zu bezweifeln sein, dass das ganze
Hochland zwischen Rura und Araxes demselben Calturgebiet angehört hat Fraglich
erscheint es dagegen, ob dieses Gebiet der reinen Bronzezeit zugerechnet werden
darf. Allerdings haben sich in manchen der Gräber dieses Hochlandes nur Bronze-
sachen gefanden, weshalb schon Bayern die Gräber an der Akstafa in diese Zeit
versetzte; aber auch er hat sich bei weiteren Nachforschungen überzeugt, dass nicht
wenige Eisengeräthe darin zu finden sind. Wir werden daher, wie bei so vielen
kaukasischen Gräbern, diese Anlagen wohl richtiger dem Beginn der Eisenzeit zu-
rechnen müssen. Immerhin kommen wir damit schon recht weit rückwärts in die
Vorzeit hinein.
Noch ?iel wichtiger ist der polirte und durchbohrte Steinhammer. Auch mir
ist kein analoges Stück aus Transkaukasien bekannt Ich finde aoch keinen Grund,
dieses Stück in Betreff seiner Annäherung an die jüngere Steinzeit zu bemängeln.
Einen entscheidenden Beweis dafür aber rermag ich in seiner Auffindung nicht zu
erkennen. Bei uns im Norden finden sich, wie ich erst neulich wieder hervor-
gehoben habe (Verhandl. 1896, S. 485), derartige Steinhämmer zweifellos bis in
die Eisenzeit hinein. Dass auch in dem fernen Südosten Aehnliches vorgekommen
sein mag, wird einigermaassen wahrscheinlich durch den Umstand, dass Stein-
hämmer in verschiedener Form und Grösse auf dem armenischen Plateau recht
häufijT, und zwar unter Umständen, welche kein so hohes Alter anzeigen, gefunden
werden, ja dass noch heut zu Tage Steinhämmer dort vielfach im Gebrauch sind. Ich
(213)
verweise deswegen auf meine Mittheilungen in früheren Verhandlungen (1881,
8. 415; 1882, S. 215; 1884, S. 587). Das in der Abbildung dargestellte Stück
zeichnet sich jedoch ror den gewöhnlichen Steinhämmem durch seine künstliche
Glättung und die correcte Bohrung vortheilhaft aus, und ich erkenne an, dass es
in höherem Maasse an die Form der neolithischen Zeit erinnert. Nur möchte ich
nicht verschweigen, dass die vorspringende und verhältnissmässig scharfe, gebogene
Schneide schon stark an metallische Vorbilder erinnert. —
(13) Von Hm. J. D. E. Schmeltz ist ein neuer, vollständiger Abguss des
seiner Zeit (Verh. 1896, S. 186) angemeldeten japanischen Schädel-Artefaktes
eingegangen, das Hr. Serrurier mit dem Pithecanthropus erectus Dub. in Be-
ziehung gebracht hatte.
Hr. Rud. Virchow legt dasselbe vor, bezweifelt aber, dass irgend eine solche
Beziehung bestanden haben könne. Der Hirntheil dieses Schädels hat nicht die
mindeste Aehnlichkeit mit dem Fragment des Pithecanthropus. Der Gesichtstheil
ist allerdings in vielen Stücken thierähnlich , namentlich in Betreff des colossalen
Gebisses; da jedoch von diesem Theil an dem Pithecanthropus nichts erhalten
ist, so lässt sich auch keine Vergleichung anstellen. Im Ganzen macht das Artefakt
jedoch so sehr den Eindruck einer Carricatur, dass an ein naturalistisches Vorbild
desselben kaum gedacht werden kann. Es handelt sich wohl nur um das Er-
zeugniss einer durch die sonderbaren Götter- und Dämonen -Figuren der Ost-
Asiaten erregten Phantasie. —
(14) Hr. V. Gross übersendet unter dem 24. April aus Neuveville die
Photographie einer eisernen Dolchklinge aus dem Bieler See.
Der Dolch ist in der Nähe von Neuveville in einer Tiefe von 60 cm in dem
Seesande gefunden worden. Er ist 47 cm lang, wovon 33 cm auf die Klinge
fallen. Er hatte einen hölzernen Griff und steckte in einer Lederscheide, die mit
einer Bronze-Garnitur verziert war. Auf einer Seite des Griffes fand sich in der
ganzen Länge eine Reihe schwer zu deutender, an gothische Schriftzeichen er-
innernder Gravirungen, über welche ein Gutachten gewünscht wird. —
Hr. E. Friede! hat das Stück, welches der letzten Zeit des Mittelalter»* an-
zugehören scheint, durch Dr. Bahr fei dt untersuchen lassen. Dieser erkennt daran
ein AVE MARIA und Aehnliches. —
(15) Hr. J. A. Jentsch in Dresden übersendet weitere Bemerkungen über das
Wort Korke!.
Bei der Frage, ob das plattdeutsche Wort Rurkel als Bezeichnung einer
Pantoffel-Art von dem deutschen Worte Kork oder aus dem Slavischen abzuleiten
sei (Verhandl. 1896, S. 186), kann es gestattet sein, auf Johann Beckmann
zu verweisen. Dieser erzählt auf S. 481 im 2. Bande seiner „Beyträge zur Ge-
schichte der Erfindungen^ von dem Korke, dass man schon im alten Rom, wie
noch zu seiner Zeit (1788) in Deutschland, aus dem Korke Sohlen machte, die
in die Schuhe gelegt wurden, um die FHisse, sonderlich im Winter, wider Nässe zu
sichern (Vsus praeterea in hibemo feminarum calceatu. PI in.). Beckmann be-
richtet weiter: „Weil man damals noch nicht die hohen Hacken an den Schuhen im
Gebrauch hatte, so legten die Mädchen, welche gern grösser scheinen wollten, als
sie waren, recht viel Kork unter (Xenophon de tuenda re famil., und Clemens
Alex. lib. 3 paedag.).** Nach Beckmann wurde im 16. Jahrhundert in Frankreich
der meiste Kork zu Sohlen verbraucht (Karl Stephanus in seinem Praedium ru-
C2H)
Bticum vom Jahre 1553: cortex ad nos plariraos defertnr, maniendia adTGraaa fri-
gori« injuriam bieme calceamentiB). Ceber den Namen Kork aagt Beckmann aar
8. 477: Dass Saber der Lateiner anser Korkbanro sei, wird allgemein angenommen,
und dae mit Recht, Offenbar meldet Plinins ron ihm Alles, was Theophrnst
fem ({ifXXo'^ gesagt hat (lib. 16. eap. 8. p. 7.), und Uberdem ersieht man aus seiner
Nachricht, dass man schon zu seiner Zeit vom Korke Tast einen so mann ich faltigen
Gebranch wie jetzt gemaclit hat. Unser deutscher Name Kork ist wohl mit der
Waare selbst zu uns aas Spanien gekommen, wo man dieselbe corcho (de alcor-
Doque) nennt. Ursprünglich ist es gewiss cortex der Lateiner, die schon selbst den
Kork ohne weiteren Znsatz corticem genannt haben. So sagt Horaz Od. III, 4:
tu levior cortice, und Plinius: non infacete Qraeci (suber) corticis arborem
appellant. —
(16) Hr. Sanitätsrath Dr. Köhler in Posen übersendet unter dem 9. Mai
folgende Mittheilung Über
Geflügelte Lancenspitcen.
In der Nähe der Stadt Obornik, Pr. Posen, holten Fischer vor 3 Jahren in
einem Netze aas der Warthe zwei eiserne Lanzenspitzen herans, welche jetzt in meiner
Sammlung sich befinden. An der Fundstelle soll früher eine Fahrt gewesen sein.
Da eine dieser Speerspitzen anbedingt in unserer Gegend zu den gröasten Selten-
heiten gehört, ja wohl ein Unicum ist (denn trotz meiner Recherchen konnte ich
keine zweite in der Provinz nachweisen), so werde ich dieselbe genauer beschreiben,
ehe ich zu weiteren Bemerkungen und Erläuterungen Übergehe.
I. Geflügelte Lanzenspitze (Fig. 1). Dieser Speer
hat zu beiden Seiten der TUlle je einen qnerstehenden Haken ;
diese bilden mit der Klinge und TUlle gleichsam ein Kreuz.
Dies Speereisen ist .')5 em lang, wovon auf die Tülle 16 c«
abgehen. Die spitie, flache Klinge steigt sanft nach der
Mitte zu, ohne eint Rippe zu bilden, und misst an der
breitesten Stelle 5,5 cm. Nach unten zu verjüngt sich die
Klinge und geht in die Tülle über, die wiederum an dem
offenen Ende breiter wird. Die Seitenflächen der Schaft-
röhre oberhalb der Flügel sind flach, nicht abgerundet, und
bilden langgestreckte Dreiecke, deren spitzer Winkel oben
in die Schneide der Klinge ausläuft. An den Seiten des
unteren Drittels der Tülle befinden sich zwei Zapfen, wie
die Querstangen an Schwertern; ihre oberen und seitlichen
Kanten sind gerade, die unteren dagegen bilden einen halben
Bogen. Der obere Rand der Flügel ist ö,5 €■/', der seitliche
l,j cia lang. Unter beiden Flügeln befinde! sich je ein
durch die Wand der Tülle durchgehender Nietnagel. An
der inneren Tüllenwand haften Reste des Holzschaftes. Der
Speer ist an einigen Stellen durch Rost angegriffen, die
Tülle an einer Seite der Länge nach geplatzt.
'i. Die weidenblattäbniiche Speerspilze (Fig. i).
Die Länge betragt 45 an, die grösste Breite 4 cw. Die
Mein lange Tülle ist an dem Schaflende breiter, ihr Rand
durch Rost zerfressen, NielenölTnaagen sind nicht vorhanden.
Der Speer ist gut erhallen, an einzelnen Stellen mehr oder
Fig. 1.
(215)
Fig. 2.
Va
mehr oder weniger durch Rost angegriffen. Die Rlingenfläche erhebt sich leicht
nach der Mitte zn, eine Mittelrippe besteht nicht.
Eine besondere Würdigung erfordert die Lanzenspitze mit seitlichen
Zapfen (Fig. 1) schon deswegen, weil sie das erste Exemplar ist, welches
in früher polnischen Ländern, ja im Osten, gefunden wurde. Es drängt
sich aber auch die Frage auf: ist diese Art von Lanzen spitze slavischer
Herkunft, wie es behauptet wurde? oder welchen Landes Erzeugniss?
und auf welchen Wegen ist sie in das Posensche gekommen? Zum
Schluss will ich auch zu erklären mich bestreben, welchem Zwecke
diese Haken, Zapfen, Querstangen, auch Flügel genannt, dienten.
Um ein Urtheil fallen zu können, welches Volk zuerst Haken
an den Lanzenspitzen anbrachte, die unbedingt einen praktischen Zweck
beim Kampfe verfolgten, und aus welchem Lande dieselben über die Nach-
bargrenzen herübergekommen sind, muss man unter Berücksichtigung
der entsprechenden archäologischen Literatur eine Einsicht in die
grossen, neuesten Werke über die Trachten thun. Auf Grund des ge-
sammelten Materials wird es sich ergeben, wo man diese Waffen am
zeitigsten und am häufigsten in Gebrauch zog. Da diese Speere schon
in die theilweise historischen Zeiten fallen, werden wir auch die Wege,
auf denen sie zu uns gelangten, näher nachweisen können.
Walery Eljasz stellt in seinem Werke (übiory w Polsce i u
SQsiadow. Rrakau 1879. Bd. I, Th. 1 u. 2) in Stichen einige geflügelte
Lanzenspitzen dar. Auf Taf. I, Nr. 4 u. 5 sehen wir zwei fränkische
Soldaten aus dem IX. Jahrb., die mit Lanzen bewaffnet sind, deren
Spitzen Flügel zeigen mit dem bogenförmigen Ausschnitt, wie beim
Speer von Obornik. Diese Zeichnungen sind nach Quicherat: Histoire du costume
en France, abgebildet.
Ein nach dem Psalterium aus der Bibliothek zu Stuttgart dargestellter Krieger
hat ein Panzerhemde und ein Schild, ausserdem in der Rechten eine Lanze, deren
Spitze mit zwei Haken in der Form von Parallelogrammen versehen ist. Auf der-
selben Tafel Nr. 22 befindet sich noch eine nach Quicherat* abgebildete Speer-
spitze, deren Querbalken nach oben zu gewendet sind. Diese beiden Lanzen werden
dem X. Jahrh. zugeschrieben.
Nach Weiss (CostUmkunde) stellt Eljasz auf Taf. VIII Nr. 14 einen Ritter
aus dem XL Jahrh. nach dem Erangeliar zu Bamberg dar, dessen Lanzenspitze
Flügel in Form zweier Parallelogramme hat.
Auf Taf. XI, Nr. 6 sehen wir die durch Otto HL dem Polenkönige Boleslaus
im Jahre 1000 verehrte und in der Kathedrale zu Krakau aufbewahrte Lanze des
hl. Mauritius im Stich wiedergegeben, lieber diese Lanze hat Graf Alexander
Prze/dziccki (O wloczni zwanej ^S. Maurycego przechowanej w skarbcu Katedry
Krakowskiej. Warschau 186o) eine grössere Monographie geschrieben. Aus dieser
historischen Studie erfahren wir, dass die eben erwähnte Lanze eine Nachbildung
der eigentlichen „heiligen^ Lanze ist, deren sich der hl. Mauritius bediente, welcher
im Jahre 286 starb. Die deutschen Kaiser vertheilten Lanzen, welche eine mit
Reliquien versehene Nachbildung der Lanze des hl. Mauritius waren, an Fürsten als
Zeichen der Souveränität; eine solche Lanze erhielt auch von Otto IlL Boleslaus
von Polen. Przeldziecki bringt eine Abbildung der in Wien aufbewahrten
„heiligen^ Lanze, wie auch der an Boleslaus geschenkten. Sie ähneln einander,
sind aber nicht gleich; beide haben aber die uns jetzt näher angehende Eigenschaft:
beide haben ebensolche Flügel mit dem bogenförmigen unteren Ausschnitt, wie die
(216)
Lanzenspitze von Obornik. Beide entstammen ans dem Westen, denn dass die
Wiener Lanze nicht mit der, mit welcher Christas durchbohrt wnrde, identisch ist,
hat Przezdziecki vollkommen nachgewiesen.
Auf Taf. XV, Nr. 13—21 befinden sich unter den Sosdalen, die Nowogrod
überfielen, 3 Lanzenträger, dargestellt nach einer Miniatur aus einem Manuscript
vom XU. Jahrh. Die Lanzenspitzen sind zu den Seiten mit balkenförmigen Fort-
sätzen versehen.
Premislaus L, Fürst von Masovien, ist auf dem Siegel eines Diploms vom Jahre
1252 mit einer Lanze dargestellt, an der zwei 2iapfen in der Gestalt von Parallelo-
grammen sich befinden, unter denselben ein Fähnchen (Taf. XVIII, Nr. 4).
Ein Soldat des XIII. Jahrh. erscheint nach einer Miniatur des Manuscripts der
Leipziger Bibliothek mit einer Lanze bewaffnet, deren Spitze geflügelt ist (nach
Hefner, Taf. XXII).
Auf den Siegeln, welche Zakrzewski (Codex, dipl. majorisPoloniae. Posen 1881),
Stronczynski (Rilka stow o dawnych piecz^eiach w ogölnosci a w szczegolnosci
0 dawnych piecz^ciach polskich. IPrzegl^d bibliograficzno-archeologiczny. Warschau
1881) und Piekosinski (Materjaly sfragistyczne. Wiadomosci numizmatyczno-
archeologiczne. Rrakau 1892) beschrieben und in Abbildungen wiedergegeben haben,
finden wir keine geflügelten Lanzenspitzen, obgleich Lanzen auf ihnen vorkommen.
Die polnische Literatur bringt, wie wir uns überzeugen, wenig Beweise dafür, dass
in den polnischen Ländern geflügelte Lanzenspitzen in Gebrauch waren. Ihre An-
wendung im weiten Osten, im XII. Jahrh., weisen nur die Snsdalen, welche den
Angriff auf Nowogrod bewirkten, nach.
Im Westen bediente man sich im Kampfe viel öfter und schon zeitiger der
geflügelten Lanzenspitzen, was eine Durchsicht des neuesten, sehr umfangreichen
ethnologischen Werkes von Fr. Hottenroth (Trachten u. s. w. Stuttgart 1891) nach-
weist. Im II. Bde., Taf. 21 sind 3 Speere mit Flügeln, die den Franken vom VI.
bis XIII. Jahrh. zugeschrieben werden, abgebildet. Die Flügel sind nach der Spitze
zu ausgebogen, andere bilden nur Knöpfe, das dritte Paar hat die Gestalt von
Parallelogrammen. Zwei Speere, die auch Lindenschmit angiebt, und die wir noch
später berücksichtigen werden, sind auf Taf. 72, Bd. I dargestellt; beide stammen
aus der franko-merovingischen Zeit.
Den Franken oder Langobarden schreibt Hottenroth die auf Taf. 71, Bd. I
abgebildete geflügelte Lanzenspitze zu. Ein aus dem VIII. — IX. Jahrh. nach^ebil-
deteit Krieger auf Taf. 74, Bd. I hat an der I^nzenspitze Querbalken; dies ist
ein Krieger der karolingischen Zeit.
Aus dieser Zeit sehen wir auch die Abbildung eines byzantinischen Soldaten,
VIII.— XI. Jahrh. (Bd. I, Taf. 66), mit einer Lanzenspitze, an deren Tülle zwei
Paare Flügel angebracht sind.
Auf Taf. 1(*, Bd. II sehen wir einen Deutschen des X. Jahrh., der mit einer
Lanze mit geflügelter Spitze bewaffnet ist, einen anderen ans der Regierungszeit
Ottos IL, weiter schon ans dem XV. Jahrh. einen Gerichtsboten und aus der ersten
Hälfte des XVL Jahrh. Soldaten (Bd. II, Taf. 4H und 49).
Aas Italien hat sich in den Jahrbüchern von Genua die Abbildung eines
Ritters des XII. Jahrh. mit geflügelter Lanzenspitze erhalten (Bd. II, Taf. 27). Im
XV. Jahrh. waren italienische Soldaten mit Lanzen mit geflflgelten Spitzen bewaffnet
(Bd. II, Taf. 86.)
Aus Skandinavien giebt noch Hottenroth .Bd. II, Taf. 29) einen Ritter des
XIV. Jahrb., dessen Speerspitze mit Flüi^eln versehen ist.
(217)
Die Flügel der erwähnten Lanzenspitzen bilden fast durchweg Parallelogramme,
welche, wie bei den Deutschen des XVI. Jahrh., an den Enden in Knöpfe aus-
laufen. Die Flügel der Speentpitzen, welche wir zuerst aus dem Hottenroth'schen
Werke angeführt haben, auf welche wir aber noch einmal zurückkommen müssen,
aus der franko-merovingischen Zeit haben die Gestalt von Haken, die nach dem
Schafte zu gebogen sind. An keiner dieser Lanzenspitzen treffen wir die Form der
Flügel der Oborniker Speerspitze.
Aus dem goldenen Codex zu St Gallen führt Dem min (Die Kriegswaffen in
ihren geschichtlichen Entwickelungen von den ältesten Zeiten bis auf die Gegen-
wart. Gera 1891, S. 359) einige, mit Lanzen mit geflügelten Klingen bewaffnete
Krieger aus dem VIII.— IX. Jahrh. an. Weiter giebt er (S. 830) bei der Be-
schreibung der Partisanen Abbildungen solcher, die aus der Schweiz und Deutsch-
land stammen und die er auf das XV. Jahrh. verlegt. Der bogenförmige Ausschnitt
am unteren Rande der Flügel erinnert sehr an die Gestalt der Zapfen der Oborniker
Lanzenspitze, doch bildete letztere nicht den eisernen Theil der Partisane, die in
Polen fast oder wohl gar nicht in Anwendung kam.
Die Oborniker Speerspitze ist, was die Gestalt anbetrifft, vollkommen gleich der
Speerspitze, welche Lubor Niederle (Bemerkungen zu einigen Charakteristiken
der altslavischen Gräber, Mittheil, der anthrop. Gesellschaft in Wien 1894. IV.
S. 208) abbildet Diese wurde in Thunau bei Gars, Niederösterreich, gefunden
und befindet sich im naturhistorischen Museum zu Wien. Leider hat Niederle
dieselbe nicht näher beschrieben, auch auf directe Anfrage keine Antwort gegeben.
Aus einem freundlichen Briefe des Hm. Dr. Much erfahre ich, dass diese Lanzen-
spitze der Oborniker gleicht, doch kleiner ist Sie wurde mit frühslavischen
Sachen gefunden. Niederle erwähnt weiter eine ähnliche Lanzenspitze aus Burg-
Lengenfeld (eigentl. Burglengenfeld), welche er in den Sammlungen der Akademie
zu München gesehen hat; wir müssen auf sie bei Erörterung der Abstammung dieser
geflügelten Lanzenspitzen noch einmal zurückkommen. Derselbe Verfasser wieder-
holt die Aufzählung derartiger Lanzenspitzen durch Lindenschmit (Handbuch
der deutschen Alterthumskunde I. S. 176). Nach diesem giebt es zwei im
Mainzer Museum, zwei aus Bessungen im Privatcabinet des Grossherzo^s in
Darmstadt, ein Exemplar aus Greisch, eines aus Severy in Waadt, zwei aus
Gräbern in Charmay, fünf aus Gräbern der Normandie. An diese reiht Niederle
noch diejenigen, welche er während seiner Reisen gesehen oder über welche
er Notizen in der Literatur gefunden hat Femer ersehen wir, dass der Westen
die zahlreichsten Fundstellen lieferte: eine derartige Speerspitze wurde gefunden
in Amiens, 4 in der Themse, aufbewahrt im British Museum zu London, wo sich
auch die geflügelte Lanzenspitze von Alice St Reine, Cote d'Or, befindet Im
Musee des Antiquitös nationales in St Germain -en-Laye sind solche aus der
Merovinger Zeit von unbekanntem Fundorte. Weiter wurden sie gefunden in
Andernach, in Mestloch bei Polch, in Kaltenengers (Rheinprovinz), wie auch in
Reihengräbern von Thalmässig. Das Museum in Nürnberg besitzt ihrer 5 Stück.
In Oxford, Paris, Bologna, Florenz sah sie Niederle nicht; aus seinem Berichte
entnehmen wir aber die Nachricht, dass in Böhmen in Kresfovic eine bronzene
geflügelte Lanzenspitze gefunden wurde. In Polen und Russland sind sie nach
diesem Verfasser nicht bekannt; in Moskau hat er zwar ein Exemplar gesehen, doch
ist es am Schwarzen Meere gefunden worden und von gothischer Herkunft. (Die
ot>en erwähnten Susdalen!) Die Hercegovina hat aus dem Bilecer Kreise ein
£xemplar geliefert. In dem vorher citirten Werke hat Lindenschmit nähere An-
(218)
gaben über die Mainzer geflügelten Lanzenspitzen nicht gegeben, da er dies in
einem anderen Werke gethan hat, und zwar in den „AlterthOmem unserer heidnischen
Vorzeit'', Mainz 1858. Hell I, Taf. 6. Unter Nr. 6 steht daselbst die Abbildung einer
der Obomiker ganz ähnlichen Lanzenspitze, die 47,5 cm lang ist. Die 8chaltr5hre
misst 13,5 cm, das Blatt in der grössten Breite 5 cm. Die Flügel haben die
Gestalt Ton Dreiecken, ihr oberer Rand ist 2,5 cm lang. Der Fund wurde in
Reihengräbem zu Nackenheim gemacht und stammt aus der iVänkisch-aleroannischen
Zeit. — Die zweite Oborniker Lanzenspitze entspricht vollkommen der von Linden-
schmit Taf. 9, Nr. 26 des L Heftes gegebenen, welche zu Schierstein in Nassau
gehoben wurde. Ihre Länge beträgt 55 cm^ wovon auf die Tülle 12,5 cm gehen.
Der freundlichen Mittheilung des Herrn Dr. Pallat nach befinden sich im
Museum zu Wiesbaden zwei geflügelte Lanzenspitzen ; da sie nicht beschrieben sind,
so gehen wir auf dieselben näher ein. Die in Heimersheim (Rheinhessen) mit
fränkischen Altsachen gefundene Lanzenspitze entspricht der Obomiker. Die Flügel
haben dieselbe Gestalt mit dem unteren bogenförmigen Ausschnitt Der obere
Rand misst 4,5 cm. Die ganze Lanzenspitze ist 50 cm lang, die Tülle selbst 1*2 *w.
Bei der zweiten Lanzenspitze sind die Haken nach oben zu gebogen. Die Klinge
ist kurz, sie misst nur 15 cm, während die Tülle 22 cm lang ist Diese Lanzenspitze
ist in Wiesbaden gefunden worden, nähere Umstände sind unbekannt
Wir wollen noch auf die Erörterung der Lanzenspitzen mit Zapfen, wie sie im
Norden gefunden wurden, eingehen, zumal da ihr Alter und ihre Abstammung sich am
genauesten nachweisen lässt. Im Museum zu Kiel befinden sich 3 geflügelte lanzen-
spitzen, die fast der aus Obomik gleich sind. Sie wurden theils in Brand-, theils
Skeletgräbern gefunden, und zwar in Begleitung von anderen Gegenständen. Eine
ausführliche und genaue Beschreibung verdanken wir Fräulein Mestorf. In den
Mittheilungen des anthropologischen Vereins in Schleswig-Holstein I. Heft, Kiel 1888,
hat sie die Resultate der Ausgrabungen des Gräberfeldes von Immenstedt in S.-
Dithmarschen bei Meldorf niedergelegt. Das Interessanteste für die uns be-
schäftigende Frage finden wir in der Beschreibung des unter IX (S. 15) angeführten
Grabes, dessen Topographie in einer Abbildung erläutert ist Dieses sehr reich
ausgestattete Grab barg unter Anderem (Schwert, Schildbnckel, Speer, Beschläge,
Pfeile, Sporen, Steigbügel, Schnallen, Dolch) auch eine geflügelte Lanzenspitze,
die zur linken Seite des Schädels lag, mit der Spitze denselben überragend.
Diese Lanzenspitze, deren Abbildung noch einmal auf Tafel 2 gegeben ist, ent-
spricht ganz der Obomiker. Die Zapfen, wohl durch Rost vernichtet, zeigen
keine regelmässigen Ränder, dagegen ist das Blatt ganz dem Oborniker gleich. Die
Lanzenspitze ist 45 cm lang, das Blatt misst an der breitesten Stelle 5,5 cm, eine
Mittelrippe fehlt gleichfalls. Die Tülle ist 1 1 cm tief, an den inneren Wänden haften
Holzfasern. Im Ganzen wurden 29 Gräber aufgedeckt, in keinem sonst fand man
eine Lanzenspitze, auch nicht von anderem Typus. Alle Gegenstände waren aus
Eisen, nur ein Stück einer Fibel war aus Bronze; die eisernen Steigbügel waren mit
Bronzedraht umwunden. Die Gräber zeichneten sich aus durch ihren Inhalt von
Buchenrinde, in welche wohl die Leichen eingehüllt waren.
In den epikritischen Bemerkungen erwähnt Frl. Mestorf noch, dass in Fre-
stedt im Kreise Hastedt, wie auch in Krinkberg je eine Lanzenspitze des Immen-
stedter Typus gefunden wurde. Beide befinden sich im Museum zu Kiel. (In
einer auf meine Anfrage freundlich ertheilten Antwort nennt Frl. Mestorf den
letzt angegebenen Ort Schemfeld.) Die Ausbeute in Krinkberg brachte ausser
der geflügelten Lanzenspitze noch 9() Denare Karls d. Grossen, Bruchstücke von
(219)
Silberschmuck und Hacksilber. Die Haupttypen dieser Münzen hat FrK Mestorf
in den „ Vorhistorischen Alterthdmem aus Schleswig^ unter Beigabe von Nachbildungen
auf 52 Tafeln dargestellt. Der Schatz enthielt keine orientalischen Mtlnzen, es fehlt
ihm also das Charakteristische der späteren fiacksilberftinde. Frl. Mestorf hält
die Gräber von Immenstedt, Frestedt und Krinkberg für gleichzeitig, was die
charakteristischen Fundstücke vollkommen erweisen. Weiter verlegt die verehrte
und unermüdliche Forscherin die Gräber in die Zeit des VIII. und IX. Jahrb.,
in die Zeit der blutigen Kämpfe der Saphsen mit Karl d. Grossen und seinen
Vorgängern, die das Ohristenthum hier einzuführen strebten. Auch diese Ansicht
theilen wir gern, doch können wir nicht annehmen, dass manche Fundgegenstände
nicht (S. 29) fränkischen Ursprungs sein sollten, besonders die mit Seitenflügeln
versehenen Lanzenspitzen. Unserer Meinung nach stand die Wiege (sit venia verbo)
dieser Speerspitzen im Lande der Franken, von wo sie sich unter die Nachbarvölker
verbreitet haben. Hier sind sie schon viel früher, als im VIIL Jahrh., bekannt und
angewandt gewesen. Die immer neu aufgenommenen Rriegszüge Karls d. Grossen
erforderten immer neuen Vorrath davon, immer zahlreicher fanden sie sich in den
Händen des kriegerischen, fränkischen Volkes und gingen als Beute zu den Nachbar-
völkern über. In heissem Kampfe schwer errungene Beute waren wohl die in Schleswig
gefundenen geflügelten Lanzenspitzen, wie auch wohl die dort geilindenec, ^em
tapferen Krieger ins Grab mitgegebenen Denare als Kriegsbeute anzusehen sind. Die
mit Schwert und Lanze geführte blutige Bekehrung der Sachsen und Dänen musste
Widerstand und Abwehr hervorrufen, was wiederholte Angrifl'e der Franken noth-
wendig machte, die erst nachliessen, als Karl d. Grosse mit Gewalt die Sachsen
in seine Länder überführte und ansiedelte. 33 Jahre, von 772 — 804, dauerte diese
gewaltsame Bekehrung.
Der Kampf zwischen Franken und Slaven, der schon im Jahre 630 begann,
wie Bogustawski nachgewiesen hat (Dzieje Slowianszczyzny posnorno zachodniej
do polowy wieku XIII. Dziedo uwienczone na konkursie Tow. Grz3^aci6l Nauk.
d. h. Die Geschichte der nordwestlichen Slaven bis zur Hälfte des XIII. Jahrh.) Posen,
1892, Bd. ni), wurde sehr heftig zu den Zeiten Karls d. Grossen und seines Nach-
folgers Heinrichs des Frommen. Im Jahre 810 überschritt Karl d. Grosse das rechte
Ufer der Elbe und gründete Hamburg, um schon im nächsten Jahre die Slaven auf
dem linken Ufer unterwürfig zu machon. Heinrich der Fromme mischte sich weiter
in die Angelegenheiten der Slaven, doch waren sein Schwert und seine Lanze weniger
glücklich. Wir wollen uns nicht weiter in diese Kämpfe einlassen, es genügt für
unsere weiteren Deductionen der Hinweis auf diese Vorgänge.
Aus der Zusammenstellung, die ich oben gegeben habe, geht hervor, dass in
den von Franken bewohnten Gebieten die besprochenen Lanzenspitzen in 39 jetzt
bekannten Exemplaren gefunden worden sind. Einige davon werden von Kennern in
das VI. Jahrh. verlegt, mit der Annahme, dass sie bis in das XIII. Jahrh. An-
wendung fanden. In den Nachbarländern sind sie nur vereinzelt, höchstens in
drei Exemplaren, aus der Erde gehoben worden; man kann sie hier nur dem
VUI. bis IX. Jahrh. zuschreiben. Nach Osten zu auf den früher polnischen Ge-
bieten steht die Lanzenspitze von Obornik als Unicum da; wir finden hier
nur zweimal Nachbildungen auf Siegeln, auf denen sie als Symbol der Souveränität
erscheinen. Die mit Zapfen versehenen Lanzenspitzen der Susdalen, wie auch
die zu Moskau aufbewahrte, scheinen von Südosten abzustammen.
Einer geflügelten Lanzenspitze müssen wir noch gedenken, nämlich der in
Krakau sich befindenden, der des hl. Mauritius. Auch sie ist ein Importstück des
Westens, eine Nachbildung der vom hl. Mauritius heldenmüthig geführten. Ich
(220)
möchte sie als Prototyp der späteren, im Lande der Franken auftretenden Lanzen an-
sehen, denn ehe die dem IIL Jahrh. entstammende Lanze in den Besitz des römisch-
deutschen Kaisers kam, war sie Eigenthom fränkischer Fürsten.
Die geflügelte Lanzenspitze von Obornik ist kein locales Erzengniss;
man kann nicht annehmen, dass, wenn sie eine von den dortigen Einwohnern öfter
oder stets gebrauchte Waffe gewesen wäre, sie nur in einem Exemplare sich vorfinden
sollte, zumal da unsere Sammlungen sehr reich an hiesigen FundstOcken sind.
Unserem Dafürhalten nach kam sie zur Zeit Karls d. Grossen in den Besitz eines
an den Ufern der Elbe wohnenden Slaven, um von dort auf Handelswegen oder
als Beute Eigenthum eines Kriegers aus der Gegend von Posen zu werden.
Wenn wir diese Hypothese annehmen, so müssen wir die Lanzenspitze mindestens
in die Hälfte des IX- Jahrh. verlegen; denn der Weg von der Elbe bis zur Warthe
konnte zu jener Zeit nicht schnell zurückgelegt werden, und eine so kostbare
Waffe kam nicht leicht von Hand zu Hand.
In seiner oben erwähnten Abhandlung sagt Niederle, dass Prof. Ranke in
München sich seiner Zeit geäussert habe, diese Lanzenspitzen seien slavisch. Auf
meine Anfrage erhielt ich jedoch von diesem Herrn die Antwort, dass er nie diese
Ansicht gehabt habe; die münchener Lanzenspitze wurde zwar in Bnrglengenfeld mit
slavischen Sachen gefunden, aber gerade deswegen setzt sie der hochverehrte Pro-
fessor in die karolingische Zeit und lässt sie fränkischen Ursprungs sein. „Die
Slaven in Bayern wurden erst von Bamberg aus vom XI. Jahrhundert an gänzlich
christianisirt.^
Wozu dienten nun diese Zapfen, Haken, Flügel an den Lanzenspitzen? Gewiss
nicht zur Zierde, sie mussten einen praktischen Zweck haben.
Lindenschmit (a. a. 0.) behauptet, dass diese Querstangen verhindern sollten,
dass die Lanzen nicht bis an die Stange in den Leib des Gegners eindrängen.
Ein Brechen des Schaftes könnte stattfinden, und man müsse eine grössere Kraft
anwenden, um die tief eingedrungene Spitze herauszuziehen. Aber auch die Kraft,
die dazu nöthig wäre, um einem Menschen die über einen halben Meter lange und
dabei noch breite Lanzenspitze in den Körper einzutreiben, müsste bedeutend
grösser sein, ja die eines Menschen könne dazu nicht ausreichen. Darin kann
man Lindenschmit nicht beistimmen.
Man glaubte, die Querstangen hätten zur Abwehr der mit dem Schwerte er-
theilten Schläge gedient. Diesen Zweck konnte man aber nicht ausführen, denn
der Lanzenträger kam nie in die Lage, solche Schläge abzuwehren. Der Angriff
mit der über 4 m langen Lanze geschah aus einer gewissen Entfernung, in welcher
ein Hieb mit dem Schwerte oder einer anderen Waffe den Lanzenträger nicht er-
reichen konnte, daher war auch Pariren nicht angezeigt.
Wenn auch die Flügel oder 2iapfen an den uns beschäftigenden Lanzenspitzen von
verschiedener Gestalt sind, so stellen sie doch stets Haken dar. In dieser Eigenschaft
liegt ihre Aufgabe, ihr Zweck. Der Feind schützte seinen Körper mit dem Schilde:
der gut gelenkte Schild nahm den Hieb und den Stoss auf; durch den Schild ge-
deckt, versuchte man den Gegner anzugreifen, und es war daher sehr wichtig, den
Schild schon aus einiger Entfernung dem Feinde zu entreissen, ihn blosszustellen,
ehe er einen wohlgezielten Hieb thun konnte. Hierzu dienten die Haken, welche
man auf den Rand des Schildes warf; während man ihn gewaltsam zurückzog, ver-
suchte man schnell, dem entblössten Feinde mit der Lanze einen Stich beizubringen.
Gleichzeitig, aber auch schon früher, wandten, denselben Zweck verfolgend, die
Franken Wurfspeere (framea, angon) an; darin finden wir nicht nur eine Analogie,
sondern auch eine Bestätigung der eben gegebenen Erklärung. Diese starken Wurf-
(221)
Speere' hatten an ihren Klingen acharTe Widerhaken; man warr aie gegen den Schild,
in welchem sie fest stecken blieben. Sehnelt sprang dann der Krieger zn, trat mit
dem Fnase anf die Stange, der Schild neigte sich und der nun entblösste Feind wurde
mit dem Schwerte, der Francisca oder einer anderen Hiebwaffe angegriffen. —
(17) Hr. H. Schumann abersendet a
ttber ein
i Löcknitz, 3. April, folgenden Bericht
3.
Bronseschwert ans der Peene.
Aur dem Flussbette der Peene, in der Nähe von Demmin, wurde vor Kurzem
ein Bronzeschwert gefanden, welches durch seine roraflgliche Erhaltung aus*
gezeichnet ist und einen nicht gerade häufigen Typns repräsentirt.
Das Schwert hat ein Gewicht von 650 g
nnd eine Länge von f>90 >nni, wovon 111 mm
auf den Griff kommen. Die Klinge (Fig. 1)
ist 33 mm breit, scfailfblattfSrmig, nach der
Mitte hin etwas verbreitert, unten scharf zu-
gespitzt. Dabei ist sie gewölbt und mit einem
breiten Mittelgrat versehen, der nach Aussen
durch je eine vertiefte Linie begrenzt wird.
Der tief ausgeschnittene Griff-Ansatz ist mit der
Klinge durch zwei Niete verbunden.
Der Griff (Fig. 3) ist nicht rund, sondern
flach achtkantig. Omamentirt ist derselbe durch
10 herumlanfendc Bänder von abwechselnden
Horizontal reifchen und concentrischen Kreisen.
Der Knauf ist oval, an der Unterseite verziert
durch kleine eingepunzte Halbkreischen, die
radial vom Griffe abgehen und wie Fisch -
schuppen über einander liegen. Die Oberseite
des ebenen Knaufes hat einen ovalen Knopf,
um den an seiner Aussenseite ein Band von
Horizontallinien, durch kleine Halbkreise be-
grenzt, herumlüult, während die Knanl^latte
auf der Oberseite (Fig. 2) durch concentrische
iKreise ornamentirt ist, die unter sich durch je
eine klammerartige Figur getrennt und durch
zum Thei) pnnctirte Ovallinien nach dem Knopfe
xa abgegrenzt werden. Schwerter, dem vor-
liegenden ähnlich im Typus, in der Orna-
mentirung aber abweichend, besitzen wir in Pommern noch aus Stolzenburg bei
Pasewalk und Lagow bei Pyritz.
Was die Verbreitung dieser Schwerter betrifft, so kommen ganz ähnliche
Formen schon in der H. Periode der oberitalischen Bronzezeit vor, in dem
Depot von Cascina Ranza (Montelius, La civtlisation primitive en Italie depuis
l'introduction des metanx. PI. 28, Fig. 10). Grössere Verbreitung haben diese
Schwerter in Ungarn gefunden, wo sich auch solche mit rundem und schälchen-
förniigem Knauf hinzugesellen [Hampel, Bronzezeit in Ungarn, Taf. XXI— XXIIl] ')-
t) Auch BUS dem MuBenni lu SaUburg habe ich ein fthnlichea Stock notirt.
(222)
Aach in der Prov. Brandenburg sind Sehwerter und Dolche 'des gleichen Typus ge-
funden, z. B. in dem Bronze-Depotfund von Spandau (Voss, Verh. 1882, S. 131
und Taf. XII, Fig. 5). Aus Westpreussen ist ein ähnliches Exemplar, aber mit
rundem Knauf, bekannt von Ronojad (Li s sau er, Alterthümer der Bronzezeit in
Westpreussen, Taf. III, Fig. 4). Aus Meklenburg-Strelitz (Neu-Brandenburg)
ist ein verwandtes Exemplar aus Mirow abgebildet (Photogr. Album von Voss und
Günther, Sect. V, Taf. I, Fig. 71). Aus Meklenburg-Schwerin ist ein gleich-
falls verwandtes Exemplar bekannt von Brttel, mit aufgehöhten Bändern am Griffe,
S-förmigen Ornamenten und rundlichem Kopfe (Mittheil, des Hrn. Dr. Beltz),
sowie ein ähnliches von Löwenberg (Yerhandl. 1885, S. 405). Ein mit unserem
auch in Bezug auf die Ornamente übereinstimmendes Exemplar (Griff) befindet
sich im Museum zu Lübeck aus Holstein (Photogr. Album von Voss und
Günther, Sect. V, Taf. III). Ebenso finden sich in Hannover, Dänemark und
Schweden die gleichen Formen.
Die nordischen Forscher (Sophus Müller) halten diese Schwertform für
eine westliche, nicht eigentlich nordische, sondern für importirt, aus der sich eine
rein nordische Form erst entwickelt hat. Wir sind gewöhnt, diese Schwerter als
ungarisch zu bezeichnen. Auch die in Ober-Italien gefundenen Stücke wird man
wohl vorerst, da doch Ungarn diesen Typus so besonders häufig hat, mit diesem
Lande in Verbindung bringen müssen. —
Hr. Rnd. Virchow: Bei Gelegenheit der Besprechung eines vorzüglich er-
haltenen cuja vischen Bronzeschwertes in der Sitzung vom 16. April 1881 (Verhandl.
8. 139) habe ich die geographischen Beziehungen dieser Schwertart, namentlich
ihr vorwiegendes Vorkommen in Ungarn, ausführlich dai^legt. Das hier in Rede
stehende Exemplar zeigt die mannichfaltigsten Aehnlichkeiten mit jenem cujavischen
Stücke, obwohl in der Omamentation einzelne Abweichungen vorkommen; letztere
sind jedoch ganz untergeordneter Art. Dafür besitzt es aber jene (lilien-) blatt-
ähnliche (leaf-shaped) Klinge, welche für die älteren Bronzeschwerter so charak-
teristisch ist. Der Versuchung, diese Form für eine „westliche^, d. h. aus dem
Westen importirte, zu halten, möchte ich vorläufig gleichfalls widerstehen. Auch
mir scheint es wahrscheinlich, dass sie über Ungarn zu uns gekommen ist; aber
ich möchte glauben, dass ihr Ursprung viel weiter südlich zu suchen ist. Eis ist
nicht das erste Mal, dass die Peene uns werthvolle Waffen erhalten hat, aber,
soviel ich mich erinnere, das erste Mal, wo ein so altes Stück daraus zu Tage
gekommen ist —
(18) Herr M. Bartels legt 21 grosse
photographische Anfhahmen von Javanerinnen
vor, welche er von Hrn. Capitän Fedor Schnitze (Batavia) käuflich erworben hat
Die dargestellten Personen stammen meistens aus den Residentsc haften Batavia und
Preanger, eine auch von der Stadt Makassar auf Celebes. Die sehr gelungenen
Bilder lassen eine grosse Zahl anthropologischer Einzelheiten erkennen. —
(19) Herr Beyfuss hat 3 Photographien von Javanern zur Vorlage ein-
gesendet Zwei davon sind die Porträts des Regenten von Malang (Residentschalt
Posoeroeang, Ost-Ja vu) und seiner Gemahlin, welche ihm bei seinem Abschiede
•dieselben verehrten; die dritte stellt die Babu oder Kinderfrau der Beyfuss^scben
Kinder vor, welche diese auf ihrer Reise nach Europa begleitet hat —
(223)
(20) Hr. Hermann Busse spricht über
Pflanzenreste in yorgeschichtlichen Gefässen.
Im August 1896 Terbrachte ich einige Tage auf dem von mir aufgefundenen
altgermanischen Unienfelde bei Wilmersdorf, Kr. Beeskow-Storkow. Schon mehrere
Male habe ich an dieser Stelle verschiedene bedeutende Fundstttcke von diesem
ürnenfelde vorgezeigt und besprochen (Verhandl. 1895, S. 456 u/ 528, und 1896,
8. 126—28). —
. Bei dem Regenwetter, das in der ganzen Zeit herrschte, waren die kerami-
schen Funde nur gering. Die besseren Sachen davon sind im Mark. Provincial-
Museum und auch in meiner Sammlung in der Woltersdorfer Schleuse. Von
Bronze -Sachen fanden sich nur einige Fingerringe und mehrere Fragmente.
Von Stein-Funden kamen ein halbes durchlochtes Steinbeil (Fig. 1) und ein rund-
licher, auf den Oberflächen vertiefter platter Keibstein [Käsestein] (Fig. 2), 5 cm im
Durchm., 2 cm dick, zum Vorschein. Es waren 12 Gräber, die ich aufdeckte. Das
letzte davon war ein sehr reichlich mit schönen Gefassen ausgestattetes Grab; es
enthielt 3 grössere Buckel-Urnen und 8 grössere und kleinere verschiedenartige Ge-
Fig. 1. \ Fig. 2. Vs Fig. 8.
Fig. 4.
fasse. Die Buckel-Urnen, mit einem Henkel versehen, waren mit je 6 Buckeln aus-
gestattet; zwei davon waren mit Leichenbrand gefüllt, ebenso eine Doppel-Schale.
Alle Grefässe, nur 4 kleinere ausgenommen, standen verkehrt, d. h. mit der
OefTnung nach unten. Unter den Beigefässen ist eines wegen seiner badewannen-
förmigen Gestalt mit Henkel besonders zu erwähnen (Mark. Museum). Die beiden
mit Leichenbrand gefüllten Buckel-Urnen waren bis unten herab mit Steinen um-
stellt und von diesen letzteren so arg beschädigt, dass sie sich nicht erhalten Hessen.
Die dritte Buckel-Urne stand frei und ich brachte sie ganz heraus; doch war das
Material derselben so aufgeweicht, dass das Gefäss am andern Morgen, trotzdem
ich es tiber Nacht gegen den Regen geschützt hatte, in viele Stücke auseinander-
gefallen war. Im Innern der Urne stand jedoch noch ein Gefäss, das mir sehr
werthvoll vorkam, da es oben auch kleine Buckel zeigte. Bei dem feuchten Zu-
stande desselben umwickelte ich es mit Holzwolle und steckte es allein in ein
Säckchen, um es in der Hand tragen zu können. Nach mehrwöchentlicbem Trocknen
bei mir ging ich an die Untersuchung: es entpuppte sich ein schlanker, henkelloser
Topf (Fig. 3), der von einem kleinen, mit 6 Buckeln versehenen niedlichen Gefäss
(Fig. 4, 11 cm hoch, 15 cm grösste "Weite, 7,5 cm Mundweite, 5,5 cm Bodenweite,
(224)
1 cm Bodenhöhe) bedeckt war, das aber so fest darauf sass, dass ich es erst nach
geraumer Zeit abdrehen konnte, wobei verschiedene Theilchen der Oberfläche des-
selben abblätterten. Das Gefass hat konischen Hals und war ursprtingHch, wie
deutlich erkennbar, mit 2 Henkeln versehen, die aber offenbar mit Berechnung
p. . entfernt wurden, um einen besseren Schluss herzustellen. Der
Hals des unteren Topfes (Fig. 5, 17 cn» hoch, 13,5 cm Mund-
weite, 13 cm Bauch weite, 10 cm Halsweite, 6,5 rm Bodenweite),
ist nehmlich nach oben zu weiter, der des Deckel-Gefösses nach
oben enger, so dass beide dicht aneinand^rschlossen. War mir
nun schon die ganze Verpackung auffällig, so fiel mir noch mehr
auf, dass der untere Topf nur etwa halb mit Sand geftÜIt war,
während sonst alle Beigefässe bis zum Rand gefallt sind.
Der Sand zeigte sich auch von so feiner Qualität, dass ich
weiter folgerte, der Schluss der beiden Grefasse sei ein derartiger
gewesen, dass nur im Anfange dieser feinere Sand sich eindrängen
konnte, später aber, nachdem die Thonmasse feuchter geworden
war und sich ausgedehnt hatte, tiberhaupt ein weiteres Eindringen
von Sand, vielleicht auch selbst von Wasser, ausgeschlossen war. Der Inhalt des
Topfes, also der Sand, wurde nun längere SiCit getrocknet; späterhin erregten
helle und dunklere Theilchen desselben meine weitere Aufmerksamkeit. Ich warf
etwas davon in kochendes Wasser, und, was ich erst zaghaft vermuthete, das zeigte
sich jetzt, indem leichtere Partikelchen an der Oberfläche herumschwammen.
Mir kam die Idee, dass diese leichteren Bestandtheile wohl Pflanzenreste sein
könnten. Meine Ansichten hiertlber theilte ich mehreren bekannten Herren mit,
die wohl in diesem Falle die nöthige Erfahrung und Renntniss haben konnten.
Mir wurde gerathen, das Betreffende Hm. Geh. Rath Prof. Wittmack, Director
der Rönigl. Landwirthschaftlichen Hochschule, zur näheren Untersuchung einzu-
senden. Das that ich auch, und am 20. April d. J. schreibt mir Hr. Witt-
mack: ^Die im Sande befindlichen helleren harten Pflanzenfragmente rühren meist
von Hanf her, und zwar sind es die Frucht- und Samenschalen desselben. Die
dunkleren leichteren Theilchen sind Blatt- und Samen-, bezw. Fruchtschal-Fra^-
mente, doch lässt sich ihre nähere Herkunft nicht feststellen.^ Meine Ansicht hatte
mich also nicht getäuscht, und ich freute mich herzlichst, namentlich auf diese Art
und Weise einen derartigen Fund gemacht zu haben. Wohl hunderte, ich möchte wohl
behaupten, tausende von Beigefassen hatte ich auf ihren Inhalt untersucht, immer
vergeblich; höchstens fand ich moosartige Gewächse darin, die jedenfalls erst
später sich gebildet hatten. Eine Untersuchung draussen auf dem Umenfelde ist
ja nie maassgebend; ich bin ganz sicher: hätte ich in meinem Falle den Inhalt des
Topfes draussen untersucht, ich hätte sicher nichts ^funden. Ich erinnere mich
bei dieser Gelegenheit, dass Prof. Jentsch in den Nachrichten über deutsche
Alterthumsfunde 1^96, S. 5, Getreidereste von einer Cruciferen-Art bespricht, die
in Lausitzer Gräbern gefunden wurden; auch A. Körte hat (Yerhandl. 1896, S. 123)
in Phrygischen Gräbern Getreidereste constatirt Von Aegyptischen Gräbern haben
wir das mehrfach ;rehört. In der ägyptischen Abtheilung des Königl. Museums
(unter 15 — 17 aufbewahrt) sehen wir sogar ein 4000 Jahre altes Brod, welches
Unicum Hr. Wittmack in der Gesellschaft naturforschender Freunde näher be-
sprach. Ich möchte auch einen hierher gehörigen Artikel der National -Zeitung
vom 7. April Ibdb von E. Lemke anführen, der über den ^Hunger und Durst der
Todten^ handelt. Jedenfalls spreche ich auch an dieser Stelle Hm. Wittmack
meinen herzlichsten Dank für seine Bemühung aus. —
(225)
Wir sehen hieraus, dass Hanf schon lange vor unserer Zeitrechnung gebaut
wurde (denn die Wilmersdorfer Gräber sind wohl der Hallstatt-Zeit zuzurechnen),
und dass man seine ölhaltigen Früchte zu Speisen verbrauchte, wenn auch yielleicht
nicht allein, denn die Herkunft der dunkleren Theilchen ist ja nicht festgestellt.
Hanf wird im Allgemeinen heute nicht mehr so viel, wie früher, gebaut; das hängt
wohl damit zusammen, dass in jetziger Zeit anstatt Stricke und Taue vielfach eiserne
Retten und Drähte gebraucht werden.
In der Gegend des besprochenen Urnenfeldes werden auch heute noch Speisen
genossen, die von uns gar nicht gekannt sind und die man aus den Früchten
des Waldes zubereitet hat In Diensdorf am Scharmützel -See bekam ich einen
röthlichen Kohl zu Mittag, dessen Geschmack von unserem Rothkohl ganz ver-
schieden war. Es war einfach Weisskohl mit Brombeeren gemeinschaftlich gekocht^
Er schmeckte recht gut Im benachbarten Lamitsch erfuhr ich, dass dort und in
der Umgegend ein Mus aus den Wachholderbeeren bereitet wird, das sich jahre-
lang aufbewahren lässt
Die hier vorliegenden einzelnen Gefass- Buckel stammen von der Urne, die
über den die Getreidereste enthaltenden Topf gestülpt war. Sie erinnern an weib-
liche Brüste und sind technisch recht sauber und ganz genau übereinstimmend mit
einander ausgeführt. —
Hr. Rud. Yirchow erkennt das grosse Interesse an, welches der Fund dar-
bietet, macht aber darauf aufmerksam, dass Hanf sicherlich keine einheimische
Pflanze ist, dass es sich also um ein eingeführtes Gewächs handeln würde. Wenn
sich die botanische Diagnose bestätigen sollte, so würde doch vielleicht die Frage
aufgeworfen werden dürfen, ob die Samen nicht erst in einer späteren Zeit in die
Töpfe gekommen seien. —
(21) Hr. Rud. Virchow berichtet über einen
Besach der Höhlen von St. Canzian bei Triest.
Der ungewöhnliche Reichthum des Rarstgebirges an Höhlen hut seit langer
Zeit die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und der Strom der Besucher
hat sich von Jahr zu Jahr verstärkt, da nicht nur die Grösse und die geologische
Ausstattung mancher dieser Höhlen, sondern auch ihre unterirdischen Wasserläufe,
ihre Fauna und ihre prähistorischen Einschlüsse die wichtigsten Anhaltspunkte für
wissenschaftliche Untersuchungen und für erhebende Naturbetrachtung darbieten.
Obwohl mein Weg mich zu wiederholten Malen in dieses fremdartige Gebiet ge-
führt hat, so hatte ich doch nur eine der Höhlen, die berühmte Adelsberger, kennen
gelernt Besondere Hindemisse hatten mich von einer Fortsetzung dieser Besuche
abgehalten. So wurde eine grössere Gesellschaft, mit der ich die neu erschlossenen
Höhlen von St. Canzian besuchen sollte, vor einigen Jahren durch ein gewaltiges
Unwetter zurückgetrieben.
Endlich gelang es mir in diesem Frühjahr, den alten Plan, und zwar unter
den günstigsten Umständen, zur Ausführung zu bringen. Am Oster -Sonntage
(18. April) fuhr ich von Venedig aus mit dem schnellsten Dampfer, der den Namen
unseres alten Collegen in der Höhlenforschung, des früheren österreichischen Handels-
Ministers Grafen Wurmbrand, trägt, in 4 Stunden nach Triest hinüber. Rlarer
Sonnenschein lag am nächsten Morgen über der Landschaft; die tief verschneiten
Alpen rahmten das herrliche Bild ein. Unser Freund, Hr. C. de Marchesetti,
der so grosse Verdienste um die Erforschung der Höhlen hat, war nach Verlust
Verhandl. der B«rl. Antbropol. Getcllichalt 1897. 15
(226)
des einen Auges in Folge einer schweren Retinitis wieder soweit hergestellt, dass
er die Führung unternehmen konnte. Mit ihm waren die beiden unermüdlichen
und unverzagten Pfadfinder in dem unterirdischen Gebiet, die HHm. Friedrich
Müller und Joseph Marinitsch, nebst einer Anzahl treuer Helfer zur Stelle, um
das ^Wunder des Rarstes^ in seiner grössten Ausdehnung zu zeigen und zu er-
läutern. Eine grosse Erleuchtung sicherte da, wo die Fackeln der Arbeiter und
Aufseher nicht ausreichten, die volle Renntnissnahme, insbesondere auch der
staunenswerthen Wege, welche ausgeführt worden sind, um an senkrechten Fels-
wänden und durch vorspringende Wände, häufig in schwindelnder Höhe über
brausenden Wildwässern, von einer Höhle zur anderen zu gelangen.
Es kann nicht meine Aufgabe sein, von der fast unerschöpflichen Mannich-
faltigkeit dieser weit ausgedehnten Höhlenwelt eine ausreichende Beschreibung zu
liefern; es muss genügen, auf die vortrefflichen Schilderungen zu verweisen, welche
insbesondere Hr. Marchesetti (Ricerche preistoriche nelle caverne di S. Canziano
presso Trieste. Estr. dal Bollettino della Soc. Adriatica di scienze naturali in
Trieste. Vol. XL 1889, con 2 tavole) und Hr. Fr. Müller („Die Grottenwelt von
St. Ganzian^ in der Zeitschr. des Deutschen und Gesten*. Alpenvereins 1890, Bd. XXI.
„Entdeckungsfahrten in den St. Ganzianer Höhlen vom 18. bis 25. unterirdischen
Wasserfall im Jahre 1890^ in den Mittheilungen des Deutschen und Gesterr.
Alpenvereins, Jahrg. 1891, Nr. 8 — 10) veröffentlicht haben. Diese Schriften sind
mit den trefflichsten Illustrationen ausgestattet und gewähren ein anschauliches
Bild von den gewaltigen Zerstörangen, die im Laufe von Jahrtausenden den Unter-
grund dieser Gegend betroffen haben. Mir schwebt nur die Aufgabe vor, eine ge-
drängte Uebersicht der Gertlichkeit und der darin gemachten Funde zu geben.
S. Ganziano ist ein kleiner, höchst imposant gelegener, im Mittelalter befestigt
gewesener Grt auf einer mächtigen Felswand, welche sich quer durch ein tief ein-
gerissenes Thal erstreckt. Man gelangt bis in seine Nähe durch eine der beiden
Eisenbahnen, die von Triest in schnellem Anstieg zur Höhe des Rarstplateaus auf-
steigen; die Hauptlinie entspricht der grossen Strasse, die über Divaca in der
Richtung auf St. Peter und Wien hinzieht Von der Höhe aus überblickt man
eine weite, massig vertiefte Niederung, die sich weithin gegen Gsten ausbreitet
und an deren Rande ein mächtiger Regelberg, der Rrainer Schneeberg (1796 m),
emporragt. Von diesem Berge strömt ein wasserreicher Wildbach, oder wenn
man will, Fluss herab, dessen Name, Reka (oder Recca), mich lebhaft an meine
pom mensche Rega erinnerte. In Regenzeiten schwillt derselbe schnell, zuweilen
fast plötzlich an, so dass er sich hoch über sein gewöhnliches Bett erhebt. Sein
Lauf ist fast senkrecht gegen die erwähnte Felswand gerichtet; die Bildung der
Nachbarfläche lässt erkennen, dass er einstmals durch die Felswand abgelenkt wurde
und in einem grossen Bogen nach Norden hin den Berg umflossen hat Endlich
aber, lange vor der historischen Zeit, hat er die Felswand mittelst eines unter-
irdischen Ganais fast gerade durchbrochen; jetzt strömt er durch die enge Geffnung
mit brausender Gewalt in eine gewaltige, an der Stefanie- Warte 160 m tiefe Schlucht,
von der aus sich seitlich und vorwärts zahllose Nebenhöhlen und weitere Schluchten
öffnen. Das ist der eigentliche Anfang der Höhlen von St Ganzian.
Nach einer längeren Strecke verschwindet der Fluss in enge, schwer oder gar
nicht zugängliche Schlünde. Man wusste nicht, wo er blieb. Die Vermuthungen
darüber fanden einen starken Anhalt in dem Umstände, dass an der Rüste der
Triester Bucht bei S. Giovanni di Duino ein wasserreicher Fluss ansmtindet, der
nicht weit voq da aus den Felsen hervorbricht Die ersten Nachrichten über
ihn gehören der Zeit an, wo die römischen Heere das nordöstliche Italien unter-
(227)
warfen; der FIuss hiess damals Timavus, und die Sage Hess auf ihm die Argonauten
von ihrer langen Fahrt zurückkehren. Aber erst aus dem 17. Jahrhundert finden
sich Angaben über den Zusammenhang der Reka und des Timavus. 1689 erzählt
der Freiherr von Valvasor (Die Ehre des Herzogthums Krain, Cap. 67): ^Der Fluss
flutet zu einem Felsen hinein in die Erde und und reiset unter ihrer Decke vier
Meilwegs in den Rarst. Alsdann bricht er zwischen Tywein und S. Johannis durch
einen Felsen aus sieben Löchern hervor, gleich als hette die Erde ihn zur Dank-
barkeit der Anvertrauung reichlich begabt, und mit einem ansehnlich -vermehrten
Gebiet wieder beurlauben und erlassen wollen.^ Zweifellos war auch dies nur
ebeVermuthung; denn alle Versuche, den wirklichen Zusammenhang beider Flüsse
nachzuweisen, Versuche, die immer wieder aufgenommen wurden, blieben erfolglos.
Auch die jetzigen Forscher gelangten, nachdem sie 25 Wasserfalle passirt hatten,
endlich in eine enge Spalte, die durch cingeschwemmtes Reisig und^ Holzstänmie
gänzlich verlegt war. Trotzdem bezweifelt keiner von ihnen, dass der Timavus der
wirkliche Ausfluss ist. Uebrigens berichtet schon Strabon (Erdbeschreibung, ver-
deutscht von Groskurd. Berlin und Stettin 1831. I. S. 372), Poseidonios be-
haupte, der aus dem Gebirge kommende Fluss Timavus falle in einen Erdschlund;
sodann etwa 130 Stadien unter der Erde fortgeflossen, schafl'e er sich am Meere
den Aasweg.
Fig. 1.
Diese Gegend war sicherlich eine der ältesten Berührungsstellen der ein-
gebomen Bevölkerung mit der südlichen Cultur. Der Timavus selbst galt als die
Grenze zwischen Ramem und Henetem. An seiner Mündung war ein altes Heilig-
thamj^des Diomedes. Nicht weit westlich von da gründeten die Römer schon
181 vor Chr. die berühmte Colonie Aquileja, die bis auf Attila eine ähnliche Be-
deutung für das ganze Hinterland bis nach Deutschland besass, wie Massilia für
Gallien. Von da aus ging die grosse Heer- und Handelsstrasse aus, welche die
julischen Alpen überstieg und nach Pannonien führte. Sie lief ein gutes Stück
nördlich von St. Canzian durch den vielgenannten Birnbaumer Wald, wo die Station
15»
(228)
ad Firum die Passhöhe (sammas Alpes) deckte; man sieht den Nanos-Berg (1300 m),
wo diese Station gelegen haben soll, bequem von dem Plateau bei St Canzian,
gegen NNO. Aber es ist höchst wahrscheinlich, dass dieser Weg schon vor den
Römern benutzt wurde, ja, dass er in fernen prähistorischen Zeiten begangen ist;
Zeugniss dafUr liefern zahlreiche Funde. In meinem Vortrage über den Zag der
Langobarden nach Italien (Verhandl. 1888, S. 512 flg.) habe ich diese Frage ein-
gehend behandelt.
Wir yerdanken die genauere Schilderung der in den Schluchten der Reka
und der benachbarten Höhlen gemachten Funde der erwähnten Abhandlung des
Hrn. de Marchesetti. Er begann seine Ausgrabungen in der kleinen Höhle Oska
spela, welche hoch oben in der nördlichen Wand der grossen Doline gelegen ist;
die Ausbeute war gering. Es fanden sich Schichten von Asche und Kohle, Scherben
von groben Thongefassen und ein Paar bearbeitete StUcke von Knochen und Feuer-
stein. Sehr ergiebig erwies sich dagegen die benachbarte Tominz-Höhle, die
grösste aller Seitenhöhlen dieser Schlucht. Die Tiefe dieser Höhle beträgt gegen
290 m; man tritt in sie durch ein 10 7/i hohes und 20 m breites Thor ein. Frtther
war sie nur in der beschwerlichsten Weise zugänglich, jetzt ist sie aber durch
eingesprengte Wege leicht erreichbar. Da sie dem Hochwasser der 30 m tiefer
fliessenden Reka gelegentlich ausgesetzt ist, auch Sickerwasser durch die Decke
hineinfällt, so war ihr Boden zum grösseren Theile mit mächtigen, eingeschwemmten
Lehmschichten bedeckt. Jetzt ist der gewaltige Raum mit seinen zahlreichen Aus-
buchtungen und Nebenhöhlen fast ganz ausgeleert Bei diesen Arbeiten fand man
4 tlber einander gelagerte Cnlturschichten : eine 20 — 30 cm mächtige neolithische;
eine 15 — 20 cm dicke, welche schon Bronze-Artefakte, aber keine Feuerstein-Greräthe
mehr brachte; eine dritte, bis zu 15 — 60 cm starke, in der Eisen getroffen wurde,
und endlich eine noch jüngere, aber nicht continuirliche Aschenlage mit mittel-
alterlichen und neueren Einschlüssen, darunter 13 Kämme aus Bein. Wegen der
Einzelheiten muss ich auf die Original-Abhandlung und auf die daraus entnommene,
mh schönen Illustrationen ausgestattete ^Grotten welt^ des Hm. Fr. Müller ver-
weisen. Hier will ich nur einige Hauptpunkte erwähnen.
In der untersten Lage fand sich, ausser zahlreichen Spähnen und Messerchen
aus Homstein, eine schöne, gemuschelte, 12 cm lange Lanzen- oder Dolch-
spitze aus weissgesprenkeltem Feuerstein (Marchesetti. Tav. I. Fig. l) und eine
kleinere, gleichfalls gemuschelte aus Rosenquarz (ebendas. Fig. 4). Bearbeitete
Thierknochen kamen in den verschiedensten, meist als Stichwerkzenge branch-
baren Exemplaren vor. Sehr reichlich waren Thonscherben ; aber nur ein einsiges
kleines Gefass (Tav. II. Fig. 1), 48 cm hoch und von einem Gehalt von nur 34 g
(una capacita di soli 34 grammi), mit weitem und hohem Henkel und gerundetem
Boden, war ganz erhalten. Hr. Marchesetti stellt es unter die tazze. Mir war
es besonders interessant, weil es mich lebhaft an zwei Geßlsse erinnerte, die ich
an einem und demselben Tage in der Niederlausitz ausgegraben habe: das eine in
dem Burgwall von Niemitsch (Verhandl. 1886, S. 568, Fig. Id), das andere in dem
Urnenfelde von Strega (ebendas. S. 574, Fig. 2). Ich verglich sie damaU mit
unseren heutigen Sahnentöpfchen. Sollte diese Form wirklich bis in die Steinzeit
zurückreichen, so wtlrde das eine höchst aulTällige Persistenz einer bestimmten
Mode anzeigen, denn die niederlausitzer Gefässe gehören zweifellos der Eisen-
zeit an.
Ich möchte hier gleich ein anderes Fundstück aus der Tominz-Höhle er-
wähnen, das Hr. Marchesetti selbst der Cebergangspenode zu der Metallzeit zu-
weist Es ist das ein schöner Flachcelt aus Kupfer (Tav. IL Fig. 40). Er
(2-29)
nennt ihn tma ascia plana da an lato e leggcrmente incurrata dall' altro. Sie ist
an der Schneide 62, am hinteren Ende nur 6 mm breit und wiegt 223 g. Hr.
Vierthaler fand bei der Analyse 98,88 Knpfer, 0,81 Silber, 0,05 Nickel, 0,26 Eisen
and eine Spur von Antimon. Dieser wichtige Fand wird es gestatten, auch iu Be-
ziehnng auf das Tbongeräth ein etwas zurückhaltendes Urtheil aaszusprecben, znmal
da sich noch 3 andere, wahrscheinlich aus Kupfer bestehende, dünne nnd kurze,
dreieckige Dolchblätter von der ältesten italischen Form fanden. Eines derselben
(Tav. II. Fig. 41) trug am hinteren Ende noch zwei Niete.
Ein nicht geringer Theil der Ton Hrn. Karchesetti gesammelten Scherben,
namentlich der gehenkelten (Tav. II. Fig. 18 — 25), scheint mir gleichfalls in Betreff
ihres Alters zweifelhaft; die Virtel ans Thon nnd Knochen (Tav. I. Fig. 47 — äl)
bezeichnet der umsichtige Forscher selbst als strani oggetti. Sicherer erscheinen
mir die Stucke, welche mit erhabenen nnd mit Eindrucken versehenen Leisten aus-
gestattet sind. Von den in der Tominz-Uöhle Für Besucher angesammelten Scherben,
Ton denen mir einige Überlassen wurden, die ich unserem Museum ffir Völker-
kunde Übergebe, hatten die meisten keine künstlerische Ausgestaltung erfahren.
Am häußgslen waren breit«, über die ganze Oberfläche in schiefer Richtung ge*
legte Striche oder Furchen, die nach Art Ton Grnsern rielfach unter spitzen Winkeln
zusammenliefen, gelegentlich sich auch kreuzten nnd in ihren Zwischenräumen
durch feine Linien verbanden waren, gleichsam als ob der weiche Thon auf einer
Gras-Unterlage geruht habe.
Ein solches StUck, das ich vorlege nnd von dem Fig. 2 nach einer Zeichnung
meiner Tochter Hanna hergestellt wurde, ist schwach gebogen, an der äusseren
Fig. 2.
Fläche, abgesehen von den Strichen, ziemlich glatt, innen matt nnd scheinbar durch
Abstreichen mit einem Finger breit gefurcht, ohne jede Spur der Drehscheibe. Es
ist schwer und dicht, fast wie Steingut, bis zu 7 mm dick, von gelblichgraner Farbe,
mit Brocken von Kalkspath durchsetzt, auf dem Bruche rauh, offenbar gut ge-
brannt. Wie mir scheint, bietet es ein MusterstUck eines dort häufiger vertretenen
Typus.
Von Thierknochen fuhrt Hr. Marchesetti an: solche vom braunen Bären, vom
Hirsch nnd Reh, vom Wildschwein, Fuchs und Dachs, aber anch vom Rind,
Schwein, Schaf und von der Ziege, endlich von einem Hunde kleiner Rasse.
(230)
unabhängig Ton diesem Fände und an einem anderen Orte wurde in einer
Felsspalte der Reka-Höhle, nahe dem 6. unterirdischen Wasserfall, der mit ge-
waltigem Donner 7 m herabstürzt, in einer Tiefe von 1,5 w unter dem mittleren
Wasserstande ein prächtiger, 1135 .^ schwerer Bronzehelm (Tav. II. Fig. 52) ent-
deckt. Er war aus einem Stück eines etwa 0,5 mm dicken Bronzebleches getrieben und
bis auf eine glänzend abgescheuerte Stelle schön patinirt. Er lag, zwischen Klippen
eingekeilt, an einem bis vor wenigen Jahren ganz unzugänglichen Platze, mindestens
400 m entfernt von dem Punkte, wo der FIuss in der Erde verschwindet. Reste
eines Menschen wurden nicht dabei bemerkt. Nach der Analyse des Hm. Vier-
thaler besteht die Bronze aus 83,52 Kupfer mit 15,69 Zinn und Spuren von Silber
und Eisen. Form und Technik stimmen ganz überein mit den Helmen, die
mehrfach in Krain und Steiermark ausgegraben worden sind. Ich habe eine üeber-
sicht der südösterreichischen Helme früher gegeben (Verhandl. 1887, S. 544, 547,
548, 552) und möchte hier nur den Helm aus dem Pass Lueg hinzufügen, der, so-
viel ich weiss, unter ganz ähnlichen Verhältnissen aus dem Flusse hervorgehoben
ist. Man gelangt damit chronologisch bis in die Hallstatt-, allenfalls bis in den
Anfang der Tene-Zeit.
Dieser Fund hat um so grössere Bedeutung, als Hr. Marchesetti, wie er
uns schon früher (Verhandl. 1896, S. 534) mittheilte, bei S. Canziano eine Nekropole
explorirt hat, welche, wie er sich damals ausdrückte, „dem Uebergangsstadium au«
der Bronzezeit zur Villanova-Periode angehört**. Diese Nekropole, nach welcher
der Fussweg von S. Canziano nach Divaca den Namen Nekropolis-Weg erhalten
hat, liegt an den Abhängen einer Thalsenkung, welche von dem Plateau zu der
Keka-Schlucht hinabführt Hr. Marchesetti geleitete uns auf dem Rückwege
nach Herpelje über das öde und steinige Gefilde, auf dem uns gelegentliche Funde
von Bronze und Eisen, sowie von römischen Sachen, die Anwesenheit alter Gräber
anzeigten. Man hatte früher die Erde von dieser Stelle weggenommen, um den
Kirchhof von S. Canziano zu erweitem. In seiner ersten Pnblication rechnete Hr.
Marchesetti diese^) Nekropole, in welcher der Leichenbrand üblich gewesen sei
und welche unfern von dem Castelliere von Gradisce liege, der Hallstatt-Zeit zu.
Er glaubt ein ähnliches Gräberfeld im Westen von S. Canziano annehmen zu
dürfen. —
Schliesslich muss ich erwähnen, dass es endlich auch gelungen ist, mensch-
liche Gebeine in der Tominz-Höhle aufzufinden. Hr. Fr. Müller (Grottenwelt
S. 58) berichtet darüber, dass im Grunde der vorderen grossen Höhle ein Loch
sei, durch welches ein Mann durchschlüpfen könne; man gelange dann 4 m steil
hinab in eine kleine, kammerartige Höhle, 5 m lang und 3 m breit Hier stiess man
beim Graben in 40 cm Tiefe auf eine 3 cm starke Kalksinterdecke und unter dieser,
10 — 20 cm, auf Menschenknochen. Es wurden 5 theils vollständige, theils zerstörte
Schädel und eine Menge anderer Knochen gesammelt. Nach Hm. Marchesetti
scheinen es meist junge Individuen gewesen zu sein. Die Schädel waren do-
lichocephal. Da man ausser einer dünnen Lehmschicht, welche den Thon
durchzieht, nur noch Reste vom Ochsen und Reh (Geweih) und einige rohe Topf-
scherben traf, so schien der Gedanke an eine Begräbnissstätte ausgeschlossen;
man nahm an, dass die Leute, vom Hochwasser überrascht, ertrunken seien.
Auch schienen die Gerippe durch später eindringende Fluthen auseinandei^wühli
zu sein.
1) Ich setze voraus, dass ich die beiden Nekropolen hier in richtiger Weise aas ein-
ander halte.
(231)
Noch interessanter ist ein Fund, den Hr. Marinitsch im Jahre 1891 in der
Tominz-Höhle gemacht und den Hr. ügo G. Vrara (Atti della Soc. Rom. di Antro-
pologia. 1891. Vol. lU. Fase. 2) veröffentlicht hat. In einer Entfernung von 33 m
vom Eingange und in einer Tiefe von 50 cm wurde unter der römischen Schicht
ein unversehrtes Skelet in der Richtung NW. — SO., mit dem Gesicht nach unten,
ohne irgend eine Beigabe aufgefunden. Die durch eine Abbildung erläuterte Be-
schreibung betrifft nur den Schädel. Derselbe ist ohne Basis und auch von dem
Gesicht ist nur der Unterkiefer vorhanden, an welchem die Zähne stark abgenutzt
sind. Es ergab sich, dass der Schädel durch Compression in der Sagittalrichtung
und . besonders in der Gegend der vorderen Fontanelle stark deformirt und daher
plagiocephal ist. Zugleich sind die Nähte vollständig verknöchert; in der Lambda-
naht einige Worm'sche Beine. Das Stirnbein ist stark zurückgelegt und bildet vor der
Rranznaht eine Erhöhung, welche gegen die Naht abfällt; dann folgt in der „ganzen
bregmatischen Gegend^ eine tiefe Einbiegung, die sich seitlich bis zu den temporo-
parietalen Nähten fortsetzt. Hinter der Einsattelung erheben sich die Parietalia
wieder und erreichen den höchsten Punkt der Scheitelcurve; von da ab senken sie sich
schnell und bilden mit der Schuppe das (steil abfallende) Hinterhaupt.
Hr. Vram erinnert dabei kurz an die Makrocephalen des Kaukasus und ver-
schiedener Orte in Europa, sowie an die Meinung des Hrn. Sergi, dass solche
Schädel Individuen von kaukasischer Abstammung (origine caucasica) angehört
haben, die sich mit Einwanderern verbunden hatten in den Epochen der Invasion,
welcher Europa im Mittelalter ausgesetzt war.
Ich sah diesen Schädel im Museo civico von Triest und war nicht wenig er-
staunt, in demselben ein genaues Gegenstück zu den deformirten Schädeln der
Philippinen -Höhlen anzutreffen, über welche ich in meiner akademischen Ab-
handlung: „Die Bevölkerung der Philippinen" am 18. Mürz d. J. in der König-
lichen Akademie der Wissenschaften gesprochen habe. Die von mir beigegebene
Abbildung eines sagittalen Durchschnittes eines solchen Schädels aus der Höhle
von Lanang auf der Insel Samar zeigt alle charakteristischen Besonderheiten des
Höhlen-Schädels von S. Canziano, insbesondere die eigenthttmliche Faltung der
„Bregma-Gegend"" und die steile Abplattung des Hinterhauptes. Solche Schädel sind
in den Höhlen der Philippinen keine Seltenheit, und da sie zweifellos, wenigstens
zu einem grossen Theile, aus einer Zeit stammen, wo noch kein Europäer die Inseln
betreten hatte, so wird der Gedanke an einen kaukasischen Ursprung wohl nicht
erst aufgenommen werden dürfen. Es ist viel mehr Wahrscheinlichkeit vorhanden,
dass es sich dort um malayische oder auch um protomalayische Stämme handelt.
Soviel ich zu erkennen vermag, ist weder die Deformation überhaupt, noch diese
besondere Art derselben, weder in Europa, noch in Asien, noch in America, auf
bestimmte Bässen beschränkt; sie hat mit der Descendenz nichts zu thun, sondern
ist von ganz anderen Gesichtspunkten aus zu behandeln. Immerhin ist es ein dankens-
werther Fortschritt, zu wissen, dass in Istrien nicht erst im Mittelalter, sondern schon
Tor der Ausbreitung der römischen Herrschaft „Makrocephalen" existirt haben. Wären
sie früher gefunden worden, so wären sie vielleicht als Beweismittel dafür gebraucht
worden, dass die aus Colchis, dem eigentlichen Makrocephalen-Lande, heimkehrenden
Argonauten hier einen von dort gebürtigen Todten bestattet hätten. —
(22) Hr. Fritsch legt einige Präparate von
tättowirten Hantstttcken des Menschen
vor, um die Vortheile der zu gedachtem Zweck bisher nicht angewandten
Methode der Conservirung zu erläutern. Erhärtet man die ausgeschnittenen Haut-
(232)
stttcke zwischen zwei Glasplatten unter starkem Alkohol, entwässert nach einigen
Tagen weiter mit absolutem Alkohol, so lassen sich die Hautstücke mit
Terpentin aufhellen und ähnlich, wie mikroskopische Präparate, in Canada-
Balsam, den man durch Erhitzen eingedickt hat, zwischen Glasplatten ein-
schliessen. Der erkaltete Balsam wird sofort fest und läuft nicht mehr zwischen den
Platten heraus, die man schliesslich am Rande mit Papierstreifen umkleben kann.
Während sonst mich Einwirkung von Alkohol das Gewebe der Haut ein trübes
Ansehen bekommt und viele Feinheiten der Tättowirung verschwinden, so lässt die
durch Canadabalsam aufgehellte Haut jedes Partikelchen des eingebrachten Farb-
stoffes klar und deutlich erkennen.
Da die Präparate zwischen den Glasplatten im Balsam unveränderlich sind,
so eignen sie sich in dieser Form auch besonders zur Aufstellung in Schau-
sammlungen und zur Demonstration bei Vorträgen.
(Der Vortragende stellt dieselben den öffentlichen Sammlungen zur Ver-
fügung.) —
Hr. v. Luschan macht darauf aufmerksam, dass man die tättowirte Haut auch
durch Gerben conserviren kann. Er legt eine Probe vor. —
Hr. R. Virehow bemerkt, dass im Patholog. Institut zu Berlin eine reiche
Sammlung von tättowirten Hautstücken, die lediglich durch Trocknen und üeber-
ziehen mit Fimiss oder in Spiritus consernrt wurden, sich befindet. Er wird
Proben davon vorlegen. —
(23) Hr. Fritsch zeigt im Hinblick auf das vor einiger 2^it (V^erhandl. 1896,
S. 544) durch Hm. Zenker vorgelegte Feuerstein-Gebilde, welches ungefähr die
Gestalt eines kindlichen Fusses hatte, bei dessen Vorlegung er sich aber über
diese sonderbare Uebereinstinunung nicht genauer aussprechen wollte, ein ver-
wandtes Object vor, das in auffallender Weise an eine durch Elephantiasis ver-
unstaltete Hinterhand eines Schimpanse erinnert.
Im vorliegenden Falle handelt es sich um nichts Anderes, als eine in der
Umgebung Berlins gewachsene Mohrrübe. Man sieht deutlich die vier kurzen,
geschwollenen Zehen mit den verlängerten Ruppennägeln und den abgesetzten,
kräftigen Daumen.
Es wurden gleichzeitig zwei solcher Rüben eingeliefert, so dass man eine linke
und rechte Hand hätte unterscheiden können. Konnten bei dem Feuersteinfuss
noch mancherlei nach meiner Ueberzeugung freilich unzutreffende Vermuthungen
des Zusammenhanges aufgestellt werden (Versteinerung?, Abdruck?, Pseudomor-
phosis?), so ist bei der vorgelegten Mohrrübe selbstverständlich jede solche Er-
wägung ausgeschlossen.
Sie kann nichts weiter sein, als ein sogenanntes ^ Naturspiel *^ (Lusus naturae),
worüber die Jetztzeit sehr kühl denkt, während in der ersten Hälfte dieses Jahr-
hunderts, als die Naturphilosophie ihr Wesen trieb, dieser ^Gestaltungstrieb^ der
Natur ganz erstaunlich ernst genommen wurde. Haben doch Manche in den Ver-
steinerungen ^vorläufige", in anderem Material ausgeHlhrte Modelle sehen wollen,
welche die Natur später in dem belebten Material vollendete! So sicher diese un-
geheuerliche Anschauung falsch ist, so sicher dürfen wir die sogenannten Natur-
spiele als Zufälligkeiten der Formenüberemstimmung auffassen. —
(233)
(34) Neu eiDgegangene Schriften:
1. Hatiegka, J-, Umele deformoranä lebka z Budyne t f;ech&ch. t Praze 1894.
Nebst französischem Reaume (Rozprary Öesk« Akad. Cisate Frantiska Jo-
sefa).
2. Derselbe, Zkoumäni koski a lebek ceskych t kostnici'ch venkorskych. t Praze
1S96. Nebst französischem Resnme (ßozpr. Öeske Akad. Ci's. Frant. Josefa).
Nr. 1 u. 2 Gesch. d. Verf.
o. Hoffmana, W. Jaroes. The Menomini Indiana. Washington 1896. (Report of
the Bnreau of Ethnology.) Gesch. d. Verf.
4. Ploss-Bartels, B., Das Weib. 5. Anfl. 8. bis 10. Lief. Leipzig 1897. Gesch.
d. Verf.
5. Schwartz, W., De antiqnisaima Apollinis natura. Berlin 1843. (Dissertation.)
6. Derselbe, Die Alt-Griechischen Schlangengottheiten. Berlin IS58. (Programm
des Friedrich s-Werd ersehen Gymnasiums.)
Nr. 5 u. 6 Gesch. d. Verf.
7. Steenstrup, Japetus, Til Forstaaelsen af Nordens „Guldbrakteat-Faenomen" og
dets Betydning for Nord-Enropas Kolturhistorie. Kjebenhavn 1897. (Overs.
y. D. K. D. Tidensk. Selsk. Forh. 1897. Nr. 1.) Gesch. d. Verf.
8. Polakowsky, 0., Zar Lepragefahr. München 1897. (Beilage z. Allgem. Ztg.
1897, Sr. 80.) Gesch. d. Verf.
9. Götze, A., Referat über Urgeschichte des Menschengeschlechts für 1895.
Berlin 1895. (Jahresber. d. Geschichtswissenschaft)
10. Derselbe, Die Vorgeschichte der Neumark, noch den Fanden dargestellt.
Würzborg 1897. (Sep.-Abdr. a. d. Schritten d. Vereins f. d. Geschichte
d. Neumark. V.)
Nr. 9 n. 10 Gesch. d. Verf.
11. Lidzbarski, M., Geschichten und Lieder ans den neaaramäiscben Hand-
schriften d. Kgl. Bibliothek zu Berlin. Weimar 189C. Gescb. d. Verlegers.
12. Lincke, A., Assyrien und Ninive in Geschiebte und Sage der Mittelmeervölker
(nach 607/6). Berlin 1894.
13. Die Europäische Längengradmessnng in 52 Grad Breite Ton Greenwich bis
Warschau. IL Heft. Berlin 1896.
14. Bestimmung der Polhöhe nnd der Intensität der Schwerkraß anf 22 Stationen
Ton der Ostsee bei Kolberg bis zur Schneekoppe. Berlin 1896. (Veiöff.
d. K.-Pr. Geodät. Inatit.)
Nr. 12—14 durch Herrn R. Virchow.
15. Borgstede, Statistisch-Topographische Beschreibung der Kuri
bürg. I. Berlin 1788. Gescb. d. Frl. Clara Korn in Berli
16. Biolley, P., Moluscoa terrestres y fluviatiiea de la meseta ce:
Rica. San Jose 1897.
17. Tristan. J. F., Insectos de Costa Rica. San Jose 1897.
Nr. 16 u. IT von Mnseo nacional de Costa Rica.
18. Le Tour dn monde. Jahrg. 1891—1897. Paris 1891—1897.
19. Sommer, E., Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen u
Halle 1846.
Nr. 18 u. 19 Gesch. d. Herrn Sanitätsrath Bartels.
20. Thurston, E., Anthropology of the Badagas and Imlas of the t
1897. (Bulletin of the Madras Government- Museum. II. 1
Government- Mnsenm, Madras.
1
(284)
21. Albrich sen., C, Programm des evangel. Gymnasiums zu Hermannstadt für
das Schuljahr 1895/96. Hermannstadt 1896. Gesch. d. Verf.
22. Boas, F., The growth bf children. o. 0. 1897. (Science V, Nr. 119.)
23. Derselbe, Traditions of the Ts'ets'ä'ut. o. 0. u. J. (Joum. of American Polk-
Lore.)
Nr. 22 u. 23 Gesch. d. Verf.
24. Castelfranco, P., Necropoli di Bissone nella provincia di Pavia. Parma 1897.
(Estr. Bull, di paletnologia ital.) Gesch. d. V^erf.
25. Colini, G. A., Martelli o mazzuoli litici con foro rinvenuti in Italia. Parma
1896. (Estr. Bull, di paletnologia italiana.) Gesch. d. Verf.
26. Munro, R., Prehistoric problems. Edinburgh and London 1897. Gresch. d.
Verf.
27. Wegener, Ph., Die Alterthums- Sammlung des Gymnasiums in Neuhaldens-
leben, o. 0. 1897. (Sep.-Abdr. a. d. Festschr. zur Feier des 25jährigen
Jubiläums des Gymnasiums.) Gesch. d. Verf.
28. Heierli, J., Nachträge zur archäologischen Karte des Cantons Zürich. Zürich
1897. (Sep.-Abdr. a. d. Anzeig. f. Schweiz. Alterthumskunde.) Gesch. d.
Verf.
29. Scudder, S. H., List of exotic Orthoptera. Boston 1896. (Proceedings Boston
S. of N. H.) Gesch. d. Verf.
30. White, J. C, Thomas Tracy Bouve. Boston 1896. (Proc. Boston S. of N. H.)
Gesch. d. Verf.
31. Dorsey, G. A., Numerical variations in the molar teeth of fifteen New Guinea
Crania. Chicago 1897. (Rep. Dental Review.)
32. Derselbe, A Maori Skull with double left parietal hone. Chicago 1897. (Rep.
Chicago Medical Recorder.)
33. Derselbe, The lumbar curve in some American races. Salem, Mass. 1897.
(Bull. Essex Instit.)
Nr. 31—33 Gesch. d. Verf.
34. Virchow, R., Die Bevölkerung der Philippinen. Berlin 1897. (Sitzungsber.
d. K. Akad. d. Wissenschaft XVI.) Gesch. d. Verf.
35. Mies, J., lieber die sogenannten Zwischenformen zwischen Thier und Mensch:
die Mikrocephalen und den Pithecanthropus erectus Dubois. Köln 1896.
(Sep.-Abdr. a. d. Corresp.-Bl. d. ärztl. Ver. i. Rheinl. u. Westfalen. Nr. 59.)
Gesch. d. Verf.
Sitzung vom 19. Juni 1897.
Vorsitzender: Hr. R. Virchow.
(1) Als Gäste sind anwesend die HHrn. W. Werkmeister, G. Schweitzer,
Dr. Franz Olshausen, Ludwig ßorchardt und Dr. Gramatzky. —
(2) Von ihren Reisen zurückgekehrt sind die HHrn. G. Schweinfurth,
Seier, ühle und Hirth. —
(3) Der Vorsitzende meldet mit höchstem Bedauern den Tod von Hrolf
Vaughan Stevens. Nach einer Benachrichtigung des Hrn. Karl Hienerwadel,
der früher in Penang gewohnt und dort die Bekanntschaft des Reisenden gemacht
hatte, aus Singapore vom 17. Mai, welcher er eine Nummer der „Singapore Free Press**
vom 14. Mai beigefügt hat, ist der Tod unseres so eifrigen und muthigen Forschers
am 29. April in Anebeig, Kuching (Sarawak) in Folge völliger Erschöpfung ein-
getreten. Er wurde am Vormittage auf seinem Lager, wie ein Schlafender, aber
schon kalt, angetroffen. Die HHrn. J. C. Ferrier und C. D. Harvey, welche
ihn in letzter Zeit wiederholt gesehen hatten, berichten, dass er seit Januar in
Aneberg gelebt habe, aber schon 3 Wochen vor seinem Tode sich so schwach ge-
fühlt habe, dass er einige Anordnungen für den Fall seines Todes traf. Nach
seiner Angabe war er 62 Jahre alt und pecuniär sicher gestellt. Er schrieb seine
Leiden den Strapazen auf der malayischen Halbinsel zu ; in Folge von Herzschwäche
habe er neuerlich zwei Ohnmacht- Anfälle gehabt. Trotzdem lehnte er ärztliche
Hülfe ab, da er genug wisse, um sich selbst behandeln zu können. In der letzten
Zeit hatte er nur von Milch gelebt, aber sein verschlimmerter Zustand hatte zuletzt
nur mehr den Genuss einer minimalen Menge davon gestattet. Mr. Harvey sandte
ihm wiederholt Weingelee, welche der Kranke nahm und so gut vertrug, dass er
am Tage vor seinem Tode •,ein gut Theil Käse^ zu sich nahm. Früher war er
in die Veranda oder den Garten gegangen, aber in den letzten 10 Tagen war er
nach dem Zeugniss seines chinesischen Dieners zu schwach, um sich zu bewegen.
Das Kind, welches er von seiner Ayah hatte, hörte ihn am Morgen des Todestages
gegen 6 h. 30 stöhnen; der Diener machte um 8 Uhr dieselbe Wahrnehmung, zu-
gleich sprach der Kranke mit sich. Um 10 h. 15 wurde er todt gefunden.
So hat dieser treue und geschickte Forscher geendet, dem unsere Sammlungen
so viel verdanken und dessen in unseren Sitzungen so oft gedacht ist. Er hatte
seine Befähigung, mit wilden Stämmen in ihrer Art zu verkehren und so auch in
ihre intimeren Verhältnisse einzudringen, zuerst auf Reisen im Innern von Australien
und dann durch einen längeren Aufenthalt unter den Weddas in Ceylon entwickelt
Unsere Aufmerksamkeit auf ihn wurde namentlich durch den, nun auch schon ver-
storbenen Baron Ferd. v. Müller in Melbourne gelenkt. Wir entschlossen uns,
ihm die Mittel zu einer Erforschung der malayischen Halbinsel urfd namentlich
der dortigen wilden Stämme anzuvertrauen. Das Königliche Museum für Völker-
(236)
künde und die Kudolf Virchow-Stiftung tragen zu gleichen Theilen dazu bei
(Verhandl. 1889, S. 735). Die Aufgabe war leider viel schwieriger, als Toraus-
gesehen war, und sie ist nicht vollständig gelöst worden, obwohl Stevens, der
vom December 1888 bis vor 2 Jahren in immer neuen Versuchen in das Innere vor-
zudringen gewusst hatte, es an Hingebung und Opfermuth nicht fehlen liess. So
gestatteten wir ihm endlich abzubrechen. Er kehrte dann zunächst nach Australien
zurück. Seine letzten Sammlungen in Malacca sind noch nicht eingetroffen; nach
dem erwähnten Zeitungsbericht hat er vor seinem Tode den Auftrag gegeben, seine
Effecten an den deutschen Consul in Singapore zu schicken. Hoffentlich werden
sich darunter auch die noch ausstehenden Berichte über eine inzwischen hier ein-
getroffene Schädel- und Knochen-Sendung finden').
Nachdem seine Briefe aus Australien die Wiederkehr seiner Gesundheit und
seine Zuversicht auf erneute Thätigkeit gemeldet hatten, war eine Expedition nach
Borneo mit ihm verabredet worden. Auf Wunsch des Hrn. Bastian hat das
Ethnologische Comite dazu Mittel bewilligt. Leider muss jetzt angenommen werden,
das8 die eigene Auffassung des Reisenden von seinem Rräftezustande auf Selbst-
täuschung beruhte. Es ist allerdings noch eine Schädelsammlung von ihm vda-
gemeldet, aber wir werden kttnAig von ihm nur als von einem Märtyrer der Wissen-
schaft sprechen können. Reiner von uns hat dem thatendurstigen Manne den An-
stoss zu seinen mühseligen und gefährlichen Unternehmungen gegeben; er selbst
hatte den brennenden Wunsch darnach ausgesprochen und wir durften sein An-
erbieten um so weniger ablehnen, als sein Vorleben die Bürgschaft zu bieten
schien, dass er den Gefahren sowohl des Klimas, als der Menschen Widerstand
leisten werde.
Sein Andenken wird von uns in Ehren gehalten werden. —
(4) Von unseren correspondirenden Mitgliedern ist Sir Augustus Wollaston
Franks, M. A., F. K. S., Director der archäologischen Abtheilung des British Museum
in London, gestorben. Er war durch seine ausgedehnte Kenntniss nicht nur der alten,
sondern auch der mittelalterlichen und selbst der modernen Erzeugnisse des Kunst-
gewerbes ein Führer von unschätzbarer Sicherheit Das British Museum verdankt
ihm die Erwerbung der seltensten und werth vollsten Stücke, auch aus Deutsch-
land. —
(5) Am 1. Juni ist eines unserer besten Mitglieder aus unserem Kreise ge-
schieden. August V. Hey den, der noch in der März-Sitzung (S. 112) uns eine
interessante Mittheilung hatte zugehen lassen, ist einem schleichenden Nierenleiden
erlegen. Seinen verschlungenen Lebensgang vom practischen Bergmann und späteren
Bergbeamten zum Maler, Costümforscher und Dichter, sogar zum Staatsmann hat
Hr. Ludwig Pietsch (Vossische Zeitung, 2. Juni, Beilage 2) mit voller Sach- und
Personenkenntniss und mit angenehmer Wärme geschildert. Für uns war der viel-
erfahrene Mann mit seinem vorsichtigen L'^rtheil und seiner erprobten Hingebung
ein gesuchter Helfer und Lehrer in Fragen der Tracht und des Arbeitsgeräthes. —
Am 12. Juni starb plötzlich an einem Herzschlage Dr. med. Carl Fischer zu
Lenzen a. d. Elbe, einer der wenigen Ueberlebenden aus dem Kreise von Alter-
1) Nachträglich mus8 erwähnt werden, dass nach einer Benachrichtigung der Ver-
waltung des Museums für Völkerkunde vom 19. Juli der Nachlass des Reisenden hier ein-
getroffen ist, dass sich aber in demselben weder die erhoflften Nachrichten, noch sonstige
werth volle Stücke gefunden haben.
(237)
thumsfrennden, mit denen unsere Excursion in die West-Priegnitz uns in persön-
liche Beziehung gebracht hatte. —
(6) Von hervorragenden Genossen ausserhalb unseres Kreises sind zu nennen:
Dr. G. Ossowski, f 16. April zu Tomsk, Sibirien, ein geborener Westpreusse
und durch zahlreiche, namentlich auch kartographische Arbeiten über die Grenzgebiete
zwischen Polen und Deutschland weit bekannt. Der Bau der sibirischen Eisenbahn
hatte ihn um der erwarteten prähistorischen Funde wegen in die Ferne gelockt. —
Dr. Stephan Berger, f 22. Februar in Prag, einer der glücklichsten und zu-
verlässigsten Erforscher der böhmischen Gräber. —
Dr. V. Boye in Kopenhagen, dessen Arbeit über die dänischen ^ Eichenkisten*'
uns erst kürzlich seine Bedeutung erschlossen hatte (Zeitschr. f. Ethnolog. 1896,
8. 244). —
Dr. Jacob v. Falcke, der Director des von ihm geschaffenen Kunstgewerbe-
Museums in Wien. —
Consul Sahl in Sydney, der uns und unseren Keisenden so oft hülfreich ge-
wesen ist. —
(7) Unser Mitglied, der bisherige Gesandte der Kepublik Haiti, Hr. Delorme
hat Berlin verlassen. Vorstand und Ausschuss haben ihn zum correspondirenden
Mitgliede erwählt. —
(8) Als ordentliche Mitglieder sind neu angemeldet:
Städtisches Museum in Gera.
Hr. Chemiker Carl Przibylla in Vienenburg am Harz.
^ Maler und Zeichner Georg Hei big in Berlin.
(9) Hr. Karl von den Steinen hat eine längere Reise angetreten, welche zu-
nächst die Marqaesas-Inseln, wo vor Kurzem unser Mitglied Hr. A. Bässler weilte,
als Ziel in das Auge gefasst hat Nachdem er noch in Düsseldorf das 50jährige
Arzi-Jnbiläum seines Vaters mitgefeiert hatte, ist er nach Quebec abgefahren. Von
Liverpool hat er unter dem 27. Mai ein Lebewohl an die Gesellschaft gesendet
So viel Neues wir von dem scharfsichtigen Beobachter erwarten, so sehr werden
wir seine stets bereite Hülfe vermissen. Wir verlieren in ihm ein immer sicheres
Mitglied unseres Ausschusses.
Letzterer hat an seiner Stelle den Vorsitzenden des Ethnologischen Comites,
Hrn. Valentin Weisbach cooptirt, der die Wahl angenommen hat. —
(10) Unser ordentliches Mitglied, Hr. Cari Günther, unser erprobter photo-
graphischer Helfer, hat am 4. Juni seinen 70. Geburtstag gefeiert. Wir haben ihm
herzliche Glückwünsche und erneuten Dank zu spenden. —
(11) Hr. M. Bartels theilt aus einem Briefe von Hrn. A. Bastian aus Batavia
(Ende April) folgende Stellen mit:
„Mit nächster Gelegenheit geht eine an die anthropologische Gesellschaft
adressirte Sendung von hier ab, enthaltend 50 Exemplare einer Brochüre, die ich
während meines Verbleibs in Batavia habe fertigstellen lassen. Dieselbe sollte
zur Vertheilung unter die Schenkgeber der werthvoUen Beiträge zur Festschrift
dienen, denen ich so viel Liebes und Schätzenswerthes verdanke, dass ich eine Er-
widerung darauf nicht länger verzögern möchte.
^In der Zwischenzeit bitte ich um freundliche Grüsse an alle Freunde und
Mitarbeiter.^
(238)
Einen Tag später erhielt Hr. Bartels eine Karte von Hrn. Capitän Fedor
Schnitze mit folgender Mittheilung:
^Hr. Geheimrath Bastian befindet sich sehr wohl, er war vorgestern noch
bei mir; ich finde, dass er zu eifrig arbeitet und dass er im Allgemeinen zu wenig
Ruhe nimmt. Seine Energie weckt hier Bewunderung." —
(12) Hr. \V. Joest gedenkt demnächst nach Neu -Guinea zum Studium der
Tättowirung zu gehen. —
(13) Hr. Ohnefalsch-Richter ladet unter dem 16. Juni zu einem Besuche
der neu eröffneten Transvaal-Ausstellung am Stadtbahnhofe, Savigny-Platz,
am 22. d. M. ein. —
Der Vorsitzende, der eine vorläufige Besichtigung vorgenommen hat, rühmt
die grossartige Anlage und die Mannicb faltigkeit der vorgeführten Völkertypen. —
(14) Die Direction des Passage-Panopticums übersendet Einlasskarten
zu einer besonderen Vorstellung von Sahara-Bewohnern (Tuaregs u. s. w.) am
23. d. M. —
(15) Für den 27. d. M. ist eine anthropologische Excursion nach
Brandenburg a. H. geplant, die unter Leitung des Hrn. Stimming vor sich gehen
wird. —
(16) Am 14. d. M. haben in Berlin Besprechungen von höheren Beamten aus
dem Gebiete des Polizei- und Gefängnisswesens aus sümmtlichen deutschen Bundes-
staaten begonnen in Bezug auf Einführung des von Hrn. Alf. Bertillon erfundenen
Systems zur Messung und Feststellung von Personen in Deutschland. —
(17) Das Programm der neu gegründeten Rivista italiana di Sociologia
nebst Abonnements-Einladung (Rom, April) wird vorgelegt. Der leitende Rath be-
steht aus den HHrn. Cognetto de Martiis, Bosco, Cavaglieri, Sergi, Tan-
gorra und Tedeschi. —
(18) Der Verein des Museums für deutsche Volkstrachten und Er-
zeugnisse des Hausgewerbes zu Berlin bittet um Beiträge, um ihn in den
Stand zu setzen, die Erwerbung der sogen. Chicago-Sammlung zu bewerk-
stelligen. Letztere ist nach ihrer Rückkehr von America durch das für die Welt-
ausstellung gebildete Ethnologische Comite dem Verein zur zeitweiligen Aufstellung in
seinen Räumen anvertraut worden, aber der letztere besitzt nicht die Mittel, um
diese werthvolle Sammlung (Verh. 1893, S. 28) erwerben zu können. Die früher
gehegte Hoffnung, dass dieselbe ohne Weiteres nach ihrer Rückkehr in den Besitz
des Trachten-Museums übergehen werde, hat sich leider nicht verwirklicht. —
(19) Hr. V. Luschan zeigt ein von Eckert & Hamann in Friedenau bei
Berlin hergestelltes Planimeter. Es ist durch verblüffende Einfachheit und ent-
sprechend billigen Preis (15 Mk.) ausgezeichnet. Zahlreiche Proben haben einen
Genauigkeitsgrad von meist unter 1 pCt. ergeben; nur in wenigen Fällen stieg der
Fehler um ein ganz Geringes über 1 pCt. Das Instrument verdient daher auch
für craniometrische Zwecke warm empfohlen zu werden und leistet jedenfalls un-
endlich viel mehr, als bisher ohne die grossen und theuren alten Planimeter, etwa
durch Abwägen oder durch die Quadrat-Methode, erreicht werden konnte. Die Hand-
habung ist eine ganz einfache; jedem Instrumente ist eine Gebrauchs-Anweisung
beigegeben. —
(241)
teren aus diesem oder aus zinnarmer Bronze, und erst die späteren aus gewöhnlicher
Bronze bestehen, und dass diese Verhältnisse nicht nur für Schweden, sondern auch
für andere Länder von Nord- und Mittel -Europa gelten. Dies trifft auch in vor-
liegendem Falle zu. Montelius charakterisirt die beiden ersten seiner sechs
Flachcelttypen folgendermaassen:
1. Breite, der Länge nach fast gleichmässig breite Aexte von gleicher Form,
wie manche Aexte von Flint- oder anderem Gestein. Reine aufstehenden Seiten-
ränder, kein Querabsatz.
Material: ungemischtes Rupfer. v
2. Breite Aexte, welche doch nach oben so stark abschmalen, dass die Schneide
mehr als doppelt so breit ist, wie die Bahn; keine oder sehr niedrige Seitenränder, kein
Querabsatz.
Material : entweder ungemischtes Rupfer oder sehr zinnarme Bronze (mit selten
mehr als 3 Procent Zinn).
Vorliegendes Flachbeil steht zwischen diesen beiden Grundtypen, nähert sich
aber mehr dem zweiten: die Schneide verjüngt sich stark nach oben, fast um die
Hälfte, und ist leicht geschweift. Bietet es zwar nichts Neues und ist das Vor-
kommen dieser Form in Nord-Europa ein ziemlich häufiges, so dürfte doch die
sorgfaltige Analyse manchem willkommen sein, zumal da sie die Ausführungen von
Montelius bestätigt und Much's Statistik (Die Rupferzeit in Europa, 2. Aufl., Jena
1893) erweitert. —
(21) Hr. H. Schumann übersendet unter dem 12. Mai aus Löcknitz folgende
Mittheilung:
BroDzekeale (3Iorgensterii) von Bntzke (Pommern) •
Das Gut Butzke bei Beigard in Hinterporamern hat schon seit einer ganzen
Reihe von Jahren eine grosse Anzahl wichtiger prähistorischer Funde geliefert,
Hier wurden Hügelgräber der Bronzezeit eröffnet (Spiralflbel ')• Später fand sich
hier ein grosses Brandgrubengräberfeld der jüngeren La Tenezeit*). Auch eine
höchst interessante Werkstätte für Bemsteinperlen aus der römischen Raiserzeit
wurde hier gefunden'). Von Butzke stammt auch der im Folgenden zu beschreibende
Bronze-Morgenstern.
Dicht hinter dem Gutshofe befindet sich eine sumpfige Wiese, an welcher der
Weg nach dem Brandgrubengräberfeld vorüberfOhrt. In dieser Wiese wurden 1865
Gräben ausgeworfen und dabei fand sich das Stück in 2Vi Fuss Tiefe als Einzel-
fund. Es befand sich bisher im Privatbesitz.
Der Reulenkopf ist aus Bronze durch Guss hergestellt. Das Aussehen ist
sehr dunkel, fast schwarz, wie bei vielen Moorfunden. Die Bronze ist im Bruche
grau, im Feilstriche gelblich. Gewicht =^ 550 g., Länge genau 100 mm, grösste
Breite zwischen den Stachelenden 70 mm. Die Röhre hat einen lichten Durch-
messer von 18—19 mm. Die Wandung der Röhre hat 2 mm Dicke; im Ropilheii
ist dieselbe aber viel stärker, etwa 15 mm.
Die Reule (Fig. l), die eine oben und unten offene Röhre bildet, hat am
oberen Ende eine erhabene Borte, in Form einer doppelten Schnur; hierauf
1) Phot Album von Voss und Günther, Sect. HL Taf. 18.
2) Schumann, ürnenfriedhöfe in Pommern. Bali. Stud. 88. 8. 109.
3) Verhandl. 1887, S. 56.
T«rhandl. der Beri. Aotliropol. Gesellschaft 1$97. 16
(242)
kommt ein Kranz von 4 kleinen Zacken in Fonn von kurzen vierseitigen Pyra-
miden. Hiennf ein Kranz von 4 grossen ebensolchen Pyramiden. Die ^ia jeder
dieser gr&saeren Zacken hat
ein geperlles Band and in jeder
r , Ecke ein Knöpfchen. Das ge-
3 perlte Band ist dadurch her-
gestellt, dasB ein gegossenes
Doppel wUl stehen der Quere
nach durch tiefe, scharfe Pdo-
zenachiageeingekerbttBt Hier-
auf folgt wieder ein Kranz
von 4 kleinen pyramidalen
Zacken und unterhalb der*
selben als Äbschloas eine er-
habene Schnur.
Die Bahre nnterhalb des
Kopfes zeigt ein Band, aas
3 Doppel -Spiralen bestehend,
deren jede in der Mitte mit
einem Knöpfchen versehen ist.
Hierauf wieder eine erhabene
Schnur und wiederum ein ans
3 Doppel Spiralen bestehendes
Band, während die B.öhre nach
unten durch eine Verzierung
in Form einer Doppelscbnur,
wie oben, abgeschlossen ist. Alle diese Ornamente, die Schnüre, Spiralen nnd
Knöpfchen, sind aber zierlich herausmodeltirt nnd über die Fläche erhaben.
Veon auch im ersten Angenblick beim Betrachten der Spiralen jemand auf
den Gedanken kommen könnte, daas das Stück etwa unserer älteren Bronzezeit
angehören möge, in der diese Doppelspiralen ja bekanntlich ein sehr beliebtes
Verzlerungsmotir waren, so kann doch bei genauer Betrachtang davon keine Rede
sein. Die Ponn der Spiralen mit einem Knöpfchen im Centmm ist ganz un-
bekannt bei uns in dieser Zeit, nnd auch die Doppelspirale cn retief ist etwas
ganz Ungewöhnliches. Aach die verschiedenen Reliefschnüre, welche beramlaufen
lud die einzelnen Bänder abtheilen, sind in unserer Bronzezeit eine unbekannte
Verzierungaart.
Dabei ist das Stück trotz seiner Schwere nicht plump, sondern geradezu ge-
Khmackvoll nnd zierlich gearbeitet.
Bronzekenten, wie die vorliegende, gehören, sowohl was ihre Verwendung, als
was ihre Fettstellung nnd Herkunft belrifft, zu den am wenigsten bekannten prä-
historischen Qeräthen. Der Grund ist wohl darin zu suchen, dass diese Keulen*
köpfe, soviel ich ersehe, meist Binzelfunde sind.
Keulenköpfe ans Stein in Form einer durchbohrten Kugel, der Steinzeit
angehörend, werden aus verschiedenen Gegenden erwähnt. So aus Ostprenssen
von Tischler'), femer von Olshanaen aus Ostprenssen nnd Thüringen^). Auch
1) Schriften der pbys -Skonom. Ges. in Königsberg 16S4. S. 13.
2) Terhandl, 1891. S. 849 u. f.
(243)
in Pommern kommen, wie Schreiber dieser Zeilen beobachtet hat, ähnliche Reolen-
köpfe in Form durchbohrter Rngeln ans hartem Gestein vor.
Kenlenköpfe ans Bronze, der Bronzezeit angehörig, werden angeftthrt: ein
Exemplar Ton gerippter Form ans der Gegend ron Bernburg und ein Exemplar
▼on doppelkonischer Form [einem grossen, doppelkonischen Spinnwirtel gleichend]
aus Ostpreussen '). Alle diese Kenlenköpfe sind aber ron unserem Stücke von
Bntzke yerschieden und geben über die Herkunft des letzteren keine Auskunft.
Keulenköpfe mit Stacheln, wie der vorliegende, haben, obwohl dieselben
keineswegs häufig sind, doch ein ziemlich weites Verbreitungsgebiet Aus Gondek
bei Kumik in Posen hat Buchholz ein Exemplar publicirt'). Es unterscheidet
sich dieser Keulenkopf von unserem dadurch, dass demselben die schöne Oma-
mentirung fehlt; auch sind die Stacheln dreiseitig pyramidal. Weiter habe ich mir
Exemplare notirt aus dem Museum zu Wiesbaden, von unbekanntem Fundort,
sowie aus den Museen zu Frankfurt, Karlsruhe, Sigmaringen (aus Italien)
und ein Stück aus dem Rhein bei Mainz im Mainzer Museum.
Diese Stücke zeichnen sich dadurch aus, dass sie ohne wesentliche Ornamente
sind, ziemlich niedrige, mehr ringförmige HtQsen bilden, und dem unseren an
Länge und Gewicht erheblich nachstehen.
Abgebildet sind derartige Keulenköpfe von Lindenschmit: Alterthümer
uns. heidn. Vorzeit I. VIU. auf Taf. II, Nr. 1, ohne näheren Fundort aus Bayern
(Nationalmuseum in München), Nr. 2. aus Italien (Wiesbaden), Nr. 3 ohne näheren
Fundort aus Meklenburg (Museum zu Schwerin), Nr. 4 aus der Thunschen Samm-
lung (Kgl. Antiquarium in München), Nr. 5 von Weltendorf (Bayern) im Mus. zu
Hannover, Nr. 6 u. 7 aus Italien (Mus. zu Sigmaringen.)
Femer von Lindenschmit: Alterthümer der Fürstl. Sammlung zu Hohen-
zoliem- Sigmaringen auf Tafel XLI. 5. Exemplare aus Italien, von denen schon
vorher zwei abgebildet sind, Nr. 6 u. 7.
Auch Genthe erwähnt in seiner bekannten Arbeit über den Tauschhandel
der Etrusker nach dem Norden diese Keulenköpfe (S. 54). Er erkennt nur die
kleinsten Exemplare als Geisseiknöpfe an und hält die schwereren für Streit-
kolben. Als nördlichstes, ihm bekanntes Stück führt er ein solches aus dem
Hafen von Istadt in Schweden an (S. 175). Ausserdem zwei Exemplare ans
Ungarn (S. 147): von Sajö-Kerestar (Comitat Borsod), noch mit einem hölzernen
Schaft versehen, und ein Stück von Dömös (Comitat Gran), bei welchem die
Schaftröhre oben und unten mit einem gekerbten Wulstring versehen ist, also
ähnlich, wie bei unserem.
In neuerer Zeit hat sich auch Forrer mit diesen Gegenständen beschäftigt
^md führt eine Anzahl Stücke in Abbildung vor'). Er zeigt, dass diese Keulen-
köpfe (Geisseiknöpfe) besonders verbreitet sind in Italien und Ungarn, seltener in
Deutschland, Frankreich und der Schweiz; auch aus Aegypten wird ein Exemplar
angeführt Er unterscheidet zwei Formen: einen italischen und einen ungarischen
Typus, von denen der italische durch zahlreiche Stacheln und niedere Ringform,
der ungarische durch längere Hülse und drei- bis vierseitig-pyramidale Stacheln
charakterisirt wird. Zwischen beiden Typen finden sich Uebeigangsformen. Ein
ganz besonders wichtiges Stück bildet Forrer auf Taf. HI, Fig. 1 ab. Dieses
1) ebendas.
2) Verhandl. 1884, S. 818.
8) Beiträge zur prähist. Archäologie von R. Forrer. Strassburg 1892.
16 •
(244)
Stück giebt zugleich einen Fingerzeig für die Verwendung dieser Geräthe. Es be-
steht nebmlich aus einer bohlen Eisen spitze, um deren Basis der Reulenkopf Ton
Bronze herumläuft und gewissermaassen eine Garnitur derselben bildet Diese
Eisenspitze mit Reulenkopf war nach Forrer's Meinung auf einem Holzstab be-
festigt und diente zu gleicher Zeit als Stimulus und als Keule zum Antreiben
von Zngthieren. Er deutet zum Beweise auf Sculpturen von Beni Hassan in
Aegypten hin.
Man wird zugeben müssen, dass dieser Erklärungs versuch viel Bestechendes
hat Zugleich beweist aber auch der Eisenstacbel des letzt angeführten Exemplars,
dass diese niedrigen italischen Stachelkeulen nicht mehr der Bronze-, sondern
schon der Eisenzeit angehören^). Die Grösse dieser Stacbelkeulen ist ungemein
verschieden. Forrer führt Stücke an von 15 g Gewicht. Dass diese als Keulen
keine nennenswerthe Kraft ausüben konnten, ist einleuchtend; sie werden in der
That nur eine Art von Garnitur gebildet haben. Dass aber die stärkeren und
massiven Exemplare, wie das unsere, geradezu als Waffe gebraucht wurden, scheint
mir sicher; denn auch unsere Keule ist an vielen Stellen ersichtlich durch Schlagen
abgenützt und einer der kleinen Zacken ist direct abgeschlagen. Jedenfalls wäre
es ein Leichtes, mit unserem Stücke, wenn es auf einem Stocke befestigt ist, auch
den härtesten Schädel einzuschlagen.
Weitere hierher gehörige Geräthe sind bei den interessanten Ausgrabungen zum
Vorschein gekommen, die Hr. Rösler für die russische Regierung in den letzten
Jahren in Transkaukasien vorgenommen hat. Er hat in einem bronzezeitlichen
Kurgan bei Artschadsor Altsacben ausgegraben, die ganz unseren Bronzekeulen
entsprechen'). Auch sie bestehen aus einer langen Bronzeröhre, die mit runden
oder vierseitig pyramidalen Stacheln besetzt ist. Sogar die Vierzahl der herum-
laufenden Stacheln stimmt mit unseren europäischen Exemplaren überein. Ein
Unterschied liegt nur darin, dass diese transkaukasischen Keulenköpfe nicht an
beiden Seiten offen, sondern an der einen geschlossen sind; im Uebrigen ist die
Zusammengehörigkeit offenbar. Einige derselben enthalten noch die Reste des
hölzernen Schaftes, so dass Rösler zu der Meinung kommt, sie hätten den unteren
Abschluss eines hölzernen Lanzenschaftes gebildet. Hierbei wäre wohl ein Grand
für die Stacheln kaum erkennbar; wir werden dieselben daher wohl besser gleich-
falls für den Abschluss von Peitschenstöcken zu halten haben, die zu gleicher Zeit
als Geissein oder Keulen benutzt werden konnten, wie unsere modernen Ochsen-
ziemer. Auch Forrer bildet übrigens in seiner oben citirten Arbeit auf Taf. V»
Fig. 1 einen Reulenkopf ab, der ganz wie die transkaukasischen an einer
Seite geschlossen und mit 4 flachen Stacheln besetzt ist, während er
nach unten in eine gerade Hülse ausläuft, wie der von Butzke. Dieser Kenleo-
kopf stellt also gewissermaassen den Uebergang der transkaukasischen
Keulenköpfe zu den ungarischen Formen her, zu denen man auch den von
Butzke rechnen wird.
Chemische Analyse.
Um möglicher Weise auf diesem Wege der Zeitstellung dieser Bronzegeräthe
näher zu kommen, veranlasste ich eine chemische Analyse des Stückes. Hr.
Prof. Dr. F. W. Sem ml er in Greifswald hatte die Güte, dieselbe auszufahren^
1) Die Forrer^sche Arbeit ist mir durch L. Lindenschmit logftnglich gemicbt
worden, wofär meinen besten Dank.
2) Verhandl. 18%, S. 104, Fig. 68—71.
(245)
vofUr ich ihm hierdurch meinen besten Dank sage. Gr theilt mir mit, die Bronze
enthalte
Kupfer 79,81 pCt.,
Zinn 19,23 , ,
etwas Antimon und Eisen.
Vergleichen wir diesen Bernnd mit den in der Literatur veröffentlichten Bronze-
Analysen, so sehen wir, dass diese Bronze jenen granen Bronzen am nächsten kommt,
auf die Tirchov schon öfter hingewiesen hat'). Von den angrefUhrten Bronzen
steht unsere Keule am nächsten der Scheibennadel von Sparow in Meklenbui^g
(Husenm zu Schwerin). Auch die eigenthUmlichen hörnchenrörmigen Tutuli von
Hisdrojr und CrUsaow in Pommern') gehören in dieselbe Qruppe. Auf eine spätere,
römische oder Volke rw and ernngszeit weist die Analyse nicht hin; die Bronze
wflrde in diesem Falle höchst wahrscheinlich Blei oder ZJun enthalten. —
Ti^x.
al transkaukaBische Form (broniezeitUcb) nach BöBler, Verh. 1896, S. 104, I'ig. 69.
b) Uebergangsfarm (broniexejtlich) nach Forrer, Taf. V, Fig. 1.
c) ungarische Form (bronieieitlich).
d) itsliacbe Form (eisenteitlieh) nach Forrer, Taf. IV, Fig. 2 und 5.
Fasse ich das bisher über die Kenlenböpfe gebrachte Malertal zusammen, so
komme ich zu dem Schlüsse, duas dieselben wahrscheinlich eine uns ursprünglich
fremde, aus dem Orient gekommene Geräthform darsteiicn. Der älteste Typus
bildet eine unten offene, oben geschlossene, verdickte und mit Stacheln besetzte
Rähre und hat seine Analoga in Trans kaukasten. Eine Uebergangsform zu den
folgenden bildet ein Stück bei Forrer, Taf. V, Fig. 1. Eine jüngere Form
Ut die ungariachc, welche eine oben verdickte, beiderseits offene, und mit pyrami-
dalen Stacheln besetzte Röhre bildet. Die jüngsten Formen scheinen die italischen
zu sein, die, mit vielen Stacheln besetzt, zu niederer Ringform zusammengeschrumpft
t) Verhandl. I8R4, S. MP.
2) ebendas. 1890, S. 608.
1
(244)
Stück giebt zugleich einen Fingerzeig für die Verwendung dieser Oeräihe. Es be-
steht nehmlich ans einer hohlen Eisen spitze, um deren Basis der Reulenkopf ron
Bronze hemmläaft und gewissermaassen eine Garnitur derselben bildet Diese
Eisenspitze mit Reulenkopf war nach Forrer's Meinung auf einem Holzstab be-
festigt und diente zu gleicher Zeit als Stimulus and als Keule zum Antreiben
von Zngthieren. Er deutet zum Beweise auf Sculpturen ron Beni Hassan in
Aegypten hin.
Man wird zugeben müssen, dass dieser Erklärungsversuch viel Bestechende»
hat. Zugleich beweist aber auch der Eisenstachel des letzt angeltihrten Exemplars^
dass diese niedrigen italischen Stachelkeulen nicht mehr der Bronze-, sondern
schon der Eisenzeit angehören^). Die Grösse dieser Stachelkeulen ist ungemein
verschieden. Forrer führt Stücke an von 15 g Gewicht. Dass diese als Realen
keine nennenswerthe Kraft ausüben konnten, ist einleuchtend; sie werden in der
That nur eine Art von Garnitur gebildet haben. Dass aber die stärkeren und
massiven Exemplare, wie das unsere, geradezu als Waffe gebraucht wurden, scheint
mir sicher; denn auch unsere Reule ist an vielen Stellen ersichtlich durch Schlagen
abgenützt und einer der kleinen Zacken ist direct abgeschlagen. Jedenfalls wäre
es ein Leichtes, mit unserem Stücke, wenn es auf einem Stocke befestigt ist, auch
den härtesten Schädel einzuschlagen.
Weitere hierher gehörige Geräthe sind bei den interessanten Ausgrabungen zum
Vorschein gekommen, die Hr. Rösler für die russische Regierung in den letzten
Jahren in Transkaukasien vorgenommen hat. Er hat in einem bronzezeitlichen
Rurgan bei Artschadsor Altsachen ausgegraben, die ganz unseren Bronzekeulen
entsprechen'). Auch sie bestehen aus einer langen Bronzeröhre, die mit runden
oder vierseitig pyramidalen Stacheln besetzt ist. Sogar die Vierzahl der herum-
laufenden Stacheln stimmt mit unseren europäischen Exemplaren überein. Ein
Unterschied liegt nur darin, dass diese transkaukasischen Reulenköpfe nicht an
beiden Seiten offen, sondern an der einen geschlossen sind; im Uebrigen ist die
Zusammengehörigkeit offenbar. Einige derselben enthalten noch die Reste des
hölzernen Schaftes, so dass Rösler zu der Meinung kommt, sie hätten den unteren
Abschluss eines hölzernen Lanzenschaftes gebildet Hierbei wäre wohl ein Grand
für die Stacheln kaum erkennbar; wur werden dieselben daher wohl besser gleich-
falls für den Abschluss von Peitschenstöcken zu halten haben, die zu gleicher Zeit
als Geissein oder Reulen benutzt werden konnten, wie unsere modernen Ochsen-
ziemer. Auch Forrer bildet übrigens in seiner oben citirten Arbeit auf Taf. V,
Fig. 1 einen Reulenkopf ab, der ganz wie die transkaukasischen an einer
Seite geschlossen und mit 4 flachen Stacheln besetzt ist, während er
nach unten in eine gerade Hülse ausläuft, wie der von Butzke. Dieser Keulen-
kopf stellt also gewissermaassen den Uebergang der transkaukasischen
Keulenköpfe zu den ungarischen Formen her, zu denen man auch den von
Butzke rechnen wird.
Chemische Analyse.
Cm möglicher Weise auf diesem Wege der Zeitstellung dieser Bronzegeräthe
näher zu kommen, veranlasste ich eine chemische Analyse des Stückes. Hr.
Prof. Dr. F. W. Semmler in Greifswald hatte die Güte, dieselbe auszuführen^
1) Die Forrer'sche Arbeit ist mir durch L. Linden schmit xog&nglich gemacht
worden, wof&r meinen besten Dank.
2) Verhandl. 1896, S. 104, Fig. 68—71.
I
(245)
wofllT ich ihm hierdorch meinen besten Dank sage. Er theilt mir mit, die Bronze
Kupfer 79,81 pCt.,
Zinn 19,23 „ ,
etwas Antimon und Eisen.
Vergleichen wir diesen Befand mit den in der Literatur veröffentlichten Bronze-
Analysen, so sehen wir, dass diese Bronze jenen grauen Bronzen am nächsten kommt,
anf die Virchow schon öfter hingewiesen hat'). Von den angefahrten Bronzen
steht unsere Keule am nächsten der Scheibennadel von Sparow in Ueklenbui;g
(Uosenm zu Schwerin). Auch die eigenthUmlichen hörnchenrörmigen Tntnli von
Misdroy und CrUssow in Pomroem') gehören in dieselbe Gruppe. Auf eine spatere,
römische oder Völkerwanderungszeit weist die Analyse nicht hin; die Bronze
wurde in diesem Falle höchst wahrscheinlich Blei oder Zinn enthalten. —
r^i.
a1 traoBkaukasiscbc Form (broniezcitUch) nach Bösler, Verb. 1896, S. 104, Fig. (
b) Oebergangsfonn (lironzeieitlich) nach Forrer, Taf. V, Fig. 1.
c} ungarische Fomi (bronieieiUich).
d) italische Form (eisen: eitlieh) nach Forrer, Taf. IV, Fig. 2 und 5.
Fasse ich das bisher über die Keulenköpfe gebrachte Material zusammen, so
komme ich zu dem Schlüsse, dass dieselben wahrscheinlich eine uns ursprünglich
fremde, ans dem Orient gekommene Geräthform darstellen. Der älteste Typus
bildet eine unten oETene, oben geschlossene, verdickte und mit Stacheln besetzte
Röhre und hat seine Analoga in Transkaukasien. Eine Ucbergangsfurm za den
folgenden bildet ein Stück bei Porrer, Taf. V, Fig. 1. Eine jüngere Form
ist die ungarische, welche eine oben verdickte, beiderseits offene, und mit pyrami-
dalen Stacheln besetzte Röhre bildet. Die jüngsten Formen scheinen die italischen
20 sein, die, mit vielen Stacheln besetzt, zu niederer Riagform zusammengeschrumpft
1) Verband]. 18K4, S.
2) ebendaa. 1890, S. C
(246)
sind und zuweilen wohl nur noch eine Garnitur für eiserne Stacheln (stimalns)
bildeten.
Während die transkaukasischen und ungarischen Formen noch in die ächte
Bronzezeit zu fallen scheinen, gehören die niedrigen italischen Formen schon der
Eisenzeit an. Es scheint sich somit der in Fig. 2 bildlich dai^gestellte Entwickelnngs-
Prozess vollzogen zu haben.
Wenn es mit dem Gesagten auch noch nicht gelungen ist, eine sichere Zeit-
bestiomiung dieser noch so wenig bekannten Keulen zu erreichen, so sollte doch
einmal wieder darauf hingewiesen werden. In hohem Grade wichtig wäre es,
wenn die Museen in Süd-Deutschland sich entschliessen wollten, gleichfalls eine
Analyse des einen oder anderen Stückes vomehmen zu lassen; es geht dies ja
ganz gut, ohne das Stück zu stark zu beschädigen. —
(22) Hr. R. V. Weinzierl in Prag überschickt folgende Abhandlung über
prähistorische plastische Thonflgnren aus Böhmen.
Plastische Arbeiten in Thon, zum Zwecke der Nachbildung von Menschen und
Thieren, sind in Böhmen sehr selten; auch von anderwärts kennen wir davon
keine grosse Reihe, bis auf den epochalen Fund in Butmir bei Sarajevo, der uns
geradezu mit verblüffenden Massen von neolithischen Artefakten entgegentritt
Auf die menschlichen Thonfigttrchen von dort werden wir später zurück-
kommen.
Von Thierfiguren wurden in Butmir nur wenige verstümmelte Körper von Vier-
fUsslern gefunden, soweit uns eben die erste Publication ^ über diese südlichst ge-
legene neolithische Station belehrt Die typische Keramik und deren Verzierungs-
Technik bietet dort eine Fülle von ausserordentlicher Reichhaltigkeit der localen
Entwickelung, mit Anlehnung an südliche Cultur.
Die locale Ornamentik der Gefässe finden wir an dem menschlichen Torso
angebracht; keine der omamentirten Figuren ist ganz, dagegen begegnen uns dort
unter den ganzen Figürchen nur rohe Formen, mit leichter Andeutung der Ex-
tremitäten. Immerhin sind diese kräftig modellirt und die menschliche Figur
ist deutlich erkennbar.
Die menschliche Figur, welche in Fig. 1') in seiner Vorder-, Seiten- und
Rückenansicht in natürlicher Grösse abgebildet ist, wurde bei Sabnitz, Bezirk
Brüx, gefunden, und zwar in einem ovalen Thongefässe, das jedoch bei der Auf-
findung zerbrochen wurde und in Verlust gerieth').
Wenn wir diese und die rohen, ganzen Figuren^) von Butmir nebeneinander-
stellen, so finden wir vor Allem eine Uebereinstimmnng in der Grösse und der
1) Die neolithische Station von Butmir bei Sarajevo, herausg. von Badimsk^-
Uörnes. Wien 1896. Textlich finden wir auf S. 2 nnd 8 einen eingehenden Vergleich
mit den vormjkenischen Marmor- Statuetten aas den Gräbern auf Amorgos nnd anderen
Kjkladen; die auf Tafel 11 und III abgebildeten Figürchen sind S. 14 und 15 be-
schrieben.
2) Diese und alle folgenden Figuren sind in natürlicher Grösse geseichnet
8) Ich habe diese Figur dem ausserordentlichen Entgegenkommen des Hrn. 0. Scharf
in Brüx zu danken, welcher sich auch alle erdenkliche Mühe gab, die näheren Fundumstiade
sichenustellen.
4) Taf. n, Fig. 10; Taf. lU, Fig. 12.
J
(247)
rohen Modellining, dabingegRo ist nnsere Figur krärtiger als «MenBch" gekenn-
zeichnet dnrch die heransgearbeileten Details.
Die VorderanBicht (F^. 1, ä) zeigt ohb, bei ziemlich flachem Oberkörper, einen
kräftigen, markant modellirten Mann.
Am Kopfe sind die Angen durch eingestochene Gruben, der Mand ebenfalls
nnd quer rertien gezeichnet, während die plnmpe, grosse Nase roh geformt er-
scheint.
Fig. 1. '/,
Menschliche Thoaügnr von Sabnitz, in Vorder-, Seiten- und Rücken -Ausicht.
Der Hals ist nicht angedenlet, sondern der Kopf geht direct, ohne Absatz,
zu den Achseln Über, die abfallend wiederum in einer Linie, ohne merkliche An-
deutung, sich in den äusseren Contour der Arme fortsetzen.
Die Anne, von denen der linke unter der Achsel abgebrochen ist, reichen
bis an den Bauch und sind am Körper anliegend, plump und ohne eigentliche
Gliederung modellirt
Die Hand ist ganz widernatürlich nach aussen abgebogen und ohne Finger-
Gliederung. Unter der Achsel ist eine Vertiefung angebracht, um den aus-
gebogenen Arm von dem Körper zu trennen. Der abgebrochene Arm mnss eine
ebensolche Stellang gehabt haben, da sowohl die Vertiefung unter der Achsel an-
gedeutet,' als auch längs des Körpers noch Spuren der Ablösnng bis znm Bauche
vorhanden sind.
(248)
Der Baach selbst ist flach und wenig vortretend. Die Hüften fallen nahezu
gerade ab und sind wenig verbreitert
Die ansserordentlich kurzen Stammelbeine, gerade so wie bei den Figttrchen
von Batmir, sind eng anschliessend, mit einem nach vom kurz abgebogenen, an-
gedeuteten Fnsse versehen, welcher jedoch unten nicht abgeplattet, sondern ab-
gerundet ist, so dass die Figur absolut nicht stehen konnte. Der rechte Fuss ist
abgebrochen.
Die flache Brust, wie auch der plump und kräftig modellirte Penis deuten das
männliche Geschlecht der Figur an.
Von seitwärts betrachtet, ergiebt sich eine kräftige Proflliiung des Unterkörpers
mit deutlicher Vomeigung des Oberkörpers.
Der Kopf geht, nahezu gerade, mit geringer Andeutung des Halses, in den
Rücken über. Die Ohren scheinen schwach angedeutet gewesen zu sein.
Die Oberarme sind sehr plump ausgefallen, während, wie auch von rückwärts
zu sehen, das Oesäss kräftig und gut herausgearbeitet ist
Auch die Beine sind durch eine Vertiefung als getrennt gekennzeichnet
Mittelst eines dünnen Holzstäbchens ist der Oberkörper vom Scheitel bis zur
Mitte durchbohrt, ebenso quer in der Höhe der Achseln. Wahrscheinlich diente
je ein I^ängs- und ein Querholz zur Festigung der weichen Thonmasse; besonders
sollte die Querstütze die Haltbarkeit der Arme erhöhen, da dieselben, an den Ober-
körper angedrückt, von beiden Enden des Holzes gefasst wurden.
Das Material besteht aus blassrothem, sandhaltigem Thon und ist schwach
gebrannt
Was nun den Zweck der Figur anbelangt, so werden wir es wohl weniger
mit einem Idol, als mit einer symbolischen Bestattung zu thun haben. Die ge-
krümmte Haltung des Körpers und die abgerundeten Füsse lassen darauf schliessem
dass die Figur für eine liegende Stellung bestimmt war. Dazu kommt, dass die-
selbe in einem ovalen, rohen Thongefässe gefunden wurde, welches wahrscheinlich
mit einem Thondeckel geschlossen war, — Umstände, welche die obige Andeutung
der Darstellung einer Bestattung wahrscheinlich erscheinen lassen.
Der Fundort bei Sabnitz ist durch mannichfache neolithische Artefakte als
steinzeitliche Gulturstätte gekennzeichnet, so dass wir auch die vorliegende Figur
dieser Cultur- Epoche zuweisen können, da absolut kein Moment einer gegen-
theiligen Annahme vorliegt. Die Figuren von Butmir sind bis auf Fig. 10, Taf. II
alle zum Aufstellen bestimmt gewesen, worauf die abgeflachte Basis derselben hin-
deutet
Alle dortigen Figuren sind nackt, wie unsere; nur die vorhin bezeichnete ist
mit einem Halsschmuck geziert Die meisten Figuren sind aus schwärzlichem
Thon helgestellt, bis auf die ganz rohen, die unserer Figur nahe stehen und aus
demselben Material, wie letztere, bestehen.
Die Analogie würde eben keine weiteren Schlüsse zulassen, theils wegen der
colossalen Entfernung beider Fundstellen, theils wegen der verschiedenen Zeit-
stellung, da Batmir in das 2. Jahrtausend vor Chr. zurückversetzte wird, dagegen
unser Fundort wohl dem jüngsten Stadium der Steinzeit angehört, also um etwa
1000 Jahre unserer Zeitrechnung näher gerückt ist
Jedenfalls können wir annehmen, dass die plastische Kunst sich auch bei
so weit getrennt lebenden, einer und derselben Culturstufe angehörenden Volks-
stämmen ohne jeden Nebeneinfluss herausgebildet hat; die immerhin noch plampe
1 ; Die neolithische Station von Batmir. S. 3.
(249)
«
Aosfabning der vorliegenden menschlichen Figur, die im Ganzen doch correcter
niodellirt ist, als die rohen Figuren von Butmir, zeugt schon von einer vor-
geschrittenen Auffassung des Modelleurs in Bezug auf sein Vorbild.
In der Steinzeit sind die plastischen Thonbilder ebenso selten, wie die bild-
lichen Darstellungen*) des Menschen und der Thiere, welche wir in ganz hervor-
ragenden Stücken sowohl aus diluvialen, als auch neolithischen Fundorten kennen;
1) In der Collection £. Miksch sen., Prag,
befindet sich ein Thonschiefer-Stück, auf welchem
eine menschliche Figur in schlichten Zügen ein-
geritxt ist. — Hr. Miksch war so liebenswürdig,
mir dieses Stück, behufs Abnahme der Zeich-
nung, zur Verfügung zu stellen. Das kaum
etwas mehr als 2 mm starke, schwarze Schiefer-
Täfelchen ist rechteckig, von 4,ö x 6 c/«, die Ober-
fläche zugeschliffen und der obere Rand etwas
ausgebogen und vorgeschliffen.
Die nebenstehende Abbildung stellt das Object
in natürlicher Grösse dar.
Die weibliche Figur, nur im Brustbüde dar-
gestellt, ist mit zwei Ohrgehängen und einer
hohen Haar-Frisur versehen. Das Gesicht selbst
ist in dem Contour des Hauptumrisses, welcher
an Stelle des Kopfes eine Schlinge bildet, deutlich
durch markant eingeritzte Augen, Nase und Mund
dargestellt; das Kinn erscheint ausgebrochen.
Die ausser Verhältniss grossen Ohren sind mit
Ohrgehängen behangen, welche in dieser Form
uns aus dem Beginn der christlichen Zeit (Much, Vor- und Mhgeschichtl. Denkmäler.
Kunsthistorischer Atlas, Abth. I, Taf. XCVIII, Fig. 8 u. 4, u. a. 0. mehrfach abgebildet),
wohl bekannt sind, und auch, da dieselben häufig in Silber vorkommen, imter den Hack-
silber-Funden, selbst mit böhmischen Herzogs-Denaren zusammen, gefunden wurden.
Die aufstrebenden Haare scheinen eine dichte, hohe Frisur mit einem quereingelegten
Kranz oder dergleichen zu bilden und sind bis über den Vorschliff hinab eingeritzt. Die
Brust ist durch einen stark eingeritzten Querstrich als ein gedrücktes Dreieck gekenn-
zeichnet; innerhalb der Basis desselben, wie auch in den oberen Ecken sind Löcher an-
gebracht, um das Befestigen zu ermöglichen. An der linken Seite verläuft eine einfache,
schwach eingeritzte Wellenlinie, bis gegen die untere Ecke, während rechts ein Blumen-
gebilde zwischen zwei angedeuteten Blättern emporrankt.
Genau besehen, zeigt die ganze Fläche eine Unzahl alter Kitze ; die Zeichnung sowohl,
wie auch deren primitive Ausführung, würden auf Aechtheit schli^ssen lassen.
Gefunden wurde dieses Täf eichen in Horomßritz bei Prag, gelegentlich der Aus-
hebung eines Teiches, Ende der 70er Jahre.
An dieser Stelle lagen viele Artefakte der Stein- und Bronzezeit Jedenfalls gehört
das vorliegende Fundobject aber der jüngsten Cultur, etwa dem 9. oder 10. Jahr-
hundert an.
In diesem Täfelchen, wenn wir von einem mutbmaasslichen Zwecke sprechen wollen,
können wir vielleicht ein Wahrzeichen oder die Bezeichnung für Zauberer, Wahrsager und
dergl. ersehen. Mittelst der drei Löcher konnte es an der Hüttenthür befestigt werden.
Es würde zu weit führen, über diesen Gegenstand sich hier mehr auszusprechen; es
mag diese kurze Beschreibung und Andeutung über den Zweck genügen, um so mehr, als
wir es doch nur mit einem Streufunde zu thun haben, der in keinem Zusammenhange mit
den übrigen Funden der tieferen Schiebten dieses Ortes steht.
L
(250)
es sind die« besonders die Fände von Uadelaine, Tbayngen, Laogerie-Basae, der
Höhlen von Mähren o. o. mehr, wovon freilich maDches herroiragende Stück mit
groagen Zweifeln betrachtet werden mnss.
QrüagteDtheila wurde ein Thier zam Vorwurfe (Koommeo, welches sowohl ge-
zähmt, als wild des HenscheD hCchstes Interesse erregen mosste.
Vor Allem war es der Stier, die rerkörperte Stärke, die den Menschen zn
nächst reranlasste, dessen Urbild zn plastischen Werken zn benatzen, und so
finden wir dessen Kopf in mehr oder weniger correcler Ansfahrong theils als Zier-
henkel, theils als Aasgnss oder Aufsatz an Pmnk-Gefässen angebracht Daher sind
Thierbilder aus Thon weniger selten; dieselben kommen in rerschiedenen Stadien
der Kunstfertigkeit vor nnd sind vod der neoIJthiscben Gnlturepocbe an durch alle
Caltarphasen beobachtet worden.
Häufiger kommen in der Metallzeit Thierbilder (Stier, Eber, VSgel u. s. w.) aus
Bronze, Eisen und edlen Metallen ror; doch wollen wir diesmal nur die plastischen
Thongebilde Böhmens besprechen- Stierbilder aus Tbon sind mir bisher nur
fünf bekannt geworden, deren Fundverhäitnisse genau sichergestellt sind, theils
durch die Nebenfunde, tbeils durch die Fu nd berichte , so dass wir auf sicherer
Basis deren Zeitstellong flxiren können.
Fig. S. Ein sehr primitiver Stierkopf, der als Oehse an einem Scherben
mit Tnpfenleisten nnd Schnitt-Ornament angebracht ist, aus Podbaba bei Prag
OcfäBsscbcrbe mit Slierkopf als Oehsp von Podbab«.
stamnii nnd der Collection Hiksch angehört Der aus grauem, gut gebranntem
Thon bestehende Scherben ist mit grangelbem Ueberzng und schwacher Olättung Tei>
sehen und gehörte einem Gerdsse mittlerer Grösae an. Die umlaufende Tupfenleiste
iat durch einen flachen, sehr roh modellirten Stierkopf unterbrochen, weicher als
Oehse, vertical am Halsgrunde, durchstochen ist. Der Vordertheil des Kopfes
(251)
/
▼erücal gestellt, ist flach and herzförmig; die nach oben einwärts und mit den
Spitzen gegen einander gebogenen Homer sind kurz und plump.
Die Angen sind durch zwei flache Grflbchen angedeutet; Nase und Ohren
fehlen, dagegen ist das Maul fixirt und deutlich eingeritzt.
Mit einem breiten, kurzen und massiven Halse sitzt der Stierkopf auf.
Das GefKss-Fragment gehörte offenbar einem bombenförmigen Gefösse an; die
Tupfenleiste umläuft den oberen Theil desselben, den sanften Bauchumfang kenn-
zeichnend. Diese Leiste ist nicht, wie es gewöhnlich bei neolithischen Gefässen
vorkommt, roh modellirt und aufgelegt, sondern aus der Masse der Gefässwand
herausmodellirt. Die Ropföhse wird sich wohl drei- oder viermal im Umfange
wiederholt haben.
Der Scherben selbst trägt jenes, dieser Gefassform ganz typisch eigene Schnitt-
Ornament von geraden und krummen, eingeritzten Linien, die uns hauptsächlich
von der Keramik dieser neolithischen Station in den Collectionen das Museum
regni Bohemiae und der HHm. Dr. Berger, Miksch, Jira in Prag bekannt ist*}.
Noch soll nicht unbemerkt bleiben, dass die Tupfenleiste in Verbindung mit dem
charakteristischen Ornamente und der Gefassform bisher nicht beobachtet wurde,
wie überhaupt das Leisten-Ornament auf diesen typischen Gelassen sehr selten ist').
Gefunden wurde das interessante Geföss-Fragment inPodbabain neolithischen
Culturgruben nebst anderen steinzeitlichen Gefössscherben mit Warzen-, Leisten-,
Stich- und Schnitt-Ornament, die theil weise den bekannten bombenförmigen, boden-
losen Gefässen angehörten.
Hr. E. Miksch sen. hatte die Liebenswürdigkeit, mir das Fragment und den
Fundbericht zur YerHigung zu stellen.
Fig. 8. Im Museum regni Bohemiae befindet sich in der neolithischen Ab-
theilung ein Gefass-Fragment mit einem schönen, kräftig modellirten Stierkopf von
Öerny yül (Schwarz-Ochs), Bezirk Smichov.
Dieser ausserordentlich schön modellirte Stierkopf trägt grosse, starke, nach
auswärts aufgebogene Homer (das rechte Hörn ist abgebrochen). Die Augen sind
nur ganz flachgrubig angedeutet, Ohren sind nicht vorhanden. Das Maul ist
deutlich eingedrückt gekennzeichnet, die Nasenlöcher darüber durch eingestochene
Punkte fixirt
Der kräftige und proportionirt lange Hals ist mit zwei doppelten Tupfenreihen
in spiraliger Anordnung geziert.
Auf der Stirn sehen wir in Dreieckform, paarweise gegen die Nase zu ver-
laufende, tiefe, eingestochene viereckige Grübchen.
Dieser Stierkopf wurde nebst mehreren dazu gehörigen Scherben, welche alle
das typische, eingestochene Ornament von Premysleni, Podbaba, Leitmeritz, Lobo-
sitz u. s. w. tragen, gefanden imd gehört einem Prunkgefässe an, welches in Inter-
1) Diese bisher nur aas den neolithischen Caltargraben bekannte Keramik ist auch
sonst über die neolithischen Stationen der nördlichen Hälfte Böhmens verbreitet. Ebenso
sind ans solche Gefftsse aus Mährens steinzeitlichen Ansiedelungen und Höhlen bekannt.
Verflossenen Winter gelang es mir, solch ein bombenförmiges Gef&ss, mit seinem charak-
teristischen Ornament und mit Oehsen versehen, in einem neolithischen Skeletgrabe
bei Lobositz zu constatiren; es war dies das erste Mal, dass dieser Gefässtypus an einer
„Urne* gefunden wurde. In einer späteren Publication will ich in ausführlicher Weise
darauf zurfickkommen.
2) Ein ganz erhaltenes Exemplar mit sehr schönem Leisten- Ornament besitze ich aus
der Gegend von Fürwitz, nordwestliches Böhmen; dieses interessante Gef&ss ist publicirt
in den „FrShistor. Blättern**, VII. Jahrg., Nr. 2/B, und auf Tafel IV abgebildet
Tallen aufstrebende, säolenartige Fortsätze hat, die den Band tiberragen, and
welches allem Anschein nach kantig und geradwnndig war, wie wir ähnliche Oo<
rässe bei Qötze') finden.
Stierkopf, ornunentirt, Aufsati eines PrankgcfisscH von Cero; vtil.
Ansserdem kamen in den GnltDr^uben noch Fragmente mit Band-Keramik ror.
Dem Material nach besteben die Scherben aus grauem, gnt gebranntem Thon
und sind wenig geglättet.
Die Scherben der tieferen Schichten dieser GuUnrgmhcn sind der neolithischen
Culturepoche zuzuschreiben, nebat den Bein- und Stein- Artefakten, während einige
ausgelegte bronzezeitliche Scherben der Nach besiede iung angehören.
Dieser ausserordentlich interessante Fund wird demnächst durch den CubIos
Hm. Prof. Dr. Pi£ pnblicirt werden. Für die dennoch in freundlichst entgegen-
kommender Weise gestattete Abbildung des Torliegendcn Objectes kann ich nicht
umhin an dieser Stelle meinen Dank zum Ausdruck zu bringen.
Fiy;. 4. Dieser prächtig modellirte Slierkopf besteht aus röthüch-gelbem Thon.
ist gut »geglättet und gebrannt, vollkommen dünnwandig und hohl und war offenbar
der Ausguss eines Oefässes, welches zu einem ganz bedeutenden Umenfunde
gehörte').
1) .Die GofiiasfoTnion and Omamcnlc der nfulith. tichnurren. Keramik' D.s. w. Taf. I.
Fig. 47.
2) P«Diltk; arcb., XVI, mit einer Tafel. Kr^flniDug, XVH, Heft 4, S. 3G0. — Pri-
bistoriBcbe Blltter, HünclKn 1HU6, VII]. Jahr^'.. Nr. 2.
(253)
In Wiessen bei Sanz wurden zwei Brandgräber gefnaden, wovoo da« eine
anter Anderem 4 prachtvoll ornameutirte und gegliederte Urnen*) gleichen Materials
enthielt, welche wir wohl als qaadische Keramik ansehen können.
Zn den zerbrochenen Urnen gehört auch das Fragment, welches als Aosguss
diente oder denselben andeutete und uns vorliegt
Die breite Stirn trägt starke nnd lange, nach vom ab-, mit der Spitze aurwärts
gebogene Hörner (das linke Hörn ist abgebrochen).
Die Augen sind als tiefe, runde Grübchen eingedrückt.
Fig. 4. V,
Stierkopf, Aaegass eines PrunkgeflsBeB, von Wiesaen bei Siai.
Der nach vom stark verengte Kopf läsat die Nasenlöcher deutlich erkennen.
Das Maul ist quer, tief und gerade eingedrückt; in seiner Mitte mündet die runde
AusflnssöfTnang.
Die Ohren sind nicht angedeutet.
Der Hals ist knrz und breit, nnd geht direct, ohne abgesetzt zu sein, in die
Gefasswand über.
Der ganze Stierkopf ist, wie bereits erwähnt, geglättet und nicht orna-
mentirt.
Welche Form dieses Prunk- und GrabgeHiss hatte, ist nicht zu constatiren, da
unter all' den Scherben der zerbrochenen BeigelUsse anch nicht ein einziges Frag-
ment za unserem Stierkopf paaste.
Das Material ist vollkommen gleich jenem der prachtvollen Aschenamen, die
glücklicher Weise erhalten blieben.
1} Den ganzen Grabfund, sowie auch den pi&chtjgen Stierkopf verdanke ich Um. Qend.-
Wachtmeister Job. Bart] in Kolleschowitz. dessen regem Interesse fSr die prShistoriscben
Funde des Qoldbach-Gebietes und dessen Sammeleifer ea aberbaapt lu danken ist, das«
so mancher wichtige Fand vor dem Untergänge gesehfitit und erhalten geblieben ist. Es
verdient dies am so mehr lobend hervorgehoben zu werden, da in vielen, an Fanden reichen
Oegepden Böhmens niemand da ist, der der Drgeschichts-Foischung irgend eia Interesse
entgegen bringt Hrn. Bartl verdanke ich die eingehendsten Fnndberichte, Local-
skiiien n. t. w., so daas ich nur einer angenehmen Pflicht nachkomme, wenn ich genanntem
Herrn an dieser Stelle meinen besonderen Dank abstatte.
(254)
Wie in jenem Aufsatze in den Pamdtky arch. and den Prähistorischen Blättern
klai^legt ist, lässt sich ohne Weiteres heute eine bestimmte Zeitstellung für diese
ßrandgräber noch nicht fixiren.
Vor Allem erinnert der Aufbau') und die Yerzierungstechnik mit allen Motiven
dieser Urnen an jene der merovingischen Skeletgräber von Podbaba, Uherec und
VinaHc, wiewohl diese, ganz abgesehen von der Bestattungsart, roher in der Aus-
führung erscheinen, massiv, kleiner gehalten und graphitirt sind.
Eine grössere Annäherung zeigt diese Keramik zu der in den Gräberfeldern
der Völkerwanderungzeit ron Wehden, Loxstedt und Alten walde im Hannoverschen ;
wir wollen daher unsere Gräber ebenfalls in diese Zeit versetzen und glauben, wenn
wir dieselben den Quaden zuschreiben, keinen Fehlgriff gethan zu haben.
Leider ist bis jetzt in Wiessen kein neuer Fund gemacht worden, auch ist
Ton früher keinerlei Metall-Artefakt bekannt, welches mit diesen Leichenbrand-
Oräbern in einem Zusammenhange stände.
Hoffentlich bringt uns die Zukunft nähere Aufschlüsse. —
Von den Nachbildungen der Vierfüssler in Thon liegt uns ein recht interessanter
Fund vom „Schlauer Berge^ vor, welcher im Museum reg. Boh. in der ersten
Abtheilung der neolithischen Ansiedelungen deponirt und ausgestellt ist; der-
selbe besteht') aus zwei ausserordentlich roh gebildeten, ungleich grossen Stier-
figuren [Fig. 5a und b].
Die grössere Stierfigur (a) hat einen walzenförmigen Körper, der von vier rudi-
mentären Füssen getragen wird und einen unproportionirten, grossen Kopf hat. Die
kräftig modellirten Hörner sind nach auswärts gebogen, der Kopf ist durch einen
^chnabelartigen, abwärts gerichteten Fortsatz angedeutet.
Rückwärts läuft der Körper in eine stumpfe Spitze aus.
Das kleinere Stierbild (b) besteht eigentlich der Hauptsache nach aus zwei
aufwärts geschwungenen, mächtigen Hörnern, zwischen welchen sich ein kurzer,
nach rückwärts zugespitzter Körper fortsetzt, der von drei kleinen Stnmmelfüssen
l^etragen wird.
Beide Stierbilder sind jedenfalls der primitiven Kunstfertigkeit einer Hand ent-
sprungen und bestehen aus gebranntem, grauem Thon.
Trotz dieser rohen Ausführung zeigen sie deutlich eine Idealisirung der
„Kraft^, indem das Hauptgewicht des Modelleurs auf die gefährliche Wehr des Urs
gelegt wurde.
Es ist dem prähistorischen „Künstler" gelungen, — wir müssen dies trotz der
scheinbar ausserordentlich rohen Arbeit sagen, — die idealisirte Kraft vollkommen
1) Bei Büschlng, „Die heidnischen Alterthümer Schlesiens *', finden wir auf dem Titel-
blatte in Fig. 2 eine kleine Urne, die jedoch graphitirt ist, abgebildet, welche an den
Aufbau und die Verzierungsmotive unserer Urne erinnert: sie ist in den „Prälüst. Blättern*^
(Fig. 2) abgebildet. Auch die kleinen Urnen des Titelblattes, Nr. 8 und 9, weisen das
auf unseren Urnen noch vorhandene Zicksackband auf. Schon in den Pani&tkj arch. und
den Pr&hist. Blättern erwähnte ich seiner Zeit, dass einzelne, älteren Culturphasen an-
gehörige Verzierungsmotive bei unseren Urnen von Wiessen sich wiederholen und trotz
der grossen Zeitintervalle auch noch im Aufbaue bekannte Gliederungen vorkommen.
2) Pamätky arch., XVU, Heft 4, Taf. XXXHI, Fig. 21 und 22. Schmidt verweist
auf die einzelnen Culturphasen, beschreibt in übersichtlicher Weise die im Mus. reg. Boh.
deponirten Fundobjecte und berücksichtigt die beiden Thonbilder in kunen Worten als
zwei primitiv verfertigte, thierähnliche Figuren, welche jedenfalls nur eine „Kinderarbeit*
darstellen. Auch die Abbildung dieser beiden Objecte wurde mir von Seiten des Hm.
Prof. Dr. PiÖ freundlichst gestattet.
(255)
zum Aoadrack za bringen. Und selbst wenn es nur kindliche Anfange der Plastik
wfiren, so sehen wir gerade darin das wichtige Haaptmoment der Idee bereits ver-
körpert; es ist dem rohen ürbilde das richtige GhankleristikoD gegeben, so daas
wir auch keinen Moment ansser Zweifel über die Deutung sein kennten, selbst
wenn wir die räthselhafte, kleine Figur allein in die Hand bekämen.
Fig. &. V,
Zwei primitive Steinfi^ren vom Schlauer Berge.
Die neolithische Ansiedelung anf dem „Schlaner Belage" ist ganz bedeutend.
Wir sehen von dort in der Vitrine des Museums ausgelegt: Pfriemen aus Knochen,
Feuerstein-Pfeilspitzen und -Messer, -Schaber nebst Fragmenten, Geräthe aus
Hirschhorn, Thonlöffel, Wirtel aus Thon, neolithische Keramik, Ansa lonata. Die
Nacfa-Besiedelung war zunächst bronzezeitlich, wiewohl die bemaltne Scherben als
noch jünger zu deuten sind. —
Anf dem „Hrädek" bei Öaslao, wo Hr. Gl. Cermäk schon oftmals erfolgreiche
Grabungen vorgenommen hat, wurde in einer Tiefe von 40 cm, in der obersten
und jBngsten slavischen Culturschicht dieser Ansiedelung, ein sehr nettes
Krügelchen gefunden, das einen schön modellirten Widderkopf tragt [Fig. 6]')-
Dasselbe stand in einer Steinkammer, welche aus platten Steinen zusammengestellt
war. Daneben fand man zwei sehr schön omamentirte Deckplatten von Bein-
kSnunen.
Das kleine Gefäsa besteht aus lichtgrauem Thon, der stark glimmerhaltig und
1) Durch die freundliche üeberseudung des Gef&sses und des Fundberichtes durch
Hrn. Cl. Ceimik in Öaslau ist ea mir mSglich, eine uaturgetreue AbbUdung zu briagen
weibalb ich genanntem Herru meinen besten Dank ausspreche. t
(-'56)
gut gebrannt ist. Aus der starken W^andang ist sowohl der Kopf des Widders,
als das Hintertheil mit dem kurzen Schwänze heraasmodellirt. Der Kopf ist mit
ZuhülfeDahme eines Spatels scharf gezeichnet, die starken und eingebogenen Hörner
sind proportional; die Ausführung lässt auf eineu geübten Modelleur schliessen.
Die Augen sind durch tiefe Grübchen angedeutet, Manl und Nase nicht be-
zeichnet. Die entgegengesetzte Seite des Gefässes ist unter dem vertical auf-
steigenden Halse etwas eingedrückt, aus(;ezogen und endet in einen kurzen und
breiten Schwanz. Das Gefäss verbreitert sich stark nach unten and hat einen
nicht ganz kreisrunden Boden. Auf dem kurzen Halse ist ein breiter, ausladender
Rand aufgesetzt, der auf der Innenfläche mit einer Reihe grober, eingestochener
Fig. G. V,
W j dller- ' iefäss aas dem Hriidet von ','H'ilau.
Punkte geziert ist; diese setzen sich auch in die innere llalswandung des Ge-
fässes fort.
Unter dem umgebogenen Rande verläuft eine kurze, eingedrückte Wellenlinie,
die ziemlich undeutlich und flüchtig ausgeführt ist. Unter derselben, etwa in der
Höhe der Homer, ist eine unregelmüssige Reihe eingedrückter Punkte, aber nur
auf einer Seite, angebracht. Darunter läuft eine flache und ausgedehntere Wellen-
linie um das Gefäss.
Dem Material und den Verzierungsmotiven nach gehört das kleine Krügelchen
von vornherein dem Burg wall -Typus an; in den böhmischen Ansiedelungen der
slavischen Burgwallzeit, in den gleichzeitigen Rcihengräbem , Anden wir dieselbe
Keramik. Das vorliegende GeHiss gehurt der jüngsten Zeitphase dieser Epoche
an und dUrlte in die erste Zeit der böhmischen Bcrs^öge fallen.
(257)
üeber den Zweck dieses mit einem „"Widder* verzierten Getusses lässt aich
nicbt viel sagen; wabrBcheinlich haben vir es mit einem Votirgefäss zu thnn.
Das interessaDte „Widder-Gefäss" gehört dem Museums-Verein „Vtela ^asIavskA"
in Caslau und wird im dortigen Uuseum aufbewahrt, welches auch eine reichhaltige
Collection vom „Hrädek" enthält, die eine gute Uebersicht Über jene slavische
Caltnrperiode gewährt —
Auch liegt uns in Fig. 7 eine Vogel-Darstellung') in Thon vor.
Vogelfignr (Schwan?) von Havrau, Bröi.
Das interessante Object besteht aus rothem Thon und ist mit einer gut ge-
glätteten Thonschicht mit sehr fein vertheilten Glimmerth eilchen Überstrichen; es
ist scharf gebrannt.
Der lange Hals, welcher in einen kleinen Kopf mit Schnabel- Ansatz asstäafi,
berechtigt zu der Annahme, dass wir es mit einem Schwanenbilde zu thnn bat)en,
worauf auch die Körperform und das kurze Schwanzende deuten würden. Der
Uala verbreitert sich „verkantig" und allmählich dem Körper zu, der in sanfter
Abrundung der Brust sich erweitert, jedoch gegen den Schwanz zu rasch abnimmt
und in eine stampfe Spitze verläuft. Die vordere Fläche ist mit tiefen, vom
Kopfe bis zum Schwanzende parallel verlaufenden Rillen verziert. In der Mitte des
1) Diese Art der Tegel -Darstellung ist gani einzig und diente offenbar nicht als
SpielicDg. Seine zeitliche Stellung ist durch keinerlei Hinweis klargestellt; für die Za-
knnFt muss das Fundfeld genau beobachtet werden, um durch weitere Funde prähiBtoriscber
Objecte die betreffende Culturepochc bestimmen lu können. Dem äasseren Ansehen und
Material nach dürfte diese Vogelfigur wohl noch vorchristlich sein, da in der Umgebung
dieses Fundortes bereits iwei tjpj seh -römische Bronzefibeln gefunden wurden, die im
Brüier Museum aufbewahrt werden.
1
(258)
Körpers, am Bauche, sind zwei hintereinander stehende, tief ein^stochene runde
Löcher, die zur Aufnahme von Stäbchen dienten, welche als Füsse fungiren mussten.
Von dieser Yogelfigur wurden zwei ganz gleich gebUdete, jedoch in der Grösse
verschiedene Exemplare bei Havrau, Bez. Brüx, ausgegraben und ohne näheren
Fundbericht dem Brüxer Museum übergeben.
Das kleinere Exemplar, welches abgebildet ist, wurde mir von dem Brüxer
Museum durch Hm. Scharf im Tauschwege freundlichst überlassen, während das
grössere in der dortigen prähistorischen Abtheilung der Sammlungen bewahrt
wird. —
Dies sind alle mir bisher bekannt gewordenen plastischen Thonfiguren, welche
unter möglichst sichergestellten Fundumständen aus Böhmen stammen.
Unter diesen 9 Objecten befindet sich nur eine menschliche Figur (Fig. 1),
dagegen 5 Stierbilder, worunter 3 Köpfe und zwei ganze Figuren, 1 Widder und
eine Yogelfigur, bezw. zwei einander ganz ähnliche, ungleich grosse Vogelbilder.
Nach genauer Erwägung aller Fundumstände der einzelnen Objecte würde
deren Zeitstellung folgendermaasssen zu ftxiren sein.
Der neolithischen Culturepoche gehören an:
Fig. 1. Die menschliche Figur von Sabnitz bei Brüx;
Fig. 2. Der Stierkopf als Oehse von Podbaba bei Prag;
Fig. 3. Der prächtige Stierkopf von Öemy vul bei Prag;
Fig. 5. Die beiden Stierbilder vom Schlaner Berg.
Der Yölkerwanderungszeit gehört an:
Fig. 4. Der Stierkopf von Wiessen.
Derselben, wenn nicht einer noch jüngeren Zeitperiode gehören an:
Fig. 7. Die beiden Yogel- (Schwan-) Bilder von Havrau bei Brüx.
Dem Beginn der historischen Zeit (slavisch) gehört an:
Fig. 6. Das kleine Krügelchen mit dem Widder vom Hrädek bei Ca$lau.
Fig. 1, 4 und 7 befinden sich in meiner Collection, Fig. 3 und 5 im Museum
Regni Bohemiae, Fig. 2 in der Collection E. Mi k seh sen., Prag, und Fig. 6 in den
Sammlungen des Museum-Vereins „Vcela ^aslavskd^ in Caslau.
Fraglich, bezüglich der Zeitstellung bleiben nur die beiden Vogel-Figuren (Fig. 7),
da dieselben als Streufund ohne jeden Nebenfund, der irgend welche directen An-
haltspunkte bieten könnte, ausgeackert wurden.
In Bezug auf die Nachbargebiete Böhmens finden wir zunächst Analogien der
Metallzeit in den Mährischen Funden (Byciskala-Höhle) in dem berühmten Stiere,
den Dr. Wankel gefunden und beschrieben hat. Nordöstlich begegnen uns in der
Cultur der Lausitzer und schlesischen ümengräber einige plastische Thonbilder,
Vogel- Darstellungen an Qefässen; im Südosten treten uns zunächst die Vogel-
Piguren aus Thon von Lengyel (Wosinsky, Taf. XXXIV) und ein Gefässhenkel
in Thiergestalt aus demselben Material entgej^en.
Die Metallzeit Ungarns bietet eine reiche Auswahl von Thierbildem.
Auch die sogenannten Mondbilder und Idole von Thon, besonders jenes von
Oedenburg, wären zu diesen plastischen Gebilden heranzuziehen.
Ebenso bieten uns die beiden Oesterreich und weitergehend die südlicheren
Provinzen, sowie auch Bayern treffliche Analogien, wovon uns die Thonfiguren
von Gemeinlebam nähergerückt erscheinen. Es seien nur flüchtig erwähnt: der
flgurenreicbe Bronze-Wagen von Strettweg; die Blei- und Bronze-Figuren aus den
Grabhügeln von Frögg, Watseh u, a. m. Von böhmischen Metall-Figuren seien vor
Allem hervorgehoben: Der Bronze-Eber aas der Sarka (Mus. Reg. Boh.); eine
(259)
grosse Fibula mit Stierbild von Premysleni bei Rostock (Mus. Reg. BohO' ^'^^^
kleine Bronze-Stiere fraglicher Provenienz, die in Privathänden sind; eine kleine
Bronze-Fibula, deren Bügel durch eine schlanke, grossgehörnte Stier-Figur gebildet
ist (Brttxer Museum) u. s. w. Eine grössere menschliche Bronze-Figur, die bei
KauHm gefunden wurde und auf der ethnographischen cecho-slavischen Ausstellung
in Prag im Jahre 1895 einiges Aufsehen unter Fachgenossen hervorrief (Casopis
spol. pf. Staro2. Öeskych, IV, l), welche aber des mangelhaften Fundberichtes
wegen nicht zeitlich sichergestellt werden kann. Ueberdies besteht diese Figur
aus zwei Theilen: der Kopf und Hals ist auf der Achsellinie „aufgelöthet*', was
dem Granzen eine fragwürdige Aechtheit aufbürdet; der untere Theil, der Körper
selbst, scheint älter zu sein, als der Kopf. —
Ausser diesen genannten Metall-Figuren giebt es noch einige fraglicher Her-
kunft, die ich nicht näher in Betracht ziehen will. —
Es wird mit dieser allgemeinen kurzen Uebersicht der Figuren — den mensch-
lichen und thierischen Thon- und Metall-Bildern — Böhmens und der Nebenländer
keineswegs eine vergleichende Studie bezweckt, sondern sie soll nur als flüchtiger
Hinweis der Analogien zu Böhmen' s plastischen Thonbildern dienen. Aus diesen
7 böhmischen Funden, gegenüber der ungeheuren Menge von prähistorischen
Artefakten, ersehen wir die grosse Seltenheit derartiger ^Kunst-Erzeugnisse'^ und
ist es um so interessanter, unter dieser immerhin geringen Zahl, vier Funde der
neolithischen Gulturepoche zuweisen zu können.
Was den Zweck dieser Thonbilder anlangt, so können wir zunächst die
menschliche Figur, wie schon Eingangs auseinandergesetzt, als einem symbolisirten
Cultzwecke dienend uns erklären. Die Fundverhältnisse deuten auf die Dar-
stellung einer Handlung, die dem primitivsten Menschen den Glauben an ein
weiteres Seelenleben aufdämmern Hess. Der Mensch gab seinem verstorbenen
Mitmenschen eine gesicherte Ruhestätte, Waffen und Schmuck Hess er ihm
pietätvoll und legte Speise und Trank bei, damit der Todte die lange Wanderung
nicht ohne Stärkung vollbringe. Unsere nackte Figur, die vielleicht mit Geweben
umwickelt war, legte er zum Schutze in ein wannenartiges Gefäss, bedeckte dieses
und begrub dieselbe in dieser schützenden Hülle.
Der Todencult bedingte FestHchkeiten; heilige Haine, geweihte Hügel wurden
an Gedenktagen betreten und Opfer an der Ruhestätte der Verehrten niedergelegt.
Auch diese Figur kann zu einem ähnHchen Anlasse gefertigt worden sein.
Die drei Stierköpfe (Fig. 2. 3 u. 4) haben einem bestimmten Zwecke gedient,
abgesehen davon, dass das Urbild der Stärke und Gewalt symbolisirt wurde, sie
waren dazu bestimmt, den Gefässen eine besondere Zier zu sein. Einerseits ist
aus der Oehse kunstfertig ein schlichter, aber dennoch scharf markirter Stier-
kopf modellirt worden (Fig. 2), andererseits bildete Fig. 3 einen hervorragenden
Theil des Aufsatzes, welcher über den Rand eines besonders geformten Gefässes
hervorragte. Dieser Kopf trägt überdies auch das typische, eingestochene Ornament
jener Keramik, die wir dem Ende der neoHthischen Gulturepoche zuschreiben und
die in Böhmen so ziemlich überall auftritt, wo diese Culturstufe constatirt ist.
Endlich bildet Fig. 4, ein ausserordentlich schön und sorgfältig modelHrter
Stierkopf, den Ausguss eines Prunkgefässes , von dessen Form wir leider keine
Idee haben, da die übrigen Scherben verloren gingen.
Die beiden Stier-Bilder (Fig. 5), die, ohne jede Kunstfertigkeit, in ausser-
ordentlich simpler Weise der Ausführung die ganze Figur zur Anschauung bringen,
IT*
(260)
erfordern eine einigermaassen regere Phantasie, um, besonders in dem kleineren
Objeete, das Stierbild zu erkennen.
Diese „Idole^ sind vielleicht nur als Anfangender plastischen Kunst des Yer-
fertigers anzusehen. Das kleine Krügelchen mit dem Widderkopf (Fig. 6), dessen
prächtige Darchführung schon eine vorgeschrittene Zeit verräth, ist ein Prunk-
oder Votivgeföss, welches seine classischen Vorbilder hat und nicht mehr der prä-
historischen ^it angehört, da der Hradek starke Gulturschichten der slavisch-
christlichen Zeit aufweist.
lieber die Vogel-Bilder (Fig. 7) können wir leider nicht viel sagen. Eine
Analogie liegt uns nicht vor; der Fundbericht gentigt auch nicht, so dass wir nur
nach dem Material und dessen Verarbeitung (Glättung) einigermaassen, vielleicht
trügerische, Schlüsse ziehen können.
Diese Vögel, allem Anschein nach Schwanen-Figuren, dienten wahrscheinlich
weniger als Spielzeug, sondern eher als Votivbilder, worauf gerade die einfache
Darstellung, die gefurchte Vorderfläche und die beiden am Bauche befindlichen,
hintereinandergestellten Löcher für die Füsse, die einfache Hölzchen ersetzten,
deuten würden. Dadurch konnten dieselben an beliebigen Orten durch Einstossen
der HolzfUsse zum Stehen gebracht werden.
Diese kurz zusammengefasste Uebersicht der plastischen Thonfiguren Böhmen's
möge vorläufig genfigen, um deren Zweck und zeitliche Stellung zu charakterisiren.
Hoffentlich giebt uns die rege Forschung im Böhmerlande bald Gelegenheit, neue
Funde plastischer „Kunst^ aus prähistorischer Zeit zu publiciren und gute Analogien
constatiren zu können. —
(23) Hr. Ed. Krause theilt mit, dass die Resultate seiner
Ansfcrabungen in Hinter-Pommern
im Jahre 1895 jetzt im ersten Seitensaal der vorgeschichtlichen Abtheilung des
Museums für Völkerkunde ausgestellt sind. Es befinden sich darunter nicht weniger
als dreissig Gesichtsurnen. Unter diesen ragen einige durch ihre Gestalt
hervor, andere durch ihre Beigaben, namentlich bronzene und eiserne Ohrringe»
bis zu neun in einer Urne. Eine Urne vom Typus der Gesichtsumen hat ausser
interessanten Zeichnungen einen eisernen Halsring.
Ausführlicheres über diese Ausgrabungen, die vielleicht die ersten systematisch
betriebenen grösseren Ausgrabungen auf Gesichtsumen-Oräberfeldern waren und
ausser mehreren neuen Fundstellen viele wichtige Beobachtungen ergaben, beab-
sichtige ich in einer in Arbeit begriffenen grösseren Veröffentlichung zu geben.
Hier nur einige Folgerungen aus meinen Beobachtungen:
Die Gesichtsumen sind Grabumen und lediglich Hlr diesen Zweck gearbeitet
Nach ihrer Form gehören sie noch in den Formenkreis der Hallstatt-Cultur; die
in ihnen gefundenen Beigaben gehören indessen zum grossen Theil der La Tene-
Zeit an. Wir werden deshalb nicht fehl gehen, wenn wir diese Urnen etwa um
das Jahr 400 vor Chr. ansetzen. Zu dieser 2ieit sassen aber in dem Verbreitongs-
centrum der Gesichtsumen, das ist die Gegend der Weichsel -Mündungen, die
Gothen. Wir müssen deshalb die Gresichtsuraen diesem Volksstamme zuschreiben.
Durch die Züge der Gothen, die später durch die Gepiden nach Süden gedrängt
werden, erklärt sich die weitere Verbreitung der Gesichtsaraen nach Posen und
Schlesien hin und der Umstand, dass diese südlichen Funde jünger sind, als die
ihrer Urheimath Pomerellen. —
(261)
(24) Hr. Ed. Krause zeigt
eine tbltnerne Kinder-Klapper von Luckan, NiederlaiuitK.
Sie wacde mit Urnen und Ocrässen des sogenannten Lansitzer Typus auf einem
Urnen-Giüberfelde dicht bei Lackao von dem Porst beflissenen Bm. Beatin aus-
g^raben, in dessen Besitz sie sich noch befindet Beim Anfnehmen zerfiel sie in
zwei Theiie (a und ft), weiche auT ihrer Bruehfläche die sehr interessante Technik der
Uerstellang zeigen. Die Klapper wurde aus zwei einzeln geformten Hälften zu-
sammengesetzt, welche beim Aus-
graben genau in der Zusammen- "
selzangsfläcbe wieder auseinander
brachen. Es zeigt sich nun, dass
nach der Znsammensetznng in den " '*
noch feuchten Thon ein rundes Loch
eingebohrt wnrde zur Einbringung
der kleinen Steinchen oder Thon-
KUgeichen, welche das Bassein der
Klapper verursachten. Das Loch ist
zur Häirte in der einen Hälfte der
Klapper aaf der Bmchlläche (b) zu
sehen. Die entsprechende Stelle der
anderen Hälfte zeigt einen Thon-
zapfen (rr), welcher durch Schliessen
des Loches nach Einbringung der /,
8teinchen mittelst fenchten Thones
entstanden ist. Die Klapper (c) ist ungerähr birnenförmig; das Stielende der Birne
ist abgeschnitten and mittelst einer Dalle ( näpfcheDfcirroigeQ Teitiefuug) ab-
geschlossen. Die Klapper ist 5,3 cm hoch und hat an der weitesten Stelle 4,9 cm
im Durchmesser. —
('25) Hr, H. Busse bespricht unter Vorzeigung der FondstUcke
1. Altgermaniache Gräber am Wehrmtlhlenberg bei Biesenthal,
Kreis Ober-Barnim.
Tom Städtchen Biesenthal 1 km nordöstlich erstreckt sich von West nach Ost eine
Kette von Sand-HUgeln. Die westlichen heissen die Wehrmllhlenberge und sind
ganz kahl, während die östlichen bewaldet sind und Gerichtsberge heissen. —
Schon vor 6 Jahren fielen rair diese HUgel auf und fand ich bei einör näheren
Untersuchung in 3 der westlich gelegenen mehrere Urnen-Gräber. Im April d. J.
führte ich eine neuere Untersuchung aus. Dieselbe ergab 4 Urnen- Bestattungen in
Abständen von l'/j "" gelegen und in '/* — ' "• Tiefe. Die Urnen zeigten den be-
kannten nordöstlichen Typus Deutschlands und waren ohne Ornamente.
Grab 1 war nur oben mit Steinen bedeckt und fand sich darin eine bränn-
licfae, leider zerdrückte, henkellose Urne mit Leichenbrand und ohne Deckel; Höhe
12 Zoll, Bauchweite 14 Zoll, keine Beigaben.
Grab 2 wurde aus 25 — 30, im Durchmesser etwa 5 — 7 Zoll grossen Steinen
Pyramiden artig gebildet; darin stand auf einem ganz flach zugehauenen Stein
eine grössere, hellbraune, mit Deckel versehene Urne (Fig. 1). Deckel und obere
Hälfte beschädigt, Höhe etwa II, Weite 13—14 Zoll. Ueber dem Leichenbrande
(262)
lag, umgestülpt, ein kleines mit 2 Oehsen versehenes Oefäss (6 cm hoch, 7 cm breit,
5,3 cm Oeffnong, 2 cm Boden) und darunter 2, aus 2 mm starkem rundem Bronze-
Draht hergestellte Ringe. Der eine davon (Fig. 2, a), nur etwas offen, hat 1,9 cm im
Durchmesser; der zweite (Fig. 2, b) ist weiter offen und an einem Ende öhsenartig
Fig. 1.
Fig. 2.
umgebogen, so dass er aussieht, wie der obere Theil einer Fibula. Ausserdem
kamen noch 8 Stücke 1—2 cm langer und 1 cm breiter, schwacher Bronze-Plättchen
zum Vorschein; einige waren fest zusammengeschmolzen. Diese Stücke bildeten
wahrscheinlich ein Armband.
Im 3. und 4. Grabe stand je eine ähnliche, grössere, mehr oder weniger durch
Steine zerstörte Urne, ohne Deckel, Henkel und Ornament. Die Urne im 3. Grabe
stand auf einem umgekehrt kegelförmig zugehauenen Steine. Beigaben und Bei-
gefässe fanden sich hier nicht vor. —
2. Der Keiherberg (auch kleiner Schlossberg) bei Biesenthal,
Kreis Ober-Barnim.
Derselbe liegt nördlich von der Stadt Biesenthal, zwischen derselben und der
Wehrmühle, im wiesigen Sumpf- Terrain der Finow. Er ist gut erhalten, aber
beackert Er hat einen oberen Durchmesser von 60 — 65 Schritten. An der Nord-
seite fällt er ganz steil 16 — 20 Fuss ab, an der Südseite 12 — 15Fuss, weniger
steil. Der Eingang ist von Westen her gut zu erkennen. Während ich etwa vor
10 — 12 Jahren die Oberfläche des Rundwalles zum grössten Theil mit älteren
germanischen und zum kleineren Theil mit slavischen Thon-Scherben wie übersäet
vorfand, waren heute nur noch kümmerliche Reste zu finden.
Der Name „kleiner Schlossberg^ rührt wohl nur von der unmittelbaren Nähe
des eigentlichen Schlossberges her, der dicht bei der Stadt liegt; die Entfernung
beträgt 180 m. —
3. Bronze- und Stein-Funde vom grossen Werder im Liepnitz-See,
Kreis Nieder-Barnim.
Der Fundort, der von mir oft genannt und beschrieben worden ist, biigt
noch Vieles. Bei meinem Besuche am 25. April 1897 übeigab mir der Pächter
dieser Insel nachstehend beschriebene Stücke, die er beim tieferen Pflügen auf der
Südwest!. Seite der Insel in einer sehr tief mit Kohlen-Stücken durchsetzten vor-
geschichtlichen Niederlassung fand:
1. Elinc Arm-Spirale (Fig. 3) aus Bronze, 3 Windungen, 6 cm lang und von 6,7 cm
Durchmesser, Gewicht 27,5 g. Das eine Ende ist spitzgedreht, das andere ab-
gebrochen (hier fehlt jedenfalls ein Stück). Der Durchschnitt des Drahtes (Fig. 3, a)
bildet ein Dreieck, das nur 2,5 mm hoch ist. Unterer Schenkel 5 mm, Seiten-
Schenkel 3 mm.
(263)
2. Ein 18 cm langes, eckiges, gekrfiminles
Stück Bronze, dessen Querschnitt ein Rechteck ^- ^-
Ton ä und d mm bildet. Dieses Stück rennag . "
ich nicht zo bestimmen; es kann Tielleicht erst ^-2^
in späterer Zeit in den Boden gekommen sein.
Das Gewicht beträgt 62 g.
3. Ein halbes, durcblochtea, geschUffenes
Steinbeil, Gewicht 186 g. Schneide 5 em breit,
am Loch*3,5 cm. Die Durchbohrung ist konisch.
Dorchmesser 1,7 cm.
Femer fand sich noch ein Mahlstein, im Durchmesser von 3 Fuss, ans röth-
lichem Granit, wenig hohl und glatt gerieben. Dabei lagen ein grässerer, flacher nnd
4 kleinere, eckige Reibesleine. (
SSmmtlicbe Fände mit Ausnahme der Mahlsteine, sind in meiner Sammlung. —
(26) Hr. R. Andree Übersendet aus Braanschweig, 18. Mai, folgende Beob-
achtung des Hrn. Amtsrathes Dr. W. Rimpau in Schlanstedt, Provinz Sachsen:
Kechtfl and links arbeiten.
Beim Arbeiten mit Handgeräthen, wie Spaten, Hacke, Harke, Mistgabel, Forke,
zum Anfreichen von Hen und Getreide n.s. w., scheint es bei der ländlichen Be-
Tölkening ganz allgemein zu sein, dass fast alle Männer links, fast alle Frauen
rechts arbeiten, d. h. die Männer fassen das Ger&tb so, daas die linke Hand vom,
etwa an der Hälfle des Stieles, die rechte Hand hinten, am Ende des Stieles ist.
Beim Graben treten daher die Männer mit dem linken, die Frauen mit dem rechten
Fasse auf den Spaten. Ich habe dies nicht nur bei der einheimischen Arineiter-
Bevölkerung beobachtet, sondern auch bei fremden Arbeitern vom südlichen Rande
des Harzes (Eichsfeld), aus Westpreassen und aus Ober- Schlesien, welche den
Sommer Ober in die hiesigen Rliben-Wirth Schäften gehen.
Dass diese Gewohnheit irgend einen mit der Lebensweise der beiden Ge-
schlechter zusammenhängenden Grund haben muss, ist mir unzweifelhaft; ich habe
aber noch keinen plausiblen Grand dafür Bnden können. Sollte es daher rtthren,
dass beim Spinnen das Spinnrad vorwiegend mit dem rechten Fusse getreten wird?
Aber weshalb treten die Männer nicht auch vorwiegend mit dem rechten Fusse
auf den Spaten? —
Beim Tanzen treten die Männer mit dem linken, die Frauen mit dem rechten
Fasse zuerst an; es ist aber kaum denkbar, dass dadurch die Gewohnheit beim Graben
entstanden ist; auch werden beim Tanzen beide Füsse gleichmässig angestrengt.
Es wäre interessant, nachzuforschen, ob diese Gewohnheit wirklich allgemein
ist, und nach ihrem Grunde zu suchen. —
(27) Hr. Ohnefalsch-Richter zeigt die Photographie eines Maqnamba-
"Weibes mit sogenannter Rnopfnase. —
(28) Hr. Geofg Schweinfurth spricht
lieber den UrepraDg der Aegypter.
Neun Jahre sind es her, daas nnscr verehrter Vorsitzender in einer lungeren
Abhandlang die vorhistorische Zeit Aegyptens besprach und in Übersichtlicher
^'eise die bis dahin aus Aegypten bekannt gewordenen Funde, die von der Stein*
(264)
zeit Runde gaben, einer kritischen Besprechung unterzog. Das war damals der
erste Leitfaden in einem Gewirre von Zweifeln, Wahrscheinlichkeiten und Un-
glauben. Der angenommene Zusammenhang, der zwischen den historisch-pharao-
nischen Zeiten und den vorhistorischen bestanden haben muss, und der, wie
Yirchow so richtig hinzusetzte, sich noch in irgend einer anderen Hinterlassenschaft
bekunden muss, als in blossen Steingeräthen, — diese Annahme hat sich bewährt.
An der Schwelle eines neuen Jahrhunderts scheinen uns grosse lieber-
raschungen, förmliche Offenbarungen bevorzustehen und die Zeit mag nicht mehr
fem sein, wo der Traum so manches Aegyptologen, sein sehnlichster Wunsch in
Erfüllung geht, nehmlich der, endlich einmal das Räthsel der ägyptischen Civili-
sation gplöst, ihren frühesten Entwickelungsprozess und die ersten Anfänge des
Schriftthums klargelegt zu sehen.
Zu so kühnen Hoffnungen berechtigen die Ausgrabungen der letzten Jahre.
In der That habeh diejenigen, die Flinders Petrie bei Tuch, die Amelineau in
der Umgegend von Abydos, und zuletzt diejenigen, die de Morgan bei Negada
gemacht hat, eine solche Fülle von Thatsachen ans Licht gezogen, dass kaum
mehr daran zu zweifeln ist, es sei die ersehnte neue Epoche der Wissenschaft
nun endlich gekommen.
Mit den 3000 Gräbern von Tuch und vielen anderen, die sich zu beiden
Seiten des Nilthals vom Gebel Silsele bis Girgeh erstrecken, mit den aufgedeckten
Königlichen Peuer-Nekropolen von Negada und Om-el-Graab eröffnet sich der Blick
auf jene früheste, der ägyptischen Urzeit nähergerückte Periode, die bisher so
gänzlich verschleiert geblieben ist und von der die alten Aegypter selbst sehr
wenig gewusst zu haben scheinen. Zu Abydos, bei dem alten Tini, wo die Wiege des
ersten Königs gestanden hat, und an der Stätte selbst des altheiligen Todtendienstes
des Osiris war es, wo Amelineau zu seinen epochemachenden Funden gelangte.
Aber nicht die erste Dynastie allein ist es, die sich hier in den Nekropolen der
ältesten Herrscher des vereinigten Aegyptens offenbart, in den Gräbern der
• Aermeren tritt das Ursprünglichere, treten die Gebräuche und Vorstellungen zu
Tage, die eben weit tieferen Einblick zurück in die ägyptische Vorzeit eröffnen.
Eine offenbar fremdländische Kultur erscheint da aul^einen Zustand aufgepfropft,
der bereits nicht geringe Errungenschaften autochthoner c^ittung verräth. Im
Besitze zu höchster Vollkommenheit gebrachter neolithischtli^ Werkzeuge und
Waffen zeigt der Aegypter bereits mancherlei gewerbliches Ge.Hchick und einen
Kunstsinn, den der fremde Eroberer zum Theil wenig beeinflusst zu haben scheint,
wie sich das namentlich an der reichen Formensprache und der wertienden Figuren-
schrift ersehen lässt, die — wenn man es geographisch ausdrücken will, ein ent-
schieden afrikanisches Gepräge an sich tragen.
Die Ornamentik der aufgefundenen Thongefässc, deren Elemente für Sie
auf einer Tafel zusammengestellt sind, machte nicht den ganzen künstlerischen
Besitz dieses frühzeitigen Aegypter- Volkes aus; die Formvollendung der Manufacte,
insonderheit der aus den härtesten Gesteinsarten hergestellten Gefasse, zierliche
Elfenbeinschnitzereien und manches Andere geben Vorstellung von einer viel-
seitigeren Entwickelung, aber der reiche Bildschmuck auf minderwerthigen Ge-
fässen spricht deutlich genug für die bereits damals die festen Bahnen eines
bestimmten Stils anstrebende Richtung, der eine lange Kunstgewöhnung im Xatur-
zeichnen vorhergegangen sein muss, so dass man Plinius (XXXV, 5) Unrecht
geben muss, wenn er die alten Aegypter der leeren Aufschneiderei zieh, datfs sie
der Erfindung der Malerei, bevor diese nach Griechenland hinübei^elangte, bei iihnen
ein sechstausendjähriges Alter zuschrieben.
(265)
In der That haben die letzten Funde ein weiteres Jahrtausend erschlossen.
Das ist nun freilich ein geringes Glied in der endlosen Rette der ewigen Zeit,
selbst der Gesittungsgeschichte des Menschen, aber man ist doch dem Urgründe
um etwas näher gerückt und die Paralaxe des Zeitabstandes vom eigentlichen Aus-
gangspunkte der ägyptischen Gultur hat sich beträchtlich erweitert; eine breitere
Basis ist gewonnen. ^
In der neuerschlossenen Periode (der ersten Dynastie und der Zeit vorher)
hören die monumentalen Steinbauten der Rönigsgräber auf, die Schrirtproben der,
wie es scheint, zum Theil noch unverständlichen Hieroglyphen werden so knapp,
dass es den Anschein hat, als werde man nirgends auf längere Texte historischen
Inhalts stossen; da gebührt den gegenständlichen Funden eine erhöhte Bedeutung
und der Aegyptologe wird Platz zu machen haben für den Ethnographen und
Naturkundigen, der ja auch überlieferte Urkunden zu lesen und zu deuten hat,
nur sind dieselben nicht vom Menschen geschrieben, sondern von der Natur, und
zwar mit Zeichen, ^ die an Unanslöschlichkeit die Hieroglyphen noch übertreffen
und die jedenfalls weit klarer sich gestalten, als diese. An die Stelle von Buch-
staben haben jetzt Erzeugnisse des Menschen und Naturkörper zu treten, um an
der Hand von Analogieen, die der ganzen Welt und allen Zeiten angehören, als
sichere Wegweiser zu dienen.
Mit Recht ist den Aegyptologen der Vorwurf nicht erspart geblieben, dass sie
den Methoden, die in die letztgedachte Rategorie fallen, oft so wenig Beachtung
geschenkt haben, indem sie ihr Hauptinteresse in erster Linie den inschrirtlichen
und sprachlichen Dingen zuwendeten. Aber Flinders Petrie und de Morgan
haben gezeigt, was der Alterthumsforscher vermag, wenn er in Aegypten mit
naturwissenschaftlicher Methode vorgeht. Vor ihnen gingen ja die Forscher der
eigentlichen Wüste nur selten zu Leibe, wenn es an monumentalen Steinbauten
fehlte und keine Inschriften zu finden waren. Durch den Reichthum an Urkunden,
den die nähere Umgebung des Flusses darbot, zurückgehalten, überschritt man
nur ungern diese engeren Grenzen, und so kam es, dass den früheren Aegyptologen
jene grossen Bauten aus geschlagener Thonerde und aus Luftziegeln unbekannt
geblieben sind, die uns, tief in Schutt und in Scherbenhügeln vergraben, von den
Pharaonen der ersten Dynastie zu Gm-el-Gaab bei Abydos und bei Negada zurück-
gelassen worden sind. Dieselbe Vernachlässigung alles Nichtinschriftlichen war
auch die Ursache, dass die Aegyptologen sich über die Bedeutung der Steinzeit
in Aegypten so sehr getäuscht haben.
Man erinnert sich noch des fast einstimmigen Widerspruchs, den die ersten
Funde dieser Art bei fast allen Aegyptologen fanden. Indem sie eine ägyptische
Steinzeit als solche in Abrede stellten, stützten sie sich vor Allem auf die vermeint-
liche Thatsache, dass Riesel-Artefakte während aller Epochen der ägyptischen
Geschichte Verwendung gefunden haben. Wenn ein solches Argument auf richtigen
Voraussetzungen beruhte, so wäre es gerade die Hartnäckigkeit des Festhaltens an
solchen Gebräuchen gewesen, die von der ursprünglichen Steinzeit hätte Zeugniss
ablegen müssen. Doch, das ist gegenwärtig ein überwundener Standpunkt, und in
dem letzten Werke von de Morgan ist endgültig, und zum ersten Male an der
Hand topographischer, namentlich auch die Niveauverhältnisse der Fundstellen
berücksichtigender Darlegungen, der Beweis geliefert worden, dass in der That,
soweit Runstfleiss und Gewerbe in Betracht kommen, an einer scharfen Grenze
festzuhalten ist, die zwischen der eigentlichen Steinzeit und den ältesten ge-
schichtlichen Perioden besteht, soweit die letzteren bis 1896 bekanni- geworden
waren, nehmlich bis zu der dritten Dynastie. Als mnassgebende Faktoren für die
1
(266)
Charakteristik der Cnltnrepoehe können die Steingeräthe von da ab nicht mehr
betrachtet werden'). Die zwei ersten Dynastien sind neolithisch. Etwas anderes
ist es, wenn in einem Grabe ein oder das andere Stück darin sich als nebensäch-
liche Todtengabe vorfindet, sei es als Amulet, als verehrungswlirdiges Reliktstfick
der Vorzeit, dem eine mystische Kraft beigemessen werden konnte, sei es als aus
atavistischer Gewohnheit hergebrachtes, etwa zu rituellen • Zwecken dienliches
Instrument, und etwas anderes, wenn deren viele Stücke oder gar Hunderte in
allen Formen und in den verschiedensten Graden der Aasftihning angetroffen
werden. Bei der grossen Verbreitung, die solche Ansammlungen von Kiesel-Arte-
fakten in ganz Aegypten schon allein auf der Oberfläche aufweisen, kann man an-
nehmen, dass das Erdreich selbst deren an den meisten Stellen enthält, und dass
sie daher oft bei Grabungen') sowohl alter als auch neuer Plünderer mit den
Fundstücken aus historisch beglaubigten Epochen vermengt werden mussten.
Im Laufe der letzten dreissig Jahre ist, wie aus den Zusammenstellungen
Virchow^s und de Morgan's hervorgeht, ein grosses Material von Belegstücken
aufgehäuft worden, die für Aegypten nicht nur die neolithische, sondern auch eine
paläolithische Periode sichern. Wenig aber ist man der Lösung des Problems
näher gerückt, woher die ersten Aegypter ihren Ursprung nahmen, und welche
Völkerkreuzungen zu ihrer endgültigen Entwicklung als Culturvolk Veranlassung
gegeben haben. Die Aegyptologen wussten am wenigsten Rath und ihr Endurtheil
gipfelte nach wie vor in dem Satze: „nichts, oder so gut wie nichts ist uns von
den frühesten Generationen übrig geblieben.^ Jetzt, wo man mehr sicheren Boden
gewonnen hat, wird man gewiss in Bälde mit grösserem Erfolge dem Entwickelungs-
gange nachzuspüren beginnen« den die Steinzeit in Aegypten genommen, man wird
dann namentlich auch genaueren Nachweis über die in den älteren Ablagerungen
des Nilthals eingebetteten paläolithischen Artefakte zu erbringen haben, als es
bisher geschehen, um über die den Culturepochen vorausgegangenen Geschlechter
mehr Klarheit zu gewinnen. Aber diese früheren Geschlechter, woher
stammten sie? Gehörten sie einer und derselben Rasse an? oder haben sich ver-
schiedene Rassen zu wiederholten Malen gegenseitig verdrängt, sich ethnographisch
durchdrungen, sich im Austausche widerstrebender Eigenschaften allmählich zu
neuen Gebilden umgestaltet?
Das sind Fragen, die den Veiigleich mit dem Geduldspiel eines Kindes wach-
rufen, das ein Bild aus unregelmässigen Stücken, in die man es zerlegte, wieder-
herzustellen sich bemüht Unter der Menge zerstreuter Thatsachen, über die
man bereits verfügt, giebt es viele, die sich zu einzelnen Bildern gruppiren und
die sich nicht auseinanderreissen lassen. Nun handelt es sich darum, diese Einzel-
bilder so ineinander zu fügen, dass ihre Formen zusammenpassen. Ihre Correlation,
die wechselseitigen Beziehungen der Stücke müssen berücksichtigt werden, um ein
Gesammtbild za erhalten.
Ein solcher Versuch sei nun gewagt und dazu zuforderst an Südarabien der
Hebel angesetzt. Jede Hypothese wird auszuschliessen sein, die auf linguistischem,
1) AUcrdings findet sich in Grftbem der XU. Dynastie sn Beni Uassan die Darstellung
eines geworbmftssigen Betriebes von Steinmessem (siehe Griffith, Beni Hassan III. T. VII),
so gut wie noch vor wenigen Jahren bei Cairo frewerbmussig Feuersteine für Flinten in*
gehauen wurden. Massen von Kiesel-Artefakten finden sich aber nirgends mehr als Todten-
gabe der Grfiber von der III. Dynastie an.
2) Es ^i nur an die Stücke erinnert, die im Mnseum für V^tlkerkunde aufgehoben
und die gelegentlich der Fundamentgrabungen der ehemals Dr. R eil' sehen Klinik in Cairo
zu Tage gefördert worden sind.
(267)
ethnologischem oder geographischem Gebiet gegen bereits sichergestellte That-
sachen verstösst, andererseits aber wird auch eine jede, die diesen drei Grand-
bedingangen entspricht, von vornherein auf eine gate Aufnahme zu rechnen haben.
Es soll mein Bestreben sein, mich solchen Voraussetzungen anzubequemen.
Das südliche Arabien, der Yemen, muss als einer der wichtigsten Entwickelungs-
heerde des Menschengeschlechts betrachtet werden. Reich an Zeugungskraft, so-
wohl in der materiellen als auch in der geistigen Sphäre, aber beschränkt in
seinen Existenzbedingungen, fruchtbar in jeder Hinsicht, nur nicht was den Boden
betrifft, hat es von seinem Ueberschuss unerschöpflich an die umliegenden Ge-
biete abgegeben. Und doch gebrach es ihm selbst für eine dauernde Cultur-
entwickelung an jenem mächtigen Motor, den die Arbeit gewährt. Dieses Arabien
hat seine Expansionskraft nach allen Himmelsrichtungen hin ausgestrahlt, eine, um
mit den Worten Eberhard Schrader^s') zu reden, „lebendige Menschenquelle, deren
Strom sich seit Jahrtausenden weit und breit nach Ost und nach West hin er-
gossen hat^.
Die ältesten Beziehungen, welche Arabien und die Nachbarländer auf der anderen
Seite des Rothen Meeres mit Aegypten verbinden, werden unwiderruflich durch die
Herkunft der beiden geheiligten Bäume des altägyptischen Göttercults, der Syko-
more und der Persea (Mimusops) bezeugt; ich habe an dieser Stelle den Gegen-
stand bereits in frtlheren Mittheilungen erörtert'). Diese Bäume bilden einen
festen Punkt zur Beurtheilung jenes hypothetischen Göttercults, der in denr Brand-
opfer des Weihrauches einen sichtbaren Ausdruck fand, und andererseits in der
Namengebung des Ursprungslandes Seitens der alten Aegypter, als eines heiligen
Landes, eines Landes der Götter, weitere Bestätigung erhielt. In einen Gegensatz
dazu stellt sich aber die Frage nach der Herkunft des Getreidebaues und der
Bronze, Guiturfaktoren, die beide unweigerlich auf die Euphratländer hinweisen,
die aber in Aegypten, soweit bis jetzt bekannt ist, in ein eben so hohes Alter hin-
aufreichen, wie Sykomore und Persea, die ihrerseits wiederum in der Euphrat-
Region nie vorhanden gewesen sind. Was war nun früher vorhanden am Nil,
jene heiligen Bäume oder der Ackerbau mit Gerste und Weizen? Zur Beantwortung
dieser Frage reichen die festgestellten Thatsachen noch nicht aus. In der grossen
Rönigs-Nekropole der ersten Dynastie, die Amelineau in diesem Jahre bei Abydos
aufgedeckt hat, fanden sich Massen von Sykomorafrüchten als Opfergabe nieder-
gelegt, desgleichen aber auch eine Unzahl von Bronzegeräthen, und zugleich finden
Gerste und Weizen, Lein und Weintrauben theils an dieser Stelle, theils in gleich-
alterigen Gräbern anderer Nekropolen Vertretung.
Dasselbe Arabien, das bereits in einer so frühen Periode auf Aegypten ein-
gewirkt hat, ist nun auch in späterer Zeit, nachdem das Semitenthum greifbare
Gestalt angenommen hatte, gegen das sumerische Babylonien vorgegangen und hat
auch hier seinen umgestaltenden Einfluss zur Geltung gebracht. Das kann aber
erst nach jener Epoche erfolgt sein, in der die noch nicht semitisirten Altbabylonier
ihre auf Metallurgie und Getreidebau basirte Cultur an die Ufer des Nils ver-
pflanzt hatten. So stellt sich der frühe Entwickelungsgang der menschlichen Cultur
im Orient der Alten in Gestalt eines Dreiecks dar, dessen Spitzen durch die drei
Gebiete Yemen, Aegypten und Babylonien bezeichnet werden.
1) Ich gedenke ausdrücklich dieses hoch verdienten Forschers, weil derselbe bereits
vor 16 Jahren die arabische Halbinsel als das eigentliche Stammland und als den einzigen
Entwickelnngsheerd der Semiten dargelegt hat (Zeitschr. der Morgenl. Gesuch. XXVII,
S. 397—424).
2) Vergl. diese Zeitschr. 1891, S. 649—669.
(268)
Mit dem Rapite) vom glücklichen Arabien ist die Frage nach der Herkunft der
hamitischen Völker aufs innigste verwachsen. Ueber die asiatische Herkunft dieser
grossen Völkergruppe sind die meisten Forscher einig, aber neueren Ursprungs ist
die Frage, ob sich durchgreifende Merkmale festhalten lassen, die principiell eine
Unterscheidung von Semiten- und Hamitenthum in Bezug auf geschichtliche und
sprachliche Entwickelung möglich machen. Die Sprachforscher, an ihrer Spitze
Leo Reinisch, erkennen in den hamitischen Sprachen den älteren, primitiveren
Zustand, der eine gemeinschaftliche Basis verräth. Weitere Ausführungen in
dieser Richtung würden mich von der mir gesteckten Aufgabe abbringen, ich kann
mich daher darauf beschränken, unter Hamiten jene grosse ethnographische Einheit
zu verstehen, die den Völkerbestand von halb Africa umgemodelt hat und deren
Bewegung, so sicher, wie die scheinbare des Firmaments, immerdar von Ost nach
West gerichtet gewesen ist. Will man aber den Ursprung dieser Bewegung, deren
Richtung so klar vor Augen liegt, räumlich umgrenzen, so stösst man schon in
Arabien auf Widersprüche; denn noch ist es nicht geglückt, dort irgendwelche
Ueberreste ächter Hamiten nachzuweisen. Beruhigen wir uns indess bei dem
Gedanken, dass jene grosse hamitische Einheit in Africa an und für sich keinen
ursprünglichen Zustand mehr ausmacht. Die lange Zeit und die Fremdartigkeit
der Daseinsbedingungen können den Urstamm in Africa nach einer ganz anderen
Richtung hin entwickelt haben, als in, Asien, wo Arabien zur Wiege des Semiten-
thums wurde.
Gleichwohl kann man im südlichen Arabien den gemeinschaftlichen Ausgangs-
punkt suchen, namentlich wenn man an den alten Völkerstrassen festhält, die sich
wahrscheinlich nie geändert haben. Wo der Ocean im Spiel ist, pflegen sich die
alten Wege nur infolge von neuen Entdeckungen und neuen Verkehrsmitteln zu
ändern. Solange diese Mittel, Ruder und Segel, und die geographischen Kennt-
nisse dieselben blieben, so lange musste man auch festhalten an den von der
Natur selbst vorgesteckten Gursen, die durch Monsune und Meeresströmungen er-
leichtert wurden. Auf demselben Wege, auf dem die Araber, d. h. die Bewohner
Arabiens, nachweisbar im Laufe der letzten 25 Jahrhunderte als Semiten [Habaschat] ')
nach Africa gelangt sind, werden sie auch schon in weit früheren Zeiten als Hamiten
herübergekommen sein.
Nehmen wir also als Ausgangspunkt die Südwestecke von Arabien, so er-
öffnet sich uns hier, ohne das schon damalige Vorhandensein einer wirklichen
Seeschi fTfahrt voraussetzen zu müssen, die Möglichkeit einer ersten Besiedelung
Aegyptens durch hamitische Einwanderung auf dem Wege durch Nubien und
stromabwärts.
War einmal die Meerenge überschritten, so befand man sich in der Halb-
wüste von Africa, die den gegenüberliegenden Küstenstrichen Arabiens gleich
gestaltet ist und wo die einzige Lebensbedingung, die sich eröffnete, diejenige des
Hirten war. Die Rinderrasse fand in den Thälem des südlichen Nubiens aus-
reichenden Unterhalt zu ihrem Fortkommen; ich habe nirgends schönere Heerden
gesehen, als bei den Beni Amer am oberen Barka. Ein grosser Theil der Ein-
wanderer wird vorläufig von der Besitzergreifung des äthiopischen Hochlandes in
Anspruch genommen worden sein, da sich in dieser Citadelle von Africa die
Autochthonen mit Erfolg verthcidigen konnten. Ein anderer Zweig aber fand ein
geräumiges Feld der Ausdehnung in den Thälem des südlichen Nubiens. Das
Kameel war damals noch nicht Hausthier geworden, ja wahrscheinlich war es noch
1) Vergl. E. Glaser, Skiue der Geschichte Arabiens 1889, 8.91. u. E.
(269)
nicht einmal im südlichen Arabien eingebürgert, denn von Gentral-Asien zum Yemen
ist ein weiter Weg. Dagegen gelang in Nubien die Erwerbung eines nicht minder
werthvoUen Nutzthiers, dessen Verwandte in den mittelarabischen Bergen, in Syrien
und in Persien (Equus onager Pall. und E. heraippus St. H.) erst nachträglich,
nachdem in Africa der grosse Wurf gelungen war, mit in den Kreis der Zuchtversuche
hineingezogen zu sein scheinen*). Das war der nubische Wildesel (Equus taeni-
opus Heugl.) mit gebänderten Schenkeln, ein Bergthier, das in diesen sterilen Gebirgs-
einöden noch heute im wilden Zustande sein Dasein fristet und das ursprünglich von
der Natur dazu bestimmt scheint, dem Menschen als treuer Begleiter durch die Wüsten
Folge zu leisten. Man hat das Rameel Schiff der Wüste genannt, mit demselben
Rechte kann man den Esel das Boot der Wüste nennen, denn Jahrhunderte
lang hat derselbe in den Aegypten umgebenden Wüsten als einziges Lastthier ge-
dient, das dem Menschen ein Durchziehen derselben erst ermöglichte, bis das
Kameel, wahrscheinlich nicht vor der Periode des mittleren Reiches, allmählich
diese wichtige Aufgabe zu übernehmen begann^).
Die nubischen Gebii^swüsten (das Etbai) sind noch sehr ungenügend erforscht,
obgleich gerade diese weite Region wichtige Aufschlüsse über die alte Völker-
verschiebungen zu ertheilen verspricht. An den von der Natur hier sehr deutlich
vorgezeichneten Sammelplätzen des Menschen wird es an prähistorischen Stein-
geräthen und Waffen nicht fehlen, wenngleich Kiesel-Artefakte hier weniger zu er-
warten sind, auch in der That von den bisherigen Reisenden daselbst nicht auf-
gefunden worden sind. AJs die asiatischen Einwanderer sich in den Wüstenthälem
auszubreiten begannen, war ihr Streben gewiss bald nilwärts gerichtet, denn die
Runde von diesem Eldorado der Jagd und der unerschöpflichen Weidegründe
wird frühe zu ihnen gedrungen sein. Bevor sie aber am Nil für immer festen
Fuss gefasst, werden sie lange Zeiträume hindurch in den sterilen Gebirgen des
Ostlandes ihr Dasein verbracht haben. Dort war es wohl auch, wo der Mensch
die hohe Schule der Arbeit, der Ausdauer und der Mühe durchzumachen hatte,
die ihn später zu weiteren Culturfortschritten befähigte. Aus hartem Gestein
musste er seine Waffen zuhauen, formte er die nothwendigsten Gefässe, schlagend,
bohrend, polirend gelangte er zu einer bewundemswerthen Steinmetzkunst Grosse
Völker werden nicht in der Ebene geboren und nicht der weiche Nilthon, der
solche Gesteinsarten ausschliesst, kann zur Pflanzstätte einer Kunst geworden sein,
die wir an den Gefassen der frühesten Aegypter zur höchsten Vollkommenheit ent-
wickelt sehen.
Um den Zustand zu schildern, in dem sich das Nilthal vor Einführung des
Getreidebaues befunden haben muss, könnte ich Sie lange mit dem Bilde unter-
halten, das meine Vorstellung nach Analogie der gegenwärtigen Verhältnisse in
den südlichen Gebieten gestaltet. Ich verweise auf den Weissen und auf den
Blauen Nil von heute, auf die südnubischen Uferwaldungen grosser periodischer
Regenbetten, um den Glauben zu bekräftigen, dass keine wesentlichen Klima-
veränderungen angerufen zu werden brauchen, um den heutigen Gegensatz zu er-
klären, der zwischen dem Ueberfluss am Nil und der Dürftigkeit in den an-
stossenden Wüstengebirgen besteht, und dass derselbe Gegensatz auch für vor-
geschichtliche Zeiten aufrecht zu erhalten ist, soweit dieselben bei dieser Frage in
Betracht kommen. Das noch schwach bevölkerte Nilthal bot an seinen Rändern
1) Alle heutigen Haus-Esel, die ich in Arabien und Syrien, oder von solcher Provenienz
sah, glichen weit mehr dem nubischen, als den asiatischen Wildeseln.
2) VergL diese Zeitschr. XXIU, 8. 651.
(270)
LebensbediDgangen dar, den die heutige Thierwelt daselbst infolge der jetzigen
Bevölkerungsdichtigkeit nicht mehr vorfindet. Daher das Schwinden der Antilopen-
heerden, der Strausse, der Elephanten u. s. w. Ginge man von einer durch-
greifenden Klima-Aenderung aus, seit den Epochen, die ich im Sinne habe und die
einen unendlichen Zeitabstand von derjenigen darthun, die durch das Abschmelzen
der europäischen Gletscher und die dadurch in Nord-Africa hervorgerufenen reichen
Niederschläge bezeichnet wird, alsdann müssten ganz andere Wege und Zugänge
nach Aegypten für die frühesten Einwanderungen in Betracht kommen. Die geo-
graphischen Bedingungen sowohl, als auch der früheste Entwickelungsgang der
ägyptischen Geschichte sprechen zu Gunsten einer Einwanderung von Süden her.
In jenen Zeiten ist Unter-Aegypten noch eine Meeresbucht oder eine unzugängliche
Kegion von Sümpfen gewesen: noch zur Zeit Herodots war die Ueberlieferung
wach, dass die Provinzen im Delta neuen Ursprungs seien. Ein Zugang von Nord-
osten her war in der frühesten Zeit wahrscheinlich auf keinem Landwege er-
möglicht.
Die Urbewohner, welche die Hamiten am Nil vorfanden, waren, wie die Menge
paläolitischer Riesel-Artefakte beweist, im Herrichten solcher Stücke bereits früh-
zeitig geübt, und die fremden Eroberer werden mit YergnUgen zu diesem ihnen
wenig zugänglichen Material gegriiTen haben, uro, dank ihrer grossen Fertigkeit im
Verarbeiten harter Gesteinsarten, die ihnen damals vielleicht noch neue Kunst
der Rieselbearbeitung weiter zu entwickeln und zur höchsten Vollkommenheit zu
gestalten. Schönere Kiesel-Messerklingen, als diejenigen ans der neolithischen Zeit
Aegyptens, wird man in den nordischen Gegenden schwerlich antreffen. Indess
scheint mir der Besitz so vollkommener KieselwafTen weniger Ursache eines
Cultarerfolges, als vielmehr eine Folge desselben gewesen zu sein.
Die Abkömmlinge dieser ersten Eroberer sind uns in den Bega- Völkern, die
heute noch in den Wüstengebirgen von Ober-Aegypten und Nubien hausen, erhalten
geblieben. Unter ihnen betrachte ich die Ababde und die Bischarin als diejenigen,
die einen vielleicht seit Jahrtausenden währenden Zustand des Rückschritts und
der Verkümmerung an den Tag legen, obgleich sie, besonders die Bischarin, in
ihrer Sprache am meisten dem alten Typus treu geblieben sein mögen. Das sind
die Vertriebenen und Enterbten ihres Geschlechts, die Nachkommen jener, die sich
den neuen Eroberem, die später von Norden her ins Nilthal eindrangen, nicht iiigen
wollten. Denn auch an diese Hamiten kam die Reihe der Vergewaltigung durch
Fremde, und sie wurden von ihnen in die Gebirgs wüsten ihrer Ahnen zurück-
gedrängt und in das Nilthal oberhalb der ersten Katarakte. Der Nil-Anwohner jener
Epoche hatte sich den Befehlen der neuen Herren zu fügen.
So gelangte der Aegypter der älteren neolithischen Epoche in den Besitz der
Pflugschar und der Getreidearten. Die ihm an Gesittung wahrscheinlich über-
legenen Eroberer haben es verstanden, die Fähigkeiten des neolithischen Stein-
arbeiters für ihre Zwecke auszubeuten, indem sie dieselben in den Dienst des
Bergbaues auf Metallerze stellten. Es waren die Kupferminen am Sinai*), die
durch sie zuerst in Betrieb gebracht worden sind, und deren geographische Lage
zugleich den Weg andeutet, auf welchem die neuen Eroberer sich mit dem Nil-
thal in Verbindung zu setzen wussten. Alles das hat sich lange Zeit vor der ersten
1) Wenn sich die ursprünglichen Nil-Anwohner auf die Gewinnung von Kupfer ver-
standen hätten, würden »ie es in der östlichen Wüste näher gehabt haben. Fi gar i (Studj
scient. p. 186; giebt nicht weniger als sieben Oertlichkeiten in diesem Gebiete an, wo sich
das Kupfer sowohl in geschwefelten, als auch in oxjdischen Erzen vorfindet. Diese Stellen
sind nie Gegenstand eines Bergbaues gewesen.
(271)
Dynastie der Pharaonen zugetragen und die neuen Gräberfunde liefern für diese
Annahme neue Beweise.
Wägt man alle Daten gegen einander ab, die durch die Ergebnisse der
Sprachforschung und durch sachliche Gräberfunde gewonnen wurden, so ergiebt
sich ein ganz entschiedenes Ueberwiegen der auf die Euphratländer hinweisenden
Judicien, und man kommt zu dem Schlüsse, dass jene Eroberer von Norden kein
anderes Volk gewesen sein können als die alten Babylonier, die Sumero-Akkader,
▼on denen man heute noch nicht weiss, ob sie ursprünglich Turaner oder Indo-
germanen waren. Man weiss nur, das ihre Sprache eine ganz andere war und ihr
Ideenkreis sich auf wesentlich verschiedenen Bahnen bewegte, als derjenige der
Semiten, die sich später von Süden her mit ihnen rerschmolzen und ihr Pantheon
als Ganzes sich zu eigen machten, aber unter Einführung des für die arabische
Welt so charakteristischen Stemenkults.
Bereits seit einigen Jahren ist Fritz Hommel ftlr die Hypothese „des baby-
lonischen Ursprungs der ägyptischen Cultur^*) eingetreten, ja er hat in seinem
Abriss der Geschichte des alten Moigenlandes^) erst vor zwei Jahren den Satz
ausgesprochen: „Geraume Zeit vor 4000 v. Chr., vielleicht mehr als 1000 Jahre
vorher, werden die ersten babylonischen Ansiedler an die Ufer des Nils gekommen
sein.^ Seine Altersbestimmung hat sich nun nach den neuesten Ergebnissen von
Am^lineau und de Morgan als durchaus nicht unzutreffend erwiesen, und man
wird ihm ebenso in anderen Punkten Glauben schenken können, wenn auch
manche seiner Gollegen seinen Ansichten nicht beistimmen wollen. Hommel hat
auch die Identität der ältesten ägyptischen und babylonischen Götter -Genealogie
aus den sumerischen Göttemamen, die beiden gemeinsam waren, nachgewiesen
und behauptet, dass in dem während der späteren semitisirenden Epochen sich
zu einer vorwiegend semitischen Sprache umgestaltenden Altägyptischen ursprünglich
der halbe Wortschatz dem Sumerischen entlehnt war, ja er führt eine lange Reihe
von Hieroglyphen auf, die in beiden Sprachen dieselben sein sollen.
Zu alledem gesellen sich nun, die Aegyptologen mögen behaupten was sie
wollen, die sachlichen Gräberfunde der letzten drei Jahre, die in Gber-Aegypten zu
Tage gefördert wurden, vor Allem die grossen Feuer-Nekropolen der ersten ägyp-
tischen Pharaonen, die offenbar denen analog sind, die Robert Roldewey vor
zehn Jahren zu el-Hibba und Sarghull, dem ältesten politischen Centrum von
Babylonien, ausgegraben hat*). Der Bronze, des Weizens und der Gerste, des
Leins und der Weintrauben habe ich bereits gedacht. Hinzuzufügen wäre noch
der Gebrauch der Cylindersiegel mit den Königlichen Namen, vermittelst derer die
grossen Opferkrüge in den Nekropolen der ältesten Pharaonenzeit verschlossen
wurden *),
Dass in den Annalen der alten Geschichte nirgends der vorhistorischen Ur-
bewohner (der Hainiten) Erwähnung geschieht, darf nicht befremden, hat sich doch
ein ähnliches Schweigen fast in allen Ländern wiederholt. Stets wurde, wie
de Morgan sehr richtig hervorhebt, die Erinnerung an die Unterjochten ausgemerzt.
1) München 1892 ^autographischo Schrift).
2) S. 39, 63.
3) Zeitschr. for Assyriologie Vol. II, p. 403—4.^0.
4) Ich nehme Anstand, das Argument der auch im alten Babylonien nachgewiesenen
Bestattungsweise in kontrakter Körperlage hier heranzuziehen, weil dieser Brauch, dem
eine allgemein menschliche Idee zu Grunde liegt (die embryonale Lage bei der Rückkehr
de« Körpers in den Scbooss der Erde} in den entlegensten Weltgegenden sich wiederholt
und fBr die Systematik der grossen Völkerklassen von nur untergeordneter Bedeutung ist.
L
(272)
Aber etwas davon war doch noch bis auf die historischen Zeiten gekommen, nehmlich
der traditionelle Hass, der die Aegypter und die Aethiopen von Kusch trennte,
diesem stets mit dem Zunamen des ^verdammten^ oder ^elenden** bezeichneten
Kusch.
Mein erster Besuch in Aegypten ging der ersten Erwähnung, die der Steinzeit
in diesem Lande geschah (durch Arcelin 1869), um einige Jahre voraus. Zu
jener Zeit hätte mir von keiner Seite her eine Anregung zu Theil werden können, um
nach dieser Richtung hin thätig zu sein. Aber bereits damals wurde meine Aufmerk-
samkeit auf Gegenstände gelenkt, die wohl geeignet erschienen, die Frage nach einer
Steinzeit in Aegypten wachzurufen, — Gegenstände, die heute noch, nach 33 Jahren,
ebenso unbekannt geblieben zu sein schei[nen, wie sie es damals waren. Im Sinne habe
ich eigenthümliche steinerne Küchengeräthe derAbabde. Im Frühjahr 1854,
auf dem Wege von Qeneh nach Qosser, machte ich die erste Bekanntschaft mit diesem
Volke, das als nördlichster Zweig der grossen Bega-Familie, typischer Hamiten, zwischen
23** und 27° n. Br. die östliche Wüste von Ober-Aegypten in der Stärke von nahe-
zu 20000 Köpfen innehat, von denen indess nur 7000 als Nomaden in den eigentlichen
Gebirgsthälem ihr kümmerliches Dasein fristen. Die Ababde haben noch in neueren
Zeiten das ganze eigentliche Wüstengebiet bis zur Breite von Sues besessen und
sind erst im Laufe der letzten zwei oder drei Jahrhunderte durch den kriegerischen
Araberstamm der Ma'ase nach langen Kämpfen zurückgedrängt worden '). Vermöge
des engeren Anschlusses, den die Ababde an das ägyptische Nilthal haben, sind
sie bis zu einem gewissen Grade arabisirt worden, namentlich haben sie ihre ur-
sprüngliche Sprache gegen eine stark mit arabischen Bestandtheilen vermischte
Mundart vertauscht, während die südlichen Nachbarn, die ihnen nächstverwandten
Bischarin, in jeder Hinsicht ihre Eigenart unverändert bewahrten. Was aber
die allgemeinen Lebensgew^ohnheiten anlangt, sind auch die Ababde ihren alten
üeberlieferungen treugeblieben.
Unter den geringen Habseligkeiten, welche die in den Thälern umherziehenden
Ababdefamilien mit sich führten, fielen mir nun vor allen Schalen, Näpfe und
Kochtöpfe auf, die aus dem in diesen Gebirgen unter den krystallinischen Sediment-
gesteinen sehr verbreiteten Talkschiefer (bezw. Steatit) hergestellt waren. Von diesen
in sehr regelmässigen Formen zugehauenen und sorgfaltig geglätteten Gefässen habe
ich im vergangenen Winter eine Anzahl bei den in der Umgegend von Assuan
1) Zahlreiche Ocrtlichkeiten , die heute als ^Grab der Ababde*" bezeichnet werden,
geben davon Kunde. Asiatische Nomadeustämme sind bekanntlich bereits seit den ältesten
Zeiten auf dein Wege über den Isthmus in Aegypten eingedrungen, und ihnen wird jeden-
falls die Einfuhrung des Kameeis (nicht vor der XII. Dynastie) zuzuschreiben sein, aber
ihre Wohnsitze überschritten nicht den Wüstenrand. Es scheint, dass in der inneren Wüste
stets allein Begavölker gehaust haben. Einmal im Besitze des Kamcels vermochten sie
ihre Sitze erst recht zu behaupten Durchziehende Karawanen, deren Aufgabe es war,
zwischen Syrien und dem mittleren Nilthale Aegyptens eine direkte Verbindung zu unter-
halten, mögen trotzdem schon frühzeitig von Arabern geleitet worden sein. Für diese
bürgerte sich seit der Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. die Bezeichnung Saracenen
{Ungaxtivoi) ein, ein Name, der zuerst in der dem Athanasius zugeschriebenen Lebens-
beschreibung des Heiligen Antonius und fast gleichzeitig bei Ammianus Marcellinus ge-
nannt wird. Die Araberstämme, die mit dem Islam kameu, sahen sich zunächst, dank
ihrer socialen Bevorzugung, keineswegs auf die unwirthlichen Theile der nördlichen Wüsten
beschränkt, wo selbst heutigen Tages und selbst auf Grundlage des Kameelbesitzes nur
für eine sehr beschränkte Anzahl von Familien kärgliche Lebensbedingungen geboten sind.
Auch hat die ausgedehnte Region der Wüstenränder den Arabern für lange einen aus-
reichenden Tummelplatz ihrer Entwickelung abgegeben.
(273)
bausenden Ababde aafgetrieben uad dieselben mit anderen Stücken, die mir durch
Gute des Prof. Dr. Eberhard Fraas aus der Gegend von Qosafr zugingen, dem
hiesigen K. Museum Air Völkerkunde Übergeben, das in seinen Sammlungen von
dieser Gattung von Gelassen noch keinerlei Beispiel aus Africa aufzuweisen hatte, vie
ich denn anch annehmen masa, daas solche (der Ababde) bis jetzt überhaupt noch
in keinem der europäischen Museen Vertretnng gefunden haben mögeD. Da anch
die das Gebiet behandelnde Literatur den Gegenstand mit Stillschweigen abergeht,
— Klanzinger*) ist der einzige, der des Vorkommens mit einer ganz kurzen
Notiz Erwähnung Ihut, — schalte ich hier eine Beschreibung der Gefässe ein.
Die von den Ababde und Bischarin mit dem auch arabischen Ansdruck „burma"
bezeichneten Koctitöpfe (Fig. 1—3) sind gewöhnlich Id bis 30 em lang, im Umriss
beiderseits kreisrund oder oval, mit weiter oder mit enger Oeffnang versehen und
mit glatt abgeschnittenen, weder erhabenem noch vorspringendem Rande. Die
Gefässe sind entweder sphärisch bauchig oder an der Basis verflacht. Nahe am
Rande oder mehr gegen die Mitte zn befindlich sind beiderseits vorspringende vier-
eckige Zapfen angebracht, die als Henkel dienen. Die Dicke der Wandungen
Fig. 1. Fig. 2. Fig. 8.
Kochtdpfe der Ababde aua Talkschiefer (io Vs tiat. GrSsse).
beträgt I bis 2 cm. Der Talkschiefer, in der Bega-Spmche „hämur" genannt, tritt
in verschiedenen Härteverhältnissen auf and empfiehlt sich wegen seiner Fener-
beständigkeit nnd der im Vergleich zu ThongelSssen geringeren Zerbrechlichkeit
den Bedürfnissen des Nomadenlebens. Die Masse ist bald grünlich durchsichtig
schimmernd (Seifen stein), bald, je nach dem Glimmerreichthnm, von mehr oder
minder kömiger Beschaffenheit, und alsdann schwärzlich und hellgrau gesprenkelt
Auch reinschwane Massen kommen vor, die polirl wie Ebenholz glänzen. In der
Granitregion der östlichen Wüsten von Ober-Aegypten und Kuhlen, dem mit dem
Namen „Eibai" bezeichneten Stammlande der Bischarin und Ababde, giebt es
viele Stellen, wo Talkschiefer noch heutigen Tages zu dem erwähnten Zwecke von
den Eingeborenen ausgebeutet wird. Klunzinger giebt halbwegs zwischen Qeneh
und Qosser, südlich von Hammamät eine, Ri'a (d. fa. Pass) genannte Oertlichkeit
an, und nach den Angaben von Captain G. H, Lyons und Major Talbot steht
in der grossen nnbischen Wüste in dem, Abu-Sinaijel genannten Tbale, 1'/, Stunde
in West der Brunnen von Murät, die genannte Felsart in beträchtlichen Massen
an, begleitet von Homblendeschiefcr.
Weiche und zersetzte Talkschiefermassen haben in diesem Gebiete eine
grössere Verbreitung und diese (Mag nesiam Silicate) werden von den Nilthalbewohnern
mit Sand vermengt zur Herstellung vortrefflicher und feuerbeständiger Thongerasse
verwandt. Diese mergelartige Talkmasse fflhrt gleichfalss den Namen „hämur",
die Aegypter bezeichnen sie mit dem Nameo „bürum" nnd auf der Nordseite der
1) C. B. Klunzinger, Zeilschr. d. Ges. f. Erdk. 1879, Bd. XIV, S. 429.
(274)
Stadt Aisaan') werden zwischen Granit und Qlimmeracbierer anstehende Lager
davon aasgebeutet. In dem in der Nähe befindlichen Dorfe Schema brennen die
TSprer aas diesem Talkmergel sehr schöne Kochkessel, die dorch eine hetlleder-
gelbe Färbung und ein gewissermaassen elastisches Oeruge ausgezeichnet sind.
Wenn nun auch die Gelasse der heutigen Ababde in Hinsicht weder auf
AniftÜirnng und FonnTollendnng, noch auf die bei der Bearbeitung der Steinmasse
«rTorderliche Geschick lieh k ei t einen Vergleich aushalten mit jenen kunstvoll endeten
und aus den härtesten Qesteinsarten hergestellten Vasen, von denen ich später
gelegentlich der Funde in den der neolithischen Epoche der ersten Dynastieen und
der denselben vorausgegangenen Zeiten reden will, so möchte ich doch an der
Vorstellung festhalten, dass wir es hier mit einer aus atavistischer Gewähnnng
herzuleitenden Leistung zu thnn haben, dass, mit anderen Worten, in diesen Ge-
fassen die Steinzeil von ihrem Portbestehen hier noch unter der lebenden Generation
Kunde giebt. Diese Hamiten leben, seit Jahrtausenden von besseren Gegenden
verdrängt und auf die unwirthlichen GebirKswUsten des Etbai beschränkt, in einem
Zustande der Verkümmerung, der, wie es den Anschein hat, seit den Tagen eines
Artemidoms keine nennenswerthen Veründemngen aarzuweisen hat. Man darf
daher von ihnen keine hervorragenden Kunslleistungen erwarten. Andererseils er-
scheint das Festhalten an den immerhin doch in hohem Grade unpraktischen Stein-
geßsaen bei dem häufigen Verkehr der Ababde mit den >~ilthalbewohnem, die
gerade dort, bei Qeneh und Assuan, in Töpferarbeiten aller Art sich hervorthun,
aufällig genug. Hau bedenke ferner, dass, wie ich bereits erwähnte, in jenen
Gebirgsgegenden selbst an vorzUglichem Uaterial zur Betfaätigang im letztgenannten
Gewerbe kein Hangel ist and dass es daselbst auch an FeuerungssloSen keineswegs
gebricht, — betreiben doch die heutigen Ababde in allen Thäleni das Kohlenbrennen
aus Akazienholz mit grossem Eifer, als einen der wenigen Erwerbszweige, die ihnen
den Bezug der unentbehrlichen Komvorräthe zum eigenen Unterhalte möglich machen.
In besonders annalliger Weise aber bekundet sich die Vorliebe der Bega-
Völker fUr Steingerätbe in einem anderen Gegenstände aus Talkschiefer, den mau
wohl im Besitze eines jeden von ihnen anlreffen wird. Ich meine die kleinen
Tabakspfeifen (Fig. 4), von denen ich eine Anzahl vorzulegen die Ehre habe.
Fig. i.
Tabakpfeife der Ababde and Bischsrin aua Talk^chiefer ,iD ' , nst. Gr.).
KloBzinger') ist wiederum der einzige, der sie erwähnt hat Dieselben bestehen.
das Bohr und der Kopf aas einem Sttlck. in einem wohlgeglätteten, im rechten
1) Aach erwlhnt FiRSri, Studj sci«nt suU E^lto, p. 15T, da-^s die sltea AegTpter
sick bereits des Talkschierers inr Herslellang viiq feinen Thonwsaren bedient bitten.
2) Ober-Aegjpten, Kapitel IV. Harhieitd-fitfbräncbe.
(275)
Winkel geknickten Cylinder, der durchbohrt an seinem etwas kürzeren, aber gleich
dicken Schenkel eine zur Aufnahme des Tabaks beigestellte erweiterte Aushöhiang
zeigt Diese Pfeifen haben eine Länge von 5 bis 15 cm und einen Durchmesser
von 2 cm. In Ermangelung solcher Steinpfeifchen, die auf dem Markte von
Suakin in grosser Auswahl zum Rauf geboten werden, bedienen sich die Leute
wohl auch mitunter eines Stückes Röhrenknochen, den sie durch einen Zipfel
ihres baumwollenen Umschlagtuches hindurch rauchen. Für gewöhnlich aber birgt
der letztere, geknotet, die kleine Steinpfeife und den Tabak, den sie über Alles
werthschätzen. Als vor kaum 27« Jahrhunderten der Gebrauch des Tabaks sich
in diesen Gegenden einzubürgern begann, werden die Wüstenbewohner bei den
ersten Ueberbringem des Narkotikons wohl auch die Thonpfeifen zu sehen be-
kommen haben, deren man sich zu seinem Genüsse bedient. Thönerne Pfeifen
lassen sich spielend fast überall herstellen, dennoch griff der Hamite zu dem ihm
so gewohnten Steinmaterial, und ich glaube, in diesem Verhalten kommt noch deut-
licher der Atavismus der Steinzeitgebräuche zum Ausdruck.
Gefösse aus Talkschiefer und Speckstein sind aus verschiedenen Weltgegenden
bekannt. Unser Museum für Völkerkunde birgt eine grosse Anzahl schöner Stücke,
die aus Kaschmir und aus dem Distrikte von Salem (Präs. Madras) herstammen
und daselbst auf den Märkten als Köchgefasse feilgeboten werden. Auch sind
neuerdings aus Talkschiefer geformte zierliche Tabakspfeifen (in Gestalt unserer
Cigarrenspitzen) aus den Gebieten der Nama, Rasuto, Bergdamara u. a. eingesandt
worden, die in Süd-Africa von weiter Verbreitung zu sein scheinen, sowohl bei
Hottentotten-, als auch bei den östlichen Bantu- Stämmen'). Auch in manchen
Gegenden Europas werden aus Speckstein Pfeifenköpfe gedrechselt. In den von
mir bereisten Theilen von Africa sind mir indess Gefässe von Talkschiefer ausser-
halb des Etbai nirgends zu Gesipht gekommen, auch habe ich in der Africa-
Literatur bisher keine darauf bezüglichen Angaben ausAndig zu machen vermocht.
Ich sehe mich genöthigt, bei diesem Gegenstande länger zu verweilen, weil
der Talkschiefer auch in den Gräbern der ältesten bisher für Aegypten bekannt
gewordenen Epochen eine gewisse Rolle spielt und sich wichtige Fragen an die
aus dieser Gesteinsart hergestellten Sachen knüpfen. Das Schweigen der Literatur
über den Gegenstand entschuldigt Professor Flinders Petrie, wenn er bei der
Umschan nach Analogieen es unterlassen hat, seinen Blick den hamitischen Wüsten-
völkem von Aegypten und Nubien zuzuwenden. Bekanntlich erregten die gross-
artigen Grabungen, die der unermüdliche Forscher vor drei Jahren auf einem aus-
gedehnten Gräberfelde in der Nähe von Tuch, am Wüstenrande der Libyschen
Seite unterhalb Theben ins Werk gesetzt hatte, grosses Aufsehen, als derselbe an
der Hand zahlloser Funde, deren Merkmale in fast allen Stücken von der bisher
an altaegyptischen Gegenständen wahrgenommenen Form abwichen, die Hypothese
einer „neuen Rasse^ aufstellte, die während der Epoche des mittleren Reiches von
Westen her in Aegypten eingedrungen sein und sich in Bezug auf Sitten und
Runstbethätigung von jeder Berührung mit den übrigen Landesbewohnem fern
gehalten haben sollte. In seinem neuesten Werke*) sind die eigenen Ansichten
des Autors, sowie die seiner Mitarbeiter durch Wort und Bild zu ausführlicher
Erörterung gelangt. Inzwischen ist aber auch die in Frage stehende Epoche durch
die Ausgrabungen von E. Amelineau und die von J. de Morgan weiter aufgehellt
1) vergL H. Schinz, Deutsch-Südwest- Africa, S. 9S. Die ethnographische Sammlung
in Zürich besitzt eine reiche Auswahl dieser Stücke.
2) W. M. Flinders Petrie and J. E. Quibell, Nagada and Dallas, London 18%.
18 •
(276)
und, dank den aufgeAindenen Konigsnamen, a]« der ersten Dynastie sogehdrig'
fest^stellt worden. Ausser dem von Flinders Petrie ausgebeuteten Gr&berfelde
sind noch zahlreiche kleinere, mit jenem in allen Einzelheiten übereinstimmende,
zu beiden Seiten des Nils . ausfindig gemacht worden; sie erstrecken sich Ton
Gebelen im Süden angefangen bis gegen Girgeh im Norden. {Is sind auch bei
Abydos und Negada sechs Rönigsgräber aufgedeckt worden, darunter zwei ron
grossartigen Verhältnissen, die alle einen ron den übrigen Gräbern derselben Epoche
sehr abweichenden Todtencult (Feuer-Nekropolen) zur Schau stellen, die aber durch
eine Anzahl verschiedener Beigaben die vollständige Gleichalterigkeit mit den
Gräbern der Privatpersonen und der unteren Klassen ausser Zweifel stellen.
Das im Druck befindliche Werk de Morgan's über die königliche Nekropole
von Negada wird über die Rönigsgräber der ersten Dynastie näheren Aufschlnss
ertheilen. Ueber die kleinen Gräber dieser Epoche, die sich nicht auf die drei
ersten historischen Dynastieen beschränken, sondern wahrscheinlich auch Zeiten
umfassen, die dem Beginn derjenigen, die für uns in Aegypten als die historische
gilt, noch um ein Beträchtliches vorhergehen, findet man vielseitigen Aufschluss
in dem erwähnten Werke von Flinders Petrie, sowie in de Morgan's gleich-
zeitig mit diesem erschienenen ^Recherches sur les origines de F^lgypte, Tage
de la pierre et des metaux^, Paris 1896. Es sei mir indess gestattet, gewisse
Ei^enthümlichkeiten der kleinen Gräber hier noch besonders hervorzuheben, inso-
fern sie uns neue Probleme darbieten und für die angeregten Fragen von Belang
erscheinen.
Bei dieser Art von Gräbern, deren nun bereits im Laufe der letzten Jahre Tausende
untersucht worden sind, müssen zwei streng von einander getrennte Rategorieen
festgehalten werden, da sie nach Rasse, Abstammung und Lebensweise verschie-
denen Rlassen der damaligen Bevölkerung, wa)^rscheinlich aber nicht zeitlich aus-
einander zu haltenden Generationen, zu entsprechen scheinen. Ftlr die Gräber der pri-
mitiveren, ärmeren Bestattungsweise möchte ich den Namen der „troglodytischen*^
in Vorschlag bringen, da sie deijenigen der alten Troglodyten entspricht, von
welcher nach dem Berichte des Artemidorus uns übereinstimmende Beschreibungen
von Strabo (XVI, 222), Diodor (lU, 32) und Agatharchides in seiner Be-
schreibung des Erythräischen Meeres (63) wiederholt worden sind. Die troglo-
dytischen Gräber enthalten je einen Rörper ohne Sargbehälter frei im Boden
ruhend, seltener in mit Rohziegeln ausgekleideten Schächten, aber stets (ursprünglich)
nur umhüllt von Häuten oder Matten. Die Skelettheile sind zusammenhängend und
zeigen die kontrakte Stellung der Gliedmassen, welche der Bestattungsweise, nicht
nur der alten Troglodyten, sondern auch vieler noch lebender Völker Africas (z. K
Bongo, Mittu, Raffern, Betschuana, Gva-Herero u. a.) entspricht, nur mit dem unter-
schiede, dass hier der Rörper nicht in kauernder, hockender Stellung sitzend, bei-
gesetzt wurde, sondern stets auf der linken Seite liegend, Arme und Beine in der
Gelenkbeuge, die Rnie vor der Brust (wahrscheinlich vermittelst Bast und Rinden-
stricke zusammengeschnürt), die Hände vor die Gesichtsfläcbe gezogen. Der Todte
war von handgeformten rothen Thonkrügen und Näpfen von verschiedener Gestalt
umgeben, unter denen cylindrische und solche mit schwarzangelaufenen Rändern
einen Air die Epoche charakteristischen Typus darstellen, femer von Thongefiissen,
die eine zierliche, in höchst eigenartiger Figurensprache zur Darstellung gebraohte
Ornamentik darbieten. Die Gefässe sind mit Nilerde oder mit Aschen- und
Rohlenresten von der Feuerstelle des Wohnsitzes des Verstorbenen angefüllt, sel-
tener mit Rnochenresten. In einigen dieser Gräber finden sich tellerartige Schalen
(277)
niedergelegt, die mit abgeschnittenen Haaren 0 verschiedener Individuen gefüllt
worden, wahrscheinlich denen der Anverwandten, die sie als Zeichen der Trauer
an dieser Stelle zum Opfer brachten. Unter Haarbüschel von schwarzer Farbe
finden sich andere gemengt, die goldgelb oder flachsartig fahl erscheinen, offenbar
in Folge von angewandten Färbungs- oder Bleichungsmitteln, nach Art der heutigen
Somal, die vermittelst einer dicken Lage von frisch gelöschtem Kalk oder durch
Einreiben mit gelber Thonerde, dem Verwitterungsprodukte vulkanischer Tuflfe^
ihren Haaren häufig ein falbrothes Aussehen ertheilen'). Von sonstigen Beigaben
der Gräber sind Kieselartefakte zu erwähnen, die sich stets in grosser Menge in
ihnen vorfinden, aber auch der zweiten Kategorie nicht fehlen, während die
königlichen Fenemekropolen deren zum Theil in ungeheurer Menge beherbergen.
Tor allem sind es die sonderbaren Schieferplatten, die, in Gestalt von allerhand
Thieren, namentlich Fischen, Schildkröten, verschiedenen YierfQsslem, Vögeln, dann
aber auch zu Rhomben, Parallelogrammen und anderen Formen zugeschnitten, für
diese troglodytischen Gräber besonders charakteristisch erscheinen. In denselben
finden sich diese, häufig zum Anhängen durchlöcherten Schieferplatten an Stellen,
die darauf hindeuten, dass man sie bei der Bestattung dem Todten in die
GUinde gab oder vor der Brust befestigte. Wegen einiger Farbenreste, die sich
an einzelnen dieser oder ähnlicher Stücke vorfanden, vermuthete Flinders Petrie'),
dass die Platten als Palletten zum Anreiben von Schminke gedient hätten; allein
nach Analogie der im Museum für Völkerkunde zu Berlin befindlichen, aus ähn-
lichem Schiefer und zum Theil in ähnlicher Gestalt hergestellten Stücke der
Jago raschen Sammlung aus Kaschmir (man vergleiche z. B. Nr. 3858 I, c.) ist
man eher berechtigt, die Platten für Amulette zu halten, die als Talismane auf der
Brust getragen wurden, um allerhand körperliche Uebel fernzuhalten. Damit sei
nicht gesagt, dass alle Platten dem gleichen Zweck gedient haben müssen. Wieder-
holt hat man auf ihnen auch die Umrissfigur eines Krokodils mit gespreizten vier
Extremitäten eingeritzt gefunden.
Einen vornehmeren Charakter tragen die Gräber der zweiten Kategorie an sieh,
die man als diejenigen mit secundärer Bestattungsweise bezeichnen muss.
Sie haben das Eigenthümliche, dass sie in einem, meist mit Rohziegeln aus-
gemauerten Hohlraum einen verschiedenartig gestalteten rohen Behälter aus bald
gebrannter, bald ungebrannter Thonerde zeigen, der die Körperreste als zerstreute
oder willkürlich durcheinander geworfene, meist sehr unvollständige Skelettheile
enthält. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass hier eine secundäre Bestattung
üblich war, wie solche ja heute noch in verschiedenen Gegenden Africas^) geübt
1) Von diesen habe ich einen guten Vorrath dem Eönigl. pathologischen Institut fiber-
geben, aus Gr&bem von Negada und Gebel Silsile stammend.
2) Eines ähnlichen Verfahrens bedienen sich auch Eingeborene auf Neu- Guinea. Bei
den Dinka wird eine fuchsrothe Färbung dnrch fortgesetzte Wascbnngen mit Kuhham
hervorgerufen, auch soll eine 14tftgig6 Compresse von Mist und Asche ein gleiches Er-
gebniss hefem. Stntser dieses Volkes verstehen es, ihr ursprünglich krauses Haar durch
andauerndes Streichen und Kämmen halbwegs schlicht zu gestalten. (Vcrgl. Schwein-
fnrth, „Im Herzen von Africa" I, S. 161, 162). Durch Verwendung von Pflanzenstoffen ist
dagegen wohl nur bei ergrauten Haaren ein Blondf&rben möglich; bekannt ist die Ver-
wendung von Hennah (Lawsonia.)
8) FL Petrie, Nagada, p. 43.
4) In dem vor Kurzem erschienenen vortrefflichen Werke des Prof. Dr. Georg
Volkens (Berlin 1897, bei Dietrich Reimer) wird dieser Brauch bei den AVadschagga
(8. 252, 253) beschrieben. Schädel und Knochen des Skelets werden nach Jahresfrist aus-
(278)
wird, wo die Verstorbenen zunächst in der von ihnen bei Lebzeiten bewohnten
Hatte beigesetzt werden, nm erst nach Ablanf einer längeren Frist den wieder
ausgegrabenen Skeletresten ein endgiltiges Begräbniss zu TheU werden zu lassen.
Prof. Flinders Petrie*) hat dieser Bestattungsweise die offenbar irrige Deutung
gegeben, als rührten die in den Gräbern durcheiuandeigemengten Körpertheile
Ton einer am Cadaver im frischen Zustande vorgenommenen Zerstückelung her,
die er ausserdem noch ganz unnöthiger Weise mit angeblich kannibalischen Ge-
bräuchen roher Naturvölker') in Verbindung bringt. Er beruft sich auch im miss-
verstandenem Sinne auf eine Stelle des Diodor (V, 18), wo von den Grab-
gebräuchen der alten Balearen die Rede ist, die aber keineswegs, wie er sagt»
ihre Todten „mit hölzernen Messern oder Aexten zerschnitten'', sondern, nach
Diodor, nur die Gliedmassen mit Knüppeln zerschlugen, um die Körper in ein
Geföss hineinzuzwängen. Die Anwendung von Gewalt behufs Einzwängung des
Leichnams in einen beschränkten Raum, oder auch zum Zusammenschnüren in
kontrakter Körperlage hat nichts Ueberraschendes und wird heute noch bei ver-
schiedenen Völkern Africas geübt, z. B. bei den Gva-Herero, die nach Schinz,
(Deutsch-Süd west-Africa, S. 1 74) ihren Todten zu diesem Zwecke das Kreuz brechen.
Bei anderen Völkern werden zu diesem Hehufe Einschnitte in die Knie hergestellt
Die sehr häufige Unvollständigkeit der Skelettheile und gewisse Einzelheiten
ihrer Lage im Grabe sprechen in ganz überzeugender Weise gegen die Hypothese
einer absichtlichen Zerstückelung der Leichen, und eine gleiche Bewandniss wird
es wohl auch mit den algerischen Dolmen') und den von Naue beschriebenen
Bronzcgräbem in Ober- Bayern haben, auf die sich Flinders Petrie beruft. Unter
den von J. de Morgan gelegentlich seiner diesjährigen Ausgrabungen bei Negada
von Gräbern der hier besprochenen Kategorie gemachten Einzelplänen und Situations-
aufnahmen der Knochenbefunde möchte ich einer solchen Aufnahme hier besondere Er-
wähnung thun, da sich an ihr die ganze Hinfälligkeit der Flinders Petrie* sehen Hypo-
these darthun lässt. Das betreffende Grab gehörte der „Arabat-Krescha'' genvunten
Nekropole an und enthielt in einem ovalen, 70 X ^0 cm messenden, mit einem
Deckel versehenen Behälter aus gebranntem Thon ein ziemlich vollständiges Skelet,
dessen einzelne Knochen in sehr unordentlicher Weise ausgebreitet waren. Der
Unterkiefer fand sich gesondert vom Schädel und ebenso wie die einzeln getrennten
Schulterblätter und Schlüsselbeine gerade an den entgegengesetzten Enden des
Geiasses. Die Rippen lagen in drei Gruppen gesondert an ebensovielen Stellen,
die Wirbel, von denen viele fehlten, waren gleichfalls vereinzelt und zerstreut
Nun ist doch wohl vorauszusetzen, dass Leute, wenn sie sich der überaus grossen
Mühe unterzogen, die einzelnen Knochen von einander zu trennen, dieselben aus
dem frischen Cadaver herauszuschneiden, herauszuschälen und namentlich den
Unterkiefer aus seinen Angeln zu heben (!), auch ein Interesse daran gehabt haben
sollten, für die Vollständigkeit aller Skelettheile Sorge zu tragen; dass dies der
gegraben und gesondert in einem Thonkrog untergebracht der in der Bananenpflaorang
so eingegraben wird, dass die Oeffnong, die man mit einer Scherbe xndecki, die Ober^
fläche erreicht Volken§ vennnthet, dass nicht bloss der brutale Wunsch, steh der
Todten möglichst schnell und ohne Arbeit zu entledigen, dieser Sitte lu Omnde tiege.
1} Nagada, p. ß2.
"2) Fl. Petrie hat noch neuerdings in einem in der „Contemporary Review* veröffent-
lichten Aufsatze solchen Vermuthungen bei Besprechung der Felsengräber von Deschascha
wiedemm Spielraum gegeben.
8") vergl. Faidherbe, Hecherches anthropologiques sur \e» tombeanx m^igalithiques
de Roknia.
(279)
Fall nicht war, habe ich bereits herrorgehoben. Der Umstand, dass sich Füsse
und Hände in diesen Gräbern zuweilen in zusammenhängender Knochenlage vor-
finden, darf nicht für die Annahme einer gewaltsamen Zerstückelung angerufen
werden, denn in den trockenen Gräbern Aegyptens sind solche Gliedmassen die
ersten, die austrocknen und solchergestalt im Verbände bleiben, während alles
andere durch Verwesung serfällt. Wollte man aber die Zerstückelung und Un-
Vollständigkeit der Theile mit vorhergegangener Kocherei und Kanibalcn -Mahl-
zeiten*) in Verbindung bringen, so gäbe es in Aegypten, ausser den mit Mumien,
kein Grab, dass von einem derartigen Verdachte verschont bleiben würde.
Die Gräberfelder am Rande der Wüste bieten die zwei erwähnten Bestattungs-
formen nicht in räumlich gesonderter Gruppirung, in zusammenhängendem An-
schluss an einander dar; an einer und derselben Oertlichkeit wechseln oft beide mit
einander ab. Für die Annahme, dass meist die Verschiedenheit eher in socialen,
als in zeitlichen Verhältnissen zu suchen sei, sprechen ausserdem gewichtige Gründe.
Denen, die als Nomaden lebten und keine festen Wohnsitze hatten, vielmehr in
Höhlen oder offenen Lagern hausten, konnte auch nicht in Hütten, die sie nicht
belassen, eine vorläufige Beisetzung zu Theil werden. Das waren die Troglodyten
oder Ichthyophagen, Vorfahren der heutigen Ababde und Bischann, die, wie gegen-
wärtig, zum grossen Theil im Umkreise der Städte und Dörfer ein auskömmlicheres
Dasein aufgesucht haben werden.
Die Beigaben in den Gräbern der secundären Bestattungsweise geben von
Besitz und von grösserem Wohlstand Kunde. Ausser den bei der ersten Kategorie
aufgezählten Gegenständen finden sich in ihnen zahlreiche Luxus- und Toilette-
gegenstände, Elfenbeinschnitzereien und dergl., namentlich aber die schöngeformten
Schalen, Näpfe und kleinen Vasen aus hartem krystallinischem Gestein oder aus
mehr oder minder harten metamorphischen Schiefem und Tuffen. Während Bronze-
gegenstände in den troglodytischen Gräbern so gut wie gar nicht vorkommen
oder nur andeutungsweise vorhanden sind, spielen dieselben in den Gräbern mit
zerstreuten Skelettheilen bereits eine gewisse Rolle. Von Belang sind sie aber
erst in den Königsgräbern der Epoche (I. Dynastie), wo eine solche Menge der
verschiedensten Kupfer- und Bronzegeräthe zu Tage gefördert worden ist, dass
es in hohem Grade fraglich erscheint, ob die Kupferminen der Sinaihalbinsel im
Stande gewesen sein konnten, Mengen, wie sie schon damals der Bedarf Aegyptens
erheischte, allein zu beschaffen.
Die Steinge(asse in diesen Gräbern sind ebenso verschieden an Grösse und
Gestalt, wie hinsichtlich der Gesteinsarten, die zur Verwendung kamen. Die Mittel,
die zu ihrer Herstellung gedient haben, werden gewiss noch lange Gegenstand
der Gontroverse bleiben, denn diese Gefasse sind hinsichtlich ihrer Formvollendung
von keiner späteren Epoche übertroffen worden. An den henkellosen offenen
Schalen und Tellern oder den tiefer ausgebauchten kesseiförmigen Gelassen über-
rascht bei der äusserst symmetrischen Rundung besonders ihr hoher Grad von Dttnn-
wandigkeit Das Material besteht hier aus harten Schiefern und tuffigen Gesteins-
arten, die sich mit dem Messer ritzen lassen. Aus Alabaster geformte Gefasse
sind häufig und in den verschiedensten Grössen vorhanden. Unter diesen herrscht
1) An einigen der von mir bei den MoDbuttu 1870 aufgelesenen (gekochten) Schädel
lassen sich deutlich die Schrammen der Messer erkennen, deren sich diejenigen bedienten,
die davon gespeist haben, an einigen sind gar die Eindrücke der Zähne erkennbar, die an
den Schädeln genagt haben. So lange man mir Stücke von gleicher Beweiskraft nicht
vonnweisen vermag, werde ich an den «Endocannibalismus** der alten Nilbewohner nicht
glauben. Das Wahrscheinliche beansprucht mehr Geltung, als das Unwahrscheinliche.
(280)
die cyiindriscbe halslose Form mit flacher Omndfläche und einfacher Ring-
anschwellang an der weiten Oeffnong vor, dieselbe, die sich auch bei zahlreichen
Thongefässen, namentlich der troglodytischen Gräber, wiederholt, wie denn Ober-
haupt in allen diesen Gräbern Steingefässe und thöneme hinsichtlich ihrer Formen
keine Verschiedenheiten aufweisen. Deutlich erkennbar aber ist, an der Hand der
marmorirt gesprenkelten und granitartigen Ornamentik vieler Thongefässe, dass die
letzteren oft in Nachahmung bereits vorhandener, vielleicht älterer und als beson-
dere Rnnstleistungen hochgeschätzter Steinvasen hergestellt worden sind.
Das härteste Steinmaterial findet sich zu diesen letzteren verwendet, die eine,
für die Epochen bis zur dritten Dynastie (wie es scheint, nicht später) äusserst
charakteristische Gestaltung zeigen. Flinders Petrie hat dieselben wegen ihrer
durchbohrten Henkel als Aufhängevasen (hanging stone vases) bezeichnet, im
Gegensatze zu den aufstellbaren (standing stone vessels), die ohne Henkel sind;
indess ist die Mehrzahl der „Hängevasen^ gleichfalls mit abgeflachtem Boden ver-
sehen. Die Haupteigenthümlichkeit ihrer Gestalt beruht in den zwei Henkeln, die
in der Nähe des meist flach vorspringenden Randes, d. h. im oberen Drittel oder
Viertel der Gesaipmthöhe, angebracht sind. Dieselben stellen einen an die Ober-
fläche angeschmiegten, wenig vorspringenden, aber stets horizontal gestellten Cylin-
der dar, der in seiner Längsaxe durchbohrt ist Durch die Verbreiterung des
Henkels wurde offenbar eine grössere Tragkraft und Widerstandskraft der Henkel-
^masse beim Aufhängen erstrebt. Diese harten Vasen sind weit massiver, als die
anderen Gefässe, und mit seltenen Ausnahmen von sehr geringer Grösse. Wenn sie
erst alle petrographisch untersucht sein werden, wird sich eine sehr lange Liste der
zu ihrer Herstellung verwendeten Gesteinsarten ergeben. Der schwarze Diorit mit
grossen weissen Einschlüssen (Oligoklas), den man an so vielen Bildwerken des
alten Aegyptens zu bewundem Gelegenheit hat, spielt bei diesen Vasen eine grosse
Rolle. Viele bestehen aus porphyrartiger Masse, vom ächten rothen Porphyr des
Mons Porphyrites bis zum buntgefärbten Qnarzporphyr und Diabasporphyr des
Gebel Dara; andere sind aus Serpentin und verschiedenen Homblendebreccien
geformt, aus schwarz weissgesprenkeltem Homblendegranit, aus schneeweissem
pseudokrystallinischem Quarz, ja aus reinem Bergkrystall und aus Obsidian. Mit
Ausnalime des Obsidians, dessen Herkunft noch ein Räthsel ist, und abgesehen von
einem häufig verwendeten roth weiss gefleckten Conglomerat von Kieselkalstein, der
an Untersberger Marmor erinnert und am Abfall der Libyschen Wüste nördlich
von Abydos ansteht, namentlich da, wo die Strasse von Gii^geh zur Grossen Oase
hinaufführt, entsprechen alle die aufgezählten Gesteine den in der krystallinischen
Gebirgskette der Oestlichen Wüste verbreiteten Arten; sie fehlen auf der west-
lichen Nilseite und namentlich, soweit das Gebiet der Libyschen Wüste erforscht
worden ist, in dieser. Es ist also auch in diesem Umstände ein gewichtiger
Hinweis auf die Beziehungen zu erblicken, welche die alten Nil-Anwohnor mit dem
Osten und nicht mit dem Westen verbanden, zugleich ein Beweis gegen die An-
nahme einer von Westen her in das Nilthal stattgehabten Einwanderung sogenannter
Libyscher Stämme. Diese Beziehungen werden noch fester geknüpft durch die
Talkschieferkessel der Ababde, die im Grunde genommen doch nur als entartete,
rohe Rückbildungsformen der zweihenkeligen Vasen der alten Gräber aufzufassen
sind. Es finden sich aber auch ausserdem in diesen Gräbern Gefässe von dem-
selben Talkschiefer, den heute noch die Ababde verarbeiten.
Ich hätte nun noch aus der reichen und eigenartigen Ornamentik der meist roth
bemalten Tbongefässe, die allein den Gräbern der hier besprochenen Epoche eigen
ist, man nich faltige Beziehungen nachzuweisen, welche die alten Nil-Anwohner mit
(281)
den südlichen und östlichen Gegenden, den Stammsitzen der afrikanischen Hamiten,
in einen onlengbaren Zusammenhang bringen. Allein dieses Kapitel erfordert ein
sehr weites Ausholen auf Gebiete der rerschiedensten Forschungszweige. Es sei
mir gestattet, hier nur die Aufmerksamkeit auf einige ganz besonders in die Augen
springende Verhältnisse zu lenken. Niemand wird mehr, beim Anschauen dieser Art
von Bilderschrift, wie sie sich auf den erwähnten Thongefässen, von denen das Rgl.
Museum der Aegyptischen Alterthümer in Beriin bereits eine stattliche Reihe auf-
zuweisen hat und die in den citirten Werken von de Morgan und Flinders Petrie
in grosser Anzahl zur Darstellung gebracht worden sind, das Axiom unterschreiben
wollen, das so lange Geltung gehabt hat, dass die ägyptische Kunst ein fertiges
Ding gewesen sei von dem Momente an, wo sie in die Erscheinung trat.
Die Fremdartigkeit der Darstellungsweise veranlasste den genannten englischen
Forscher, den Ursprung dieser Ornamentik ausserhalb Aegyptens su suchen und
uns das. Bestehen eines alten Handels mit gebrechlicher Töpferwaare glaubhaft zu
machen, der im Lande der Amoriter') seinen Ursprung genommen hätte. Die
ausschiesslich afrikanischen Gegenstände dieser Ornamentik, namentlich die grosse
Bolle, die in ihr der Ruderbarke, als der ersten Schriftwerdung einer ägyptischen
Idee zufällt, brachten ihn dabei allerdings mit sich selbst in Widerspruch. Hier
liegt die grosse Bedeutung der keramischen Bilderschrift gerade darin, dass sie,
weil den ärmeren Bewohnern geläufig, etwas Ursprüngliches, von Alters Her-
gebrachtes zum Ausdruck bringt, und uns dadurch einen weiten Rückblick in die
Zeiten vor Menes eröffnet, weil ursprünglich aus einer Zeit stammend, wo die
bloss ideographische Hieroglyphik noch in den Windeln lag. Das ist der Stil, der
um die Zeit der ersten Dynastie bereits als ein alter gelten mochte, und der
künstlerische Besitz dieses Volkes zur Zeit, als die Sumero-Babylonier ihre Gultur
auf die seinige aufgepfropft haben mögen, — ein Besitz, der jedenfalls schon vor der
dynastischen Periode von Aegypten vorhanden gewesen ist, — dokumentirt sich
da in der ganzen Eigenartigkeit der vom späteren Kanon so grundverschiedenen
Formensprache.
Ausser den aus Gründen der technischen Handhabung selbstverständlichen
Verzierungen (z. B. Parallellinien) spielen, wie bei so vielen Erzeugnissen einer
primitiven keramischen Kunst diejenigen Formen der Ornamentik eine hervor-
ragende Rolle, die auf jene Zeit hinweisen, da der Kunsttrieb des Menschen noch
vornehmlich in Korb- und Mattenflechten Bethätigung fand. Betrachtet man z. B.
das in de Morgan's Origines de T^lgypte auf der Tafel IX, Fig. 1 abgebildete
Gefäss, so hat man das vollkommenste Abbild eines jener grossen Milchkörbe, wie
sie die heutigen Somal mit so grosser Geschicklichkeit aus den zähen Wurzeln des
strauchförmigen Asparagus retroflexus zu flechten verstehen.
Das behufs schnellerer gewerbsmässiger Vervielfältigung sich bahnbrechende
Oeneralisiren der Einzelheiten tritt bei den in Spiralen auslaufenden Köpfen der
Strausse und Flamingos, sowie an den gleichfalls spiralig endenden Bogenarmen der
Tänzerinnen in die Erscheinung, — Figuren, welche diesen GeföSsen ein so fremdartiges
Aussehen verleihen. In den besonders häufig wiederkehrenden Reihen der zusammen-
hängenden stilisirten Vogelgestalten offenbart sich der bei aller räumlichen, zeit-
lichen und ethnischen Gesondertheit so häufig zur Geltung kommende Parallelismus
übereinstimmender (ewig menschlicher) Gestaltungstriebe. Auf den ersten Blick
springt dabei eine überraschende Analogie mit der urgriechischen Ornamentik in
die Augen, die Conze zuerst in seinen Aufsätzen zur Geschichte der Anfänge
1) Tel-el-Hesbi liegt ungefähr ÖOO km vom nächsten Nil entfernt.
J
(282)
griechischer Kunst (Wien, 1870 und 1873) als ^alteuropäisch^, im Gegensätze
zu der späteren orientalisirenden Epoche, bezeichnet hat und in welcher er das
Ton den Griechen aus ihrer nordischen Heimath mitgebrachte Runstvermächtniss
erblickte. Diese „ alteuropäischen ^ oder in mythologischer Ausdrucksweise als
Torkadmeisch zu bezeichnenden Terracotten bieten ganz ähnliche Vogelreihen dar
(Kraniche, Gänse u. a.), wie die urägyptischen; auch zeichnen sich auf ihnen die
abgebildeten Gestalten von Vierfüsslem (Pferde, Steinböcke u. s. w.) durch die in
gleicher Weise zum Ausdruck gebrachte Bewegung der Extremitäten aus, die einen
durchgreifenden Gegensatz zu dem Paradeschritt der auf den ägyptischen Bilder-
inschriften verewigten Figuren bekundet Indess, abgesehen von der (}rund-
verschiedenheit der Gefässforraen selbst, bietet diese Ornamentik hinsichtlich der
geometrischen Motive (keine Mäander, keine durch Bogenlinien verbundenen Kreise
u. dgl.) unversöhnliche Gegensätze, und namentlich die bei der ui^echischen
fehlenden Pflanzenformen sind es, die gerade die Mannichfaltigkeit der urägyptischen
erhöhen.
Die der Pflanzenwelt entlehnten Ornamentmotive tragen auf diesen ältesten
Thongefässen Aegyptens eine bereits in hohem Grade stiiisirte Gestaltung zur
Schau. Sie bestehen in Bäumen, Blattwedeln der Dattelpalme und in einem
blühenden Gewächs, dessen bogig zurückgeschlagene Blätter einer verkürzten Achse
entspringen, während ein gipfelständiger einfacher, an anderen Exemplaren zwei-
schenkeliger Blttthenschafk, der im Bogen auf die eine Seite gekrümmt, im anderen
Falle nach beiden Seiten auseinander gespreizt ist, in der Veriängerung der Achse
auftritt. Der mit zahlreichen Schoppen oder kleinen Blättern besetzte Schaft trägt
an seinem Ende einen von einem halben Ringe umschlossenen runden Tüpfel*)*
Ich verrouthe, dass wir es hier mit dem Prototyp des in der Hieroglyphenschrifl
eine so grosse Rolle spielenden Zeichens des Südens zu thun haben und nehme
keinen Anstand, als das vielgesuchte pflanzliche Urbild der Idee die im südlichen
Nubien und in den Bergen von Abessinien weitverbreitete Aloe abyssinica Lam.*)
hinzustellen. Fiele mir die Aufgabe zu, das Bild dieser Pflanze in ein lineres
Schema aufzulösen, ich würde zu einer Darstellung gelangen, die sich mit Aem
fraglichen Motive nahezu deckte.
Was ist nicht alles über dieses räthselhaAe ^Zeichen des Südens^ geschrieben
worden ! Aber niemand wird bisher von den gegebenen Deutungen befriedigt worden
sein. Am thörichtesten erscheinen die Deutungen, die zur Zeit in den Hand-
büchern Geltung haben und auf „Binse, Lotus^ lauten. Dieses Zeichen betraf auch
eine der ersten Fragen, die mir R. Lepsius mit auf den Weg gab, als ich mich
im Jahre 1863 zum ersten Male nach Aegypten einschiffte. Damals dachte man
(als Botaniker) zunächst an ein Zwiebelgewächs, an etwas Lilienartiges, und nach
Maassgabe der Floren-Kenntniss des Sudan kam zunächst ein Crinum oder ein
Haemanthuj in Betracht, aber die weit mehr verbreitete, auffällige rothblühende
1) Botanisch ausgedrückt würde die Beschreibung lauten: subacaulis, foliis radicalibas
approximatis arcuatim rerurvis, Bcapo terminali siniplici vol bicmri nutante bractcifl nnme-
rosis obsito, floribos summo apice congestis.
2) Ich will nicht vorschweigen, dass eine andere Aloe dem Pflanzenumamcnt , wie es
in den bisherigen Funden vorliegt, in höherem Grade entspricht, als die A. abyssinica. Das
ist die durch einen ungetheilten Blüthenscbaft charakterisirte A. vulgaris Lam., die im
Tief lande des glücklichen Arabiens und in der untersten Region der Vorberge weitverbreitet
ist Aber Aloe vulgaris ist bis jetzt auf dem afrikanischen Continent noch nirgends im
wilden Zustande angetroffen worden. Auch kann der Fonnenkreis des Schemas sich noch
durch jeden. neuen Fund modificiren.
(285)
Gegenden Renntniss nahmen, namentlich von E. Floye^ ^) (Februar bis Mai 1891)
keine Kiesel -Artefakte aufgelesen worden. Vielleicht werden künftige Reisende,
die darauf achten, im Etbai Steingeräthe und Waffen von anderem Steinmaterial, etwa
Beile, Hämmer, Keulen, Schleudersteine und dergl., gelegentlich noch ausfindig
machen.
Die eigentlichen Fundstellen von Kiesel und Feuerstein sind an die tertiären
und an die der oberen Kreide zugehörigen Kalk-Qebii^ gebunden, die von Edfu an
das Nilthal nördlich vom 25 '^ n. Br. begrenzen, und in diesen Formationen überall
von weiter Verbreitung. Besonders ist es die Libysche Wüste, deren Ober-
fläche grösstentheils mit Kieseln aller Art bedeckt ist. Letztere sind zum Theil
Ueberbleibsel verschwundener Schichten der Miocänzeit, in die sie ursprünglich ein-
gebettet waren; andere gehören auch dort den Schichten der eocänen Nummuliten-
Formation, zum Theil der obersten Kreide an. Künstlich hergestellte Kieselsplitter
von oft erstaunlicher Länge finden sich, sobald man vom Nil landeinwärts in die
westliche Wüste vordringt, fast überall zerstreut und oft in solchen Mengen vor,
dass ihre Häufigkeit vor etwa dreissig Jahren und noch bis vor Kurzem als Haupt-
beweis gegen ihre künstliche, dem Menschen zugeschriebene Het^tellung voi^ebracht
zu werden pflegte. Wenn man vom alten Theben die Höhen auf der Westseite er-
steigt, so findet man bereits dort den Boden mit solchen Kieselscherben bedeckt,
und an den vom Nilthal zur Grossen Oase führenden Wegen sind überall, selbst
mitten in der Wüste und über 100 km vom Nil entfernt, immer noch Stellen häufig,
wo sich ohne mühsames Suchen grosse Mengen dieser Artefakte auflesen lassen.
Noch reicher an solchen Fundstücken sind die Oasen selbst, nebst ihrer nächsten
Umgebung.
Der Silex ist hier gewöhnlich von der ledei^lben Färbung der ungebrannten
Terra di Siena. Mit und zwischen den Splittern finden sich als vollendete Stücke
hauptsächlich grosse Fäustel*) (coups de poing), die den paläolithischen von Europa,
denen von Chelles z. B., und unzähligen Vorkommnissen des europäischen Nordens
an Gestalt und Grösse aufs Täuschendste gleichen und keinen Zweifel daran ge-
statten, dass diese Wüsten in der Urzeit bewohnt gewesen sein müssen.
In der östlichen Wüste Aegyptens dagegen, wo der Nummuliten-Kalk vorwaltet,
bieten die alten Kiesel- Werkstätten, die namentlich in der Region von Uadi Qineh,
Uadi Uarag und Uadi Ssanür, in einem Abstände von 50—60 km vom Nil, angetroffen
werden, Artefakte von ausgeprägt neolithischem Charakter dar. H. W. Seton-
Karr') will neuerdings in dieser Gegend auch einige Stücke von unzweifelhaft
paläolithischer Gestaltung aufgefunden haben. Immerhin stellt sich die Seltenheit
der letzteren in einen entschiedenen Gegensatz zu ihrer Menge in der libyschen
Wüste. Wenn man die grossen Schutt-Anhäufungen, das massige Gerolle und die
Nagelfluh-Bildungen auf dem Grunde der tiefen Thal-Einschnitte der östlichen Wüste
einer genauen Untersuchung unterziehen wollte, wozu an vielen Stellen Gelegenheit
geboten ist, da die periodischen Regenfluthen häufig ihre eigenen Gebilde zerstört
und die alten Ablagerungen von neuen durchsägt haben, dann würden sich höchst
wahrscheinlich auch in dieser Region zahlreichere Belegstücke aus der paläo-
1) E. Floyer, Etüde sur le Nord-Etbai, le Caire 1893.
2) Eine Anzahl derselben, an verschiedenen Localit&ten der westlichen Wüste auf-
gelesen, habe ich nebst anderen Kiesel-Artefakten dem Kgl. Museum for Völkerkunde über-
geben.
8) Anthropological Institute, Mai 1897; vgl. auch Virchow, Ueber die vorhistorische
Zeit Aegyptens: YerbandL 1888, S. 858.
(284)
Voraussetzungen auch auf dem Gebiete der Schädelkunde vollauf Bestätigung finden
werden. —
Um meine Darlegungen zusammenzufassen, möchte ich kurz rekapituliren.
Mein Bestreben war, den Zustand, in dem sich die Bewohner des ägyptischen Nil-
thals in vorgeschichtlicher Zeit befunden haben, als das Ei^ebniss einer Kreuzung
von Autochthonen mit hamitischen Stämmen zu kennzeichnen, die vom Bothen
Meere her, aus südlich und südöstlich von Ober-Aegypten gelegenen Gegenden her-
angezogen sind, die Besitzergreifung des Nilthaies vollzogen und die daselbst vor-
gefundene Bevölkerung in ihre Kasse haben aufgehen lassen. Abermals, in einem
langen Zeitabstande von diesem Vorgange hätte alsdann das alte Nilvolk eine
weitere Ummodelung durch das erobernde Eingreifen einer durch höhere Cultur-
Errungenschaften überlegenen Rasse erfahren, die von den Euphratländem her
ihren Ausgangspunkt genommen haben muss, um den Nil- Anwohnern den Ge-
treidebau auf Feldern vermittelst der Pflugschar, metallurgische Kenntnisse und wohl
auch ein eigenes Religionssystem, vielleicht gar die Kunst der Schrift beibringen
zu können. Als das Endergebniss dieser Mischungen und Beeinflussungen wäre
alsdann die ägjrptische Civiiisation der Pharaonenzeit zu betrachten.
Ein bisher ungelöstes Problem der Geschichte der Cnlturpflanzen scheint allein
unter den eben gemachten Voraussetzungen Aufklärung zu finden. Bekanntlich sind
bisher noch in keinem altägyptischen Grabe Sorghum-Kömer gefunden worden, auch
nicht aus den Inschriften bildliche Beweise für das Vorhandensein dieser Kömerfhicht
(Andropogon Sorghum) zu entnehmen gewesen, die im ganzen tropischen Africa die
bei weitem wichtigste Grundlage der Massenemährung ausmacht. Erst in verhältniss-
mässig neuer (griechisch-römischer) Zeit, seitdem eine mehr unmittelbare Fühlung mit
den innerafrikanischen Gebieten ermöglicht war, kann sich der Anbau von Sorghum, der
übrigens auch heute noch für den Haushalt von Aegypten nur secundäre Bedeutung
hat, im unteren Nilthale eingebürgert haben. Das Eingreifen der Hamiten in den Ur-
zeiten, da zwischen den Bewohnern der einzelnen Abschnitte des weiten Nilgebietes
noch keinerlei Beziehungen obwalteten, muss wie ein Keil und wie ein Riegel gewirkt
haben, der dieser Abgeschlossenheit Daner verlieh. Denn die hamitischen Eroberer
waren ein Hirtenvolk und die Beschaffenheit der von ihnen im Etbai durchzogenen
Thäler und Gebii^gswtlsten machte jegliche Art von Ackerbau zur Unmöglichkeit, auch
war es, wie ich bereits angedeutet habe, nicht der fruchtbare Oulturboden des Nil-
thals, der sie anlockte, sondern die reichen Weidegründe sind es gewesen, die
ihren Wanderungen dieses Ziel als besonders erstrebenswerth vorgesteckt haben.
Zum Schluss möchte ich nun nicht unterlassen, auch auf einige noch offene
Fragen hinzuweisen, die sich an meine Hypothese vom Ursprünge des Aegypter-
Volkes knüpfen und die eine schwache Seite derselben darzubieten scheinen.
Diese Fragen betreffen zunächst einige Widersprüche, die sich in den Gräbern
der neolithischen Epoche der ersten Pharaonenzeit, bezw. denjenigen offenbaren,
die derselben vorausgegangen sind. In den frühesten Königs-Gräbem, ich wieder-
hole es, finden sich Kiesel -Artefakte zu Hunderten angehäuft und in jenen
der Privatpersonen machen sie einen der hauptsächlichsten Bestandtheile der
Todten- Beigaben aus. Nun aber fehlen Kiesel, nach Allem, was von diesem
Landstriche bekannt geworden ist, in den Wüsten des Etbai und in Nubien, wo
nur krystallinische Massengesteine und entweder krystallinische oder klastische
Sediment-Gesteine, namentlich Sandsteine, zu Tage treten, die keine Kieselknollen
enthalten, die sich zur Herstellung von Messern, Lanzenspitzen und dergl. eignen.
Auch sind von Reisenden, die von den Plätzen des alten Minenbetriebes in diesen
(285)
Gegenden Kenntniss nahmen, namenüich von £. Floye^^) (Februar bi8 Mai 189i)
keine Riese] -Artefakte aufgelesen worden. Vielleicht werden künftige Reisende,
die darauf achten, im Etbai Steingeräthe und Waffen von anderem Steinmaterial, etwa
Beile, Hämmer, Keulen, Schleudersteine und dergl., gelegentlich noch ausfindig
machen.
Die eigentlichen Fundstellen Ton Kiesel und Feuerstein sind an die tertiären
und an die der oberen Kreide zugehörigen Kalk-Qebirge gebunden, die von Edfu an
das Nilthal nördlich vom 25 '^ n. Br. begrenzen, und in diesen Formationen überall
von weiter Verbreitung. Besonders ist es die Libysche Wüste, deren Ober-
fläche grösstentheils mit Kieseln aller Art bedeckt ist. Letztere sind zum Theil
Ueberbleibsel verschwundener Schichten der Miocänzeit, in die sie ursprünglich ein-
gebettet waren; andere gehören auch dort den Schichten der eocänen Nummuliten-
Formation, zum Theil der obersten Kreide an. Künstlich hergestellte Kieselsplitter
von oft erstaunlicher Länge finden sich, sobald man vom Nil landeinwärts in die
westliche Wüste vordringt, fast überall zerstreut und oft in solchen Mengen vor,
dass ihre Häufigkeit vor etwa dreissig Jahren und noch bis vor Kurzem als Haupt-
beweis gegen ihre künstliche, dem Menschen zugeschriebene Herstellung voi^ebracht
zu werden pflegte. Wenn man vom alten Theben die Höhen auf der Westseite er-
steigt, so findet man bereits dort den Boden mit solchen Kieselscherben bedeckt,
und an den vom Nilthal zur Grossen Oase führenden Wegen sind überall, selbst
mitten in der Wüste und über 100 km vom Nil entfernt, immer noch Stellen häufig,
wo sich ohne mühsames Suchen grosse Mengen dieser Artefakte auflesen lassen.
Noch reicher an solchen Fundstücken sind die Oasen selbst, nebst ihrer nächsten
Umgebung.
Der Silex ist hier gewöhnlich von der ledei^elben Färbung der ungebrannten
Terra di Siena. Mit und zwischen den Splittern finden sich als vollendete Stücke
hauptsächlich grosse Fäustel*) (coups de poing), die den paläolithischen von Europa,
denen von Ghelles z. B., und unzähligen Vorkommnissen des europäischen Nordens
an Gestalt und Grösse aufs Täuschendste gleichen und keinen Zweifel daran ge-
statten, dass diese Wüsten in der Urzeit bewohnt gewesen sein müssen.
In der östlichen Wüste Aegyptens dagegen, wo der Nummuliten-Kalk vorwaltet,
bieten die alten Kiesel- Werkstätten, die namentlich in der Region von Uadi Qineh,
Uadi Uarag und Uadi SsanOr, in einem Abstände von 50—60 Arm vom Nil, angetroffen
werden, Artefakte von ausgeprägt neolithischem Charakter dar. H. W. Seton-
Karr') will neuerdings in dieser Gegend auch einige Stücke von unzweifelhaft
paläolithischer Gestaltung aufgefunden haben. Immerhin stellt sich die Seltenheit
der letzteren in einen entschiedenen Gegensatz zu ihrer Menge in der libyschen
Wüste. Wenn man die grossen Schutt-Anhäufungen, das massige Gerolle und die
Nagelfluh-Bildungen auf dem Grunde der tiefen Thal-Einschnitte der östlichen Wüste
einer genauen Untersuchung unterziehen wollte, wozu an vielen Stellen Gelegenheit
geboten ist, da die periodischen Regenfluthen häufig ihre eigenen Gebilde zerstört
und die alten Ablagerungen von neuen durchsägt haben, dann würden sich höchst
wahrscheinlich auch in dieser Region zahlreichere Belegstücke aus der paläo-
1) E. Floyer, Etüde sur le Nord-Etbai, le Caire 1898.
2) Eine Anzahl derselben, an verschiedenen Localit&ten der westlichen Wfiste auf-
gelesen, habe ich nebst anderen Kiesel- Artefakten dem Kgl. Museum für Völkerkunde über-
geben.
8) Anthropological Institute, Mai 1897; vgl. auch Virchow, Ueber die vorhistorische
Zeit Aegyptens: VerhandL 1888, S. 858.
(286)
lithischen Periode ergeben. Vermöge ihrer differenzirten Bodenplaadk hat eben
die östliche Wüste weit erheblichere Umgestaltungen der Oberfläche erlitten, als
die flacher gestaltete and der tiefen Thal-Einschnitte gänzlich entbehrende west-
liche oder Libysche Wüstenseite. Hier liegt der gesammte, gleichsam windgesiebte
Inhalt an Widerstandsstücken, den die obersten Schichten ursprünglich enthielten.
Dank der äolischen Erosion, offen zu Tage und mit ihnen die Zeugen der ehe-
maligen Thätigkeit der ältesten Menschen-Oeschlechter. Wenn es sich um Zeiten
handelte, die nicht nach Tausenden, sondern eher nach Hunderttausenden Ton
Jahren zählen, dann hätte Flinders Petrie wohl Recht mit seiner Einwanderung
von Libyern; denn in der paläolithischen Periode, als das Abschmelzen der euro-
päischen Oletscher die heutigen Wüstenstriche von Nord-Africa mit reichlichen
Niederschlägen bedachte, war wahrscheinlich die ganze Region, die gegenwärtig,
dem Weltmeere gleich, so unüberwindliche Schranken im Westen von Aegypten
aufgerichtet hat, ?on Menschen bewohnt, die in zahllosen Rieselstücken von ihrem
Dasein Kunde hinterlassen haben. —
(29) Hr. O. Olshausen bespricht
eine ft*fkhrttmische Fibel mit der Aufschrift AVCIS8A aus Rheinhessen.
Hr. Dr. med. Karl Fliedner in Monsheim bei Worms übergab mir auf meine
Bitte die hier nach einer Zeichnung des Hrn. Dr. Karl Brunn er abgebildete, vor-
trefflich erhaltene bronzene römische Fibel mit Aufschrift, um eine Lesung der
letzteren zu bewirken. Der Fundort ist nicht genau bekannt; Hr. Fliedner kaufte
das Stück von einem Händler in Alzey, und meint darnach annehmen zu dürfen,
dass es aus der Provinz Rhein hessen und vermuthlich auch aus der Nähe von
Alzey stamme.
ÄXV^^^A^
Der breite Bügel erweitert sich am Kopfende zu einer rechteckigen Platte, die
durch je einen Einschnitt rechts und links in einen breiteren oberen und einen
schmäleren unteren Theil sich gliedert. Der erstere ist nach oben hin zu einer
Hülse umgelegt, in der ein Bronzedrabt steckt, um den als Axe sich die Nadel
dreht Auf dem unteren Plattentheil, der erhaben umrahmt ist, steht die (erhabene)
Aufschrift, quer zum Bügel und so, dass sie gelesen werden muss bei aufwärts
gerichtetem Fibelfuss. Dieser läuft in einen kleinen Zapfen aus, auf welchen, nach
anderen derartigen Oeräthen zu scbliessen, ein Knopf als Schlussstück geschoben
war, der jetzt verloren ist.
Von der geraden Nadel springt dicht unterhalb des Scharniers ein Dom nach
innen vor, welcher sich beim Hinabdrücken der Nadel gegen die Rückseite des
Fibelkopfes stemmt, eine weitere Bewegung in dieser Richtung hemmend und die
in sich federnde Nadel im Falz des Halses festlegend. Dieselbe Einrichtung an
einer der unserigen gleich geformten Fibel aus Mainz ist „Heidn. Vorzeit*^ 4, 46, 18
(287)
in etwas anderer Weise, als hier geschehen, abgebildet. Mit Recht hob Linden-
schmit hervor, dass dieselbe dem Höhepunkte der römischen Technik, nicht dem
Verfall entspreche, da sie bei grosser Einfachheit eine längere Haltbarkeit, als die
mit Federrolle rerbondene Nadel verbürge (Römische Fand -Gegenstände Yon
Windischgarsten, in Bericht 31 des Mus. Franc. Carol. za Linz a. D., 1873,
8. 16—17). Es wird auch der, besonders von Tischler betonte Nachtheil, den
ein Scharnier der Federrolle gegenüber in anderer Hinsicht bietet, durch dieselbe
sozusagen ausgeglichen. Eine ähnliche „Nadel-Hemmung oder -Sperrung'',
wie ich die Einrichtung zu nennen vorschlage, findet sich übrigens noch an schalen-
förmigen Fibeln der Wikinger.
Fibeln der geschilderten Gattung, mit oder ohne Aufschrift, setzt Tischler
in die Zeit des Kaisers Augustus. Er weist ihre sehr grosse Verbreitung, nach
Osten bis in den Raukasus, nach (in A. B. Meyer, Ourina, Dresden 1885, S. 29 — 30,
Taf. 6, Fig. 12) und fährt dabei auch ein Exemplar mit Aufschrift von Marzabotto
an (Gozzadini, Un' antica necropoli a Marzabotto nel Bolognese, Bologna 1865,
p. 31 und Taf. 17, 17). Gozzadini war geneigt, lAVGSSAl zu lesen, hielt aber
nicht fär ausgeschlossen, dass der erste und letzte Strich Theile einer erhabenen
Umrahmung des Plättchens seien, auf dem die Aufschrift steht (wie bei der Fibel
des Dr. Fliedner). Conestabile konnte (bei Gozzadini) die Inschrift eben-
falls nicht deuten, er hielt sie aber für etrurisch und gab sie als: AVGSSA ^
aurssa.
Die Fibel ist später noch wiederholt abgebildet worden; so von Monte! ius
in Spännen fran bronsäldem (Antiqvarisk Tidskrift for Sverige 6, 187, Fig. 190)
und in seinem grossen Werke: La civilisation primitive en Italic 1, Stockholm 1895,
Serie A, PI. 13, 184 (Text p. III); ferner von Almgren, Studien über nord-
europäische Fibelformen, Stockholm 1897, S. 109, Fig. 242. Niemand aber scheint
die Aufschrift richtig gelesen zu haben; die Meinung, dass sie etrurisch sei,
war nicht ohne Einfluss auf die Datirung der Fibel. Tischler jedoch sogt a. a. 0.
bestimmt: ^Die Inschrift ist, wie die Fibel, römisch und [letztere] steht, wie einige
andere Fibeln, mit den älteren Denkmälern von Marzabotto in keinem Zusammen-
hange.*^ Er hält die ausserhalb Italiens gefundenen Exemplare dieser Gattung für
italisch-römische Exportstücke.
Im Corpus Inscriptionum Latinarum fehlt die Inschrift der Fibel von Marza-
botto noch, da Bd. 11, in den sie gehören würde, noch nicht bis zu den Geräth-
inschriften vorgeschritten ist. Aufklärung über die Inschrift aber ist uns durch
das hessische Stück geworden. Nach einer leichten Reinigung, die ich an dem-
selben vornahm, las Hr. Prof Emil Hübner ohne Schwierigkeit: AVCISSA »
aucissa. Vor dem ersten A ist ein horizontal liegendes Ornament oder ein Beginn-
zeichen sichtbar, hinter dem letzten A ein vertical verlaufendes Gestrichele, von
dem sich nicht sagen iässt, ob es Buchstaben, Ornament oder Schlusszeichen dar-
stellen soll, oder vielleicht nur von einem Gussfehlor herrührt
Aucissa ist ein keltischer Mannesname, zu dessen Vorkommen auf anderen
Gegenständen mir Hr. Hübner auch gleich die folgenden Nachweise lieferte.
Nach Alfred Holder, Alt-celtischer Sprachschatz, 2. Lieferung, Leipzig 1892, findet
sich der Name auf einer Fibel aus Neapel (Corp. Inscr. Lat. X, 8072, 22) und auf
einer anderen im Musee de St. Germain en Laye, endlich [vielleicht] mit hinzu-
gefügtem F(ecit) [das F scheint nicht recht gelungen zu sein] auf einer dritten
Fibel in Trier (Westdeuteche Zeitschrift für Geschichte und Kunst, 3, Trier 1884
S. 186). Auch an einem nicht näher bezeichneten Geräth des naturhistor. Mus. in
(288)
Wien, von Siszeg (dem alten Siscia oder Segestika), am Zusammenfluss von Kulpa
und Sau, liest man den Namen (Corp. I. L. III, Supplement, Nr. 12031, 18).
Eine Musterung des Bestandes der Fibeln im Rönigl. Museum f. Völkerkunde,
Berlin, ergab des weiteren folgende gleichartige und mit derselben Inschrift ver-
sehene Fibeln:
1. unter den von Dr. Grempler aus dem Raukasus mitgebrachten Stücken
ein fast ganz dem Fliedner'schen gleiches, Illd, 64. Man liest an der-
selben Stelle AVC..S.; das A hat aber hier einen Querbalken und der
Bügel der Fibel ist ein wenig schmäler.
2. aus Schliemann's siebenter, d. h. der obersten Stadt zu Hissarlik
(jetzt als 9. Schicht bezeichnet), Nr. 8448 der Schliemann-Sammlung.
Von der Aufschrift ist noch sicher zu lesen: AVC, und weniger deutlich
SS. Der Theil der Ropfplatte, auf welchem das Wort steht, ist erheblich
breiter, als an Dr. Fliedner's Exemplar.
Es kann nun wohl kein Zweifel bestehen, dass auch auf der Fibel von Marza-
botto zu lesen ist: aucissa. Die senkrechten Striche vor und hinter diesem Worte
sind entweder wirklich nur Theile der Umrahmung der Inschrift, oder es handelt
sich um Beginn- und Schlusszeichen. Die eigentliche Schwierigkeit der Lesung
aber entstand dadurch, dass die Buchstaben C und I so nahe aneinandei^gerückt
sind, dass sie zu Q verschmolzen, womit man nichts Rechtes anzufangen wusste.
Genau dasselbe ist aber auch bei der Fli edn er ^ sehen Fibel der Fall, wo noch
dazu das I auffallend zart ausgeführt und leicht zu übersehen ist^). —
Die häuAge Wiederkehr des Namens aucissa lässt wohl darauf schliessen, dass
man es hier mit dem Namen des Fabrikanten, nicht der Träger der Fibeln zu
thun hat. Die Form der im C. I. L. veröffentlichten Fibeln kenne ich nicht; die
der anderen 4 von Rheinhessen, Marzabotto, Hissarlik und dem Raukasus ist stets
die gleiche. Aus derselben Gussform aber können sie nicht hervorgegangen sein,
wie die kleinen, z. Th. schon erwähnten Unterschiede in Inschrift, Ornament,
Bügelbreite u. s. w. beweisen. Fibeln desselben Typus, aber ohne Inschrift, finden
sich im R. Mus. f. Völkerkunde noch mehrfach, so Nr. 8447 der Schliemann-
Sammlung und II 9544, angeblich von Corfu. Bei der von Almgren S. 2?li zu
Fig. 242 aufgeführten Fibel II 1610 von Rahrstedt, Rr. Salzwedel, ist der Bügel-
rand beiderseits mit kleinen Rnöpfchen oder Sprossen besetzt
Im Hinblick auf die aus der Stellung der Aufschrift sich ergebende Lage der
Fibel beim Gebrauch mögen hier noch angefügt werden einige
Bemerkungen über die Art, wie die Fibeln zu römischer Zeit getragen
wurden.
L. Lindenschmit, Vater, giebt an, dass in germanischen Gräbern dos
5. bis 8. Jahrb. die Fibeln sich an den I^eichen in derselben Lage finden, in
1) Aus dem inzwischen (am 12. Juli) bei der Bibliothek der antbrop. Ges. eingegangenen
Korrespondenz-Blatt der Westdeutschen Zeitschrift f&r Juni und Juli lt<97, Spalte 136 u. 137,
ersehe ich, dass Ur. A. Riese die InschriJft von Marzabotto ebenfalls als aucissa liest.
Uebrigens ist uns beiden, wie Hr. Prof. Riese mir nachweist, schon K. Schumacher lu-
vorgekommen im Korresp.-Blatt d. Westd. Zeitschr. 18d5, Sp. 25ft Hier findet sich ferner
citirt: Olympia, Bd. 4, Berlin 1890, 8. 183, Note 1. Furtwftngler liest dort die Maria-
botto-Aufschrift „augissa** und ebenso die auf einem vorzuglich erhaltenen Exemplar des
Berliner Kgl. Antiquariums (Friederichs, Kleine Kunst, Nr. 263), welches das I völlig ge-
trennt von dem vorhergehenden Buchstaben zeigt. Der letztere ist meiner Wahrnehmung nach
so: C| geformt. — Eine andere gleichartige Fibel des Kgl. Antiquariums hat nur A (= A?)
und zwischen den Schenkeln desselben eine tannenzweigartige Verzierung. —
(289)
welcher nach allgemeinem Gebrauch diese Geräthe abgebildet zu werden pflegen,
nehmlich (wenn man von der Horizontalstell ong absieht) mit dem Kopf, an dessen
Rttckseitc die Federrolle oder das Scharnier angebracht ist, oben, und mit dem
Fuss, dessen Nadelhalter die Nadelspitze aufnimmt, unten (Handbuch d. deutsch.
Alterthumsk., Theil 1, Braunschweig 1880—89, S. 427). Für die römische
Kaiserzeit dagegen machte Lindenschmit den Gebrauch der Fibel in um-
gekehrter Stellung, mit dem Fuss und der Nadelspitze nach oben, wahr-
scheinlich, wobei er sich auf die in Elfenbein geschnitzten Darstellungen des
Diptychon consulare zu Halberstadt aus dem Ende des 4. Jahrh. und auf Stein-
reliefs im Museum zu Graz und im Bayrischen Nationalmuseum zu München
stützte [Augustin, Das Dipt. cons. z. H., in Förstemann's Neuen Mittheilungen
d. thüring.- Sachs. Alterth. -Vereins 7,2 (1844) S. 60 ff. mit 2 Tafeln. Linden-
schmit, Alterth. zu Sigmaringen, Mainz 1860, S. 53, Fig. 35 u. 36; Alterth. uns.
heidn. Vorzeit 2 (1870), Heft 12, Text zu Taf. 3; Handbuch, S. 425—27]. Diese
Auffassung ist jetzt wohl ziemlich die allgemeine; namentlich wies Tischler auf
Gräberfunde Norddcutschlands hin, welche dieselbe bestätigten, und suchte diese
Stellung der Fibel als die einzig naturgemässe aus der leichteren Handhabung des
Geräths bei aufwärtsgerichteter Nadelspitze zu erklären [Schriften der phys.-ökon.
Ges. Königsberg 19 (1878)' S. 224—27, und in Meyer, Gurina, S. 15. Vgl. Anger
in VerhdI. d. Berliner anthrop. Ges. 1880, 380, Nr. 3 und 5].
Hier sei auch noch auf Steinskulpturen Ungarns hingewiesen, welche an jeder
Schulter der dargestellten Personen eine jener grossen „^Itlgelübeln^, den mäch-
tigen Fuss aufwärts gerichtet, zeigen, die im 1. und 2. Jahrh. zum charakteristischen
Inventar Pannoniens und Noricums gehörten [Hampel in Ungarische Revue,
1881, 147—63, mit Abbildungen, nach Archaeologiai Ertesitö 1880; Tischler in
Gurina S. 25—27, Nr. 13]. - Die Fibelgattung siehe bei Fl. Rom er, Illustrirter
Führer im ungar. Nationalmuseum, 2. Ausgabe, Budapest 1873, S. 32, Fig. 173
und bei H. Hildebrand, Bidrag tili spännets historia, Fig. 117, in Antiqvarisk
Tidskrifl för Sverige 4 (1872—80)]; Almgren Nr. 238.
Wenngleich nun die Stellung der Aufschrift an der Alzeyer Fibel einen neuen
Beweis für den erörterten Gebrauch liefert, so war dieser doch, auch in der
römischen Raiserzeit, kein ausschliesslicher. Auf dem Grabstein des SchifTers
Blussus (von Weisen au bei Mainz), aus dem 3. bis 4. Jahrh., ist das Gewand
der Frau an der rechten Schulter durch eine Fibel zusammengehalten, deren Fuss
und mithin auch Nadelspitze unten liegt (Heidn. Vorzeit 3, 9, 3, und die Form
der Fibel im Text als Figur d deutlich gemacht). Die Stellung der Fibel ist durch
die Abbildung richtig wiedergegeben, wie mir Hr. L. Lindenschmit, Sohn, gütigst
nochmals bestätigte. Aber auch ohne solche antike Darstellungen lässt sich in
einzelnen Fällen die Lage der Nadel, als mit der Spitze nach unten gerichtet, nach-
weisen. Lindenschmit hat hervorgehoben, dass für gewisse Fibeln, der de-
coratiyen Gestaltung ihres Bügels nach, ein Zweifel über die Art ihrer Befestigung
nicht wohl bestehen könne; so müssten Fibeln in Form von Thieren, um diese
Darstellung erkennbar zu zeigen, horizontal befestigt werden (Heidn. Vorzeit 2, 12,
Text zu Taf. 3, und 2, 7, 4). Ebenso aber haben wir Fibeln, bei denen die ver-
ticale Anbringung als das Natürlichste erscheint, z. B. Heidn. Vorzeit 4, 9, Fig. 9
und 11, beide in Gestalt eines P, letzteres mit L kombinirt, und Fig. 8, ein Krag
mit Fuss und langem Halse. Was hier „oben^ war, ist aber auch klar; es fragt
sich also nur noch, wo die Nadelspitze auf der Rückseite lag.
Bei dem Rruge Fig. 8, in Bonn, ist nun zwar, nach gef. Auskunft des Herrn
Prof. Klein, die Nadel am Fusse des Kruges eingehängt, ihre Spitze nach oben
VerbftndU der Borl. Anthropol. Oe««llMhAft 1897. 19
(290)
gerichtet; da^^a besitzt das Museum in Mainz, wie Herr Oonservator Linden-
scbmit mir schreibt, ein (^nz gleich geformtes Stück, dessen Nadelspitze unten
li^, nnd bei jenen beiden P-Fibeln ist es ebenso. Die Fibel Fig. 9, in Mainz,
hat, wie schon die Abbildung erkeunen lässt, am Kopf des P eine SpiralroHe ge-
habt; der Nadelhalter am Fuss ist, nach Angabe des Herrn L., nicht TollstSndig
nnd war zweimal gelocht (wie Übrigens auch der Nadelhalter am Kmge Fig. 8
gelocht ist). Die Fibel Fig. 11, in Karlsruhe, trug laut gef. MJttheilung des Hm.
Geh. Batbs E. Wagner am Kopfende ein Scharnier; die Nadelspitze lag wiederum
am Fuss.
Diese Fälle genügen, um zu zeigen, dass der Gebrauch in römischer Kaiserzeit
ein schwankender war. Immerhin mag in der Mehrzahl der Fälle die Nadel mit
ihrer Spitze nach oben gerichtet gewesen sein. —
(30) Hr. Semrau, Bibliothekar des Goppemicas- Vereins ftir Wissenschaft
und Kunst, übersendet ans Thorn, 15. Jnni, folgende Beschreibung und Photo-
graphie TOD dem
Bronze-Depot-Fnnde von Czernowitz.
Der Bronze-Depot-Fund von Czernowitz, Kreis Thorn, linkes Weichsel- Ufer,
enthielt 2 Armbänder (Pig. 1 und 2) nnd 2 Handbergen (Fig. 3 und 4). Dieselben
wurden im April 1897 auf der Feldmark des Hm. BJItergutsbesitzera Modrzejewski
zu Czernowitz beim Pflügen gefanden. Die Fundstelle liegt in der Nähe der alten
Fig. 1. Fig. 3.
Fig. 1—4 in •/, der nstürl. Grösse.
(291)
Strasse, welche sich auf der Weichselhöhe hinzieht. Die betreffenden Gegenstände
wurden dem Coppernicus- Verein für das Städtische Museum übei^eben.
Es liegt nahe, den Depot-Fund von Gzernowitz mit dem Depot-Funde von dem
jenseit der Grenze in Russisch-Polen gelegenen Ku^.nice zu vergleichen, von dem
ein Thcil im Provincial-Museum zu Danzig deponirt, ein anderer in den Besitz
des hiesigen Städtischen Museums gelangt ist. Der Fund von Gzernowitz zeigt
grösseren Reichthum in der Ornamentirung. Das mit Fig. 1 bezeichnete Armband
hat ein Gewicht von 387 q. Die beiden Armbänder unterscheiden sich von einander
durch die Anordnung der Ornamentirung. Beim ersten Armband (Fig. 1) ist die
Aussenfläche durch 4 Bündel verticaler Striche in 5 Felder, beim zweiten Armband
{Fig. 2) durch 5 Bündel verticaler Striche in 6 Felder getheilt. — Die mit Fig. 4
bezeichnete Handberge hat ein Gewicht von 131 g. Die Handberge Fig. 3 ist
nach rechts, die Handberge Fig. 4 nach links gewunden. Besonders schön ist die
Ornamentirung des Bügels. Auf demselben treten von der Mittelrippe nach dem
Rande verlaufende schräge Striche so zusammen, dass sie einen Rhombus ein-
schliessen. — Verglichen mit dem Funde von Rus^nice, bezeichnet der Fund von
Gzernowitz eine weitere Etappc der Strasse, auf welcher die Bronzen in unsere
Provinz importirt wurden. —
(31) Hr. Dr. A. Haas hat aus Stettin, 21. November 1896, folgende Abhandlung
übersendet:
Das Dorf Lietzow anf Rügen
und seine yorgeschichtliche Feuerstein -Werkstätte.
An der Südwestecke der Halbinsel Jasmund, da wo der Grosse und der Kleine
JasmuDder Bodden an einander grenzen, liegt das kleine Fischerdorf Lietzow. Die
Lage des Dörfchens ist höchst anmuthig und malerisch: auf drei Seiten ist es von
den Fluthen der beiden Bodden umspült, und an der vierten Seite erhebt sich un-
mittelbar hinter den Häusern des Dorfes ein bis zu 20 m ansteigender Höhenzug,
auf dessen Südrande in den Jahren 1890—91 eine burgartige Villa mit Wartthurm
errichtet worden ist.
Von der Höhe dieses Bergrückens, welcher der Sage nach von einem Riesen-
fräulein aufgeschüttet worden ist*), hat man eine weite und umfassende Fernsicht:
nach Süden und Südwesten zu hat man die beiden Bodden und die jenseitigen,
bewaldeten Ufer vor sich; nach Westen zu reicht der Blick bis zu den Banzel-
witzer Bergen und dem Liddower Haken; im Osten schimmern aus weiter Feme
die blauen Wogen der Prorer Wiek herüber; nur nach Norden zu ist der Wald
der Semper Heide vorgelagert. Einen ganz ausserordentlichen und stets unver-
gesslichen Eindruck aber erhält derjenige, welcher Gelegenheit hat, von der Höhe
der Lietzower Berge aus bei klarem Wetter den Sonnenuntergang zu beobachten.
Die hinter der Insel Hiddensoe niedertauchende Sonne verbreitet alsdann eine
solche Fülle von Licht und Glanz über die zu den Füssen des Beschauers aus-
gebreitete Wasserfläche, dass man, auch ohne ein besonderer Naturschwärmer zu
sein, von der Erhabenheit und Grossartigkeit dieser Scenerie unwillkürlich er-
griffen wird.
Das Dorf Lietzow ist, wie der Name bezeugt, bereits in slavischer Zeit, also
vor dem 13. Jahrhundert, amgelegt worden. Das Wort Lietzow, slavisch lisovo, ist
abzuleiten von dem Stammworte lis d. i. Fuchs; Lietzow bedeutet also so viel wie
1) Vgl. Haas: Rügensche Sagen und Härchen, 2. Aufl., Nr. 68.
19 •
L
(292)
^Fuchsort^. Demnach scheint es zur Zeit der Gründung des Ortes zahlreiche
Fachsbanten in den benachbarten Bergen gegeben zu haben.
Von der Geschichte des Dorfes ist ans älterer 2^it so gut wie nichts bekannt
Als wichtig ist hervorzaheben, dass es aasser dem Dorfe Lietzow auch einen
Gutshof gleichen Namens gegeben hat, welcher zwischen der Fähre und dem
Dorfe Semper, dem letzteren ziemlich nahe, gelegen hat. Dieses Gehöft Lietzow
wird bereits in der Hoeskilder Matrikel vom Jahre 1318 angeführt; es hiess damals
Litzowe und zahlte acht Scheffel Bischofsroggen. Ausserdem war im 14. Jahr-
hundert in Lietzow eine Elemosine fundirt, welche anfangs 20 und seit der Mitte
des Jahrhunderts 28 Mnrk jährlicher Rente eintrug. Inhaber dieser geistlichen
Stiftung war um 1350 Johannes Litzow, welcher die Einkünfte von 20 auf 28 Mark
de suo, d. i. aus seinem Besitzthum erhöhte. Sein Nachfolger war Borchard Swin.
Die Patrone der Stiftung waren um das Jahr 13^0 Yike Rrakevitz, Sum der Aeltere
(der auf Jasmund wohnte) und Hermann von Jasmund. — Hiernach scheint eSy
als ob das Gehöft Lietzow im 14. Jahrhundert von einer gleichnamigen Familie
bewohnt war, von welcher ein Mitglied, der vorgenannte Johannes, den geistlichen
Stand ergriffen hatte. Weitere Nachrichten tiber diese Familie fehlen gänzlich, und
es ist daher nicht unmöglich, dass sie mit diesem Johannes Litzow ausgestorben ist
Im folgenden Jahrhundert befand sich der Gutshof Lietzow im Besitze der
Familie von Jasmund auf Vorwerk, und nach dieser besassen ihn die Herren von
der Lanken auf Borchtitz, bis er endlich im vorigen Jahrhundert einging. Auf der
Mayerschen Karte vom Jahre 17G3 ist dus Gehöft noch verzeichnet
Inzwischen bestand das am Strande gelegene Dorf Lietzow in alter Weise
weiter. Dass es zu dem Gutshofe in Abhängigkeitsverhältniss gestanden hat, ist
wohl als selbstverständlich anzunehmen; doch fehlt es an bestimmteren Nachrichten
hierüber. Im Anfange des 17. Jahrhunderts war das Dorf Lietzow im Besitze der
Herren von Jasmund auf Spyker, und als die Herrschaft Spyker um die Mitte dea
17. Jahrhunderts in den Besitz des Feldmarschalls Grafen Karl Gustav Wrangel
tiberging, hatte auch Lietzow dasselbe Schicksal zu erleiden. Als aber die Spykerschen
Güter im Jahre 1816 von dem Fürsten zu Putbus angekauft wurden, hatte Lietzow
auch diesen Wechsel des Grundherrn mitzumachen.
So traten zwar in den äusseren Besitzverhältnissen manche Veränderungen ein ;
die inneren Zustände des Dorfes aber blieben Jahrhunderte lang dieselben, nament-
lich in Bezug auf die Austlbung der uralten Fähi^erechtigkeit Denn Lietzow ist
seit den ältesten Zeiten ein Fährdorf gewesen.
Schon im Wendisch -Rügianischen Landgebrauch (Tit. XIV ed. Gadebnsch)
wird die Lietzower Fähre als die „Jassmundesche Vehre^ erwähnt und unter die
Zahl der ^gemeinen Fähren^ im Gegensatze zu den kleinen oder Dorf-Fähren ge-
rechnet Trotzdem hat die Lietzower Fähre bis in die neueste Zeit hinein nur für
den localen Verkehr der näheren Umgebung Bedeutung gehabt Von den drei
grossen Landstrassen, welche die Insel Rügen seit dem 1 2. Jahrhundert von einend
Ende bis zum anderen durchquerten, wurde diese Fähre nicht berührt; der Ver-
kehr von der Halbinsel Jasmund nach dem Haupttheile Rügens ging früher aus-
schliesslich über die schmale Haide.
Die Fähr -Einrichtung in Lietzow war daher von jeher recht einfach und
primitiv. Vornan im Dorfe, da wo die jetzige Chaussee die grosse Biegung'
macht, lag ziemlich isolirt das Fährhaus, in welchem auch eine Krugwirthscbait
betrieben wurde. Dieses Fährhaus war ein altes, behäbig aussehendes, roth an-
gestrichenes Gebäude mit hohem Giebel und tief herabreichendem Strohdach; die
(293)
Stoben waren sehr niedrig and die Fenster klein und dürftig. Der letzte Rmgwirtb
hiess Speer.
Auf der Lietzow gegenüber liegenden, rügenschen Seite war weit und breit
nicht Haus noch Mensch zu sehen. Eine kümmerliche, aas Holz and Strauchwerk
errichtete, offene Halle bot den auf das Fährboot Wartenden nur ungenügenden
Schutz gegen Wind und Wetter. Vor ungefähr hundert Jahren war hier allerdings
auch ein Haus erbaut worden, wo die Heisenden zur Nachtzeit und bei übler
Witterung eintreten konnten. Dieses Haus stand aber nur wenige Jahre, da wurde
es vom Blitze angezündet und brannte nieder, worauf es nicht wieder aufgebaut
wurde. Nach mündlicher Mittheilung soll der Bfitz dieses Haus sogar dreimal
hintereinander in kurzer Zeitfolge getroffen und angezündet haben. Einige wilde
Obstbäume bezeichneten noch eine Zeit lang die Stelle, wo das Haus gestanden
hatte. Besonders schlimm war es für die Reisenden, wenn sie nach eingetretener
Dunkelheit oder zur Nachtzeit von der rügenschen Seite übergeholt werden wollten.
Dann galt es, aus Laub und Reisig ein Feuerchen anzumachen, um sich dem
gegenüber wohnenden Fährmann bemerkbar zu machen. War dann endlich nach
langem Warten das Fährboot angekommen, so begann die mühselige Arbeit des
Verladens. Wer zu Wagen kam, war dieser Mtihe allerdings überhoben, denn
Fuhrwerke konnten ohne grosse Schwierigkeit die Meerenge auf einer Fuhrt
passiren, indem sie hinter dem die Richtung angebenden Fährboote herfuhren.
Bei hohem Wasserstande konnte es jedoch vorkommen, dass man nicht nur die
Fttsse in die Höhe ziehen, sondern sich auch vollständig auf das Obergestell des
Wagens zurückziehen musste. Die Fuhrt bestand aus ^iner schmalen und noch
dazu krummen Bahn, welche zwar überall seichten und festen Boden, aber auch
zu beiden Seiten beträchtliche Tiefen hatte. Es war daher nicht ungefährlich, die
üeberfahrt ohne Fährmann zu unternehmen; leider geschah es doch sehr oft, und
die Folge davon waren zahlreiche Unglücksfalle. Ein solcher Unfall ereignete sich
im Anfange der sechziger Jahre. Ein Sattler Krämer aus Sagard, welcher die
Fähre mit seiner Frau und drei Kindern passirte, hatte das Unglück, bei der
Üeberfahrt seine Frau und zwei Kinder vor seinen Augen ertrinken ^u sehen,
während er sich selbst mit einem Rinde retten konnte. Bald darauf passirte es
der Frau Baronin v. Barnekow auf Ralswiek, welche die Fähre zu Wagen durch-
fahren wollte, dass die etwas erregte See die Verbindung zwischen Vorder- und
Hinterwagen heraushob, worauf die Pferde mit dem Vorderwagen und dem Kutscher
weiterfuhren, während sie selbst im Hinterwagen zurückblieb. Von diesem Zeit-
punkte ab wurde die Fähre für Fuhrwerke geschlossen, und so blieb es mehrere
Jahre lang. Da wurde in den Jahren 1868 — 1869 die Chaussee ßergen-Sngard ge-
baut und gleichzeitig der grosse, 108 Fuss breite Damm') bei Lietzower Fähre
durchgeschüttet, wozu die von der Riesin aufgeschütteten Sandberge ein er-
wünschtes Material lieferten.
Der Verkehr zwischen Jasmund und dem Haupttheile der Insel Rügen fand
nun einen äusserst bequemen Weg und wurde durch den von Jahr zu Jahr
1) Die Krone dos Dammes hat eine Breite von 23 Foss; die Böschung nach dem
kleinen Jmsmunder Bodden zu ist 82 Fuss, die Böschung nach dem grossen Jasmunder
Bodden £n 48 Fuss breit Was die Höhe betrifft, so yrurde der Damm auf Anratheu des
Baumeisters Meinhoff um zwei Fuss höher aufgefnhrt, als der höchste bis dahin beob-
achtete Wasserstand gewesen war. In Folge dieser Vorsicht blieb der Damm bei der
Sturmfluth vom 18. November 1872 unbeschädigt. Das Eisenbahn-Geleise ist auf die Innen-
Böschnng des Dammes gelegt worden, ohne dass eine Verbreiterung des aufgeschütteten
Terrains nöthig gewesen wäre.
L„
(294)
wachsenden Zuzug von Fremden in angeahnter Weise erhöht Iiietzow wurde eine
beliebte Reisestation, und Binheimische wie Fremde sprachen gern in dem freund-
lichen Dorfe, sei es bei dem alten Krugwirthe Speer, sei es bei dem unmittelbar
neben dem Fährhause neuerbauten Gasthause von Rogge vor, um eine Erfrischung
einzunehmen.
Alle diese Veränderungen aber wurden bei Weitem übertroffen, als im Sommer
1891 die neue Bahnstrecke Beigen-Sassnitz eröffnet wurde. Seitdem hat das ehe-
malige Fischer- und Fährdorf ein völlig verändertes Aussehen bekommen. Das
alte Fährhaus und das Rogge'sche (Gasthaus mussten der Bahn zum Opfer fallen;
dafür aber entstanden im Orte, namentlich nach der Chaussee zu, zahlreiche, statt-
liche Neubauten, unter ihnen die schon erwähnte Bopp*sche Villa auf der Höhe
des Beiges. Sodann aber bildet Lietzow seit der Eröffnung der Eisenbahn das Ziel
zahlreicher Vergnügungsfahrten, welche die Bewohner von Bergen, Stralsund und
Wittow und die Badegäste von Sassnitz während der Sommermonate dorthin unter-
nehmen.
Soviel von der geschichtlichen Entwickelung des Dorfes. Fttr die Alterthums-
kunde hat Lietzow jedoch noch eine besondere und zwar ganz hervorragende Be-
deutung. Das ganze Terrain nehmlich, auf welchem die Häuser des Dorfes stehen,
sowie die nächste Umgebung des Dorfes und insbesondere der Strand von der
Bade-Anstalt im Nordwesten bis zu den Häusern auf dem spitzen Ort im Süd-
westen, hat sich als eine gewaltig grosse, vorgeschichtliche Feuerstein -Werkstätte
erwiesen.
Lietzow ist in dieser Beziehung schon seit längerer Zeit bekannt gewesen.
Die erste Entdeckung machte Hr. v. Hagen ow im Jahre 1827. Im dritten Jahres-
bericht der Gesellschaft für Pomm. Gesch. und Alterthumsk. (Neue Pomm. Provinzial-
Blätter, III, S. 32df.) schreibt er hierüber Folgendes: „Der mich begleitende Hr.
Candidat Röhne war eben beschäftigt, auf einer sandigen Anhöhe in der Gegend
des Dorfes Semper^) den Messtisch aufzustellen, als er mehrere Bruchstücke von
den schon öfters erwähnten, aus Feuersteinen prismatisch geschlagenen Messern
auf dem Sande liegend erblickte. Bald hatte er eine Hand voll davon gesammelt
und rief mich dann heran, um dem merkwürdigen Funde weiter nachzusuchen. In
zwei Stunden hatten wir über 200 Stück dieser Messer, theils unversehrt, theils
zerbrochen, gefunden, nebst wenigstens 20 Stück Streitäxten und vielen grösseren
und kleineren Bruchstücken von geraden und sichelförmig gekrümmten Opfer-
messem. Besonders merkwürdig erscheint mir der Fund deshalb, dass kein einziges
von allen diesen Stücken ganz vollendet war. Die Streitäxte und Opfermesser sind
alle nur ganz roh geformt, so dass an einigen Stücken nur eben erst zu ersehen
ist, wozu man sie formen wollte. Alle sind mehr oder minder fehlerhaft, ent-
weder beim Formen verunglückt oder wegen spröder und löcheriger Stellen im
Steine nicht gerathen. Ausser diesen Stücken, deren Zweck aus der Gestalt er-
kennbar, lagen Feuerstein-Splitter in unendlicher Menge über die ganze Anhöhe
zerstreut; bei allen war es unverkennbar zu sehen, dass sie mit Fleiss von einer
grösseren Masse regelmässig abgeschlagen waren, um aus diesen oder aus der
Masse das Eine oder Andere zu bilden. Alle diese Splitter sind länglich und an
1) Wamm t. Hagenow dieses Dorf und nicht das näher gelegene Lietiow neuit, ist
nicht recht klar; vielleicht wurde er dazu bewogen, weil das unmittelbar nördlich dann
stossende Wald -Terrain „Semper Heide*" heisst. Jedenfalls ist nicht daran su sweifeln,
da9s die von ihm anfgefandenc WerkstStto mit der am uördiichen Ausgange von Liettow
gelegenen, später auch von anderen Forscliom untersuchten Wcrkst&tte identisch ist.
(295)
dem Ende, woraaf der Schlag geschah, um sie abzusprengen, fast alle ohne Aus-
nahme dreieckig. Der Schlag selbst ist an allen Stücken unyerkennbar bemerkUch,
indem auf der Stelle durch das aufschlagende Werkzeug ein aus feinen excen-
trischen Strahlen bestehender Punkt oder so zu sagen* eine Blume entstanden ist,
derjenigen im Kleinen vergleichbar, die man durch den Stoss mit einem Stocke
auf eine EUsfläche in derselben henrorbringi Es fand sich ferner eine Anzahl von
den grösseren Steinstücken, yon welchen man die verschiedenen Gegenstände, be-
sonders die prismatischen Messer, abgesprengt hatte. Die Oestalt dieser Messer
gab mir schon längst die Ueberzeagung, dass die Flächen derselben nicht ge-
schliffen, sondern dass sie auf ganz gleiche Weise und ebenso — durch drei bis
vier aufeinander folgende Schläge auf die Steinmasse — gebildet sind, wie man
noch jetzt die Gewehrsteine schlägt. Diese gefandenen Steinklumpen liefern nun
aber den sichersten, unumstösslichsten Beweis hierfür. Es scheint mir demnach
aus dem ganzen Funde mit der grössten Wahrscheinlichkeit hervorzugehen, dass
hier eine Fabrikstelle für Waffen und Geräthe aus Feuerstein war und dass man
diese aus freier Hand formte. Die aulgefundenen Gegenstände . . . zähle ich deshalb
zu den merkwürdigeren und seltneren Gegenständen, als man, soviel mir bekannt
geworden, nie einen ähnlichen Fund machte.^
Der V. Hagenow'sche Bericht erregte seiner Zeit viel Aufsehen, und in der
That war sein Fund auch von um so grösserer Wichtigkeit, als hier zum ersten
Male eine vorgeschichtliche Werkstätte von Feuerstein-Geräthschaften aufgedeckt
wurde. Inzwischen sind freilich auch andere Werkstätten auf Bügen bekannt ge-
worden, und zwar solche von grösserem Umfange auf den Banzelwitzer Bergen
und bei Gramtitz auf Wittow, Werkstätten von kleinerem Umfange bei Gross-
Zicker auf Mönchgut, auf den Uferbergen von Wampen Stralsund gegenüber, auf
dem nördlichen Theil von Hiddensoe, auf Wittow zu Dranske, Schwarbe und Fut-
garten, auf der Schaabe in der Nähe von Drewoldtke, zu Bisdamitz westlich von
Lohme, in Grampas im Garten des dortigen Victoria-Hotels, zu Tiefengrund beim
Hülsenkrug, zu Camitz und endlich zu Tribbevitz.
Die Lietzower Werkstätte ist nach Hm. v. Hagenow noch mehrfach ab-
gesucht und ausgebeutet worden, so z. B. in den vierziger und fünfziger Jahren
dieses Jahrhunderts von Hm. Staatsanwalt Bosenberg. Dieser hat, da das
Terrain damals noch wenig abgesucht war, in Lietzow zahlreiche Alterthümer ge-
funden, und im Besonderen hat er bereits auf die grosse Ausdehnung der Werk-
stätte hingewiesen. Später ist die ansehnliche Rosen berg^sche Sammlung rügenscher
Stein-Alterthümer in den Besitz des Germanischen Museums in Nümberg über-
gegangen und damit für uns der Möglichkeit entrückt, den betreffenden Theil der
Sammlung hier zu berücksichtigen.
Sodann hat Hr. R. Virchow die Lietzower Werkstätte im Jahre 1867 be-
sucht Wie es damals an der Stelle aussah, beschreibt er (Verhandl. 1871, S. 6£)
mit folgenden Worten: „Eine .... sehr ausgedehnte Feuerstein -Werkstätte, auf
welche Hr. Rreisgerichtsrath Rosenberg meine Aufmerksamkeit gelenkt hatte,
findet sich auf einer dünenartigen, durch den Wind zum grossen Theil entblössten
Höhe in der Nähe der Lietzower Fähre. Ich sammelte eine Reihe von Feuerstein-
Spähnen, an deren künstlicher Herstellung ich nicht zweifle. Namentlich sind
daranter sogenannte Nuclei. Man nennt so diejenigen, meist etwas dickeren Stücke,
von denen die Spähne oder Messer der Länge nach abgesprengt sind und welche
daher nach einer grösseren Zahl solcher Absprengungen polygone Säulen oder
Kegel darstellen. Vergleicht man die Seitenfläche dieser Nuclei mit den frei
herumliegenden Spähnen und berücksichtigt man ferner, dass unmittelbar in der
(296)
nächsten Nähe des Feuerstein-Feldes Ton mir in einer schwarzbraanen Erdschicht
zahlreiche ßrachstücke von groben Thongefössen, darunter einzelne sehr gut ver-
zierte, gefunden sind^), so kann man kaum im Zweifel darüber sein, dass hier in
der That eine Werkstätte bestanden hat. Neben schmalen, im Querbruche drei-
eckigen und fünfeckigen Spähnen, sogenannten Messern, liegen dort freilich zahl-
reiche andere Sachen, welche sich weniger gut bestimmen lassen. Ich möchte
namentlich auf gewisse weissliche Stücke Ton breiterer, blattförmiger Gestalt auf-
merksam machen, welche einen eigenthümliph ausgebrochenen, gezähnelten Rand
besitzen, so dass man glauben könnte, sie seien als Sägen benutzt worden. Indess
. spricht ihre Kleinheit und die Unregelmässigkeit ihrer Zähnelung gegen eine solche
Annahme." — Im Jahre 1886 besuchte Hr. Virchow die Stelle zum zweiten Male
und äusserte sich diesmal (Yerhandl. 1886, S. 618), wie folgt: „Obwohl 1867 schon
vierzig Jahre verflossen waren, seitdem v. Hagenow den Charakter des Platzes
öffentlich bekannt gegeben, und obwohl inzwischen viele Sammler die Stelle be-
sucht hatten, so war doch keine Schwierigkeit, in aller Schnelligkeit treffliche Be-
weisstücke zu gewinnen. Nun sind wieder fast 20 Jahre vergangen , und ich war
in der That überrascht zu sehen, dass noch immer neues Material auf dem Platze
ist. Der Wind sorgt dafür, dass bis dahin verdeckte Stücke zu Tage kommen.
Er bläst allerlei Yertiefiiogen auf, in deren Grunde die Sachen sich ansammeln.
Ich bemerke dabei, dass die neue Chaussee einen tiefen Einschnitt in den Beig
gemacht hat, und dass vorzugsweise an der westlichen Seite, zwischen Chaussee
und Jasmunder Bodden, die besten Fundstellen liegen. Von da habe ich eine ge-
wisse Anzahl jener grösseren, meist scheibenförmigen Scherben mitgebracht, die
noch keine weitere Bearbeitung zeigen, aber sicherlich von Menschen geschlagen
sind, — Abfall; darunter sind einige besser definirte Stücke." Ueber die in
Lietzow gefundenen Urnenscherben heisst es kurz vorher (S. 617), dass sich
darunter Repräsentanten aller Zeitalter finden: neben einem neolithischen und
einem aus der ersten Eisenzeit findet sich ein slavischer (mit Wellen -Ornament,
veigl. S. 614) und ein ganz spät mittelalterlicher Scherben.
Gleichzeitig mit der zuletzt angefahrten Mittheilung Virchow 's äussert sich
Hr. Dr. Baier (Di^ Insel Bügen nach ihrer archäol. Bedeutung, Stralsund 1886,
S. 31): ^Die von Hagenow bezeichnete Stelle, auf den Uferhöhen hart über dem
Grossen Jasmunder Bodden gelegen, unmittelbar links von der Chaussee, . . . .
zeichnet sich noch jetzt durch die Menge von Feuerstein-Splittern aus; wie viele
Augen aber sind nicht seit jenen Tagen dort auf der Suche gewesen! Da ist es
denn kein Wunder, wenn es heute kaum noch gelingen will, ein Stück von einem
unvollendeten oder in der Arbeit zerbrochenen, prismatischen Messer oder auch
nur ein Stück zu finden, welches sich durch seine Spaltfläche als Abfall bei Stein-
arbeiten ausweist.^
Die letztere Aeusserung Baier' s kann ich bestätigen. Auf der von v. Hagenow,
Rosenberg, Virchow und Baier bezeichneten Stelle findet man heut zu Tage
kaum noch ein einzelnes Splitterchen, welches des Mitnehmens werth wäre. Da-
gegen ist es mir im Laufe des veigangenen Sommers gelungen, eine andere Stelle
in Lietzow zu entdecken, wo die bearbeiteten Feuerstein- Werkzeuge in einer über-
1) An einer anderen Stelle (VerhandL 1870, S. 857) sagt Virchow, dass in der Nihe
der Werkstfitten an der Lietzower Fähre and auf den Banzelwitzer Bergen „Kohlenstellen
mit Umensoherben, auch Gräberreste* vorkämen. Die Gräberreste sind aber, soweit mir
bekannt ist, nur auf den Banzelwitzer Bergen gefunden worden. VergL VerhandL 1886,
S. 617,
(297)
raschenden und kaum gJanblichen Fülle heramlagen. Ein Zufall Hess mich die
Stelle auffinden.
Bei einem Spaziergange am Strande des Grossen Boddens, nordwestlich von
Lietzow, fand ich ein prismatisches Feuerstein-Messer, welches offenbar schon seit
langer Zeit an dieser Stelle gelegen haben musste. Denn die abgeschliffenen
Kanten Hessen darauf schliessen, dass das Stück dem Einflass der Wellen und des
Tom Winde über den Erdboden fortgefegten Sandes lange Zeit ausgesetzt gewesen
war. Ich suchte nun weiter und fand auch im Ganzen etwa 75 Stücke, welche
alle mehr oder weniger deutliche Spuren der Bearbeitung zeigten. Als ich diese
Stücke nachher im Dorfkruge sortirte, meinte der Wirth, welcher meiner Arbeit
zQsah, wenn ich mich für derartige Sachen interessirte, solle ich doch einmal nach
dem Steinhaufen neben dem Bahngeleise gehen; dort würden auch öft^r solche
Steine gefanden. Ich folgte diesem Rathe, suchte den Steinhaufen auf und fand
nun, was ich unter den jetzigen Verhältnissen allerdings nicht für möglich gehalten
hätte, eine solche FtÜle von bearbeiteten Feuerstein-Werkzeugen aller Art, dass
selbst meine kühnsten Hoffnungen und Erwartungen bei Weitem übertroffen wurden.
Ein Stück lag neben dem anderen, und ich brauchte mich nur zu bücken, um die
schönsten Sachen dutzendweise auflesen zu können. In einer knappen halben
Stunde hatte ich an 300 Stücke gesammelt, und ich wäre in Verlegenheit gerathen,
wie ich den ganzen Schatz fortschaffen sollte, wenn ich nicht zufällig Hülfe ge-
funden hätte. Natürlich fuhr ich gleich am nächsten Morgen mit dem ersten Zuge
wieder nach Lietzow und habe dapn diesen und noch vier weitere Tage zur Er-
forschung der Stelle benutzt.
üeber den Fundort ist Folgendes zu sagen: Der Steinhaufen oder richtiger
Rieshaufen lag 260 m westlich vom Bahnhofe, unmittelbar neben dem Eisenbahn-
Geleise, nach der Seite des Kleinen Boddens zu. Der Haufen war durchschnittlich
10—12 Fuss breit, 3—4 Fnss hoch und ungefähr 100 Schritt lang. Obenauf lagen
nur Steine und zwar vorwiegend Feuersteine, theils heile Knollen, theils ab-
gesprengte Splitter und bearbeitete Stücke; weiter nach innen zu waren die Steine
mit grobem Kies untermischt. Der ganze Haufen war erst vor kürzerer Zeit auf-
gehäuft und das Material aus einer nahe gelegenen Kiesgrube entnommen worden.
Diese Kiesgrube, welche mithin als die eigentliche Fundstelle zu betrachten
ist, liegt gleichfalls südlich von der Eisenbahn und zwar 100 m von derselben ent-
fernt, auf dem sogenannten ^spitzen Ort^. Sie erstreckt sich bei einer Länge von
72 Schritt in der Bichtnng von Norden nach Süden, so dass sie im rechten Winkel
zam Bahngeleise liegt; die Breite der Grube beträgt 40 Schritt. Die nach der
Landseite zu senkrecht abgestochenen Böschungen zeigen, dass der obenauf liegende
Mutterboden etwa V« ^^ss dick ist, worauf grober, mit vielen Steinen untermischter
Ries folgt Die Grube ist durchschnittlich nur auf 5 Fuss Tiefe ausgeschachtet;
wo man etwas tiefer eingedrungen ist, hat sich braunes, brackiges Wasser zu
kleinen Lachen angesammelt; zwischen diesen Lachen hat man in kleinen, regel-
mässigen Abständen einzelne Podeste stehen lassen. Das Terrain der Kiesgrube
war früher Gartenland, welches zur Rogge'schen Grastwirthschaft gehörte. Als
diese in Folge des Bahnbaues einging (vergl. oben S. 294), hat man zuerst im
Jahre 1891 angefangen, Kies von hier zu entnehmen. Im, Laufe dieses Jahres sind
ungefähr 500 cbm Kies ausgeschachtet worden.
Das Absuchen der Riesgrube war in Folge der Wasserlachen recht un-
erquicklich und umständlich, und ich habe auch nicht allzu viel Zeit darauf ver-
wendet. Bemerken möchte ich jedoch, dass diejenigen Feuersteine, welche auf
dem Grunde der Grube und in dem brackigen Wasser lagen, durchweg eine roth-
L
(298)
braune oder dankelbraane Farbe hatten, während die übrigen theils schwarz, iheils
grau, theils lehmgelb gefärbt waren.
Bei näherer Besichtigung ergab sich femer, d^s die Riesgrabe in derselben
Linie und Richtung verläuft, wie die Rüste nördlich von der Durchschüttung.
Mithin haben wir in den Ries-Anhäufungen dieser Grube höchst wahrscheinlich
die Ablagerungen eines alten Strandes zu erblicken. Der jetzige Strand ist an
dieser Stelle in Folge alluvialer Neubildungen um etwa 200 Schritte westwärts vor-
gerückt, und diese Neubildung von Land setzt sich gerade in allemeuester Zeit^
nachdem der Damm durchgoschüttet worden ist, in der angegebenen Richtung
weiter fort.
Die von mir aufgefundene Werkstätte befindet sich also an einer ganz anderen
Stelle, als die früher bekannt gewesene. Im Grossen und Ganzen steht sie jedoch
mit dieser auch wieder in Zusammenhang, was durch meine Funde am nördlichen
Strande noch augenscheinlicher wird. Der Bau der Chaussee und der Eisenbahn
und der am Rleinen Bodden vorgerückte Strand haben diese Spuren freilich sehr
verwischt. Nach der Aussage des Raufmanns Heidmann in Lietzow ist aber das
ganze Terrain, auf welchem das Dorf Lietzow steht, reich an Feuerstein-Funden,
und ich selbst habe auf der Dorfstrasse, die kurz vorher durch Ries-Aufschüttungen
verbessert worden war, noch einige recht hübsche Stücke gefunden.
Dass sich die Werkstätte so dicht am Strande und auf sandigem Terrain be-
findet, ist übrigens nicht ganz gleichgültig. Denn nach Baier (S. 32) haben alle
rügenschen Werkstätten das Gemeinsame, dass sie auf Höhen liegen, in unmittel-
barer Nähe der See und auf Sandboden. Es ist möglich, so fahrt Baier fort,
dass Sandboden wegen seiner grösseren Trockenheit mit Vorliebe zu den mit Werk-
stätten verbundenen Ansiedelungen gewählt wurde. Solche Ansiedelungen aber
sind, wie bereits oben mitgetheilt worden ist, auch in Lietzow vorhanden ge-
wesen.
Die Zahl der von mir gesammelten Stücke beträgt ungefähr 1600. Damit aber
war der Reichthum der Werkstätte noch lange nicht erschöpft, zumal da ich nur
an der Oberfläche des Steinhaufens gesammelt hatte. Ich machte daher der Ge-
sellschaft für Pomm. Gesch. und AUerthumsk., welcher ich auch meine ganze Samm-
lung überwiesen habe, Anzeige, dass es mir wünschenswerth erscheine, den ganzen
Steinhaufen umarbeiten und auf Stein -Alterthümer hin durchforschen zu lassen.
Diesem meinem Wunsche ist die Gesellschaft nachgekommen. Nachdem die ^1.
Eisen bahn-Direction in dankenswerthester Bereitwilligkeit die Erlaubniss zur Durch-
forschung des Steinhaufens gegeben hatte, reiste Hr. Gonservator Stuben rauch
nach Lietzow, durchforschte die noch vorhandenen 250 cbm von dem aufgeschütteten
Steinhaufen und brachte nach achttägiger Arbeit abermals etwa 3000 Stücke von
dort mit heim.
So hat denn die neu aufgefundene Werkstätte eine Ausbeute geliefert, wie sie
in Bezug auf die Quantität wohl einzig in ihrer Art dasteht. Aber auch die Qualität
der gefundenen Masse ist keineswegs gering anzuschlagen.
Ueberblicken wir zunächst das gesammte Material, so fällt uns sofort der
grosse Formenreichthum in die Augen. Es finden sich nicht nur alle Werkzeuge
und Gcräthschaften, welche aus der Steinzeit Rügens bekannt geworden sind, wie
Messer, Schaber, Beile, Bohrer, Lanzen- und Pfeilspitzen« Sägen und MeisseU
sondern jedes einzelne Werkzeug ist auch wieder durch mannichfache, zum Tfaeil
neue Formen vertreten.
Eine weitere Untersuchung, welche allerdings erst späterer Zeit vorbehalten
bleiben muss, wird auch die Technik, welche bei der Bearbeitung der einzelnen
(299)
Geräthschaflen angewendet ist, festzustellen haben, nnd hierbei werden nach meiner
Meinung gerade diejenigen Stücke eine Rolle spielen, welche halb fertig oder eben
angefangen oder bei der Bearbeitung veranglUckt sind. Lassen wfr nun diese
Stücke and ebenso die Splitter und Spähne, welche sich als Abfallstückc aus-
weisen, unberücksichtigt, so bleibt immerhin noch ein reichhaltiges Material zur
Gharakterisirung der Stelle übrig.
Wenn wir auf die Art der Bearbeitung Rücksicht nehmen, so lassen sich zwei
Arten von Geräthschaften unterscheiden : erstens die roh beai*beitetcn, zweitens die-
jenigen mit muscheirörmigen Schlagstellen. Die letzteren sind in der Minderzahl
und fast nur fragmentarisch erhalten; wir finden darunter zerbrochene Beile und
Keile, Meissel, Sägen und eine feingemuschelte, vollständig erhaltene Pfeilspitze.
Einige wenige Stücke dieser Gruppe zeigen noch ein weiteres Stadium der Bear-
beitung, nehmlich dass sie geschlifftm sind; von dieser Art sind jedoch nur fünf
oder sechs Beil -Fragmente gefunden worden, welche wir mithin wohl als Aus-
nahmestücke betrachten dürfen. Erwähnen möchte ich ferner noch, dass ich auch
eine bei steinzeitlichen Fanden nicht eben selten vorkommende Korallenperle ge-
funden habe, welche allerdings stark verwittert ist.
Unter den roh bearbeiteten Werkzeugen, welche den grössten Theil des
Fundes ausmachen, sind am zahlreichsten die Messer vertreten; ungefähr ein Viertel
des ganzen Fundes gehört dieser Gruppe an. Das Messer wird dadurch gewonnen,
dass von einem spaltfähigen Feuerstein-Knollen oder Nucleus einzelne dünne, läng-
liche Streifen oder Spähne abgesprengt werden. Die beim Absprengen entstandene
Spaltfläche ist glatt und eben, zuweilen leicht gewölbt, und bedarf keiner weiteren
Bearbeitung; dagegen wird die obere Seite des Messers in höchst mannichfaltiger
Weise gestaltet: entweder besteht sie aus zwei im stumpfen Winkel sich schneidenden
Flächen, so dass das Messer ein dreiseitiges Prisma bildet, oder man hat die in
der Mitte aufliegende Kante durch einen weiteren Hieb abgesplissen, so dass der
Querschnitt des Messers ein Trapez bildet, oder die Absplisse sind auch ganz un-
regelmässig erfolgt, je nachdem es die Gestalt des abgesprengten Streifens mit
sich brachte. Dies Letztere ist namentlich bei grösseren Stücken der Fall, welche
dann zuweilen den gemuschelten Werkzeugen ähneln.
Einige Messer sind ganz wie unsere modernen Messer gebildet, so dass die
eine Längskante deutlich als Schneide und die gegenüberstehende Kante als
Kücken des Messers hervortritt. Noch andere Messer sind mit Spitzen versehen
und mögen als Spitzen von Pfeilen oder Harpunen verwendet worden sein; wieder
andere haben eine umgebogene Spitze und scheinen als Ahlen oder Pfriemen ge-
dient zu haben.
Manche Messer tragen an dem einen Ende deutliche Einkerbungen, welche
ofTenbar zum Zwecke der Befestigung an einem Heft oder Stiel gemacht sind.
Im Uebrigcn aber muss betont werden, dass die meisten dieser Instrumente
keineswegs als Messer in modernem Sinne, sondern vielfach zu anderen Zwecken
verwendet worden sind, etwa als Pfriemen, Bohrer, Spitzen von Wurfgeschossen,
Nadeln zum Netzstricken und ähnlich. So wissen wir aus dänischen und ost-
preussischen Funden, dass solche Messerchen an der äusseren Wandung eines
Pfeilschaftes unterhalb der Pfeilspitze befestigt wurden, um die Durchschlagskraft
des Geschosses zu vergrössem. Zu ähnlichen Zwecken mag man dieses Geräth
auch auf Rügen gebraucht haben.
Wunderbar ist es> dass die Zahl der gefundenen Nuclei im Verhältniss zu der
grossen Zahl der Messer nur gering ist. Ich habe nur drei oder vier solcher
Stücke mitgebracht, und Hr. Stubenrauch hat nur einen Nucleus gefunden. Ich
L _
(300)
erinnere mich jedoch, dass ich gerade in den ersten Tagen meiner Thätigkeit in
Lietzow mehrere derartige Stücke gefunden, aber wegen ihrer Grösse und Schwere
wieder weggeworfen habe. Erwägt man ferner, dass sich gerade diese Stücke dem
Auge weniger leicht bemerkbar machen, so dürfte der Mangel an diesen Stücken
einigermaassen erklärlich erscheinen.
Den Messern stehen in Bezug auf Zahl und Art der Bearbeitung am nächsten
die Schaber, jene eigenthümlichen Geräthe, welche benutzt sein mögen, entweder
um die Haare von den als Kleider gebrauchten Thierhäuten zu entfernen, das
Fleisch von den Knochen zu kratzen, die Fische zu entschuppen, Feuer anzu-
zünden oder zu ähnlichen Zwecken. Unter den mann ichfaltigen Formen der
Schaber sind die runden und ovalen, zuweilen herz- oder nierenförmig gebildeten
am häufigsten. Die primitivste Form repräsentirt der reine Rundschaber. Dieser
wird Ton einem rundlichen oder kugelförmigen Feuerstein-Knollen scheibenförmig
abgesplissen, und zwar entweder von der Aussenseite des Knollens oder aus dem
inneren Kern. Eine weitere Entwickelung der Form ist es, wenn die Ränder
solcher roh abgesprengten Scheiben mit einigen Schlägen leicht angeschlagen oder
gedengelt werden. Zuweilen haben die so bearbeiteten Schaber auch auf den
beiden Seitenflächen muschelförmige Auskerbungen, die offenbar deshalb vor-
genommen worden sind, um die Dicke des Instrumentes zu verringern.
Eine zweite Art der Schaber sind die löffeiförmigen, die fast ausnahmslos von
der äusseren Rinde des Knollens abgesprengt sind. Bei diesen Schabern ist die runde
Scheibe mit einem kurzen Stiel oder Handgriffe versehen. Einige dieser Stücke
sind noch in der Weise vervollkommnet, dass von der Aussenseite der etwas zu
dick gerathenen Scheibe durch einen 'wohlgelungenen Schlag ein Stück abgesprengt
worden ist.
Eine dritte Art von Schabern, die sonst auf Rügen sehr selten vorzukommen
scheint, sind die drei- öder viereckigen Schaber. Bei diesen ist die eine Kante,
welche offenbar zum Schaben oder Kratzen gedient hat, stets geradlinig; die beiden
Seitenkanten sind jedoch leicht eingebogen, um dadurch die der Schabekante gegen-
über stehende Ecke, bezw. die vierte Seite handlicher zum Anfassen oder bequemer
zum Befestigen am Stiel zu machen. Eines dieser Geräthe hat fast die Form einer
kleinen Hacke. Die meisten von mir aufgefundenen Exemplare dieser Art sehen
plump und ungeschickt aus, und ich würde auf diese Art von Instrumenten kein
so grosses Gewicht legen, wenn nicht in der im Rathhause zu Bergen auf-
bewahrten Sammlung rügenscher Alterthümer ein vorzüglich erhaltenes, muschel-
förmig ausgearbeitetes Exemplar dieses Schabers zu finden wäre.
Die aufgefundenen Aexte oder Keile gehören mit Ausnahme von einigen
wenigen, schon vorher erwähnten, gemuschelten Stücken alle der roh bearbeiteten
Form an. Die Stücke haben üusserlich nur nothdürflig mit einigen groben Schlägen
die entsprechende Form erhalten; doch ist trotzdem die Schneide oder Spitze
durchaus zweckentsprechend gearbeitet; zum Theil tragen sie noch Reste von der
äusseren Rinde des Knollens an sich. Von diesen Instrumenten gilt es ins-
besondere, was Baicr (Die Insel Rügen nach ihrer archäol. Bedeutung, S. 34f.)
sagt: „Im ersten Augenblicke will es erscheinen, als seien die unvoUkommneren
Formen unfertig geblieben, ursprünglich aber bestimmt gewesen, zu den schönen
und edlen Typen ausgearbeitet zu werden. Solche Vermuthung ist indess aus zwei
Gründen zurückzuweisen. Erstens sind diese Gegenstände trotz ihrer Plumpheit
und rohen Arbeit durchaus geeignet, sofort in Benutzung genommen zu werden,
und der zweite Grund ist der, dass sich aus den häufigsten Typen dieser Reibe
nie und nimmermehr Formen der anderen Klasse bilden lassen.^
(301)
Als charakteristisch für diese Artvon Aexten ist es nach ßaier's Aufstellung,
dass der Längs-Durchschnitt ein Rhomboid bildet, was auch durch diesen Fund be-
stätig:t wird. Die Schneide oder Spitze befindet sich immer in der Bichtang der
Diagonale des Rhomboids, während sie bei den gemuschelten und geschliffenen
Stücken parallel mit den beiden Seitenflächen gebildet ist.
Die meisten der roh gearbeiteten Aexte zeigen, soweit sie nicht mit einer
Spitze versehen sind, eine yerhältnissmässig schmale Schneide; bei einigen sind
die Schneiden in schiefer oder schräger Richtung angehauen, was zu häufig vor-
kommt, als dass man es auf blossen Zufall zurückführen könnte. Die mit einer
Spitze versehenen Keile haben offenbar nicht als Bohrer, sondern als Instrumente
zum Hauen, Stechen oder Schlagen, also als Piken oder Hacken, gedient
Als Bohrer dagegen möchte ich ausser den schon vorher bei den Messern er-
wähnten einige andere Instrumente in Anspruch nehmen, welche gleichfalls nur in
der roh bearbeiteten Form vorzukommen scheinen. Die Stücke haben die Form
eines rechten Winkels, dessen einer Schenkel meist etwas länger ist, als der andere
Schenkel. Das freie Ende des längeren Schenkels ist unten zugespitzt, um als
Bohrer zu dienen, während der kürzere Schenkel offenbar die Handhabe gebildet
hat Denken wir uns den kürzeren Schenkel über den Schnittpunkt hinaus ver-
längert, so erhalten wir ein noch jetzt gebräuchliches Geräth: den gewöhnlichen
kleinen Handbohrer (plattdeutsch Frittbohrer). Diese Instrumente sind von Baier
nicht erwähnt; indessen zweifle ich nicht, dass sie sich auch in der Stralsunder
Sammlung finden werden. Ich habe sie in der Sammlung des Hrn. Schilling zu
Arkona in mehreren Exemplaren gesehen und auch auf der Werkstätte bei Dre-
woldtke wiedergefunden.
Yerhältnissmässig gross ist die Zahl der Lanzenspitzen. Von der Form, welche
die sauber gearbeiteten und feingemuschelten Stücke der ncolithischen Zeit zeigen,
sind allerdings nur einige wenige Exemplare vorhanden. Desto grösser ist die
Zahl der Lanzenspitzen von roherer Form. Ihre Gestalt ist blattförmig mit deutlich
bemerkbarem, zuweilen hoch aufstehendem Mittelgrat Bai er rechnet diese Instru-
mente unter die Messer und bezeichnet sie als blattförmige Messer mit lanzen-
artigen Spitzen. Manche dieser Stücke sind so plump und dick, dass man auf
den ersten Blick über ihren Zweck zweifelhaft sein kann; aber auch unter den-
jenigen Stücken, welche in der Form völlig ausgebildet sind, befinden sich einige
klobige, auffallend schwere Stücke; solche von leichter, gefälliger Form sind bei
weitem in der Minderzahl. Bei einigen, und zwar gerade plumpen Stücken findet
sich an der der Spitze entgegengesetzten Seite ein sichelförmiger Ausschnitt, wo-
durch sicher eine leichtere Befestigung des Geräthes an einem Schafl; oder Stiel
ermöglicht wurde.
Als eine besondere Abart dieser Lanzenspitzen möchte ich 6 — 8 Geräthe be-
zeichnen, welche erstens auffallend hoch gewölbt sind und zweitens an dem
unteren, breiten Ende einen kurzen, schief anstehenden Ansatz haben. In welcher
Weise das Geräth verwendet wurde, ist mir räthselhaft.
Endlich sind noch die Sägen oder sichelförmigen Messer, früher Opfermesser
genannt, zu erwähnen. Ausser einigen wenigen Fragmenten von gemuschelten
Sägen habe ich etwa ein halbes Dutzend roh zugehauener Stücke gefunden; Zähne
sind an diesen noch nirgends eingekerbt, und deshalb dürften sie wohl als un-
fertige Arbeiten zu betrachten sein.
Aus dieser kurzen Uebersicht geht eines mit Sicherheit hervor, dass der
Reichthum der typischen Formen ein aussergewöhnlich grosser ist. Aber auch
ein zweites dürfte sich sofort mit unabweisbarer Noth wendigkeit ergeben, nehmlich
(302)
dass unsere Werkstätte nicht nur kurze Zeit, sondern Jahrhunderte lang benutzt
worden ist; anders ist die überraschende Falle des Materials kaum zu erklären.
Eine andere und viel schwieriger zu beantwortende Frage ist die nach dem
Alter der Lietzower und überhaupt der rügenschen Feuerstein -Werkstätten. Auf
den ersten Blick allerdings scheint diese Frage leicht zu beantworten zu sein:
man möchte nehmlich wohl geneigt sein, die roh bearbeiteten Stücke in eine ältere
Zeit, die gemuschelten und geschliffenen Stücke aber in eine jüngere Zeitperiode
zu yerweisen. Aus solchem Ansätze würde dann zu schliessen sein, dass die
Lietzower Werkstätte der älteren Steinzeit angehört, aber noch bis in den Anfang
der jüngeren Steinzeit hinein benutzt worden sei. Die Voraussetzung zu diesem
Schluss hat jedoch nur in ihrer zweiten Hälfte bisher allgemeine Anerkennung ge-
funden, insofern die gemuschelten und geschliffenen Geräthe ziemlich einstimmig
der neolithischen Periode zugewiesen werden. In welchem Zeitverhältniss aber
die roh bearbeiteten Werkzeuge hierzu stehen, ob sie als gleichzeitig oder als
älter anzusehen sind, darüber ist man noch nicht einig, und ich pflichte in
dieser Beziehung ganz der Meinung des Hm. Dr. Baier in Stralsund, des ge-
wiegtesten Kenners rügenscher Alterthümer, bei, welcher offen bekennt, dass wir
mit den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Mitteln die Frage noch nicht beant-
worten können. Hoffentlich aber gelingt es der Wissenschaft über kurz oder lang,
auch diese Frage zu lösen, und es würde mir eine besondere Freude und Qenug-
thuung sein, wenn hierzu der Lietzower Fund, sei es auch nur wenig, beitragen
könnte. —
(32) Die HHrn. W. Belck und C. F. Lehmann legen folgende Abhandlung
Tor als Fortsetzung ihrer
Chaldisehen Forschiingen.
7. Zur Frage nach dem ursprunglichen Standort der beiden assyrischen Inschriften Sarduf's*
Sohnes des Lutlpris^),
Von W. Bclck.
Diese Frage ist von der grössten Wichtigkeit für die Urgeschichte Armeniens:
von ihrer definitiven Beantwortung hängt die Bestimmung des ursprünglichen Wohn-
sitzes Sardur's, des Königs von ^NaYri*' (nicht von ßiaina-Chaldia!) ab').
Eine Behandlung dieser schwierigen Frage hat Hr. Prof. F. Jensen unter-
nommen'), der sich, nachdem er den uns hier allein interessirenden Schluss
1) Chaldische Forschungen Nr. 1—3, s. diese Verhandl. 1896, S. 678—616, Nr. 4—6:
1896, S. 309—327.
2) Vergl. VerhandL 1895, S. 583, und Zeitscbr. f. Assjriologie , XI, S. 201 fC Auf den
an erstcrer Stelle in Aussicht gestellten Nachweis ist Jensen (Zeitschr. f. Assyriol., "KL,
S. 3fMjfif.) gespannt, ^fQrchtct** aber auf Grund von „Vennuthungen" und „Befürchtungen*,
von denen ausgehend er unsere, ihm noch gar nicht bekannten Argumente einer Kritik
unterzieht, „dass es dazu nicht kommen^ werde. Anf seine Bemerkungen a. a. 0. h^ben
wir fast unmittelbar nach ihrer VeröfiTentlichnng der Kedaction der Zeitschrift für Assjrio-
logie eine Erwiderung übersandt, deren Erscheinen wohl nicht mehr lange ausstehen wird.
Wie dort bemerken wir auch hier, dass wir uns sielbstTerständlich durch eine an einen
noch nicht erbrachten Nachweis geknüpfte Kritik in keiner Weise an der Ausarbeitung der
auf diesen Nachweis hinzielenden Erörterungen behindern lassen werden." W. B. und C. L.
3) Zeitschr. f. Assyriologie, VIII, S. 376 flf.
(303)
der Inschrift [^Sardur, Sohn des Lutipris, spricht, (nehmlich): ich habe diese
„Alabaster^ -Blöcke ans der Stadt Alniuna weggenommen, ich habe diese Maner
gebaut**] annähernd (s. S. 304) richtig tibersetzt hat, folgend ermaassen äussert*):
„Beide Inschriften sind jedenfalls in der Nähe von Van gefunden. Nach
Van von fernher Steine herbeizuschleppen, hiesse Wasser in's Meer
schütteh'). Es scheint daher, dass die Blöcke nur von dem Felsen von Van her-
stammen können. Dann kann die Stadt, „aus der^* sie herausgenommen sind, nur
die Gitadelle von Van sein. Alniunu ist daher deren Name oder, falls der Name
Tuspa-Turuspa diese mit einschloss, oder von Tiglatpileser III. richtig
für die Gitadelle allein gebraucht worden ist, ein Appellativ mit der Bedeutung
„Citadelle**. Die mit den Steinen aufgeführte Mauer wird oben auf dem Felsen
zu dessen grösserer Sicherheit aufgeführt und die beiden Inschriftsteine werden
ßestandtheile dieser Mauer gewesen sein. Pülu ward dann gebraucht als Be-
zeichnung für das Material, woraus der Felsen von Van besteht, also für eine Art
Ralk (Dr. Belck), ob missbräuchlich, wollen und können wir hier nicht unter-
suchen.''
Alle diese Aufstellungen Jensen^s sind unhaltbar, wie ich ihm das auch ge-
legentlich eines Besuches gesagt habe; sie leiden an einer geradezu bemerkens-
werthen ünkenntniss der localen Verhältnisse Van's im Allgemeinen und der vor-
liegenden beiden Inschriftsteine im Besonderen, und die von Jensen gegebene
Begründung seiner Behauptung, Alniunu sei der Name der Gitadelle von Van,
widerstreitet den Sitten und Gebräuchen wie auch dem psychologischen Gefühl
wohl auch der primitivsten Völker (vergl. S. 305 ff.). Aber trotz der sonder-
baren Art der Beweisführung, die mit hypothetischen Ausdrücken wie „jeden-
falls", „es scheint, „dann (das bedeutet hier: wenn diese Ansicht richtig ist!)
kann'' beginnt und mit einer positiven Behauptung (nicht etwa mit dem Hinweis
auf eine Möglichkeit!) schliesst, — einer Eigenthtimlichkeit Jensen 's, der man
leider öfter'), so namentlich auch bei seinen Bemühungen um die Entzifferung
der „hethitischen" Inschriften, begegnet, — haben sich doch andere Forscher
durch die Bestimmtheit der von ihm aufgestellten Behauptungen') dazu verleiten
lassen, dieselben als erwiesen zu betrachten und darauf weiterzubauen ^). Die
erste Forderung, die man an jeden Gelehrten, der sich über eine Frage ein Ur-
theil bilden und mit diesem gehört werden will, stellen kann und stellen muss,
ist jedenfalls die, dass, ehe er über eine Sache zu schreiben anfängt, er sich nach
Möglichkeit tiber die einschlägigen Verhältnisse orientirt, ein Verlangen, dessen
Erfüllung gerade hier, wo die Literatur so äusserst spärlich iliesst, leicht zu er-
1) A. a. 0. S. 877.
2) Von mir gesperrt. W. B.
3) Diese Eigenthümlichkeit von Jensen^s Argumentationsweise wird man auch in
meiner seit l&ngerer Zeit grossentheils niedergeschriebenen Abhandlung: „Philologische
und historische Methode auf altorieiitalischem Gebiet"* (einer Erwiderung auf Jensen^s
Artikel: »Die philologische und die historische Methode in der Assyriologie" [ZDM6. 50,
S. 241 ff.]) hervorgehoben und beleuchtet finden. ZuJensen's Artikel vergleiche man einst-
weilen meine „Erklärung^, a. a. 0. S. 671. C. L.
^ 4) Vielleicht auch dadurch , dass mein Name dazwischen genannt und hierdurch bei
ihnen möglicherweise der ganz falsche Eindruck hervorgerufen wurde, als ob ein mit den
« ^__ ^__
Ortsverhältnissen vertrauter Forscher Jensen 's obigen Behauptungen zustimme. W. B.
5) So z.B. Meissner und Rost, ,,Die Bau -Inschriften Asarhaddons", Beiträge zur
Assyriologie, III, 2, mit Bezug auf die Gleichung pülu (pili; = Kalkstein.
(304)
möglichen ist Jensen aber schreibt Über Dinge, über die er in keiner Weise
orientirt ist, wie ich weiterhin zeigen werde.
Jensen behauptet*) also, die Steine stammten vom Van -Felsen, der (nach
mir) aus einer Art Kalk bestehe, also, folgert er, bezeichnet pülu den Kalkstein.
Nun besteht allerdings der Felsen von Van aus Marmorkalk, also einer mehr
oder weniger grobkrystallinischen Kalksteinart, welche sich poliren lässt und dann
dep Glanz und die Structur des Marmors zeigt Woher weiss aber Jensen, dass
die fraglichen zwei Schriflsteine aus Marmorkalk bestehen? Das hat er sich eben
einfach so gedacht, weil es ihm zu seinen übrigen Ansichten passtel
ObJensen's Ansicht, die Steine seien in der Nähe von Yan gefunden worden,
richtig ist, wollen wir vorläufig unerörtert lassen, obgleich gerade dieser Punkt
aufs Deutlichste beweist, wie wenig Jensen mit der einschlägigen Literatur be-
kannt ist Absolut falsch ist seine von mir gesperrt wiedergegebene Begründung
dieser Ansicht: „Nach Van von fernher Steine herbeizuschleppen, hiesse Wasser
in's Meer schütten,^ auf die ich später eingehen werde.
Gesetzt also den Fall, die Steine seien in der Nähe von Van gefunden
worden, worauf stützt dann Jensen seine Ansicht, sie könnten nur von dem
Felsen (der Gitadelle) von Van stammen? Die Forscher, die Van besucht haben,
belehren jeden, der ihre Schilderungen nachschlägt, dass es dort ausser dem
Van-Felsen noch den Felsen von Kalatschik, den felsigen Bergzug des Zem-
zemdagh mit Toprakkal^h, das Gebirgsmassiv des Warrak und südlich
und südwestlich von ihm langgestreckte Bergztige giebt, und dass alle diese
Felsberge nur wenige Kilometer vom Van-Felsen entfernt liegen. Sie lehren
femer, dass der gesammte Van-Felsen zwar ziemlich lang (etwa 1,5 Arm lang),
dabei aber ausserordentlich schmal ist, und dass verständige Leute sich unter
solchen Umständen hüten werden, die geringe, für die Erbauung einer Bui^
vorhandene Fläche noch durch Anlage von Steinbrüchen an diesem Felsen zu
verkleinern. Schon allein aus diesen Gründen ist die Wahrscheinlichkeit, dass
die beiden Inschriftsteine vom Van-Felsen stammen, gleich Null, und damit wird
die Gleichung „pQlu^ = Marmor (Kalkstein) zu Wasser. Dass Jensen nicht
weiss, dass man „Alabaster^ niemals als „Kalkstein^ bezeichnen wird, dass man
vielmehr unter letzterer Bezeichnung stets „kohlensauren Kalk^ (also Marmor,
Kreide, Kalkspath, Arragonit u. s. w.) versteht, soll ihm als Philologen nicht als
Vorwurf angerechnet werden. Wohl aber soll darauf hingewiesen werden, duss
in jedem Falle, also auch wenn die Steine vom Van-Felsen stammten, die Be-
zeichnung „Alabaster^ eine durchaus falsche sein wtU-de, und dass in solchen Fällen
Jensen gut thun würde, sich der Mithülfe eines Geologen, bezw. eines der
chemischen Mineralogie Kundigen zu vergewissern, wenn er mineralogische Be-
stimmungen machen will.
Ohne auf Jensen's weitere Hypothesen einzugehen, die sich nur ans seiner
geringen Vertrautheit mit dem Gegenstande erklären, will ich mich gleich zu der
Hauptfrage wenden: Welches .ist der ursprüngliche Standort der beiden lo-
schrifisteine? In dieser Beziehung giebt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die
Steine sind von ihrem ursprünglichen Standorte aus hierher verschleppt worden,
in welchem Falle alle Gonjecturen und Behauptungen Jensen's sich natürlich
von selbst erledigen, oder sie befinden sich noch an ihrem ursprünglichen Stand-
1) Die ursprünglich hypothetische Form, in der Jensen diese Ansicht ausspricht^
wird eben vollständig beseitigt durch die gleich nachher ausgesprochene, auf sie ge-
gründete positive Behauptung.
(305)
orte. Nur letzterer Fall, der flir Jensen günstigere, soll hier in Betracht gezogen
werden. Wenn Jensen wüsste, wo sich die beiden Schriflsteine befinden, — und
sich darüber zu informiren, hätte ihm nicht schwer fallen können, — dann würde
er wahrscheinlich, oder wenigstens vielleicht, alle seine in der Luft schwebenden,
bezw. den Thatsachen direct widersprechenden Erwägungen und Behauptungen
nicht niedergeschrieben haben. Beide Steine stecken nehmlich neben ein-
ander in einer aus cyclopischen Steinen bestehenden Mauer, augenscheinlich
sehr hohen Alters, welche sich nicht auf der Höhe des Van-Felsens befindet,
wie Jensen annimmt, sondern in der Ebene am Fusse desselben. Und zwar
schliesst sich dieselbe auf der Nordseite des Van-Felsens an seinen westlichsten
Punkt an, bei dem heute sogenannten Iskal^h-Kapussi (i. e. dem Hafen-Thore)
der Festung; diese Mauer läuft ungefähr in der Richtung Süd-Nord und diente zur
Vertheidigung des Hafens der Van- Festung, der seinerseits wieder angelegt worden
war, um bei etwaigen Belagerungen der Bmg die Verproriantirung derselben von
den anderen Gestaden des Sees aus zu sichern.
Auf diesem cyclopischen Unterbau, bezw. mit Benutzung desselben, ist späterhin
in frühchristlicher Zeit eine kleine Kirche, Surp Karapet genannt, errichtet
worden, die aber seit sehr langer Zeit schon in Ruinen liegt. Nach dem Local-
befunde erscheint die Annahme durchaus gerechtfertigt, dass sich die beiden
enormen Felsblöcke, auf denen die Inschrift eingemeisselt ist, an ihrem ursprüng-
lichen Standorte befinden, dass demnach diese zu den Befestigungs- Anlagen
der Yan-Festung gehörende, der Vertheidigung des Hafen -Einganges dienende
Mauer bereits von Sardur, dem Sohne des Lutipris, Königs TonNairi, angelegt
worden ist. Mit dieser Feststellung gelangen wir für den Beginn der Befestigungs-
Arbeiten an und auf dem Van- Felsen in ein sehr hohes Zeitalter, mindestens an
den Anfang des 9. rorchristlichen Jahrhunderts').
Es erscheint nicht überflüssig, zu bemerken, dass es sich auf dem Van-Felsen,
abgesehen von den in das Innere des Felsens getriebenen Gemächern, Sälen u. s. w.
— dem sogenannten Felsschloss — , selbstverständlich nur um eine Burg zu Be-
festigungs-Anlagen, nicht etwa auch um die Anlage einer Stadt handeln kann;
letzteres ist schon durch die Beschränktheit des Raumes ausgeschlossen, ganz
abgesehen davon, dass in Folge Mangels irgend welcher Wasserquellen '^) der
Aufenthalt einer irgendwie erheblichen städtischen Bevölkerung dort, wenn nicht
unmöglich, so doch äusserst unwahrscheinlich erscheint. Der Van-Felsen kann
deshalb nur als Aufenthaltsort der jeweiligen Besatzung gedient haben; etwaige
städtische Ansiedelungen müssen sich in der anliegenden Ebene an den
Wasserläufen befunden haben.
Erscheint es nun denkbar, dass ein Fürst, der ein wichtiges Befestigungswerk er-
richtet, in seiner darauf bezüglichen Inschrift sagt: ^Ich, der grosse, mächtige König,
habe diese Steine (i. e. diejenigen, auf welchen sich die Inschriften befinden) von
dem annittelbar anstossenden Felsen hergeholt (also der Transport der Steine wurde
zserst erwähnt!), und damit diese Mauer gebaut?'^ Ich meine, ein logisch denkender
1) Vergl. diese Verhandl. 1894, S. 486.
2) Zur Frage, woher die ('halder-Könige, 8o oft sie sich in der Borg von Van auf-
hielten, gutes Trinkwasser — das Wasser des Van-Sees ist bekanntlich etwas brakig —
bezogen, möchte ich bemerken, dass es auf den westlichen Abhängen des Warrak-Gebirges
eine grössere Anzahl köstlicher Quellen eiskalten Wassers giebt, aus denen auch der je-
weilige Wali von Yan sein Trinkwasser holen Iftsst. W. B.
Verbandl. der BerL Antbropol. GeteUscbaft 1897. ^0
(306)
Mensch wird diese Frage schon im AlJgemeinen unbedingt yerneinen'), noch riel
mehr aber, wenn er die Sitten nnd Gebräuche der Alarodier und ihrer Herrscher
io Betracht zieht, deren Inschriften leider durchweg nur allzu kurz gefasst
sind und sich auf die knappsten, dürftigsten Mittheilungen ttber die allerwichtigsten
Punkte beschränken. Um das einzusehen, braucht man nur eine Bau-Inschrift oder
einen Kriegsbericht der vannischen Herrscher mit solchen der assyrischen oder
babylonischen Könige zu vergleichen. Man sehe sich z. B. eine Canal-Inschrift des
Menuas an, in der weder der Zweck des Baues, noch die Art seiner Ausführung,
nicht einmal der Name der Stadt, für welche der Ganal bestimmt war, genannt,
sondern nur mit bündigster Kürze gesagt wird: „Ich, Menuas, habe für die
mächtigen(?) Chalder diesen Aquädnct gebaut und ihn nach mir Menuas-Ganal
genannt.^
Und so, wie diese, beweisen auch alle anderen Inschriften, dass nur that-
sächlich Wichtiges und Henrorragendes von den Beherrschern Van's der Er-
wähnung in denselben für werth erachtet wurde. Eine derartig lächerliche
Kleinigkeit aber, wie der Transport von Bausteinen zu einer Mauer von dem
unmittelbar an dieselbe anstossenden Felsen lier, also auf eine Entfernung von wenigen
Metern, wird wohl überhaupt niemand, selbst wenn er einer ganz primitiven
Rasse angehört, für eine Heldenthat und demgemäss für der Erwähnung werth
erachten.
Und genau dasselbe spricht gegen die etwaige weitere Annahme, die Steine
seien an einem der vorhin genannten, benachbarten Felsrücken gebrochen worden;
auch das wäre ein so unwesentlicher Punkt, eine so geringe Arbeit, dass die Er-
wähnung derselben als ausgeschlossen erachtet werden muss, um so mehr, als hier
überall (ebenso wie auf dem Van-Felsenl) die Existenz der Stadt Alniun er-
mangelt.
Interesse für die Mit- und Nachwelt kann der Satz: ^Ich habe diese Steine,
mit denen diese Mauer gebaut ist, aus der Mitte der Stadt Alniun geholt'', nur
in den beiden Fällen beanspruchen, dass a) am Orte des Baues weit und breit gar
kein für Bauten geeignetes Gestein vorkommt, oder dass b), obgleich ganz im
Gegentheil der betreffende Punkt passendes Baumaterial in Hülle und Fülle bietet,
der erbauende König aus irgend welchen Gründen die erforderlichen Bausteine
trotzdem von irgend einem anderen Orte herholen liess'). In beiden Fällen ist
1) Was Belck hier betont, wird man auch in meiner oben 8.303, Anmerk. 3 ge-
nannten Abhandlung hervorgehoben finden, wobei bemerkt sei, dass unsere beiderseitigen
Aeusserungen von einander vollständig nnabhängig sind. Jensen begnügt sich mit einer
Uebersetzung, gegen die dem Wortsinne nach nichts einzuwenden ist, die aber gar keinen
Sinn giebt, sobald man die thats&ch liehen Verhältnisse, auf welche sich die Inschrift bezieht,
wie es doch nöthig und selbstverständlich ist, in Betracht zieht Dieser Fall wird daher
von mir im genannten Zusammenhange als ein weiterer, besonders handgreiflicher Beleg
für den Fehler in Jensen's Methode angeführt, auf welchen ich ZDMG., 41, 8.302 hin-
hingewiesen hatte, den nehmlich, dass sich Jensen mehr und mehr geneigt zeigt, Fragen
von lediglich oder überwiegend historischer Natur rein philologisch (im engsten Sinne) zu
behandeln, bezw. wo in einer Untersnchnng philologische nnd historisch -sachliche Ge-
sichtspunkte gleiche Berücksichtigung und gegenseitige Abwägnng verlangen, die Ent-
scheidung lediglich nach specifisch philologischen Gesichtspunkten zu treffen. C. L.
2) Noch ein dritter Fall könnte im Allgemeinen wohl in Betracht kommen, wenn er
auch nach Lage der Sache im vorliegenden Falle weniger Wahrscheinlichkeit hat. Es
könnte, falls eine Umsiedelung von Alniun nach dem Yan-Felsen stattgefunden hätte,
Werth darauf gelegt worden sein, einen Bestandthcil der alten Stadt mit in die neue zu
(307;
aber weiter eine wesentliche Bedingung die, dass die Stadt Alniun in beträcht-
iicher Entfernung Ton Tu8pa(na)-Van liegen muss, so dass der Transport dieser
schweren Steine auf eine weite Strecke hin schon als eine erwähnenswerthe That.
erschienen ist, namentlich wenn derselbe nelleicht noch mit aussergewöhnlichen
Schwierigkeiten, wie z. B. Transport über Gebirge, Wasser u. s. w., verknüpft ge-
wesen war.
Da der Fall a) bekanntermaassen ausscheidet, so liegt also die Sache so, dass
Sardur, der Sohn des Lutipris, aus irgend welchen Gründen die zu dem Bau
einer den Hafen der Burg von Van schützenden Mauer erforderlichen mächtigen
Quadern von einer weit entfernten Stadt Alniun herholen liess. Es liegt hier also
ein in gewisser Hinsicht analoger Bericht Tor, wie der in Tiglatpileser*s I.
Annalen, Col. VÜI, Z. 11—16, wo der Assyrer erzählt, dass er KA.- Steine, gAL.-
TA. -Steine und sadänu-Steine aus den Bergen des Landes Nai'ri geholt und sie
in dem von ihm neu erbauten bit hamri Rammftn's niedergelegt habe.
Um Bausteine, bezw. nach altem Brauche (yergl. Nippurl) Material, u. A. zu
eyent. weiterer Ausschmückung und Ausstattung des Rammän-Tempels zu be-
schaffen, brauchte Tiglatpileser I. gewiss nicht nach den so weit entfernten
Nairi-Ländern zu gehen, wobei er den schwierigen üebeigang über diä rielen
Gebirgsketten des Antitaurus („16 gewaltige Berge^ nennt er, Ool. lY, Z. 58 — 66,
als dabei von ihm überschritten) zu bewerkstelligen hatte; er will aber eben sagen,
dass er sich weder durch die gewaltige Entfernung, noch durch die Schwierig-
keiten des Transports über die Gebirge davon abhalten liess, die von ihm ge-
nannten werthvollen, bezw. darch irgend eine Eigenschaft (schöne Farbe, grosse
Härte, hervorragende Politurföhigkeit u. s. w.) ausgezeichneten Gesteinsarten her-
beizuschaffen.
unsere Untersuchung hat also gerade zu dem Resultat geführt, welches Jensen
durch seine Bemerkung: „Nach Van von fernher Steine herbeizuschleppen, hiesse
Wasser in^s Meer schütten,^ von vornherein als absurd, und deshalb ausser Be-
tracht zu lassen, von der Hand gewiesen hatte. Und dass der hier erwähnte Trans-
port von Bausteinen von fernher nach Orten, die wahrlich keinen Mangel an gutem
passendem Baumaterial hatten, weder der einzige Fall gewesen, noch auch auf das
Altertbum beschränkt geblieben ist, beweist u. A. die von Thomas Ardzruni in
seiner „Geschichte der Ardzrunier^, UI, § 37') berichtete Thatsache, dass König
Gagik von Armenien die Steine zum Bau der Kathedrale auf der Felsen -Insel
Agthamar aus dem tief im Süden in der Provinz Aghdznik* gelegenen Dorfe
Kotom herbeischaffen und sowohl über die hohen Gebirge, wie auch über den See
transportiren liess.
Die armenischen Schriftsteller liefern uns aber noch weitere derartige Fälle
von weiten Transporten von Bausteinen, darunter auch solchen nach Tus-
pa(na)-Van.
So erzählt Thomas Ardzruni, III, §29*), dass König Gagik Ardzruni am
Fusse des nördlichen Abhanges des Yan-Felsens eine Kirche, St. Zion ge-
nannt, erbaute aus in der Stadt Manazav (= Melasgert)*) behauenen Steinen! Er hatte
übertragen; derartigen cultisch-ritaeUen Bräuchen (Uebertragung des Heerdfeuers, der
Heimatherde) begegnen wir ja bei Umsiedelung und Colonisation auch sonst. C. L.
1) Brosset, Collection d^historiens Armeniens, I, p. 289. (p. 334 der armenischen Aus-
gabe, Constantinopel 1852. C. L.)
2) Ebenda 1. c. p. 204. (S. 283 des armenischen Druckes. G. L.)
8) Ucber diese sichere Identification vergleiche Brosset 1. c, p. 204 (nach Indjidjean,
Ann^nie ancienne, p. 183, 6).
20*
(308)
dieselben also zunächst etwa 80 — 100 km tlber Land bis zum Ufer des Sees zu
transportiren und dann mit Schiffen nach Van zu schaffen. Und in demselben
CapiteP) erzählt er weiter, dass Gnrgen Ardzruni, Gagik's Bruder, in der
weit südöstlich im Gebirge belegenen Stadt Adam akert (Canton Gross-Aghbag)
ebenfalls eine schöne Kirche erbaute, itir die er die Hausteine theil weise eben-
falls aus Manäzav-Melasgert bezog, wobei er fQr den Transport derselben Ton
Van bis zur Baustelle erst noch einen besonderen Weg durch das wilde
G&birge anlegen musste. %
Aus diesen Thatsachen ist zu entnehmen, dass die im Bereiche der Stadt
Manazar-Melasgert vorkommenden Gesteinsarten besonders geschätzt waren fUr
die Herstellung behauener Steine, welche zum Bau monumentaler Gebäude u. s. w.
dienen sollten. Die Möglichkeit, dass Sardur von hier seine Steine kommen
Hess, ist nicht von der Hand zu weisen, und bei der Länge des Transportweges
würde die Erwähnung dieser Thatsache in seinen beiden Inschriften gerecht-
fertigt sein. Eventuell also könnte Alniun der ursprüngliche Name von Manazav-
Melasgert sein; Aufschluss darüber werden uns vielleicht die in jener (hegend
vorhandenen Reil-Inschnften ergeben. Eine derselben ist kürzlich von ScheiP)
veröffentlicht worden; sie enthält den Namen der Stadt nicht, besagt aber, dass
Menuas die dortige Burg neu aufgebaut habe, wodurch das sehr hohe Alter
dieser Stadt erwiesen ist und meine früher geäusserte Ansicht, der armenische
Name derselben, Manasgert oder Manavazgert, hänge mit dem Namen Menuas
zusammen, an Wahrscheinlichkeit gewinnt. —
(33) Hr. H. Meyer schickt, d. d. Haarstorf bei Ebsdorf, Hannover, unter dem
29. April einen Bericht über die
Aasgrabung von Hügelgräbern in der Haarstorfer Feldmark.
Wird in den „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde** erscheinen. —
(34) Hr. H. Meyer berichtet unter dem 1. Juni über
Fnnde auf dem langobardisch-sächsischen Friedhofe bei NienbtitteU
Kreis Uelzen.
Wird gleichfalls in den „Nachrichten" gedruckt werden. —
(35) Hr. F. W. K. Müller bespricht
neaere japanische Sachen.
(36) Neu eingegangene Schriften:
1. Vorgeschichtliche Steindenkmäler in Schleswig- Holstein. Als 32. Bericht der
Schleswig-Holstein-Lauenb. Gesellschaft für die Sammlung und Erhaltung
vaterländischer Alterthümer. Kiel 1872. Gesch. d. Hm. M. Bartels.
2. Wenge, Walter, Zeitschrift für Griminal- Anthropologie, Gefängniss-Wisscn-
schaft und Prostitutionswesen. I. 1. Berlin 1897. Gesch. d. Heraus-
gebers.
3. V. Hellwald und F. LMe, Die Erde und ihre Völker. Liefer. 15—19. Berlin
1H97.
- 1) Brossct I.e. p. 207. ^S. 287f. des armenischen Druckes. C. L.)
2) Recueil, XVIII, p. 75-77.
(309)
4. Trayaux de la ßociete Imp. des Natoralistes de St. Petersbonrg. Vol. 27. Livr, 1.
Nr. 6 — 8. Compies rendus des S^ances. Ann^e 1896. 8i F^tersbourg 1897.
5. Dasselbe, Fase. 2. Section de Botaniqae. Si Peiersbooiig: 1897. (Rassisch.)
Nr. 3 — 5 durch Hm. R. Virchow.
6. Häntzschel, C. R., Reise-Handbuch für Amatear-Photographen. Halle a. S.
1896. Gesch. d. Verlagshandliuig.
7. Zbomik za narodni ÜYot i Obi6aje joSnih Slayena. Na svijet izdaje «fug.
Akadem. zoanosti i umjetnosti. Syezak 1. U Zagrebu 1896. Gesch. d.
Akademie ia Agram.
8. del Paso y Troncoso, F., Die Andhuacschen Handschriften und II manoscritto
Messicano Vaticano 3773, edizione del Duca de Loubat. Roma 1896.
Gesch. d. Herzogs v. Loubat in Paris.
9. R. Andree's Hand-Atlas. Bielefeld und Leipzig 1881. Gesch. d. Frau
Sanitätsrath Schlemm.
10. Coppemicus -Verein. Sitzungsbericht vom 3. Mai 1897. Thom 1897. (Ost-
deutsche Zeitung Nr. 108.) Cresch. d. Vereins.
11. Giuffrida-Ruggeri, V., Intomo air accayallamento delle arcate dentarie e
alla profatnia inferiore. Reggio-Emilia 1897. (Rivista Sperimentale di
Freniatria.) Gesch. d. Verf.
12. Colini, G. A., Seghe e coltelli-seghe italiahi di pietra. Parma 1896. (Bullet.
d. p^letnol. italiana.) Gesch. d. Verf.
13. Tonduz, A., Flora de Costa Rica. San Jose de Costa Rica 1897. Gesch. d.
Verf.
14. Underwood, C. F., Faunade Costa Rica. San Jose de Costa Rica 1897. (Nr. 13
u. 14: Primera exposicion Centroamericana de Guatemala.) Gesch. d. Verf.
15. Orsi, P., Esplorazioni archeologiche in Noto yecchio. Roma 1897. (Notiz.
d. Scavi.) Gesch. d. Verf.
16. Fewkes, J. W., Preliminary account of an expedition to the Cliff yillages of
the Red Rock country. Washington 1896. (Smithsonian Report.)
17. Derselbe, The Tusayan ritual. Washington 1896. (Smiths. Report.)
Nr. 16 u. 17 Gesch. d. Verf.
18. Ploss-Bartels, Das Weib. 5. Aufl. 11. u. 12. Liefer. Berlin 1897. Gesch.
d. Verf.
19. Bolsius, H., De Aap-Mensch op het congres te Leiden. Utrecht 1896.
20. Derselbe, Darwiniana. Utrecht 1897. (Nr. 9 u. 10 sind Studien op Gods-
dienstig, Wetenschappel. en Letterk. gebied.)
Nr. 19 u. 20 Gesch. d. Verf.
21. Kröhnke, 0., Chemische Untersuchungen an yorgeschichtlichen Bronzen
Schleswig-Holsteins. Kiel 1897. (Dissertation.) Gesch. d. Verf.
22. Boas, F., The Decoratiye Art of the Indians of the North Pacific Coast.
New York 1897. (Bull. Amer. Mus. of Natur, ffistory.) Gesch. d. Verf.
23. Brinton, D. G., Maria Candelaria. Philadelphia 1897. Gesch. d. Verf.
24. Lenz, R., Estudios Araucanos VI, VU. Santiago de Chile 1896/97. (Anales
de la Uniyersidad de Chile.) Gesch. d. Verf.
25. Ehrenreich, P., Anthropologische Studien über die Urbewohner Brasiliens,
yomehmlich der Staaten Matto Grosso, Goyaz und Amazonas (Purus-
Gebiet). Braunschweig 1897. Gesch. d. Verf.
26. de Baye, Baron, Notes sur les Votiaks paiens des Gourernements de Kazan
et de Viatka (Russie). Paris 1897. (Reyue des Traditions populaires.)
Gesch. d. Verf.
(310)
27. Catalogae of ihe Bonnd Books in the Library of the Hawaüan Historical
Society. Honolulu 1897. Gesch. d. Gesellschalt.
28. Obseryaciones meteoroiögicas de San Salvador dnrante el mes de Enero de 1897.
San Salvador, o. J. Oesch. d. Obsenratorinms zu San Salvador.
29. Zibrt, Ö., Rychtdieskö prdvo, palice, kluka. t Praze 1896. (Ydstnik c.
spole^nosti näuk.) Gesch. d. Hm. R. Virchow.
30. Deininger, J. W., Das Bauernhaus in Tirol und Vorarlberg. IL 3. Wien, o. J.
31. Lindenschmit, L., Sohn, Die Alterthümer unserer heidnischen Yorseii IV. 11.
Mainz 1897.
32. Roskoschny, H., Russisch-deutsches Wörterbuch. Berlin, o. J.
33. 348ter Kieler Alterthumsbericht. Kiel 1874.
Nr. 30 — 33 sind angekauft
34. Glassberg, A., Die Beschneidung in ihrer geschichtlichen, ethnographischen,
religiösen und medicinischen Bedeutung. Berlin 1896.
35. Blumenbach, J. F., Abbildungen naturhistorisöher Gegenstände. 1. Heft
Nr. 1 — 1 0. Göttingen 1 796.
36. Camper, A. G. Peter Gamper's Vorlesungen, gehalten in der Amsterdamer
Zeichen-Akademie. Aus dem Holländischen übersetzt von G. Schaz.
Berlin 1793.
Nr. 34—36 Gesch. d. Hm. M. Bartels.
37. Schulze, Fedor. Gost-Java en Madoera. Handboek voor Reizigers. Batavia
1897. Gesch. d. Verf.
38. Treichel, A., 17 Separat-Abdrücke von MittheOungen aus dem Gebiete der
Botanik, Zoologie, Voigeschichte und Volkskunde aus verschiedenen Zeit-
schriften. (}e8ch. d. Verf.
39. Tarner, W., Early man in Scotland. London 1897. (Royal Institution of
Great Britain.) Gesch. d. Verf.
Sitzung vom 17. Juli 1897.
Vorsitzender: Hr. R. Virchow.
(1) Als Gast anwesend Hr. Minovici aus Bukarest. —
(2) Die Reihen unserer alten correspondirenden Mitglieder lichten sich mehr
und mehr. Jetzt ist einer aus der ältesten Serie von 1871 dahin geschieden:
Johannes Japetus Smith Steenstrup, emeritirter Professor der Zoologie in Kopen-
hagen. Zur Zeit, als die internationalen Congresse für prähistorische Archäologie
und Anthropologie das Interesse aller Gebildeten für die Kunde der grossen Enir
deckungen auf diesem weiten Gebiete erregten, stand er schon im Zenith seines
Ruhmes. Sein Name war mit der Erforschung der dänischen Kjökkenmöddinger
verknüpft; er hatte die Waldmoore von Seeland ausgegraben und deren Bedeutung
für die Entwickelung der ältesten Flora und für das Erscheinen des Menschen
dai^gelegt; die reichen Sammlungen diluvialer Thierreste im Kopenhagener Museum
bildeten die Grundlage für eine genauere Bestinamung der vorhistorischen Thier-
reste; er war es, der die strengere Methode der Naturwissenschaft in die Dis-
cussion der Congresse einführte. Ueberall, wo es galt, die Fragen nach dem
ältesten Vorkommen von Zeugnissen menschlicher Thätigkeit zu entscheiden, war
er persönlich betheiligi So namentlich noch, als er im hohen Alter nach Mähren
eilte, um die Mammuthjäger auf ihre Authenticität zu prüfen. Dabei wurde er nicht
müde, jedem ernsten Forscher auf diesem Gebiete Rede und Antwort zu stehen,
Belehrung und Material zu eigener Untersuchung zu bieten. Für alle Zeiten wird
er als ein Vorbild unabhängigen und bewussten Strebens, als ein Träger sicherer
und umfassender Naturkenntniss in der Erinnerung unserer Genossen erhalten
bleiben. —
Von unseren ordentlichen Mitgliedern starben Dr. Boer in Berlin, einer
unserer treuesten und bescheidensten Helfer (f 11. Juli), und Dr. Schweitzer in
Dresden. —
(3) Am 6. Juli ist zu Heidelberg der Verlags -Buchhändler Karl Groos sen.
nach längerem Krankenlager im 78. Lebensjahre sanft verschieden. Er war Schatz-
meister der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft, als unser nun schon lange
im Grabe liegender Freund Alex. v. Frantzius General-Secretär war. Wir sahen
ihn noch vor Kurzem auf einem unserer Congresse. —
Am 15. Juli ist Will. Thierry Preyer, früher Professor in Jena, zuletzt in
Berlin, im Alter von 56 Jahren nach langem, schwerem Leiden in Wiesbaden ge-
storben. Schon seine ersten Arbeiten auf dem Gebiete der feineren Anatomie und
der Physiologie hatten den geduldigen und geschickten Beobachter gezeigt; für das
grössere Publicum gewann er eine besondere Bedeutung durch die sorgfältigen Auf-
zeichnungen, die er bei seinem eigenen Kinde über • die ersten Regungen der
geistigen Thätigkeit niedei^schrieben hat —
L
(312)
(4) Als neae Mitglieder werden gemeldet:
Hr. Lehrer Hermann Grosse in Berlin.
„ Dr. med. Georg Bleyer in Tijacas, Estado de Santa Gatharina,
Brasilien.
(5) Hr. Delorme, früherer Minister der Bepublik Haiti in Berlin und ordent-
liches Mitglied der Gesellschaft, z. Z. in Brüssel, ist von dem Vorstande und Aas-
schosse zum correspondirenden Mitgliede erwählt worden. —
(6) Yom 9. bis 14. August wird ein Congres d^hygiöne et de climatologie
m^dicale de la Belgique et du Congo in Brüssel abgehalten werden. Die
Einladung und das Programm werden vorgelegt. —
(7) Die General-Versammlung der Deutschen Anthropologischen
Gesellschaft wird vom 2. bis 5. August in Lübeck, am 6. in Schwerin, am 7. in
Kiel tagen. —
(8) Das Orient-Gomite in Berlin hat sich nach einer Benachrichtigung
vom 30. Juni reconstruiri Der neue Ausschuss besteht aus den HHm. Riebard
V. Raufmann, James Simon, Rud. Virchow, Hugo Winckler und Georg
V. Bleichröder (Schatzmeister). Es wird beabsichtigt, die früheren Ausgrabungen
in Syrien bei gelegener Zeit wieder aufzunehmen und eine neue Exploration in
Mesopotamien auszuführen. —
(9) Die Gesellschaft hat am 27. Juni eine anthropologische Excursion
nach Brandenburg a. H. und Butzow unternommen. Die Ausgrabungen auf
dem von früher her bekannten Gräberberge bei Butzow haben zahlreiche Beigaben
geliefert. Da es sich um Brandgräber handelte, so waren bestimmbare Menschen-
knochen nicht zu gewinnen, dagegen wurden Todtenumen, Geräthe aus Bronze und
Eisen in denselben Formen^ wie früher, gefunden.
Hr. Gustav Stimming hat zur Ansicht zwei wohlgefüllte Mappen mit vor-
trefTlich ausgeführten Zeichnungen eingesendet, welche Funde aus einer grösseren
Zahl von Gräbern in der Umgebung Brandenburg's wiedergeben. Dieselben sollen
als Fortsetzung des früheren, von den HHrn. A. Voss und G. Stimming heraus-
gegebenen Atlasses voröfTentlicht werden. —
Hr. M. Bartels zeigt wohlgelungene Photographien von der Excursion. Ebenso
hat Hr. Erwin Müller eine Reihe vortrefflicher Moment- Auf nahmen hergestellt —
Hr. Stadtrath Rränkel in Brandenburg hat 3 photographische Aufnahmen des
romanischen Capitells von der Hauptsäule der Krypta des dortigen Doms ge-
schenkt. —
(10) Am 22. Juni hat die Gesellschaft die Transvaal-Ausstellung am
Savigny-Platz unter Leitung des Hm. Ohnefalsch-Richter besucht. Mit grossem
Interesse wurden die dort aufgeführten Gebäude und das bunte Gemisch von Leuten
der verschiedensten Stämme beschaut
Hr. M. Bartels hat folgendes Verzeichniss der letzteren aufgenommen: 6 Cap-
Mädchen (Mischlinge), 1 Farmer mit Frau und 2 Kindern, 1 Missionar, l Boer mit
Frau und 6 Kindern, 1 Hottentottin mit Kind, 2 Zulu-Mädchen, 47 Basuto (darunter
25 christliche), 4 Bawenda, 6 Maquamba, 1 Swazi, 24 Hindu aus Natal.
Mit besonderem Interesse wurden die christianisirten Eingebomen und die
intelligente Leitung derselben durch ihren deutschen Schulmeister beobachtet —
(313)
(11) Am 23. Jani führte der Director des Passage-Panoptkams, Hr. Neamann.
die sogenannten Rinder der Wüste, angeblich Einwohner der Sahara, vor. Nach
der Aussage des Impresario waren es Beduinen der Oase Tugort, Tnaregs ans
üargla, FVaoen ans Biskra and marokkanische Schlangenbeschwörer. Die Leute
machten ihre Sachen recht geschickt Die Sicherheit, mit welcher die Frauen den
„Bauchtanz" ausführten und bei geringer Anspannung der Muskeln die Bauch-
Eingeweide hin- und herwälzten, erregte grosses Ei^taunen. —
Hr. M. Bartels legt Photographien der Leute vor. —
(12) Hr. A. ßässler sendet aus Papeete, 11. Mai, folgenden neuen Bericht
über seine
poljmesische Reise.
Bei einem zweiten Besuche der Cook-Inseln habe ich auf Mangaia —
vergl. meinen Brief vom September 1896 — in einigen neu aufgefundenen Höhlen
folgende, von hier abgehende, vorzüglich erhaltene Schädel erhalten: In der Nähe
von Oneroa in einer Höhle Namens Kauwawa: Nr. 130/130 und Nr. 131/131;
in der Nähe von Tamarua in einer Höhle Namens Uko: Nr. 132/132, 133, 134;
in einer Höhle Namens Ruanau: Nr. 135/135, 136/136, 137/137, 138/138. -r
Nr. 137 und 138 waren zusammen bestattet.
Von den Gesellschaft s-Inseln kann ich heute leider keine Schädel bei-
fügen. Drei in Tahiti besuchte Höhlen wiesen keine Schädel auf. In einer
gelang es nur, etwa 100 m weit vorzudringen, doch war der Grang dann durch
herabgefallenes Gestein verschüttet Nach Aussage alter Leute sollen sich weiter
hinten drei Räume befinden, in deren einem einst Männer, im zweiten Frauen und
im dritten Rinder beigesetzt worden waren.
Bei einem Versuch, aufMoorea zu einer Höhle emporzuklimmen, die sich in-
mitten einer hohen, senkrecht steilen Felswand befand, bin ich leider, gerade als ich
die Höhle mit den darin ruhenden Schädeln zu Gesicht bekam, durch Nachgeben
des vom Regen gelockerten Gesteins abgestürzt, wodurch die weiteren Nach-
forschungen zu einem plötzlichen unfreiwilligen Stillstand gelangten. Ich werde
aber versuchen, auch diese Schädel für die Wissenschaft zu retten, sowie ich nur
erst wieder gehen kann. —
Der Vorsitzende wünscht dem fleissigen und sonst so glücklichen Forscher
schnelle Genesung. —
(13) Hr. W. Krause berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden aus
Adelaide, 25. Mai, über seine
weitere Reise im Osten.
Am heutigen Tage bin ich in Adelaide glücklich angekommen. In Ceylon sah
ich, ausser den Wundem tropischer Vegetation, Tamilen und Singhalesen; erstere
fallen durch ihre Nasenbreite auf; von letzteren bringe ich eine Haarprobe mit.
Die kleinen Dörfer der Singhalesen und die Still-Leben darin fand ich höchst
interessant. An die Rikshaws, die von einem Manne gezogenen zweiräderigen
Rarren, gewöhnt man sich leicht; merkwürdig genug nehmen sich dazwischen die
weissen Velociped- Fahrerinnen aus. In Colombo lernte ich ein Mitglied des
dortigen Parlaments kennen. Ceylon hat ausgedehnte Selbstverwaltung, grosse Zei-
tungen und ein Wahlsystem, das, wie es scheint, mehr die Nationalitäten, als die
Religionen, zur proportionalen Vertretung zu bringen strebt. Leider sind die
(814)
Weddah'8 darin zur Zeit noch unvertreten, sonst könnte man sie bequemer stadiren;
ich kanfke ein Paar sehr schöne Photographien von Männern.
In Albany, an der Südwestecke von Australien, sah ich den ersten Schwanen,
Portier an der Eisenbahn -Station. Einen anderen schwarzen Eisenbahn- Arbeiter
redete ich englisch an, aber zu meinem Erstaunen antwortete er in fliessendem
Französisch, er sei kein Anstralier, sondern Ton der Insel Mauritius. Mit solchen
Leuten muss man Torsichtig sein: meist sind es von Neu-Caledonien entlaufene
Sträflinge, bei deren Flucht die französischen Behörden ein Auge zudrücken; sie
sind froh, wenn sie diese Leute loswerden. Interessant waren Quarzstttcke mit zahl-
reichen Gk)ldadem, von der Breite eines Zolles, aus den Minen Ton KoolgMie, die
ein Passagier mit sich fahrte.
Sehr merkwürdig ist die feierliche lautlose Stille, die sofort eintritt, wenn man
allein in den australischen Busch mit seiner Vegetation gelangt. Sie erinnerte an
die Ruhe im Hochgebii^e oder im Luft-Ballon. Von dem Erdbeben in Adelaide,
am 17. Mai, haben wir unterwegs nichts bemerkt
In Adelaide sah ich das Skelet eines Falles Ton Myositis ossificans, welchen
mein Freund, Professor der Anatomie Watson daselbst, früher beschrieben hat;
er betrifft einen englischen Australier. Die Fascia lumbodorsalis unterhalb des
M. trapezius war beiderseits in eine grosse Knochenplatte umgewandelt, ebenso
waren der M. serratus posterior inferior rechterseits und der rechte M. deltoides
verknöchert.
Sie erhalten diesen Brief über Melbourne, wohin ich mich zxmächst begeben
habe. —
(14) Hr. R. Yirchow übergiebt für das Photographie-Album der (Gesellschaft
ein Bild des verstorbenen Mitgliedes H. Eyrich (vergl. S. 83). —
(15) Hr. M. Bartels theilt mit, dass der um die Forschung auf dem Gebiete
der ungarischen Urftscherei, der Urjagd und des Urhirtenwesens hochrerdiente
„Ohef der ungarischen omithologischen Centrale," Herr Otto Her man in Budapest,
ihm die erfreuliche Anzeige gemacht hat, dass die königl. ungarische Regierung
für die Fortsetzung der Forschungen über die „Urbeschäftigungen^ jährlich 3000 fl.
bewilligt habe und dass die Arbeiten am 1. October d. J. beginnen sollen. —
(16) Hr. W. Radioff theilt in einem Briefe an den Vorsitzenden aus
Martyschkino bei Oranienbaum vom 15./27. Juni mit, dass er seine endgiltige Bear-
beitung der alttürkischen Inschriften beendigt und ein Exemplar derselben
für die Bibliothek der Gesellschaft hat absenden lassen. —
(17) Der Vorsitzende berichtet, unter Verweisung auf die Mittheilungen
S. 122, über den Fortgang der Unteriiandlungen über den
Schlossberg bei Burg an der Spree.
Der Herr Unterrichts-Minister übersendet unter dem 24. Juni folgende Acten-
stücke:
1. Abschrift des Protokolls über den am 12. Apnl in der Sache abgehaltenen
Localtermin:
Anwesend Seitens des Königlichen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts-
und Medicinal-Angelegenheiten: Geheimer Gber-Regierungsrath Persius, Geheimer
Regierungsrath v. Moltke, Director der vorgeschichtlichen Abtheilung des König-
(315)
liehen Maseums £u Berlin Dr. Voss, Provincial-Conservator fClr Brandenburg,
Landes-Baurath, Geheimer Baorath Bluth; Seitens des Königlichen Ministeriums
der öffentlichen Arbeiten: Geheimer Gber-Regierungsrath Francke^ Geheimer
Bamrath v. Dömming; Seitens der Königlichen «Regierang zu Frankfurt a. 0.:
Geheimer Regierungsrath Baudouin, Geheimer Baurath Kröhnke; als Vertreter
des Kreises Cottbus: Landrath Freiherr v. Wackerbarth; als Vertreter des Kreises
Lttbben: Landrath Graf von der Schulenburg; Seitens der Königlichen Eisen-
bahn-Direction Halle a. S.: Regierungs- und Baurath Bischof, Regienmga-Assessor
Kasak; endlich der Unternehmer Becker.
Zwecks Erörterung über die Zulässigkeit der von dem Unternehmer einer
Kleinbahn Lttbben-Byleguhre-Burg-Werben-Cottbus in Aussicht genommenen Durch-
schneidung des Schlossberges bei Burg hatten sich die Vorbezeichneten heute
nach dem Schlossbei^ begeben. Seine Tom Unternehmer beabsichtigte Durch-
schneidung war abgesteckt. Die Gommissare der yorstehend angegebenen Oentral-
stellen waren übereinstimmend der Ansicht, dass durch eine, gemäss dieser Ab-
steckung ausgeführte Linie, welche den Be^g auf seiner westlichen Seite ungefähr
100 m von dem westlichen Fusse durchschneiden würde, die äussere Gestaltung
dieses altehrwürdigen Denkmals der Vorzeit wesentlich beeinträchtigt werden
würde und dass es sich deshalb wohl rechtfertigen lassen dürfte, die landes-
polizeiliche Genehmigung für die abgesteckte Linie auf Grund der Ziffer 2 des § 4
des Kleinbahn-Gesetzes Tom 28. Juli 1892 zu versagen.
Weiter wurde allseitig anerkannt, dass eine in östlicher Richtung um den
Schlossberg an dessen Östlichem Fusse anzulegende Linie wegen der sich aus der
Oertlichkeit und der Kostspieligkeit der Ausführung ergebenden Schwierigkeiten
nicht wohl in Betracht kommen könne. Es wurde deshalb in eine Erörterung über
eine Linie eingetreten, welche unter Vermeidung jedes Einschnittes des Schloss-
berges in westlicher Richtung herumzuführen sei. Der Unternehmer und der
Landrath Graf von der Schulenburg erklärten indessen übereinstimmend, dass
durch diese Linienführung die Kosten des Bahnbaues, da dann die sehr be-
deutenden, zur Aufschüttung des Bahnkörpers über die niedrig belegenen Wiesen
erforderlichen Erdmassen aus weiter Entfernung herangeschafft werden müssten,
um 20- bis 30 000 Mk. erhöht werden würden und dass dann der ohnehin wenig
leistungsfähige Kreis Lübben, auf dessen Kosten die Kleinbahn hergestellt werden
solle, übermässig belastet werden würde.
Diese Begründung erschien nicht ungerechtfertigt. Es ist ausserdem zu berück-
sichtigen, dass der gesammte Schlossbeig sich im Privat-Eigenthum befindet, dass
der Unternehmer nach seiner glaubwtirdigen Angabe sich ein Vorkaufsrecht daran
gesichert hat und dass eine gesetzliche Bestimmung, auf Grund deren die Ent-
nahme von Erde aus dem Schlossberge gehindert werden könne, nicht besteht
Eine Gewähr dafür, dass der Schlossberg, wenn die Kleinbahn um ihn herum-
gefährt wird, dauernd in seinem gegenwiuügen Zustande erhalten bleibt, ist mithin
nicht gegeben.
Aus diesem Grunde wurde erwogen, ob es nicht angängig sei, die Kleinbahn
an einer Stelle durch den Schlossberg zu leiten, welche zwar dem Unternehmer
die Entnahme von Erdmassen aus ihm gestattet, gleichwohl aber seine Gesammt-
erscheinung thunlichst wenig zu beeinträchtigen geeignet ist und den Bestand des
Berges dauernd sichert Eine Lösung nach diesen Richtungen gewährt der Um-
stand, dass die Umwallungen des Berges in der Richtung von Nord nach Süd an-
scheinend zwecks Ausfüllung des Lmem des Burgwalles so stark und in solcher
Breite abgetragen sind, dass die Conturen des Berges daselbst im Norden und
(316)
Süden röllig verwischt und an Stelle der ümwallungen leicht ansteigende Böschungen
getreten sind, über welche ein Fahrweg führt Anf die Erhaltung dieses Theiles
des Schlossberges in seinem gegenwärtigen Znstande ist daher kein Werth zu
4egen. Dementsprechend erscheint es unbedenklich, die Kleinbahn an dieser Stelle
— also in einer Entfernung von ungefähr 55 — 60 m in östlicher Richtung von der
vorgedachten abgesteckten Linie — durch den Schlossberg hindurchzuleiten und
dem Unternehmer die Entnahme von Erde auf der zu durchschneidenden Strecke
unter der Bedingung zu gestatten, dass er Sicherheit bezüglich der dauernden Er-
haltung der übrigen Theile des Schlossberges in seinem gegenwärtigen Zustande
bestellt Der Unternehmer hat sich bereit erklärt, auf diese Bedingung ein-
zugehen. Zur Beglaubigung (gez.) Francke.
2, Abschrift der darauf erlassenen Verfügung vom 1. Mai:
Bei Anschluss einer Abschrift der Niederschrift über das Ergebniss der
commissarischen Berathung vom 12. v. Mts., betreffend die Zulässigkeit der vom
Unternehmer der projectirten Kleinbahn Lübben-Byleguhre-Burg-Werben -Cottbus
beabsichtigten Durchschneidung des Schlossberges bei Burg, erklären wir uns mit
dem Vorschlage, nach welchem die Linie der Kleinbahn in einer Entfernung von
ungefähr 55 — 60 m von der nach den Projectzeichnungen in Aussicht genommenen,
in dem Localtermin durch Absteckung ersichtlich gemachten Linie durch den
Schlossberg hindurchzuleiten ist, imter der Voraussetzung einverstanden, dass der
Unternehmer zwar an der Entnahme von Erde auf der hiernach auszuführenden
Strecke nicht zu hindern ist, indessen Sicherheit bezüglich der dauernden Er-
haltung der Gestaltung der übrigen Theile des Schlossberges im gegenwärtigen
Znstande zu leisten hat. Ob die Sicherheit durch Bestellung einer Gaution oder
durch grandbuchliche Eintragung auf den sämmtlichen zum Schlossberge gehörigen
Grundstücken zu Gunsten des Fiscus zu bewirken ist, überlassen wir Ihrer Ent-
scheidung.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten: Im Auftrage (gez.) v. Zedlitz.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten :
Im Auftrage (gez.) Schöne.
An den Königlichen Begierungs-Präsidenten Hm. v. Puttkamer,
Hoch wohlgeboren, zu Frankfurt a. 0.
(18) Hr. H. Jentsch übersendet aus Reichenhall, 15. Juli, folgende zwei
Berichte über
Funde aus römischen Wohnstätten unter dem Zwiesel in Ober-Bayern
und Neolithisches von An bei Hammerau, Bezirk Traunstein.
L
Zu den Funden aus römischen Brandgräbern, die Hr. v. Ghlingensperg-
Berg auf einem der östlichen Vorberge des Zwiesels bei Beichenhall geöffnet
hat, sind von Hm. Kaufmann Joseph Maurer, dem glücklichen Entdecker jenes
Grabfeldes, von dem er 19 Grüfte ausgehoben hat'), in der geringen Entfernung
von 40 m die Reste der Wohnungen ermittelt worden, und zwar sind bis jetzt
3 Hausstätten festgestellt, von deren einer die Fundamente vortrefflich erhalten
sind. Hr. Maurer, der in früher Jugend für die Aufsammlung vorgeschichtlicher
1) Der Inhalt befindet sich im Münchener National-Musenni , wie die Grabfunde des
Hm. V. Chlingensperg, von ihm veröffentlicht Brannschweig 1896; vgl. Globus, Bd. 70,
S. 40. — Münchener Allgem. Zeit 1895, Beil. 9.
(317)
Xiederachläge interessirt worden ist, hat mit grosser Sorgfalt and mit, durch lange
Uebung geschultem Blick die Ausgrabung vorgenommen und die einzelnen Stücke
genau verzeichnet. Die reiche Ausbeute, die er in und bei den Hausstellen ge-
wonnen hat, — ein bisher vor den Blicken Fremder streng gehüteter Besitz, — ist
mir durch seine Güte in ihrem ganzen Umfange bekannt geworden; auch hat er mich
an Ort und Stelle über die Lage der Wohnräume und der gefundenen Stücke ein*
gehend unterrichtet, wofür ich ihm hier verbindlichsten Dank sage.
Die Siedelung liegt am Westrande des vormals jedenfalls wasserreicher ge-
wesenen Saalach-Thales, von Salzburg etwa 20 km weit nach Westen vorgeschoben.
Der Gaisbeig ist von jenem Zwiesel-Ausläufer deutlich erkennbar. Das grösste der
Häuser hat, von SSW. nach ONO. gerichtet, eine Längsausdehnung von 19, eine
Breite von 15,85 wi. Die Grundmauern sind im Boden 40 — 70 cm hoch erhalten;
sie sind nach genauer Aufnahme 0 und Durchsuchung wieder mit Erde bedeckt
worden. Die Wohnräume und Schlafzinmier im NW. und SO., rechts und links
vom Atrium gelegen, ruhen auf zwei mittleren und je einer seitlichen Längsreihe von
5, bezw. 6 Pfeilern mit quadratischem Durchschnitt (Grundlinie 40 cm\ und sind bis
zur Höhe von 40 cm erhalten. Hier befinden sich Hypokausten, deren Wände zum
Theil aus Tufibtein bestehen, welcher in der nächsten Umgebung gebrochen wurde.
Von den aufsteigenden Röhren sind viele Bruchstücke vorhanden, deren Aussen-
kanten abgerundet sind, deren Oberfläche mit rostralartigen Geräthen gefurcht ist,
um den Bewurf leichter festzuhalten. 5 m vom Hauptgebäude nach N. entfernt
lag das 3,60 m lange, 3 m breite Bad, dessen Fussboden ein etwa 4 cm dicker,
rother Estrich bedeckte. Auch von dem ebenfalls rothgefärbten Wandbewurfe
sämmtlicher Räumlichkeiten, wie von den etwa 2 cm dicken Dachziegeln sind viele
Brocken und Platten erhalten. — In 3 m Entfernung lag östlich das zweite Ge-
bäude, das zum grössten Theile zerstört war, doch noch in Länge von 8 und
in Breite von 4 m aufgedeckt werden konnte; das dritte war, 15 m weiter südlich,
nur noch in Spuren des Mauerwerks erkennbar. — Westlich von dem ersten Bau
ist die jedenfalls schon in alter Zeit benutzte Quelle wieder erschlossen worden,
die, zwischen jenem Gebäude und dem Bade fortgeleitet, ihr Wasser an einen
nordwärts rinnenden Bach abgiebt, aus dessen Uferrändern wir mehrere Thon-
Scherben herauslösen konnten.
Deren Gesammtzahl ist sehr beträchtlich. Viele haben sich wieder zu Ge-
fassen zusammenfügen lassen. Sie sondern sich in 3 Arten. Die Gebrauchs-
ge fasse sind schwarzgrau, meist aas grober, körniger Masse hergestellt, nur zum
Theil aus geschlemmtem Thon, dann fest und glatt. Alle sind, wie die wage-
rechten Innenforchen zeigen, auf der Töpferscheibe geformt. Bei nicht wenigen,
auch sehr dicken, ist das Material mit Graphit durchknetet. Die Form ist schlicht:
ein 30 cm hoher Topf z. B. ist über der mittleren Höhe massig ausgewölbt und
schliesst, unter dem Rande eingezogen, mit verdicktem Saume ab; bis auf den
glatten obersten Streifen ist die Oberfläche durch senkrechte Furchen, die mit
einem mchrzinkigen Geräthe gezogen sind, rauh gemacht, wie oft auch bei nord-
deutschem Geschirr der provincial-römischen Zeit. Ein zweites, schlankeres Gefäss
öffnet sich über dem Boden (9 cm Durchmesser) konisch, wölbt sich dann in
Höhe von 8 cm massig aus, ist unter dem Rande gleichfalls eingezogen und schliesst
nach aussen gebogen mit einer 16 cm weiten Oeffnung. Gleich der Form erinnert auch
die Verzierung dieses, wie zahlreicher anderer Gefässe, an die Wendentöpfe der
nordischen Rundwälle (Fig. 1). Sie besteht nehmlich bei jenem Exemplar in einer
1) Ein Modell im Verhältniss 1 :40 hat Hr. Maurer hergestellt.
(318)
siebenzeiligen 'Wellenlinie mit fiacben Cnrren anterhalb des Randes. Nicht selten
ist dies Ornament in Bo^n aurgelöat, deren Enden abwecbselnd anter und Aber
einander greifen, so z. B- bei einer Schüssel von 8 cm Höhe, deren Rand breit-
gedrUckt nnd seicht ausstieß ist. Bei einem ßmcbstUcke sind anter dem nach
aoasen geklappten Saume, der seitlich scharf abgestrichen ist, zwei Reihen ein
wenig schräg gestellter, nach nnten ausgezogener Einstiebe als Verzierung ver-
wendet, bei anderen kimtige Zickzacklinien: das Wolfszahn - Ornament. Einer
8 cm tiefen Schale sind nar 7 wagerechte, nicht scbranbenfSrmige Forchen ein-
gestrichen. Tapfen ist bisweilen nur unter der Halseinschnttrung ein Wnlst an-
gelegt. Bei einem weitbaachigen Oefösse war die Aaswölbong senkrecht gerippt
(Fig. 2). Blnmentopfßirmige Bruchstücke von 8 — 10 em Höhe zeigen auf der Tnnen-
Fig. 1. Fig. 2.
seile des Bodens einen 1—1,5 cm hohen Drehzapfen. Eine dicke weisse SchUssel
von 30 cm oberem Durchmesser, mit einer Ausgusstülle versehen, ist aof der Innen-
seite durch dicht aneinander eingedruckte Steinbrocken ranb gemacht und gleicht
daher den gegenwärtigen Rcibeschalen. Quer über den Rand läuft, oben und
unten von schriigen, heranstretenden Strichen begleitet, die Stempel-Inschrift
PIR-MEPAVO.
Derartiger Stempel bieten uns 15 die Gefässe der zweiten Gruppe, theils
dickwandiger, tbeila sehr dUnu hergestellt aus terra sigillata, Töpfcben und
namentlich Schalen; die Hitte der Innenseite des Bodens zeigt, allerdings
verwischt, wenn diese in die Böhe gedrückt ist, folgende Namen -Stempel:
OPCflcina) PRIMI, OPPGER, . . AHC . ., QVINTI ■ M(anibus), . ONGI ■ M,
. . IIR(oderN)IOI, CIA • ARVIO, . . PRV^, . . VILTM ..... AETI (die letzleren
beiden Schalen haben im Abstand von etwa i cm vom Namen ein dichtes, seichtes,
strahligea Ornament); . . VIA(oderN)I . . V., IPAAC1R0')E(?)CI M (nndentlich,
weil Über die buckelartige Mittel erb ebnng geführt), ..HOlCO oder ..NIDICO
(nicht genau in der Mitte); schräg über den 4 crn breiten oberen Streifen der
Aussenwand einer grossen, tiefen Schale läuft so, dass die Köpfe der Buchstaben
nach unten gerichtet sind, die verwischte Stempel -Inschrift ARVEX. Ein-
gekritzelt ist dem oberen Aussenrande einer Schale . . SISIA, dem einer anderen
..ATI.., nuf der Aussenseito eines Bodens ..H.. Die Aussenwand fast aller
dieser Gefüssc der 2. Gruppe trügt Bilderstempel von grosaler Mannich faltigkeil:
Bogen, Guirlandcn, Eierstäbe, Blätter, Thier- und Menschengestalten, z. B. kämpfende
Gruppen. Auch ein hohler Vogel, 5 cm lang, 6 cm hoch, ist aus dieser feinen
rothen Masse hergestellt.
Spärlicher vertrelen ist die dritte Gcfussart, durchwog sehr dünnwandig, im Bruche
roth, aussen schwarz, verziert mit aufgcpressten ArubcsNcn und Blumengruppen.
(319)
Nidit minder zahlreich; als die Thonscherben, sind die ans gelblichem nnd
gHInlichem Glase, deren einer, entweder aus dem Boden einer Flasche oder,
senkrecht gestellt, ans deren kantig abgesetzter Seitenwand heraustretend, die In-
schrift . . BUCI und darunter einige schmale Blätter zeigt Andere gehören zu
zierlichen Schälchen, Henkelfläschchen und flachen Tellern mit ausgelegtem Rande.
Ton Wirthschaflsgeräthen ist ferner eine mörserartige Steinmühle in Höhe von
35 — 40 cm erhalten, ein kreisförmiger, durchbohrter Mtihlstein ron 60 cm Durch-
messer, von Metall, und zwar aus Eisen: viele Hesser, zum Theil von be-
trächtlicher Grösse und Breite, längere und kürzere Schlüssel mit rechtwinkelig
angelegtem Barte, einzelne noch im Schlosse mit künstlichem Eingeriohte,
Retten, Nägel, Haken, Hammerstücke, ein langer, schmal löffeiförmiger Hohl-
bohrer, einfache chirurgische Instrumente, Pferdetrensen, eine einzelne Speer-
spitze von 19 cm Länge; aus Bronze: Resselblech, Gefösshenkel, eine Glocke,
PfHemen und Griffel, die aber auch aus Knochen hergestellt gefunden sind. Von
Schmucksachen liegen grüne und blaue Glasperlen vor, aus Bronze Beschläge,
Rosetten, ein Hufeisen mit anhängendem durchbohrtem Steinplättchen, Zierscheiben,
ein Fingerring mit verbreitertem Mitteltheile, ein flach aufliegender Ring mit ein-
gelegtem Triquetrum, zwischen dessen Schenkeln je ein Knöpf eben mit centraler
Oeffnung in den ausgesparten Raum hereinragt, mehrere kräftige Fibeln mit fast
geradlinigem Bügel (vergl. Almgren, Nordeurop. Fibelformen, Taf. XI, Fig. 237),
zum Theil mit durchbrochenem Nadelhalter; die Sehne liegt frei über der Spirale
(Fig. 3). Aber auch kleinere, einfachere und Bruchstücke sind vorhanden. Den
Mechanismus der Armbrust-Fibel zeigt ein Exemplar, dessen Bügel eine Taube
darstellt (Fig. 4); dieser ist 4 cm lang und an der Unterseite völlig eben; dem
Fig. 3. Fig. 4.
Rücken der Yogelgestalt sind 7 und 8 gescheitelte, nach dem Thierkopfe hin aus-
einandergerichtete Linien eingefurcht. Unter dem Brusttheil ist der lappenförmigc
Nadelhalter, unter dem Ansätze der Schwanzfedern die schmale Spirale befestigt,
der die Sehne dicht anliegt, nach der Seite des Nadelbalters hin.
64 Münzen aus Silber und Bronze, grossentheils mit verwischtem Gepräge,
doch für Nerva, Trajan, Antoninus Fius, Marc Aurel, Faustina jr., Commodus, Marcia,
Septimius Severus (aus den benachbarten Gräbern auch für Geta) nachweisbar,
weisen den gesammten Fund dem 2. und 3. Jahrhundert zu. Die Zerstörung der
Anlagen ist sicher durch Feindeshand erfolgt, wahrscheinlich durch eindringende
Germanen; denn es ist begreiflich, dass der Besitz der Salzquellen zu allen Zeiten
viel begehrt und umstritten war. Die Thierfibel verräth wohl gallokeltischen
Einfluss. —
n.
Diese Anziehungskraft der salzigen Wasser hat wohl auch schon mehr als ein
Jahrtausend früher die Besiedlung einer nur 10 hn weiter stromab inselartig im
damaligen Saalachbett gelegenen Anhöhe zur Folge gehabt, des sogenannten Au-
högels, südlich vom Weiler Au, bei der Eisenbahn-Station Hammerau,
(320)
zwischen Beichenhall und Traunsteis. Er wird östlich noch jetzt fast un-
mittelbar vom Flusse gestreift, über dessen Bett er sich ungefähr 10 m, im nörd-
lichen Theile noch etwas höher erhebt, und ist etwa 320 m lang. Bei seiner Ab-
geschlossenheit und Uebersichtlichkeit ist es dem Besitzer Hm. Bäckermeister
P^ter Lichtenecker in Au, der ^U der gesammten Oberfläche bis auf den in der
Mitte Vs) nach den Rändern hin 1 m unter der Oberfläche liegenden Ralkfelsen durch-
graben hat, geglückt, sämmtliche Funde, unter denen die Steingeräthe überwiegen,
zusammenzuhalten, Ton denen sich jetzt das zuerst gefundene Drittel (420 Gegen-
stände und etwa 1000 Abfallsplitter) im Bezirks-Museum zu Traunstein befinden;
130p bearbeitete Geräthe, eine noch grössere Zahl von Feuerstein-Splissen, etwa
50 gm Thonscherben und 10 gm Rnochenreste bilden die Sammlung des Hrn.
Lichtenecker. Da die Stücke mit so gewissenhafter Sorgfalt gesammelt
and aufbewahrt worden sind, dass auch nicht ein Scherben im Boden zurück-
geblieben oder verloren gegangen ist, so giebt dieser Bestand, in Verbindung mit
jener ersteren Fundgruppe, ein ganz genaues Bild des Besitzes und der Arbeits-
Erzeugnisse der Bewohner dieses Platzes während der neolithischen Periode mit
den ersten Spuren der anbrechenden Metallzeit. Zu der Hauptmasse der Stein-
und Knochenfunde treten nehmlich für die Gruppe des ersten Drittels 3 zu Traun-
stein befindliche, fär die zweite Gruppe 14 in Au aufbewahrte Bronze-Gegenstände.
In dem Kalkstein des Felsens findet sich Feuerstein eingesprengt; ein Theil
des verarbeiteten Materials war daher sehr bequem zu finden. Ausser diesem ist
von krystallinischen Geschieben Granit und Serpentin, auch Basalt verarbeitet
Die Arten der gefandenen Gegenstände sind folgende:
I. Aus Stein: 1. Flachbeilchen, namentlich aus Feuerstein, der zum
Theil sehr schön gebändert ist, theils kurz (7 — 8 cm lang) und fast rechteckig
(Fig. 9 und 10), mit gerundeten Kanten, theils länger und vom Schaftende her
verbreitert (Fig. 8). Ein Stück gleicht einem recht massiven Steinmeissel; es
ist 8 cm lang und 3 cm breit Die Gesammtzahl beläuft sich ausser missrathenen
und beschädigten Stücken fast auf 100. — 2. Kleiner ist die Zahl durchbohrter
Hämmer: Zwei mit gedrungenem Schaft, beide, in der Mitte verstärkt und fast
geknickt (Fig. 10), ähneln dem von Ranke (Anleitung zu anthropologisch-vor-
geschichtlichen Beobachtungen, S. 16, Fig. 6) dargestellten Exemplare und durch die
flache, übergreifende Kappe bis zu einem gewissen Grade den Hämmern der
schlesischen Steinzeit; das Bohrloch von 2,2 — 2,5 cm Weite ist über der Biegungs-
stelle angebracht Beide waren zerbrochen. Der eine, von 14,4 cm Länge, besteht
aus Granit, der zweite, feingeglättete aus Serpentin. Ein anderes, sorgfältig be-
handeltes Bruchstück zeigt eine herausgearbeitete Längsleiste. Mit unfertiger Durch-
bohrung sind 4 Stücke gefunden, eines von ihnen wohlerhalten, die anderen (1 aus
Sandstein, 2 aus Serpentin) zerbrochen. In einem ist der Mittelzapfen noch im
Bohrloche vorhanden. — 3. Geglättete Schwingkugeln, auch als Netzsenker auf-
gefasst, durchbohrt oder nur mit umlaufender Einschnürung (Fig. 7), die sich nicht,
wie bei dem Exemplar in Sophus Müller, Nord. Alterthumskunde, S. 145, Fig. 65
scharfkantig absetzt: vergl. Verhandl. 1894, S. 329 f., 1895, S. 136. Bei einem
13 cm breiten Stück dieser Art ist die obere Seite flach abgerundet, der durch eine
Einschnürung abgetrennte entgegengesetzte Theil dagegen zeigt eine unebene Bruch-
fläche; das Material ist gelbgrau gesprenkelter Granit. — 4. Klopf steine, grob
cylindrisch, Getreidequetschern ähnlich, wie sie aus den Gräberfeldern von Burg
(im Museum zu Gottbus), Starzeddel [in der städt. Gymnas.-Alterthümer-Samml. su
Guben, abgebildet in Verhandl. 1885, S. 561, Fig. 9 u. 10) und im heiligen Lande
zu Niemitzsch vorgekommen sind. Ein Theil der 36 Geräthe dieser Art war viel-
(321)
leicht auch zu Reibsteinen bestimmt. Ein 25 cni langer, 10 — \2 cm breiter grau-
schwarzer Stein zeigt muschelartige . Schleifgruben. Kopfgrosse Steine mit einer
ganz glatt geriebenen ebenen Fläche wurden wahrscheinlich gleichfalls zum Ab-
schleifen und Poliren benutzt. Hier sei auch eipes durchbohrten, flachen und
runden Mühlsteins gedacht. — 5. Von nur geschlagenem, nicht geglättetem Feuer-
stein-Geräth sind ausser den Pfeilspitzen, theils mit mehr oder weniger aus-
gebildeten Widerhaken (Fig. 3 u. 4), theils nur mit massiger Einwölbung des Schaft-
n
t,
i»
1^'
t
1. 8
0
a
I
a
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/^^
endes (Fig. 5 u. 6), vier halbmondförmige Schaber, 15 an lang, und namentlich
die unfertigen Speerspitzen zu erwähnen, weil sie von der Art der Herstellung
ein deutliches Bild geben und besonders die Symmetrie in der Ausführung dieser
und ähnlicher Stücke erklären. Es finden sich nehmlich linealartige Feuer-
steinstreifen, allseitig glatt geschliffen, jetzt mit einer grauen Oxydationsschicht
überzogen, z. B. von 14,7 cm Länge und 1,8 cm Breite, etwa 0,7 cm dick (Fi^l).
Aus einem derselben ist bereits in Länge von 6 cm die Speerspitze herausgearbeitet,
während der untere Theil von 4,3 cm Länge und 3,2 cm Breite rechteckig geblieben
Verti«Dül. der U«rl. Anthropol. Oesellscbaft 18V7. 21
(322)
ist (Fig. 2): das Stück ist nicht vollendet worden, weil die 1 cm lange Spitze ab-
gebrochen ist. Auch ein in dieser Weise hergestelltes Hesker mit einseitiger
Schneide ist vorhanden. An prismatischen Messerchen sind 262, an breiteren
Schabern 287, an Bmchsttlcken ab^r, die als Abfälle der Arbeit anzusehen sind,
2100 gezählt worden; dazu kommen prismatische Steinkeme in grosser Zahl.
U. Als Zengniss der Metall-Bearbeitung liegt ein 20 cm hoher, graphit-
haltiger, dicker Schmelztiegel vor, von dem getrennt ein 2,5 cm dickes, 8 cm langesT
Ausgussrohr erhalten ist Ihm wäre ein faustgrosses Stück Graphit anzureihen. Die
Zahl der Metaligeräthe beträgt, wie bereits bemerkt, 14. Als Kupfer oder äusserst
zinnarme Bronze wird vom Ober -Amtsrichter a. D. Franz Weber, frtlher in
Reichenhall, jetzt in München, der zuerst auf die Fundstelle und ihre Erträge in
den Beiträgen zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns, sowie \n der Augs-
burger Allgemeinen Zeitung (1894, Nr. 297, 27. October) hingewiesen hat, ein Flach-
celt^) von 9 cm Länge bezeichnet (Fig. 12), am Schaftende 2,3, zwischen den Spilsen
der nur 8 mm weit vorgewölbten Schneide 3,7 cm breit; die mittlere Stärke be-
trägt 6 mm. Nadelschäfie ohne abschliessenden Knopf, zu denen vielleicht eine
Gussform in einem Sandsteinstücke von röthicher Farbe passt, sind 7 vorhanden').
Von einer scheibenförmigen Drahtspirale sind 3*/, Umläufe erhalten. Ein halbmond-
förmiges Messerchen (Fig. 13 a) ist 6,7 cm lang und deutet wohl auf sparsame Ver-
wendung des kostbaren Metalls hin. Hierzu tritt ein unregelmässiges Bronze-
Plättchen und ein wohlerhaltenes, massig geschweiftes Sichelmesser von etwas
mehr als 15 cm Länge, dessen Griff in einen flach aufliegenden Ring ausläuft.
Das umfänglichste Stück ist ein 20 cm langer Schaftlappcn-Celt, dessen oberes
Ende in der Mitte eine kleine halbmondförmige Einbiegung zeigt. Die Schneide
tritt nur wenig vor; die flügelartigen Ansätze sind in Form eines Kreisabschnittes
massig übergebogen und berühren einander nicht.
m. Aus Knochen sind 10 Pfriemen und ein flacher Spatel, überdies ein zu
einer Stosswaffe geeignetes Gferäth hergestellt; ähnliche Bearbeitung zeigen Hirsch-
zacken und ein Rehgeweih. 3 Hirschgeweih-Stücke sind nach Absprengung einer
Sprosse glatt durchbohrt (Durchmesser der Oeffnung 2 cm). Schnittspuren zeigen
auch andere Knochen und Geweihreste.
lY. Von Thongeschirr sind zwei Gefässe leidlich erhalten: ein bauchiger,
10 — 12 cm hoher, trotz seiner Bisse durch die erdige Masse in demselben zu-
sammengehaltener Topf, der auf der änssersten Auswölbung Gruppen von je 7
dünnen, senkrechten, 2 cm langen Strichen trägt, und ein Kännchen') von etwa
9 cm Höhe, dessen oberer Rand dem Henkel- Ansatz gegenüber ausgebrochen ist
(Fig. 14). Der Gefässkörper ist in mittlerer Höhe fast kantig umgebogen. Eine
dicke, flache Thonschale von grauer Färbung deutet durch die Abbruchstellen von
4 Füssen auf ein tiegelartiges Geräth hin, das vielleicht beim Metallschmelzen Ver-
wendung fand. Ein Topfboden von 8 cm Durchmesser zeigt eine nicht in der
1) Die Form ist schlanker, als das von Mach (Die Enpfeneit in Europa, 2. Aufl.,
S. 12, Fig. 5) abgebildete Beil aus dem Mondsee, von gleichfalls 9 cm L&nge, auch als das
Muster des ältesten Flachbeils bei Sophus Müller a.a.O. S. 297, Fig. 166; durch die
stärkere Yerbreiterong der Schneide unterscheidet sich das Exemplar aus dem Auhögel
von dem sonst am meisten ähnlichen in Hörnes* Urgeschichte der Menschheit 1892,
8. 876, Fig. 2.
2) Zu den Fanden der ersten Ausgrabongs-Periode gehörte ein 19,5 cm langv sd^
schalt mit feiner, spiraliger Einforchnng am oberen TheiL
8) In der Form dem etwas grösseren vom Mitterberge (beiMuch, Knpfeneit, 8.271,
Fig. 101) annähernd ähnlich, schlanker als das ebenda (Fig. 102) abgebildet« vom Mondsee.
(323)
Mitte eingebohrte Oeffnung. Ein anderer Boden ruht auf einem niedrigen, ring-
förmigen Standfoss. Ueberans zahlreich sind die Scherben, von denen 4 bis zu
15 em lang sind. Die Bandstücke zeigen die nämliche Ver-
zierung, wie die von Ranke, Anleitung u. s. w., S. 49, Fig. 9, Pig. 14.
11 — 13 abgebildeten aus bayrischen Höhlen, denen die vom Mitter-
berg und von der Kelchalpe (Mudh, Kupferzeit, S. 272, Pig. 103
u. 104) gleichen. Theils sind wagerechte Kränze von senkrecht
gestellten Nagel-Eindrücken oder B^ingertupfen eingeprägt, durch
welch letztere bisweilen knöpfcbenartige Erhöhungen bewirkt
sind; theils ist ein Wulst von oben und unten her zusammen-
gestrichen oder wohl auch angelegt und auf die bezeichnete Weise
verziert, — eine Omamentart, die auch in den Gräberfeldern und
in den vorslavischen Schichten der Hundwälle Nord-Deutschlands nicht selten ist«
Eine gewisse Mannichfaltigkeit ist dadurch hervorgebracht, dass zwischen zwei
Wülsten über einander rundliche Löcher kräftig, doch nicht durchgehend, ein-
gestossen sind. Auch grobe Kehlstreifen sind einzelnen Bruchstücken eingestrichen.
Bei einem Fragment eines terrinenförmigen Gefässes, das nach oben hin ein wenig
abgesetzt war, befindet sich die Verzierung über dieser Umbiegung: es ist von
schmalen, seichten Furchen umzogen, unter denen senkrechte Striche eingezeichnet
sind. Derartige senkrechte Linien kommen auch für sich verwendet vor. Kräftige
Oehsen, zum Theil senkrecht, in der Regel wagerecht durchbohrt, sitzen entweder
dicht unter dem Rande oder weiter unten, bisweilen unterhalb des umlaufenden
verzierten Wulstes. Schlichte Knöpfchen oder halbkreisförmige Leisten ersetzen
mitunter die Handhabe; an einem Fragment ist der Knopf homartig in die Höhe
gezogen und dann ein wenig schräg von unten her so durchbohrt, dass die obere
Oeffnung der Gefässwand zugekehrt ist, die Tragschnur sich also fest an den Rand-
streifen anlegte. Einzelne Stücke sind nachträglich durch Feuer blasig oder
schwammig geworden, ja eine dicke Thonschüssel ist durch Feuer stark verzogen
und fast zusammengeschmolzen. Von Spinnwirteln befinden sich 2 aus der früheren
Sammelperiode im Bezirks-Museum zu Traunstein, dagegen 1 in der Lichten-
ecker'schen Sammlung. Er ist konisch, am unteren Rande ein wenig abgeschrägt,
hier 3 cm, oben 2 cm breit und 3 cm hoch. Ein Webstein von nicht quadratischer,
sondern annähernd rechteckiger Grundfläche steigt als massig verengte Pyramide
auf und schliesst über der Durchbohrung kuppeiförmig ab. Ihrer Bestimmung
nach sind noch nicht mit Sicherheit gedeutet die zahlreichen feuerharten Lehm-
klumpen.
V. Auch Schmuck ist unter den Funden nicht unvertreten. Vier durch-
schnittlich 7 an lange Eckzähne sind am Ende durchbohrt. Bei dem einen (Fig. 136)
ist die obere Einbohrung nicht durchgeführt. Auch 5 Thonblättchen zeigen eine
kleine Oeffnung zum Durchziehen einer Schnur.
VL Nicht bearbeitete Thierknochen bedecken in der Sammlung un-
gefähr 10 ^; einige von ihnen sind im Feuer gewesen. Darunter befinden sich
z.B. 6 Oberschenkelköpfe mit natürlicher Oeffnung (vom Dachs?); andere gehören
dem Rind und einem Pferde von kleiner (Gestalt an. Vom Hirsch sind ausser Ge-
weihen paarige Klauen erhalten.
Bei der peinlichen Genauigkeit der Untersuchung sind auch 2 qm Erde, die
mit Kohle, Asche und Knochen durchsetzt ist, und ein Theil einer 10 cm tief
durchglühten Brandstelle vom Besitzer des Auhögels ausgehoben worden. Selbst-
verständlich haben sich am Abhänge und selbst am Fusse des Berges, an dessen
östlicher Seite durch einen Steinbruch erhebliche Absprengungen erfolgt sind,
21*
(324)
während nach Westen hin die Leite allmählich abfällt und eine Wiese bildet,
einzelne Gegenstände gefunden. Hier lagen 5 mit Steinen umstellte Gefässe, 4ie
wegen dieser sorgfältigen Umstellung als Grab- Beigaben angesehen werden: 3 Töpfe
und 2 Schüsseln , nach der Verzierung durch Finger-Eindrücke zu schliessen den
Scherben aus der Arbeitsstelle gleichzeitig (besprochen vom Ober-Amtsrichter
Weber a. a. O.).
Unzweifelhaft harren in dem unaufgeschlossenen Theile der Hügel-Oberfläche
noch zahlreiche Funde der Aufdeckung. —
(19) Hr. Rud. Virchow spricht, unter Vorlegung der Gegenstände, über
Gräberschädel von Guatemala.
Am 4. d. M. erhielt ich von unserem auswärtigen Mitgliede, Hrn. Erwin
iP. Dieseldorff aus Hamburg die Nachricht, dass er dort angekommen sei und
mir eine Riste mit verschiedenen, leider recht arg zerstückelten Schädeln aus
Tumuli in der Nähe von Coban, im Gebiet der Quecchi-Indianer, mitgebracht habe.
Gegenwärtig sind dieselben in meinen Händen und ich beeile mich, sie vorzulegen,
da sie die willkommene Bestätigung einer schon früher besprochenen Auffassung
bringen.
Allerdings sind sie so stark zertrümmert und die Bruchstücke so defect,
dass sich nicht ein einziger Schädel daraus vollständig reconstruiren lässt Aber
einer wenigstens hat doch durch Einfügung grösserer Gypstheile zwischen die
Bruchstücke sich wieder in einen Zusammenhang bringen lassen, der ein Bild
des ursprünglichen Zustandes gewinnen lässt. Von den übrigen ist so viel von
dem Schädeldach erhalten, dass sie mit dem erstgenannten verglichen werden
können. Dabei hat sich herausgestellt, dass alle bis auf eine Ausnahme (Nr. 1)
sämmtlich stark deformirt sind.
Was ihre Herkunft anbetrifft, so lasse ich es dahingestellt, ob die Auffindung
der Tumuli im Gebiet der Quecchi-Indianer einen Hinweis auf die ethnologische
Stellung des alten Stammes enthält. Jedenfalls sind sie so alt, dass sich gegen
die Annahme, die Tumuli seien schon vor der Conquista angelegt worden, nichts
einwenden lässt. Da die Schädel durchweg eine gleichartige Beschaffenheit haben,
so muss wohl geschlossen werden, dass sie der gleichen Zeit angehören. Sie sind
alle sehr leicht und sehr brüchig, obwohl die Knochen zum Theil eine beträcht-
liche Dicke besitzen. Die äussere Farbe ist gelblichgrau, mit bräunlichen Flecken,
aber die Bruchflächen haben ein rein weisses, kreidiges Aussehen. Das beweist
einen hohen Grad von Auslaugung, somit eine lange Dauer des Aufenthaltes in
den Gräbern. Von Beigaben ist nichts mitgekommen.
Es ist aber höchst wahrscheinlich, dass die Schädel aus Gräbern stammen,
wie diejenigen, aus denen Hr. Dieseldorff uns wiederholt von bemalten Thon-
gefässen berichtet hat. Solche Gefässe hat er (Verhandl. 1893, S. 547, Taf. XVI)
aus Tumuli im Thale Chama bei Coban geschildert, bei welcher (Gelegenheit er
auch die heutigen Quecchi-Indianer erwähnt (vgl. S. 375). Ich habe schon damals
hervorgehoben (S. 551), dass die Darstellung eines Mannes mit deformirtem Schädel
viel mehr an Peru erinnere. Später hat Hr. Dieseldorff die Fragmente eines
Schädels von Ulpan bei Coban eingesandt; ich konnte aus denselben nachweisen,
dass sie zu einem, nach Art der Natchez, stark deformirten Kopfe gehört haben
müssten. Eine vortreffliche bildliche Darstellung solcher Köpfe erkannte ich an
dem mehrfigurigen Bilde, welches Hr. Dieseldorff von einem anderen Thongefasse
aus dem TempelhUgel im Thale Chama geliefert hat (Verhandl. 1894, Taf. VUl).
(325)
Da nun verschiedene Gelehrte diese Funde der alten Maya-Cultur zuschreiben, so
dürfte die Vermuthoni^ nicht fern liegen, dass auch die vorliegenden Schädel dahin
gehören. Vergl. Verhandl. 1895, S. 320 und 772.
Es ist zugleich zu erinnern, dass ich einen, freilich nur an der Stirn defor-
mirten Schädel von Merida in Yucat4in in meinen Crania americana, S. 111, Fig. II,
habe abbilden lassen und dass ich schon bei der ersten Vorlegung desselben in
unserer Gesellschaft (Verhandl. 1887, S. 454) die historischen Analogien dazu zu-
sammengestellt habe. Es entfaltet sich hier, wie die Figuren in Siein und Malerei
lehren, ein recht ausgedehntes Deformations-Gebiet.
Betrachten wir jetzt die neuen Einsendungen etwas im Einzelnen. Nach den
Angaben des Hm. Einsenders stammen von den 6 Einsendungen 4 (Nr. 1 — 4) von
Chajcar, jurisdicion Carchä, Gebiet der Quecchi-Indianer, 2 (Nr. 5 — 7) von Papd,
jurisdicion San Juan Chamelco (2 Stunden südöstlich von Gobdn), gleichfalls
Quecchi-Gebiet. Nr. l u. 2 lagen in einem Steingrabe für sich in der Mitte des
Tnmulus; Nr. 3 u. 4, nach einer Notiz auf der Holzkiste, im „SUdausbau^.
1. Die Schädel von Chajcar.
Nr. 1. Männlicher Schädel, gross und breit, aber sehr verletzt Die Basis
fehlt, nur Stücke der Orbitalränder, das linke Felsenbein und ein Stück der Apo-
physis basilaris sind davon vorhanden. Die Calvaria hat sich wieder zusammen-
fügen lassen; sie ist 174 mm lang, 149 breit, also Index 85,6. Starke Orbital-
wülste. Stirn 98 mm breit, abgeflacht (zurückgedrückt), unterhalb der Tubera ge-
bogen. Hinterhaupt voll gewölbt; in der Lambdanuht colossale Worm'sche Beine.
Das Ohrloch gerundet. An der Stelle der Synchondrosis condyloidea starke und
scharfe Vorsprünge. — Nach dem Verhalten der Zähne niuss der Todte noch in
jüngeren Jahren gestanden haben: die grossen Zähne haben noch fast intacte
Kronen. Die Kauorgane, namentlich in ihren medianen Theilen, mächtig entwickelt
und stark vortretend. Am Oberkiefer Incisivi und Molares sehr gross. Umfang
des Proc. alveol. 147 mm. Gaumen tief, Zahncurve elliptisch. Unterkiefer bis auf
die stark verletzten Aeste gut erhalten, sehr gross. Zähne gross; Incisivi stark.
Molares wenig abgenutzt; Praemolares dick und kolbig. Zahncurve eckig, Incisivi
in einer Reihe stehend, stark vortretend, Umfang (alveolar) 145 mm. Mittelstück
hoch, Kinn dreieckig, vorgeschoben.
Nr. 2 (Fig. 1 u. 2). Der männliche Schädel hat sich, trotz des Fehlens des
grössten Theiles vom Gesicht, recht gut zusammenbringen lassen. Er ist vorn und
hinten stark eingedrückt, und es sind in Folge davon so grosse Compensationen
in der Breite und in der Höhe zu Stande gekommen, dass jene künstliche
Hypsibrachycephalie entstanden ist, die ich von den Natchez-Schädeln be-
schrieben habe (Crania americana, S. 1 1 , Fig. IV), nur ist sie hier ganz besonders
ausgeprägt Da die grösste horizontale Länge 149, die Breite 155, die Höhe
118 mm beträgt, so berechnet sich ein Breitenindex von 104,0, ein Höhenindex von
79,1. Das Stirnbein ist breit (93 mm), ganz schräg gestellt, in der Mitte ein-
gedrückt, gegen die Coronaria gebogen und in Form eines queren Wulstes vor-
geschoben, die Supraorbitalgegend vorgewölbt. Die Parietalia kurz und hoch ge-
wölbt, die Tubera weit nach vom gestellt und breit gewölbt. Die Gehörlöcher
scheinbar etwas verdrückt. Die Hinterhauptsschuppe hoch und steil, fast senk-
recht abgeflacht. — Oberkiefer sehr defect; Alveolarfortsatz gross und stark vor-
tretend. Umfang 145 iii7/^ Zähne wenig abgenutzt, eher jugendlich. Gaumen gross.
(326)
besonders breit und tief. Unterkiefer gut erhalten, Alreolarrand stark vortretend.
Umfang 144 mm; Seitentbeile sehr dick, Aeste gross; Kinn vortretend, mit starker
Crista med. Kieferwinkel in Form eines Proc. lemurianas abgesetzt. Zähne gross.
Molares stärker abgenutzt, links mehr als rechts.
Fig. 1- Pig. 2. ,
GeoDiatrische Zeichnung des Hm. Hclbjg. '/> ^^^ natürl. Grösse.
Nr. 3. Hier, wie bei dem folgenden, die Pärbnng achmntzig braungrau. die
Sntnren wenig sichtbar. — Der Schädel sehr verdruckt: von der Basis und dem
Gesicht sind fast nur Brachstilcke vorhanden, crstere fehlt fast ganz, die Apopbysis
sehr breit. Das Wangenbein gross. Der Schädel hat extreme Natchez-Form:
die Verhältnisse sind geradezu umgekehrt, als normal, indem die Breite viel grösser
als die Länge ist und die Gesammtform, von oben her betrachtet, in der That dazu
verleitet, den Kopf qnerzustellcn: Länge 148, Breite 179, Ohrböhe 101, daher
Breitenindex 120,7, QhrhUhenindex G8,l mm. Stirn breit (107 mm) und ganz steil
zurttckgcdrtingt, colossale Olabella, massige Supra-Orbitalwülste. Hinterhaupt fast
ganz in eine steile Platte umgewandelt. Am Oberkiefer fehlen die linken Schneide*
Zähne, die rechten sind sehr gross und nur massig abgeschliffen; colossale Canini;
Kronen verhältnissmässig gut erhalten. Unterkiefer gross; Kinn breit und am
unteren Rande ausgeschweift; MittelstUck sehr dick. Distanz der Winkel 95 mm,
Proc. lemurianus.
Nr. 4, ohne Basis und Gesicht, übrigens ganz ähnlich dem vorigen. Stirn
mehr gerade, aber sehr breit (102 mm). Horizontale Länge (an der etwas ge-
wölbten Stirn gemessen) 157, Breite 162, Ohrhöhe lUmm, also Breitenindex 103,1
Ohrböhenindex 72,5. — Unterkiefer gut erhalten: Zähne vorstehend, colossal, be-
sonders die Schneidezähne. Molaren wenig abgenutzt Kinn weit vorstehend,
etwas eckig; Seitentheile enger, Winkeldistanz 91 mm; Aeste breit und schriig;
Proc. lemurianus.
(327)
2. Die Schädel von Papd.
Nr. I, ähnlich Nr. 1 u. 2. Schräge, abgeflachte Stirn mit oberem Bandwalst,
ohne Stimhöcker, mit tiefer Gjabella, so dass die Snpra-Orbitalgegend nur eine
Ebene bildet. Parietalia auf der Fläche zusammengebogen. Hinterhaupt steil und
gerade, wobei noch ein Theil der Parietalia in die Fläche einbezogen ist Der
Schädel hat eine Länge von 166, eine Breite von 173^ Ohrhöhe von 114 mm, also
einen Breitenindex Ton 104,2, einen Ohrhöhenindex von 68,6. Minimale Stirn-
breite 1 14 mm. Reine Riefecknochen.
Nr. n, aus einem Tumulus, dicht bei dem Hermita Papa, in der Nähe von
S. Juan Ghamelco. Sehr schräge Stirn, senkrechtes Hinterhaupt. Länge 158,
Breite 153, Ohrhöhe 103 mm, also Breitenindex 96,8, Ohrhöhenindex 65,1. Minimale
Stimbreite 103 mm.
Dazu dürfte ein defecter, scheinbar weiblicher Unterkiefer gehören, dessen sehr
grosse Zähne stark abgenutzt sind. Die Aeste sehr breit; Proc. lemurianus. —
Ausser diesen Rnochen befanden sich in der Riste Papd II noch folgende
Gebeine:
1. 3 ausgesprengte Stücke, die Stirnnasengegend umfassend, mit grossen
Stirnhöhlen. Der Nasenvorsprung stark, aber nicht platt, im Gegentheil
der Bücken an der etwas schmaleren Warze! scharf.
2. Ein grosses und breites Parietale.
3. 2 halbe Unterkiefer, verschieden nach Farbe und Höhe: die eine Hälfte
jugendlich, die andere älter.
4. Ein grosser, nur an den Aesten defecter Unterkiefer, scheinbar weiblich.
Die Zähne und die leeren Alveolen sehr gross. Proc. lemurianus.
5. Ein kindliches Os hnmeri mit abgebrochenen Gondylen, etwa 15,5 mm
lang; in der Mitte der Diaphyse Umfang 145 mm. Die Epiphysenlinien
sind vollständig geschlossen; die Diaphyse sehr gerade. Fossa pro olecrano
nicht ausgebildet. Alle Theile fest und glatt.
6. Das Bruchstück einer etwas älteren Fibula. —
Ueberblickt man die Beihe dieser Schädel, so ergiebt sich die überraschende
Häufigkeit der künstlichen Deformation in ihrer stärksten Ausbildung. Von den
6 Schädeln ist nur der eine (Nr. 1) von Ghajcar in geringerem Grade, aber doch
nach derselben Norm abgeplattet. Eine gleich häufige und gleich starke Defor-
mation ist mir auch in America, dem Welttheil mit der grössten Ausbildung dieser
Unsitte, nicht vorgekommen; eine Annäherung daran hat uns die von Hm. Uhie
in Bolivien aus Gräbern zusammengebrachte Sammlung gezeigt (Verhandl. 1894,
S. 404). Ich erinnere wegen der Grösse der Deformation an die Schädel von Me-
danito (ebendas. Fig. 2). Die jetzigen Funde sind für das Verständniss der central-
amerikanischen Runstwerke von grösster Wichtigkeit, denn sie beweisen, dass die
scheinbaren Carricaturen, welche an denselben dai^estellt worden sind, Nach-
bildungen wirklicher Deformationen waren. Zugleich erweitem sie nicht
bloss das territoriale Gebiet dieser Sitte, sondern sie fügen in die lose Rette, die
sich von der Mississippi-Mündung bis za der Cordillere von Bolivien hinzog, ge-
wissermaassen das Schlussglied.
Dabei ist es bemerkenswerth , dass die Entwickelnng des Skelets bei diesen
Bässen durch die Schädel -Deformation wenig beeinilusst ist. Schon die Ge-
sichtsknochen dieser Leute, namentlich die Riefer mit den Zähnen, gehören zu den
massivsten, die in dieser Welt vorkommen. Die Malereien and Sculpturen Central-
(328)
Americas lehren, dass auch das übrige Skelet in kräftigster Weise entwickelt war.
Leider hat Hr. Dieseldorff seine Aufmerksamkeit den Skolet-Rnochen nicht zu-
gewendet. Wir dürfen wohl hoffen, dass er bei künftiger Gelegenheit auch nach
dieser Seite hin sein Talent als Sammler und Beobachter leuchten lassen wird.
Insbesondere wären Extremitäten - Knochen erwünscht Schon die Frage der
Platyknemie erheischt eine Ergänzung des Materials. Der kleine Oberarm-Knochen,
der sich in der jetzigen Sammlung findet (Kiste Papa Nr. 11), scheint auf ein
zwerghaftes Individuum hinzudeuten. Ich yerweise auf die Parallele mit den
Jakoons von Malacca (Verhandl. 1896, S. 144).
Unter den sonstigen Eigenthümlichkeiten ist vorzugsweise die Häufigkeit, um
nicht zu sagen, die Beständigkeit des Vorkommens eines Processus lemurianus
am Unterkiefer hervorzuheben. Mag man auch darauf verzichten, darin ein
pithekoides Merkmal im strengeren Sinne zu sehen, so ist diese Bildung doch eine
höchst interessante und, wenigstens in ihren stärkeren Graden, seltene Variation.
Sie mag zusammengestellt werden mit der Enge der Winkeldistanz an den Unter-
kiefern und mit der geringen Abnutzung der Zahnkronen, besonders an den Molares,
welche doppelt überrascht bei einem Volke, das vermuthlich vorwiegend von
Körnerfrucht lebte. —
(20) Hr. Rud. V^irchow legt vor eine Reihe von
europäischen TättowiraDgen.
In der Sitzung vom 15. Mai 1897 (Verhandl. S. 262) stellte ich, im Anschlüsse
an verschiedene Mittheilungen über die Anfertigung von Präparaten tättowirter
Hautstückc, die Vorlage ähnlicher Präparate in Aussicht, welche sich in der
Sammlung des Pathologischen Institutes befinden. Indem ich eine kleine Aus-
wahl davon vorlege, bemerke ich, dass unsere Präparate bis zum Jahre 1870 zurUck-
datircn und die Tättowirungen auf sehr verschiedene Weise hergestellt sind. Da
die dabei verwendeten färbenden Stoffe aus sehr resistenten Substanzen bestehen,
vorzugsweise aus Kohle und Zinnober, so sind fast alle Methoden zu ihrer Con-
servirung gleich geeignet. Die bei uns angewendeten hatten die Herstellung sowohl
von Trockenpräparaten, als von feuchten Stücken zum Ziele, und sie haben sich
sämmtlich bewährt.
Die Trockenpräparate sind in der Weise angefertigt worden, dass die Haut-
stücke von anhaftendem Fett und anderen subcutanen Geweben möglichst gereinigt
und dann in Holzrahmen zum Trocknen an der Luft aufgestellt wurden. Darauf
wurden sie auf Glasplatten aufgezogen, durch einen Klebestoff (Leim, Gummi) be-
festigt und mit einer dünnen Lage von Firniss bedeckt. Eine zweite Glasplatte
wurde darüber gelegt und durch dichtes Papier ringsum abgeschlossen. So sind
sie vor dem Eindringen von äusserer Luft und Schmutztheilen und ebenso vor
Feuchtigkeiten genügend geschützt. Lose und nackte Stücke sind den Angriffen
von Luft und Feuchtigkeit, namentlich aber von zerstörenden Insekten aus-
gesetzt In der angegebenen Weise gedeckt, bewahren sie alle Besonderheiten
der Zeichnung und der Farbe in vollkommener Deutlichkeit. Nur in einem Falle,
wo zu viel Firniss angewendet worden war, hat das Muster an Deutlichkeit er-
heblich verloren.
Für die Herstellung feuchter Präparate hat es sich bewährt, die ersten
Operationen, namentlich die Entfernung der subcutanen Theile, ebenso vorsichtig
vorzunehmen, wie in dem vorigen Falle. Dann werden die Stücke ebenfalls auf
Glasplatten ausgespannt und sofort in die Conscrvirungs-Flüssigkeit gethan, natürlich
(329)
-wieder in besonderen Gläsern, namentlich in platten, eckigen Behältern. Als
Flüssigkeit ist entweder Alkohol, oder, namentlich in neuerer Zeit, Formalin ver-
wendet worden. Ein merkbarer Unterschied ist dabei nicht hervorgetreten, wohl
aber haben die feuchten Präparate ihre Frische und Anschaulichkeit viel mehr be-
wahrt, als dies bei Trockenpräparaten der Fall ist.
Was die für die erste Herstellung verwendeten farbigen Stoffe betrifft, so
werden dieselben bekanntermaassen in feinpul verisirtem Zustande in kleine Löcher
<ler Haut, welche durch scharfe konische Spitzen hervorgebracht werden, ein-
gedrückt Sie heilen ohne Weiteres an dem Orte ihrer Einbringung ein. Nur
kommt es nicht ganz selten vor, dass ein Theil von ihnen in die Lymphwege ein-
dringt und dann bis in die nächsten Lymphdrüsen fortgeführt wird. Ich habe diesen
Fall schon bei der Erörterung der pathologischen Resorption (Mein Archiv f. path.
Anat 1847, Bd. I, S. 178) besprochen und dabei hervorgehoben, dass ein grosser Unter-
schied zwischen der Resorption durch unverletzte Gefässe und dem Durchgange Von
uDgelöäten Substanzen durch permeable, nicht poröse, unverletzte Membranen be-
steht. Ausführlicher habe ich diese Verhältnisse in meiner Cellular-Pathologie erörtert
(4. Aufl., S. 223), indem ich zugleich Abbildungen aus so veränderten Lymphdrüsen
hinzufügte (Fig. 76 u. 77). Dabei zeigte sich, dass der eingedrungene Zinnober
theils innerhalb der Trabekeln und des Reticulums liegt, theils in die Follikel selbst
•eindringt. Diese Präparate waren dem Arme eines Soldaten entnommen, dessen Tod
erst 50 Jahre nach der Tättowirung erfolgte; sie sind zugleich ein gutes Beispiel
•davon, dass die Sitte des Tättowirens schon im Anfange dieses Jahrhunderts unter
unseren Soldaten gebräuchlich war. Das vorgelegte Präparat Nr. 325 vom Jahre 1870
lässt die rothe Einlagerung in den Axillardrüsen nach Tättowirung des Vorderarms
3chon vom blossen Auge erkennen.
Die kohligen Einlagerungen überwiegen an Zahl der Fälle bei Weitem die
rothen. Ziemlich häufig ist die Mischung beider Farben, jedoch in der Art, dass
die kohligen Stellen den grösseren Theil der Zeichnung einnehmen, die rothen
mehr als Zwischenlagerung oder Einsprengung erscheinen. In den nachstehenden
Abbildungen sind die rothen Stellen durch losere, weitläufigere und zartere Strich-
lagen, die schwarzen durch dichte, meist kürzere, stärkere Striche* angedeutet
Dabei ist zu bemerken, dass die kohligen Einlagerungen natürlich an sich schwarz
aussehen, jedoch nur auf Durchschnitten; sieht man dieselben bei tieferer Lage
durch bedeckende, nicht gefärbte oder nicht infiltrirte Gewebslagen, wie es an der
Haut meist der Fall ist, so erscheint die Farbe, je nach der Tiefe ihrer Lage, ent-
weder schwarzblau oder auch wohl graublau.
Die Mehrzahl unserer Präparate stammt von Männern der arbeitenden Klasse
ohne Angabe der Art der Beschäftigung. Unter den genauer bezeichneten prä-
valiren Soldaten und Matrosen, jedoch scheinen auch einzelne Gewerbe die Neigung
zu einer solchen „Verschönerung'' zu begünstigen. Dies gilt namentlich von
Schuhmachern. Indess mag die grössere Häufigkeit tättowirter Stellen bei ihnen
auch zufällig hervorgetreten sein. Bei Soldaten und Matrosen werden oft grössere
Darstellungen bevorzugt und in diesem Falle trifft man zuweilen Abbildungen,
welche die ganze Brust bedecken, während sonst hauptsächlich die Arme, ins-
besondere die Vorderarme, preisgegeben werden. Menschliche und thierische Ge-
stalten gehören zu den Seltenheiten, doch kommen sie in so ausgeführter und feiner
Weise vor, dass sie mit den bekannten japanischen Tätto wirungen parallelisirt
werden können. Dagegen kommen die bloss ornaraentirten, aus einfachen Strichen
zusammengesetzten, rein geometrischen Formen, wie sie bei den Polynesiern so
häufig sind, bei uns kaum vor.
(330)
Da es sich um eine Uode bandelt, welche von änsseren ZufölligkeiteD ab-
hängig ist, 80 ist es selbBtreretändlich , dass bei Enropäern sowohl die Häuflgj^eit
der Tättowimng, als die Gegenstände der Darstellung sehr verschieden und
wechaelnd sind. Gelegentlich entsteht eine Art ron epidemischer Manie, sich so
^verzieren" zd lassen. Wir haben es noch in letzter Zeit erlebt, dass im Passage-
Panopticom Teine Damen sich vor den Tischen birmanischer Tättowirer drängten,
nm sich Zeichen in die Haut einatossen za lassen. I^end eine Gefahr liegt meines
Wissens darin nicht. —
Von den Torgelegten Präparaten mögen folgende kurz erwähnt werden:
Fig. 1, o u. i, Präparat Nr. 83 von 1896.
Fig. Ib. '/, Von einem SOjährigen Schuhmacher. Ueber-
Fig. la. V, wiegend schwaizbteu, jedoch an den lose
ff, scfaraffirten Stellen roth. a Schuhmacher-
g;<^^!t^ Wiippen mit Stiefel und Hand Werkzeug,
darüber ein Insekt (Biene?) und eine Krone,
darunter ein Band mit F. W., um die Basi&
blühende Zweige.
Fig. 2, a—d, Präparat Nr. 31 von 1882,
rein schwarzblau. a ein Schiff, b ein Kaufmann,
<* ein aulgeachirrter Pferdekopf, d militärische
Embleme, namentlich Säbel und Pferdezeng.
Aebnlich ist Nr. 1 13 vom Jahre 1886 (nicht
wiedergegeben), von der Brust (zwischen den
Brustwarzen) eines 24jährigen Glasers aus
Hambui^, rein blauscbworz. Der Name Charles Marchee steht in der Mitte des
Bildes, quer. Darüber ein Dreimaster mit vollen S<^ln, darunter ein Adler mit
ausgebreiteten Flügeln und das Datum: 6. Mai, Stettin 1862.
Pig.2a. V.
Fig.2i. Vi
Fig. 3, ti—c, schwarzblau und roih. n Adler mit Reichsapfel und Sccpter auf
einem Anker, UntcrRchrift O. £. Sce-Jun^frau (';*) (SchifTsbitd?) auf einer Muschel.
/' Herz über einem Kreuz und Anker, umgeben von einem Lorbeerzweige- c Adler-
köpf mit Blitzen Über einem Sternenbanner.
(331)
OB.
Fig. 4, Klapperschlange, in schwarzblau und roth anggeltlhrt.
Fig. 4. V.
Uan sieht, (lass, so roh mehrere dieser Figuren auch aasgefUbrt sind, sie doch
die Elemente einer weiter atrebenden Kuaatrichtang enthalten, welche von fremd-
ländischen Vorbildern ziemlich Trei ist. Auf eine weitere Betrachtang der modernen
Tättowimng, etwa im Sinne des Hrn. Lombroso, einsagehen, mnas ich mir ver-
sagen, da eine mehr im Sinne eines psychologischen Problems za rerrolgende Be-
trachtung eine genauere Kenntniaa der Vorgeschichte dieser Individaen vorana-
setzen wttrde, als ich sie zu beschafTon im Stande bin. —
(21) Hr. Hinovici aus ßokarest zeigt eine grossere Anzahl photof^phischer
Anrnahmen, betreffend Verbrecher-Physiognomien und Tättowirungen. —
(22) Hr. Rud. Virchow berichtet über eine
anthropologische Excarsion nach Mähren.
Das Secretariat der Wiener Anthropologischen Gescilschan hatte kürzlich eine
Einladung znr Theilnahrae an einer unter Ptihrung des Hrn. Prof Alex. Makowsky
vorzunehmenden Bkcursion nach ßrUnn und Umgebung fUr die Tage vom 27. bis
39. Hai ergehen Inssen. Da der Himmelfahrtstag (27. Mai) als ein Ferientag zu
betrachten war, so entschlosa ich mich um ao lieber za der Ketse, als die Be-
deutung der mährischen Funde mit jedem Jahre mehr hervorgetreten ist und als
ich schon auf einer gemeinschaftlichen bosnischen Reise mit Hm. Makowsky
eine solche Fahrt verabredet hatte. Ich war sehr erfreut, in Brtlnn ausser den
Localforachem und den Mitgliedern der Wiener Gesellschaft, namentlich den HHrn.
Heger, Mach und Szombathy, auch mehrere unserer deutschen Freunde
(J. Ranke, E. Schmidt, Grempler, Hcdinger) zu treffen. Das schönste
Wetter belohnte unseren Entschluss.
Schon am Vormittage des 27. konnte ich die „Technik" besuchen; so nennt
man kurz die k. k. technische Hochschule in Brunn. Hier ist ein grosser Theil
(332)
der prähistorischen Sammlungen, namentlich der von Hm. Makowsky zusammen-
gebrachten, aufgestellt. Hr. Maska war auch schon anwesend; er hatte von seinem
neuen Wohnorte Teltsch aus einen Haupttheil seiner Schätze mitgebracht, so dass
es mir möglich war, sofort eine gewisse Grundlage der Anschauung zu gewinnen.
Nachmittags führte Hr. Makowsky die nun vollzählige Gesellschaft über die
künstlich neu bewaldeten Ruhberge zu den grossen Lössgruben, in welchen die
neuesten Funde gemacht sind und in denen inuner neues Material zu Tage tritt.
Der nächste Vormittag sah die Mitglieder der Excursion in den Sälen des
B^ranzens-Museum imd der Technik, den beiden Orten, wo neben den urgeschicht-
lichen Funden auch die höchst sehenswerthen prähistorischen Sammlungen die Auf-
merksamkeit fesselten. Hier fand die Begrüssung durch den Landes -Hauptmann
von Mähren statt Nachmittags gab eine Fahrt nach Obrzan und die Besteigung
des dortigen grossen Hradisko Gelegenheit, ein Bild der gesammten Landschaft
und der wechsclvollen Umgebung der Stadt zu gewinnen.
Der dritte Tag war ganz dem Besuche des Höhlengebietes gewidmet. —
Bevor ich jedoch auf Einzelheiten eingehe, wird es nöthig sein, einige orien-
tirende Worte über die territorialen Verhältnisse zu sagen. Ich benutze dabei,
ausser den Vorarbeiten von Wankel und Maska, den vortrefflichen, zum großen
Theil von Hrn. Makowsky selbst bearbeiteten ^Führer in die Umgebung von
Brünn^ und die Schriften des unermüdlichen Höhlenforschers Martin Kfii, der
schon vor 13 Jahren die L Abtheilung eines „Führers in das mährische Höhlen-
gebieth. Steinitz 1884^ veröffentlicht hat und der bis in die neueste 2^it nicht auf-
gehört hat, die schier unermessliche Fülle von Einzel-Abtheilungen dieser Höhlen
auf das Genaueste aufzunehmen Seine zwei Haupt-Darstellungen über „die Höhlen
in den mährischen Devonkalken und ihre Vorzeit*" sind in dem Jahrbucbe der
k. k. geologischen Reichs-Anstalt 1891, Bd. 41, Heft 3, und 1892, Bd. 42, Heft 3
erschienen.
Brunn liegt am Nordrande einer Seitenbucht des tertiären Wiener Beckens, gegen
Norden von Höhenzügen umschlossen, die sich von Westen nach Osten erstrecken.
Sie sind die Ausläufer eines Berg- und Hügellandes, welches von der Zwittawa und
Schwarzawa tief durchfurcht wird. Der Abfluss dieser Gewässer geht nach Süden zu
der Thaya und durch diese zur March, welche, nachdem sie alle die Bäche und
kleineren Flüsse aus den nördlichen und nordöstlichen Theilen Mährens gesammelt
hat, nach Süden zu die Grenze gegen Ungarn bildet Für mich hatte die March
seit Jahren ein besonderes Interesse, weil ihr Oberlauf sich den Oderquellen nähert
und hier von der Natur der Weg vorgezeichnet ist, der unsere Gegenden mit dem
mährischen, ungarischen und österreichischen Hinterlande verbindet Daher war
ich sehr geneigt, die vielleicht allzu zuversichtliche Angabe von Wankel (Die
prähistorische Jagd in Mähren. Olmütz 1892. S. 11) zuzulassen, dass Pi-edmost
„am rechten Ufer des hier aus dem gleichnamigen Thale tretenden Becwailusses
liegt, an dem sich in grauester historischer Zeit die längs der March von Car-
nuntum kommende, zum baltischen Meere führende sogenannte Bemsteinstrasse
hinzog. '^ Für die urgeschichtliche Zeit erwähne ich die wichtige Angabe des Hm.
Makowsky (Mitth. der Anthrop. Gesellsch. in Wien 1897, XXVII. S. 74), dass
„erratische Geschiebe hochnordischer Gesteine, mit erratischem Sand und Schotter
der einstigen Grund- und Seitenmoränen der nordischen Elisbedeckung, bloss im
nordöstlichen Mähren durch die Oderspalte eingedrungen sind und sich zerstreut
in dem etwa 45 km langen und bis 10 km breiten Oderthale von Mährisch-Ostrau
bis Bölten bei Weiskirchen und in einzelnen Buchten dieses Gebietes (so bei
Neutitschein, Fulnek, Freiberg u. a. O.) finden^. Er setzt hinzu, dass bisher in
(333)
diesen erratischen Ablagerungen keine Skeletthcile dilavialer Säugethlere auf-
gefunden wurden. Diese Angaben sind von fundamentaler Wichtigkeit für meine
heutige Betrachtung, denn sie erklären es, dass weder bei Brunn, noch in dem zu
betrachtenden Höhlengebiete mineralische oder zoologische Zeugnisse der Eiszeit
gefunden werden. Der in Mähren weit verbreitete diluviale Sand und Schotter ist
nach Makowsky dos Product fluviatiler Strömungen; er liegt theils auf festem
Gestein (Syenit, Kalkstein und Sandstein), theils direct auf marinem Tegel, und
schliesst nicht selten diluviale Thierreste (Mammuth, Rhinoceros, Pferd und Ren-
thier) ein. Er ist überlagert vom Löss (Diluvialthon), dem jüngeren Gliede der
Diluvial-Periode, welches Hr. Makowsky mit den neueren Geologen als ein
subaerisches Product betrachtet. Immerhin leitet er den grössten Theil diesos
Lössmnterials von dem Schlamme ab, welchen die Gletscher der Glacialzeit von
Norden h^r bis an die Randgebirge Böhmens, Schlesiens und Mährens getragen
haben. Die Winde haben den davon herrührenden Staub hauptsächlich an ge-
schützten Stellen, insbesondere am Süd- und Südost-Abhänge der Berglehnen, ab-
gesetzt So erklärt er auch die mächtigen Lösslager in der nächsten Nähe von
Brunn am Rothen Berge und am Urnberge, von denen unser erster Spaziergang
uns eine Anschauung gewährte.
Wir sahen hier gewaltige Abstiche, von denen der Thon für grosse Ziegeleien
gewonnen wird, bis zu einer Höhe von mindestens 20 m. In der gelblichen, leicht
zerreiblichen Masse von kalkhaltigem, sandigem Thon bemerkt man schon von
Weitem schwarze Linien und muldenförmige Einlagerungen, je nach der Lagerung
schräge oder horizontale, jedoch mehr oder weniger geradlinige Einsprengungen,
mit Spuren von Holzkohle und mit Lehm gemischte Aschenlagen, zuweilen mit
Thierknochen durchsetzt. In unserer Anwesenheit wurden Knochen des Rhinoceros,
des Murmelthieres (Bobak) und des Mammuth zu Tage gefördert. Hr. Makowsky
bezeichnet als das häufigste grössere Säugethier aus der Umgebung von Brunn das
fossile Pferd; nächstdem kommen das Woll-Nashorn und das Mammuth, seltener
Wisent (Bos priscus) und Renthier, noch seltener Riesenhirsch und Edelhirsch,
hier und da Höhlenbär und Löss-Hyäne (Hyaena prisca), Wolf, Höhlen-Löwe (Felis
spelaea) und Dachs. Die erstgenannten betrachtet er mit Wankel als Jagdthiere.
Unter den schwarzen Einlagerungen unterscheidet er die verbal tnissmässig kleinen
Aschen- und Kohlenlagen, die er ihrer alkalischen Reaction wegen als Brand-
stellen nimmt, von den weit verbreiteten und bis zu 1,5 m mächtigen Schichten,
deren Erde eine saure Reaction giebt und die er deshalb für Producte einer
einstigen Vegetation hält. Abweichend davon hat Hr. Maska alle diese dunklen
Erdschichten auf eine Art von Präriebränden bezogen; es scheint mir richtig, was
Hr. Makowsky gegen diese Verallgemeinerung der Deutung einwendet. Oft genug
sah auch ich bei anderen Gelegenheiten solche Einlagerungen an Stellen, wo Gras
und Kräuter durch Sandwehen überlagert und allmählich vermodert waren, ohne
dass Spuren von Brand aufgefunden werden konnten. Auch waren die bei Brunn
eingelagerten kleinen vegetabilischen Reste so weich, dass sie sich leicht zwischen
den Fingern verschmieren Hessen. Freilich muss ich anerkennen, dass auch die etwas
grösseren feuchten „Kohlenstückchen" der „ Aschenplätze ** wenig Resistenz zeigten
und sich unschwer zerdrücken liessen. Immerhin spricht das Vorkommen von „oft
eingebetteten und durch Hitze mehr oder weniger veränderten Knochen" an diesen
Stellen sehr bestimmt für die Deutung des Hm. Makowsky. Noch viel mehr ist
dies der Fall in Bezug auf das gelegentliche Vorkommen bearbeiteter Steingeräthe.
Der wichtigste Fund ist aber der schon früher (Verhandl. 1894, S. 4'2.3) aus-
führlich von mir referirte eines menschlichen Skelets, umgeben von zahlreichen
(334)
Ariefakten, welches im Jahre 1891 bei Gelegenheit eines Ganalbaaes ans dem
Untergründe der Stadt selbst ausgegraben worden ist. Wir sahen die noch genau
bekannte Stelle in der Franz -Josefstrasse in der Unterstadt und die Gegenstände
selbst im Museum. Von dem Schädel kann ich anerkennen, dass er manche Aehn-
lichkeit mit dem Neanderthaler hat: er ist sehr lang, hat grosse, stark rortretende
Naso-Orbitalwülste, eine fliehende Stirn, flache Scheitelcunre und einen grossen
Absatz am Lambdawinkel; die Zähne sind tief abgenutzt. Der schon von den
früheren Beobachtern angemerkte rothe Ueberzug am Schädel und an einigen
Extremitäten-Knochen erschien mir künstlich hergestellt, obgleich an einigen jüngeren
Stücken von Krommau ähnliche rothe Beschläge zu sehen waren. Das Skelet
war zum Theil bedeckt von Knochen des Mammuths, des Rhinoceros, des Pferdes
und des Renthieres, geschmückt mit Dentalien und begleitet ron einem Idol aus
Mammuth-Stosszahn (abgebildet in den Verhandl. 1895, S. 705). *
Ich bemerke dabei, dass Hr. Maäka zur Ausstellung in Brunn ein Idol mit-
gebracht hatte, das ich in meiner Notiz als eine Niobe-Gestalt bezeichnet habe. Es
war eine rohe menschliche Figur von Pfedmost, geschnitzt aus einem Metatarsal-
knochen von Elephas primigenius. Nach einer Mittheilung des Hm. Maska besitzt
derselbe übrigens ron Pi^edmost noch andere, ziemlich übereinstimmende Exemplare,
„deren gleichartige Bearbeitung jeden Zweifel ausschliesst und eine bestimmte Ab-
sicht verräth^. An 4 dieser Exemplare sind an der Rückseite deutliche Brand-
spnren wahrzunehmen.
Die neuesten Untersuchungen des Hm. Makowsky betreffen das Vorkommen
von bearbeiteten Rhinoceros-Knochen in dem Löss von Brunn und in
einigen Nachbarorten, von denen uns in der „Technik^ eine Anzahl vortrefflicher
Exemplare vorgelegt wurde. Eine speciellere Aufzählung nebst Abbildungen hat
der treffliche Forscher so eben in den Mittheilungen der Wiener Anthrop. Gesellsch.,
Bd. XXVII, veröffentlicht Indem ich darauf verweise, erwähne ich nur, dass es
sich um Knochen des Rhinoceros tichorhinus handelt und dass die besten Stücke
die grossen Extremitäten-Knochen betreffen. Dieselben sind meist so zerschlagen,
dass die Gelenkenden durch einen schiefen, den distalen Theil der Diaphyse durch-
setzenden, scharfrandigen Bruch abgesprengt sind. Hr. Makowsky hebt nun
hervor, dass diese Knochen beim Rhinoceros, wie bei den übrigen Pachydermen,
nicht hohl sind, sondern im Innern ein spongiöses Knochengewebe enthalten, dessen
„Zellen gegen die Mitte des Knochens immer grossmaschiger werden". Er sagt
deshalb, diese Knochen seien „keine Mark- oder Röhrenknochen**, aber er er-
kennt doch an, dass auch ihre „Zellen^ mit Mark erfüllt seien; es wird daher
dem Verständniss grösserer Kreise mehr entsprechen, wenn wir sagen, diese
Knochen hätten keine Markhöhle, sondern an Stelle der sonst gewöhnlichen Höhle
nur eine weitmaschige Spongiosa mit verhältnissmässig festen und starken Knochen-
bälkchen. Mit Recht folgert Hr. Makowsky, dass, wenn wir im Innern eines
solchen Knochens eine (zusammenhängende) Höhlung finden, sie nur auf künst-
lichem Wege durch den Menschen hergestellt sein könne. Da er nun an der
Innenwand der Knochen in den meisten Fällen „Kratzspuren% schraubenfbrmig
über einander sah, so nimmt er an, dass die Höhlungen durch Steinwerkzeuge
erzeugt seien.
In diesem Punkte möchte ich mir eine kleine Abweichung erlauben. Es fiel
mir nehmlich auf, dass die Höhlun'xen fast immer eine ganz bestimmte Form
zeigten. Jede einzelne Höhlung bc^^nnt mit einer gegen die Mitte der Diaphyse
gerichteten Oeffhung, welche so weit ist, dass man bequem einen oder ein Piar
Finger in dieselbe einführen kann, und sie endet mit einer gegen das Ctelenkende
(335)
^richteten, aber dasselbe nicht erreichenden Zaspitznng. Ihr Qaerschnitt ist nicht
rund oder anregelmässig, wie er darch Kratzen, Bohren oder Drehen hergestellt
werden könnte, sondern riereckig mit ziemlich regelmässigen Seiten. Ich
hatte den Eindruck, dass eine solche Höhlung nur durch das Eintreiben eines vier-
eckigen zugespitzten Körpers, z. B. eines Holzpflockes von dieser Gestalt, heryor-
gebracht sein könne. Die Spongiosa ist nicht so widerstandsfähig, dass ein Holz-
keil nicht durch Stein- oder Hammerschläge ohne Weiteres in sie eingetrieben
werden könnte.
Auf der Tafel^ welche Hr. Makowsky seiner Abhandlung beigegeben hat, ist
die Oestalt der Höhlung nicht wiedergegeben. Diese Gestalt ist aber, wie mir
scheint, für die Deutung entscheidend. Es ist nicht wahrscheinlich, dass <.'ne
solche Höhlung zum Zwecke der Entnahme von Mark hergestellt worden ist Aber
wozu kann sie dann gedient haben? Ich vermochte bei der Betrachtung der Ob-
Jecte den Gedanken nicht los zu werden, dass diese gewaltigen Knochenstttcke für
die Errichtung der Wohnung verwendet worden sind, z. B. in der Art, dass Hölzer,
welche zum Aufbau der Wand oder des Daches dienen sollten, in die senkrecht
auf oder in den Boden eingesetzten Knochen eingestossen wxurden. Die Hölzer
konnten auf diese Weise vor der Einwirkung der Bodenfeuchtigkeit oder sonstiger
zerstörender Agentien geschützt bleiben. Hätte es sich um die Herstellung eines
zu häuslichen Zwecken bestimmten Geräthes gehandelt, z. B. um die Gewinnung
eines Trinkgefässes, so würde man das Innere wohl mehr geglättet haben, als es
der Fall war.
Jedenfalls ist es zweifellos, dass die beschriebenen Höhlungen menschliches
Manufact sind, und da nach den Fundnachrichten anzunehmen ist, dass sie schon
in dem Augenblick, wo die Knochen aus dem Löss hervorgeholt wxurden, vor-
handen waren, so wird man sie auch zu den Beweisen der urgeschichtlichen
Rhinoceros-Jagd zählen dürfen.
Damit gelangen wir an jenen Abschnitt der neueren Untersuchungen, welche die
lirgeschichtliche Jagd in diesen Gtegenden im Allgemeinen betreffen. Der erste,
der diese Untersuchungen für Mähren mit Erfolg in die Hand genommen hat, war
Graf Gundacker Wurmbrand, der in seiner Abhandlung über die Anwesenheit
des Menschen zur Zeit der Lössbildung (Mitth. der Wiener Anthropol. Ges. HI.
1873, und Denkschr. der k. Akademie der Wissensch. Mathemat.-naturw. Glasse.
Wien 1879. Bd. 39, Abth. 2, S. 165) die „Mammuthjäger-Station"" von Joslowitz im
südlichen Mähren behandelte. Durch die Entdeckung der Löss-Station von Pfedmost
im nördlichen Mähren 1879, welche alsbald von unserem Freunde H. Wankel
erforscht wurde, den seine Landsleute den Vater der mährischen Prähistorie ge-
nannt haben, wendete sich die allgemeine Aufmerksamkeit dem Mammuth zu, dessen
Knochen den Hauptbestandtheil der dortigen Funde bildeten. An den weiteren
Untersuchungen betheiligte sich ausser den HHm. Maska und KHi auch unser
correspondirendes Mitglied Japetus Steenstrup, der trotz hoher Anerkennung der
Verdienste der Localforscher doch den stärksten Widerspruch dagegen erhob, dass
die Mammuthe von Pfedmost als Jagdbeute zusammengetragen seien, der vielmehr
die Erklärung aufstellte, dass die Leute von Pfedmost, wie die heutigen Jakuten
und die ihnen benachbarten sibirischen Stämme, die im Löss vergrabenen Mammuthe
oder deren Skelette ausgegraben und lange nach dem Untergange der Thiere ver-
arbeitet hätten (Mammuthjaeger- Stationen ved Pi^edmosi K. D. Vidensk. Selsk.
Forh. 1888, Kjebenhavn 1889, p. X). Darüber ist denn ein lang andauernder Streit
ausgebrochen, der auch im Auslande vielfachen Widerhall gefunden hat. Für
meyien heutigen Vortrag kann ich über diesen Streit hinweggehen. Ich will nur
(336)
constatiren, dass meines Wissens alle mährischen Forscher einmüthig auf die Seite
WankeTs gelieten sind, und dass auch ich von der Ansicht Steenstrup^s zurück-
getreten bin.
Ich hatte die Hoffnung gehegt, es werde mir bei der gegenwärtigen Reise
auch beschieden sein, Piredmost zu sehen; ich gab diesen Gedanken jedoch auf,
nachdem die besten Kenner des Ortes mir die Versicherung ertheilt hatten, es sei
kein Stück des alten Schauplatzes mehr erhalten. Ueber diesen besitzen wir die
treffliche Beschreibung, welche Wankel selbst auf der General -Versammlung
unserer deutschen Gesellschaft in Stettin (XVll. allg. Vers. 1886, Corresp. -Blatt
S. 149) uns vorgetragen und in seiner Monographie (Die prähistorische Jagd in
Mähren. Olmütz 1892. S. 11) weiter ausgeführt hat, sowie die neuesten Mit-
theilungen der HBrn. Karl J. Maska (Mittheil, der k. k. Central-Commission für
Kunst- und historische Denkmale. XX. 1894) und M. Kfi/. (Mittheil, der Section
für Naturkunde des österr. Tour.-Clubs. 1897. Nr. 5—7).
Darnach liegt P^edmost, eine kleine Ortschaft von nicht ganz 600 Einwohnern,
dicht bei Prerau am rechten Ufer der Bec^wa oberhalb ihrer Vereinigung mit der
March. Auf seiner Westseite erhob sich ein isolirter Lösshügel, Hradisko oder
Chlum (Anhöhe) genannt, 34 m über die vorliegende Ebene; den Grundstock des-
selben bildete eine Klippe von devonischem Kalk, welche durch einen Sattel von
einer zweiten niedrigeren Klippe getrennt war, die in einem hinter dem Hofe des
Grundbesitzers Chromecek befindlichen Garten lag. Hier wurde bei Ausgrabungen
zu Wirthschaftszwecken eine ^unglaubliche Menge Knochen riesiger Thiere^ auf-
gedeckt. Nadi den mir gewordenen mündlichen Mittheilungen waren dieselben
wesentlich im Umfange des Kalkfelsens angehäuft, wo jetzt nichts mehr zu
finden ist.
Vom Menschen selbst war ursprünglich wenig zu Tage gekommen. Wankel
selbst berichtet über die rechte Unterkiefer-Hälfte eines Menschen'), welche, in
Asche eingebettet, unter einem riesigen Oberschenkel -Knochen des Mammuth
verborgen war; in dem Gelenk köpf steckte ein abgesplittertes Feuersteinstück
(Abbild, im Stettiner Bericht S. 150;. Hr. Schaaffhausen, der diesen Knochen
beschrieb (ebendas. S. 148), fand darin eine ^pithekoide" Lücke (Diastema) zwischen
Eckzahn und Schneidezahn, erkennbar an der 3 mm breiten Alveolarwand (daa
Mittelstück mit den Schneidezähnen selbst fehlte). Er betonte femer die Grösse
und die starke Bewurzelung des Weisheitszahnes, wie sie bei niederen Rassen vor-
zukommen pflege, und erklärte die Angabe WankeTs (Die prähistor. Jagd, S. 14,
Taf. I, Fig. 1), dass die Bildung des Unterkiefers sich nicht wesentlich von der
des jetzigen Menschen unterscheide, für nicht zutreffend. — Zwei andere Kiefer-
stücke, die er selbst ausgehoben hat, sind später von Hrn. Ki-ii (Ueber einen
wichtigen Lösshügel in Predmost. Mitth. des österr. Tour.-Clubs S. 7 u. 11) ab-
gebildet: das sehr defecte Fragment eines Unterkiefers und ein stattlicher Ober-
kiefer, dessen weite 2jahncurve eine sehr breite und kurze Gaumenplatte um-
zieht und an dem sowohl die leeren Alveolen, als die noch vorhandenen Molaren
gross und stark abgenutzt sind. — Von dem Besuche in Brunn habe ich einen
im Besitze des Hm. Maska befindlichen Kiefer notirt, der colossale Zähne mit
ganz flachen Wurzeln besass.
1) Nuch einer Mittheilnng des Hm. KiÜ befindet sich dieser Kiefer in der Sammlong
des Olroützer Musealvereins; er ist überdies abgebildet in der Zeitschrift dieses Vereins 1884,
Nr. 4 und in MaSka: Der diluviale Mensch in Mähren. 1886. S. 108.
(337)
Bei unserer, später zu erwähnenden Zusammenkunft in Sloup übergab mir Hr.
Krii zwei Photogramme eines von ihm in Pfedmost ausgegrabenen Schädels, der
auf der Stirn einen noch incrustirten Zahn und zwei leere Alveolen vom Eisfuchs
trägt Auch Reste der ursprünglichen Ablagerung sind an der Oberfläche er-
halten. Der Schädel zeigt eine ungewöhnlich breite Stirn mit tiefer Glabella und
vortretendem Stimnasenwulst; sie ist zugleich hoch und flach gewölbt, mit kräftigen
Tnbera und lang aufsteigender Curve. Die Augenhöhlen sind gross und etwas
schief, indem der äussere Theil der Supraorbitalränder leicht gesenkt und die
Infraorbitalränder nach aussen vertieft sind; Höhe etwa 31, Breite 35 mm, Index
88,5 (hypsikonch). Die Nasenwurzel ist breit und tief angesetzt; die knöcherne
Nase selbst schmal und am Rücken etwas eingebogen; die Nasenöffnung nach
unten erweitert. Nach den Maassen an der Photographie beträgt die Höhe der
Nase 42, die untere Breite an der Apertur 23 mm^ der Index also 54,7 (platyrrhin).
Der Oberkiefer ist stark, die Fossae caninae gross und tief, der Alveolaifortsatz
von massiger Höhe und etwas schräg vortretend. Die leeren Alveolen weit; die
noch vorhandenen hinteren Zähne von massiger Grösse, aber stark abgenutzt. —
Das ist nicht viel. Wahrscheinlich Hesse sich ein Mehreres ermitteln, wenn die
Erdkruste, welche den grössten Theil des Schädels, namentlich das Dach, über-
deckt, ganz abgelöst würde. Ein Verlust wäre die Entblössung nicht; wohl aber
wäre es möglich, dass wir dadurch zu einer wissenschaftlichen Classificirung des
Schädels gelangten.
Zahlreicher sind die Artefakte, welche in Piredmost gesammelt wurden. Wankel
hat sowohl von den geschlagenen Feuersteinen, als auch von anderen Stein- und
Beingeräthen Abbildungen geliefert (Stettiner Bericht S. 151. A — F, p, S. Prähistor.
Jagd, Taf. II und III). Ganz besonders interessant ist ein Rippen-Fragment vom
Mammuth (Prähistor. Jagd S. 15), welches reihenweise gestellte, schräge Strich-
Einritzungen in auch sonst bekannter Anordnung trägt, wie sie Hr. MaSka auch
an den Ekidstücken von Stosszähnen sah. Eine grössere Zahl von Knochen- und
Elfenbein-Geräthen führt gleichfalls Hr. Maska auf. Besonders zu erwähnen ist
das häufige Vorkommen von Röthel (selten Ocker und eine schwarze Farbe); auch
fanden sich Schieferplatten, auf denen Röthel zerrieben wurde.
Dabei ist daran zu erinnern, dass der Gebrauch, macerirte menschliche Knochen
roth zu förben, wie es schon von dem Skelet der Franz-Josefstrasse erwähnt ist, noch
jetzt in Polynesien vorkommt. Eü:. de Baye (L' Anthropologie. 1895. T. VI. p. 4)
hat kürzlich einen neolithischen Kurganenfand aus der Gegend von Smela erwähnt,
wo Graf A. Bobrinskoy zwei Skelette biossiegte, bei denen gewisse Theile, zumal
des Schädels, roth bemalt (peintes) waren. — Mit Recht wird dabei an die früheren
Ausgrabungen des Hm. Rivi^re in Mentone und an die des Hm. Pigorini bei
Agnani erinnert Mir scheint es nicht zweifelhaft, dass die Bemalung oder das
Anstreichen der Knochen nach der Maceration des Fleisches stattgefunden hat.
Wenn Ei, Kiii die Frage aufwirfl, ob der in PlPedmost gefundene Röthel zum
Färben oder Tättowiren verwendet wurde (Mitth. des österr. Tour.-Clubs S, 16), so
ist ja für Lebende Beides möglich, vielleicht sogar verwandt; aber was die Färbung
der Knochen anbetrifft, so halte ich nur die Frage für zulässig, ob dieselben
künstlich angestrichen oder ob färbende Bodenbestandtheile zußQiig in dieselben ein-
gedrungen sind. Schon vorher habe ich bei Gelegenheit des Skelets aus der Franz-
Josefstrasse erwähnt, dass mir in Bezug auf gewisse Fundstücke von Krommau
solche Zweifel aufgestiegen sind. —
Ich verlasse damit die Funde von P^edmost und wende mich zu dem schon
erwähnten Höhlengebiet, das ich ans eigener Anschauung kennen gelernt habe.
Vcrbandl. der B*rl. AntbropoL Gesellachaft 1897. 22
(338)
Es hat zugleich die historische Bedeutung, dasB Dr. Wankel, der lange Zeit in
der Mitte desselben, in Blansko, wohnte, in diesen Höhlen seine ersten und fUr
ihn selbst bestimmenden Untersuchnngen angestellt hat. Wenn man von Norden
her die Reise macht, so gelangt man von Prag ans auf der äatlichen Wiener Route
(Über Kolin und Pardnbitz), nachdem man die flacheren Striche des nordwest-
lichen Mährens pasairt hat, za einer stark bergigen Landachall, der „mährischen
Schweiz", welche von der nach Süden strömenden Zwittawa durchbrochen ist und
ein höchst malerisches, von prächti^m Laubwald begleitetes, enges Thal um-
schliesst. Kurz hintereinander erreicht man die kleinen Ortschaften Raitz, Blansko
und Adamsthal. Dann verbreitert sich das Tbal und öffnet sich schliesslich in den
Kessel von Brtlnn. Auf dieser letzten Strecke, schon vor Raitz beginnend, zieht
sieb auf der (linken) östlichen Seit« der Abbang eines Gebiigs-Plateans fort, welches
in seinem westlichen Theile längs der Zwittawa ans devonischem Kalk, in dem
östlichen aus Grauwacken-Sand stein zusammengesetzt ist. Ks hat eine mittlere
Seehöhe von 400 nt und endet in der Nähe von Brunn iu dem 423 m hohen Hadi-
bei^, während der Drahaner Berg im Norden, östlich von Sloup, eine Höhe von
606 m erreicht Dieses Terrain stellt das eigentliche Höhlengebiet dar. Eine
Reihe wasserreicher Bäche, welche von Osten her fast rechtwinklig durch das-
selbe gegen das Thal der Zwittawa herabströmen, hat tiefe Schluchten eingerissen,
an deren Rändern die Bäche stellenweise in die Tiefe verschwinden und nach
ktlrzerem oder längerem unterirdischem I^aufe wieder zu Tage treten. Die meisten
TOD ihnen haben Höhlen ausgewaschen, die sich oft weithin unter der OberlUcbe
erstrecken, in der Regel durch Nebengänge mit einander zusammenhängen oder in
noch unbekannter Fortsetzung sich in das Innere des Gebirges einsenken. In
diesen Höhlen (in obiger Skizze bei a) war es, wo Wankel seine merkwOntigen
Entdeckungen machte und manche höchst wagehalsige Forschungsreise unter-
(339)
Es ist das Verdienst des Eürn. Kltii^ durch vieljährige und höchst mühsame
Untersuchungen die Verhältnisse einer grossen 2iahl der Höhlen, insbesondere ihre
Niveau -Verhältnisse, wissenschaftlich festgestellt zu haben. Es hat sich dabei
mancher Irrthum des alten Wanke 1, aber zugleich eine höchst werth volle Be-
stätigung seiner Hauptresultate ergeben. Auch Hr. Kiii hat Unmassen von Knochen
alter Höhlenthiere und zahlreiche Spuren der Anwesenheit des Menschen getroffen.
Durch die sorgsame Berücksichtigung der Höhenlage der einzelnen Höhlen und
durch eine skrupulöse Glassificirung des Inhaltes derselben ist es gelungen, ein
Bild von der Aufeinanderfolge der lu^eschichtlichen Voi^gänge zu gewinnen,
welches freilich immer noch nicht ein abschliessendes genannt werden darf, aber
doch in der Hauptsache als feststehend angesehen werden kann. Ich möchte nur
den cardinalen Satz anführen (Jahrb. 42, 3. S. 611): „In Mähren gab es eine
praeglaciale Fauna, aber keinen praeglacialen Menschen.^
Unser Ausflug in das Höhlengebiet war in der Art disponirt, dass wir am
Morgen des 29. Mai mit der Eisenbahn von Brunn bis nach Raitz fuhren. Dort
bestiegen wir Wagen, um die Höhe von Sloup (sprich Slöp) zu erreichen. Ent-
zückende Fernblicke über die nördliche und westliche Landschaft eröffneten sich
auf diesem Wege. In Sloup trafen wir Hm. Rjri2, der dort eine grosse Aus-
stellung von Fundobjecten veranstaltet hatte. Von da begaben wir uns in die
Slouper Höhlen, den Ausgangspunkt von Wankel's Studien. Seit jener Zeit
st manche neue Abtheilung hinzugekommen. Decke und Wände haben ihren
Stalaktiten-Schmuck fast ganz verloren, die Ablagerungen von thierischen Ueber-
resten sind verschwunden, aber die Höhlen selbst zeigen noch immer ihre prächtigen
Hüllen und das Wasser rauscht noch immer in der Tiefe und nagt an dem Gestein.
Wegen einer weiteren Beschreibung verweise ich auf die schon erwähnten Schriften.
In Betreff der diluvialen Thiere mag es genügen, die vielen Knochen des
Höhlenbären zu erwähnen, die hier gesammelt worden sind; sie bilden nach
allen Zeugnissen das Hauptinventar der Slouper Höhlen. Wankel selbst (Die
prähistor. Jagd, S. 60) gab an: „Vorwaltend waren die Knochen des Höhlenbären,
seltener die der Höhlen hyäne, vereinzelt jene des Höhlenlöwen, des Höhlen wolfes
und des Höhlen-Fjellfrasses.^ Hier war es auch, wo der Schädel eines Höhlen-
bären mit verletzter Crista parietalis (ebendas. S. 63 — 64) gefunden wurde, den
Wankel ganz besonders hoch schätzte, „da durch ihn nicht nur die Gleichzeitig-
keit des diluvialen Menschen mit dem Höhlenbären, sondern auch der Kampf mit
demselben nachgewiesen wird^ *). Die Fundstelle ist in ein Paar Situationsskizzen
(Wankel a. a. 0. S. 51, Schacht 27, und S. 56 bei -f) genau bezeichnet.
Eine einzige Stelle an den Slouper Höhlen verdient noch jetzt in hervor-
ragendem Maasse die Aufmerksamkeit der Alterthums-Forscher. Es ist die so-
genannte Külna, eine Bezeichnung, welche die österreichischen Gollegen durch
„Schupfen" (Wankel a. a. O, S. 59; KHz, Jahrbuch u. s. w., Bd. 41, 3. S. 459,
Taf. IX), auch wohl durch „Kuhstall" (Führer in die Umgebung von Brunn S. 20—21
mit Abbildung, Karte U, Fig. 1) übersetzen. Wenn man von Sloup längs der
40 m hohen Felswand, an welcher die Eingänge zu den Höhlen liegen, und längs
des daraus hervortretenden Baches nach Süden geht, so stösst man zuerst auf
einen isolirt vor der Vorhalle 19 m hoch aufragenden mächtigen Felsblock, genannt
der Kammfelsen oder Hi-ebenic, auf dem einstmals eine Statue des heiligen Simon
Stylites gestanden haben soll (Wankel, Jagd, S. 45 mit Abbildung; Klrii, Führer,
1) YergL über verheilte Knochenwnnden an orgeschichÜichen Knochen diese Verhandl.
1882, 8. 173, 179^416-19.
22*
(340)
S. 22, Abbild. Nr. 7, P). Bald darauf gelangt man an einen Vorsprang der Fels-
wand, der durch einen natürlichen weiten, gebogenen Gang nach Art eines Tunnels
durchbrochen ist. Der Gang ist 85 m lan^r, über 20 m breit und 5 — 8 m hoch;
sein oberer Eingang hat eine Breite von 13 bei einer Höhe von über 3 m, der
untere ist gegen 30 m breit und 8 m hoch und stellt einen grossartigen Felsen-
bogen dar. Da beide Eingänge sich in das Bachthal öffnen, so dient der Tunnel
noch jetzt als ein Schlupfort für Menschen und Thiere. So muss es wohl schon
immer gewesen sein; denn gerade in diesem Tunnel hat sich ein wahres Museum
von Thierknochen ergeben, und zwar von solchen, welche in den benachbarten
Höhlen gar nicht oder nur sparsam ausgegraben sind. Dies gilt namentlich rom
Mamranth. Hr. K^ii (Jahrbuch, Bd. 41, S. 526) hat in Schächten, welche er in
dem Tunnel graben liess, 44 mal Stücke vom Mammuth gesammelt, darunter
49 Molaren und 9 Stosszähne. Aber sie erschienen nicht in der oberflächlichen
schwarzen Lehmschicht, sondern erst in der aus gelblichem Lehm, Ralkblöcken
und Kalkschotter bestehenden Ablagerung, welche unter der schwarzen Schicht
ruht, und sie reichen 16 m tief bis zu der felsigen Sohle. Hier tritt der Gegensatz
zwischen der uralten Mammuthschicht und der späteren Höhlenablagerung mit
ihren Bären- und Hyänen-Rnochen scharf in die Erscheinung. Freilich beginnen
auch diese schon früh ; denn es wurden vom Rhinoceros tichorinus 75, vom Ursus
spelaeus 98, von der Hyaena spelaea 11, von der Felis spelaea 7, vom Cervus Tarandus
201 Stück gesammelt. Da aber überhaupt keine Ueberreste diluvialer Thiere in
der schwarzen Lehmschicht vorkamen, so schliesst Hr. K^ii auf eine klimatische
und hydrographische Veränderung in jener Zeit. Dann folgen, offenbar nach recht
langer Zeit, in der schwarzen (oberen) Schicht die Knochen von Hausthieren (Bos
taurus, Ovis aries, Capra hircus, Sus domestica, Canis familiaris u. s. w.). Reste
menschlicher Hinterlassenschaft kamen eigentlich nur bis in 3 m, einmal bei 4 m
Tiefe vor, so dass für den Theil der knochenführenden Ablagerung, in der mensch-
liche Artefakte fehlen, 12 m übrig bleiben.
Das ist ein kurzer Auszug aus dem Bericht des Hm. Rh' 2. Ein Beweis Air
die Richtigkeit seiner Angaben wurde uns an Ort und Stelle geliefert. In unserer
Gegenwart wurde ein tiefer Schacht bis in den gelben Lehm gegraben. Feh kann
der Gesellschaft einen gut erhaltenen Renthierzahn und ein prächtiges Feuerstein-
Messer vorlegen, welche hier gefunden wurden und welche mitzunehmen mir ge-
stattet wurde. Gleichzeitig überreiche ich ein Paar von mir gefertigte Photo-
graphien des unteren Einganges, der ganz gefüllt ist mit den wohl erkennbaren
Figuren der ^Excursionisten**. —
Noch weiter gegen Süden, jenseit der Rulna, aber in demselben Höhenzuge,
folgt noch ein ferneres Höhlensystem, welches erst im Winter 1889/90 eröffnet
wurde und auch jetzt noch manche Zierde von dem ursprünglichen Schmuck an
Stalaktiten enthält. Der Eingang liegt bei dem Dorfe Schoschuwka. Wir besitzen
eine genaue Schilderung der diluvialen Fauna und der Spuren des Menschen in
dieser Höhle von Hm. Maska (Jahrb. der k. k. geol. Reichs-Anstalt 1891, Bd. 41,
Heft 2, S. 415). Was die erstere anlangt, so ergab sich an vielen Stellen eine
starke Vermischung älterer und neuerer, zum Theil selbst recenter Einlagerungen.
Unter den älteren kamen Reste vom Höhlenbären so massenhaft vor, dass sie in
entfernteren Theilen des Hauptganges und in einigen Nebengängen mindestens
90 pCt. des ganzen Rnochenmaterials ausmachten. Nächstdem war das Pferd am
zahlreichsten vertreten. Dagegen wurden nur ein einzelner Metatarsalknochen vom
Mammuth, einige Rnochen von Felis spelaea, Theile eines Schädels von Hjaena
spelaea und im vorderen Theile des Hauptganges wenige Renthierreste ausgegraben.
(341)
Für die Anwesenheit des Menschen zeugte das Vorkommen einer bis Iß an
machtigen Aschen- and Holzkohlen-Schicht im Haaptgange, etwa 38 m vom Ein-
gange entfernt; Feaersporen sollen sich auf einer etwa 4 m langen und bis 2 m
breiten Fläche gefunden haben, zusammen mit Feuersteinen und Knochen -Werk-
zeugen, üeber die anscheinend vom Menschen absichtlich zertrümmerten Knochen
vom Renthier und Rind spricht sich Hr. Maska sehr vorsichtig aus. Nur ein
Flintspahn und ein feingeschliffener Knochenpfriemen aus dem Metatarsus eines
^rehgrossen^ Wiederkäuers, sowie ein grösseres Fragment einer mit einer seichten
Längsrinne (Sägespur?) versehenen Renthierstange erscheinen ihm als unverdächtige
Beweise für die Zeitgenossenschafk des Menschen und des Renthieres in dem vorderen
Theil der Höhle, die aber doch nur als Zeugen für die Annahme eines vorübergehenden
Aufenthaltes des ersteren aufgefasst werden dürften. Die meisten menschlichen
Knochen, welche am Ende des Hauptganges gesammelt wurden, erscheinen ihm
nach ihrem Erhaltungszustande und ihrer Farbe als recente, wahrscheinlich der
jüngeren prähistorischen oder sogar der historischen Zeit angehörige; sie stammen
scheinbar von einem einzigen Individunm. Die Tibia ist in hohem Grade pla-
tyknemisch (1:58,3). Das untere Drittheil des Os femoris ist scharfkantig ab-
getrennt —
Von Schoschuwka aus fuhren wir hinab in das stark bewaldete „öde'^ Thal,
in welchem der Punkwa-Bach nach längerem unterirdischem Laufe durch ein weites
Felsenthor hervorbricht (Führer in die Umgebung S. 15. Abbild. In vorstehender
Skizze bei 6). Wir stiegen die steile Felswand hinan und gelangten auf das Plateau
des Kalkgebirges. Hier liegt die berühmte Mazocha (ebendas. S. 17, Abbild.), eine
gewaltige Thalschlucht von etwa 160 m Länge und 70 m Breite, in deren Tiefe
(137 m) die Punkwa braust Von dieser pittoresken Stelle aus stiegen wir wieder
in das „öde^ Thal hinab und fuhren das malerische Punkwa-Thal abwärts nach
Blansko, von wo ich mit der Eisenbahn nach Prag zurückkehrte. Die Zeit ge-
stattete es nicht, das interessante Josefsthal zu besuchen, welches bei Adamsthal
in das Zwittawathal einmündet, und in welchem die Höhlen Wejpustek (in der
Skizze c), Kostelik und Byi^iskala (in der Skizze ri) liegen. Wenn ich trotzdem
noeh einen Augenblick bei der letzteren Höhle verweile, so geschieht es, weil sie
seit langer Zeit die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und zu vielen Deutungen
Anlass gegeben hat.
Vorweg mag bemerkt werden, dass der durch Wankel eingeführte Name
Byciskäla, d. h. Stierhöhle, von Hm. Makowsky nicht anerkannt wird; er sagt
Becziskdla (von beceti, Geräusch des gurgelnden Wassers). Ein von ihm gelieferter
Grundriss steht in dem „Führer^ S. 8, ein anderer von Kh'z in dem Jahrb. der
geol. Reichs-Anstalt 1892, Bd. 42, Hefl 3, Taf. XH; es geht daraus hervor, dass
die Höhle eine grosse Länge (hinter der 21 7i> langen Vorhalle noch 312 m) besitzt,
mancherlei Krümmungen macht, aber nur ein Paar grössere ^Seitenhallen^ aus-
sendet In der nördlichen wurden rohe Stein Werkzeuge und gespaltene Knochen
diluvialer Säugethiere (Pferd, Auerochs, Renthier, Lepus variabilis, Legopus n. s. w.)
auf einem mit Kohlen durchsetzten Boden gefunden; in der südlichen gleichfalls
eine Feuerstelle mit 5 Metatarsalknochen des Höhlenbären, gespaltene Knochen-
reste der genannten Thiere, ^Pfeilspitzen^ von Renthiergeweih, scheinbare Ge-
räthe aus Feuerstein. Da letztere jedoch bei Grabungen „am Tage** im Walde
gleichfalls zum Vorschein kamen, so dürften sie wohl nur eingeschwemmte Bruch-
stücke darstellen. Nach den Angaben des Hm. Kiii (a.a.O. S. 540) stammen
die sämmtlichen Knochen an der Feuerstätte von Mahlzeiten her; diluviale
Thiere (Bär, Löwe, Hyäne u. s. w.) haben nie in den Höhlen gelebt.
(342)
Reste von Hausthioren (Bos tauras, Ovis aries, Gapra hircus, Sos domestica, GanU
familiaris, — vom letzteren nur 2 Stück) kamen nirgend in Gemeinschaft mit den
Resten diluvialer Thiere vor. Hr. Krii bringt sie in Zusammenhang mit der Be-
Wohnung der Vorhallen und der südlichen Seitenhallen, in denen nach seiner
Meinung eine Schaar von Flüchtlingen Schutz gesucht habe, aber durch Verfolger
vernichtet worden sei (S. 551). Dieses Ereigniss habe im 2. oder 3. Jahrhundert
vor Ghr. Geburt stattgefunden. Als Zeugen desselben fand man Thongefässe rer-
schiedener Art, Spinnwirtel, Schmucksachen aus Bronze und Gold, Werkzeuge aus
Stein, Knochen, Geweih, Bronze und Eisen, endlich menschliche Knochen. Sie
gehören nach Hm. Ktii der Hallstattzeit an. Zu demselben Schlüsse war ich
schon vor länger als 20 Jahren gekommen, als ich auf der Wiener Ausstellung den
Ton einigen jungen Männern kurz vorher in der Vorhalle gefundenen Bronze-
stier erblickte (diese Verhandl. 1873, S. 169, 203); indem ich ihn mit der schon
von Karabacek herangezogenen Hallstätter Bronzekuh zusammenstellte, gewann
ich auch für unsere Bronzestiere und Bronzevögel einen chronologischen Anhalts-
punkt. Ich füge noch hinzu, dass im Museum Hirse und Getreide in gebrannter
Form aus der Byciskäla liegt, — ein untrüglicher Beweis für die späte Zeit der
Bewohnung.
Das ist ein kurzer üeberblick über das, was ich in und aus dem Höhlen-
gebiet gesehen habe. Es liegt auf der Hand, dass es gegenüber den Lössfnnden
von Brunn, Pfedmost und Joslowitz sehr in den Hintergrund tritt, wenngleich es
für sich von grösstem Interesse ist. —
Ich habe jetzt noch einige Nachträge zu bringen in Bezug auf die jüngeren
Funde, welche ausserhalb des Löss- und Höhlen-Gebietes gemacht worden sind.
Hier habe ich zunächst mit ein Paar Worten auf den schon früher (S. 332) er-
wähnten Hradisko von Obt'an zurückzukommen. Es ist dies ein in dominirender
Höhe auf einem nördlichen Bergvorsprung vor Brunn am rechten üfer der Zwittawa
gelegener Ringwall. Innerhalb eines weit ausgreifenden Erdwalles liegt ein grosser,
flacher, jetzt bebauter Kessel, auf dem sich nicht selten prähistorische Scherben
finden Ich erwartete hier slavische Formen zu finden, war aber nicht so glücklich.
In der „Technik^ sah ich einzelne sehr grosse Thongefässe von da und bemalte
GelUssscherben. Durch Schrägstriche waren dreieckige Felder abgetheilt, welche
abwechselnd roth in dickem Aufstrich bemalt waren und weisse Incrustationen
zeigten. Im Franzens-Museum lagen zwei ungarische Fibeln aus Eisen, sowie
eine grosse Plattenfibel, wie eine ähnliche sich im Musealverein von Alt-Brünn be-
findet In der ^Technik** war eine Bogenfibel. Auch bemerkte ich vom Po lau er
Berg bei Nikolsburg eine ganz kleine Miniaturfibel von ungarischer Form aus
starkem gewundenem Draht.
Von besonderer Wichtigkeit erschienen mir die Funde von Krommau, über
welche zum Theil schon Hr. Makowsky in diesen Verhandlungen (1895, S. 760)
berichtet hat; sie liefern vielfache Analogien zu prähistorischen Stücken unserer
Gegend. Vor Allem ist der merkwürdige Muschelschmuck zu erwähnen, dessen
Uebereinstimmung mit unserem Bemburger Funde ich früher erörtert habe; ausser
Spondylus kommen daran kleine Neritinen vor. Ebendaselbst fand man das Gefäss
mit ganz tiefer und breiter Einritzung m Schlangen form (a. a. O. S. 761, Fig, 2),
welches Ornament sich noch an zwei Schalen zeigt. Ein starkes Bronzeblech trägt
ein Dreieck-Ornament. Daneben geschliffene Feuerstein-Geräthe und polirte Aexte,
auch die thüringische Schuhleistenform; Schlittschuhe aus Knochen; grosse Henkel
von Thongefässen und Vollcelte; ich notirte ferner eine Schlangennadel mit Knopf,
eine kleine zerbrochene ungarische Fibel (aus dem Museal-Verein), platte Pfeil-
(343)
spitzen. An den Thongefässen zahlreiche HorizontaN und Wellenlinien. Auch
fanden sich hier die schon (S. 334) erwähnten rothen Beschläge.
Den Ton Hm. Fiala in einem Grabe bei Brunn gemachten Fund eines grossen,
schlanken, sehr gracilen Bronzepferdes mit langem Schwanz und sehr charak-
teristischem Kopf kann ich nicht übergehen. Ebenso erwähne ich dreieckige,
ganz kurze Bronze-Dolche mit Stielen (?) von Lundenburg, Obfan u.a., sowie
eine Gussform von Hrad.
Endlich nenne ich noch einige neolithische Fundstellen. Von Ob^any be-
sitzt sowohl die ^Technik^, als das Franzens-Museum solche Stücke; in letzterem
liegen Massen von geschlififenen Steinbeilen und gebohrten Aexten, viele bear-
beitete Rippen u. s. w. Bei Schlappanitz wurden Gefässe, zum Theil ähnlich
denen von Obfan, mit eingepressten horizontalen Zonen und rothen Stempeln, auch
platte, kleine, graue Gefässe mit Kugelboden gesammelt.
Auf weitere Besprechung dieser prähistorischen Sachen verzichte ich um so
mehr, als die Kürze der Zeit mir nicht gestattete, meine Notizen zu controliren. *
Sollte ich einige Irrthümer begangen haben, so bitte ich um gefällige Gorrectur
durch die mährischen Freunde; heute schien es mir jedoch wichtig, wenigstens
einige Hinweisungen auf die ungewöhnliche Bedeutung auch dieser Sachen für
unsere eigene Prähistorie zu machen. —
(23) Hr. A. Voss bespricht, unter Vorlage eines dem Königl. Museum für
Völkerkunde eingesendeten Exemplares, die
bei EUndorf, Kreis Oschersleben, Provinz Sachsen, gefundenen Gesichts-
Thürurnen.
Hr. Gutsbesitzer Vasel in Beyerstedt bei Jerxheim hat die grosse Güte ge-
habt, eines jener höchst bemerkenswerthen Thongefasse, welche von ihm bei Eils-
dorf gefunden wurden und eine Gombination von Gesichtsumen und Hausumen,
die sogenannten Thürurnen, darstellen, dem Königl. Museum nir Völkeilvunde als
Geschenk zu übersenden, wofür ihm an dieser Stelle der verbindlichste Dank aus-
gesprochen werden soll. Ich bin jetzt in Folge dessen in der glücklichen Lage, Ihnen
ein Exemplar dieses Gefösstypus im Original vorzuführen. In der Sitzung vom
20. Januar 1894 hatte ich bereits Gelegenheit, Photographien derselben vorzulegen,
und Hr. Lehrer Voges in Wolfenbüttel hat im 4. Heft der Fundnachrichten des-
selben Jahres ausführlicher über die Fundstelle berichtet. Zur Erläuterung der in
diesem Gelasstypus combinirten Gelassformen habe ich mir erlaubt, die bei Klein-
Katz in Pomerellen gefundene Gesichtsurne mit Andeutung eines viereckigen Schurzes
oder einer Tasche (Kat. Nr. I. 1409, abgebildet bei v. Ledebur, Das König-
liche Museum vaterländischer Alterthümer, Berlin 1838, Taf..II) gleichfalls hier
aufzustellen und ebenso eine sogenannte „Thürurne^ von Unseburg, Kreis Wanz-
leben, Provinz Sachsen (Kat. Nr. I, g, 569), ein Geschenk des Hrn. Ortsvorstehers
Schulz zu Unseburg. Dass diese Urne von Eilsdorf, welche bei Hm. Voges
(a. a. 0.) unter Fig. 3 Ä und 3 B abgebildet ist, ebenso wie die mit ihr gefundenen
anderen beiden Exemplare eine Gombination der beiden hier vorgestellten Formen
ist, ist leicht ersichtlich. Auch hinsichtlich der Zeitstellung würden diese 3 Typen
zusammengehören; ob diese Form aber einer directen Ideen- Uebertragung ihre
Entstehung verdankt, ist noch erst zu erweisen, da zwischen dem Bereich der
Gesichtsumen und dem der Hausaraen bis jetzt noch die Bindeglieder in Gestalt
von Zwischen formen fehlen. —
(344)
(24) Hr. 0. Olsh aasen spricht über
Um. Kröhnke's chemische Untersnehnngen an vorgeschichtlichen Bronzen
Schleswig - Holsteins.
In der Sitzung vom 19. Juni wurde eine jüngst erschienene Kieler Dissertation
des Hm. Otto Rröhnke voigelegt, betitelt: Chemische Untersuchungen an vor-
geschichtlichen Bronzen Schleswig-Holsteins. In derselben sind an der Hand neuer
Analysen einer grossen Zahl meist durch gute Abbildungen des Hrn. Dr. Splieth
wiedergegebener Bronzen verschiedene archäologisch-chemische Fragen erörtert, —
dem Plane nach eine sehr verdienstvolle Arbeit, welche der noch besonders zu
schätzen wissen wird, der selbst nicht allein die Langwierigkeit, sondern auch die
Schwierigkeit der Bronze-Analyse kennt.
Eine nähere Besprechung der Schrift liegt nicht in meiner Absicht; die nach-
folgenden Mittheilungen sind nur veranlasst durch ein „das Schwert von Norby*^
überschriebenes Capitel (S. 38 — 42), welches frühere Arbeiten von mir berührt
1. Der Kupfer-Verlust bei Verwitterung von Bronzen.
An der Klinge eines prachtvollen, der Steinkiste des Grabhügels ^Moritzenberg"
bei Norby in Schleswig entstammenden Schwertes*) beobachtete Präul. Mestorf,
Director der Kieler Alterthümer-Sammlung, eine völlige Verschiedenheit im Aeussem,
namentlich der Farbe, ihrer einzelnen Abschnitte. Während die Klinge im All-
gemeinen eine dicke grüne Patina mit braunen Flecken zeigte, erinnerte ihre Spitze
nicht im Geringsten mehr an Bronze, sie liess das Vorhandensein von Kupfer nicht
mehr wahrnehmen. Fräul. Mestorf schloss hieraus, dass die Spitze ihr Kupfer
mit der Zeit (mehr oder minder) verloren habe, und dies gab Hm. Kröhnke
Anlass, quantitative Analysen der Proben von 4 verschiedenen Klingen-Abschnitten
auszuführen, welche ein Abnehmen des Kupfergehaltes vom Griffende nach der
Spitze hin ergaben, wie folgt: 1. 63,79 pCt Kupfer; 2. 57,95 pCt; 3. 45,91 pCL;
4. 8,56 pCi*).
Eine Probe von dem starken Klingentheil nahe dem Griff stellte, zerrieben, ein
dunkelbraunes Pulver dar und enthielt neben Zinnsäure (einem Hydrat des SnO,)
noch metallisches Zinn, während die dünnere Spitze ein grauweisses Pulver lieferte,
dessen Zinnsäure kein metallisches Zinn mehr beigemischt war.
Das erstere Pulver gab, mit Salpetersäure behandelt, einen auf dem Filter ge-
trockneten und mit diesem gewogenen (nicht geglühten) Rückstand von 32,12 pCt ;
das zweite Pulver hinterliess, ebenso behandelt, 78,85 pCt Diese Rückstände sind
im Wesentlichen Zinnsäure; der erstere enthielt indess noch Spuren von Blei, Kupfer,
Thonerde.
Die Probe mit dem metallischen Zinn war also weit zinnsäureärmer, als die
andere; und dabei ist in Wahrheit ihr Gehalt an Zinnsäure mit 32,12 pGt noch
etwas zu hoch gerechnet, weil ein Theil der letzteren nicht schon bei der Probe-
1) Mittheilungen des Anthropologischen Vereins in Schleswig-Holstein, Heft 3 (1890),
5. 19 und 26, Fig. 2.
2) Diese Zahlenreihe würde, den analytischen Belegen anf S. 72 nach, unt«r Nr. 3
einen groben Fehler enthalten; denn die Rechnung ergiebt 91,78 pCt. Kupfer, nicht 46,91.
Wahrscheinlicher ist es allerdings, dass die gewogene Kupfermenge mit 0,0887 g um das
Doppelte SU hoch, oder die in Arbeit genommene Probe mit 0,09120 5/ um die H&lfte xu
niedrig notirt ist.
(345)
nähme darin enthalten, war, sondern von dem metallischen Zinn herrührt, das erst
durch die Salpetersäure oxydirt worden war.
Aus all diesem folgte natürlich, dass die Bronze bei der Verwitterung ihr
Rupfer um so mehr verlor, je dünner sie war, während gleichzeitig der aus Zinn-
säure bestehende Rückstand relativ zunahm. Es zeigte sich weiter, dass die
Oxydation des Zinns im dickeren Rlingentheil nur eine theilweise, im dünneren
aber eine vollständige war. Dieses Ergebniss einer mühevollen Arbeit ist
jedoch durchaus nicht neu und dasselbe gilt von der für das Verschwinden
des Kupfers gegebenen Rröhnke' sehen Erklärung. In den stark oxydirten Bronzen
ist nehmlich das Rupfer als basisches Garbonat, bisweilen auch theilweise als
Oxydul vorhanden. Ersteres ist in kohlensäurehaltigem Wasser, wie es durch
Regen in die Erde gelangt, löslich, wenn auch nicht leicht, so doch bei andauernder
Einwirkung vollständig. Hr. Rröhnke will aber den Tagewässern bei der Fort-
führung des Rupfers keine erhebliche Rolle zugestehen, weil die Erscheinung
meist nur bei Gräberfunden, nicht bei anderen Erdfunden auftritt; er möchte viel
eher annehmen, „dass das bei der Verwesung der Leiche entstehende Ammoniak
das Rupfer allmählich aufgelöst und das Zinn zu Zinnsäure umgewandelt hat^.
Das Wesentliche dieser Anschauungen findet sich nun bereits in einer Mittheilnng
Schuler's über Analyse einer alten Bronze und deren Patina in Dingler^s Poly-
technischem Journal, Bd. 232 (1879), 8. 333—36.
Schuler untersuchte die lichtgrüne, zerrieben weisslichgrüne, Patina einer
Bronze, die 89,78 pCt Rupfer und 6,83 Zinn enthielt (neben 3,03 Blei, Robalt,
Nickel, Eisen; in Summa 99,64). Die Patina verlor im Vacuum über Schwefel-
säure 9,44 pCi Wasser. Die so getrocknete Masse war, wenn man alle ihre un-
wesentlichen Bestandtheile an beigemengter Erde, organischer Substanz, Eisenoxyd
und Thonerde im Gesammtbetrage von 9,32 pCt. abzieht und die Summe der
anderen ^ 100 setzt, gebildet aus 34,55 pCt. basischem Rupfer -Carbonat [CuCO,,
CuO,H„ d. i. Malachit], 4,51 basischem Blei-Carbonat [(PbCOJ,, PbO^Hj, d. i, Blei-
weiss] und 60,92 Zinnsäure 0 [SnO,HJ = 99,98 pCt, d.h. sie enthielt 19,8 pCt
Rupfer und 42,7 pCt Zinn. Der Rupfergehalt der Patina war also sehr viel
kleiner, als der der Legirung, der Zinngehalt dagegen ganz bedeutend erhöht.
Schul er bemerkt dazu: „Wasser mit einem Gehalt an freier Rohlensäure, welches
die Fähigkeit besitzt, basisches Rupfer-Carbonat zu lösen, während Zinnoxyd-
Hydrat in demselben unlöslich ist, dürfte eine der Ursachen dieser Aenderung der
Mengenverhältnisse zu einander sein. Eine andere Ursache mag in der Ein-
wirkung von im Wasser gelöstem Ammoniak und kohlensaurem Ammonium, beide
hervorgegangen durch Verwesung stickstoffhaltiger organischer Substanzen, zu
suchen sein. Für die Berechtigung dieser Annahme spricht das Vorhandensein
von geringen Mengen Ammoniak in der Patina. Es lassen sich auch andere Ur-
sachen vermuthen, deren Erfolg der war, dass ein grosser Theil des Rupfers ....
gelöst und weggeführt wurde, während Zinnoxyd -Hydrat zurück blieb und sich
hierdurch anreicherte.^
Von dieser Arbeit Schuler^s, sowie von einigen einschlägigen späteren Mit-
theilungen anderer Autoren erhielt auch ich erst jetzt Renntniss durch Hm. Dr.
F. Rathgen, Chemiker beim Rgl. Museum am Lustgarten hierselbst. Aber schon
Vorjahren habe ich nicht allein zahlreichen Personen, darunter auch Frl. Mestorf,
Bronzen meiner Amrumer Sammlung gezeigt, deren einige nur an den dünneren
Stellen (ein Schwert ebenfalls an der Spitze und an den Schneiden), andere aber,
1) Ueber Zinn säure siehe unten S. 348.
(346)
z. B. eine Dolchklinge, ganz und gar geweisst waren, sondern ich habe auch
in meinen ersten Veröfifentlichangen aaf prähistorischem Gebiet wiederholt diese
Erscheinung erörtert und bald in der einzig möglichen Weise, durch Rupferverlust
nach erfolgter Oxydation, erklärt. Anfangs hielt ich zwar die Spitze eines zweiten
Dolches, einen Spatel (richtiger Messer) und eine gerade Nadel für Umwandlnngs-
producte von Zinn, erwog aber doch schon gleichzeitig bezüglich der Spirale
einer Fibel die Möglichkeit der Entstehung aus Bronze und bemerkte: „In der
That verlieren sehr dünne Bronzestückchen beim Liegen in der Erde einen Theil
ihres Kupfergehaltes und sehen, weil durch und durch oxydirt, schmutzigweiss
aus" (diese Verhandl. 1883, 86 — 90). — 1884 erkannte ich dann auch die meisten
der anderen genannten Gegenstände als Bronze-Objecte und untersuchte weiter 2
ebensolche weisse Stücke des Kieler Museums, einen Tutulus ?on Sylt und ein
Messer von Emmerleff (Verh. 1884, S. 525, 531—32). Ueber den Tutulus sagte ich:
„Da er von erheblicher Dicke ist, ich aber nur der äussersten Oberfläche die Probe
entnehmen konnte, so mag im Innern ein Bronzekern vorhanden sein, obgleich das
Aeussere nicht die leiseste Andeutung davon zeigt (und das Fröbchen kein Kupfer,
sondern nur eisenhaltige Zinnsäure ergab)." Das Messer war bis dahin in Kiel
nicht richtig erkannt, wurde erst von mir als solches angesprochen und eben des-
halb als vermuthlich aus Bronze entstanden bezeichnet.
Hier und in anderen Sätzen ist also das Weisswerden durch Kupferverlust
und der Einfluss der Dicke des Gegenstandes bereits klar ausgesprochen. Diese
Sache hat mir damals viele Mühe gemacht, da ich, selbst in archäologischen
Dingen noch Neuling, auch keine Vorarbeiten kannte, und in den Museen die
geweissten Bronzen ganz falsch aufgefasst wurden. Bald hielt man sie für
schwach gebrannten Thon, bald für Knochenmasse, endlich für Kitt oder dergl.;
namentlich auch Prof. Handelmann, damals Director des Kieler Museums, hat
wiederholt derartiges geäussert. Auch ich dachte Anfangs an Knochen. In der
That lassen mehrere meiner Amrumer Objecte, die in ihrer ganzen Ausdehnung
völlig gleichmässig weiss sind und deren Oberfläche dabei keineswegs verwittert
erscheint, vielmehr glatt und mit den Ornamenten wohl erhalten ist, einen solchen
Irrthum sehr leicht zu, wenn man nicht schon Erfahrungen gesammelt hat. Wie im
Mineralreiche die Substanz eines Krystalls durch Einwirkung gelöster, von Aussen
herantretender anderer Stoffe theils wesentlich verändert, theils sogar gänzlich ver-
drängt und durch einen neuen Stoff ersetzt werden kann, der die alte, ihm selbst
nicht eigene Form des Krystalls unverändert übernimmt, so entstehen auch hier
wahre Pseudomorphosen von fast reiner Zinnsäure nach Formen, die der
Mensch ursprünglich einem anderen Material gegeben hatte. Welche Schwierig-
keiten unter diesen Umständen die Untersuchung bot und auf welchem Wege ich
schliesslich zum 2iiel gelangte, das ist Verhandl. 1883, S. 88 zu lesen. Es be-
fremdet aber, dass man in Kiel diese Arbeiten, die doch zum Theil mit dortigem
Material ausgeführt wurden, gänzlich vergessen zu haben scheint.
Den Antheil des Ammoniaks bei der Auslaugung des Kupfers anlangend, so
ergiebt ein Vergleich der Ansichten Sc hui er' s und Kröhnko's, dass erstcrer
denselben weit vorsichtiger veranschlagt, meines Erachtens mit Recht. Gewiss
wird das Ammoniak mitgewirkt haben, aber die Vorbedingung dafür ist doch
immer das Eindringen von Tagewassern, nicht allein zur Bildung einer wässrigen
Lösung des Ammoniaks, sondern wesentlich auch zur Oxydation des Kupfers und
UeberfUhrung desselben in basisches Kupfer- Carbonat durch seinen Gehalt an
Sauerstoff und Kohlensäure. Denn metallisches ' Kupfer löst sich nicht in
reinem wässrigem Ammoniak, wohl aber Kupferoxydul und jenes Carbonat Diese
(347)
Tagewasser genügen nun aber auch schon für sich allein, die Oxydation und Fort-
führung des Rupfers zu bewirken; das Ammoniak fordert sie, ist aber nicht un-
bedingt nöthig. Aehnlich dürfte es sich wohl mit der Oxydation des Zinns ver-
halten. Es scheinen mir auch die Bedingungen für die Zerstörung der Bronzen
durch Tagewässer in manchen Gräbern günstiger zu sein, als im gewöhnlichen
Erdboden. Die Gräber der älteren Bronzezeit auf Amrum bestehen aus Erdhügeln,
die im Innern längliche Haufen von Feldsteinen bergen, zwischen denen die
Leichen mit den Beigaben oft auf Holzunterlage (oder in Särgen?) ruhten. Diese
Steinmassen enthalten natürlich Höhlungen, namentlich in Folge der Auflösung der
Weichtheile der Leichen. Ich fand nun oft, dass, wenn auch die Erdschichten
nicht besonders feucht schienen, die Steine ganz nass waren. Das eingesickerte
Wasser kann in die Substanz der Steine nicht eindringen, haftet aber auf der Ober-
fläche derselben. Sauerstoff und Kohlensäure führt es mit hinab; weitere Luft-
mengen mögen bei trockener Witterung durch die Erdmasse dringen, und so haben
wir lufterfüllte Hohlräume mit nassen Wänden, — ein, wie mir scheint, für die
Oxydation der Bronzen sehr günstiges Verhältniss. Auf Amrum waren auch die
Knochen der Leichen meist bis auf geringe Spuren verschwunden, indem zunächst
die organische Substanz derselben verweste und oxydirt wurde, dann die so ihres
Bindemittels beraubte Mineral-Grundlage in kohlensäurehaltigem Wasser sich löste.
Dieses Wasser spielt also hier eine grosse Rolle, der gegenüber die des Ammoniaks
nicht zu sehr betont werden darf.
Uebrigens hatte ich selbst schon die Mitwirkung des Ammoniaks bei den
chemischen Vorgängen in Gräbern, u. a. auch in eben demselben Grabe von
Norby, dem das Schwert entstammt, in Betracht gezogen (diese Verhandl. 1884,
521), freilich nicht mit Bezug auf Bronze, sondern auf Niederschläge phosphor-
säurehaltiger Thonerde; siehe unten S. 353.
Kröhnke hat die Ergebnisse der Einzelbestimmungen für das Schwert von
Norby nicht in einer Uebersicht zusammengestellt, wie es für alle anderen von ihm
untersuchten Bronzen geschehen ist. Nach Berichtigung verschiedener Fehler in
den Angaben auf S. 40 und 69 — 72 ergiebt sich aber für die Proben von beiden
Enden des Schwertes die folgende uebersicht I. Das hier Fehlende müsste Sauer-
stoff^) sein. Rechnet man nun alle Metalle in ihre Oxyde um, so erhält man die
Reihen IL
I.
n.
Griffende
Spitze
Griffende
Spitze
Kupfer . . .
63,79
8,51
CuO . .
. 79,99
10,67
Zinn . . .
19,12
58,39
SnO, . .
. 24,36
74,36
Eisen . . .
0,84
1,07
FejOj . .
1,20
1,53
Wasser
1,51
6,66
H,0. . .
. 1,51
6,66
GlUhirerlust .
^^^
9,51
Glühverlust
107,06
9,51
85,26
84,14
102,73
Da die Probe vom Griffende noch metallisches Zinn enthielt, so kann der
üeberschuss von 7,06 pCt. z. Th. daher rühren. Ob auch freies Kupfer vorhanden
war, welches den Rest des Ueberschusses erklären könnte, sei dahingestellt. Bei
der Spitze ist dies gewiss ausgeschlossen; die langsame Gasentwickelung beim
Lösen in Salpetersäure (S. 71) könnte ?on Kohlensäure herrühren, die fertig in der
Masse vorhanden war, oder durch Oxydation organischer Substanz entstand.
1) Auf Chlor wird von Kröhnke überall nicht Röckäicht genommen.
(348)
Es liegt nun nahe, diesen Befund mit dem an anderen von Rröhnke unter-
suchten stark oxydirten Bronzen zu vergleichen. Als solche fuhrt er u. a. auf
Nr. 15 und 17; doch ist hier, namentlich bei Nr. 17, die Veränderung noch nicht
80 sehr gross ^). Dagegen sind Nr. 30 und 36 heranzuziehen. Für beide giebt
Kröhnke aber sonderbarerweise in der Zusammenstellung der Einzelbestimmungen
das 2iinn als Oxyd an, Kupfer und Eisen dagegen als Metall. Das wäre aber doch
nur dann zulässig, wenn man annehmen dürfte, es werde in den Bronzen zunächst
das Zinn vollständig oxydirt, dann erst die anderen Metalle, so dass man von dem
der Analyse nach in der Masse anzunehmenden Sauerstoff auch zuerst das Zinn
zu befriedigen, den dann noch verbleibenden Sauerstoff aber entweder auf die
anderen Metalle zu vertheilen, oder als Verlust in Rechnung zu stellen hätte.
Meines Erachtens haben aber Eisen und Rupfer den ersten Anspruch auf den
Sauerstoff. Es bemerkt auch Donath in einer Mittheilung über „Nachahmung der
Patina^, dass Säuren und Ammoniak oder kohlensaures Ammon vorzugsweise auf
das Rupfer, weniger auf das Zinn einwirken [Dingler's Polyi Journal, Bd. 253
(1884), S. 376].
Nach Beseitigung einiger kleiner Rechenfehler eigiebt sich nun für die Bronzen
Nr. 30 und 36, einmal auf Metall, das andere Mal auf die Oxyde berechnet, wenn
man für Nr. 30 die zweite der 3 untersuchten Proben zu Grunde legt:
Nr. 80
Nr. 36
Nr. 80
Nr. 36
Rupfer . . .
41,05
76,33
CuO . . . 51,48
95,71
Zinn . . .
30,86
9,94
SnO, . . . 39,30
12,66
Eisen . . .
3,44
2,22
FeA . . . 4,91
3,17
Wasser . .
Rohlensäure .
3,94 1
1
6,96
H,0. . . . 3,941
CO,. . . .
6,96
Flüchtiges 1
Erdiges J
6,67
—
Flüchtiges \ ^ ß-
Erdiges . ^'^^
—
85,96
95,45
106,30
118,50
Hiemach wäre die Bronze Nr. 36 erheblich weniger verwittert, als Nr. 30.
Auffallend klein erscheint indess ihr aus dem Fehlbetrag 100 — 95,45 = 4,55 pCt.
sich ergebender Sauerstoffgehalt, da es doch heisst: ^grünliche, starke Patina,
blasig und kömig" (S. 19) und ^^Bronze stark oxydirt, graue Masse^ (S. 65).
Es wäre erwünscht gewesen, bei allen verwitterten Bronzen, so wie es für Nr. 15
geschehen, genauere Angaben über das Aussehen der in Arbeit genommenen Proben
zu finden, ob sie überhaupt noch einen metallischen Eindruck machten oder völlig
in basische Carbonate oder in Oxydul u. s. w. übei^gegangen zu sein schienen. Bei
Nr. 36 dürfte wohl noch Metall erkennbar gewesen sein, beim Schwert von Norby aber
wohl nicht ohne Weiteres. Denn das Zinn am dickeren Ende wird wohl nur nach
dem Pulverisiren sich durch Schlemmen gezeigt haben. Selbst bei metallischem
Aussehen kann übrigens schon bedeutend Sauerstoff aufgenommen sein; das Metall
ist dann leicht pulv^srisirbar. —
2. Die Zinnsäure der verwitterten Bronzen.
Während das in der Natur vorkommende, die Hauptquelle für Zinn bildende
Mineral, der Zinnstein, wasserfreies SnO, ist, scheint das Product langsamer
1) Die Zahlen für beide Analysen enthalten wieder einige Ungenauigkeiten. Besonder»
sind bei Nr. 15 entweder die als gewogen angegebenen Mengen SnO« (0,0511) nnd Ca,S (0,807)
falsch, oder die Umrechnungen in Zinn und Kupfer irrig. Die Fehler überschreiten 1 pCt.
(349)
Oxydation des Zinns in den Gräbern meistens, wenn nicht stets, wasserhaltig
zu sein.
Es giebt nun 2 Arten der Zinnsäure, welche sich wesentlich durch ihre un-
gleiche Löslichkeit in anderen Säuren unterscheiden: die eine bezeichnet man als
a-Zinnsäure, die andere als b- oder Meta-Zinnsäure; letztere entsteht u. a. durch
Oxydation des Zinns mittelst Salpetersäure. Jede Art kann unter gewissen Um-
ständen in die andere übergeführt werden; es kann ferner jede derselben ver-
schiedene Wassermengen enthalten.
Beide Säuren kommen in der Zusammensetzung Sn04H4, mit 19,46 pCt. Wasser,
vor, so die Meta-Zinnsäure aus Zinn und Salpetersäure, wenn sie an der Luft ge-
trocknet wird. Im Vacuum über Schwefelsäure verlieren beide Säuren 1 Molecül
HgO und gehen in das sehr beständige SnOsH^ über (mit 10,75 pCt. Wasser).
Von der Meta-Zinnsäure kennt man ausserdem noch andere Hydrate, die aus
den in der Kälte dargestellten durch längeres Rochen mit Wasser entstehen (Krause's
Chemiker-Zeitung, Cöthen 1897, 854). Alle Hydrate beider Säuren verlieren beim
Olühen das Wasser vollständig.
Die Frage nun, welche Art der Zinnsäure und welches Hydrat derselben in
den Gräbern bei der Oxydation der Bronzen und des metallischen Zinns entsteht,
scheint mir noch nicht genügend aufgeklärt
Den ersteren Punkt könnte das Verhalten gegen andere Säuren entscheiden.
Denn wie die a-Säure in Salpetersäure löslich, die b-Säure unlöslich ist, so löst
sich erstere auch leicht selbst direct in concentrirter Salzsäure, die b-Säure aber
erst auf Zusatz von Wasser. Die Lösungen beider Säuren verhalten sich auch
verschiedenartig gegen Schwefelsäure. — Nun fand ich völlig geweisste Theile
einer Dolchspitze und eines Messers in kochender Salzsäure gänzlich, dagegen die
einer Fibelspirale, sowie das Oxydations-Product eines von mir als Zinn an-
gesehenen Klümpchens nur theilweise löslich (diese Verhandl. 1883, 88—89; 1884,
528). Leider aber habe ich damals die Stärke der von mir verwendeten Salzsäure
nicht genauer beachtet. — Kröhnke berührt die Frage nicht, ebenso wenig
Schul er, doch fand letzterer die Patina beim Digeriren mit Salzsäure zum
grössten Theil löslich, und die so behandelte Masse, behufs Abscheidung etwaiger
Kieselsäure zur Trockne gedampft, gab beim Digeriren mit verdünnter Salzsäure
scheinbar wiederum alles Zinnoxyd ab, da die quantitative Bestimmung des Zinns
sich nur auf die Lösung erstreckte. Indess wird nicht gesagt, dass der verbliebene
Rückstand von 6,16 pCt (^Kieselsäure und Unlösliches") auch auf einen etwaigen
Gehalt an Zinnoxyd vergeblich geprüft sei.
Meta-Zinnsäure nahmen Arche und Hassack in der Patina dreier indischer
Bronzen an (Dingler, Bd. 253, 514ff.)* Sie verfuhren ähnlich wie Schuler, er-
hitzten sogar zur Abscheidung der Kieselsäure auf 110^, befeuchteten dann mit
concentrirter Salzsäure und nahmen mit Wasser auf. Wieder wurde der (geglühte)
Rückstand als „Kieselsäure und Unlösliches^ in Rechnung gestellt, wie es scheint,
ohne auf Sn untersucht zu sein. Und doch wäre das hier sehr am Platze ge-
wesen, denn es enthielt die Patina der 3 Bronzen, auf nur 0,45 pOi, 0,05 pOt. und
10,52 pCt. SnO„ nicht weniger als 45,29 pCt., 77,51 pCi, 15,24 pCt jenes Rück-
standes. Sollte derselbe nicht zinnhaltig gewesen sein?
Die Frage nach der Art der 2iinnsänre ist also wohl noch offen, und nicht viel
besser steht es mit unserer Kenntniss des Wassergehalts.
100 in^ lufttrockener, völlig geweisster Bronze, die nur noch eine Spur von Kupfer
enthielt, Hessen, als ich sie erhitzte, Wasser entweidhen und verloren, schliesslich
geglüht, 23 mg (Verhandl. 1883, 88). Ein kleiner Theil dieses Verlustes kann
(350)
allerdings aus inflltririer organischer Substanz vom Holz des Grabes herrühren
auch enthielt die Masse etwas Eisenoxyd und Thonerde, theils als Phosphat, theiis
wohl aus Hydrat, so dass eine genaue Berechnung des dem SnO, zukommenden
Wassers nicht möglich ist Immerhin erscheint es fraglich, ob die Annahme des
Hydrates SnOaHg (mit nur 10,75 pCt. Wasser) in der Masse zulässig wäre, und
man nicht vielmehr Sn04H4 (mit 19,46 Wasser) vor sich hat.
Die geweisste Spitze des Norbyer Schwertes ergab 6,66 pCt bis 145° aus-
getriebenes Wasser, dann weiter einen Glühverlust von 9,51 pCt., im Ganzen
16,17 pGt Flüchtiges; die Substanz enthielt aber noch 8,51 pGt. Rupfer, wohl in
der Form von basischem Carbonat [Rröhnke's ungenaue Zahlen berichtigt].
Hiermit ist also auch nicht viel anzufangen.
Rröhnke selbst scheint der Zinnsäure der oxydirten Bronzen die Formel
SnO,H, zu geben; denn er sagt S. 41: „Gewissermaassen an Stelle des aus-
scheidenden Rupfers traten Wasserstoff (1 Mol.) und Sauerstoff (3 0)"; auch be-
rechnet er S. 40 aus gewogenen 74,36 SnO^ 85,79 Zinnsäure. Die Formel SnO,H,
würde allerdings nur 83,34 Säure ergeben, SnO^H^ aber schon 92,33. Also liegt
hier wohl wieder ein Rechenfehler vor. —
Auch Arche und Hassack bemerken S. 518, dass von ihnen das SnO^ der
Patina „in der Form seines beständigsten Hydrates, nehmlich als Meta-Zinnsäure
HgSnO,, angenommen wurde^.
In beiden Fällen werden aber Gründe, von der Beständigkeit abgesehen, nicht
vorgebracht. Abweichender Meinung ist Sc hui er, der a. a. 0. sagt: «Das Zinn
ist in der ursprünglichen Patina als Zinnoxyd-Hydrat (SnO^HJ vorhanden; nach dem
Trocknen im Vacuum über Schwefelsäure ist es in das erste Anhydrid (SnO,H,)
übergegangen. Dies Verhalten zeigen beide Zustände des Zinnoxyd-Hydrats. ^ —
Vermuthlich gelangte Schuler zu der Formel SnO^H^ in ganz ähnlicher Weise,
wie ich im oben mitgetheilten Falle. 100 Theile der ursprünglichen Patina gaben im
Vacuum 9,44 Theile ab; es blieben also 90,56 Theile von getrockneter Patina. Von
diesen enthielten 100 Theile 9,32 Unwesentliches (Fe,0„ Al^O,, organische Substanz
und unlösliches), also jene 90,56 Theile 8,44 Unwesentliches, das abzuziehen
ist Mithin bleiben 82,12 Theile reiner trockener Patina, die, in 100 Theilen
60,92 SnO.H, enthaltend, 50,03 SnO,Hg entsprechen. Diese erfordern, um SnO^H^
zu bilden, 5,36 Wasser, welcher Bedarf aber durch das im Vacuum entwichene
Wasser mehr als vollständig gedeckt ist Es bleibt sogar noch ein Ueberschuss
von 9,44 — 5,36 = 4,08 ungebundenen Wassers. Es kann also ursprünglich in der
That Sn04H4 vorhanden gewesen sein.
Endlich seien hier noch einige Oxydations-Producte herangezogen, die mit
mehr oder minder Sicherheit als aus metallischem Zinn hervorgegangen bezeichnet
werden können. — Für eine graubräunliche Masse, die noch einige Zinn-Flitterchen
enthielt, fanden Wibel und ich einen Gesammt-Trocken- und Glühverlnst von nur
4 — 5 pCt [siehe über diese Masse unten S. 352], und ein Spiralring, nach Wibel's
Meinung ursprünglich ebenfalls Zinn, nicht Bronze, war fast wasserfrei [99,65 SnO,
neben 0,35 Fe^O, und Feuchtigkeit; Jahrbuch der wissenschaftlichen Anstalten zu
Hamburg für 1883, 88—89; die Bestimmung wurde allerdings mit nur 28,5 y»^
ausgeführt].
Nach all diesem wäre es gut, dem Wassergehalt der langsam in den Gräbern
entstandenen Zinnsäure gelegentlich grössere Aufmerksamkeit zu schenken. Auch
kann es zweifelhaft erscheinen, ob die von Rröhnke mehrfach benutzte Methode,
die Zinnsäure auf einem getrockneten Filter zur Wägung zu bringen, hinreichend
zuverlässig ist Die Angaben Kröhnke's auf S. 40 dürften diese Bedenken recht-
(351)
fertigen. Er führte nehmlich für die Schwertspitze und für die Probe vom Griff-
ende je 2 Zinn-Bestimmungen nach etwas verschiedenen Methoden aus. Nach
beiden wurde das Zinn auf die gleiche gewöhnliche Weise als Oxydhydrat ab-
geschieden (S. 44, Nr. 1), dann aber im einen Falle dieser ^Kückstand^ auf dem
Filter mit dem Hydratwasser gewogen (S. 69, Nr. 2; 71, Nr. 2), im anderen, wie
es sonst allgemein geschieht, durch Glühen vom Wasser befreit und als SnOj ge-
wogen (8. 44, Nr. 2). Die aus beiden Bestimmungen für jede einzelne Probe be-
rechneten Zinnmengen stimmen aber nicht gut mit einander überein. Die gewogenen
78,85 pCi Zinnsäure der Schwertspitze entsprechen bei der Formel SnO^Hj 70,35
Zinnoxyd (SnO,) oder 55,24 Zinn. Aus den gewogenen 74,36 von geglühtem SnOg
dagegen berechnen sich 83,34 Zinnsäure oder 58,39 Zinn. — Ebenso hat man für die
Probe vom Griffende des Schwertes: gewogen 32,12 Zinnsäure = 28,66 SnOg =
22,50 Sn, und wiederum 27,30 Zinnsäure berechnet aus den gewogenen 24,36 SnOg =
19,12 Sn [hier hat Rröhnke wieder irrthüralich 21,27 pCt Zinn]^. Bei jeder
dieser Proben ergeben also die beiden Zinn-Bestimmungen eine nicht unerhebliche
Differenz; nehmlich im ersteren Falle 58,39 — 55,24 = 3,15 pCt., im zweiten Falle
22,50 — 19,12 = 3,38 pCt Man würde versucht sein, für die Schwertspitze dies so
zu erklären, dass der gewogenen Zinnsäure Zinnoxyd beigemischt war, also Wasser
fehlte, mithin das Gewicht dieser gewogenen Zinnsäure zurückblieb gegen das der
aus dem gewogenen Zinnoxyd berechneten. Aber bei der Probe von dem Griff-
ende liegt der Fall gerade umgekehrt; hier ist das Gewicht der direct gewogenen
Zinnsäure grösser, als das der berechneten ; man müsste ein Gemenge von SnO,Hg
und Sn04H^ annehmen. Den Einfluss der Spuren von Blei, Thonerde, Kupfer, die für
die zweite Probe angegeben werden, kann man schwer abschätzen. Ich finde daher
keine wahrscheinlichere Deutung jener Abweichungen, als die Unsicherheit der
angewendeten Methode'). Wenigstens will ich dies zu Gunsten des Verfassers
annehmen, obgleich derselbe es sonst oft genug an der erforderlichen Sorgfalt hat
fehlen lassen. Wir hatten schon wiederholt Anlass, auf Ungenauigkeiten in
Rröhnke^s Zahlenmaterial hinzuweisen, und leider ist das Uebel noch weit grösser,
als aus den angeführten Fällen ersichtlich. Die Prüfung der Angaben über die
wenigen Bronzen, welche für uns hier Interesse hatten, ergab eine so erstaunliche
Menge von Fehlern, dass man eigentlich keiner Zahl ohne Weiteres vertrauen kann.
In den meisten Fällen handelt es sich allerdings nur um Druckfehler, deren man
ja immer einige mit in den Rauf nehmen muss und die hier vermuthlich noch dadurch
einigermaassen entschuldigt werden können, dass die Arbeit vor dem Zusammentritt
der Generalversammlung der Anthropologischen Gesellschaft in Lübeck zur Vertheilung
gelangen sollte und ihr Druck deshalb wohl etwas überhastet wurde. Aber auch das
muss doch seine Grenze haben, und ausserdem beruht ein recht beträchtlicher Theil
der Fehler auf falscher Berechnung der Wägungs-Ergebnisse, zum Theil vielleicht
auch auf irriger Uebertragung aus dem Analysen-Journal ins Manuscript. Statt
vieler Beispiele genüge das folgende: S. 63 wird zu Bronze Nr. 30 der Gewichts-
1) Bei den Berechnungen habe ich Sn = 117 und Cn = 68 angenommen, wie es auch
Kröhnke ausweislich verschiedener von mir diesbezüglich geprüfter Gleichungen gethan
hat Ob man beide Aequivalent-Gewichte, wie es jetzt wohl meist geschieht, etwas grosser
annimmt (Sn = 118; Cu = 6d,4) macht übrigens fast gar nichts aus.
2) Diese Auffassung wird bestätigt durch zwei während des Druckes dieses Aufsatzes
erfolgte Mittheilungen R. EngePs in der Acad^mie des Sciences zu Paris vom 2. und
8. November 1897 über den schwankenden Wassergehalt der Zinnsäuren; vergl. Chemiker-
Zeitung vom 17. November 1897, S. 962, und vom 24. November, S. 985.
(352)
Verlust beim Erhitzen von 145° auf 200° so angegeben: 0,0016 r; = 6,15 pCi;
S. 16 steht dann wieder 6,04 pGt.; richtig muss es aber heissen 0,0076 = 6,67 pCt
Während nun Hr. Rröhnke nach dem oben Mitgetheilten bei der in den
Gräbern entstandenen Zinnsäure wohl etwas zu sehr auf die Oleichmässigkeit des
Wassergehaltes baut, berücksichtigt er umgekehrt das Wasser der aus Zinn und
Salpetersäure bei der Analyse gebildeten Meta-Zinnsäure gar nicht Er scheint zu
meinen, dass dabei wasserfreies SnO, entsteht. Denn er spricht S. 44 Ton dem
abgeschiedenen „Zinnoxyd^ und bezeichnet S. 47 das bei Auflösung der antimon-
haltigen Bronzen in Salpetersäure ungelöst Bleibende als SnO^ und H,Sb04 (Antimon-
säure). Dieser Irrthum hat aber bedenkliche Folgen. Bei denjenigen Bronzen
nehmlich, für welche die qualitative Analyse nur wenig Antimon anzeigte, oder
deren Gesammtrückstand beim Lösen in Salpetersäure gering war, bestimmte er
quantitativ nur das Zinn direct (durch Wägen als geglühtes SnO,); das Antimon
ermittelte er indirect, wie folgt: von dem Gewicht des bei 105° getrockneten Ge-
sammtrückstandes zog er das des gefundenen (wasserfreien) SnO, ab, nahm die
Differenz als EgSbO^ an und berechnete daraus das Antimon. Da aber in Wahr-
heit das Zinn im Gesamrotrückstande nicht als SnO,, sondern als dessen Hydrat
enthalten ist, so muss auf diese Weise das Gewicht des H,Sb04 um das Hydrat-
wasser des SnOg zu hoch gefunden werden. Die ganze Methode dieser Differenz-
Bestimmung ist also theoretisch unhaltbar, und der Fehler wird um so grösser
werden, je geringer die Menge des Antimons im Verhältniss zu der des Zinns der
Bronzen ist.
Wenn bei Kröhnke's Analysen, soweit ich sie daraufhin prüfte, bisweilen
weniger H^SbO^ berechnet wurde, als dem Hydratwasser des gefundenen Zinnoxyds
entspricht, während ihr Gewicht = der Summe des Hydratwassers und der wirklich
vorhandenen Antimonsäure sich hätte ergeben müssen, so kann dies wohl nur auf
Ungcnauigkeiten in der Analyse zurückgeführt werden. Ich berechne für die
Bronzen Nr. 27 und 28 das Hydratwasser des SnO^ bei Annahme von nur 1 Mol.
Wasser, zu 1,04 und 1,29 pCt., während nach Rröhnke die Antimonsäure nur
0,90 und 0,91 pCt betrug. Die Angabe 0,90 für Bronze Nr. 27 ist dazu wieder
ganz unsicher; wenn das Gewicht des Gesammtrückstandes mit 0,0346 g richtig
angegeben ist, hätte man gar nur 0,39 pGt H^SbO^. Denn der Rückstand betrüge
dann nur 9,02 pCt., nicht 9,53, und die Antimonsäure verminderte sich um die
Differenz 0,51, d. h. von 0,90 auf 0,39 pCt. —
Alle diese Mängel machen die Rröhnke'sche Arbeit, so wie sie vorliegt, fast
unbrauchbar, da sie doch wesentlich auf Zahlen fusst. Es würde sich empfehlen,
sofort eine zweite Auflage herauszugeben, diese dann aber sorgfaltig zu redigiren
und in der Drucklegung zu überwachen.
3. Das Vorkommen von metallischem Zinn in den Gräbern.
In dem Norbyer Grabe lag dicht neben der Schwertklinge, nach der Spitze
hin, zusammen mit weisslichen Bruchstücken einer bronzenen Pincette und anderem
Rleingeräth, ein grobkörniges, graues bis bräunliches Pulver*). Dieses
hatte ich seinerzeit untersucht und als Product der Oxydation von Zinn, nicht
von Bronze, erkannt. Dr. F. Wibel, dem ich dann eine Probe davon sandte, be-
stätigte nach sorgfältiger Prüfung meine Auffassung (diese Verband]. 1884, 527 — 30).
Wir stützten uns dabei vornehmlich auf folgende Thatsachen: Die Brocken waren
1) Mittheil. d. Anthropologischen Vereins in Schleswig-Holstein, Heft 3 S. 22 und 25,
Fig. 7.
(353)
hart und spröde; sie enthielten nur 4,54 pCt. Rapferoxyd, aber trotzdem, neben
der Zinnsäare, noch metallisches Zinn.
Hr. Rröhnke bemerkt non, nachdem er seine Beobachtangen an dem Schwerte
dargelegt hat, S. 41 in Bezog auf jene graubraunen Brocken: ,)Nach dem Gesagten
ist es klar, dass wir nicht ein ursprüngliches Zinnobject ror uns haben, sondern
dass die Masse ebenfalls ein Umwandlungs-Product von Bronze ist^ Aber er hat
dabei erstens die physikalische Beschaffenheit der Brocken ausser Acht gelassen
und zweitens nicht bemerkt, dass gerade in seinen eigenen Analysen die Wider-
legung diesef AnfTassung liegt.
Von der durch Rupfer-Aosscheidnng und Wasserstoff- und Sauerstoff-Aufnahme
stark veränderten Bronze sagt er, sie sei noch compact geblieben und habe völlig
ihre Form bewahrt, aber sei „allerdings bröckelig und locker genügt. Dies
trifft ja auch auf die unzweifelhaft aus Bronze entstandenen Umwandlungs-Producte
durchweg zu. Dagegen habe ich a. a. 0. gerade die Härte jener grauen Brocken
hervorgehoben und Wibel bestimmte ihren Härtegrad zu 3 bis reichlich 5. Auch
für eine aschgraue, noch metallisches Zinn enthaltende Masse aus dem Swarten
Berg bei Oönnebeck in Holstein betonte ich die Härte (ebenda S. 530), und Wibel
fiel die ausserordentliche Festigkeit eines osydirten Spiralringes auf, den er als
aus Zinn entstanden annimmt.
Der Umstand nun, dass die fragliehe Masse noch 4,54 pOi Rupferoxyd =
3,6'2 Rupfer enthielt, scheint für Rröhnke bestimmend gewesen zu sein; den Oe-
halt an metallischem Zinn beachtet er dem gegenüber nicht, vermuthlich weil er
selbst noch Zinn in dem oxydirten Norbyer Schwerte fand. Allein diese noch
metallisches Zinn aufweisende Probe des Schwertes war dem dicken Griffende ent-
nommen und enthielt nicht weniger, als 63,79 pCt. Rupfer. In der Schwertspitze
dagegen war kein metallisches Zinn nachweisbar, obgleich sie immerhin noch
8,51 pCt Rupfer gegen nur 3,62 pGt der grauen Brocken ergab. Und doch fand
sich in letzteren noch metallisches Zinn I Rröhnke's eigene Zahlen sprechen also
eher gegen, als für ihn. Ich halte jedenfalls für diese grauen Brocken am Zinn fest;
der Rupfergehalt derselben kann aus den Bronzen stammen, bei denen sie lagen,
wenn nicht das Zinn selbst schon unrein war. Uebrigens ist ja auch archäologisch
das Vorkommen von Zinn in schleswig-holsteinischen Gräbern gar nicht auffallend.
Man kennt ja schon lange die Holzgefasse der jütischen Eichbaum -Säige mit
Ornamenten aus eingeschlagenen, noch jetzt metallischen Zinnstiften; desgleichen
eine Art von Rnopf und einige Rlümpchen ohne bestimmte Form, ebenfalls poch
heute unverändert Ich selbst besitze eines jener StiHchen und aus dem Dragshöi
in Schleswig einen Splitter eines solchen Rlümpchens (Verhandl. 1883, 92). —
4. Phosphorsäurehaltige Thonerde als Material von Pseudomorphosen
nach Gegenständen des Grab-Inhaltes.
Bei meinen 8. 347 kurz erwähnten Beobachtungen über die Holle des Ammoniaks
in dem Grabe von Norby handelte es sich um Ablagerung von phosphorsäure-
haltiger Thonerde in die Ledersubstanz des Ueberzuges der hölzernen Schwert-
scheide und auf das Holz selbst an denjenigen Stellen, wo das Leder bereits zer-
stört war. Nachdem ich nehmlich an ungebrannten Rnochen aus Amrumer
Gräbern einen mehr oder minder vollständigen Ersatz ihres Kalkes durch Thon-
erde, d. i. eine Pseudomorphose, beobachtet hatte (diese Verhandl. 1884, 516ff.),
stellte ich weiter fest an Gegenständen aus Gräbern verschiedener schleswig-hol-
steinischer Landschaften, so auch aus dem in Rede stehenden von Norby, dass
phosphorsänrehaltige Thonerde bisweilen die Stellen einnahm, wo, dem archäo-
VcrhABüi. d«r Bcrl. Antbropol. GcMllsebA/t 1691. 28
(354)
logischen Befände nach, früher Leder oder vielleicht auch Fell, also allgemeiner
thierische Haut, gesessen hatte (Verhandl. 1884, 518; 1886, 241). Ich glaubte
damals, die durch Phosphorsäure-Aufnahme veränderten AsChen-Bestandtheile weiss-
garen, d. h. mittelst Aluminium-Salze gegerbten, Leders vor mir zu haben, und
wies zur Erklärung der stattgefundraen chemischen Vorgänge auf das beim Ver-
wesen des Leders entwickelte Ammoniak hin.
Inzwischen hat F. Wibel Thonerde-Hydrophosphat als pseudomorphe Nach-
bildung eines Geflechts oder Gewebes in einem Grabe von Perlberg bei Friedricbs-
ruhe im Sachsenwalde erkannt (Chemisch -antiquarische Mittheilun^n 1, Harn-
bui|p 1887; in Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften, Bd. 10):
„An der gräulich-weissen erdigen Masse wurde stellenweise sehr deutlich ein Ge-
flecht und Gewebe aus massig dickem Bindfaden erkennbar. Von der Faser-
substanz selbst war freilich nichts mehr zu isoliren, da dieselbe völlig verkohlt
und schwarz, andererseits aber so von jener weisslichen Masse durch- und über-
zogen erschien, dass man hier eine vollständige Mineralisirung unter localer Er-
haltung der feinsten Structurformen vor sich hatte. ^ Wibel folgerte aus dieser ,,gc-
treuen Pseudomorphosirung des Fadens sowohl die secundäre Entstehung des
Phosphates, als auch den innigen zeitlichen Zusammenhang mit der Verrottnng
der Faser^. Ich schliesse mich dieser Auffassung an und möchte jetzt auch für
die Haut den gleichen Vorgang gelten, die Weissgerberei des Leders dagegen fallen
lassen. Dadurch würde sich die von mir seinerzeit hervorgehobene erhebliche
Dicke der Thonerde-Phosphatmassen besser erklären, als durch die vermuthungs-
weise angenommene mehrfache Uebereinanderlagerung von Leder- oder Fellschichtcn.
Es lassen sich dann auch alle jene Beobachtungen unter einen gemeinsamen Ge-
sichtspunkt bringen, nehmlich unter den der Einwirkung löslicherAluminium-
salze auf Knochen, thierische Haut und Gewebs- oder Geflechtsfaser.
Ich hatte nehmlich angenommen, dass auf die Knochen eine Lösung von
schwefelsaurer Thonerde oder deren Verbindung mit schwefelsaurem Alkali,
d. L von Alaun, getroffen sei, die aus dem an der schleswig-holsteinischen Küste
vielfach vorkommenden und in bronzezeitlichen Gräbern auch als Beigabe nieder-
gelegten Schwefelkies bei seiner Verwitterung durch Einwirkung auf Thon oder
Feldspath entstanden sein möchten. Es würde sich dann aus diesem löslichen
Aluminium-Sulfat und aus dem schwerlöslichen Calcium-Phosphat der Knochen un-
lösliches Aluminium-Phosphat und lösliches Caicium-Sulfat (Gyps) gebildet haben.
— Setzt man in gleicher Weise lösliches Aluminiumsalz als auch mit der Haut in
Berührung kommend voraus, so würde das bei deren Verwesung entstehende
Ammoniak aus diesem die Thonerde gerade auf der Stelle der Haut abgeschieden
haben, und dasselbe würde fär jenes Gewebe oder Geflecht gelten, wenn man an-
nimmt, der „massig dicke Bindfaden^ sei ein starker W oll faden gewesen, was ja
nach unserer Kenntpiss anderer Funde sogar höchst wahrscheinlich ist Die so
niedergeschlagene Thonerde würde in diesem Falle ihren (schwankenden) Phos-
phorsäure-Gehalt wtihrscheinlich den Gebeinen der Leiche verdanken, deren phos-
phorsauren Kalk die mit Kohlensäure beladenen Tagewässer allmählich auflösten,
wobei derselbe an die Thonerde vermuthlich einen Theil seiner Phosphorsäure ab-
geben musste wegen der grösseren Schwerlöslichkeit des Aluminium -Phosphats;
kohlensaurer Kalk wird dabei gleichzeitig entstanden sein.
Die Ausscheidung der Thonerde an der Stelle der Haut und des Gewebes be-
ruhte also in erster Linie jedenfalls auf den besonderen Ammoniakquellen
an eben diesen Punkten. Ob auch das Ammoniak, welches die Leiche selbst
spendete, mitgewirkt hat, hier sowohl, wie bei der Veränderung der Knochen, sei
(355)
dahiogestellt. Ein Zwang, dies anzunehmen, liegt nicht vor und jedenfalls würde
man dann eine riel grössere Ausdehnung solcher Thonerde-Ablagerungen in den
Gräbern erwarten dürfen. Freilich können sich dieselben leicht der Beobachtung
entziehen, soweit sie nicht an den Beigaben selbst haften, sondern nur der Erde
beigemischt sind, und eine Wahrnehmung, die ich machte, Hesse sich wohl mit
einer solchen allgemeineren Wirksamkeit des Ammoniaks in den Gräbern zusammen-
reimen. Ein vollständig geweisstes Bronzemesser enthielt neben SUnnsäure und
einer Spur Kupfer auch etwas Eisenoxyd und Thonerde (diese Verhandl. 1883,
88). Die Ausscheidung der letzteren in die Masse der oxydirten Bronze hinein
könnte durch Ammoniak bewirkt sein ; von einer besonderen Ammoniak spendenden
Umhüllung des Messers, etwa einem Lederfutteral, ist aber nichts wahrgenommen
worden. Indess waren die Fundumstände so feinen Beobachtungen auch wenig
gUnstig, und in anderen Amrumer Gräbern kamen solche Futterale thatsächlich vor.
Dieser Fall ist also nur mit Vorsicht zu verwerthen, aber jedenfalls ist auch hier
auf lösliches Thonerdesalz zu schliessen.
Ueberall also wäre lösliches Aluminiumsalz vorauszusetzen. Wibel freilich
nahm fttr die von ihm beobachtete Pseudomorphosirung der Faser gerade um-
gekehrt eine Veränderung eines unlöslichen Aluminiumsalzes durch infiltrirtes
Kalkphosphat der Knpchen an. Er dachte sich das Geflecht, analog dem Ver-
fahren vieler Naturvölker, mit Thon, d. i. unlöslichem wasserhaltigem Aluminium-
Silicat, ausgestrichen, um es dicht zu machen, und diesen Thon dann mit dem
Kalkphosphat umgesetzt in unlösliches Aluminium -Phosphat und lösliches Kalk-
Silicai Da aber die Annahme eines so gedichteten Geflechtes für unsere vor-
geschichtlichen Zeiten doch ganz hypothetisch ist, während Reste von Wollgeweben
sich ungemein häufig in bronzezeitlichen Körpergräbern finden, und da ferner filr
den Lederttberzug der Schwertscheide und für die Knochen entschieden der Zutritt
gelösten Aluminium-Salzes angenommen werden muss, so glaube ich, dass auch
bei jenem Geflecht, oder richtiger wohl Gewebe, meine Deutung der chemischen
Vorgänge die wahrscheinlichere ist. —
(25) Hr. Georg Schweinfurth legt eine grössere Anzahl der von ihm in der
Sitzung vom 13. Juni (S. 272) besprochenen
Steingefässe der Ababde und andere Steingeräthe ans Aegypten
vor. —
Hr. A. Voss bemerkt, dass der Reisende diese Gefässe dem Museum für
Völkerkunde geschenkt hat, und spricht den Dank der Museums-Verwaltung dafür
aus. —
Hr. Rud. Virchow hebt den ungewöhnlich grossen Werth der Mittheilungen
und Erörterungen des Hrn. Schweinfurth hervor. In Bezug auf die halbmond-
förmigen Schaber, welche der Redner besonders betont hat, erwähnt er, dass ganz
ähnliche Formen auch von der Insel Rügen bekannt sind; im Museum befindet
sich eine Sammlung davon. Sie sind hier in der Regel als Schaber zum Glätten
Ton Holzstäben betrachtet worden. —
Hr. M. Bartels übergiebt als Geschenk des Hrn. Schweinfurth eine Samm-
lung photographischer Aufnahmen von ägyptischen Schülern. —
23»
(356)
(26) Neu eingegangene Schriften:
1. Engelhardt, C, Thorsbjerg Mosefand. Kjebenhavn 1863.
2. Derselbe, Vimose Fandet. Kjebenhavn 1869.
3. Brazelias, N. G., Srenska Fornlemningar. 1 und 2. Land 1853/1860.
4. Renner, F., Beiträge za einer Chronik der archäologischen Funde in der
österreichischen Monarchie (1856—1858). Wien 1860. (Arch. f. Runde
österr. Oeschichtsquellen XXIY.)
5. Worsaae, J. J. A., The industrial arts of Denmark. London 1882.
6. Derselbe, Slesvigs eller Senderjyllands Oldtidsminder. Rjehenham 1865.
7. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande. Heft 44 — 46.
Bonn 1868—69.
8. Rygh, R., Aarsberetning for oldsagsamlingen i 1876. o. 0. u. J.
9. Jahres-Bericht des historischen Vereins fttr den Regierungsbezirk von Schwaben
und Neuburg 1842—46. Augsburg 1844—47.
10. Lindenschmit, F., Ueber eine besondere Oattung von Gewandnadeln aus
deutschen Gräbern des V. und VL Jahrhunderts. Mainz 1851.
11. Boye, V., Fund afEgekister fi-a Bronzealderen i Dan mark. Rjebenhavn 1896.
12. Stolpe, Hj., Björkö-f)mdet. 4 Abhandlungen. Stockholm 1873—81.
13. Derselbe och H. Hildebrand, Vendelfyndet. Stockholm 1884.
14. Madsen, A. P., Gravheie og Gravfund fra Steenalderen i Danmark. Rjoben-
havn 1896.
Nr. 1 — 14 sind angekaufl
15. Bastian, A., Lose Blätter aus Indien. L Batavia 1897. Gesch. d. Verf.
16. Grabinski, L., Die Sagen, der Aberglaube und abergläubische Sitten in
Schlesien. Schweidnitz, o. J. Gesch. d. Hm. M. Bartels.
17. Formosa-Zeitung, chinesisch und japanisch, vom 19. und 20. Januar 1897. Gesch.
d. Hrn. F. W. R. Müller.
18. Hnltzscb, B., Reports on Sanskrit manuscripts in Southern India. Nr. IL
Madras 1896. Gesch. v. Supt. of the Govt. Press, Madras.
19. Protokolle der General-Versammlung des Gesammtvereins der deutschen Ge-
schieh ts- und Alterthums -Vereine zu Sigmaringen 1891. Berlin 1892.
Gesch. des Hrn. Schwartz.
20. Brose, M., Die Deutsche Colonial- Literatur von 1884—1895. Berlin 1897.
Gesch. d. Colonial-Gesellschaft.
21. Führer durch das kunstgeschichtliche Museum (v. Wagner - Stiftung) der
Universität. Würzburg 1897. Gesch. d. Hrn. Prof. Dr. Sittl in Würzburg.
22. Geboortedagen van de Familie Martens op heden in leven. Batavia 1897.
Gesch. d. Hm. Capt Schulze in Batavia.
Sitzung vom 16. October 1897.
Vorsitzender: Hr. R. Virchow.
(1) Anwesende Gäste: Die Herren Dr. L. Glück aus Sarajevo, R. Freydorff
und Herrn. Seide aus Berlin. —
(2) Am 9. September ist Franz Pulszky (v. Luböcz und Gselfalva), der
General-Inspector der ungarischen Museen und Bibliotheken, 83 Jahre alt, in seiner
Dienstwohnung im Ungarischen National-Museum zu Budapest gestorben. Er war
seit 1876 unser correspondirendes Mitglied und zu allen Zeiten unser treuer Freund.
Seine wunderbaren Schicksale während der Revolution und nach der Reconstruirung
des Königreiches sind in Aller Erinnerung. Wir kennen ihn näher seit den inter-
nationalen Gongressen für prähistorische Archäologie und Anthropologie, ins-
besondere seit seiner Präsidentschafl auf dem Budapester Gongress (1876), wo er
uns zum ersten Male die Schätze des neu errichteten National-Museum s vorführte.
Seine Arbeiten über die ungarische Rupferzeit und seine glücklichen Forschungen
über die mittlere Eisenzeit werden seinen Namen unter denen der bahnbrechenden
Archäologen stets erhalten. — ^
Wilhelm Wattenbach, unser langjähriges ordentliches Mitglied, ist uns ganz
plötzlich am 20. September entrissen worden. Es gab eine Zeit, wo er regelmässig
und mit grösster Theilnahme ^n unseren General-Versammlungen sich betheiligte.
Später, wo seine körperlichen Zustände ihm grössere Vorsicht geboten, sahen wir
ihn vielfach in unseren Sitzungen. Seine grossen historischen und philologischen
Kenntnisse liessen ihn in schwierigen wissenschaftlichen Fragen als unseren er-
probten Rathgeber erscheinen. Nach dem Tode v. Holtzendorff's trat er in die
Leitung der von diesem wackeren Manne und Hrn. Rud. Virchow gegründeten
„Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge'' ein; bis zu seinem,
auf der Rückreise aus der Schweiz nach Berlin in Frankfurt a. M. erfolgten Tode
hat er diese Stellung mit Hingabe und treuester Sorgfalt ausgefüllt. Sein Leib ist
in Heidelberg zur Erde bestattet worden. —
(3) Am 11. September ist Hermann Wcicker, Professor der Anatomie in
Halle, nach kurzem Krankenlager im 76. Lebensjahre zu Winterstein in Thüringen
sanft entschlafen. Er war einer der klassischen Repräsentanten der anatomischen
Anthropologie, und sein grundlegendes Werk „über Wachsthum und Bau des
menschlichen Schädels'^ fiel gerade in die Zeit, wo durch die französische und die
deutsche Schule die messende Methode an die Stelle der bloss beschreibenden ein-
gesetzt worden war. Grosse Reisen, auf denen er vorzugsweise die deutschen und
die niederländischen Museen durchforschte, brachten in seine Hände ein ungeheures
Material, welches durch seine Genauigkeit die ersten umfassenden statistischen
Uebersichten zur Schädel künde der alten Welt ermöglichte. Zahlreiche andere
Detailarbeiten brachten das Verständniss der verwickelten Verhältnisse des Schädel-
baues der verschiedenen Rassen. Er folgte mit selbständigem Geiste den Spuren
(358)
seines Lehrmeisters Bischof, dem er schon in Oiessen zur Seite gestanden hatte.
Aber er bewahrte sich auch den pinn für andere Seiten der Yolkskande; dafttr
giebt sein Buch ^Die deutschen Mundarten im Liede^ Zeugniss, wie er schon von
früh an auch die rerschiedensten Seiten der physiologischen Forschung mit £ifer
und Erfolg praktisch geübt hatte. —
Am 12. September ist Rudolf Berlin, Professor und Rector der Unirersität
Rostock, zu Linthal in der Schweiz, wo er sich zur Rur aufhielt, 64 Jahre alt, ge-
storben. Er gehörte zu der strebsamen Schaar junger Meklenburger, welche in
den 50er Jahren die Universität Würzburg aufsuchten. Aus dieser Zeit datiren
seine nahen freundschaftlichen Beziehungen zu Gustav Nachtigal, der in den
Pausen zwischen seinen vielen Reisen das damalige Heim seines alten Gommilitonen
in Stuttgart aufzusuchen pflegte; die vortrefflichen „Erinnerungen an Nachtigal^,
die wir der Gattin Berlin' s verdanken, entstammen diesen Besuchen. Berlin
wurde 1833 zu Friedland in Meklenbuig geboren; seine praktischen Studien hatten
ihn fast durch alle Hochschulen und Augen-Heilstätten Deutschlands geführt, in
den letzten Jahren sahen wir ihn wiederholt auf den General- Versammlungen der
Deutschen Anthropologischen Gesellschaft —
(4) Vorstand und Ausschuss der Gesellschaft haben Hrn. Alexander Makowsky,
Professor in Brunn, zum correspondirenden Mitgliede erwählt —
(5) Als neue ordentliche Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Jacob Nordheim in Hamburg.
„ M. Nordheim in Hamburg.
„ Prof. Dr. Till mann 8 in Leipzig.
„ k. k. Notar Jaroslav Palliardi in Traih, Mähren.
„ Rittergutsbesitzer v. Platen-Venz in Stralsund.
„ George Grant Mac Ourdy in New Haven, America.
für 1898:
Hr. Dr. S. Weissenberg in Elisabethgrad, Süd-Russland.
(6) Das correspondirende Mitglied Hr. R. A. Philip pi theilt in einem Briefe
an den Vorsitzenden d. d. Santiago, 17. Mai, mit, dass er am 15. nach 43 jähriger
Dienstzeit pensionirt und dass sein Sohn Friedrich an seiner Stelle ernannt worden
ist Er schreibt: ^Meine allgemeine Gesundheit ist noch sehr gut und ich würde
gern fortfahren zu arbeiten, wenn mich nicht der graue Staar heimsuchte.*' ~
Der Vorsitzende drückt die herzliche Theilnahme der Gesellschaft aus, und
hofft, dass das treffliche Vorbild, welches der greise Gelehrte der chilenischen
Jugend hinterlässt, dazu beitragen werde, den Geist ernster deutscher Forschung
in dem fernen Lande aufrecht zu erhalten. —
(7) Das correspondirende Mitglied Hr. J. D. E. Schmeltz ist zum Diredor
des Rijks Ethnographisch Museum in Leiden ernannt worden« —
(8) Das ordentliche Mitglied Hr. Karl von den Steinen ist nach den letzten
Nachrichten auf den Marquesas angelangt —
(9) Der Vorsitzende hat aus Cividale im Friaul folgenden Aufiruf erhalten
zu einer
Erinneningsfeier ffir Paulus Diaconas
Pauli Diaconi, Langobardoram historiographi, vitam et opera commemorare
anno P. F. 1899, mense Septembri, consilium municipale Fori Inlii decrerit
(359)
üti vero hnmanlssimam decretnm asseqoi possit id quod spectat, infrascripti
huic moneri addicti [paraodam censerunt clarorom conyentnm viroram, qaomm
prsesentia et decora prsebeat solemni et occasionem in medium eonferat studia re-
centiora eiasdem argumenti sive edita sive inedita ac typis mandanda cum inter-
venientibus communicandi.
Tu, Oiarissime Domine, inceptis nostris faveas, quaeso; et rescribere velis te
acceptorem observantissimi inviti, sive personali inierTento, sive scripto ad Paulnni
nostram et eins saecalam pertinente, sive utroqoe optatissimo officio.
Ex Ci?itate Fori lulii Venetiarum, Kai. dec. M. DCCC. LXXXXVI.
Morgante Rogerius, pnnceps Consilii Man.
Baidissera Valentinns, sac. Olemonae — Bertolini Franciscus, prof. Bononise
— GipoUa Carolas, prof. Aagastse Taur. — Crivellacci Amedeos, prof. Pisis
— Degani Emestas, can. Portagraario — Del Pappo Johannes, prof. ütini —
Ferrari L. Albertas, prof. Patavii — Fracassetti Liber, prof. ütini — Gabrici
lacobas, orator proT. Forij. — Girardini losephus, advocatas Utini — Oortani
lohannes, polyhistor Artae in Gamis — Grion lastas, conservator monamentoram
Fori lalij — loppi Vincentias, bibliothecse ütin. praßfectas — Lampertico Fidelis,
Senator Regni — Marchesi Vincentios, prof. Utini — Marinelli lohannes, prof.
Florentise — Masatti lohannes, prof. Utini — Measso Antonius, Acc. Utin. prse-
fectus — Morpurgo iElius, orator Regni — Musoni Franciscus, prof. Utini —
Podrecca Carolas, advocatas Forij. — Scbupfer Franciscus, prof. Romse —
Wolf Alexander, prof. Utini.
A Turre Rogerius, prof. Forij., Leicht P. Sylverius, doctor juris, Lipsise,
a secretis.
Der Vorsitzende erinnert an die grossen Verdienste, welche der berühmte
Historiograph der Langobarden sich für die Sammlung der zum Theil sagenhaften,
in der Hauptsache aber geschichtlichen Nachrichten über sein Volk erworben hat.
Bei der Bedeutung, welche diese Nachrichten für Deutschland haben, und bei dem
stets wachsenden Interesse, welches durch die neuesten italienischen Funde erregt
worden ist, darf wohl auf eine rege Betheiligung unserer Landsleute an der Feier
gerechnet werden. —
(10) Der Vorsitzende der anthropologischen Gesellschaft in Danzig, Hr. Dr.
Oehlschläger, hat unter dem 20. Juli mitgetheiit, dass am 1. August eine Gedenk-
feier der durch Hrn. Li s sauer begründeten Danziger Gesellschaft beabsichtigt sei.
Leider fiel dieser Tag mit dem Eröffnungstage der Deutschen General-Versammlung
so nahe zusammen, dass unsere Mitglieder sich daran nicht betheiiigen konnten.
Möge daher ein recht warmer Gruss wenigstens nachträglich bezeugen, wie sehr
wir an dem Gedeihen dieser so bedeutenden Gesellschaft theilnehmen. —
(11) DerVorstand des Vogtländischen alterthumsforschenden Vereins
hat unter dem 10. August eine Einladung zu der Jahresversammlung dieses Vereins,
die am 25. August zu Hohenleubau stattfinden sollte, übersendet. Der späte Termin
hatte längst alle reiselustigen Mitglieder unserer Gesellschaft, viele in weite Feme,
verschwinden sehen; wir können daher nur aussprechen, wie sehr wir uns über die
ausdauernde Thätigkeit dieses alten Vereins freuen. —
(12) Gegenwärtig findet in dem Messpalast in der Alexandrinenstrasse eine
grosse Nahrungsmittel-Ausstellung statt Das Trachten-Museum hat in
derselben ein besonderes Zimmer mit heimischen rolksthümlichen Gegenständen
ausgestattet. —
(360)
(13) Die Sternwarte auf dem Treptower Ausstellungsplatze hat ihr
Riesen -Femrohr in Action gesetzt und offerirt Zatrittskarten zu ermässigtem
Preise. —
(14) Hr. Hjalmar Stoepe berichtet aas Tyrstorp nndAby, I.September, dass
der Bericht über den Amerikanisten-Gongress ron 1894 bald erscheinen wird.
Hr. Ingenieur Ake Sjögren hat unter seiner Mitwirkung die Redaction über-
nommen.
Zugleich bemerkt er über Ausgrabungen in Costa Rica, welche der eben
genannte Herr seit mehr als einem Jahre durch Hm. Hartmann, einen früheren
Theilnehmer an der L um holtz- Spedition in N.-Mexico, ausführen lässt:
^Wir besitzen schon eine Sammlung ron mehr als 1500 Nummern, aus un-
gefähr 500 Steinkisten stammend, und daneben mehrere steineme Statuen, ein Paar
von mehr als Mannesgrösse. Mehr ist unterwegs. Hartmann geht später nach
Guatemala und Nicaragua über und wird wahrscheinlich seine Untersuchungen
noch 2 Jahre fortsetzen. Die Sammlungen enthalten mehrere Schädel, die Retzius
bearbeiten wird, sobald die letzte Sendung von Costa Rica eingetroffen ist.
Hoffentlich wird unsere Costa-Rica-Sammlung eine von den wichtigsten in Europa
sein. Können wir, wie ich hoffe, in diesem Winter den Neubau für das Ethno-
logische Museum anfangen, so hoffe ich, das (ranze zum Sommer 1900 im neuen
Gebäude aufgestellt zu sehen. Wir haben grosse Sammlungen, die seit Jahren
magazinirt liegen, und dasUebrige kommt in den schlechten Localitäten nicht zur
Geltung. Alles wissenschaftlich aufgestellt, wird es unserem Museam wahr-
scheinlich eine gute Stellung unter den anderen Museen zusichem.^ —
(15) Hr. de Marchesetti berichtigt in einem Briefe an Hm. R. Virchow,
d. d. Triest, 14. October, einige Stellen in dem Berichte des letzteren über
die beiden Nekropolen bei S. Canzian.
^Ich erlaube mir, Sie auf eine kleine Verwechselung in Betreff der zwei Nekro-
polen Ton S. Canzian aufmerksam zu machen. Das in meinem ersten Berichte
über die Höhlen von S. Canzian (Ricerche preistoriche etc. 1889) erwähnte (zer-
störte) Grabfeld aus der Hallstätter Zeit hat nichts mit dem im Frühjahr 1896 im
N.-O. von S. Canzian entdeckten und dem Beginne der Villanova- Periode an-
gehörenden gemein. Das erste (I), welches Sie auf der Rückkehr nach Divara
auf dem sogenannten Nekropolis-Wege passirt haben, liegt im Westen des Dorfes
Gradisce (auch ein Castelliere mit schönem Ringwnlle), das andere (H) dagegen
h. Divara.
E, Eisenbahn
L. Lence.
SW, Nekropolis-Weg.
2,S, zerstörte Nekropole (I).
Gr, Gradisce.
Gf. Gräberfeld (U).
B, Bresez.
Üo. Doline.
SlC. Sanct Caozian.
R.t\ Rcka-Fluss.
(361)
in einem anmuihigen 8eitenthale im Osten an einer Lehne, die sich gegen das
Dorf Bresez hinzieht. In diesem Orabfelde (das in den Verfaandl. 1896 karz an-
gezeigt wurde) sind die Gräber wohlerhalten und mit Steinplatten bedeckt and ent-
halten ziemlich reiche Beigaben.^ —
Hr. R. Virchow dankt für diese Berichtigungen, die er schon vorhergesehen
hatte (8. 230, Anm. 1). —
(16) Hr. Oustav Stimming meldet ans Brandenbarg a. H. unter dem 10.,
dass vor einigen Jahren auf der nordöstlichen Seite des Wesenberges ein
Schwert aasgepflügt worden ist. Jetzt sei abermals unweit der ersten Stelle ein
Schwert von 96,5 cm Lunge (Klinge 73,5, Griff 17, Knopf 5) zum Vorschein ge-
kommen. —
(17) Hr. Buch holz berichtet über den Fund eines
Leinsamen-Vorraths in den Ueberresten einer prähistorischen Wohnstätte
bei Frehne, Kreis Ostpriegnitz.
So oft bisher bei den Verhandlungen dieser Gesellschaft das Vorkommen
von Wirthschaftsvorräthen in prähistorischen Wohnstütten constatirt worden ist,
handelte es sich an Körnerfrüchten um Weizen, Roggen, Gerste, Hirse, Erbsen,
Wicken, sogar Leindotter (Camelinu sativa), meines Wissens aber niemals um
Leinsamen. Ein in diesem Sommer bei Frehne gemachter Fund, in dem ver-
kohlte Leinsamen-Massen vorkamen, wäre demnach der erste dieser Art, und das
Märkische Provincial-Musenm ist in der Lage, einige Proben daraus vorzulegen.
Die Fundstelle liei^t über einer Kiesgrube, 2 Arm nordöstlich von Frehne. Un-
mittelbar unter der Oberfläche war das kohlige Erdreich durchsetzt von Thon-
gefUss-Scherben, geschlagenen Steinen, Lehmpatzen und verkohlten organischen
Massen; auch ein muldenförmig ausgehöhlter Mahlstein lag dabei. Es war un-
verkennbar, dass an der Stelle altgermanische Wohnstätten durch Feuer zerstört
und dann nicht wieder benutzt worden sind. Unter den verkohlten Massen be-
fanden sich auch solche, auf die lediglich Hitze (also ohne Luftzutritt) gewirkt
hatte. Beim Zerbrechen solcher Stücke liess sich die Zusammensetzung aus
lauter Samen deutlich erkennen, und zwar konnte man diese Samen bei ober-
flächlicher Betrachtung für Hirse halten. Da eine zuverlässige Feststellung doch
erforderlich war, so gab ich eine Probe in das Laboratorium der Landwirthschaft-
lichen Hochschule zur Untersuchung. Von dem Assistenten des Hrn. Geh. Eaths
Professor Wittraack, Hrn. Lauck, ging dann die Mittheilung ein, dass die ver-
kohlten Samen als die des Leins, Linum usitatissimum, festgestellt worden sind.
Nach der Beschaffenheit der Thongefass - Scherben , von denen ich einige
Proben vorlege, handelt es sich um eine Wohnstätte der letzten germanischen
Periode, etwa des dritten bis fünften Jahrhunderts nach Christus. Die viel älteren
Funde der Schweizer Pfahlbauten haben nach den bisherigen Feststellungen nur
Flachsfaser, bezw. Gewebe daraus ergeben, so dass es fraglich blieb, ob eine
Flachscultur an Ort und Stelle bestand, oder ob die Gewebe vom Süden her be-
zogen waren. Das durch den Fund von Frehne festgestellte Vorkommen eines
Leinsamen-Vorraths weist mit Sicherheit auf das Bestehen einer Flachs-
cultur in unseren Gegenden während der bezüglichen Zeitperiode hin. Möglich,
dass auch manche, bisher für Hirse gehaltene verkohlte Reste von anderen Fund-
stellen nach eingehenderer Untersuchung als Leinsamen erkannt werden. —
(362)
(18) Hr. Behla berichtet aus Lnckao« Nieder-Laositz, unter dem 15^ dass ait!h
in der Sammlung des Hm. Apothekers Petermann in Burg (Spreewald), welche
etwa 400 Thongefässe zählt, ein merkwürdiges Thonstück befindet:
ein thönemer Schwan.
In einer Urne des nahegelegenen Lütgenberges lag eine thöneme Schale von
derselben Grösse, wie die Lausitzer Thränennäpfchen, an der Unterseite mit con-
carem Eindruck. In dem Innern dieser erhaltenen Schale sind 2, etwa 2 cm hohe
Erhebungen von Thon, welche je ein kleines Loch tragen. Zwischen beiden Er-
hebungen ist ein kleiner Zwischenraum. In dieser Schale lag ein Thongebilde,
welches unzweifelhaft einen Vogel, und zwar, nach dem langen Halse zu urtheilen,
einen Schwan darstellt. Der Körper besteht aus einer nach hinten zugespitzten
Platte, welche nach Tom in einen etwa 6 cm langen, mit Kopf versehenen, nach
oben gebogenen Hals verläuft. Der Hals zeigt in gewissen Zwischenräumen drei
kleine seitliche Durchbohrungen. Unten an der Platte befindet sich eine kleine
Hervorragung, so dass der ganze Schwan auf die vorheigenannte Erhebung zu
setzen ist. Offenbar haben 2 Schwäne zu der Schale gehört, es ist jedoch nur
einer erhalten. Wenn vielleicht schon das auf Thongefässen in erhabener Form
gebildete 4 speichige Rad, wie das z. B. auf einer Urne von Grarrenchen (Kreis
Luckau) und auf einem im Schliebener Rundwall gefundenen Thonscherben dar-
gestellt ist, eine Hindeutung auf die 4 speichigen Räder der Bronze wagen ist, so
dürfte der thöneme Schwan, welcher auf dem Ltttgenbei|p bei Burg zu Tage kam,
wegen der Nähe der Funde darauf hinweisen, dass der Töpfer die Schwäne hat
nachbilden wollen, welche auf den 2 Oiebelarmen und der Tülle auf dickem Stiel
an den beiden Burger Bronzewagen angebracht sind. Nach Mittheilung des Hm.
Dr. Götze soll sich im Königlichen Museum eine Schale ron Thon befinden, mit
derartigen Vögeln, wie sie bekanntlich auf den Bronzewagen von Frankfurt a. O.
und Oberkehle angebracht sind. —
(19) Hr. P. Reinecke schickt 6 photographische Aufnahmen von Thon-
gefässen aus bayrischen Grabhügeln der Bronzezeit. Die Originale be-
finden sich in der Staats-Sammlnng in München. —
(20) Hr. P. Reinecke übersendet aus München, 30. September, folgenden
Bericht über:
Slavische Gräberfunde im kroatischen und slovenischen Gebiete.
Zu Beginn des Jahres 1896 machte die Nachricht von der Auffindung eines
grösseren Skeletgräberfeldes bei Essek in Slavonien die Runde durch die Tagesblätter.
Als ich im vergangenen Spätsommer einige Zeit in den südslarischen Gebieten ver-
weilte, unterliess ich es nicht, die Funde dieser Localität an Ort und Stelle
in Augenschein zu nehmen. Als ich hinterher mich in Agram aufhielt, hörte ich,
dass der in Agram aufbewahrte Theil der Ausbeute aus dieser Nekropole im
„Viestnik Hrvatskoga Arheoloskoga Dru^tva'^ publicirt werden sollte; da jedoch
bisher die in Aussicht gestellte Veröffentlichung nicht erschienen ist und überdies
etwa die Hälfte der Funde sich in Essek im Privatbesitz befindet, dürften einige
kurze Angaben über dieses Gräberfeld nicht überflüssig sein.
Bei Bielo Brdo unterhalb Essek stiess man in massiger Tiefe (etwa 70 cm)
auf Skelette; bei weiteren Nachgrabungen stellte sich heraus, dass man es hier
mit einem grossen altslavischen Leichenfelde mit viel mehr als 100 Bestattungen
j h^
(363)
za thun habe. Die Skelette fanden sich zumeist in gestreckter Rückenlage; sie
waren verhäitnissmässig reich mit Beigaben ausgestattet, wenigstens im Vergleich
mit unseren deutschen Slavengräbern.
Regelmässige Beigaben waren kleine Töpfe der spätslavischen Gattung, mit
Wellenlinien und horizontalen Furchen, gelegentlich auch mit Bodenstempeln; sie
standen gewöhnlich zu Füssen, nur ausnahmsweise zu Raupten der Bestatteten.
Waffen (Schwerter, Aexte, Lanzenspitzen, Pfeilspitzen u. s. w.) fehlten ganz,
wenigstens kamen mir solche nicht zu Gesicht; auch kleine Eisenmesser waren
nicht sehr häufig. Dagegen überwogen sehr die Schmuclisachen, und unter diesen
wieder die Glasperlen, die Schläfen- und Ohrringe, sowie die Fingerringe.
Massenhaft traten kleine gelbbraune und braune Glasperlen auf, daneben hell-
grüne, ferner die charakteristischen drei- und viermal gerippten röhrenförmigen
blauen und braunen, die im letzten Viertel des ersten nachchristlichen Jahrtausends
in Europa, ebenso wie gewisse Millefioriperlen, eine weite Verbreitung hatten;
seltener waren schon kleine blaue melonenförmige, einmal entdeckte man auch
eine tiefblaue polyedrische.
Die Zahl der ächten Schläfenringe (mit o»- förmiger, breiter Schleife) ist
eine sehr grosse; ihr Durchmesser schwankt zwischen 1 und nahezu 5 cm.
Daneben fanden sich kleine Drahtringe mit einfach umgebogenem oder mit
konisch oder cyl indrisch aufgerolltem Ende, sowie einfache offene Drahtringe,
welche wohl fast sämmtlich als Ohrgehänge aufzufassen sein dürften. Sie sind
durchweg aus Bronze, ebenso wie die Mehrzahl der Fingerringe. Die Formen
der letzteren sind sehr mannichfach; als wesentlichste Typen wären zu nennen: ein-
fache offene dicke, gegossene, entweder glatt oder mit Canneluren, ebensolche aus
Draht, sowie aus Bronzeblech, welches ganz eben oder etwas an den Rändern nach
innen eingebogen ist, geschlossene dicke glatte (ähnlich unseren Trauringen) oder
auf der Aussenseite mit Vertiefungen verzierte, dann aber auch geschlossene Ringe
mit eingesetzten Glasflüssen (in Zellen), grobem Kügelchenbesatz und Filigran-
schmuck, oder solche mit verbreiterter gravirter Platte. Diese letzteren Formen
sind in der Regel aus Silber.
Von anderen Schmucksachen wollen wir noch einfache dicke runde und vier-
»
kantige Armringe, ans 3 und 4 Drähten zopfartig geflochtene Arm- und Halsringe
(Durchmesser etwa 8 und 15 — 16 cm) hervorheben, femer kleine kreuzförmig
geschlitzte Bommeln oder Schellen, die in den russischen Ostsee-Provinzen so häufig
sind, aber auch in slavischen Gebieten, z. B. in Böhmen, nicht fehlen, eine Schnallen-
Abel, eine kleine Schnalle, scheibenförmige Anhänger und kleine Beschlagstücke,
Alles aus Bronze. Bei einigen Skeletten fanden sich Münzen aus spätrömischer
Zeit, sämmtlich durchbohrt und mit Glasperlen zusammen als Halsschmuck ge-
tragen. Ein Unicum ist ein Halsschmuck, der aus Glasperlen, einer römischen
Mtlnze und dem Fragment (obere Hälfte) einer römischen Armbrustfibel (Bronze)
besteht; das Fibelfragment ist am Bügel durchbohrt und war mit den Glasperlen,
die zum Theil mit ihm noch durch Rost verbunden sind, auf eine Schnur gezogen
gewesen. Zu den jüngsten Funden von Bielo Brdo dürften einige ungarische
Silbermünzen des elften Jahrhunderts gehören.
Sehr interessant ist das Vorkommen bedeutend älterer Gräber auf diesem Leichen-
felde. In Agram werden die Beigaben aus zwei bronzezeitlichen Skeletgräbern,
welche sich mitten unter den slavischen Bestattungen fanden, aufbewahrt. Das
eine von diesen ist noch in einen älteren Abschnitt des Bronzealters (Bronzenadel
mit grossem scheibenförmigem Kopf und tordirter Nadel, dicker Armring, ^^^on
die Enden zu [in seiner Höhe] verjüngt, mit Endstollen und mit gravirten Mustern
(364)
n. 8. w.) zu setzen. Dieser Fund erweitert das Gebiet des Formenkreises der älteren
bronzezeitlichen Grabhügel Süddeutschlands, des südwestlichen Böhmens, Ober-
und Nieder-Oesterreichs ungemein und lässt uns yermuthen, dass wir im Bereich
der ungarischen Bronze-Gultur noch ein reiches Material dieser Phase, welche in
Ungarn bisher nur in wenigen Schatzfunden vertreten war, zu erwarten haben.
Das zweite prähistorische Grnb dürfte bedeutend jünger sein; es enthielt ein
schönes kreideeingclegtes Gefäss der Gattung, welche Rom er seinerzeit f,pan-
nonisch^ nannte, zwei goldene Ohrgehänge oder Lockenhalter, davon das eine
Exemplar mit Schleifenwindung, wie solche in Ungarn ziemlich häufig sind und
von welchen in den kaukasischen Nckropolen, vornehmlich aus Bronze, zahlreiche
Verwandte erscheinen, und dergl. mehr.
Da ich auf meiner Reise u. A. auch an der Hand einer Reihe von Funden
die Ausfuhrungen L. Niederle's über die slavischen Schläfenringe (Mittheil. der
Anthrop. Ges. in Wien 1894, S. 194 — 205), die in vielen Punkten irrig sein dürften,
auf ihre Richtigkeit prüfen wollte, unterliess ich es nicht, bei Hm. G. F. Nuber
in Essek, welcher der Ausgrabung dieses Leichenfeldes persönlich beigewohnt hat
und in dessen Besitz sich die Hälfte der Fundgegenstände befindet, Erkundigungen
über diesen Gegenstand einzuziehen. Meine Vermuthung, dass Niederle eine An-
zahl von Typen, die sicherlich einfach Ohrringe darstellen, grundlos, nur wegen
scheinbarer Aehnlichkeit in der Form, zu den „Schläfenringen^ zählt, welche doch
nur in den seltensten Fällen als Schmuck des Ohres dienten, bestätigte sich. Bei
diesem Grabfelde muss man, wie aus den Fundumständen hervorgeht, z. B. die
einfachen Drahtringe, die Niederle „Typus a^ nennt, ebenso die Ringe mit
konisch oder cylindrisch aufgerolltem Ende, — Formen, welche in den Rcszthelyer
Gräbern eine gewisse Rolle spielen und deren Vorkommen daselbst zu aller-
hand falschen Schlüssen benutzt wurde, als Ohrringe bezeichnen; das Prädicat
^Schläfenringe*^ können hingegen nur die Exemplare mit der Schleifenwindung
beanspruchen.
In der Gegend von Essek, und zwar bei Svinjarevce, südlich von Vukovär,
wurde noch ein zweites slavisches Leichenfeld entdeckt, dessen Gräber jedoch
viel ärmlicher ausgestattet waren, als die von Bielo Brdo. Viele Gräber enthielten
überhaupt keine Heigaben; es fanden sich nur kleine Schläfenringe, sowie einige
einfache und ein gedrehter offener Fingerring und Münzen der zweiten Hälfte des
elften und vom Beginne des zwölften Jahrhunderts. Das einzige einigermassen
werthvoUe Stück von diesem Begräbniss platze ist ein silberner Fingerring mit
Filigran und Kügelchenbesatz.
Etwas weiter oberhalb im Draugebiete, schon aus Rroatien« sind seit längerer
Zeit slavische Grabfunde bekannt, die im Agramer Museum aufbewahrt werden.
Die reichhaltigste Ausbeute stammt von Pieski unweit Rlostar (Com. Belovär); es
sind dies massenhaft kleine Schläfenringe aus Bronze und Silber, einige etwas
grössere Exemplare (bis 4 cm Durchmesser), mondsiche]ft)rmige Ohrringe aus
Bronze, sowie aus Silber mit grober Granulirung, andere silberne Ohrgehänge mit
Kügelchenbesatz, zumeist flache, offene und geschlossene Fingerringe, aus drei
Drähten geflochtene Halsringe, zahllose kleine, mehrfach gerippte Glasperlen (gelb,
blau, grün), schellenförmige Anhänger, sowie in zahlreichen Exemplaren Ziergehänge,
welche aus einer runden Scheibe und einem daran befestigten herzförmigen An-
hängsel bestehen, wie solche in magyarischen Heidengräbern gewöhnliche Er-
scheinungen sind, tl. dgl. m. Aehnlich, nur nicht so reichhaltig, sind die Funde
von Bukovac (an der Drau). Hier spielen auch wieder die silbernen und bronzenen
Schläfenringe, die mehrfach gerippten Glasperlen, die schellenförmigen Anhänger
(365)
die Hauptrolle; ein seltenes Stück ist ein silbernes Ziergehänge aas Retten mit
Anhängern an den Enden.
Aus Sissek an der Save rühren gleichfalls slavische Alterthümer her; diese
haben jedoch schon mehr einen anderen Charakter und schliessen sich ebenso
wie einige slavische Objecte von Novi Banovci in Syrmien (Viestnik, N. Ser. I,
1895, p. 178), welche gleichfalls im Museum zu Agram liegen, eher an die im süd»
kroatischen (Gebiete, in Dalmatien und Bosnien gehobenen altslavischen Rleinfunde an.
Auffallend unterscheidet sich von diesen Gegenständen aus Kroatien und
Slavonien der Inhalt von slavischen Gräbern aus dem benachbarten Krain. Das
Museum zu Laibach besitzt seit wenigen Jahren von Veldes (im oberen Savethal)
eine kleine CoUection interessanter Objecte, welche die ersten der slavischen Zeit
aus diesem Rronlande sind. Zu den gewöhnlichsten Beigaben dieses Skeletgräber-
feldes gehören Glasperlen, kleine durchsichtige grüne, ferner langgestreckte blaue
und braune mit mehrfacher Rippung und blaue glatte, sodann auch bunte Email-
perlen, welche grosse Verwandtschaft mit gewissen Milleüoriperlen aus Funden des
achten bis elften Jahrhunderts im mittleren und nördlichen Europa zeigen. Stücke von
zerbrochenen Gläsern, offenbar der römischen Zeit, ohne scharfe Bruchränder und
nachträglich durchbohrt, dienten neben den Perlen als Halsschmuck. Fingerringe,
einfache platte aus Bronze und silberne mit breiter Platte, mit gravirten und ein*
geschlagenen Verzierungen, waren nicht sehr häußg, ebenso die Ohrgehänge.
Letztere bestehen in der Regel aus einem einfachen, mit umgebogenem Ende ver-
sehenen Drahtring, welcher eine eingehängte Drahtschleife mit aufgezogener Glas-
perle oder hohler Blcchperle trägt. Einen Ring mit breiter Endschleife dürfte
man vielleicht als Schläfenring bezeichnen können. Einzig in seiner Art ist ein
grosser Ohrring, der in seiner unteren Hälfte mit drei Glasperlen besetzt, von
Draht umsponnen und mit feinem Dnihtwerk gefüllt ist; der Reif trägt hier auch
eine Anzahl von Ochsen, an welchen ziemlich lange Retten aus feinem Draht hangen.
Dies Exemplar erinnert sehr an gewisse Prachtohrgehänge aus Russland. Zu sehr
seltenen Erscheinungen gehören femer eine bronzeplattirte eiserne Scheibenfibel
mit sehr roher figürlicher Darstellung^ sowie ein viereckiger Eisenbeschlag, mit
Bronzeblech bekleidet und mit Glaseinlage. Von Waffen oder Werkzeugen kamen
nur kleine Eisenmesser vor.
Unlängst wurden auch in Istrien ungefähr gleichaltrige oder etwas ältere
Skeletgräber entdeckt. Bei Pinguente stiess man auf ein grösseres Leichenfeld,
dessen Ausbeute in das archäologische Museum der Stadt Triest kam. Für die
Datirung dieser Nekropole sind von Wichtigkeit die schon mehrfach erwähnten
gelben und blauen gerippten Glasperlen, sowie die cylindrischen Millefioriperlen.
Aus der Fülle von Beigaben wollen wir nur folgende Typen hervorheben: kleine
und grössere Eisenmesser, Pfeilspitzen mit langen Widerhaken, gebogene Eisen-
bänder zum Feuerschlagen, Bronze- und Eisenschnallen, eine lange eiserne Riemen-*
zunge, Thonwirtel, offene Armringe mit massig verdickten Enden, Ohrgehänge aus
dünnem Draht mit drei Schleifen am unteren Punkte des Ringes, und gegossene,
etwas dickere mit massiver durchbrochener Platte an derselben Stelle, wie man
solche gelegentlich aus einzelneu Gräbern in oberitalischen Museen sieht*), silberne
Ohrringe mit Filigran und Rügeichenbesatz, Haarnadeln, schellenförmige Anbänger.
Ausserdem besitzt das nämliche Museum noch Funde derselben Art aus Einzel-
gräbem aus der Umgebung von Triest. Wir müssen es dahingestellt sein lassen,
ob diese Gräber aus dem Litorale slavischen Ursprunges sind oder etwa der ro-
1) wie liitth. der Präh. Comm., Wien, I, S. 114.
(366)
manischen Bevölkerung dieses Gebietes zuzuschreiben wären. Zeitlich sind sie.
wie auch schon aus einzelnen Münzen, die dem achten Jahrhundert angehören,
um oder nach 800 n. Chr. anzusetzen. Im achten Jahrhundert fand hierselbst eine
slavische Einwanderung statt; doch beschränkte sich diese auf die gebirgigen, z. Th.
unbewohnten Theile. Bei dem Mangel an typischen Schläfenringen und dem Um-
stände, dass einige Ohrringformen in Ober-Italien (soviel ich weiss, bisher jedoch
ohne wesentlichen Anhalt fUr ihre Datirung) wiederkehren und die Gräber sonst
noch gewisse Anklänge an Alterthümer der spätmerovingischen Periode enthalten,
dürfte es richtiger sein, diese istrischen Funde auf die vorslavischen romanischen
Einwohner Istriens zurückzuführen.
Es ist seltsam, dass sich bei allen diesen, ungefähr derselben Epoche ange-
hörenden Funden (von einigen importirten Sachen, z. B. den gerippten Glasperlen
und den Millefioriperlen, welche, wenn wir hier die nordische Terminologie an-
wenden wollen, dem Wikingeralter zuzuweisen sind, abgesehen) so scharfe locale
Unterschiede ausprägen. Die slavischen Alterthümer in Bosnien und Dalmatien,
nördlich bis zur Save hin, deren prächtigste Beispiele das Museum in Rnin (vgl.
Verhandl. 1896, S. 469 — 470) besitet, heben sich deutlich von denen aus dem Drau-
gebiet ab, und die Zahl von übereinstimmenden Typen, die allgemein slavischen
Formen abgerechnet, ist eine nur kleine. Das Vorhandensein einer Anzahl von
Waffen und Prunkstücken, die sicherlich nicht im Lande gearbeitet, sondern wohl
aus dem fränkischen Reiche importirt worden sind, was bei den Beziehungen
Dalmatiens zum Reiche Karls des Grossen nicht unwahrscheinlich ist, gerade in
den Rniner Gräbern ist bei diesen Unterschieden nicht ausschlaggebend, vielmehr
liegen die Differenzen in den slavischen Formen selbst In slo venischen Gegenden,
und zwar in Krain, haben wir wieder andere Erscheinungen, während im Küsten-
lande die Gräber etwa derselben Zeit aufifallend anders geartete Beigaben zeigen.
Nördlich von den Karawankeu, in Kämthen, Steiermark und Nieder -Oesterreich
(sowie Einzel funde im Grenzgebiet gegen Friaul und Salzburg), herrschen in den
Slavengräbern Gegenstände des „Kettlach typus^ vor, dessen merkwürdigste Gharakte-
ristica emailverzierte halbmondförmige Ohrgehänge und Schmuckscheiben sind,
welcher jedoch auch die importirten gerippten Glas-, sowie die Millefioriperlen
kennt.
In diesem nordslo venischen Gebiete linden wir gleichzeitig mit den Slaven-
gräbem auch noch die Ausläufer einer Coltur, welche zum Schluss der Völker-
wanderungszeit in West-Ungarn und dem östlichen Theile der Ostalpen von hoher
Bedeutung war und welche weder auf Slaven noch auf germanische Stämme
zurückgehen kann. Es ist dies der Formenkreis, welcher bei uns gewöhnlich als
„Keszthely-Gultur^ bezeichnet wird, obwohl die Gräberfelder von Keszthely, von ihrer
wenig systematischen Untersuchung ganz abgesehen, durchaus nicht zu den am meisten
bezeichnenden Vertretern dieses Kreises zählen (in Keszthely finden sich neben
Gräbern dieser Cultur auch spätrömische, dann auch weit jüngere slavische und
heidnisch -magyarische). Der Beginn dieser Cultur, welche wir auf nichtarische,
ural-altaische Völker zurückführen müssen und der u. A. auch der Goldfund von
Nagy-Szont-Miklos im Banat angehört, fällt nicht vor die zweite Hälfte des sechsten
Jahrhunderts; seine letzten Spuren im Ostalpen-Gebiet, vornehmlich in Steiermari^,
(neben sehr reifen Schmuckgegenständen mit dem bezeichnenden Spiralrankenwerk
auch Eisenschwerter der Gattung der Wikingerschwerter) reichen bis in eine Zeit,
welche mit dem grundverschiedenen slavischen Kettlachtypus coincidirl Ja, diese
beiden Typen kommen an einigen Localitäten, z. B. in Hohenberg und Krungl in Ober»
Steiermark, sogar neben einander vor, doch in verschiedenen Gräbern, wie aus den
(367)
neuesten Fanden an diesen Orten ^), welche angenblicklich wohl die werthvollsten
des Rettlachkreises sein dürften, hervorgeht Hoffentlich bringt uns der zweite
Theil des Werkes Ton Hampel über die Denkmäler des frühen Mittelalters in
Ungarn genaueren Aufschluss über diese Verhältnisse.
Mit den deutschen und böhmischen Slavengräbem zeigen die der südslavischen
Länder in Bezug auf die Mehrzahl der rein slavischen Formen noch weniger
üebereinstimmung, zumal da der Charakter der westslayischen Gräber selbst ein
schwankender ist Es trennen sich hier wieder die aus Süddeutschland (Ober-
und Mittelfranken, Oberpfalz) von den cechischen, sowie den wendisch-polnischen.
Einige süddeutsche Nekropolcn, die auch viel Importwaare aus westlichen Gegenden
(u. A. Schwerter des Wikingertypus) enthalten, verrathen Beziehungen zur Rettlach-
Gultur, was von den böhmischen nicht mehr gilt; doch in einem Punkte schliessen
sich diese beiden Gruppen den südslavischen an, nehmlich darin, dass in ihrem Gebiet
der Formenkreis der Hacksilberfunde, wenigstens bis zur Stunde, fehlt So oft
sich auch in allen diesen Ländern, östlich und westlich vom Böhmerwald, in
Niederösterreich, im Ostalpengebiet, in Rroatien, Slavonien, Dalmatien. Bosnien,
weiter auch in Ungarn, sowohl in slavischen Gräberfeldern wie in Einzelfunden,
Silber findet, ist es nie in ausgesprochener Weise vom Typus des Hacksilbers,
welches im Allgemeinen, von Russland abgesehen, sich auf das Ostseebecken und
die Gegenden, wo sonst noch Wikinger ansässig waren, beschränkt —
(21) Hr. Gessner übersendet als Geschenk ein humoristisches Bild, den
Bicyclanthropos curvatus darstellend. —
(22) Hr. M. Bartels legt G photographische Aufnahmen von 3 Schädel-
Masken aus Ncu-ßritaifnien vor, welche Hr. Prof. Dr. B. Scheppig in Riel
für ihn aufgenommen hat. Die Originale befinden sich in dem diesem Herrn unter-
stellten ethnographischen Museum in Riel. —
(23) Hr. S. Weisse nberg zu Elisabethgrad schreibt, unter Uebersendung von
entsprechenden Stücken, über
südmssische Amulette.
In der letzten Zeit ist in der ethnologischen Forschung eine Bewegung zu be-
merken, die dahin gerichtet ist, volksthümliches Material auf europäischem Boden
selbst zu sammeln. Diese Bewegung ist mit Freuden zu begrüssen und soll nach
Kräften unterstützt werden. Ich will damit selbstverständlich nicht sagen, dass die
aussereuropäischen Forschungen werthlos sind; sie sollten im Gegentheil noch mehr
gefördert werden, als es bis jetzt geschehen ist Man soll aber auch dasjenige,
was noch in Europa übrig geblieben ist, nicht versäumen. Das Sammeln ist ja
hier so leicht, man braucht nur offene Augen und etwas Geld in der Tasche zu
haben. Es ist dabei zu bedenken, dass der Mensch psychologisch eine vielleicht
noch engere und geschlossenere Einheit bildet, als physisch, so dass manches in
Europa mühelos erworbene Stück ganz an Neu-Guiuea erinnern kann. Die Gultur
durchdringt nur die höheren Stände; im Grossen und Granzen ist aber der Mensch
hochconservativ, und mitten in der höchsten Gultur lässt sich oft manches auf-
1) Ueber diese liegt vorläufig nur ein Aufsatz in angarischer Sprache aus der Feder
des vor Kurzem verstorbenen Gustos am Johanneum zu Graz, Dr. Otto Fischbach, vor
(Arch. Ert. 1897, p. 138—147). -
(368)
finden, was in Central- Africa allgemeiner Brauch ist Im Kampfe um das Dasein ist
mancher Europäer ebenso hülflos, wie der Wilde; die Hindemisse, die sich auf
jedem Schritt und Tritt in den Weg stellen, werden von beiden als böse Geister
aufgefasst, gegen welche mit denselben Waffen gekämpft wird.
Zu diesen Waffen gehören in erster Reihe die Amulette. Es sind oft ganz
unscheinbare Dinge, denen aber grosse Kraft, hauptsächlich gegen den bösen
Blick und verschiedene Krankheiten, zugeschrieben wird. Der grösste Theil der
Amulette lässt sich meiner Meinung nach in folgende drei Kategorien unter-
bringen :
1. Amulette, die eine abwehrende oder direct schützende Kraft haben sollen:
a) Gegenstände, die auf den Beschauer erschreckend oder beschämend
wirken sollen, wie z. B. Figuren oder einzelne Körpertheile wilder
Thiere, die männliche und weibliche Scham u. dergl.;
b) scharf riechende oder ätzende Stoffe, stechende Gegenstände u« dergl.;
c) Heiligenbilder und Gebetformeln.
2. Amulette, die ihre Eigenschaften (Festigkeit, Härte, Farbe u. dei^.) ihrem
Träger mittheilen sollen.
3. Amulette, die das Krankhafte ihres Trägers in sich einsaugen, aufnehmen
sollen *).
Je tiefer der Culturstand eines Volkes, desto mehr ist der Glaube an die
Amulette verbreitet und desto grösser ist ihre Mannich faltigkeit In dieser Be-
ziehung ist Russland, im Vergleich mit dem übrigen Europa, als ein culturell
ziemlich niedrig stehendes I^and, noch eine Fundgrube für den Ethnologen. Es
hat mir keine grosse Mühe gemacht, die hier ausgestellte kleine Collection von
Amuletten zu sammeln, und zwar im culturell verhältnissmässig hoch stehenden
südl. Russland. Das niedere Volk schätzt hier die Amulette sehr hoch; besonders
werden kranke und auch gesunde Kinder mit solchen behängt Die Juden, die
ungefähr den dritten Theil der städtischen Bevölkerung bilden und die culturell
höher stehen, als die übrige Bevölkerung, theilen den Glauben an Amulette, wo-
durch der bekannte Ausspruch von Karl Emil Franzos — jedes Land hat solche
Juden, die es verdient — bestätigt wird. Es ist schwer zu sagen, was jüdisch
und was christlich ist; man trifft dieselben Amulette bei Juden und Christen an.
Es ist bemerkenswerth, dass die Juden oft christliche und umgekehrt die Christen
oft jüdische Gebetformeln tragen. Zwei Amulette werden nur von Juden getragen:
das sind silberne Münzen und das Gebet „Schemah^ (Höre, Israel, Dein Gott ist
einzig u. s. w.). Beide werden von den Häuptern der mystischen Secte „Chassidim*^
an ihre Gläubigen vertheilt Eigenthümlich für die Juden ist auch, dass sie vor
dem „bösen Blick^ einen so grossen Respect haben, dass von ihm gar nicht ge-
sprochen werden darf; anstatt dessen sagt man „ein gutes Auge*^.
Nach dieser Einleitung gehe ich zur Beschreibung der einzelnen Amulette über:
1. Ein Ring, eine Imitation eines Wolfszahnes (oft beim Mangel eines
wirklichen Zahnes getragen), die Darstellung der weiblichen Scham, die
Feige, alle drei aus Knochen. (Letztere spielt überhaupt eine grosse Rolle
im russischen Leben; im Streite z. B. zeigen die Gegner oft einander
Feigen mit den Worten: „Na, da hast Du!**)
1) So trägt man hier z. B. beim Icterus Goldsachen, wohl in der Meinung, dass das
Qelbe des Goldes das krankhafte Gelb dem Körper entliehen kann.
(369)
2. Gegen den bösen Blick tragen Knaben Knochen vom Flügel eines schwarzen
. Hahns und Mädchen solche einer schwarzen Henne.
3. Augen einer gewöhnlichen Maus.
4. .„ „ Fledermaus.
5. Karopfer und Nelkeij — gegen Diphtherie.
6. Quecksilber, gestohlenes Kornbrod, Salz und Asche — alles zusammen in
einem Gänse-Federkiel, l — 6 von Juden.
7., 8., 9. und 10, gegen Malaria; von Russen.
11. Eine silberne Münze (10 Kopeken).
12. Das Gebet „Schema'" auf einer Pergamentrolle in Einern Etui aus Kupfer
(s. S. 368).
13. Ein Stückchen Papier mit der Inschrift: ,, Jesus wurde geboren, Jesus
wurde getauft, Jesus ist auferstanden." Dieses Amulet wird von einem
hiesigen Uhrmacher gegen Malaria verordnet und von Christen und Juden
getragen.
14. Der Text einer „Mesuse" — darunter versteht man das Gebet „Schema'" —
in einem Etui, das an die Thürpfosten in jüdischen Häusern angeschlagen
wird. Von einem Russen gegen Fieber gebraucht.
15. Zwei Amulette in Herzform, enthalten geweihte Weizenkömer und Weih-
rauch. Werden in Kiew von den Mädchen gegen verschiedene üebel ver-
kauft.
16. Ein Ring zur Erinnerung an ein berühmtes Muttergottesbild.
17. Ein Stückchen Stahl von einem jüdischen Kinde.
18. Eine Carneol-Perle — soll aus Palästina stammen, wird von den Jüdinnen
hoch geschätzt und zur Vorbeugung des Abortus getragen.
19. Zwei Ringe aus Eisen gegen Zahnschmerzen, müssen aus einem gefundenen
Hufeisen gefertigt sein. Von einer Russin und einer Jüdin.
20. Krystallglas ge^ti Schwindel. (Idem.)
21. Ein Ring und eine Pfeife aus Knochen. Die Pfeife ist gut gegen Ohren-
sausen.
22. Eine Muschel — gegen Ohrensausen.
23. Zwei Säckchen mit Erde vom Grabe eines nahen Verwandten, werden
von Schwerkranken in den Achselhöhlen getragen. 21—23 von Juden. —
Hr. M. Bartels erläutert die Sammlung von 23 Amuletten aus Süd-Russ-
land. —
Hr. S. Weissenberg schreibt noch: „Um einen Begriff von dem Werthe
der Amulette zu geben, theile ich mit, dass die Stücke 11., 12. und 18. nicht unter
3 Rubel das Stück zu haben sind; die übrigen sind bedeutend billiger. Selbst-
verständlich muüs man noch dazu ein grosses Rednertalent anwenden, um die
Leute zu überzeugen, dass die Abgabe der Amulette ihnen keinen Schaden bringen
wird, was aber nicht immer gelang." —
(24) Hr. A. Voss übergiebt folgenden Bericht des Hrn. Dr. Plath (Rinteln,
5. October) über eine auf Anordnung des Hrn. Unterrichts-Ministers ausgeführte
Ansgrabang der Hünen- oder Frankenbarg an der Langen Wand
bei Rinteln a. W.
Zu meiner Freude kann ich mittheilen, dass die Ausgrabung der Hünen- oder
Franken bürg an der ^Langen Wand** bei Rinteln — deren Leitung ich allein über-
Verhandl. der Berl. Anthropoi. (JeselUcbaft 1897. 24
(370)
nehmen rausste, da Hr. Sanitätsrath Weiss in Bückeburg durch Krankheit an der
Theihiahme verhindert und der Provincial-Conservator noch nicht eingetroffen ist, —
den glücklichsten Erfolg gehabt hat.
Zunächst hat die Untersuchung der Bau-Anlage im Ganzen zu einer neuen An-
schauung von der Anordnung der Mauern geführt, inc^em an Stelle des früher ver-
mutheten rohen und unregelmässigen Grundrisses sich eine völlig regelmässige,
von trefflicher Kaum -Disposition, ja künstlerischer Ansetzung der Verhältnisse
zeugende Schöpfung enthüllte. Dabei sind die Mauern weit besser und vollständiger
erhalten, als erwartet wurde, und nachdem nun fast alle Theile der Anlage plan-
mässig und sorgfältig freigelegt sind, — bei der völligen Ueberhäufung des ganzen
Gebietes mit zusammengebackenen Steintrümmem und der dichten Yerfilzung des
Waldbodens durch die Wurzeln der eng aneinanderstehenden Bäume keine geringe
Arbeit — wandeln wir, wo vorher nur formlose Erdhügel im Buchenwalde sich
dem Auge darboten, nun wieder, wie die alten Burgherren vor langen Jahr-
hunderten, über die unversehrte Schwelle der alten Burgpforte in den Burghof,
treten in die Gapelle mit dem heut noch stehenden Altar, steigen hinab in den
Keller, hinauf in das Wachtzimmer des Burgthurmes und überblicken durch sein
Fenster die ganze Anlage, die besonders bei Sonnenschein völlig den Eindruck
eines wohnlichen Herrensitzes wiedergewonnen hat.
So ist den vielen Hunderten von Besuchern, die diese gleichsam aus dem
Waldmoos plötzlich aufgetauchte alte Burg schaarenweise angezogen hat, nun zum
ersten Male und auf den ersten Blick die bis ins Einzelne deutliche vollständige
Anschauung einer so alten Gründung gegeben, die auch auf die vielbesprochene
Wittekindsburg bei RuUe, die Heisterburg auf dem Deister, die Iburg bei Driburg
und verwandte Anlagen ein neues Licht werfen wird.
Bemerkenswerth ist dabei, dass sich gar keine Spur römischer Funde hier ge-
zeigt hat, und damit ist wohl auch die Anschauung von dem römischen Ursprung
jener Anlagen erschüttert, die vielleicht nicht ohne Gefahr für unsere deutsche
Alterthumskunde war.
So wird denn die planmässige vollständige Freilegung und Aufränmung dieser
altdeutschen Anlage, wie sie die Theilnahme der Umwohner in immer steigendem
Maasse erweckt hat, hoffentlich auch für die Fachgenossen der deutschen Archäologie
im weiteren Umfange von dauerndem Werthe sein, besonders wenn durch eine
sorgfaltige Conservirung der Reste nun ihre Betrachtung und Beachtung auch der
späteren Zeit ermöglicht wird.
Vornehmlich interessant ist die Ausgrabung aber geworden durch die über-
raschende Fülle von einzelnen Fund -Gegenständen, wie sie eben nur bei solch
einer planmässigen Aufräumung der ganzen Anlage in dieser Reichhaltigkeit zu
erzielen ist.
An die Betrachtung der feststehenden Mauern schliessen sich zunächst die
lose gefundenen Architecturreste an. Abgesehen von dem Mörtel (roth und weiss),
der sich besser, als in den Mauerfugen, in einzelnen Bruchstücken im Schutt er-
halten hat, haben sich bearbeitete Bauglieder aus Stein, wenigstens in Trünuner-
stücken, gefunden. War früher schon Capitell und Basis einer Säule entdeckt, so f
sind nun Säulenschäfte, Gesimsstücke verschiedener Art, Fensterschwellen aus-
gegraben, die, aus einem festeren, aus weiterer Umgegend hergeführten Gestein
sorgfältig gearbeitet, von der Wohlhabenheit und dem Kunstsinn des Bauherrn und
der Gliederung seines Baues im Einzelnen Kunde geben. Von der inneren and
äusseren Verkleidung der Mauern durch Putzbewurf sind wohlkenntUche Stücke
mit gut geglätteten Flächen gefunden; aber auch der Lehmbewurf einzelner in
(371) ■
Fachwerk gebauter Theile der Anlage, der, im Feuer zu Backstein gebrannt, noch
die deutlichen Abdrücke des einst darin befindlichen Latten- und Stabwerkes er-
kennen lässt, ist noch gut erhalten.
Daneben eine Menge von Gegenständen, die von der sonstigen baulichen Ein-
richtung der Burg eine Vorstellung bieten. So die fast unversehrten, nur in Kohle
verwandelten Dielen vom Fussboden oder der Decken -Vertäfelung; aus Eisen
Nägel, Krampen, Thürangeln, Thürbeschläge, Schlösser (mit Schlüsseln), Thür-
ketten, Nieten, Thürringe, Traillon, Angeln und Beschläge von Fensterläden, und
u. a. eine Feuerstelle mit vollständig erhaltenen Backplatten aus Stein.
Von der beweglichen Hauseinrichtung zeugen die Beschläge von Truhen und
ein gedrechseltes und gefärbtes Knocheustück, das vielleicht als Fuss eines Sessels
oder Bettes gedient hat
Dann kommen sonstige Oeräthe in Betracht: von den männlichen Bewohnern
verschiedenartige Lanzenspitzen, Bolzenspitzen, theil weise wundervoll erhalten,
Schwertklingen, Hufeisen in verschiedener Grösse und Form, sehr schöne Sporen,
zum Theil verziert und vollständig mit den Nietplättchen zur Festhaltung des
Riemens erhalten; Steigbügel, Schildbuckel, Messerklingen verschiedener Art, ein
Messergriff aus Hirschhorn, bearbeitete, theil weise verzierte Hirschgeweih- und
Knochenstücke, sowie der abgesägte Abfall von solchen; sodann andere Arbeits-
Werkzeuge, wie Beile, eine Spitzhacke, ein eiserner Keil, Hammer, Bohrer, Nägel
in verschiedener Form und Grösse; — von den weiblichen Burgbewohnem Nadeln,
Spinnwirtel, Schmuckstücke aus Bein und Bronze mit zierlicher Bearbeitung; ein
schöner Eimerhenkel. Daneben findet sich Thongeräth in grosser Menge, aus
schwärzlichem, gelblichem, röthlichem Thon, nahe verwandt in den Formen, ver-
schieden an Güte des Thons und Grösse der Gefässe, die zum Theil Henkel,
Tüllen, Henkellöcher zeigen.
Glas ist in unversehrtem Zustande bisher nicht gefunden, aber in erstaunlich
grosser Menge als geschmolzene Schlacke, in die bei dem grossen Brande, der die
ganze Anlage zerstört hat, mannichfache andere Reste, wie Thonscherben, Knochen,
Nägel, eingeschmolzen sind. Selbst Gewebereste haben sich erhalten: so wenigstens
die angekohlten Fäden eines Gewebes, anscheinend aus Seide, sodann Stoffstücke
eines rotbgefarbten Leinenzeuges.
Auch Nahrungsstoffe fanden sich in verkohltem Zustande vor, so Rübsamen,
Ktlmrael, Gerste; Schalen von Haselnuss und einer anderen Nussart; ja, wenn die
Erklärung richtig ist, selbst verkohltes Brod.
Sonst ist das Pflanzenreich jener Zeit vertreten in verkohlten Stücken von
Eichen- und Buchenholz, sowie von dünneren Aesten und Zweigen verschiedener
Gattung.
Die Fauna, zugleich die Fleischnahrung der Zeit, erkennen wir aus zahl-
reichen Knochen imd Zähnen (besonders zahlreich vom Wildschwein, darunter ganz
ungewöhnlich grosse Hauer), Geweihe, Hornzapfen von Rind und Schaf; Huf-
knochen von Ein- und Zweihufern, — wozu dann auch die Hufeisen noch einen
Beitrag zur näheren Kenntniss geben.
So entrollt sich denn aus diesen zahlreichen Funden ein nahezu vollständiges
Oulturbild jener fernen Zeit, das von den verschiedensten Lebensgewohnheiten
Kunde giebt und um so interessanter ist, als die Burg, wie es scheint, seit jenem
letzten Tage der Eroberung und Einäscherung unberührt geblieben ist, und, ab-
gesehen von der durch den 2ierfall der Mauern bedingten Lageveränderung der
Gegenstände, diese noch in ihrer ursprünglichen Anordnung wiedergefunden wurden.
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Zur Unterbringung dieser zahlreichen Fundstücke habe ich in dem von mir
bewohnten Gasthofe einen eigenen grossen Saal eingerichtet, in dem auf langen
Tafeln alle Gegenstände übersichtlich aufgebaut sind, — gleichsam ein HOnenbufg-
Museum bildend, das zahlreiche Besucher anlockt.
Besonders regen Antheil hat auch der benachbarte Bückeburger Hof an den
Ausgrabungen genommen. So haben Ihre Durchlaucht die Fürstin-Mutter, sodann
Ihre Hoheit die regierende Fürstin Marie von Schaumburg-Lippe nebst den Prinzen
die Ausgrabung und die Sammlung der Fundstücke mit lebhaftem Interesse be-
sucht; ebenso auch der Minister und der übrige Hofstaat des Fürstenthums.
Mit der Katalogisirung der zahlreichen Fundstücke bin ich beschäftigt; was
aber bei der Menge und Wichtigkeit derselben nun vor allem nothwendig sein
wird, ist die sachkundige Conservirung dieser Alterthümer, die später dem Museum
für Völkerkunde überwiesen werden sollen, besonders der zahlreichen Gegenstände
aus Eisen, die, schon in der Erde angerostet, bei der feuchten Herbst wHtemng'
leicht weiterer Zerstörung durch Rost entgegengehen. —
(25) Hr. Rudolf Baier übersendet aus Stralsund, 29. August, einen Bericht
über einen
Küstenfand anf Rügen.
Derselbe betrifft eine neu aufgefundene Stelle bei dem Dorfe Lietzow (vei^l.
S. 291). Er wird in den ^Nachrichten über deutsche Alterthurasfunde^ demnächst
veröffentlicht werden. —
(26) Fräulein Paula Rarsten in Berlin übersendet folgendes Schriftstück:
Einigen über die Araber von Nord-Africa.
Ganz im Süden von Algerien, am Nordrande der Wüste Sahara, 300 hn südlich
von Biskara, liegt eine der Ziban d. i. Oasen (Einzahl Zab) der Sahara: Tugnrt
Es ist mir höchst interessant, Leute dieser Oase und einiger anderen ganz in
der Nähe beobachten zu können. Wie die verschiedenen Stämme — die Oasen
liegen alle ziemlich weit auseinander — sich schon äusserlich durch Farbe, Gestalt
und Lebensweise durchaus von einander unterscheiden, so sind sie auch von ganz
verschiedenem Charakter.
Die Beduinen sind hohe, schlanke Gestalten; sie halten sich sehr gerade,
schreiten gravitätisch einher und haben etwas Stolzes in Haltung und Gang. Das
Gesicht ist meist fein geschnitten und gewinnt beim Sprechen an Ausdruck; in der
Ruhe hat das Auge bei den meisten etwas Blickloses, was das Gesicht ziemlich
melancholisch erscheinen lässt. Die Hautfarbe weist eine ganze Schattirung auf
von ganz weisser bis richtig bronzefarbener Haut.
Die Neger sind auch meist gross, dabei aber weniger schlank, sondern breiter
in Brust und Schultern gebaut, wodurch sie sehr stark und kräftig erscheinen. Der
Gesichtsschnitt ist ziemlich verschieden, man sieht mehr oder minder volle Ge-
sichtor, bartlos, oder von einem kurzen Vollbarte umrahmt
Bö-Sadia, ebenfalls einer dieser Neger, ist hier das Oberhaupt der Derwische.
Als ich ihn bat, mir einiges zu erzählen, wollte er Anfangs nichts davon wissen.
Zuerst wollte er mir auch den Grund seiner Weigerung nicht mittheilen, als ich
aber in ihn drang, mir denselben zu sagen, meinte er, er habe drei Frauen zo
Hause und sei deshalb sehr ernst gestimmt; nachdem ich ihm versichert hatte,
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dass auch ich sehr eruät sei und auch nur von ganz ernsthaften Dingen sprechen
wolle, erfuhr ich denn nach und nach, dass er hoffte, von seiner Berliner Reise
so viel Ersparnisse in sein Heimathland zu bringen, dass er sich bei seiner Rück-
kehr eine vierte Frau nehmen könne. Er gehört nehralich zu der Gesellschaft,
die während des Sommers im Passage- Panoptic um zii Berlin mehrere Vorstellungen
täglich giebt, um dem Publicum das Leben und Treiben jener Völker vor Augen
zu führen.
In seiner Heimath ist Bü-Sadia ein angesehener Mann. Er ist Besitzer einer
kleinen Palmen-Plantage, die ungefähr 200 Palmen umfasst.
Seine Lieblingsfrau heisst Yamin&, die zweite Rhadizha, den Namen der dritten
nannte er mir gar nicht.
Die Frauen dieses Stammes beschäftigen sich damit, kleine Palmen-Körbe zu
flechten, die Käppchen ihrer Männer anzufertigen, ihre Küche und den Küsküs^)
zu besorgen. letzterer scheint eine grosse Rolle bei ihnen zu spielen.
Die Männer flechten die hübschen Matten, die in den letzten Jahren viel in
Handel bei uns kommen und sich einer grossen Beliebtheit erfreuen. Eine all-
gemeine Beschäftigung der Männer ist auch die Holz-Schnitzerei. Sie nehmen ein
Holzscheit ungefähr von der Länge eines Meters und schneiden allerhand F^iguren
da hinein.
Fragt man einen dieser Leute nach ihrem Alter, so wissen sie es nicht, und
ihre Antwort lautet: „Gott allein weiss das Alter."
Jeden Freitag, am muhammedanischen Sabbath, versammeln sie sich in der
einen oder anderen Familie zu einem kleinen Feste. Dabei führen sie ihre religiösen
Gebräuche vor, die sie vor den „Ungläubigen*^ eigentlich geheim halten sollen.
Bü-Sadia ist das locale Oberhaupt des religiösen Ordens der 'Alsäwa'). Die
^Alsawa essen Glas, Feuer, Nägel und andere Dinge; sie durchbohren mit einem
Dolche die Zunge, die Wange, den Hals, den Arm oder andere Körpertheile, dann
hauchen sie über die Hand, nehmen ein wenij^ Speichel aus dem Munde und fahren
damit über die Wunden hin, die sie sich beigebracht haben, denn sie behaupten,
dass der Speichel göttlich sei. Merkwürdigerweise sollen die Wunden nach diesem
Vorgehen gleich heilen.
Eigenthümlich ist der Tanz der Derwische; nach einer eintönigen, geräusch-
vollen Musik tanzen sie in ebenso einförmiger und dabei, fast möchte ich sagen,
gewaltthätiger Weise. Schrittweise bewegen sie sich bald nach rechts, bald nach
links, bald vorwärts, bald rückwärts; dabei stossen sie die Arme immerwährend
heftig von sich und ziehen sie wieder an, ebenso bleibt der ganze Oberkörper in
unausgesetzter, windender Bewegung; der Betreffende soll hierdurch in eine hohe
Ekstase gerathen, jedenfalls sieht man ihn allem Anscheine nach fast besinnungslos
hin und hertaumeln. Dann entzündet ein Oberhaupt — bei der Gesellschaft im
Passage-Panopticum zu Berlin Muhammed Ben Salem — zwei Bündel Haifa-Stroh,
ungefähr wie bei uns der Flaschenschutz geformt, das ist mit Berjouin parfümirt.
Der Derwisch steht dem Oberhaupte zur Linken; letzteres nimmt das eine Feuer-
bündel in die rechte Hand, reicht es hinter seinem Rücken dem neben ihm
stehenden, unaufhörlich weiter Tanzenden in die rechte Hand, dieser führt es
ebenfalls hinter seinem Rücken fort, ergreift es mit der linken Hand, und nun
1) Kiiskus ist das Nationalgericht: in einem Obertopfe (über kochenden Flcischstücken
in einem Untertopfe^ gedämpfte Graupen aus Weizenmehl, mit allerlei Zuthaten, wie Kicher-
erbsen u. 8. w. Der Corrector.
2) 'Aisawa, eine nordwestafrikanische Art von Derwischen. Uer Corrector.
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erfassen beide ihr Bündel mit beiden Händen, reissen* es auseinander, dass
eine breite, hochaufschlagende, nach allen Richtungen hin züngelnde Flanuno
entsteht.
Eine Musikbande hockt im Hintergrunde, die eine mehr lärmende als melo-
dische Musik ausübt; die Musik-Instrumente bestehen ausser mehreren grösseren
und kleineren Tambourins, aus einem Dudelsack, mehreren Rrakäb, das sind grosse
metallene Castagnetten, ungefähr so lang wie ein Arm und dementsprechend breit;
und aus einer Gnbri, — das Trommel, Saiten -Instrument und Schelle vereint.
Der Körper dieses Instrumentes gleicht einer hohen, engen Trommel, die mit der
rechten Hand bearbeitet wird; durch die hierdurch entstehende Vibration des
Trommelfelles entsteht eine klingende Begleitung durch ein nach oben geschweides^
handbreites Metallband, das am Rande ruht, dessen Schmalseiten mit kleinen
Schellen besetzt sind; dem gegenüber befindet sich ein auffallend langer Hals mit
Saiten versehen, auf denen die linke Hand spielt Diese Musik begleitet den
Tanz der Derwische von Anfang bis zu Ende, bald mehr, bald weniger wild, von
häufigen, lauten Zwischenrufen der Musicirenden bogleitet. Geradezu rasend wird
sie, wenn die beiden ihr Feuerbündel ausgebreitet haben, und mit der Musik werden
auch die Bewegungen der beiden Derwische immer wilder und heftiger. Sie
bringen unausgesetzt den ganzen Oberkörper, Kopf und Arme in so directe Be-
rührung mit der Flamme, ja, sie umhüllen ihn ganz damit, dass man meint, sie
müssten vollständig gebraten und geröstet werden; wenn sie aber schliesslich das
Feuerbündel wegwerfen, so zeigt ihr Körper auch nicht die mindeste Verletzung;
es ist jedenfalls für den europäischen Zuschauer etwas ganz Unbegreifliches und
Unft\38liches.
Dieses und vieles Aehnliches wird bei den wöchentlichen religiösen Festen
ausgeführt; dazu bereiten die Frauen Gerichte aus Küsküs, der ihre Lieblings-
speise ist.
Die ^Aisäwa bilden einen eigenen religiösen Orden oder Bund. Auch ihre
Frauen führen ganz staunenerregende „Spiele^ auf.
Während derselben wird in kleinen, tragbaren Oefen ein immerwährendes
Feuer unterhalten, auf das sie ^Berjouin^ zum Räuchern streuen; der Dampf, der
hiervon aufsteigt, erhöht die Erregung in ihnen, in die sie sich versetzen.
^Die Kinder der Wüste^ im Passage -Panopticnm zu Berlin zählen auch vier
Männer und ein Mädchen der Derwische unter sich, und diese feiern allwöchentlich
ihren Sabbath, wie es ihre Religion ihnen vorschreibt Aber nicht jede Persönlich-
keit eignet sich zu diesen ganz besonderen Ausübungen.
Staunenswerth ist es, mit welcher Schlauheit der Muselmann die meist sehr
strengen Vorschriften des Korans zu umgehen weiss. Lictzterem zufolge soll der
Muhammedaner überhaupt keine geistigen Getränke zu sich nehmen. Bietet ihnen
nun jemand einen Cognac an, so sagen sie: ^Ich bin ein Mann Gottes; der Cognac
ist mir verboten; ein Ehrenmann bietet ihn mir an; er verwandelt sich auf meinen
Lippen in Limonade.^
In Vevey, in der Schweiz, traf ich mehrere Jahre hindurch in einer be-
freundeten Familie mit einem ägyptischen Fürsten zum Sommer-Aufenthalte zu-
sammen. Der Herr des Hauses verfügte über einen vorzüglichen Weinkeller. Der
Ae^ypter Hess sich ruhig sein Glas füllen; bevor er aber den ersten Schluck nahm,
sprach er halblaut: „Im Koran steht: ein Tropfen Wein bringt Dir Verderben,*
dabei tauchte er den kleinen Finger behutsam in sein Glas, zog ihn schnell zurück
und schleuderte den daran haftenden Tropfen weit von sich, dann aber trank er,
soviel ihm nur immer behagte.
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Die grösste Beleidigung für einen strenggläubigen Muselmann ist, wenn man
ihm einen Hut auf den Kopf setzt, weil nur der „Ungläubige^ denselben trägt.
Widerfährt dem Araber irgend ein Missgeschick, bricht er sich ein Bein, oder
trifft ihn irgend welches Leid, so sagt er: „Mktub Rabbi !^ d. h.: „Es stand so
bei Gott geschrieben."
Dies sagt der Araber, dessen Frömmigkeit sich bis zum Fanatismus steigert,
bei jeder Gelegenheit; „mktub", sagt er, wenn ihm jemand stirbt. Fragt er ein
junges Mädchen: „Willst Du meinen Sohn heirathen?" so antwortet es ihm: „Idä
mktub fi zhini!^ „Wenn es so auf meiner Stirn geschrieben steht!" Dieselbe
Antwort erfolgt, wenn man etwa jemand fragt: „Willst Du diese Reise machen?*'
„Muhammed! Muhammed!" ertönt es überall; der Name ist sehr ?erbreitet.
Die zweite Silbe wird stark betont.
Roth, recht leuchtend, ist die Lieblingsfarbe des Negers, und die frischen
Farben stehen ihm gut.
Er hat eine Vorliebe für schwere, massive Metallgefässe und Schmucksachen.
Sehr empfindlich ist er gegen Kälte.
Er ist ein grosser Freund der Musik.
Der weisse Araber blickt mit Geringschätzung auf den Neger und bezeichnet
ihn als „Sklaven". Ersterer aber hat einen minder zuverlässigen und geraden
Charakter als der Schwarze, und die Zeltbewohner sind noch minder vertrauen-
erweckend, als die anderen.
Man sieht oft bei den Arabern — Männern sowohl wie Frauen — tiefe Brand-
wunden auf den Armen, eine über der anderen, bei dem einen weniger, bei dem
anderen mehr. Dies sind Erinnerungszeichen, die an Rache gemahnen sollen.
Glauben sie sich w)n jemand verrathen oder hintergangen, so machen sie ein
Eisen glühend, und drücken es auf den Arm, um so immer daran erinnert zu
werden, dass sie sich zu rächen haben.
Der Neger ist sehr treu; dient er einem Herrn, den er liebt, oder ist er sonst
jemand zugethan, so lässt er sich lieber für ihn tödten, als dass er ihn in Noth
und Gefahr verlässt. Hat er einem etwas zugesagt, so kann man fest auf ihn
rechnen, denn er ist eigensinnig in seiner Beharrlichkeit, und hat er sich einmal
etwas durchzusetzen vorgenommen, so schrickt er vor nichts zurück.
BQ-Sadia*s Grossvater entstammte dem Sudan; dies macht sich n(fch be-
merkbar: er bat ein längeres, schmaleres Gesicht als seine Gefährten, und während
diese schwarz sind, hat er eine mehr dunkelbraune Hautfarbe, und obwohl auch
gross und kräftig gebaut, ist er doch schlanker als jene; auch ist der Schnitt der
Augen und der ganze Gesichts-Ausdruck ein anderer.
Dankt der Araber für etwas, so legt er die rechte Hand aufs Herz, kreuzt
dann die Arme über der Brust und neigt das Haupt.
Die brennende Cigarre oder Cigarette geht oft von Mund zu Mund und zwar
gleichviel zwischen Männern und Frauen. Der eine nimmt sie dem anderen aus
dem Munde und steckt sie mit dem grössten Behagen in den eigenen, wogegen
der andere auch nie etwas einzuwenden hat.
Der Muhammedaner lässt sich den ganzen Kopf rasiren, oben auf dem Schädel
bleibt aber* ein Büschelchen stehen, daran zieht Muhammed den Verstorbenen
hinauf in den Himmel.
Bei den Kindern sieht man die merkwürdigsten Haartrachten. Ein kleines,
vielleicht zweijähriges Mädchen, hat den ganzen Kopf geschoren, nur über der
Stirn stehen je rechts und links eine lange Haarsträhne, und ebenso seitwärts von
jeder Schläfe.
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Ein anderes, noch jüngeres Kindchen, hat ebenfalls das Köpfchen ganz ge-
schoren, nur rund herum steht ein ganz schmaler Haarkranz und in der Mitte ein
Schöpfchen. Die Kleinen sehen höchst drollig aus.
Wie wenig die weissen und schwarzen Araber mit einander übereinstimmen,
kann man schon bei der Truppe im Berliner Passage-Panopticum beobachten. Die
Neger halten sich immer zusammen, sie erzählen, lachen, scherzen, auch mit den
Frauen und Mädchen; werden sie geärgert, schreien sie auch und werden wtithend,
während die Beduinen meist unbeweglich, wie eine Statue, dasitzen, den Blick
in's Leere gerichtet und keine Miene verziehend.
Kommt der Neger und entbietet seinen Oruss, so lacht er über das ganze Gesicht,
oder dasselbe nimmt wenigstens einen freandlichen Ausdruck an; der Beduine
bleibt feierlich ernst. Der Neger sieht seinem Gegentiber voll in's Auge, der
Beduine senkt den Blick. —
(27) Fräulein Paula Karsten in Berlin überschickt folgendes Manuscript:
Der Vorabend des muselmanischen Sabbaths bei den 'ATsawa
(einer Art von Derwischen).
Freitag ist der Sabbath des Muhammedaners. Am Donnerstag- Abend kommen
diese Derwische zusammen, um ihre religiösen Gebräuche zu erfüllen. So viel ich
auch schon darüber gelesen habe, nie konnte ich mir eine klare Vorstellung davon
machen. Zudem können die Reise-Beschreibungen nicht sehr viel Genaues darüber
enthalten, weil der Koran eigentlich verbietet, diese religiösen Feierlichkeiten
öfiTentlich vor den „Ungläubigen^ auszuführen. Was ich bisher darüber las und
hörte, erschien mir stets so unglaublich, dass ich immer wünschte, einmal mit
eigenen Augen den Derwisch -Tanz, und was damit zusammenhängt, sehen zu
können. An einem Donnerstag ward dieser Wunsch erfüllt, und ich muss ge-
stehen, dass meine Erwartung bei Weitem übertrofTen ward; denn es ist ganz un-
möglich, sich Derartiges vorzustellen, ohne dass das Auge das thatsächliche Bild
davon in sich aufnimmt, und selbst dann glaubt man später sich eher an einen
phantastischen Traum, als an etwas wirklich Erlebtes zu erinnern. Der Güte und
Liebenswürdigkeit des Hm. Neumunn, Directors des Passage-Panopticums in
Berlin,* und des Hrn. Nalaff, Führers der „Kinder der Wüste", verdanke ich es,
dass ich dies hochinteressante und wunderbare Schauspiel ganz in der Nähe beob-
achten durfte.
Mehrere Familien — Männer, Frauen und Kinder — ungefähr 30 an der Zahl,
Bewohner weit von einander gelegener Oasen der nordwestlichen Sahara, geben seit
einigen Wochen täglich mehrere Vorstellungen im Passage-Panopticum, um das
Leben und Treiben dieser verschiedenen Volksstämme in ihrer Heimath zu ver-
anschaulichen. Unter ihnen befinden sich auch 4 Männer und 1 Mädchen, die
den Derwischen angehören. Die Männer sind gross und schlank, dabei stark und
kräftig gebaut, von vorzüglicher Haltung; sie haben einen freundlichen, offenen
Charakter und sind geweckten Geistes. Alle vier sind ächte Neger, während das
Mädchen, von kleiner, gedrungener Gestalt, Mulattin ist und mir geistig ganz un-
bedeutend zu sein scheint.
Als die Feier ihren Anfang nahm, sassen zwei Derwische auf der Erde nach
türkischer Weise; der zur Rechten war ein Häuptling. Gekleidet waren beide wie
gewöhnlich. ßö-Sadia, der letztere, trug über der weissbaumwolleaen, tür-
kischen Hose, die unterhalb des Knies fest anschliesst, und der kleinen, blauen
Tuchjacke, reich mit Goldborte benäht, das lanffe, ärmellose Uebeigewand von
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grünem Wollstoff, ebenfalls mit Goldborte benäht Den buntfarbigen Turban,
fest um den Kopf geschlungen, schmücken an der linken Seite ein Paar silber-
leuchtende Quasten, aus denen es wie kleine Diamanten funkelt und blitzt. Der
immer vergnügte, junge Bubakr, ihm zur Seite, hatte zu der weissen Hose eine
leuchtend rothe Jacke, reich mit Gold benäht, an, und auf dem Kopfe das be-
kannte rothe Fez mit schwarzer Quaste. Er handhabte mit voller Kraftanstrengung
ein Paar metallener Castagnetten (krakäb), wohl von der Länge eines halben Armes
und dem entsprechend breit; ßü-Sadia bearbeitete mit derselben Ausdauer sein
Gnbri.
Vor diesen beiden erschien plötzlich das Mädchen. Sie hatte eine hellrosa
Hose an, darüber einen buntfarbig gestreiften Seidenshawl rockartig über die
Hüften gebunden, und dazu trug sie ein kleines Jäckchen. Sie stürzte vor den
beiden nieder, wand sich in unbeschreiblichen Verrenkungen des Körpers und aller
Glieder bald vor- bald rückwärts, mit dem Kopfe immer fest gegen den Fussboden
schurrend, zuweilen schleuderte sie ihn auf die rechte Seite. Die Augen hielt sie
geöffnet. Es machte kaum den Eindruck, als habe man eine bcwusstlose Person
vor sich, nur alles Menschliche schien aus ihr entwichen zu sein; sie erschien wie
ein Wesen aus uns unbekannten Regionen. Von Zeit zu Zeit stiess sie ganz
eigenthümliche Töne aus. Ein zweiter Häuptling, der in der Mitte des Raumes
stand und sie unausgesetzt beobachtete, berührte sie manchmal leise mit seiner
Hand in der Kreuz- und Magengegend. Die schon wilde Musik ward immer
rasender und damit erhöhte sich gleichzeitig die Ekstase; da nahmen Muhammed
Ren -Salem, dieser Häuptling und der Derwisch Murgian ein grosses, weisses
Laken, das jeder an zwei Zipfeln mit den beiden Händen hielt. Dieses breiteten sie
über das Mädchen, indem ihr einer zu Huupten, der andere zu Füssen stand, und
während sie das Laken heftig auf und ab bewegten, sah man, wie das Mädchen
immer weiter arbeitete, jetzt aber an derselben Stelle blieb. Plötzlich hoben beide
das Laken zur Seite: da sprang das Mädchen wild auf, Muhammed Ben -Salem
packte sie fest in seine Arme, sprang mehrmals hoch in die Luft mit ihr, und
nachdem er sie darauf fest hinstellte, mischte sie sich ganz ruhig unter die übrige
Gesellschaft, die während der ganzen Zeit zwanglos herumstand und sass, ohne
das mindeste Zeichen von Aufregung zu zeigen.
Jetzt ward vor den beiden Musicirenden eine Palmbast-Matte ausgebreitet, und
eine Pfanne hingestellt mit glühenden Kohlen, auf die Räucherwerk (berjouin) ge-
schüttet ward. Nun trat Murgian in schrittweisem Tanze auf die beiden zu, die
Arme und den Oberkörper heftig bewegend. Letzterer, sowie der Kopf waren un-
bedeckt; nur unterhalb der Arme war eine Binde so fest um den Körper ge-
schlungen, dass sie eine tiefe Furche bildete. Immer wilder ward die Musik, und
in demselben Grade Murgian's Tanz und die einzelnen Bewegungen. Von Zeit
zu Zeit verstummte die Musik, dann wurden verschiedene Fragen an ihn gerichtet,
die er beantwortete, denn er war nun das ^Orakel** geworden. Der ganze Körper
erschien trocken, der Kopf dagegen war in Schweiss gebadet.
Ein Maroccaner hatte sich vor einigen Tagen Zunge und Lippen verbrannt,
und bat nun um Heilung. Murgian sprang auf ihn zu, presste ihn fest an sich,
drehte die Arme des Betreffenden auf seinem Rücken zusammen, berührte seinen
Mund und sprang dann wieder davon. Nachdem noch verschiedene Fragen an ihn
gerichtet worden waren, die er alle beantwortete, reichte ihm Muhammed Ben-
Salem einen mindestens zweißngerdicken, armlangen Stab. Mit Leichtigkeit durch-
brach er denselben und schlug nun mit aller Gewalt mit beiden Enden auf seinen
Körper drein, dass man die dröhnenden Hiebe in schneller Folge hörte. Muhammed
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beobachtete ihn unausgesetzt und berührte ihn dann und wann leise, bald am
rechten, bald am linken unteren Bein. Dann folgte wieder der Tanz, der immer
in gerader Richtung auf die beiden Musicirenden geschah und wieder zurück; als
Murgian wieder einmal vor den beiden stand, schlang ein Mädchen ihm einen
weissen Shawl um den Hals; er blieb nun auf der Matte stehen, immer heftigere
Bewegungen ausführend; dann nahm Bü-8adia einen Dolch, der wohl eine finger-
lange Klinge hatte, diese zog er mehrmals durch seinen Mund und reichte dann
Murgian die Waffe, und dieser schwang sie windesschnell hinauf und hinab,
während die Musik nun geradezu rasend ward; dann trat Muhammed schnell Ton
hinten an Murgian heran und zerrte und zog an dem Shawl, den letzterer um
den LIals hatte, dass ich fast meinte, er müsste ihn erwürgen; Murgian beugte
sich mehrmals und plötzlich stiess er sich die Klinge rechts seitwärts vom Magen
in den Körper und dann warf er sich platt auf die Erde, Arme und Beine weit
von sich streckend. Nun kamen alle herbei, kauerten um ihn herum und jeder
fragte ihn etwas, und er beantwortete alles, und zwar mit ruhiger, geroüthlich-
behaglicher Stimme, wie ein Mensch, der sich im höchsten Orade des Wohlseins
befindet; es lag auch nicht eine Ahnung von Schmerz, Angst oder Aufregung darin.
Nachdem Rede und Antwort verstummt waren, trat Muhammed wieder an
Murgian heran und drückte ihn im Kreuz leicht ein paarmal mit seiner Hand;
dann nahm er die Kohlenpfanne, streute neues Räucherwerk darauf, hielt sie
Murgian erst unter das Gesicht und dann, nachdem er noch etwas anderes hinzu-
gethan hatte, hielt er sie längere Zeit unter die Stelle, an der der Dolch sasa,
darauf erhob Murgian sich, zog die Waffe heraus, drückte mit beiden Händen
die Stelle, aus der er sie entfernte, ganz fest zusammen, und that mehrmals darauf
von dem, was Muhammed ihm aus der Gluth reichte; letzterer zog ihm nun den
buntfarbig gestreiften Seidenshawl, den er rockartig um die Hüften trug, ganz fest
um den Leib zusammen, dass man fast glauben konnte, er binde ihm den Ober-
körper ab; da sprang Murgian plötzlich mit dem Ausdruck der Freude umher,
rieb sich mit beiden Handflächen tüchtig den Leib, und so wunderbar es sich auch
anhören mag, man sah weder eine Wunde, noch eine Narbe, noch irgendein
Merkmal der Hiebe. Weder die Stöcke, noch der Dolch hatten eine Spur an
Murgian^s Körper zurückgelassen, und Murgian bewegte sich ruhig, als sei nichts
vorgefallen. Bü-8adia nahm abermals den Dolch und zog die Klinge einigemale
durch den Mund.
Als ich dies alles einem Arzte erzählte, schütteltete er ungläubig den Kopf.
Wie gesagt, mir selbst erscheint das Ganze in der Erinnerung wie ein phantastischer
Traum. Da ich aber direct vor den Handelnden stand, so ist jede Täuschung aus-
geschlossen. Zudem handelt es sich hier ja nicht um ein Schaustück, sondern am
einen religiösen Brauch.
An einem anderen Festabende sah ich Folgendes:
Die Frau eines Schlangen-Beschwörers behauptete, von ihrem Manne um eines
von ihr bestimmt bezeichneten Mädchens willen hintergangen zu werden. Letzteres
betheuerte auf jede Weise seine Unschuld, ohne jedoch die Beschuldigerin zu
überzeugen. Es kam zu höchst aufgeregten Scenen, in denen die ganze Gesell-
schaft die Parthei des Mädchens nahm, ohne jedoch die Fehde zu einem end-
gültigen Schlüsse bringen zu können. Da kam das Wochenfest heran und als der
'Alsawi Murgian sich in dem heiii<?en Zustande befand, ward das Orakel in
ihm nach der Schuld oder Unschuld Manubia's befragt Schrittweise rückwärts
tanzend, blieb er in der Mitte des Raumes stehen, die Arme kreuzweise über der
Brust verschränkt Die Musik spielte leise und sanft. Nach einiger Zeit theiltc
(379)
Mnrgian durch eine Fingersprache der rechten Hand etwas mit. Bald darnach
wurden vor Bü - Sadia, das municirendc Oberhaupt, zwei Kerzen gelegt, und
ein Tässchen, das Manubia schnell gekauft hatte, mit Milch gefüllt, vor ihn
hingesetzt. Nun setzte Murgian, allerhand Zeichen machend, seinen Tanz fort;
dann breitete er beide Arme wagerecht von sich, die Handflächen nach oben
wendend. Muhammed Ben -Salem legte auf die Unterseite des Untertässchens
eine der glühenden Kohlen und setzte dann die Tasse auf Murgian^s rechte
Hand, der unausgesetzt weiter tanzte, bis Manubia's Unschuld durch das heilige
Wunder bewiesen, die Milch in Blut verwandelt war. Murgian ging im Kreise
herum und liess jeden der Anwesenden einen Schluck davon trinken.
Die Tasse, in der sich dies Wunder vollzog, wird Manubia mitnehmen in
ihr Heimathland und sie in eine Moschee bringen, wo dieselbe mit Oel gefüllt,
als heilige Lampe dienen wird.
Hier darf ich vielleicht hinzufügen, dass der Aufenthalt in der Moschee über-
haupt heiligt. Hat ein Verbrecher, oder wer sonst seinen Verfolgern entrinnen
möchte, das Glück, bis in^s Innere einer Moschee zu gelangen, so ist seine Person
geheiligt, so lange er darin verweilt, und niemand darf es wagen, ihm etwas zu
Leide zu thun. Oft bleiben Verbrecher Monate lang in diesem, heiligen Schutze,
und eine ebenso heilige Pflicht ist es für Andere, sie mit Speise und Trank zu
versehen.
Nachdem alle getrunken, hielt Murgian längere Zeit die Klinge eines Dolches
in^s Feuer, um sie dann direct quer in den Mund zu nehmen und längere Zeit
darin zu behalten. Dann stiess er sich die Klinge wieder in den Leib^ nahm eine
der Kerzen und hämmerte damit auf den Schaft der Wafl'e, so dass laute Töne
erschallten und es dem Oh> erschien, als solle die Dolchspitze in einen Knochen
dringen.
Nachdem Murgian noch viele Fragen beantwortet, den Dolch aus seinem
Körper hervorgezogen und die Wunde sich wieder geschlossen hatte, tanzte er erst
weiter; dann kniete er nieder, und Muhammed Ben -Salem, ein grosser, mächtiger
Mensch, kniete auf seinem Rücken, drehte ihm erst einen, dann den anderen Arm
in der Achsel ganz über den Rücken hinweg, stand auf, ergriff Murgian^s Haupt
zwischen beiden Händen, und drehte sein Gesicht einmal ganz über die rechte,
einmal ganz über die linke Schulter hinweg.
Von Anfang bis zu Ende hatte Murgian die Augen weit geöffnet, und nachdem
Muhammed zum Schluss mehrere hohe Luftsprünge mit ihm gemacht hatte, merkte
man ihm von einem besonderen Zustande nichts mehr an. Als ich gleich darauf
mit ihm sprach, war er so gleichmässig ruhig, wie immer. —
(28) Hr. Director Dr. W ei neck schickt aus Lübben, 19. September, einen
Bericht über
ein Urnenfeld bei Schlepzig.
Derselbe erscheint in dem Heft VI der „Nachrichten über deutsche Alterthums-
funde**. —
(29) Hr. A. Ne bring schreibt unter dem 13. October Folgendes
über Herberstain^s Angaben betreffs der Samogiten.
Bei der Vorlage meiner Darlegungen „über das Vorkommen von Zwergen
neben grossen Leuten in demselben Volke", welche an eine Stelle in
(380)
Herbe rstain 's Werken anknüpften (siehe diese Verhandlungen 1897, S. 91 ff.);
hat R. Virchow folgende Bemerkung (S. 94) gemacht:
„Die Geschichte von Herberstain ist in dem Streite über die Race prussienne
zwischen Quatrefages und mir Gegenstand einer ausführlichen Erörterung ge-
wesen. Meine Bemerkungen finden sich in meiner Abhandlung ^über die Methode
der wissenschaftlichen Anthropologie'', Zeitschrift für Ethnologie, 1872, Bd*. IV,
8. 311. Ich glaubte damit diese Frage abgethan zu haben, sehe jetzt
aber, dass ich mich getäuscht habe. Immerhin darf ich auf meine früheren Aus-
führungen verweisen.**
Die Worte Virchow's: „Ich glaubte damit diese Frage abgethan zu haben",
müssen bei dem Leser die Vorstellung erwecken, als ob ich eine von Virchow
längst abgethane Sache ganz überflüssiger Weise noch einmal hervorgesucbt und
somit meine Mühe verschwendet hätte. Hierdurch sehe ich mich veranlasst, auf
die betreffende Herberstain 'sehen Angaben nochmals zurückzukommen und die
Virchow 'sehe Kritik derselben einer Erörterung zu unterziehen.
Virchow sagt a.a.O. S. 311: „Sigismund Freiherr zu Herberstein*) war
zweimal als Gesandter des „römischen^ Kaisers in Moskau. Er machte seine
Reisen über Krakau u. s. w. Später schrieb er darüber ein ganz interessantes
Buch: Rerum moscoviticarum Commentarii, welches 1556 in Basel gedruckt wurde').
Darin steht vieles, was er gesehen und erlebt, und fast noch mehr, was er sich
hatte erzählen lassen. Die in Frage stehende Stelle bezieht sich übrigens
keineswegs auf das eigentliche Preussen, wie Hr. de Quatrefages meint, auch
nicht auf das uneigentliche Preussen, sondern auf Samogitien. Es heisst uehmlich
p. 113: „In Samogithia hoc inprimis admirandum occurrit, quod cum ejus regionis
homines procera utplurimum statura sint, filios tameii alios corporis magnitudine
excellentes, alios perpusillos ac plane nanos, veluti vicissitudine quadam, procreare
solent'' Der Freiherr zu Herberstein war ebensowenig persönlich in Samogitien,
wie in Preussen: wer ihm die Geschichte aufgebunden hat, ist nicht zu ersehen."
Ehe ich die weiteren Bemerkungen Virchow 's citire, möchte ich hier einige
Notizen zu den eben citirten hinzufügen. Zunächst bemerke ich, dass Herber-
stain ein äusserst gewissenhafter und nach Wahrheit strebender Mann war, wie
jeder bezeugen wird, der seine Publicationen eingehend studirt'). Durch die her-
vorragende Stellung, die er als Gesandter zunächst des Kaisers Maximilian I., dann
des römischen Königs Ferdinand I. bei seinen Reisen nach Polen und Russland
einnahm, war er in der Lage, Vieles zu sehen und zu erfahren, was andere Leute
nicht sehen und erfahren konnten. Er war 15 Mal als Gesandter in Polen, 2 Mal
in Russland. 4 Mal hat er sich längere Zeit in Wilna, also nahe der Grenze
Samogitiens, aufgehalten. Seine erste Reise nach Polen und Russland fand im
Auftrage Maximilians I. statt; sie dauerte von Ende des Jahres 1516 bis Anfang
des Jahres 1518. Die Reise ging zunächst nach Wilna, wo sich damals Sigis-
mund I. von Polen aufhielt; Herberstain blieb dort vom 4. — 14. März 1517 und
wurde von den Lithauem sehr geehrt. Von hier reiste er weiter nach Moskau,
1) Ich schreibe den Namen mit ai, weil Herberstain selbst in dem von mir stadirten
Dedications-Exemplare der 1. Ausgabe seiner „Rerum Moscov. Commentarii" seinen Namen
mit ai geschrieben hat N.
2) Genau genommen, wurde dieses Werk zuerst 1549, und zwar in Wien, gedruckt,
sodann 1551 in ßasel. 1556 erschien der dritte Druck desselben. N.
8) Dass ich Herberstain's Werke ziemlich eingehend studirt habe, ergiebt sich
wohl zur Genüge aus meinem kürzlich publicirtcn Buche: ,Uebor Herberstain und
Hirsfogel*', Berlin 1897, Verlag von Ferd. Dumm 1er. N.
(381)
und zwar nahe an der Südostgrenze Samogitiens hin ^). nehmlicb über Nementschin^
Swintrawa, Disla, Driswet, Braslaw (am See Nawer), Dedina nach Drissa an der
Düna. Nach Stieler's Handatlas gehören Driswet und Braslaw noch zum Gou-
vernement Kowno; letzteres wird in den meisten geographischen Handbüchern als
dem alten Samogitien entsprechend bezeichnet.
Herberstain's Pferde und die Mehrzahl seiner Leute kehrten später von
Nowgorod, durch Livland und Samogitien, nach Wilna zurück, während er selbst
mit wenigen Hegleitern über Smolensk nach Wilna zurückreiste. Er blieb hier
vom 19. bis 30. December 1517, hatte also Zeit genug, um sich über das benach-
barte Samogitien eingehend zu informiren.
Bei seiner zweiten Reise nach Moskau, welche Herberstain 1526 im Auf-
trage Ferdinand's, damals nur Erzherzogs von Oesterreich und kaiserl. Statthalters
(noch nicht „römischen Kaisers^), unternahm, kam er auf der Rückreise wieder
nach Wilna und verweilte hier vom 14. bis 27. December 1526. Ausserdem ist
Herberstain 1540 nochmals in Wilna gewesen, um mit Sigismund I. von Polen,
der zeitweise in Wilna zu residiren pflegte, zu unterhandeln.
Wenn man nun auch sagen kann, dass Herberstain persönlich nicht in
Samogitien gewesen sei (obgleich ein Ausflug per Schlitten von Wilna dorthin 1517
und 1526 nicht ausgeschlossen erscheint), so sind doch die meisten seiner Leute
im December 1517 quer durch das östliche Samogitien gereist, und er selbst hat
im März 1517 diejenigen Landstriche durchquert, welche mit dem östlichen Samo-
gitien unmittelbar zusammmenhingen und eine gleiche Beschafl'enheit des Landes
und wohl auch der Bewohner aufzuweisen hatten.
Ob nun seine Erzählung von dem häufigen Vorkommen zwerghafter Kinder,
bezw. Individuen (neben grossen, starken) bei den Saroogiten auf Autopsie oder
auf den Erzählungen Anderer beruht, lässt sich nicht entscheiden. Immerhin glaube
ich oben nachgewiesen zuhaben, dass Herberstain thatsächlich in der Lage war.
Genaueres über die Samogiten durch seine Leute, sowie durch hervorragende
Männer Lithauen^s, mit denen er in Wilna verkehrte, zu erfahren, und man wird
ihm kaum Etwas ^aufgebunden^ haben. Man war vielmehr dort durchaus bestrebt,
ihn zu ehren und ihm über die Eigentbümlichkeiten der Einwohner der benach-
barten Gegenden möglichst genaue Auskunft zu geben.
Uebrigens wird die betrefl'ende Angabe Herberstain's durch eine Stelle in
Joh. Crassinii ^Polonia^*)) Lib. I, unterstützt, welche ich kürzlich aufgefunden
habe. Hier heisst es: ^Gens in Universum procerae staturae et bellicosa,
plerosque (sehr viele) tarnen pygmaeos, quos vulgo nanos vocant,
videre licet". Joh. Crassinius (Krasinski) war der Nefl*e des Pranciscus
Crassinius, Bischofs von Krakau, ^Ducis provinciae Severiensis^, und von diesem
erzogen. Seine Schrift ist dem Könige von Polen gewidmet und aus dem Jahre 1574
datirt. Sollte Joh. Crassinius, ^Eques Polonus", es gewagt haben, dem Könige
von Polen etwas über die Unterthanen desselben ^aufzubinden?" Ich glaube an-
nehmen zu dürfen, dass den betreffenden Angaben Herberstain's und Kra-
sinski's doch etwas Thatsächliches zu Grunde liegt.
1) Siehe die Karte Polens von Gerh. Mercator aus dem Jahre 1595. — Nach einigen
Angaben in polnischen Schriftstellern scheint man um 1517 die Grenze Samogitiens noch
weiter südöstlich gezogen oder überhaupt keine scharfe Grenze dort anerkannt zu haben.
2) Diese seltene Schrift findet sich wieder abpedruckt in Mizler de Kolof's Histo-
riamm Poloniae magna collectio, Bd. I, Warschau 1761, S. 387 — 429. Die oben
dtirte Stelle siebe auf S. 427.
(382)
Ich lasse nun Virchow's weitere Erörterungen aus dem Jahre 1872 folgen.
Es heisst a. a. 0., S. 312: „Aber versteht Hr. de Quatrefages diese Original-
stelle? Die Bewohner von Samogitien wären danach gemeinhin (utplurimum) von
langer Statur Wie es nun kam, dass die Frauen dieser langen Männer
abwechselnd grosse und zwerghafte Kinder gebaren, würde schwer zu erklären
sein, wenn es wahr wäre. Aber glaubt denn Hr. de Quatrefages diese Schnurre
wirklich? In diesem Falle empfehle ich ihm die gleich darauf folgende Geschichte,
dass die Leute in Samogitien als Hausgötter Schlangen verehrten, welche vier kurze
Füsse, wie die Eidechsen, auch einen schwarzen, feisten Leib haben und über
drei Zwerghand hoch werden. Vielleicht kann er uns den Namen dieses
Riesenmolches nennen?**
*
Virchow glaubt offenbar, dass er durch Hinweisung auf diese Angaben
Herberstain's über den Schlangen-Cultus der Samogiten den vorhergehenden An-
gaben die letzte Stütze genommen hat. Aber der Schlangen-Cultus der Samo-
giten ist vollständig fest bezeugt, ebenso derjenige der Lithauer und Ost-
preussen. Und zwar handelt es sich um die Ringelnatter (Tropidonotus natrix),
welche bei jenen Volksstämmen als Hausgott (Brehm nennt sie ^Hausunk'*, „Haus-
schlange*') verehrt wurde. Als ich meine Mittheilung vom 16. Februar d. J. an die
Gesellschaft für Anthropologie einsandte, war ich noch im Unklaren, welches
Reptil bei dem Schlangen-Cultus der Samogiten gemeint sei ; seitdem bin ich durch
einige Studien hierüber zu der Ueberzeugung gekommen, dass es sich um die
Ringelnatter handelt Natürlich besitzt die letztere nicht „vier Füsse**; in diesem
Funkte hat Herberstain seine Berichterstatter oder seinen Dolmetscher falsch ver-
standen. Im Uebrigen passt das, was er über die betreffenden Schlangen sa^t, ganz
gut auf mittelgrosse, dunkelfarbige, wohlgenährte Exemplare der Ringelnatter. Wenn
Virchow übersetzt: „über drei Zwerghand hoch**, so ist dieses unrichtig. Die
betreffenden Worte lauten: „trium palmarnm longitndinem non excedentes*",
und in der deutschen Moscovia vom Jahre 1557 sagt Herberstain: „bey dreyen
Spannen lang**. Nach meiner Hand gemessen, würden das etwa 60 cm sein, was
sehr gut auf eine massig grosse Ringelnatter passt. Herberstain gebraucht in
der lateinischen Ausgabe auch ganz richtig den Ausdruck: „serpens**, also Schlange;
von einem „Riesenmolch** kann gar keine Rede sein!
Abgesehen von dem Missverständniss betreffs des Vorhandenseins von 4 Füssen,
machen die betreffenden Angaben Herberstain's durchaus den Eindruck der
Glaubwürdigkeit, und ich kann Virchow's Kritik derselben in der Hauptsache
nicht als zutreffend ansehen.
Da nicht Jeder in der Lage ist, die seltene deutsche ^Moscovia** Herber-
stain's nachzulesen, so ergänze ich hier meine Mittheilungen vom 16. Februar d.J.
noch durch die zugehörigen Angaben aus derselben, indem ich dabei das Herber-
stain'sehe Deutsch etwas modemisire. Es heisst dort von der Abgötterei der
Samogiten: „Aber andere haben ihre Götter in ihren Häusern; das sind Würmer*)
wie die Eidechsen, aber grösser, mit 4 Füssen, schwarz und feist, ungefähr drei
Spannen lang. Etliche nennen sie Giowites, andere Jastzuka, noch andere Szmya.
Zu gewissen Zeiten geben sie ihren Göttern die Speise; sie setzen dann etwas
Milch in die Mitte ihrer Wohnung und knien auf den Bänken. Nun kommt der
Wurm hervor und zischt die Leute an, wie eine zornige Gans; dann beten die
Leute ihn mit Ehrfurcht an. Geschieht je Einem etwas Widerwärtiges, so giebt
1) „Wurm'' ist ein Wort, das früher vielfach fnr Schlangen und sooBÜgA ReptOien
angewendet wurde.
(383)
er sich selbst die Schuld, als habe er seinen Gott nicht gut gefüttert. Als ich
von meiner ersten Gesandtschaftsreise (nach Russland) von Moskau wieder nach
Wilna in Lithauen zurückgekehrt war, zog ich nach Troki, 4 Meilen, um Auer-
ochsen zu sehen; dort erzählte mir mein Wirth, er sei wenige Wochen, ehe ich
dahin kam, zu einem Bauern in einen Wald gegangen, um einige Bienenstöcke zu
kaufen, habe sie aber dem Bauer aufzubewahren gegeben. Dieser Bauer hatte
einen solchen Gott im Hause; der Gast beredete ihn aber, dass er sich zu Gott
bekehrte und die Creatur todt schlug. Nicht lange darauf kam mein Wirth wieder
dortbin, um seine Bienenstöcke zu sehen; da hatte der Bauer ein krummes, gegen
das Ohr gezogenes Maul nnd sprach zu meinem Wirthe: ^Das hast Du mir gethan!
und wenn Du mir nicht bald hilfst, so muss ich mich mit dem (früheren) Gott
wieder versöhnen und ihn in mein Haus bringen." Der gewissenhafte Hcrber-
stain setzt noch hinzu: „Dieses ist allerdings nicht in Samogitien, sondern in
Lithauen geschehen; ich habe es aber zu einem Beispiel oder Exempel hierher
gestellt^ Er will damit sagen, die Geschichte habe ebenso gut in Samogitien,
wie in Iiithauen passiren können; denn in beiden Ländern wurde damals noch ein
gewisser Schlangen-Cultus getrieben.
Ueber den Schlangen-Cultus der Samogiten berichtet auch Andreas Cellarius
in seiner Descriptio Regni Poloniae^) Folgendes: ^Samaitae vel Samogitae A. 1386
post G. N. fidem Christianam amplexi sunt, hactenus (1659) tarnen idololatria penitus
non vacui, utpote qui adhuc domesticos illos serpentes, ^Givoi itos" ipsis nuncu-
patos, in honore habent.*^ Der oben schon citirte Crassinius (Krasinski) sagt
a. a. 0.: ^Colebant autem pro Diis, quemadmodum et Lituani, serpentes; eos domi
veluti penates nutriebant et in foeno jacentibus sacra faciebant.^ Dasselbe be-
richtet Erasmus Stella von den alten Preussen*).
Ich verweise femer auf Bujack's Fauna Prussica, Königsberg 1837, wo es
8. 277 heisst: „Die Schlangen oder Unken, welcher Name seiner ersten Bedeutung
nach mit jenem gleichbedeutend ist, lässt die Volkssage auch jetzt noch in Häuser
kommen, zu einsamen Rindern und mit ihnen aus der Schüssel Milch trinken ....
Die Kinder in der Wiege werden von ihnen bewacht und den grösseren Schätze
gezeigt. Auch die Lithauer haben Schlangen verehrt'), sie in ihren Häusern ge-
halten und ihnen geopfert.^ Femer (S. 281) sagt Bujack: „Auch hält der Land-
mann es für ein besonderes Glück, wenn Ringelnattern in seine Wohnung kommen,
und die Frauen pflegen daher die Glückbringer durch vorgesetzte Speise in's Haus
zü locken.**
Dass in allen den oben angeführten Fällen von Schlangen- Verehrung in Samo-
gitien, Lithauen und Ostpreussen es sich stets um die Ringelnatter handelt, ist
leicht nachzuweisen. Es giebt dort überhaupt nur zwei Schlangen -Arten, die
Ringelnatter und die Kreuzotter. Letztere ist niemals dort verehrt worden; folglich
kann nur die Ringelnatter gemeint sein, und es wird dieses auch direct bezeugt.
Brehm (Illustr. Thierleben, 2. Ausg., Bd. 7, S. 364) nennt sie „Unk oder Hausunk,
die Wasser- oder Hausschlange, den Wurm u. s. w., die Schlange der Schlangen
für unser Volk, den Gegenstand seiner alten Sagen und neuen Wundermären^.
1) Siehe die oben citirte Eist Polon. Collectio magna, Bd. I, S. 606.
2) Ebendort, S. 27.
8) Mathias Strijkowski, Canonicus in Samogitien, erzählt in seiner Sarmatia Euro-
paea, dass noch sa seiner Zeit (d« h. 1680) in Lavariski, 4 Meilen von Wilna, sahireiche
Schlangen verehrt and gepflegt würden (siehe a. a., 0. S. 80). Dasselbe sagt er von Samo-
gitien im Allgemeinen, zum Theil mit Herberstain^s Worten.
(384)
Ferner hcisst es bei Brehm S. 366: ^In den russischen Bauern -Häusern kriecht
die Ringelnatter, laut Fischer, sehr häufig umher, weil sie von den Landleuien
gern gesehen oder doch wenigstens geduldet und durch den Aberglauben, dass der
Tod eines solchen Thieres sich räche, beschützt wird .... Dass die Ringelnatter
mit so gesinnten Bewohnern eines Hauses in ein freundschaftliches Yerhältniss
tritt, erscheint glaublich.^
Nach den mündlichen Mittheilungen meines Assistenten, des Hrn. P. Schiemenz,
hat man noch vor wenigen Jahrzehnten bei den Wenden in der Lausitz die Ringel-
natter als glückbringend angeschen. Femer kann ich aus meiner Jugendzeit be-
richten, dass in der Umgegend von Helmstedt eine auffallend grosse Ringelnatter,
die sogen. „Schlangen-Königin", welche in der Nähe der „Walbecker Warte" hauste
und angeblich eine goldene Krone auf dem Hinterkopfe trug, mit abergläubischer
Scheu betrachtet wurde, und dass man nicht wagte, sie zu fangen. Eines Nach-
mittags habe ich selbst sie im Walde bei der Walbecker Warte gesehen und
konnte erkennen, dass die sogen. Krone in den beiden hochgelben Nackenflecken
bestand; aber ich stand als 12 jähriger Tertianer noch durchaus unter dem Ein-
flüsse der abergläubischen Erzählungen, welche ich von der „Schlangen-Königin"^
oft gehört hatte, und wagte nicht den Versuch, die auffallend grosse Ringelnatter
zu fangen; ich blieb vielmehr in angemessener Entfernung stehen, obgleich ich
mich vor kleineren Ringelnattern durchaus nicht fürchtete, sondern schon manche
derselben gefangen hatte.
Es würde nicht schwierig sein, noch weitere Belege für die abergläubische
Verehrung, welche die Ringelnatter einst genossen hat, beizubringen, ich denke
aber, das Obige wird genügen, um nachzuweisen, dass die betreCTenden Mittheilungen
Herbe rstain's, abgesehen von den missverständlich angegebenen 4 Füssen, als
auf Thatsachen beruhend anzusehen und nicht geeignet sind, seinen Angaben über
das Vorkommen zahlreicher Zwerge bei d^n Samogiten den Credit zu nehmen.
Virchow hat in seiner Erörterung (a. a. 0., S. 312) schliesslich noch folgende
Bemerkungen hinzugefügt: „Jedenfalls hat Herberstein nicht gesagt, dass die
Bevölkerung in Samogitien halb aus Riesen und halb aus Zwei^gen bestehe, sondern
nur, dass abwechselnd grosse und zwerghafte Kinder geboren werden. Wo die
letzteren und ob sie zwerghaft blieben oder ob sie später gleichfalls eine lange
Statur erreichten, ist nirgend gesagt^ Ich bedaure, auch hierin mit Virchow
nicht übereinstimmen zu können. Herberstain hat zwar nicht gesagt, dass die
Bevölkerung in Samogitien halb aus Riesen, halb aus Zwergen bestehe; aber er
hat nach meiner Ansicht auch nicht gesagt, dass abwechselnd grosse und zwerg-
hafte Kinder geboren werden. Was er meint, ergiebt sich sowohl aus den be-
züglichen Worten seiner deutschen „Moscovia^, als auch aus der oben citirten
Stelle der Krasinski' sehen Schrift.
In der deutschen „Moscovia" von 1557, die er selbst in Wien publidrt hat,
sagt Herberstain an der betreffenden Stelle wörtlich: „Das Volkh darin seind
gmainclich grosse und lange personen, daneben haben die Vätter neben den grossen
auch khlaine Zwergen, die sy Carln in gemain nennen."^ Nach meiner Ansicht,
welche durch die oben (S. 381) citirte Stelle des Joh. Krasiuski (Grassinius) ge-
stützt wird, will Herberstain sagen, dass unter den erwachsenen Samogiten
damals auffallend viele Zwerge vorkamen, und zwar als Geschwister
der normal gewachsenen Leute, nicht als besondere Rasse. Auch steht
der lateinische Text der „Commentarii" mit dieser Auffassung keineswegs in
directem Widerspruch. „Procreare" heisst nicht gebären, sondern erzeugen; auch
spricht Herberstain nicht geradezu von „abwechselnd^ sondern er sagt: „velati
(885)
vicissitadine qundam.^ Nach meiner Auffassung soll flerbcrstain's Bemerkung
sich auf die erwachsene Bevölkerung Samogitiens beziehen, nicht nur auf die
Rinder, und ich glaube, dass ich wohl berechtigt war, die betreffende Stellei aus
Herberstain^s Werken zur Bcurtheilung der Pygmäen vom „Schweizersbild* her-
anzuziehen. Jedenfalls kann ich nicht zugeben, dass Herberstain^s Mittheilung
über die samogitischen Zwerge durch Virchow's Kritik von 1872 „abgethan" ist. —
Hr. R. Virchow: Meine Bemerkung war weniger gegen Hm. N eh ring ge-
richtet, als gegen die immer mehr gebräuchlich werdende Sitte, von früheren Er-
örterungen über bestimmte Gegenstände keine Notiz zu nehmen, selbst nicht in
derselben Zeitschrift, in welcher die früheren Erörterungen veröffentlicht sind. Es
lag mir ganz fern anzunehmen, dass Hr. Nehring meine früheren Erörterungen
gekannt habe; da er ihrer nirgends gedacht hatte, so hielt ich mich für berechtigt,
an ihre Existenz zu erinnern, und zwar um so mehr, als sie den einigermaassen
denkwürdigen Streit über die Race prussienne betrafen. Es handelt sich hier um
ein mehr als persönliches Interesse.
Um jedoch, auch für die Zukunft, volle Klarheit in diese Angelegenheit zu
bringen, will ich einige weitere Angaben machen. Der Streit über die Race
prussienne begann im Februar 1871 mit einem Artikel des Mr. de Quatrefages
in der Revue des deux mondes, der etwas verstärkt noch in demselben Jahre als
eine besondere Schrift erschien: La race prussienne par A. de Quatrefages,
membre de Tlnstitut, professeur au Museum. Darin versuchte der berühmte Ver-
fasser den Nachweis, dass die Preussen keine Deutschen seien; sein Schlusssatz
lautete (p. 101): dans les provinces vraiment prussiennes, c'est-a-dire dans les deux
Prusses, la Pomeranie, le Brandebourg, la population, par ses origines ethno-
logiques, est essentiellement finno-slaye. Ohne Zagen zog er aus diesem Schluss-
satze auch die praktische Gonsequenz, den Versuch zu machen, die „eigentlichen
Deutschen^, d. h. die Süddeutschen, von Preussen loszulösen.
Noch deutlicher, als in dem Büchlein, trat diese Tendenz hervor in einigen
gegen mich gerichteten Artikeln der Revue scientifique 1872. Die Slaven wurden
dabei immer mehr in den Hintergrund gestellt; war es doch Hrn. de Quatre-
fages hauptsächlich darum zu thun, die Preussen als Finnen darzustellen. Dazu
bedurfte es einiger Kunst, aber der grosse Dialektiker wusste verschiedene Merk-
male aufzufinden, welche die Identität der beiden Rassen beweisen sollten. Einige
darunter, wie die Farbe der Haare und der Haut, erschienen mir wichtig genug,
um besondere Reisen nach Finland und Livland zu machen, und es gelang mir,
in zweifelloser Weise das Irrthümliche dieser Behauptung darzulegen. Ein anderes
Merkmal, die Körperhöhe, erforderte eine mehr philologische Kritik, da Mr.
de Quatrefages sich auf einen Zeugen berufen hatte, dessen Aussage vorliege:
es war der alte Freiherr v. Herberstain. Von diesem sagte er (Revue des deux
mondes, T. 91, p. 655): „Un ancien voyageur allemand, racontant ce qu^il a
vu, dit que la population de la Prussc proprement dite est composee de
geants et de nains. Der Umstand, dass für dieses höchst überraschende Gitat
nicht eine Schrift von Herberstain, sondern in einer Anmerkung zu der Race
prussienne (p. 46) nur Prichard, Researches into the physical history of man-
kind, T. III (ohne Seitenzahl), als Gewährsmann aufgeführt war, bildete den Angel-
punkt meiner Widerlegung. Da ich aus anderen Gründen sehr misstrauisch in Bezug
auf die Zuverlässigkeit der literarischen Angaben des Hm. de Quatrefages ge-
worden war, so machte ich mich an eine genauere Prüfung derselben. Ich will hier
zunächst anführen, dass Prichard (3»»» edit, London 1841, Vol. Hl, p. 279)
Verbandl. der B«rl. Aothropol. OMclUehaft 1^97. 25
(38f5)
Herberstain gleichfalls nur aas zweiter Hand kannte; er beruft sich auf Er man,
der die ^hunno-flnnische^ Rasse als klein, die Littauer als gross von Statur be-
zeichnet hatte. Hier heisst es (p. 280, Notef): Erman observes that the old
trayeller Gount Herberstein remarked that the population of Old Prussia
consisted of giants and dwarfs. He supposes that those two races arc indicated
by this remark. Hr. de Quatrefages hat aber, wie deutlich ersichtlich ist
weder Herberstain, noch Erman nachgelesen; trotzdem sagt er: Herberstein
caracterise la population de laPrusse en disant qu'elle est composce de geants
et de nains. Da nun von „mehreren Personen** bemerkt war, dass die Pommern
in der preussischen Armee vor Paris, obgleich vielleicht ein wenig grösser als die
Letten und die Esten, denselben doch sehr nahe ständen, so folgert er, dass sie
zur finnischen Rasse gehörten.
Diese Art der Beweisführung, für welche noch manches andere Beispiel bei-
zubringen war, veranlasste mich, einen eingehenden Artikel „über die Methode der
wissenschaftlichen Anthropologie^ zu veröfTentlichen (Zeitschr. f. Ethnol. 1872. IV.
S. 300). Darin stehen auch die Sätze, über welche Hr. Ne bring gegenwärtig eine
gereizte Kritik vorgelegt hat. Nachdem er vor Kurzem in einer gelehrten Ab-
handlung „über Herberstain und Hirsfogel^ (Berlin 1897) die Verdienste des
alten Reisenden und seines ülustrators in helles Licht gestellt und seine aus-
giebige Kenntniss der in zwei Sprachen und mehreren Ausgaben erschienenen
Schriften des ersteren dargelegt hat, dürfen seine Ausführungen eine besondere
Aufmerksamkeit erregen. Ich selbst habe schon 1872 mehrere der Schriften von
Herberstain und ihrer Uebersetzungen ins Deutsche studirt und die aus den-
selben entnommenen Originalstellen in den oben erwähnten Artikeln mitgetheilt:
aber ich erkenne gern an, dass Hr. Ne bring viel mehr Arbeit und Geschick auf
die Benutzung jener Schriften verwendet hat, als meine Zeit gestattete und als
mein Zweck erforderte. Daher habe ich mit um so grösserem Interesse seine
Ausstellungen gegen meine Angaben gelesen. Wenn dieselben mich nicht überall
überzeugt haben, so hoffe ich doch, auch vor den Augen eines strengen Kritikers
Gnade zu finden.
Die Punkte, auf welche es mir ankam und welche jetzt streitig erscheinen,
sind folgende:
1. Beruhen die Angaben Herberstain's auf Autopsie? Mr. de Quatre-
fages hat dies ohne Anführung irgend eines Grundes oder Gewährsmannes be-
hauptet; ich hatte dagegen über die Rerum moscoviticarum Oomroentarii, Basil.
1556 gesagt: ^Darin steht vieles, was er (H.) gesehen und erlebt und fast noch
mehr, was er sich hatte erzählen lassen^ (a. a. 0. S. 311). Zu letzterem gehörte
meiner Meinung nach auch die Hauptstelle, auf welche Alles ankommt und welche
ich daher wörtlich wiederhole: In Samogithia hoc inprimis admirandnm occurrit
quod cum eins regionis homines proeera utplurimum staturu sint, filios tarnen
alios corporis magnitudine excellentes, alios perpusillos ac plane nanos, ueluti
uicissitudine quadam, procreare soleni Ich bemerkte dazu: „Die in Frage
stehende Stelle bezieht sich keineswegs auf das eigentliche Preusaen, wie Hr.
de Quatrefages meint, auch nicht auf das uneigentliche Preussen, sondern auf
Samogitien.^ Aus den früher mitgetheilten Citaten ist ersichtlich, dass Mr.
de Quatrefages zu seiner unrichtigen geographischen und ethnologischen Auf-
fassung durch Prichard und dieser wieder durch Erman rerführt war. Ich muss
aber dabei bleiben, dass Samogitien innerhalb des grossen Gebietes von Littauen
liegt und dass von diesem nur ein kleiner Theil zu Preussen gekommen ist; ich
darf wohl hinzufügen, dass dieser kleine Theil nicht Samogitien war. ich be-
(387)
hnuptete ferner, dass ^der Freiherr zu Herberstain ebenso wenig persönlich in
Saraogitien war, wie in Prenssen.^ Letzteres ist unbestritten. Aber Hr. Ne bring
bemüht sich, diese Negation abzuschwächen. Dem gegenüber constatire ich, dass
Herberstain selbst nicht behauptet hat, das Geraisch von Riesen und Zwergen
gesehen zu haben, und dass Hr. Nehring selbst nicht weiter geht, als, wie ich
es ohne jede verletzende Absicht ausdrücken möchte, bis zu der Wahrscheinlich-,
keit, dass die Renntniss des Freiherrn auf Hörensagen beruht, vielleicht müsste
ich sagen, bis zu der Möglichkeit, dass Cr Eingebome gesehen habe. Er habe
sich in Wilna aufgehalten und seine weitere Reise sei nahe an der Südost-Grenze
Samogitiens hingegangen. Aber Hr. Nehring weiss, dass Wilna nicht in Samo-
giticn la^ und dass jeder Schritt weiter nach Osten ihn nur mehr von da ent-
fernte. Darum kommt er auch zu der Anführung, dass das Gefolge des Freiherm
bei der Rückkehr Landstriche durchquerte, „welche mit dem östlichen Samogitien
unmittelbar zusammenhängen^ und schliesslich zu dem Satze, dass ^Herberstain*^
thatsächlich in der Lage war. Genaueres über die Samogiten durch seine Leute,
sowie durch hervorragende Männer Littauens zu erfahren^. Unglücklicherweise
hat Herberstain mit keiner Silbe diese Quelle berührt oder auch nur angedeutet.
Nach gewöhnlichen Regeln der Interpretation darf man also annehmen, dass er
nicht in Samogitien war, und dass seine Erzählung nicht auf Autopsie beruhte.
2. Spricht Herberstain von einer Alternation grosser und kleiner
Kinder, oder, wie Mr. de Quatrefages stets gesagt hat, von Riesen und
Zwergen? Hr. Nehring will diese Fragestellung nicht anerkennen. H. habe
nach seiner Ansicht nicht gesagt, dass abwechselnd grosse und zwerghafle
Kinder geboren würden. Ich kann die Stelle (alios ülios corporis magnitudine
excellentes, alios perpusillos ac plane nanos, ueluti uicissitudine quadam,
procreare solent) nicht anders verstehen, als ich und andere es gethan haben. Ich
berufe mich auf die Uebersetzung von Pantaleon (Basel 1567, S. CXXVI), wo
es heisst: ^Das sy mehrtheil zweyerley kinder auch fast eins um das andere
gebären, nemlich etliche gross und stark, die andern gar klein wie die gezwergen.^
Hr. Nehring macht dagegen geltend, dass procreare nicht „gebären*^, sondern „er-
zeugen^ bedeute und dass die Bemerkung sich nicht auf Rinder, sondern auf die
erwachsene Bevölkerung beziehe. Weiter kann man in der Interpretationskunst
wohl nicht gehen. Filios procreare, also nach Hrn. Nehring „Kinder erzeugen",
wird doch schwerlich jemand auf etwas anderes beziehen, als auf Geburten.
Zwerge entstehen nicht erst im Alter der Erwachsenen; wenn sich unter den Er-
wachsenen „viele^ Zwerge finden, so müssen sie entweder als solche geboren oder
überhaupt nicht zum „Erwachsen^ gelangt sein. Dass etwas derartiges alter-
nirend vorkomme, und zwar in einer ganzen Bevölkerung, ist so unglaublich,
dass Hr. Nehring versucht, diese Worte zu beseitigen. Aber was soll das „ueluti
uicissitudine quadam*^ bedeuten? Hr. Nehring bemerkt dazu, H. spreche nicht
geradezu von abwechselnd. Ich beziehe mich auf den alten ücbersetzer: „zweyerley
kinder fast eins um das andere gebären.^ Ob der früher von mir gebrauchte Aus-
druck für die Leichtgläubigkeit Herberstain's in diesem Funkte zu hart war,
lasse ich mit Rücksicht auf das Folgende dahingestellt
'6. Hat Herberstain in Samogitien vierfüssige Schlangen gesehen?
Es genügt, diese Frage aufzuwerfen, um sie zu verneinen. Der blosse Gedanke
ist 80 absurd, dass ich mich nicht enthalten konnte, diejenigen Enthusiasten, die
an die sonstigen Münchhausiaden des alten Jägers glaubten, auf diesen Punkt be-
sonders aufmerksam zu machon. Selbst Hr. Nehring kommt zu dem Schlüsse
(8. 32), dass Herberstain das Thier „nur nach Hörensagen beschreibt^. In seiner
2b*
(388)
heutigen Mittheilun^ umgeht er, indem er eine lange Auseinandersetzang über den
Schlangen-Cultus in Samogitien liefert, die Besprechung der nnturwissenschafl-
lichen Angaben Herberstain's. Aber schon dadurch, dass er den Nachweis
bringt, die fraglichen Schlangen seien Ringelnattern, entzieht er dem Freiherm
jeden Glauben an die Vierfüssigkeit dieser Thiere. Was den Schlangen Coltus
anbetrifTt, so ist darüber in jeder populären Darstellung der littauischen Volks-
kunde so viel erzählt worden, dass der Gegenstand als erledigt gelten kann. Für
die naturwissenschaftliche Glaubwürdigkeit H.'s hat derselbe nicht den mindesten
Werth; hier kam es nur auf die Vierfüssigkeit an. — In einem anderen
Punkte hat Hr. Nehring eine Correctnr gebracht, die ich nicht beanstanden will.
Ich hatte nehmlich aus der Uebersetzung von Pantaleon den Passus entnommen,
dass diese vierfüssigen Schlangen „über drei Zwerchhand hoch werden*'. Hr.
Nehring ist geneigt, mir die Verantwortlichkeit für diese Uebersetzung zuzu-
schreiben; ich muss sie ablehnen. Ich füge mich jedoch seiner Correctur, dass
das angeführte Masss sich nicht auf die Höhe, sondern auf die Länge der Schlangen
bezogen habe. Aber die Angabe von der Vierfüssigkeit dieser Schlangen, — sie
sollten „vier kurze Füsse, wie die Eidechsen**, haben, — wird dadurch nicht be-
rührt, und die Mahnung zar Vorsicht, welche ich seiner Zeit an Mr. deQuatrc-
fages richtete, behält auch gegenwärtig ihre volle Geltung. Alle Berufungen auf
die Möglichkeit, dass Herberstain, wenn nicht selbsi beobachtete, so doch
gut beglaubigte Thatsachen berichtet habe, sind mit der Aufstellung der Ringel-
natter in Wegfall gekommen. Die naturwissenschaftliche Methode in der Anthro-
pologie, deren Werth ich dem französischen Pamphletisten dargelegt hatte, bleibt
nach wie vor ein Erforderniss der ehrlichen Forschung.
Das erkennt ja auch Hr. Nehring thatsächlioh an. Trotz seiner Vorliebe für
Herberstain hat er doch die in dem vorliegenden Streitfalle erörterten Mängel
seines Berichtes zugestanden; ja die altemirende „Zeugung** von grossen und zwerg-
haften Rindern erscheint ihm so unzulässig, dass er seinen Zweifel ausdrückt, ob
Herberstain davon überhaupt gesprochen hätte. Die vierfüssigen Schlangen
schiebt' er auf blosses „Hörensagen**; unbarmherzig schneidet er die 4 kurzen
Füsse von dem jetzt als Ringelnatter charakterisirten, früher mit einer Eidechse
verglichenen „Wurm** ab. Es war nur ein „Missverständniss** des Reisenden. Und
so gesteht Hr. Nehring auch zu, dass Herberstain „persönlich** nicht in Samo*
giticn war. Wenn er trotzdem versucht, auch dies abzumildern und den Besuch
littauischer Gebiete als genügendes Aequivalent vorzuführen, so habe ich zu
bemerken, dass Herberstain selbst Samogitien und Littauen von einander unter-
scheidet.
Somit muss ich die Kritik des Hrn. Nehring in Bezug auf meine Darstellung
als unzutreffend abweisen. Er hat meist übersehen, dass meine Kritik gegen Mr.
de Quatrefages gerichtet war, dem ich den Vorwurf machte, dass er sich nicht
einmal die Mühe gegeben habe, die von ihm als Beweise aufgeführten Angaben
Herberstain's zu lesen. Mr. de Quatrefages benutzte die Geschichte von den
Riesen und Zwergen in Samogitien als einen Beweis, dass die dortige Bevölkerung
gemischter Abstammung sei und dass von den Zwergen, die er für Finnen erklärte,
die kleinen Soldaten abzuleiten seien, die „manche Personen** unter den Pommern
vor Paris gesehen hatten. Ich habe diese Argumentation zurückgewiesen, speciell
unter Hinweis auf die analogen Verschiedenheiten unter den Esten und auf die
Abhängigkeit ihrer Körpergrösse von der Nahrung (Zeitschr. f. Ethn. FV. 8. 315).
Ich darf wohl annehmen, dass in diesem Punkte keine Meinungsverschiedenheit
zwischen Hm. Nehring und mir besteht, aber dann weiss ich auch nicht, wa«
(389)
für einen Vorwurf er mir zu machen hätte. Dieser Vorwurf sollte sich vielmehr
gegen Erman, Prichard und de Quatrefages richten, welche die kleinen Leute
als Finnen, die grossen als Letten ansahen.
Recht bedauerlich ist das Missverständniss des Hm. Nehring, dass er meinen
Vorwurf gegen Herberstain in Bezug auf die vierfüssigen Schlangen auf die
Angabe desselben in Betreff des Schlangen -Cultus bezieht Ich habe über den
letzteren Punkt nicht ein einziges abweisendes Wort gesagt. Daher war auch 'die
lange Auseinandersetung darüber, welche Hr. Ne bring in seine jetzige Zuschrift
eingeflochten hat, für mich überflüssig; ich habe mich oft genug mit den Letten
beschäftigt und bin seit langer Zeit mit ihrer Literatur über die Hausschlangen
bekannt. Die Darstellungen der verschiedenen Schriftsteller darüber sind so über-
einstimmend, dass mir ein Zweifel über den Schlangcn-Cultns ganz fern lag. Mein
Vorwurf betraf vielmehr die leichtgläubige Manier, mit der Herberstain die Er-
zählung („das Hörensagen'^) aufgenommen hat, diese Thicre seien wie Eidechsen
gebaut und hätten 4 kurze Beine. Hr. N eh ring nennt das jetzt in wohlwollender
Weise ein „Missverständniss^; vielleicht würde es richtiger sein zu sagen: „einen
Mangel an naturhistorischer Kenntniss und ein Ucbermaass von Leichtgläubigkeit.^
Das war auch der Grund, weshalb ich diese Angabe mit der anderen über das
alternirende „Erzeugen'^ von grossen und kleinen Rindern zusammenstellte. Für
einen Zoologen, wie Quatrefages, war dies doch wohl ein recht lehrreiches
Beispiel.
Trotz alledem bin ich fern davon, ein allgemein ungünstiges Urtheil über die
Berichte des Freiherrn v. Herberstain zu fällen. Es giebt nicht wenige Gelehrte,
welche die Berichte von PI intus über die afrikanischen Völker als so unzuverlässig
betrachten, dass sie jede Berufung auf diesen Schriftsteller, der ja auch recht
häufig nach Hörensagen und unbeglaubigten Erzählungen urtheilte, als unwissen-
schaftlich zurückweisen. Ich habe diese Auffassung nie getheilt, aber ich habe aus der
Kenntniss dieser Berichte die Verpflichtung abgeleitet, eine strenge Kritik in Bezug
auf die Einzelheiten derselben eintreten zu lassen. Genau dasselbe Verhältniss
trifft auf Herberstain zu, und wenn Hr. Nehring durch sein letztes Buch eine,
wie mir scheint, erfolgreiche Ehrenrettung des alten Reisenden und Jägers bewirkt
hat, so wird damit doch die Nothwendigkeit nicht dargethan sein, dass wir auch
die falschen oder missverstandenen Angaben desselben beschönigen oder gar für
wahr halten müssen, — Angaben, welche so grosses Unheil in der Literatur und in
der Meinung der Menschen angerichtet haben. —
(30) Hr. Rud. Virchow übcrgiebt, im Anschlüsse an die weiterhin folgenden
Mittheilungen des Hrn. Georg Schweinfurth, folgende Beitrüge zur
Vorgeschichte Aegyptens.
1. Bericht des Hm. E. Salkowski vom 30, Juli über die Untersuchung des
Inhaltes eines Schädels von Gebel Silsllih (vergl. S. 32 und 137).
Der mir zur Untersuchung übergebene Inhalt eines kleinen Holzküstchens mit
Aufschrift: „Nr. 5, Gebel Silsileh — necropole prehistorique. Contenu d'un crune
bien conserve et fragments de bois (Nr. 6) trouves pres du cräne," erwies sich als
ein Gemisch von sandigem Pulver, Holzstückchen und Bröckeln harzartig er-
scheinender Substanz. Die harzartigen Stücke wurden herausgesucht, in der Rcib-
schale zerrieben — was leicht gelang — , und das Pulver, welches auf dem Platin-
blech unter Verbreitung eines harzigen und fettigen Geruches mit russender Flaramo
und unter Hinterlassung von etwas Asche verbrannte, näher untersucht. . : -
(390)
Entsprechend dem auch in den früheren Fällen für die Untersuchung der
Massen aus den Mumienköpfen gewählten Verfahren wurde auch dieses Mal zur
Orientirung zunächst der Gehalt des Pulvers an Wasser, Asche, Stickstoff und
Phosphor untersucht. Nach den von Dr. O. Schrader ausgeftlhrten BestimmangeQ
ergaben sich für 100 Theile:
Wasser 3,88 pCt.
Asche 9»ll 7»
Stickstoffgehalt .... 4,96 „
Phosphor 0,098 „
Diese Bestimmungen zeigen, dass die vorliegende Masse von den bisher unter-
suchten wesentlich verschieden ist. Dieses geht namentlich aus dem ausser-
ordentlich geringen Phosphorgehalt hervor, mit dem sich die Annahme, dass e»
sich um veränderte Gehimsubstanz handele, schwer vereinigen lässt.
Der Stickstoff ist in der Masse nicht in Form von Ammoniaksalzen enthalten^
denn beim Erwärmen mit Natronlauge entwickelt das Pulver nur äusserst wenig
Ammoniak, bezw. nur Spuren davon. Der sich entwickelnde Geruch gleicht dem,
welcher beim Kochen von altem Fett mit Natronlauge auftritt.
Zar weiteren Untersuchung wurde eine Quantität des Pulvers mit Alkohol ex-
rahirt und filtrirt, der Alkohol- Auszug verdunstet. Es hinterblieb eine braune, spröde,
harzartige Masse. Die Quantität dieses Harzes betrug (bei 100^ getrocknet) 1,27G g^
das Gewicht des nicht gelösten Rückstandes betrug 0,900 /;, zusammen also 2,17G g.
Somit sind von diesem Pulver ungefähr 58 pCt. in Alkohol löslich, 42 pCi darin
unlöslich. Die Bestimmungen sind der Natur der Sache nach nur als annähernde
zu betrachten.
Zur weiteren Untersuchung des in Alkohol löslichen Harzes verfuhr ich nun
ebenso, wie bei der letzten Untersuchung (S. 1 39). Es ergab sich so folgende Zu-
sammensetzung in Procenten:
Direct in Aether lösliche Substanz (Neutralfett) 7,4 pCi
Nach dem Ansäuern in Aether lösliche Substanz (Fettsäure) . 32,7 ^
Harzige, in Aether unlösliche Substanz 59,9 „
Das ^Harz"*) verbrannte auf dem Platinblech unter Verbreitung eines an
Pflanzenharz erinnernden, gleichzeitig aber fettigen Geruches, ohne mehr als Spuren
von Asche zu hinterlassen.
Eine bestimmte Entscheidung darüber, ob das vorliegende „Harz^ ein Pflanzen-
harz ist oder allmählich im Laufe der Jahrtausende durch Umwandlungen aus ani-
malischen Substanzen, namentlich Fetten, entstanden ist, wird sich durch chemische
Untersuchung schwerlich föllen lassen, da der Begriff „Harz" ja mehr ein phy-
sikalischer und botanischer, als ein chemischer ist.
Da es Pflanzenharze giebt, welche äusserst sauerstoffarm sind, so wurde noch
versucht, eine Entscheidung durch die Elementar-Analyse herbeizuführen. Ergab
sich hierbei, dass das „Harz^ wesentlich weniger Sauerstoff enthielt, als das mensch-
liche Fett, bezw. als die aus demselben hervorgegangenen Fettsäuren, so konnte
man wohl schliessen, dass das ^Harz" mit diesen nichts zu thun habe. Der um-
gekehrte Schluss war allerdings keineswegs zulässig, da es auch relativ sauerstoff-
reiche Harze ^iebt, wie den Weihrauch (Olibanum), Bernstein, Asphalt, mit einem
Sauerstoffgehalt von etwa 12 pCt., ungefähr übereinstimmend mit dem Sauerstoff-
gehalt des Fettes.
, ,1) In Folgendem ist hierunter stets «las s: er einigte, in Aether uuldsliche H
f * rs\an(lcm
•
(391)
Bei der qnalitatiTen Prüfung ergab sich nun zunächst das überraschende Er-
gebniss, dass das „Harz^ in nicht unbeträchtlichem Grade stickstofThaltig ist
Als Elementar-Zusammensetzung^) des üarzes ergab sich:
Kohlenstoff 60,53 pCt.
Wasserstoff 6,77 „
Stickstoff 5,57 „
Sauerstoff 26,13 „
Das „Harz^ enthält also weit mehr Sauerstoff, als die sauerstoffhaltigen Pflanzen-
harze, und auch weit mehr, als das Fett, welches durchschnittlich aus 76,5 pCt
Kohlenstoff, 12 pCt. Wasserstoff und ll,5pCt. Sauerstoff besteht.
Es lässt sich nicht verkennen, dass das Resultat der Analyse für die Ent-
stehung der ^harzigen Substanz^ aus Fetten und stickstoffhaltigen animalischen
Substanzen durch allmähliche Oxydation spricht, ohne indessen diese Frage ganz
zu entscheiden. —
2. Abhandlung des Hrn. G. Schweinfurth über die
Omamentik der ältesten Cultur-Epoohe Aegyptens.
Diese Abhandlung ist enthalten in der Oesterreichischon Monatsschrift für den
Orient, herausgegeben vom k. k. Oestorr. Handels -Museum in Wien 1897, Nr. 0
und 10, Beil. und uns in freundlichster Weise nebst den zugehörigen Clichös durch
die Direction des genannten Museums zur l^nutzung überlassen. Da Hr. Schwein-
furth in unserer Gesellschaft die Ornamentik der bemalten Thongefässe dieser
Epoche besprochen hat (S. 280, besonders S. 282), so werden in Nachstehendem
nur diejenigen Abschnitte der neuen Abhandlung wiedergegeben, welche eine Aus-
führung der Einzelheiten, namentlich in Betreff der pflanzlichen Ornamente und
der sich daraus ergebenden Schlüsse für die Vorgeschichte Aegyptens bringen.
Die uns näher berührenden Abschnitte lauten folgendermaassen :
Die einzelnen Elemente dieser in braunrothcr Bemalung auf hellem Grunde aus-
geführten Ornamentik habe ich auf der beigegebenen Tafel (S. 394) nach den Funden
von el-Amrah, Abydos, Bailas, Tuch, Negada und Gebelen zusammengestellt. Die
zu Beginn dieses Jahres erschienenen Werke von Flinders Petrie und von
de Morgan bieten dieselben in grösserer Auswahl, aber zerstreut auf verschiedenen
Tafeln. Beim Anschauen dieser fremdartigen Bilderschrift wird wohl keiner mehr
das Axiom unterschreiben wollen, dass die ägyptische Cultur ein fertiges Ding ge-
wesen sei von dem Moment an, wo sie in die Erscheinung trat. Flinders Petrie
ist in seinem Werke, verleitet durch die Fremdartigkeit der Darstell ungs weise
vielleicht auch beeinflusst durch dus Phänomen des bei aller räumlichen, zeit-
lichen und ethnischen Gesondertheit so häufig zur Geltung kommenden Paralle-
lismus übereinstimmender, ewig menschlicher Gestaltungstiiebe, bestrebt gewesen,
den Ursprung dieser Omamentik, ja die Herkunft der Thongefässe selbst weit
ausserhalb Aegyptens zu suchen; aUein die ausschliesslich afrikanischen Motive
und namentlich die grosse B^lle, die in ihr der Todtenbarke als der ersten Schrift-
werdung einer ägyptischen Idee zufällt, brachten ihn dabei mit sich selbst in
Widerspruch. Die besondere Bedeutung dieser Bilderschrift liegt meines Er-
achtens gerade darin, dass sie, weil den ärmeren Bewohnern geläufig, etwas Ur-
sprüngliches, von Alters Hergebruchtes zum Ausdruck bringt 'md deshalb einen
1) Analyse von Dr. G. Schrader.
(392)
weiten Rückblick in die Zeiten vor Menes aaftbut, weil urspiünglich au? einer Zeit
stammend, v/o die bloss ideographische Hieroglyphik noch in den Windeln lag.
Hinsichtlich des. Verhaltens dieser vielleicht als nahezu prähistorisch zu be-
zeichnenden Stilart Aegyptens zu dem späteren Pharaonenstil bietet der geometrische
Stil der urgriechischen Zeit eine gewisse Analogie, welcher letztere, obwohl in
der mykenischen oder ägäischen Epoche sich ganz andere Tendenzen Bahn brachen^
nicht nur während dieser Epoche, wie Conze (Wolters, Böhlau) es nennt,
als eine Art von Bauemkunst sich forterhulten hat, ja dieselbe aberdanernd
durch alle Epochen des griechischen Kunstlcbens eine oft tonangebende Ver-
wendung fand. Die sachliche Analogie, die, allerdings nur auf den ersten Blick,
diese prähistorische Runstweise Aegyptens mit jenem alteuropäiscben Stil in Zu-
sammenhang bringt, den Conze zuerst in den Sitzungs- Berichten der Wiener
Akademie 1870 und 1872 auseinandersetzte, hat wegen des beiderseits hervor-
tretenden Bestrebens, Naturformen in ein lineares Schema aufzulösen, etwas Ver-
lockendes. In Wirklichkeit ist die Verschiedenheit eine fundamentale. Vor Allem
sind es die dem ^altnordeuropäischen" Stil (Conze) fehlenden Pflanzen -Motive,
die hier eine in hohem Grade stilisirte Gestaltung annehmen, und sie sind es, die
eine besondere Bedeutung gewinnen, wenn man sie als den Beginn einer ideo-
graphischen Bilderschrift auffasst. Gerade dieser Gesichtspunkt war es, der mich
zu den vorstehenden Aufzeichnungen veranlasst hat, um einmal die Gelegenheit
wahrzunehmen, als Botaniker einer wichtigen Frage näherzutreten, die in Folge
von Nichtbeachtung des botanischen und geographischen Causal-Zusammenhanges
bisher in hohem Grade verwirrt worden ist.
Die vier mit concentrischen Halbkreisen versehenen Figuren im obersten Theil
der beigegebenen Tafel 1 bieten das Schema einer Pflanze dar, die in einem Ge-
fässe wurzelt, demnach also nicht zu der spontanen Flora des damaligen Aegyptens
gehört haben kann. Aus einer verkürzten Axe entsprossen beiderseits je G — 10
im Halbbogen zurückgeschlagene Blätter, während ein gipfelständiger Schaft, der
in einem Falle in zwei Schenkel ausläuft, mit vielen kleinen Blätteben (den stehen-
bleibenden Tragblättern der Blüthentraube) besetzt ist und mit einer Blüthe oder
einem Knäuel von Blüthen endigt. Unter allen Gewächsen, die aus den Floren
der Nachbarländer in Betracht kommen können, entspricht dieses Schema nur der
Aloe, von der eine rothblühende Art (A. abyssinica Lam.) nicht nur im Hochlande,
sondern auch in den Vorbergen von Abyssinien und im südlichen Nubien zwischen
800 — 1000 m Meereshöhe von ausserordentlicher Verbreitung ist. Eine andere
Aloe mit orangerothen oder gelben Blüthen, die dem Schema noch besser ent-
spricht, ist die als wildwachsende Pflanze auf die Vorheize des glücklichen Arabiens
beschränkte, aber heute noch im ganzen Orient und namentlich in Aegypten cultt-
virte Aloe vera L. (A. vulgaris Lam.), die namentlich auf Gräbern und auch über
Hausthüren aufgehängt als Symbol der ausdauernden Lebenskraft und als Schutz
gegen den bösen Blick fast aller Orten anzutreffen ist. In jedem Falle würde die Aloe
sich zu jenen Pflanzen gesellen, die, wie die ^eiligen Bäume der Hathor oder Isis,
Sykomore und Mimusops (Persea der Alten), welche, gleichfalls im Nilthale nicht
wild vorkommend, hier als überlebende Zeugen von Wanderungen gelten können,
die in frühester Vorgeschichte die Vorfahren des alten Culturvolkes aus dem
fernen Südosten an die Gestade des Nils geführt haben.
Ich vermuthe in diesem hier bereits zu einem conventioneilen Ornament um-
gestalteten Pflanzengcbilde das Prototyp einer Reihe von Zeichen, die in der
Hieroglyphik theils als Silbenzeichen, theils zur Symbolisirung der beiden Landes-
(393)
theile eine grosse Rolle spielen und deren Deutung so viele Aegyptologen auf Irr-
wege geführt hat.
Die Aegypter waren von altersher gewohnt, den zwischen Ober- und Unter-
Aegypten obwaltenden Gegensatz durch Symbole zum Ausdruck zu bringen, und mit
Recht nahm man von jeher an, dass diese Symbole durch Pflanzen zum Ausdruck
kommen sollten, die für je eines der beiden Länder charakteristisch waren. Kein
geringerer alsChampollion, der Vater der Hieroglyphen-Deutung, hat bereits vor
(>0 Jahren beiden Zeichen die damals möglichst richtige Deutung gegeben, indem er
in seiner ägyptischen Grammatik das Südzeichen W^ als ein Lilien -Gewächs, der
Iris vergleichbar, kennzeichnete und dasjenige des Nordens w als Papyrus deutete.
Hinsichtlich des letzteren kann kein Zweifel obwalten, weil auf dem zweisprachigen
Stein von Rosette von einem <rxYinTpov nctTjvpoeHotq die Rede ist Die Nachfolger
Champol lion's haben das Symbol des Südens oft als „Binse^ bezeichnet, sich
zuvor aber wohl nie eine wirkliche ßinsenblüthe angesehen, zu deren richtiger
Würdigung man schwerlich mit unbewaffnetem Auge gelangt, ünger, der an-
gesehenste von den wenigen Pflanzenkundigen, die dieser Frage näher getreten
sind, stellte die weisse Lotusblume als das Prototyp des Zeichens des Südens auf,
indem er sich wohl zunächst von der in unserer Kunstwelt eingebürgerten vulgären
Vorstellung leiten Hess, als hätte das ägyptische Säulen-Capitell seine Motive dieser
Blüthe entlehnt; auch fasste er die ganz verschiedenen Darstellungs formen und
Begriffe, die im Bilderschmuck, in der Architectur, in den symbolisirenden Ideo-
grammen und in den Lautwerthen zum Ausdruck kommen, als correlative Werthe
auf. In Wirklichkeit kann die weisse Teichrose, ebenso wie die blaue (Nymphaea
Lotus und Nymphaea caerulea), nur für Unter- Aegypten als Charakterpflanze (!) gelten,
nicht für Ober- Aegypten, geradeso wie der Papyrus. Eine Vermengung beider
Charaktergewächse in, der späteren Ideenwelt tiberkommenen Kunstbegriffen ist
daher keineswegs ausgeschlossen. Von Hause aus bat die Lotusblume nichts mit
diesen geographischen Ideogrammen zu thun.
Die Frage hinsichtlich des, vielen ägyptischen Säulen -Capitellen zu Grunde
liegenden Pflanzenmotivs lasse ich hier unberührt, weil der Gegenstand allzu aus-
führliche Erörterungen verlangen würde. Dr. Ludwig Borchardt wird dieselbe
in seinem demnächst erscheinenden Werke über ^die ägyptische Pflanzensäule^
mit der nur ihm zu Gebote stehenden Sachkenntniss und Erfahrung behandeln.
Ich wjll aber meinerseits darauf hinweisen, dass neuerdings E. Lefebure eine
versöhnende Deutung gefunden zu haben glaubte zwischen der vulgären Auffassung
der Kunstverständigen, die von der Lotusblume ausgeht, und derjenigen der
Aegyptologen, die an dem Papyrusbüschel festhalten. Zur Deutlichmachung seiner
Idee bedient er sich des Vergleiches mit einem „bouqet montö". Nach ihm sollte
der Bündelsäule im Schaft der Papyrus, im Capitell die Lotusblume zu Grunde
liegen. Lefebure hat ausser Acht gelassen, dass in der scbematisirten Contour-
zeichnung Lotus und Papyrus gar nicht so verschieden sind, wenn man nur eine
junge, noch im quastförmigen Zustande befindliche Papyrusdolde in Vergleich zieht,
was er nicht gethan hat, obgleich schon Champollion ausdrücklich von der
^houppe^ des Papyrus gesprochep hat Die breiten Hüllblätter der Papyrusdolde
nehmen sich alsdann gerade so aus, wie die Kelchblätter des Lotus, und leicht
war es im weiteren Verlaufe der verschiedenen Kunstphasen, an Stelle der Dolden-
strahlen zwischen diese Hüllblätter die Blumenblätter des Lotus einzuschalten.
Borchardt bringt diese Art von Blüthen-Capitell überhaupt nicht mit dem Symbol
(394)
des Nordens in Verbindung, sondern will sie als BlUthe der Wappenpflanzc Ton
Ober-Ae^|iten aurj^fasst wissen.
Taf. 1. Üliliairto Ornamentik am Affiyptcns nculithUcher Zeit
ton ThaugcflUscn d?r Zeit bis mr IV. Djnastie.
Zur Erläntemng der aur meine Vcrmuthung eines Zusammenhaiif;«« des TOThiii
beschriebenen ältesten PQanzcn-Ornamentes mit gewissen Silbenzeichen und Ideo-
(395)
«WM
gramraen der entwickelten Hieroglyphik Bezug habenden Darstellungs formen der
letzteren habe ich 10 derselben in Taf. 2 beigefttgt. Ich verdanke diese Aus-
wahl beglaubigter Proben einer gütigen Miltheilung von Dr. Ludwig Borchardt,
der sie für mich in authentischer Wiedergabe von Originalen zusammengestellt
und mit Notizen versehen hat, denen ich das Nachfolgende entnehme: Das hiero-
glyphische sw (Fig. a) hat mit dem ähnlich gestalteten rs (Fig. b, c und d) nur in-
sofern etwas gemein, als es vielleicht die rs-Pflanzc ohne Blüthen darstellt. Die in
Fig. a gegebene Form ist eine der ältesten und
im Grabe des Setu bei Saqqarah [III. Dynastie]
zu sehen. In Fig. h^ c und d erscheint die
Hieroglyphe rs in ihren verschiedenen Entwicke-
lungsstadicn. Sie hat nach ihrem Lautwerthe
die Bedeutung Süden. Fig. h stellt das Silben-
zeichen in Verbindung mit dem Zahlenzeichen
für zehn vor, wie es sich im Grabe des flesij-
Re bei Saqqarah (IV. Dynastie) vorfindet. Fig. c
dasselbe aus dem Grabe des Ptahhotep bei
Saqqarah (V. Dynastie). Fig. d dasselbe mit
Farben-Angaben aus dem Grabe Nr. 2 bei Beni
Hassan (mittleres Reich). An diesem Beispiele
gewahrt man die als Blüthen aufzufassenden
Anhängsel bereits in veränderter Gestalt, aber
immer noch dreitheilig. Hier nähern sie sich
mehr denen der eigentlichen Wappenpflanze von
Ober-Aegypten, dem omamentalen Symbol, das
auf den unteren sechs Figuren zur Anschauung
kommt.
Fig. e stellt eine BlUthe dieser Wappen-
pflanze dar, wie sie am Throne der Statue von
Usertesen I. (XII. Dynastie), die das Museum
zu Berlin beherbergt, sichtbar ist. Wenn dies
die Blüthe in ihrer elementarsten Gestalt vor-
stellen soll, so kann ich nicht umhin, sie für
ein getreues Abbild derjenigen von Aloe abyssi-
nica Lam. zu erklären. Ich würde die Einzel-
blüthe dieser Art kaum andera zur Darstellung
zu bringen wissen. Reine zweite Gifttung, ausser
Aloe, hat in den betreffenden Gebieten eine ähn-
liche Blüthe. — Genau dieselbe Form soll nach
Borchardt die älteste ihm bekannte Wieder-
gabe der Blüthe zeigen; er fand sie auf einer
Darstell lung aus der Zeit des Pepy (VI. Dynastie),
die sich innerhalb der Steinbrüche von Assuan
befindet. Fig. / stellt die an einem Faience- Kästchen angebrachte Blüthe dar,
von einem thebanischen Massengrabe des neuen Reiches (etwa 1300 vor Chr.) her-
stammend. Fig. g, A, I und k geben die Blüthe der Wappenpflanze in abenteuer-
licher Ausgestaltung, nach Modellformen für Faience, die sich zu Tell-el-Amarna
aus der Zeit des Amenophis IV. (XVIII. Dynastie) erhalten haben.
L. Borchardt behauptet, es sei bisher nicht festgestellt worden, dass die
Wappenpflanze von Ober-Aegypten, die sogenannte „Lilie^, von dem Silbenzeichen rs
Taf. 2. Wappenpflanze
von Ober-Aegypten.
(396)
abgeleitet sei, und roöcbte eine solche Annahme bis aaf Weiteres verneinen. Auch
will er sieb meiner Ansicht nicht anschliessen, dass in dem vorhin beschriebenen
ältesten Pflanzen -Ornament der troglodytischen Gräber das Prototyp des Laut-
werthes rs zu vermuthen sei, obgleich er gegen eine Indentificirnng des ersteren
mit Aloe nichts einzuwenden hat. Nichtsdestoweniger möchte ich an dem Zu-
sammenhange der drei Gegenstände mit dem Begriffe der Aloe festhalten und be-
gründe meine Ansicht mit folgenden Thatsachcn: Die rothe Farbe, die so oft (und
keine andere) zur Markirung der Bliithe der Wappenpflanze gewählt wurde, spricht
zu Gunsten de- Aloe. Ferner ist an allen vorhin besprochenen Zeichen, den symbo-
lischen sowohl als den Silbenzeichen, die Dreitheilung der Blüthe in die Augen
springend. Drei oder sechs Blätter sind zur Andeutung der Blüthe verwandt, ent-
sprechend der sechstheiligen Blumenkrone eines Liliengewächses, die natürlich,
von der Seite gesehen, immer nur drei derselben sichtbar werden lässt Der
vollendeten Uebercinstiramung der in Fig. f dargestellten Form mit dem Blüthen-
schema der Aloe habe ich bereits gedacht Aber auch das Silbenzeichen rs mit
seinen vier rückwärts gekrümmten Blättern an der Basis einer verkürzten Axe
und mit dem gipfelständigen Mittelschaft der Blüthe entspricht der Aloe- Pflanze
und kann sehr wohl als ein reducirtes Schema der auf der linken Seite abgebildeten
Ornamente betrachtet werden. Dass an dem rs- Zeichen ausser am Mittelschafl
auch an den Spitzen der vier Blätter rothe Anhängsel, also Blüthen, zur Dar-
stellung kommen, kann kein Hinderniss für die Identificirung desselben mit der Aloe
abgeben, weil diese Blüthen gewiss willkürliche Zuthaten einer missverstandenen
Tradition waren; denn nach ihrer Form, Stellung und dem Verhältniss zur Axe
und zum Blüthenschaft können die beiderseitigen Bogenlinien an der Basis nur
Blätter sein und nicht etwa Verzweigungen des Blüthenstandes einer blattlosen
Pflanze. Blätter aber tragen bekanntlich keine Blüthen.
Soviel zum Kapitel vom Zeichen des Südens. £s erübrigt, um hier gleich die
pflanzlichen Ornament-Motive der beigegebenen Tafel 1 abzuthnn, noch die im Um-
kreise der vorhin erläuterten 4 Pflanzenschemen angebrachten 6 Gegenstände zu er-
klären. Es sind Bäume, die hier bereits in einer Weise wiedei^gegeben sind, welche
der spätere Stil der Wandbilder an Tempeln wiederholt, nehmlich die Gestalt der
Laubkrone durch eine Umrisslinie zu kennzeichnen, mit eingefügten parallel ge-
stellten Aesten. —
Das so auffällige Hervortreten des Pflanzen-Ornaments auf den irdenen Ge-
fassen dieser ältesten bisher aus Aegypten bekannt gewordenen Gultnrepoche ist
eine im Bereiche primitiver Runstübung gar zu ungewöhnliche Erscheinung, als
dass man nicht Grund hätte, in solcher Vorliebe für schematisches Pflanzcnzeicbnen
eine bereits damals vorhandene symbolisirende Tendenz zu vermuthen. In der
That sind auch in den Zeichnungen der Naturvölker die Pflanzenmotive sehr selten
anzutreffen, ja in den meisten Fällen fehlen sie denselben vollständig. Anderer-
seits macht das Pflanzen -Ornament einen wesentlichen Bestandtheil jener so-
genannten orientalisirenden Verziernngskünste aus, die von Vorder-Asien her oder
durch die auch für diesen Zweck herhalten müssenden Phönicier, auf die frühe
griechische Kunst ihren bezeichnenden Einfluss ausgeübt haben. Unter diesem
Gesichtspunkte werden wir die völkenerbindenden (internationalen) Beziehungen
festzuhalten haben, die hier im ältesten und innersten Aegypten ihren Anschlags
fanden.
Auf der beigegebenen Tafel 1 habe ich von einer Wiedergabe derjenigen Ver-
zierungskünste Abstand genommen, die sich beim Töpfer aus Gründen der tech-
nischen Handhabung von selbst verstehen und die man als die keramogenen Oma-
(397)
mente bezeichnen könnte. Dazu rechne ich vor Allem die horizontalen Farallel-
linien und die Wellenlinien, gewissermaassen auch die gewellten erhabenen Wulst-
linien oder Falten (wavy handles von Flinders Petrie), die an vielen der Gefässe an
Stelle der Henkel beiderseits oder im Zusammenhange herumlaufend zu sehen sind
und die für diese älteste ägyptische Epoche ein charakteristisches Merkmal ab-
geben. Sie ergeben sich aus dem manuellen Betrieb, auch wenn man, was hin-
sichtlich der troglodytischen Gräberfunde noch nicht genügend feststeht, dabei von
der stattgehabten Verwendung der Drehscheibe absehen will. Bei dieser Besprechung
werde ich mich auf die gemalten Ornamente beschränken. Die erhabenen
Zierformen gehören in ein anderes Capitel, und dort müsste sonst auch noch des
für die betreffende Epoche besonders charakteristischen Strickmusters Erwähnung
geschehen, das sowohl auf Thongefässen angebracht, als auch auf Steinkrügen mit
grosser Sorgfalt ausgemeisselt erscheint zur Veranschaulichung von Netz- und
Strickgehängen, vermittelst welcher in Africa und in Süd-Ambien henkellose Ge-
lasse bewegt und aufbewahrt zu werden pflegen. Das Strickmuster erscheint
übrigens auch sehr oft in gemalter Form wie die anderen Zierformen, rolh braun
auf dem helleren Grunde der Thongefässe, namentlich der Cylindertöpfe.
Eine andere Kategorie des Ornaments, die, obgleich sie in der vorliegenden
Periode eine grosse Rolle spielt, unter den auf der Tafel 1 dargestellten Motiven
nicht berücksichtigt worden ist, betriflt die Nachahmung von Naturmustern, wie sie
in dem buntgeaderten Gestein, in der Zeichnung der Vogeleier und Früchte, im
bunten Federkleide der Vögel, im gefleckten Fell so vieler Säugethiere, im Schuppen-
panzer der Fische und Reptilien und an unzähligen anderen Naturkörpern sich dem
Nachahmungstriebe des Menschen aufdrängen und für welche die Tättowirungs-
künste der Naturvölker ein sprechendes Zeugniss ablegen. Dieses TrotxtXitt- Muster
kommt vor Allem in der Nachahmung der harten Gesteinsarten zur Geltung, in
deren Bearbeitung die ältesten Aegypter bereits Meister waren, so namentlich in
derjenigen von Granit, Porphyr und Breccia, vermittelst rother Flecke und Mar-
morirung auf gelblichem Grunde.
Diese Imitationen scheinen, wenigstens was Aegypten anlangt, für die kunst-
geschichtliche Primogenitur der Steingefässe zu sprechen, deren Gebrauch unter
den hamitischen Wüsten-Völkern von Ober-Aegypten (Ababde und Bischarin) sich
bis auf den heutigen Tag in den allgemein gebräuchlichen Rochtöpfen aus Talk-
schiefer erhalten hat. Mit engen Spiralen dicht bedeckte GefUsse bringen den
Nummulitenkalk zur Anschauung, und an einem eiförmigen Töpfchen von Thon-
erde (Flinders Petrie, XXXV, Fig. 66) kommen ganz deutlich die schwarzen
Schriftmuster des Eies der Seeschwalbe (Stema) zum Ausdruck durch in Fett-
Schrift angebrachte gleichsam arabische oder vielmehr sassanidische SchriftzUge.
Ich habe noch eine andere Verzierungsweise der aus den troglodytischen
Gräbern stammenden Thongefässe zu erwähnen, die gleichfalls auf meiner Tafel
keinen Platz fand, die aber in mehreren, in den Werken vonp Flinders Petrie
und de Morgan gegebenen Abbildungen deutlich zur Darstellung gelangt. Es ist
das Flechtmuster, das plegmatische, das hier, unterstützt von der den Töpfen er-
theilten Form, das Bestreben verräth, in täuschender Nachbildung thöneme Körbe
zu gestalten. Man betrachte nur das auf Tafel IX, Fig. 1, des de Morgan^ sehen
Werkes (Origines de TEgypte) abgebildete Geiass. Es bietet das vollkommenste
Abbild eines jener grossen Milchkörbe, wie sie die heutigen Somal mit so grossem
Geschick aus den ^zähen Wurzeln des strauchartigen Asparagus retroflexus F. zu
flechten wissen.
(393)
Die Korbflechterei erweist sich hier ganz klar und deutlich als die frühere
der Künste und als Mutter der Thonbildnerei. Eine solche Zierform auf Thon-
gefässen ist ja nicht auf Africa beschränkt, sie gehört der ganzen Erde an, und
unsere Sammlungen aus der nordischen Steinzeit enthalten prächtige Beispiele
solcher, mit allen Einzelheiten ausgeführten Nachahmungen Ton Körben aus ge-
branntem Thon.
Das auf körperlichem Gleichgewicht beruhende Gefühl für Symmetrie steckt
tief im Menschen wegen des bilateralen Baues seines Körpers; der aus diesem
Gefühl erwachsene Instinct bethätigt sich in den tektonischen Trieben, die nicht
den alleinigen Vorzug des Menschen ausmachen. In dem Häufen und Schichten,
im Zusammenfügen Ton Baukörpem, in Nesteln, Flechten und Mauern treten diese
Triebe in Wirksamkeit, aber gewiss wird auch der Naturmensch bereits auf
frühester Stufe darin durch die zahllosen Vorbilder bestärkt worden sein, die ihm
die Thierwelt darbot, zumal in Africa, wo ihm die grossen Burgen der weissen
Ameise, hoch in den Zweigen die Blätterbauten der Baum-Termite, die abenteuer-
lichen Gestalten der Vogelnester bis hinab zu den winzigen Steinhütten der Mauer-
Wespe, wo ihm schliesslich die Wühlarbeit und die Höhlenbauten einer Schaar
nächtlicher Vierfüssler auf Schritt und Tritt begegnen. Ans den Leistungen der
Thierwelt bereichert sich seine Erfahrung, der Mensch lernt von allen, und so,
wie er aus den vieltönigen Lauten der Thiere die Elemente seiner Sprache zu-
sammenstellte, ebenso fand sein Nachahmungstrieb in der Formenfülle der Lebe-
welt zahllose Vorbilder zur Bethätigung von Kunst Der Korb ist gleichsam das
vervollkommnete Modell der Hütte, die er sich zu eigenem Schutze erbaute, daher
prägte sich ihm auch dieses Muster am tiefsten ein, und so entstand das textiU
geometrische Ornament.
Unter den Motiven, in denen die geometrische Stilart gipfelt, steht das Dreieck
obenan. Auf meiner Tafel 1 ist dasselbe in jener doppelten Horizontal-Schichtung
abwechselnder Reihen zu sehen, wie sie der Verzierungsweise der Thongefässe der
troglodytischen Gräber besonders eigen ist. Auch einfache Horizontalreihen von
Dreiecken, sowohl in farbiger Ausfüllung als auch in schraffirter, gestrichelter,
punktirter und dergl. Linien-Ausfüllung sind nicht minder häufig. Das Dreiecks-
Motiv gehört ja der ganzen Welt an, namentlich aber bildet es das Lieblings-
Muster aller Negervölker, sowohl afrikanischer, wie auch australisch-polynesischer.
Am häufigsten ist seine Verwendung auf Thonkrügen und auf hölzernen Trink-
gelassen, dann aber vornehmlich auf solchen, die dem Flaschen-Kürbis entlehnt
wurden. Einfache und parallele Zickzack-Linien gehören derselben Kategorie an
and mögen gleichen Ursprungs sein. Als eine aufgelöste Form dieser Linien mag
das auf der Tafel über der Barke auf beiden Seiten in schrägen Reihen zu sehende
ZZZZ-, NNNN- oder SSSS-Motiv zu betrachten sein. Dasselbe findet häufige Ver-
wendung auf altgriechischen Gefässen (das N-Zeichen hier auch im Negativ seiner
Gestaltung), tritt aber dort in horizontal gestellten zusammenhängenden Reihen
zwischen Parallel -Linien auf, während es hier als willkürliches AasfUllang»-
Ornament in kurzen und weniggliedrigen Reihen zwischen den Einzelbildern er-
scheint und den Schein(!) erweckt, als hätte die kindische NachäfTung einer sein-
sollendcn Schrift zu seiner Entstehung Veranlassung gegeben.
Eine nicht minder häufige Zierform des troglodytischen Töpferstils nmcht die
enge Spirale aus, deren Deutung im Zusammenhange mit Nummuliten bereits ge-
dacht wurde, einer Deutung, welcher die auch in diesem Falle unsymmetrische
lose Anordnung des Motivs zur Seite steht In Reihen gestellte Spiralen spielet
dagegen eine grosse Rolle unter den Ornamenten der trojanischen Thonvasen
(399)
(VI, Ansiedelung), während die altgriechischen Gefiisse der vororientalisirenden
Epoche nur concentrische Kreise oder solche za kennen scheinen, die durch Bogen-
linien unter einander in Verbindung stehen.
Am unteren Ende der Tafel 1 gewahrt man yiereckige Figuren, die sich sehr
häufig als loses Ornament zwischen den übrigen Motiven zerstreut auf den Töpfen
vorfinden. Flinders Petrie hat dieselben als Segel gedeutet, allein nirgends finden
sie sich im Zusammenhang mit den so häufigen Barken angebracht. Man hat sie
auch als aufgespannte Thierhäute auffassen wollen, eine Deutung, die nur insofern
zulässig erscheint, als die Häute Schilde vorstellen, die nach Analogie derjenigen
der Dinka, Bari, RafTern und anderer Stämme, vermittelst eines eingefügten Längs-
stabes, dessen Spitze in Aegypten ein Wappensymbol trägt, ihren Halt gewinnen. —
Ich komme nun zu den Thierg estalten, die dieser Ornamentik ein so fremd-
artiges Aussehen verleihen. Unter ihnen treten zunächst die besonders häufigen
Reihen zusammenhängender und stilisirter Vogelschemen hervor. Es ist der
Strauss, der hier wie ein Wappenthier als Symbol der Wüste in ebenso auffalliger
Häufigkeit sich wiederholt, wie in den „graffiti^ der oberägyptischen Wüsten, den
in Sandstein und auch in Granitfelsen eingeritzten Thierbildem, die zum Theile
den ältesten Epochen angehören. Als eine Folgewirkung der gewerbsmässigen,
auf ein zeitersparendes, abgekürztes Verfahren bedachten Manufactur begegnet uns
das Princip des Generalisirens der Einzelheiten bei den in Spiralen auslaufenden
Köpfen der Strausse gerade ebenso, wie bei den gleichfalls spiralig endenden Bogen-
linien der Tänzerinnen, die das Mittelstück der Tafel einnehmen. Diese Vogel-
roihen bieten eine frappante Analogie mit der bereits erwähnten altnordeuropäischen
Ornamentik der griechischen Urzeit dar, von der uns zuerst Gonze in den ^Sitzungs-
berichten der k. k. Akademie 1870 und 1873" zahlreiche Proben durch Wort und
Bild zur Anschauung gebracht hat. Da sehen wir dieselben schcmatisirten Vogel-
reihen (Kraniche und Gänse) neben Pferden, Steinböcken und anderen europäischen
Vierfttsslem; auch fehlt es nicht an vereinzelten TS-Zeichen bei den Kranichen (auf
einer zweihenkeligen Schale zu Leiden, H, 1554). Uorizontalreihen von Kranichen
finden sich auch auf altgriechischen Schalen aus dem Peloponnes (Seh lie mann,
Samml. 8872 in Berlin). Allein abgesehen von der Grundverschiedenheit der Ge-
fusse selbst, bieten die rein geometrischen Motive dieses Stils unversöhnliche
Gegensätze zu demjenigen der troglodytischen Zierweise. Der letzteren fehlen
namentlich die Sterne, die Mäander, die durch Bogenlinien verbundenen Kreise,
die concentrischen Kreise u. A. Auch sind die Thiergestalten nur ausnahmsweise
in ein lineares Schema aufgelöst, sie erscheinen gewöhnlich in voller Ausfüllung
des Körper-Umrisses; das umgekehrte Verhältniss greift aber in der alteuropäischen
Ornamentik Platz.
Von Säugethieren sieht man, abgesehen vom Elephanten der Stadtzeichen, nur
grössere Antilopen der südlichen Gegenden zur Darstellung gebracht, und zwar
sowohl in Horizontalreihen um die Gefasse herumlaufend, als auqh gesondert als
zerstreute Einzelfiguren. Man erkennt unter ihnen die Säbel- und Beisa -Antilope
(Oryx leucoryx und Oryx Beisa), femer Addax-Antilopen, beziehungsweise Wasser-
böcke, vielleicht auch Kudus. Der letzteren Kategorie mit langem, s-förmig ge-
schwungenem Gehörn gehören die yier auf unserer Tafel wiedei^gegebenen Einzel-
bilder an. Nach vom gekrümmte Gliedmaassen, wodurch offenbar die laufende
Bewegung zum Ausdrack gebracht werden sollte, überraschen den Beschauer,
während bei den in Reihen angeordneten Antilopen- Bildem gerade Extremitäten
Torwalten; in jedem Falle entbehren die Figuren jenes charakteristisch gespreizten
(400)
Paradcscbriltes, der den Figuren des späteren ägyptischen Stils einen so eigen-
artigen Ausdruck verleiht.
Die beiden Reptilien (Krokodil und [?] Chamäleon, beziehungsweise Schleuder-
schwanz), welche die Tafel enthält, bieten, wie die Tänzericnen, die innerhalb
des ägyptischen Canons unerhörte Horizontal -Projection des Thierkörpers, hier
vom Rücken aus gesehen, mit ausgebreiteten Extremitäten. Die ägyptische
t Bilderschrift hat vielleicht nur ein Beispiel dieser Art von en face-Dar-
stellung, nehmlicb die Hieroglyphe des Gesichts und die der Gesichts-
theile, wie Auge, Ohr und Mund.
Dieser reiche Bildschmuck auf mindcrwerthigen Gefässen spricht deutlich
genug für die bereits' damals, in einer für uns gleichsam vorgeschichtlichen Zeit,
die festen Bahnen eines bestimmten Stils andrehende Richtung, der eine lange
Kunstgewöhnung im Naturzeichnen vorhergegangen sein muss.
Sechstausend Jahre bevor sie zu den Griechen gelangte, soll die Zeichenknnst
(pictura), so behaupteten die Aegypter, bei ihnen bereits erfunden gewesen sein,
meldet Plinius (XXXV, 5); aber er beeilt sich hinzuzufügen: „Offenbar eine leere
Aufschneiderei I^ Dass es damit doch eine andere Bewandtniss habe, lehren die
ägyptischen Funde der letzten Jahre; denn es ergiebt sich für diese Darstellungs-
weise auf Thongefässen, wenn man sie als bis in die Zeiten vor Menes hinauf-
reichend betrachtet, immerhin doch ein Abstand von 3000 Jahren, der sie von der
Epoche von Mykene scheidet. Die merkwürdigste Leistung dieser Zeichenkunst
sind jedenfalls die drei Frauenßgaren, die aus der Mitte unserer Tafel 1 vor allen
anderen die Blicke des Beschauers auf sich lenken. Tänzerinnen sind da en face
in höchst wirkungsvoller Weise zum Ausdruck gebracht, und zwar in der für ihre
heutigen Tages noch Geltung habende Kunstweise durchaus bezeichnenden Stellung.
Mit geschlossenen oder genäherten Füssen stehen sie stramm und unbeweglich auf
einem Punkt, nur mit der oberen Körperhälfte ihre Bewegungen ausführend. Das
Mittel der Bogenlinie zur Yeranschaulichung ihrer Bewegung bewährt sich auch
hier in der Stilisirung der Arme. Die übertriebene steatopyge Hüftenbildung er-
innert an die Tempel bilder von Der-el-bahari bei Theben, welche die Puntfahrtcn
verherrlichen sollen und wo das afrikanische Fettweib (die sogenannte Hotten-
totten-Venus) eine hervorragende Rolle spielt. Den übrigen, gleichfalls in Voll-
zeichnung ausgeführten menschlichen Figuren ist auf den troglodytischen Töpfen
nur eine Nebenrolle zugewiesen. Es sind Kinder und Männer, in schreitender Be-
wegung gezeichnet, mit Stäben und mit Bogen in der einen Hand.
Als Hauptstück der Bild Verzierung und, wie auf unserer Tafel I, den grösstcn
Thcil der Fläche beanspruchend, tritt auf den meisten grösseren Thonvasen die
stilisirte Barke auf. Als deutliche Schriftwerdung einer ägyptischen Idee verrätli
diese auf den troglodytischen Gefässen wirksamste und eigenthümlichste aller Zier-
formen ein Zurückweichen des ägyptischen Cultus in die für uns vorgeschicht-
lichen Zeiten vor Menes und eröffnet uns den Einblick in chronologische Tiefen
von ungeahnter Ausdehnung. Die Barke selbst tritt überall in derselben Dar-
stellungsweise entgegen.
Ausnahmslos zeigt das Barkenbild dem Beschauer die Backbordseite. Da die
Aegypter gewohnt waren, sich nach Süden zu orientiren und links (backbord) für sie
Osten, rechts aber Westen war, so scheint aus der Stellung der Barken hervor-
zugehen, dass man sie sich in stromaufwärts gerichteter Fahrt dachte. Die sehr
zahlreichen Ruder sind in zwei Gruppen getrennt, in eine vordere und eine hintere.
Drei grössere Ruder werden am hintersten Theil als Steuer sichtbar. Das Verdeck
trägt in der Mitte stets zwei Cabinen, die durch eine Brücke verbunden sind. Die
/
, (401)
hintere hat an ihrem Hinterende stets einen Flaggenstock befestigt, dessen Fahne
durch zwei Striche markirt wird, während die Spitze von einem das Stadtwappen
charakterisirenden Symbol gekrönt ist.
DerEIephant, und zwar der geschirrte, also gezähmte (!) Elepbant, dessen Bild
auf dem Flaggenstock der abgebildeten Barke zu sehen ist, war, wie längst be-
kannt, das uralte Symbol der Insel Elephantine. Am Bug der Barken lässt sich
das hängende Ankertau erkennen, und stets ist der Schiffsschnabel mit einem
doppelten Palmwedel geschmückt, der sich im Bogen nach rückwärts biegt. Eine
Anzahl verschiedenen Barkenbildem entlehnter Flaggenstangen mit Stadt- oder
Gauwappen sind an beiden Seiten der Tafel zur Anschauung gebracht, unter deren
Emblemen sich einige bekannte Hieroglyphen-Zeichen verrathen. —
Hr. Rud. Virchow: Die Darstellung des Hrn. Schweinfurth scheint mir
durch ihre Klarheit und durch die Sicherheit ihrer naturwissenschaftlichen Unter-
lagen Ton überzeugender Gewalt zu sein. Hoffentlich wird sie in ähnlicher Weise
auch auf die Aegyptologen Tom Fach wirken. Für mich war es nicht schwer,
unserem scharfsinnigen Freunde auf seiner weiten Wanderung durch botanische
und philosophische Gebiete zu folgen, da ich schon von meiner ägyptischen Heise
die Ueberzeugnng mitgebracht hatte, dass die Cultur in dem alten Lande der
Pharaonen nicht erst mit Menes begonnen haben könne. In einer Vorahnung, die
mich jetzt selbst überrascht, sagte ich in der Sitzung vom 21. Juli 1888 (Verhandl.
S. 391): „Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass unter den gewaltigen
Schuttbergen, welche die Hauptstädte des alten Reiches, Memphis und Thinis
(Abydos), noch jetzt bedecken, prähistorische Plätze und Gräber verborgen liegen.''
Nun ist es gerade Abydo9 gewesen, welches die grössten Aufschlüsse über die
vormenesische Zeit geliefert hat, und ich freue mich herzlich darüber. Weiterhin
hatte ich die prähistorischen Reminiscenzen besprochen, welche sich in der Tracht
und den Geräthen der alten Aegypter erkennen lassen, und welche darauf hin-
deuten, dass ^es eine Zeit gegeben haben muss, wo Nomaden das Land durch-
streiften und ein sesshaftes Leben im Sinne der historischen Zeit noch nicht aus-
gebildet war^. „Zur Aufklärung der damaligen Verhältnisse^, fügte ich hinzu,
„würde es erforderlich sein, die Geschichte der Thiere und der Pflanzen mit be-
sonderer Rücksicht auf die Frage ihrer Indigenität und ihres Importes einer ge-
naueren Erörterung zu unterziehen^ (ebendas. S. 302). Ich schloss damit, dass
nach meiner Auffassung die altägyptische Rasse selbst eingewandert sei, und zwar
in vorhistorischer Zeit (S. 393). Nachdem jetzt Hr. Schweinfurth die Aufmerk-
samkeit nicht bloss auf die asiatischen (südarabischen) Einflüsse, wie ich annehme,
in unerschütterlicher Weise gelenkt, sondern auch ursprünglich afrikanische (nu-
bische) Einflüsse nachgewiesen hat, wird die neue Epoche der vorgeschichtlichen
Forschung, die so glänzend eingeleitet ist, sicherlich mit jedem Jahre neue Er-
trüge zu verzeichnen haben, und wir müssen nur bedauern, dass gerade einer der
thätigsten Arbeiter auf diesem Gebiete, unser correspondirendes Mitglied Hr.
de Morgan, von diesem Felde seiner Forschungen abberufen worden ist. Hrn.
Schweinfurth werden wir auf seiner neuen Reise mit den hoffnungsvollsten Er-
wartungen begleiten. —
3. Bericht des Hrn. Rud. Virchow über
die Kopfhaare aus den prählsior Ischen Gräbern Ober-Aegyptens.
Eine der Hauptfragen, welche durch die Funde des Hrn. Flinders Petrie und
der französischen Untersucher hervorgetreten war, betraf die Zugehörigkeit der-
Ttrliudl. der B«rl. AntbropoL OetelUebaa 1897. 26
(402)
t
jenigen Bevölkerung, welche die nunwehr aufgedeckten prähistorischen Gräber er-
richtet hatte, zu den sonst bekannten Stämmen des Landes. Hr. Petrle hatte
dieselbe dem libyschen Stamme zugerechnet und sie damit im Gegensatze zu der
haraitischen Bevölkerung als eine ,,rremde^ Rasse bezeichnet. Eines der auf-
fälligsten Merkmale dafür schien in der Farbe des Haupthaares zu liegen. Da nun
unter den neuerlich gesammelten Haar- Proben blond aussehende zahlreich ver-
treten waren und die alten Aegypter in ihren Wandgemälden solche Haare den
Libyern beigelegt hatten, so war es ein Gegenstand ersten Interesses festzustellen,
ob e^ sich hier in der That um blondes Haar handle oder ob ursprünglich dunkles
Haar auf irgend eine Weise gelichtet worden sei ^).
Hr. Schwein furth selbst war geneigt, das Letztere anzunehmen. In einem
Briefe vom 2. Juli bemerkt er: ^Nach Analogie der Somal, bei denen das Haar-
farben sehr im Schwünge ist, wird man zunächst an 3 Procedurcn beim Färben zu
denken haben:
1. ungelöschten Kalk,
2. Urin,
3. Henna."
Er hat nun eine Reihe von Proben des von den HHrn. Lampre und Legrain
gosammelten Haares aus prähistorischen (neolithischen) Gräbern an mich gelangen
lassen, die Mehrzahl vom Gebel Silsileh (Silsilis), wo das Haar auf kleinen flachen
Schalen oder Tellern neben den Leichen, wie man annahm, als Opfergabe auf-
gestellt war. Einzelne Büschel sind direct vom Kopfe der Leichen oder aus dem
Erdboden entnommen.
Färbung durch Ilenna muss nach dem Ergebniss der von Hrn. Salkowski
angestellten chemischen Untersuchung direct ausgeschlossen werden. Ebenso ist
nach der mikroskopischen Untersuchung: jede andere Färbung durch einen wirk-
lichen Farbstoff abzuweisen. Nirgends zeigen diese Haare einen farbigen üeberzug
oder einen äusseren Niederschlag; vielmehr sind sie durch und durch gleichmässig
gefärbt. Auch die gelben Haare lassen keine Spur von körnigem Pigment er-
kennen, wie es sonst so häufig in der Rinde und in dem Mark gefunden wird.
Das scheinbar dunkle Aussehen der Markstreifen im durchfallenden Licht verliert
sich bald nach der Einwirkung kaustischer Flüssigkeiten; es ist nur durch Lufi-
einlaji:erung hervorgebracht.
Was die Frage nach der Entfärbung durch ungelöschten Kalk oder Urin be-
trifft, so ist dieselbe direct kaum zu lösen, da nach so vielen Jahrtausenden die
ursprüngliche Einwirkung so leicht löslicher Substanzen schwerlich mehr ermittelt
werden kann. Es giebt aber ein anderes Motiv, welches Bedeutung haben dürfte.
Fast alle mir übergebenen Proben, abgesehen von den ganz farblosen (weissen),
sind nur partiell entfärbt. Gewöhnlich besteht ein grosser, zuweilen der grössere
Theil der Haare aus schön gewundenen, „frisirten** Büscheln, oder, wie man geradezu
sagen kann, aus Locken, viele von beträchtlicher Länge und von ausgemacht
schwarzer, häufig freilich sehr matt aussehender, zuweilen jedoch so glänzender
Farbe, dass man dieselben als „frisch** bezeichnen kann. Unter diesen Locken
finden sich einzelne, die in allen Nuancen von Hellbraun bis zu wirklichem Blond
glänzen. Nicht selten ist das Ende (die Spitze) einer solchen Locke allein gelb,
der übrige Theil noch schwarz. Ich halte das für einen offenbaren Beweis, dass
die Entfärbung nicht im Leben der Individuen stattgefunden hat, da alle uns be-
kannten ^Frisuren" dieser Art gleichmässig tiber das gesammte Haar sich aus-
1) Vorgl. nioint' R.ni^'rkungen übor <las Haar <Ut Alino ;Vcrhandl. 18%, S. ltH'»\
(403)
dehnen. Offenbar ist diese partielle Entfärbung erst nach der Bestattung der
Leichen eingetreten, und zwar da, wo die Bodenfeuchtigkeiten zu dem Haar Zu-
tritt fanden.
Durch welche Eigenschaft die Bodenfeuchtigkeit derartige Wirkungen hervor-
bringt, ist nicht genau bekannt. Wir kennen jedoch eine Substanz, deren Wirkung
äussei-st prompt ist, nehmlich das Wasserstoff-Superoxyd. Hr. Salkowski
hat eine besondere Reihe von Versuchen, sowohl mit frischem Haar, als mit dem
aus den ägyptischen Gräbern, angestellt, welche ganz positive Resultate ergaben.
Es mag nun dahingestellt bleiben, ob Wasserstoff-Superoxyd sich spontan im Boden
entwickelt oder ob andere Substanzen, z. B. Kalk, die Haare angreifen, in jedem
Falle genügt die Erklärung, dass es sich hier um eine posthume Veränderung
handelt. Dabei ist besonders bemerkenswerth, dass unter dieser Veränderung das
körnige Pigment sich gänzlich auflöst und die restirende Farbe als eine gleich-
massige, diffuse sich darstellt.
Je nach der Stärke der Veränderung lässt sich noch eine andere Besonderheit
wahrnehmen. Wenn man unter 'dem Mikroskop zu den, gewöhnlich schon durch
ihre grosse Brüchigkeit ausgezeichneten Haaren eine alkalisehe Lauge treten lässt,
so gewahrt man ein schnelles Aufquellen derselben, wobei auch die noch sicht-
baren Markstreifen alsbald verschwinden; fügt man dann Wasser hinzu, so sieht
man ein stärkeres Aufquellen und zuweilen eine vollständige Auflösung der Haar-
substanz, und zwar, wohl bemerkt, schon in der Kälte. Der Gegensatz gegen die
noch nicht so stark angegriffenen Haare, welche der Kalilauge Widersland leisten,
ist höchst auffällig. Der Einfluss zersetzender Substanzen macht sich auch da-
durch bemerklich, dass an der Oberfläche der brüchigen Haare eine Art von (post-
humer) Abblätterung stattfindet, indem die äussersten Rindenlagen sich lockc^rn, die
einzelnen Hornplättchen lose werden und endlich sich abtrennen, wodurch der
Haarschaft zusehends dünner wird.
Obwohl allerlei fremdartige Bestandtheile, z. B. Federn, gelegentlich zwischen
4 Ion Haaren vorkommen, so besteht doch der Hauptantheil aus menschlichem, meist
langem und gelocktem Haar. Darunter ist nur die grosse Anzahl sehr dünner Haare
auffällig, wie sie sonst mehr im Unterhaar sich finden; sie sind vorzugsweise die
Träger der gelben Farbe, während die stärkeren Exemplare in der Regel tief braun
aussehen. Da, wo Markstreifen erhalten sind, haben sie geringe Stärke und sind
häufig unterbrochen. Aus manchen Gräbern sind Klumpen aüs gelocktem Haar,
<las fast den Eindruck macht, als sei es absichtlich aufgewickelt oder zusammen-
gepresst, in grösserer Anzahl vorhanden. Darunter befinden sich, wie erwähnt,
nicht selten ganz farblose, weiss oder grau aussehende Ballen. Sie hatten schon
<lie Untersucher der Gräber zu der Frage geführt, ob hier nicht Haare von Thieren,
namentlich von Ziegen oder Gazellen, beigemengt seien, — eine Vermuthung,
welche dadurch gestützt wurde, dass zwischen ihnen hautartige Fetzen, die noch
mit Haaren besetzt waren, in grösserer Zahl vorkamen. Nicht ohne Grund ver-
muthete man darin die Reste von Thierfellen.
In der That hat sich in verschiedenen Proben Ziegenhaar nachweisen lassen.
Die betreffenden Klumpen waren gewöhnlich farblos oder weiss, zuweilen braun,
roth oder gelblich, die Haare sehr grob und mehr gestreckt. In den einzelnen
Haaren zeigte das Mikroskop die breiten, mit deutlichen Markzellen ausgefüllten
Markröhren, wie sie das Haar unserer Ziegen enthält. Dies war namentlich der Fall
in Gräbern vom Gebel Silsileh, wo neben der „contracten*", „in Embryonalstellung
liegenden" Leiche Opferteller mit Haar aufgestellt waren (Nr. 25). Das Haar der Leiche
bildete sehr dunkle, wollige Locken; die einzelnen Fäden hatten dicke, dunkle, mit
26*
(404)
hellbraunen Markzcllen gefüllte Markröhren. In einem anderen Grabe (Nr. 3), das bei
Negada im Norden vom Gebel Silsileh aufgedeckt und der älteren neolithischen
Zeit zugerechnet war, fanden sich einzelne Getreidekörner, die man als Weizen
deutete; mir schienen sie mehr der Gerste zu entsprechen. Das vermuthcte Ziegen-
haar wurde an dieser Stelle nicht gefunden, wohl aber gelbe und braune, meist sehr
zarte Haare, viele ohne, einige mit Markstreifen. Ebenso wenig traf ich Ziegenhaar
unter den sehr reichlichen Haarkiumpen aus dem Grabe Silsileh Nr. 10, die theils im
Erdboden, theils in kleinen flachen Gefässen gelegen hatten. Wegen der sehr ver-
schiedenen Farbe (grau, rötblich, gelbgrau, kastanienbraun, aber nicht eigentlich
blond) der ziemlich langen Haare war die Versuchung, hier Thierhaar zu sehen,
besonders gross; ich vermochte jedoch kein deutliches Thierhaar zu unterscheiden.
Eine wirkliche „Färbung'' sah man an einem menschlichen Schläfenbein vom
Gebel Silsileh (Nr. 13), welches offenbar angebrannt war. Es zeigte einen feinen
Ueberzug von Eisenrost und dickere Rohlenbeschläge, am Warzenfortsatz an-
geschmolzenes Harz. — Einige Haare (Nr. 4), die auf dem Scheitel eines Bega-
Schädels, gefunden 1897 bei Assuan, angeklebt gewesen waren, zeichneten sich
durch ihre Feinheit und ihre, unter dem Mikroskop, intensiv gelbe Farbe aus; die
Markstrahlen waren vielfach unterbrochen. Natron-Lauge löste diese Haare nicht.
Hier zeigte sich also ein erkennbarer Unterschied der Haare aus neueren Gräbern
gegenüber den prähistorischen.
Alles zusammengenommen, darf man also wohl schliessen, dass Spuren einer
wirklich blonden Bevölkerung hier nicht zu Tage gekommen, dass viel-
mehr die gelben, gelbgrauen und grauen Haare in der Erde nachträglich entfärbt
worden sind. Gleichzeitig haben sie jene auffallende BrUchigkcit und jene Lös-
lichkeit in kalten Laugen erlangt, wodurch sie sich von frischem Haar so wetentlich
unterscheiden. Noch mehr Werth lege ich darauf, dass sie unter dem Mikroskop
eine gänzlich homogene, verwaschene Färbung zeigen, die nach meiner Auffassung
nur durch die Auflösung früherer Pigmentkömcr bedingt sein kann. Auch ist diese
diffuse Färbung sehr häufig so intensiv goldgelb, wie sie natürlicherweise an
blondem Haar nicht vorkommt. Dabei besitzt keine einzige der eingelieferten
Proben eine gleichmässige Farbe; es sind, wie gesagt, in der Kegel nur einzelne
Locken oder Theile von Haarlocken, welche das helle Colorit angenommen haben,
und diese zeigen alle Uebergänge vom Dunkelbrau zu einem gelben oder gelb-
liehen, zuweilen auch röthlichen Aussehen.
Als natürliche Farbe der prähistorischen Bevölkerung mnss daher
die schwarze (makroskopisch) oder braune (mikroskopisch) angesehen
werden. Diese dunkle Farbe hat aber nicht das gesättigte Colorit des Neger-
haares. Ebenso wenig habe ich an irgend einer Stelle das von mir „spiral-
gerollt^ genannte „Wollhaar'' der afrikanischen Schwarzen wahrgenommen:
statt wirklicher „SpiralröUchen^ fand ich überall nur weitgewundene Locken, wie
sie sich aus „welligem^ Haar hervorbilden, vorwaltend sogtir jene regelmässigen,
wie künstlich in grössere Kreise gelegten Büschel, für welche in der Literatur der
Ausdruck „frisirt^ gebräuchlich ist. Es ist dies dasselbe Haar, das wir auf
Mumienporträts abgebildet, gelegentlich auch auf getrockneten Mumienköpfen auf-
sitzend, treffen. Wenn daher eine Vei^leichung mit anderen Rassen beliebt wird,
so werden wir daran festhalten müssen, dass das prähistorische Haar am
vollkommensten mit dem Haar der historischen Hamiten fiberein-
stimmt Daraus folgt dann auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Leute der
prähistorischen Gräber als älteste Hamiten aufzufassen sind.
(405)
Es mag noch hinzugefügt werden, dass ich gruppenweise oder auch nur ver-
einzelt Locken, welche auf eine Mischung verschiedener Stämroc hinweisen könnten,
in den mir zugegangenen Sendungen nicht wahrgenommen habe. Da ich Schädel
aus den ältesten Gräbern nicht erhalten habe, so muss ich auf eine weitere Ver-
gleich nng verzichten; indess darf ich nicht verschweigen, dass, so wünschenswerth
eine solche Vei^gleichung wäre, ich von derselben keine Aendernng meines Ge-
sammtortheils er\varte. Trotzdem erkläre ich, dass ich bei der grossen Wichtigkeit
des aufgeworfenen Problems eine weitere Verfolgung der einzelnen Seiten dieser
Forschung für geboten erachte, und dass ich mich gern bereit erkläre, die Unter-
suchung fortzusetzen.
Ausserdem ist es vielleicht wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass die
bisherigen Materialien sich ausschliesslich auf Ober-Aegypten be-
ziehen, dass also die gefundenen Resultate für Unter -Aegypten und die daselbst
eingedrungenen fremden Rassen keine entscheidende Bedeutung haben. —
(31) Hr. Stud. med. et phil. Alexander Waruschkin übei-sendet aus München,
') October, folgende
Beschreibuug von 5 Ngumba- Schädeln ans der Sammlung Zenker
(lue, 6689d, e, f, g, h).
Die Schädel sind angeblich die von Voreltern des Häuptlings der Ngumba im
südlichen Kamerun. Sie befanden sich in einem cylindrischen Rindenge fass und
sind sämmtlich mit Rothholz gefärbt und in der Bregmagegend mit Pech bedeckt.
Schädel f und h haben 1 cm vor dem Bregma je ein kleines Loch; Schädel g hat
zwei Löcher, das eine am Bregma, das andere 1,5 cm vor demselben. Schädel e
und f tnigen an den Processus zygomatici einen Kupferring mit Durchmesser von
etwa 1 cm. Bei Schädel f und g ist am Jochbogen ein kleiner Büschel aus Gocos-
nuss-Fasem befestigt. In Schädel h ist ein Stein von 8 cm Länge und 4,5 cm Breite
eingelegt. —
1. Schädel (d) eines ungefähr 45 — 50jährigen Mannes.
Der Schädel ist im Allgemeinen sehr gut erhalten, nur an einzelnen Knochen
sind kleine Defecte zu verzeichnen, nehmlich: am Os maxillae an der Seite in
der Gegend des IH. Molars ist die Highmore-Höhle von aussen her geöffnet. Von
den Zähnen sind intra vitam verloren: aus dem Oberkiefer der HL Molar rechts,
aus dem Unterkiefer der I. Molar rechts und sämmtliche Incisivi. Post mortem
blieb nur der III. Molar rechts unten erhalten.
Norma facialis. Das Gesicht ist im Verhältniss zum sichtbaren Tbeil des
Himschädels gross, jedoch sind oberhalb der beiden Wangenbeine zu beiden Seiten
schmale Stücke des Hinterhauptes sichtbar. Die Stirn ist ziemlich niedrig. Der
Gesichtsschädel ist hoch, breit und viereckig, der Unterkiefer kräftig entwickelt.
Die Nasenbeine sind schmal, rechteckig. Der Nasenrücken ist schwach concav.
Die Apertura pyriformis ist länglich birnförmig. Die Orbita ist sehr hoch und ab-
gerundet viereckig, mit der Queraxe etwas nach aussen abfallend. Der obere und der
untere Rand springen etwas vor. Die Entfernung von einem Dakryon zum anderen
ist sehr gross.
Norma lateralis. Das Gesicht ist im Vergleich mit dem Hirnschädel nicht
gross und wenig prognath. In der Gegend des Nasion ist fast keine Einsenkung
vorhanden. Die Glabella springen sehr wenig vor, die Stirn trilt etwas zurück. Der
Hirnschädel ist lang und hinton abgerundet Die Linene semicirculares temporales
(406)
sind doppelt, kräftig, und reichen sehr weit hinauf (geringster Abstand 85 mm).
Das Pteiion ist normal, Processus raastoides sind müssig gross.
Xorraa verticalis. Der Schädel ist phaenozyg, annähernd eiförmig, vom
etwas abgestumpft. Die Sutura sagittalis ist vollständig, die S. coronaria nur in
der Schläfengegend verstrichen. Die Foramina parietalia sind verschwindend klein,
die Scheitelbeinhöcker treten stark hervor.
Norma occipitalis. Die Hinterhaupts-Ansicht ist fasi kreisrund. Die Linea
nuchae superior ist sehr stark ausgeprägt, die Grista occipitalis externa und die
Protuberantia occipitalis externa dagegen sehr wenig. Die Sutura lambdoides ist
in der Lambdagegend völlig verknöchert, in der Asteriongegend sehr reichzähniy.
Norma basilaris. Die Hinterhauptsschuppe ist in der Gegend des Foramen
raagnum etwas abgeflacht. Das Foramen magnum breitoval und nach hinten um
11,6° geneigt, die Condylen gross und gewölbt. —
2. Schädel (e) eines 40 — 50jährigen Mannes.
Erhaltungszustand: sehr gm, nur die Highmore-Höhle an der rechten Seite
durch einen Defect des Os maxillae von unten geöfifnet. Im Oberkiefer sämmt-
liche Zähne intra vitam verloren, ebenso im Unterkiefer, mit Ausnahme der beiden
Canini und des II. Praeraolaris links.
Norma facialis. Das Gesicht ist im Verhältniss zum sichtbaren Theil des
Hirnschüdels klein, massig hoch, breit und annähernd fünfeckig. Die Stirn ist
niedrig, die Nasenbeine sind zu einer schmalen und kurzen Leiste verkümmert
die Processus nasales ossis maxillae dagegen mächtig entwickelt. Die Apertura
pyriformis ist dreieckig, hoch und schmal; Andeutung von Fossae nasales. Die
Orbita ist sehr hoch, abgerundet viereckig, mit vorspringenden Rändern und Hillt
nach aussen ab.
Norma lateralis. Der Gesichtsschädel ist verhältnissmässig klein und etwas
prognath, die Gegend des Xasion ganz wenig eingezogen. Die Glabella springt
stark vor, die Stirn ist etwas zurückgeneigt. Der Hirnschädel ist sehr lang und
in der Hinterhauptsgegond abj^erundet. Die Lineac semicirculares sind nicht sehr
stark entwickelt und reichen ziemlich hoch (der kleinste Abstand 120 wm). Pro-
cessus mastoides sind mittelgross, Pterion normal.
Norma verticalis. Der Schädel ist schwach phaenozyg und annähernd ei-
förmig, vorn etwas abgestumpft. Der Verknöchern ngs-Process der sehr wenig Ace-
zackten Nähte hat bereits begonnen, dieselben sind jedoch gut sichtbar. Von
einem der Foramina parietalia ist eine Spur vorhanden.
Norma occipitalis. Die Hinterhaupts-Ansicht ist kreisrund, die Lineae nuchae
superior und inferior mächtig entwickelt, ebenso die Grista occipitalis externa.
Oberhalb der Linea nuchae superior befindet sich eine tiefe Grube. Die Sutura
lambdoides, wie alle Nähte dieses Schädels, zahnarm.
Norma basilaris. Das Os occipitale ist unten abgeflacht und in der Gegend
des Foramen magnum etwas eingesenkt. Letzteres ist sehr gross, breitoval und
nach hinten um etwa 10"* geneigt. Die Condylen sind gross und gewöibt. —
3. Schädel (f) eines 40— öOjährigcn Mannes;?^.
Erhaltungszustand: ziemlich gut. Defecte sind folgende zu verzeichnen:
am Os occipitale fehlt das Corpus basilare mit den Processus condyloides; das Os
maxillae ist am unteren Theil in der (legend des Jl. und IIL Molars links al*-
gebrochen. Es is*. sehr zweifelhaft, ob die Mandibula zu diesem Schädel gehört.
Die Zähne des Unterkiefers sind sümmtlich intra vitam verloren, die des OUr-
(407)
kiefers ebenfalls bis auf Caninas und beide Praemolares links, Caninus und
II. Praeraolar rechts.
Norma facialis. Das Gesicht ist niedrig, fünfeckig, breit und im Ver-
hältniss zum sichtbaren Theil des Hirnschädels klein. Die Stirn ist niedrig, die
Nasenbeine sind lang und schmal. Die Apertura pyriformis ist abgerundet drei-
eckig; die Orbita ist sehr hoch und viereckig abgerundet, ihre Queraxe fallt nach
aussen ab.
Norma lateralis. Der Schädel ist sehr prognath (13°); die Gegend des
Nasion nicht eingezogen, die Glabella kaum bemerkbar. Die Stirn ist etwas nach
hinten geneigt, der Hirnschädel ziemlich lang und in der Hinterhauptsgegend
abgerundet. Die Lineae semicirculares sind gut zu sehen und in der Bregma-
gegend etwa 108 nim von einander entfernt. Die Processus mastoides mittelgross,
das Pterion normal.
Norma verticalis. Der Schädel ist phaonozyg und eiförmig. Alle Nähte sind
offen und sehr zahnarm. Auf der rechten Seite eine Spur des Foraraen parietale.
Norma occipitalis. Die Hinlerhaupts-Ansicht ist abgerundet. Die Lineae
nuchae superior und inferior und die Crista occipitalis externa sind gut entwickelt,
die Protuberantia occipitalis externa ist klein. Die Sutura lambdoides ist offen
und zahnarm.
Norma basalis. Das Os occipitale ist in der Gegend der Crista occipitalis
externa stark abgeflacht. Corpus basilare und Processus condyloides fehlen (siehe
oben S. 40(5 unter Erhaltungszustand). —
4. Schädel (g) eines ungefähr 4üjährigen Mannes.
Erhaltungszustand: Der Schädel ist weniger gut erhalten. Das Os occipitale
hat grosse Defecte, es fehlen das Corpus basilare, die Processus condyloides und der
unterste Theil fast bis zur Linea nuchae inferior. Am Oberkiefer ist der erste
Incisivus links intra vitara verloren, alle übrigen Zähne post mortem; am Unter-
kiefer rechts der Caninus, die beiden Praemolares und der zweite Molar, links
beide Praemolares und Caninus post mortem, die übrigen intra vitam.
Norma facialis. Das Gesicht ist im Verhältniss zum sichtbaren Theil des
Hirnschädels massig gross und fast oval. Die Stirn ist niedrig, die Nasenbeine
sind lang, schmal und nahezu recl:teckig. Die Apertura pyriformis ist dreieckig,
aber sehr stark abgerundet. Die Orbita ist sehr hoch, abgerundet viereckig und
fällt nach aussen ab. Beide Poramina supraorbital ia sind vorhanden.
Norma lateralis. Der Schädel ist prognath (9°), die Ossa nasalia sind etwas
concav, jedoch ist das Nasion nicht eingezogen. Die Glabella ist gut bemerkbar,
die Stirn etwas zurückgeneigt. Der Schädel ist lang und in der Hinterhaupts-
gegend abgerundet. Die Lineae semicirculares sind sehr deutlich und in der
Bregraagegend WH vtm von einander entfernt. Die Processus mastoides sind railtel-
irross. Das Pterion ist normal, jedoch liegt in der Pteriongegend ein Schaltknochen
von 2,3 cm Länge und 1,G cm Breite.
Norma verticalis. Der Schädel ist phaenozyg und eiförmig. Die Sutura
coronaria ist ganz offen, die S. sagittalis dagegen völlig verstrichen. Hin Foramen
parietale ist deutlich sichtbar.
Norma occipitalis. Die Hinterhaupts-Ansicht ist gerundet, die Lineae nuchae
superior et inferior sehr gut entwickelt. An Stelle der Protuberantia occipitalis
externa ist eine Abflachung vorhanden. Die Sutura lambdoides ist in ihrem unteren
Verlaufe relativ zahnreich.
Norma basalis: siehe oben: «Erhaltungszustand*'. —
(408;
5. Schädel (h) einer 35 — 40jährigen Frau.
Erhaltungszustand: verhältnissmässig schlecht. .Grosse Defecte am Os
occipitale: die ganze Gegend des Foramen roagnum mit Corpus hasilarc und Pro^
ces3us condyloides fehlt. Ebenso Laminae papyraceae, Os palatinum und innere
Nasenknochen. Die Highroore-Höhle ist links unten durch einen Defect des Os
maxillae geöffnet, der Processus zygomaticus ossis zygomatici abgebrochen. Von
d«n Zähnen sind post mortem verloren: aus dem Oberkiefer die lucisivi, Ganini
und die Praemolares rechts; aus dem Unterkiefer, dessen Zugehörigkeit zum Schädel
zweifelhaft erscheint, die Ganini und Praemolares. Die übngcn Zähne sind intra
vitam verloren.
Norma facialis. Das Gesicht ist niedrig, breit und viereckig und im Ver-
häitniss zum sichtbaren Theil des Hirnschädels ziemlich gross. Die Stirn ist
niedrig und zur Uckgeneigt. Die Nasenbeine sind kurz, breit und concav. Die
Apertura pyriformis ist gross und breit. Die Orbitae sind sehr hoch, viereckig ab-
gerundet und (iillen etwas nach aussen ab.
Norma lateralis. Der Schädel ist sehr prognath (14^). Nasiongegend nicht
eingezogen. Glabella flach. Der Schädel ist lang, die Hinterhauptsgegend vor-
gewölbt. Die Lineae semicirculares sind schwach sichtbar, in der Brcgmagegend
1 10 mm von einander entfernt. Die Processus mastoides sind klein. Der rechte
Keilbeinflügel ist sehr klein, links ist ein breiter Processus frontalis vor-
handen.
Norma vcrticalis. Der Schädel ist wenig phaonozyg, die Hirnkapsel ei-
förmig. Alle Nähte sind offen und im Allgemeinen ziemlich zackig. Foramina
purietalia fehlen.
Norma occipitalis. Lineae nuchae superior et inferior und Grista occipitalis
externa sind schwach entwickelt. Die Linea nuchae suprema ist in Spuren vor-
handen. Die Sutura lambdoides ist ganz offen und relativ sehr zackig.
Norma basilaris: siehe oben: „Erhaltungszustand^. —
Nummer .
Geschlecht
Alter. . .
L
Frankfurter Länge tum
Grösste Länge n
„ vom Nasion . . . „
Breite »
Ohrhöhe ^
Hiotcrhaoptslänge
Gesichtswinkel ^
Höhe «'«'
Kleinste Stimbreite ^
Jochbreitc
Wangenbreite ,
Gcsiehtehöhe -
d e f g
40—50 40-50 40—50 , 40
3Ö-40
~"
Messzahlen.
184
183
171
179
1G4
183
183
171
178
1G4
184
1^3
173
178
IGO
ir,6 '
1
138
134
132
12«
117
1-27
119
120
113
91
91
98?
90?
w;?
7
9
13
« .
14
\:\s
144
180?
125?
116?
D3
95
91
97
90
130
127
120
123
127
KX)
92
8r,
93
s*;
1C8?
KX)?
100?
103?
100?
(409)
Nummer
Geschlecht
Alter
Oborgcsicht mm
Nasenhöhe „
Nasenbreite „
Interorbitale Breite von einem
DakryoD zum anderen , . . . „
Basion bis Nasenwurzel „
^ „ Alveolar-Rand .... „
n Kinnrand „
„ „ Bre^a „
„ y, Lambdawinkel . . . . ^
Foramen magnum, L&nge .... ^
w »1 üreite .... ^
Distant auriculo-orbit. ^
Orbita, Breite (die grösste vom
Dakryon aus) ^
Orbita, Höhe „
n , Tiefe «
Sagittal-Umfang „
„ des Stirnbeins . „
, „ Scheitelbeins ^
„ r, der H.-Schuppe . „
Horizontal-Umfang (maxim.). . . „
Qnemmfang (Ohrgrube) „
Breite zwischen den Ohrpnnktcn. ,»
„ „ ^ Unterkiefer -
winkeln „
Unterkiefer, Asthöhe „
, Astbreite, grösste,
senkrecht zur Höhe ^
Mediane Unterkieferhöhe .... „
AWeolar-Breite des Oberkiefers . ..
Gaumen, Breite ,,
n , Lang« n
Asterion-Breite „
Cubischer Inhalt ccm
(jewicht mit Unterkiefer ....</
„ ohne Unterkiefer. . . . ^
Sehne, Stirnbein mm
^ , Scheitelbein ^
- , Schuppe „
d
e
f
g
h
s
i
«?
s
2
40—50
40-50
40-50
40
85-40
69
65
62
65
64
51
45
42
45
45
28
25
24
24
27
26
26
22
26
29
107
100
—
105
101
—
—
117?
113?
^^v
—
136
140
—
124
128
—
84
89
^^
—
30
82
—
—
70
67
64
65
63
40
40
41
37
37
49
32
86
36
33
60
53
48
49
47
370
385
860
380?
853?
120
125
119
135
113
135
140
130
140
122
100
102
96
90?
98?
520
520
490
505
475
308
830
808
308
308
115
HO
105
105
105
98
90
87
87
90
57
55
52
52
51
45
89
89
40
39
30
30
20
25
23
66
49
51
61
57
86
85
32
31
36
47
47
45
46
42
HO
120
102
%
100
1300 1
1487
1228
1835
1171
702
675
627
622
420
642
635
586
586
377
106
1
110
115
115
100
120
121
112
120
108
100
102
95
90?
98?
(410)
Nummer.
Geschlficht
Alter . .
Längenbrcitenindex
Längenhöhenindex
Breitenhöhenindex
Länge : Ohrhöhe
Stirnbreite : Jochbreite
Gesichtsindex, Höhe : Jochbreite .
Obergesichtsindex, Höhe : Jochbreito
Obergesichtshöhe : Kieferbreite . .
Kasenindex
Orbitalindex
Gaumonindcx
d
e
f
er
h
5
$
S?
5
$
40—50 .
40-50
40-50
40
85-40
I. Indices.
73,9
75,4
78,4
73,7
76,8
75,0
78,3
76,0
69,8
70,1
91,3
95,8
108,1
105,2
109,6
63,6
69,4
69,6
67,0
68,9
71,5
74,8
75,8
78,9
78,9
83,1
78,7
83,3
83,7
78.7
53,1
59,7
51,7
52,8
5U,4
69,0
70,7
72,1
68,8
74,4
54,9
55,5
57,1
53,3
60,0
100,0
80,0
87,8
97,3
S9,l
77,6
75,5
71,1
67,4
8.\T
(32) Hr. F. Hose mann, Assistenzarzt I. Kl. in der Kaiserlichen Schutztruppe
für Ost-Africa, übersendet dem Vorsitzenden aus Ujiji, 2.'). Mai, folgende
r
anthropologische Aufhahmen^) von Eingebornen aus Ujiji.
1. Nanie, Stamm, Gebartsort, Wohnort, Be-
. schäftigung, Sprache.
2. Geschlecht.
3. Alter.
4. Emährangszustand.
5. Schädelform.
6. Kieferstcllung.
7. Muskelstärke (Hub und Druck).
8. Gewicht.
9. Puls pro Miuute.
10. Athemzüge pro Minute.
11. Tem|)eratur in der Achselhöhle.
12. Schärfe der Sinne
a) Auge.
b) Ohr.
c) Haut,
13. Farbe
a) d^r Haut.
b) „ Lippen.
c) „ Nagel.
I a' do> K(»i»f-
14. Farbe und Beschaffenheit \ haarrs.
I b' des Barti's,
15. B»*haarung des übrigen Körpers.
16. Farbe • *^ ^^' Regenbogenhaut
l b) „ Bindehaut
l) Die Messungen sind mit einem Beckenmesscr nach Prof. Zweifel (Leipzig g'inarht.
.1.
2.
3.
1.
Almas, Mbwari,
Sambano, Fjiji,
Soldat, Kibwariu.Kisuaheli
Ujiji, d. 11. Oct 1896
Hamiss, Mbvari,
Makerre, üjiji,
Soldat, Kibwariu.Kisuaheli
Ujiji, <l. U. Oct 1896
Vir<>vnko. Mjiji.
Ijiji, l nii.
Fischer, Kijiji
Ujiji, d. 1-J. Oct. 1MK3
2.
männlich
männlich
männlich
3.
etwa IS Jahr
etwa 18 Jahr
etwa 35-4t> Jahr
4.
gut
iTUt
gut, etwas Fittan^atz
9.
.76
HO
,^!;
10.
16
18
14
11.
9^ 37,3^
4 p 37.6=
3t' 87,5°
(411)
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
3S.
39.
40.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
n
n
Form und Stellung der Augen. 48.
des Gesichts. 49.
der Nase.
des Mundes und der Lippen. 50.
der Olirnmschel. 51.
des Halses und Nackens. 52.
der Brust, bezw. Brüste. 58.
des Bauches.
„ GesSsses. 54.
der Geschlechtstheile.
und Grosse der Hände. 55.
.,...,„ Beine (Waden).
„ n n n Füsso. 56.
Aufrechte Höhe, Scheitel bis Sohle. 67.
Oberer Rand des Adamsapfels bis Manu- 58.
brium sterni.
Oberer Brustbeinrand bis oberer Rand 59.
der Schambeinfuge. 60.
Senkrechte Höhe des Nabels über der 61.
Fnsssohle.
Senkrechte Höhe der Schambeinfuge über 62.
der Fusssohle.
Länge des rechten Beins, Trochant. maj. 63.
bis Fusssohle.
Troch. major bis Condyl. ext femoris.
Aeusserer Vorsprung der rechten Tibia
bis untiTer Rand des Mall. ext.
j a) oben.
Umfang dos Oberschenkels | b) mitten.
l c) unten.
Grösster Umfang der Wade.
Bauchumfang in Nabelhöhe.
Brustumfang.
Horizontaler Kopfumfang.
Querer Kopfbogen.
Nasenwurzel bis Spitze.
Schulterbreite über den Rücken.
Schulterhöhe bis Spitze des Mittelfingers
rechU«.
Schulterhöhc bis Condyl. ext. oss. hum.
64.
65.
66.
67.
68.
i
I
69.
70.
7L
72.
73.
Olecranou bis Condyl. ext. ulnae.
Untere Falte am Handgelenk bis Spitze
des rechten Mittelfingers.
Klafberweite.
Abstand der Brustwarzen.
Beckenbreite.
Dicht oberhalb der Nasenwurzel bis Pro-
tuberantia occipit. ext.
Grösste Breite des Schädels über den
Ohren.
Vom unteren vorderen Rand des einen
Wangenbeins zum anderen.
Von einem Unterkieferwinkel zum anderen.
Jochbreite.
Nasenwurzel bis Ansatz der Nasenscheide-
wand an der Oberlippe.
Nasenwurzel bis Kinnrand.
Scheitel bis Kinn.
Senkrechte Höhe vom rechten äusseren
Gehörgang bis Scheitel.
Entfernung der äusseren Ohröffnungen,
oberer Rand.
Von einem inneren Augenwinkel zum
anderen.
Von einem äusseren Augenwinkel zum
anderen.
Von einem äusseren Ansatz des Nasen-
llüg**ls zum anderen.
Breite des Mundes.
Ohrhöhe.
Entfernung der Mitte der Nasenwurzel
von der rechten äusseren Ohröffnung.
Entfernung des Ansatzes der Nasenscheide-
wand von derselben Oeffnung.
Entfernung des vorderen Randes der Ober-
lippe von der rechten Ohröffnung.
Entfernung des unteren Kinnrandes.
, ,, I I. grosse Zehe.
Länge des t usses { ., •*. r/ u
^ III. zweite Zehe.
Künstliche Verunstaltungen.
4.
Mavoko, Mrundi,
Mgere, Mgcre,
Fischer, Kirundi
Rumonge, d. 22.0ct.9(»
männlich
<'twa 35 Jahr
gut
74
5.
6.
7.
Kimagende, Mnindi, Mansalagullu, Mbwari, Karembelezi, Mrundi,
Bugenda, Rumonge, Napundu, Rumonge, Bunoso, Rumonge,
Fischer, Kibwari Ackerbauer, Kirundi
wie Nr. 4
Ackerbauer, Kirundi
wie Nr. 4
männlich
etwa 22 Jahr
gut
86
männlich
etwa 24 Jahr
gut
82
wie Nr. 4
männlich
etwa 26—28 Jahr
gut
90
8« 36,8^
H,30''
?>:,()'
9=' 37,1
T lO
9,30" 37,1
(412)
2.
3.
normal
Dormal
14.
15.
fa)
b)
16.
fa)
b)
89.
40.
41.
42.
43.
44.
46.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52.
58.
54.
55.
dunkelbraun
desgl.
dunkelbraun
desgl.
rosa rosa
!
kurxes, schwarzes Wollhaar kurzes, schwarzes Wollhaar kurzes, schwarzes Wollhaar
desgl.
dunkelbraun
dcsgL
rosa
desgl.
Achsel- und Schamhaare
wie Nr. 14; am Unterleib
und Beinen ganz gering
braun gesprenkelt
weiss mit braunen Flecken
in der Lidspalte
beschnitten (Ausnahme)
163
9
52
98
84
85
88,5
39
54,5
43,5
32,5
32,5
73
80-84
56
85,5
5
37
74
29
27
18,5
169,5
16 (rechte höher als linke)
24
19
15,5
9
Achsel- und Schamhaare
wie Nr. 14
dunkelbraun
Backen- und Schnurrbart
desgl.
Achsel« Scham, Brust und
Oberschenkel stark, sonst
massig
dunkelbraun, fast schwarz
weiss mit gelbbraunen weiss, in der Lidspalte
Flecken rechts und links etwas br&unlicn
in der JJdspalte
unbeschnitten
161
7,5
52
99
88
84
38
41
49,5
44,5
32
30
70
77-81
54,5
5
40
75
29
28,5
17,5
173,5
unbeschnitten
164
8
54
103
89
91
40
41
50,5
46
34
33
78
90-94
57
35
5,5
42
78,5
SO
26,5
19
181
19 (rechte höher als linke) 22 (linko höher als rechte)
23 22,5
18 20,25
14 14
8 8;i>5
i^
(413)
4.
ö.
normal
dunkelbraun
desgl.
gelbrosa
wie Nr. 1
wie Nr. 3
wie Nr. 8
wie Nr. 8
gclbweiss
wie Nr. 8
168
8
58
98,5
86
82,5
88
40
63,5
52
37,5
33
77
94,5
54,5
86,5
ö
42
74,5
28
27,5
18
176
21 (rechtehöh. als linke)
24,75
17,75
15,25
8,5
normal
dunkelbraun
etwas heller als a
rosa
wie Nr. 4
wie Nr. 4
Achsel und Scham,
sonst ganz gering
dunkelbraun
wie Nr. 4
wie Nr. 3
17J
8,75
53
105
88
84
34,5
44
50,5
49,5
37
82,5
76
86,5
57
35
4
42,5
78
30
27,5
18,5
183,5
20,25 (linke h. als rechte) 21,5 (linke h. als rechte)
24,5 24
20 11)
14,5 13,5
9 9,5
normal
dunkelbraun
desgl.
gelbrosa
wie Nr. 5
beginnender Schnurr-
und Kinnbart
Achsel, Scham, Brust,
Oberschenkel; sonst
massig
wie Nr. 5
wie Nr. 5
wie Nr. 3
170
8,5
50,5
105
88,5
88
38
44,5
48
46,5
34
33
75
86
54,5
35
4,25
40
76,5
28,5
27,5
17,5
180
normal
dunkelbraun
desgl.
rosa
wie Nr. 5
wie Nr. 6
Achsel und Scham;
sonst gering
wie Nr. 5
wie Nr. 5
wie Nr. 3
155
8
45
94
82
78,5
81
41,5
42,5
40
83
31,5
69,5
75,5
54,5
34
3,5
35,5
70,5
26
25,5
17
165,5
18,75 (linke h. als r.)
28,25
18,25
14,5
8,75
(414)
56.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
71.
72^^
in.
73.
1.
10
13,5
6
11,5
23,5
13
13
3,5
10,25
4,5
5
5,5
11
12,5
13
13
25
Obere mittlere Schneide-
zähne ausgefeilt. Brust u.
Bauch rechts und links mit
je einer Reihe etwa Vi t*"*
langer, schräg gestellter
Schnittchen tättowirt
2.
8.
— - — —
10
10,5
12
12,25
5,25
6,5
11,5
12
23
24,5
12,75
14
12,5
14,25
3,5
4
9,76
11
4
3,75
4,75
5,75
6
6
11,5
12,75
12,25
13
13
14
13
14
25
25,5
, ,-
26
Zähne wie Nr. 1
Zähne wie Nr. 1
Am linken unteren Rippen- Brust und Bauch gänzlich
bogen in Mamillarlinie ein mit horizontalen Linien n.
Stern aus feinen schrägen Mustern aus kleinen
Schnittchon von 15 ein Schnittchen bedeckt
Durchmesser
t
I
1.
2.
3.
4.
9.
11.
12. b)
8.
Kalombo, Mwagwa,
Bubagwa, Ijiji,
Arbeiterin, Kiwagwa und
Kisuaheli
Ujiji, d 21. Novbr. 1896
weiblich
16— 18 Jahr
mittel
84
41- 37,15'
normal
9.
Ngao, Muha,
Kilungwe, desgl.,
Kiha
Ujiji, d. 5. Januar 1897
männlich
20 -24 Jahr
schlank
SS
9,30- 36,9°
normal
. 10.
Kawuba, Muha,
Kiiungwe, desgl.,
Kiha
wie Nr. 9
männlich
22—26 Jahr
schlank
80
10,30 n 36,9
normal
(415)
(
4.
5.
1 6.
7.
9,25
11
10,25
10,75
12,5
13
12,75
13,25
4,75
4,5
4,5
4,75
10,5
11
10,75
10,25
•^3,75
24,75
23,5
22,75
14,5
15
15
14,25
13,5
13,75
; 13,75
13,75
3
4,25
1 4
4,25
9,75
10,5
10
10
3,75
3,75
' 4,75
3,5
5,75
5,75
5,5
1
5,5
6
5,25
6
! 6
11
12
! 12,75
11,75
11,75
12,75
12,75
1 11,75
13,25
14
14
13
13
14,5
13,75
12,75
25,75
2«,25
25
23,75
25,5
24,75
24,5
23,25
Zähne wio Nr. 1
Zähne wie Nr. 1
Zähne wie
1
1
Nr. 1
Nur um den Nabel
eine 12cwi im Durch-
messer haltende
Tättowiruug
11.
12.
13.
14.
Muniofue, Muha,
Kilungwe, desgl,
Kiha
Muilembe, Muha,
ügaga, desgl ,
Kiha
Bolingingwa, Muha,
Njangwe, desgl.,
Kiha
Kigona, Muha.
Njangwe, desgl.,
Kiha
wie Nr. 10
wie Nr. 10
Ujiji, d. 6. Januar 1897
wie Nr. 13
männlich
männlich
männlich
männlich
oO— 35 Jahr
30-35 Jahr
30—35 Jahr
40-45 Jahr
kräftig
schlank
kräftig
kräftig
84
92
60
56
11^ 37,1
11,30« 3G,7°
9,30» 36,8^
10 a .%,9o
normal
normal
normal
normal
(416)
8.
_, i
»3- b)
dnnkelbraun, Rampf
hellbraun
dunkelbraun
c)
rosa 1
)a)
14.
schwarz, wollig '
1
r
b)
desgl. B
9.
10.
dunkelbraun 1
braun
desgl.
hellbraun
rosa
rosa
wie Nr. 8
wie Nr. 8
Etwas Kiun- und Schnurr-
bart, schwarz, wollig
Schnurrbart- A nf&nge
15.
16. 1
23.
24.
26.
a)
Achsel und Scham rasirt: Achsel, Scham und Unter-) Achsel und Scham, sonst
sonst gering
dunkelbraun
weiss, in der Lidspalte
gelblich
etwas hängend
grosser Nabelbruch, etwa
3 cm Durchmesser
Labia minora, etwa 2 bis
3 an aus der Rima her?or-
stehend
30.
153
31.
5,5
32.
51,5
33.
96
34.
83,5
35.
85
36.
37,5
37.
42
fa)
50
38. H)
43,5
U)
32,5
39.
30,5
40.
79
41.
82,5
42.
56
43.
36
44.
4,25
45.
39
46.
73
47.
30
48.
26.5
49.
16,5
5f>.
166
51.
23 (rechU' höher
52.
25,25
53.
18,25
Schenkel stark ; sonst gering
dunkelbraun
wie Nr. 8
desgl.
desgl.
anbeschnitten
172
8,5
52
109
92
92
42,5
44,5
45,5
43,5
32,5
32,0
70,5
83,5
56,5
38
4,5
38
80,5
82
27,5
19
182
gering
dunkelbraun
wie Nr. 8
desgl.
desgL
wie Nr. 9
171,5
7,5
51
103,5
89
85
36,5
42
48
42
33,5
30,5
76
84
57
37
5
40^
78
82
28
19
178,5
23 (rechU* höher als linko 20,75 (rechte höh. als linke) 20,75 (linke höh. als rechte)
26 ' 27,25
20,25 20
(417)
11.
1
12.
18.
14.
dankelbrann
brann
chokoladebraun
wie Nr. 13
1
desgl.
desgl
desgl.
desgl.
rosa
rosa
rosa
gelbrosa
wie Nr 8
1
wie Nr. 8
wie Nr. 8
schwarz, wollig,
etwas weissroelirt
Kinn-, Backen- und
Schnarrbart schwarz,
wollig
wie Nr. 11
Kinn- und Schnurrbart,
schwarz, wollig
Backen-, Kinn-,
Schnurrbart, schwarz,
wollig, etw. weissmelirt
Achsel« Scham, Brost
n. Bauch. Sonst gering
wie Nr. 11
Achsel und Scham.
Sonst gering
Achsel, Brust, Scham
dnnkelbrann
dunkelbraun
dunkelbraun
dunkelbraun
wie Nr. 8
wie Nr. 8
wie Nr. 8
wie Nr, 8
desgl
desgl.
desgl.
desgl.
desgl.
desgl.
desgl.
desgl
wie Nr. 9
wie Nr. 9
wie Nr. 9
wie Nr. 9
167
169,5
171
173,6
7,5
8,0
7
7,5
56
56
56
51
99
105
106
104,6
84
90
90
91
87
90
98,6
89,5
37,25
88,6
89,5
40
41
46
44,5
44,5
48
46,5
46,5-
44
44,5
46
43,5
42,5
81
86
84,5
82,5
80,5
82
81
82
71,5
76
78,5
74,5
84,5
86
91,5
86
57
66,5
66,26
66,5
86,5
85,6
1 84,5
86,6
4>6
5,25
5
5,26
88
89
! 41
38,5
77
77,5
82,75
79,5
80
29,5
82,5
81,5
27,5
28,5
29
27,5
18
18
18,6
20
175,5
181
1 188,5
182
19,25 (1. höh. als rechte)
21
1
' 20,5 '^beiderseits gl. h )
19,6 (rechte höh. a. linke)
25
27,25
i 26,75
25
20
19,5
19,25
20
Verbandl. der B«rl. AnthropoL OtieUfchafl 1S97.
27
(418)
&
9.
10.
11.
12.
18.
14.
^
^ ^ .-
=- ■ -■
-^ ^■
■ — ■ -
"T
=^" ■
~
54.
14
14,6
14,75
14.5
11,76
14,76
: 14,6
66.
9.26
9
9
8,75
1 9,™
7,6
7,25
66.
10
10.6
11
11,6
11,50
11
10,5
67.
18,76
12,76
IS
18,76
18,7&
11,5
11,5
58.
5
5
6
4,5
6,26
5,5
6,05
59.
10
11
12
12,5
18,76
12
18,25
60.
28.6
26.76
36.6
26,26
25,6
26
27
61.
16
15.6
15,76
IC
16
14,5
14,75
62.
18
i3;s
18
13
14
1V6
12,75
68.
8,5
4
8.5
4
V6
8,75
4
64.
10,6
9,76
10,6
10,25
10,5
10,25
9,5
65.
8^
8,6
4
4,25
8,76
4,36
4
66.
6
5
6,75
5.76
6,6
5,76
4,6
67.
6
6,25
6,6
6,25
6,26
0,26
6
68.
11.5
11,75
12
12,25
12,26
11,25
12,75
6».
12
11.76
12,25
12,5
12,6
12
18,25
70.
18
18,26
18
1S,5
13,5
l»,26
16
71.
18
14
14,5
»
14,26
18,6
15
72 ( '■
24
26,25
26.5
26.25
2(1,76
26,6
28,25
'^•lll.
22,75
25,25
24,76
24,5
20,76
26
27,25
73.
ZeichnuDs:
8a nnd S
~
~
~
Zclehnniig 12
~
~
St. a. Kalombd (alias Ticliiksutu'', aus rbudjitc ubrun und
Frisur den .Suaheli nacligotnacht. Zwischen drn Brnst«!! eine
f rosse Narbe, die eine f&»t 1 cu hohe Uautfalle bildet, ola Sohmnck.
inku Mainuii gcösicr als rechte. Grosser Nabelbruch. I>abi>
uiJQor.i etvii '> — 3 cm aa.-^ der RjniR pud. vorragend. Die oborcu
Schneidfzähno gi-fcilL
Nr. 12. Bancbtftttowirnng, etwa t cm bocli.
(420)
15.
16.
17.
1.
Ngina, Mnha,
Ugaga, desgl.,
Kiha
, NiasoUo (d. h. 6 Finger),
Muha, (?), Mteptia,
1 Kiha
Rnwaga, Mtussi, Kagogo,
Lnssambiko's Dorf,
Kimndi und Kitnssi
üjiji, den 6. Janaar 1897
wie Nr. 15
Ukissuma, d. 26. Febr. 97
2,
männlich
weiblich
männlich
8.
18-20 Jahr
20-24 Jahr
35-40 Jahr
4.
schlank
schlank
schlank
9.
58
100 (Angst?)
—
11.
10,80« 36,5°
8,15 p 87,9° .
—
12. l b)
normal
t
wie Nr. 15
wie Nr. 15
•
chokoladebrann
1
desgl. '
dunkelbraun
18. { b)
desgl.
desgL
desgl.
|c)
rosa
desgl.
wie Nr. 15
<
schwarz, wolb'g
desgl.
schwarz, ganz kurz
—
Kinn- und Schnurrbart
spärlich, schwarz, wollig
15.
Scham; sonst ganz gering
Achsel nnd Scham ; sonst
ganz gering
Achsel, Scham, Unter-
schenkel; sonst gering
Ib)
donkelbrann
weiss, in der Lidspalte
gelblich
dunkelbraun
wie Nr. 16
1
braun
wie Nr. 15
23.
—
hängend
—
26.
nnbeschnitten
•
1
unbeschnitten
30.
170
146,5
174,6
31.
6,5 '
1
6,75 ^ i
10
.^2.
53
45
47
38.
107
1
87,5
1
106
r4.
92
1
77
92
35.
87 l
76,5
92,5
36.
37,5
85
41
37.
44,5
86,5 '
48
|a)
48 I
44
48
38. |b)
48
88,5
44
Ic)
81,5
88
81
39.
31,5
29,5
29
40.
69
69
68,6
41.
82
72,5
81,6
42.
56,5
58
67
43.
36
34,5
86,6
44.
4,75
4,5
4;^
45.
86
31
86
46.
78
1
68,5
1
77,5
(421)
18.
19.
20.
21.
Makohe, Mtonfi;we,
Kaluffambabi, SklaWn
aus Mtepua, Kitongwe
und Kiha
üjiji, d. 6. Januar 1895
Waniamba, Mtongwe,
Kulubalisi, Sklavin
aus Mt^piia, Kitongwe
und Kiha
wie Nr. 18
Njarilfmüe, Mtongwe,
(?X Sklavin aus Mtöpua,
Kitongwe und Kina
wie Nr. 18
Nkindi, Mrundi,
Kuinkanda,
Lussambiko's Dorf,
Kirundi
Ukissuma, 26. 2. 97
weiblich
weiblich
weiblich
männlich
20—22 Jahr
22—24 Jahr
18—20 Jahr
etwa 50 Jahr
gut
gut
gut
kräftig
90
84
80
—
4P 87,15 <>
•
4,80p 37,4°
5 p 37,1°
wie Nr. 15
wie Nr. 15
wie Nr. 15
wie Nr. 15
hellbraun
dunkelbraun
hellbraun
dunkelbraun
desgl.
desgL
desgl.
desgl.
weissrosa
rosa
rosa
rosa
schwarz, wollig
wie Nr. 18
wie Nr. 18
graumelirt, ganz kurz
•
Kinn- u. Schnurrbart
spärl., schwarz, wollig
Scham. Achsel wenig;
sonst ganz gering
wie Nr. 18
wie Nr. 18
Achsel, Scham,
sonst gering
dunkelbraun
desgl.
desgl.
wie Nr. 18
wie Nr. 15
wie Nr. 15
wie Nr. 15
wie Nr. 15
hängend
wie Nr. 18
wie Nr. 18
—
—
—
unbeschnitten
153
160
163,5
169,5
5
1 6,25
6,26
8,76
50
52
61
63,5
88,75
96,6
94
100,5
82,5
88
77,5
87
81
84
79,5
92
38
38,6
39
44
37
40
37,5
43,5
46
50,76
46
43,5
43
45,76
41,6
41
34,75
34,6
82,76
30
30,75
32
28,76
30
83,75
81,25
83,6
53,6
80,5
85,5
80,5
82,5
56,75
63,76
64,6
65
37
35
86
36,5
3,75
4,26
4,26
4,6
36,26
34
37,26
86,5
70
75
72
76
(422)
15.
16.
17.
47.
81,5
28,5
\
84
48.
28
23,5
1
26
49.
18
16,5
(
18,5
50.
181,5
170
175
51.
18,5 (rechte höher als linke)
17 (beiderseits gleich h.)
19
52.
23,76
1
23,5
25,5
53.
19,75
18,75
19,75
54.
14,75
1
13,76
15
55.
7,5
1
1
8,6
7,5 .
56.
9,5
1
9,5
10,25
57.
11,5
11,5
•
11,75
58.
4,75
1
1
4
4,75
59.
10,75
i
10,5
11,75
60.
24,5
21,75
22,5
61.
14,25
1
1
1^75
14,5
62.
12,75
1
1
13,5
12,75
63.
3,75
1
4
3,5
64.
9,5
(
9,5
9,5
65.
3,75
1
3,25
3
66.
5,25
5
4,25
67.
5,26
5,75
5
68.
11,5
11,5
i 11,75
69.
11,25
(
12
11,6
70.
12,5
13
12,25
71.
13,25
1
13
12,76
'Mü.
26,75
25,75
23
22,5
24,5
24
78.
Obere mittlere
Schneidezahne gefeilt
Obere mittlere Schneide-
zahne aasgefeilt Tätto-
wimng nur anf dem Rücken
(Zeichnung Nr. 16).
Ihr Name bedeutet: die 6-
t
Seite der rechten und linken ;
Hand am Grund des kleinen*
ty!^tiiii\mil?niiU Fingers Je eine kirschkem-,
« /^ _^ t. 1- IL j grosse Warze; am rechten'
2 Qaer&iger oberhalb des ^^ ^^en am Grund der
Nabels 2, etwa 1,5 cm hohe j^iejnen Zehe eine etwa 1cm
Querlinien über den Leib j^^^ ^ ^ehe mit Nagel,
am linken Fuss nur eine
kirschkemgrosse Warze
1.
22.
Niambele, Mrundi,
Mkampa,
Lussambiko's Dorf,
Kirundi
Ukissuma, d. 26. Febr. 97
28.
Kana, Mfussi,
Ujogoma,
Lussambiko's Dorf,
Kirundi und Kitussi
wie Nr. 22
24.
Manaali, kitussi,
Laknlla kwa Mwezi,
Lussambiko's Dorf. Haupt-
frau d. Sultans l.nssambiko,
Kirundi und Kitas<i
wie Nr. l»2
(423)
18.
19.
20.
21.
27,6
80,5
29,6
83
23
26
24,75
26,5
17,5
19
16,6
18
166
178
1 165
176,5
22 (beiders. gleich h.) 19,75(linkeh.al8 rechte) ;20,75 (rechte h. als linke)
19,5
24
24,26
28,75
24,5
19,75
18,75
18,25
18,75
14,75
14
14,5
14,75
8,6
7,75
8,5
7,75
9,25
9,75
9,76
10,5
11,6
11
10,76
18
4,5
4,6
4,26
6,25
11,76
11
11,75
11,5
22,75
23,25
22,75
23
14,5
18,5
14
14
13,25
11,26
12,26
13,75
8,5
8,5
8,76
3,6
10,25
9,75
9,76
9,75
3,75
4,25
8,75 !
2,75
4,76
4,75
4,5
6
5,6
6,5
5
6,25
11,75
11,26
11 1
11,25
11,5
11,5
11,75
12
12,5
13
11,75
13,25
12,76
12,25
12,6
13,5
23,6
25,5
22,26
27
22,5
24,25
21
25,5
Obere mittl. Schneidc-
Zähne wie Nr. 15.
Zähne normal.
Zähne als Schninck aus- Tätto wirung s. Zeich- Tattowirun^ s. /eich-
gc«chlagen. Tättowi- nung Nr. lU; auf dem nung Nr. 20
rnng Rücken, ganz ver-
(ZeichuungNr.lSa u. b)\ schwömmen, ebenfalls ,
I sehr reiche Tättowi-
I mngen sichtbar, doch
' Muster nicht mehr zu
I erkennen
25.
Niamutangi, Mrundi,
Mkampa,
Lussarabiko's Dorf,
Kirundi
26.
Mubango, Mtussi,
Ujogoma,
Lussambiko^s Dorf,
Kinmdi und Kitnssi
27.
KissambolSha^ Mtussi,
üjensi,
LuBsambiko's Dorf,
Kirundi und Kitussi
wie Nr. 22
wie Nr. 22
wie Nr. 22
(424)
22.
28.
24.
weiblich
25.
26.
27.
2.
weiblich
weiblich
weiblich
männlich
weiblich
8.
16—18 Jahr
18-20 Jahr
24—26 Jahr
22—24 Jahr etwa 85 Jahr etwa 25 Jahr
4.
fftM
kräftig
sehr schlank ,
sehr schlank
kräftig
kräftig
kräftig
12.
a)
c)
normal
normal
normal
1
normal
normal
normal
a)
hellchoko-
ladofarben
chokolade-
färben
wie Nr. 28
wie Nr. 28
dunkelchoko-
ladefarben
chokolade-
farben
13.
b)
desgl.
bis röthlich
desgl.
desgl.
desgl.
desgl.
desgl.
c)
rosa
gelbrosa
rosa
gelbrosa
rosa
rosa
14.
a)
schwarz,
wollig, kurz
wie Nr. 22
wie Nr. 22
seh warz,karz,< schwan^knrz,
wollig, rin^- woUig
um zu kreis-
förmiger
Platte ab-
rasirt >
wie Nr. 26
,b)
^— "
Kinn- und
Schnurrbart
schwarz,
wollig,
gering; sonst
spärlich
15.
Achsel und
Scham
schwarz,
wollig,
geriDg. Sonst
wenig
Achsel und
Scham
schwarz,
wollig. Sonst
gering
wie Nr. 22
wie Nr. 28
1
1
1
wie Nr. 28
Achsel und
Scham rasirt.
Sonst wenig
16.
Ib)
dunkelbraon
wie Nr. 22
wie Nr. 22
braun
wie Nr. 28
i wie Nr. 2Ö
weiss, in der
Lidspalte
gelblich
wie Nr. 22
wie Nr. 22
wie Nr. 22
desgl
desgl.
28.
stehend,
kräftig
etw. hängend klein, stehend
hängend
—
stehend,
kräftig
26.
kl. Scham-
lippen 1 cm
hervorragend
Lab. min.
etwa 2 cm
vorragend
Lab. min.
etwa 1 — 2 cm
vorragend
unbeschnitten
1
80.
162
162
169
165,5
184
165,5
81.
7
7,5
9,5
6,75
7,5
7,5
82.
44
48,5
46,5
48
53
44
1
88.
97,5
104
105
94
114,6
98,5
84.
88
87,25
98,5
82
97,75
84
86.
81,5
80,5
89,5
75
91,6
86,5
oG.
83,5
86
44,75
80,5
45,5
42
87.
38,5
40
44,5
41
47
87
a)
49,5
47,75
45
45
54,5
66
88. <
b)
48
; 44,5
48
40,25
1
50,6
50
1
c)
85,75
82,5
81,25
1
82^
86
89,25
89.
80
80
28,25
80
84,6
84
(425)
22.
SB. 1
1
24.
25.
26. i
1
27.
40.
75,76
69,5
74,6
69,25
75,6
77,5
41.
82,5 75,5
82,6
81,5
89,76
91
42.
57
64,25
52
62,6
56,76
64
43.
3G
34
36
33,5
87
34
44.
3,75 . 4 i
4,76 3,5
4,6
4
45.
38 34
1
36 36,76
42
34,6
4G.
74,6 74,26
81,76
73
81,5
74
47.
31,5
32
34,6
32,5
32,5
31
48.
25,26
25
28,26
26
28,5
27,25
40.
18,5
17
18
16,5
20
18,75
50.
171,5
165,6
185,5
167
191,6
170,5
51.
20,75
16,75
21,26 19,5
19
24,75
52.
25
23,6
26 26,5
26,6
26
53.
19,76
18,5
19 17,5
19,6
19
54.
14,6
12,75
13,75 14
14,76
18,5
55.
8,5 7,25
6,75 8
8
7,5
oG.
8,76 9
9,25 1 9,25
10,76
10
57.
12 10,5
11,5
12,5
11,5
12
58.
3,76 ' 4
4,6
?,5
6,6
4,5
59.
10 10
10,6
10
12,5
11,5
(\0.
23,26 21,76
23,75
21,75
20
28
Gl.
14,25 12,75
14.26
12,75
14,5
14
G2.
12,5 11,75
12,6 ; 12,5
13
12,75
G3.
3,75
3
8,6
3,5
3,5
3,5
G4.
10
9,26
9,75 ! 10,5
10
9,75
05.
4 3
8,26 3,5
1
; 3
3,5
G6.
4.5 4
4 ' 4,5
: 5,26
4,75
G7.
5,6 6
5,25 5,76
\ 6,25
6,75
68.
11,25
10,26
11 10,25^
12,25
11,25
1
G9.
11,25
10,6
11,76
10,76
12,25
11,75
70.
12,5
11,5
12,25
12,76
18,5
1 12,5
71.
12,6
12
18
12,75
14
13
72.
f ^•
24,26
23,6
24,76
22,75
27,5
25
II.
23,6
22,6
24
20,75
26,5
24,5
73.
—
—
1
«
^) Auf beiden Oberarmen von d(
;r Schulter an abwärt« je 2
Reihen von ^
J, etwa 0,5 an
grossen runden Schnittnarben.
■
Endlich 7 Längenmaasse von
i Watwa, angeblichen
Zwergen,
in ürundi:
5. April 1897 1
erwachsener Mann . . .
157 cm
11. „ 1897 1
r rt • ' *
147 „
11. „ 1897 1
•• « • • •
149 .
11. , 1897 1
V ,, . . .
153 „
11. „ 1897 1
junger Manu
149 .
11. , 1807 1
erwachsener Mann . . .
156 .
11.
. 1897 1
m
V« ft « •
Vb^ .
(426)
Hr. Rud. Virchow: Die vorstehenden üebersichUm sind einfach nach den
Aufzeichnungen des Hrn. Hösemann wiedergegeben, obwohl sich gegen viele
derselben grosse Bedenken ergeben. Dies gilt namentlich Ton den Messungen.
Der gebrauchte Beckenmesser mag ein sehr gutes Instrument sein, aber zum
Schädelmessen dürfte er wenig geeignet sein. Sonst konnten sich wohl kaum so
grosse Schwankungen ergeben. Ich habe die Probe gemacht, die ersten 7 Individuen
auf ihren Kopfindex zu berechnen. Es ergiebt sich dann Folgendes:
Kopf Länge Breite Index
^V. 1 19 15,5 81,6
- 2 18 14 77,8
8 20,25 14 69,1
4 17,75 15,25 80,5
5 14,5 14,5 72,5
. 6 13,5 18,5 71,0
^ 7 14,5 14,5 79,3
' Es wtlrde unverständlich sein, wenn jemand daraus einen mittleren Index be-
rechnen wollte. Die Differenz zwischen dem grössten und dem kleinsten Index
(81,6 — 69,1) beträgt 12,5. Von den 7 Schädeln wären danach 2 brachycephal,
2 mesocephal, 2 dolichocephal, 1 hyperdolichocephal gewesen. Das ist nicht
glaublich. Man wird also vorläufig einen grossen Theil der Maasse unberück-
sichtigt lassen müssen, bis durch eine vergleichende Messung an einem Normal-
Instrument die wahre Grösse der Entfernungen festgestellt ist. Da aber Hr. Höse-
mann nicht einmal für die Höhen-, bczw. Längenroessungen des Körpers ein Band-
maass oder ein K<?krutenmaass verwendet zu haben scheint, so wird man auch
diese Messungen wenigstens bis auf Weiteres zu beanstanden haben.
Es muss bei dieser Gelegenheit dringend darauf aufmerksam gemacht werden,
dass sowohl die Militär- und Marine-, wie die Colonial-Verwalturig dafür Sorge tragen
sollten, dass ihre Reisenden und Aerzte mit guten anthropologischen Instrumenten aus-
gerüstet und vor der Abreise in der Benutzung derselben praktisch geübt werden.
Selbst ein so grosser Eifer, wie ihn Hr. Hösemann gezeigt bat, ist nicht im
Stande, die Lücken in der Ausrüstung und Einübung auszugleichen.
Das Beste in den vorstehenden Aufzeichnungen sind die Beschreibungen
einzelner Körpertheile, wie der Zähne, und die Tättowirungs-Zeichnungen, welche
gelegentlich einer genaueren Vergleichung mit den bei anderen Stämmen Ost- und
Central-Africas gebräuchlichen Verunstaltungen unterzogen werden müssen. —
Hr. Hösemann hat glücklicherweise durch Vermittelung des Hrn. Dr. Stuhl-
mann
„einen ächten Mtnssi- Schädel'^
eingesendet lieber denselben ist Folgendes zu bemerken:
Wir kennen Ujiji (Udschidschi) als die bedeutendste Hafenstadt am Tanganyika
seit den Reisen von Stanley und Wissmann, aber meines Wissens ist niemals
ein Schädel von da zu uns gekommen. Was die Watussi betrifft, so finde ich sie
gelegentlich bei Hrn. Stuhlmann (Mit Emin Pascha u. s. w. Deutsch-Ost-Afrika.
1. 768) mit den Wnhüma zusammengestellt, die er als weit nach Südwest vor-
gedrungene hamitische Einwanderer betrachtet (vergl. S. 842). Jedenfalls ist der
übersendete Schädel für uns von grossem Werthc, da wir auch Wahüma-Schädel
nicht besitzen. Die Herren Reisenden werden es also nicht unbillig finden, wenn
ich den Wunsch ausspreche, dass sie mehr gut bestimmte Schädel aus diesen
Gegenden sammeln und dabei auch ausgiebige Haarproben nicht vergessen möchten.
(427)
Der bis auf ein PanrZühne vortrefflich erhaltene männliche Schädel zeigt er-
hebliche Unterschiede von den uns sonst beschäftigenden Schädeln der ostarrikn-
nischen Neger. Er bogilzt die ^nx ungewöhnliche Cupacität von 1536 ccm und
einen HorizontalumTung ron b2b tnm. Dem entsprechend sind alle Theile nicht
nur gross, sondern auch sehr krüftig entwickelt. Obwohl die Zähne, namentlich
die Molaren, nor miissig abgenutzt sind, so finden sich doch zahlreiche Synostosen
der Nähte. Die Pfeilnaht ist, namentlich in ihren hinteren Abschnitten, fast ganz
vorstrichen und die Emissnrien fehlen: auch die lateralen Abschnitte der Coronnrin
sind stellenweise im Verstreichen und die Nasenbeine fast ganz verwachsen. Es
dürfte also ein älterer Mann gewesen sein.
Der lange und schmale Schädel hat eine hohe Scheilelcurrc (Pig. 2); der
Typus ist hypsidolichocepha! (Breitenindex 74,2, Ilöhenindex 77,4, Ohrhöhen-
index G4,'^). Die Stirn ist sehr breit (100 mm in min.) und gewölbt, ganz ohne
Supraorbitalwüläte; das Hinterhaupt stark ausgelegt, ohne Prot, occip. In der
rechten Schläfengegend findet sich ein langes, trennendes Epiptericum (Fig. '2),
doch ist eine Aenderung in der Gestalt der Schlufengrubc nicht vorhanden. Am
Hinterhaupt keine andere Bildnngsnnomalie, als eine etwas nach rechts verschobene
und auf dieser Seile stärker gezackte Lambdanaht. Basis voll entwickelt; Forameii
rangnum gross, bes. lang: L. 40, Br. 29 mm; Index 72,5. Lange Griffel forlsätzo.
Sehr breite Apoph. basil. Schmale Proc. pler.
Fig. 1. Fig, 2.
Das Gesicht (Fig. I) erscheint hoch und wenig breit; es crkläit sich dieser
Eindruck einerseits darch die Höhe der Scheitelcurvc, andererseits durch die starke
Ausbildung der Kieferknochen. In der That ist der Jochbogcn-Queidurchmessor
gross (KiS'Bw)' "'"s Wangenbein gross und auch die Gesichtshöhe (Nasenwurzel
l.is Rinn) gut entwickelt (123 mm). Der Gesichtsindex berechnet sich auf «I,«,
ist also mesoprosop. Dem entspricht ein hypsikoncher Orbital-Index (88,0)
und die hohe, nach oben mehr gerundeic Form der Augenhöhlen. Die mächtige
Nase tritt weit vor und hat eine ausgemacht aquiline Form: Index 01,7, also
(428)
platyrrhin. Der Kücken ist stark eingesattelt, aber in den oberen und mittleren
Theilen schmal, in der Mitte synostotisch, die Spitze eingebogen, die ganze
knöcherne Nase gegen die weite Apertur verbreitert. Oberkiefer gross, der Alveolar-
fortsatz stark prognath, aber die grossen Schneidezähne, die nicht gefeilt sind,
stehen orthognath. Dagegen haben die unteren Schneidezähne eine fast schaufei-
förmige Stellung. Der Unterkiefer sehr kräftig, in der Mitte hoch und tief ein-
gebogen, die Aeste breit, die Winkel gerundet und nach aussen vorgebogen. Die
Gaumenplatte gross, namentlich lang, leptostaphylin (Index G9,0). —
Diese Eigenschaften, welche dem Anschein nach mehr als blosse Varianten
des Stammestypus sich danstellen, machen es allerdings wahrscheinlich, dass der
Stammestypus von dem in diesen Gegenden so verbreiteten Bantu-Typus ver-
schieden ist. Die mir freilich fast nur von lebenden Individuen bekannte Form
des Kopfes der südlichen Hamiten lässt sich mit der Beschaffenheit dieses Schädels
dagegen unschwer zusammenstellen. Nicht nur die Grösse desselben und seine
ausgemacht hypsidolichocephale Beschaffenheit, sondern auch die Bildung des
Gesichts, insbesondere die extrem voi^eschobene, in ihren oberen Abschnitten
schmale und am Ende aquiline Nase, und der trotz fast orthognather Stellung der
oberen Schneidezähne stark vortretende Alveolarfortsatz (Fig. 2} würden sich mit
einem Bantu-Ropfe nicht wohl vereinigen lassen. Auch der Mangel einer Feilung
an den Zähnen ist bemerkenswerth.
Von den mir sonst zugegangenen Schädeln von Nachbarstämmen weiss ich nur
%venige hier zu erwähnen. Ich habe über sie in der Sitzung vom 19. Januar 1895
berichtet. Da zeigte ich den einzigen Schädel eines Mhehe, der mir je vorgekommen
ist. Er hatte mancherlei Zeichen einer sehr mangelhaften Entwicklung an sich,
weshalb die Vorsicht gebietet, von ihm nicht zu viel zu sagen. Seine Capacität
betrug -nur 1055 ccm^ er war also ausgemacht nannocephal. Aber er besass gleich-
falls eine hypsidolichocephale Form und ein mesoprosopes Gesicht, auch war die
platyn*hine Nase partiell synostotisch; Oberkiefer und obere Schneidezähne waren
stark prognath, aber das Gebiss im Ganzen opisthognath. Ich habe damals eine
Vergleich ung mit den von Hrn. Grafen v. Schweinitz gemessenen lebenden
Wangoni angestellt, die als ein von Süden her eingewanderter Zulu-Stamm gelten,
und ich habe gefunden, dass die Wahehe, welche ihnen stammlich an die Seite gestellt
werden, nach uuserem Skeiet manche Aohnlichkeit mit ihnen darbieten. Aber ich muss,
nach directer Confrontation des neuen Mtussi-Schädels mit dem früheren Mhehe, aus-
sagen, dass dabei die grösstc Verschiedenheit hervorgetreten ist, insbesondere in
der Vorderansicht. Bei dem Mhehe beherrscht der ungemein breite, voll gerundete
Alveolarfortsatz mit seiner langen Zahnreihe das ganze Bild, dem gegenüber der
Anblick des Mtussi der eines fein und schlank entwickelten Kopfes ist. Wir
müssen also noch warten, ehe wir uns entscheiden. So lange wir nur einzelne
Schädel besitzen, wird das definitive Urtheil vorzubehalten sein. Ueberdies ist die
Frage nach einer Vermischung der Typen eine nahe liegende.
Jenseit der Wahehe gegen Nordost wohnen die Wassandaui, von denen damals
gerade Hr. Oskar Neu mann zwei vorzügliche Schädel heimgebracht hatte. Sie
werden als ein von den Bantu verschiedener Stamm gedeutet Hr. Oskar Bau-
mann, der eine Schilderung von ihnen entworfen hatte, erklärte sie für einen
durch Mischungen mit Nachbarstämmen veränderten Urstamm. Ausdrücklich betont
er, dass manche Individuen den hamitischen Typus tragen. Auch die Capacität
dieser Schädel ist verhältnissmässig klein: 1250 und 1265 com. Ihre Schädelform
erwies sich als orthodolichocephal, das Gesicht als leptoprosop, also erheblich ver-
schieden von dem Mtussi-Schädel. Auch bei ihnen gab es partielle Synostosen der
(429)
Nasenbeine, aber die Gesammtforin der Nase war mesorrhin; dabei starker
Prognathismus. Die vermuthungswoise aufgetauchte Vorstellung, dass dicWassan-
daui TerwandtschaftUche Beziehungen zu den Hottentotten haben könnten, musste
ich bestimmt ablehnen (ebendas. S. 72).
Ich wollte an diese Beobachtungen nur erinnern, weil ich anderweitiges
Material zu Vei^leichungen nicht auftreiben konnte. Beiläufig besprach ich damals
gewisse Analogien zwischen den Wahche und den Buschmännern, aber ich warnte
auch vor der TerfUhrerischen Neigung, sich durch die Uebereinstimraung der Index-
zahlen zu übertriebenen Schlussfolgerungen verleiten zu lassen. Diese Warnung
habe ich mir selbst bei der Vergleichung des Mtussi -Schädels vorgehalten; ich
kann schliesslich nur die wiederholte Bitte aussprechen, dass die Reisenden in
Ost-, wie in West-Africa, mehr dazu beitragen möchten, den Anthropologen die
Lösung ihrer Aufgabe zu ermöglichen. —
Nachstehend die Maasse des Mtussi-Schädels:
Capacität
Grösste horizontale Länge . .
y, Breite
Gerade Höbe
Ohrhöhe
Horizontalomfang
1185 Stirn
126 Mittelk.
USHinterk.
Stimbreite
Gesichtsböbe
Mittelgcsicht, Höhe
IL
Breitenindex
Höhenindex
Ohrböhenindcx
Gesichtsindex
I. Gemessen:
1536 ccm Mittclgesicbt, Höhe b. Zahnrand
186 mm Abstand der Jochbogen . . .
188^ „ r « Molarvorsprfinge
144 - • „ Kieferwinkel . .
120 .
525 „
374 „
100 „
123 r
78 ,
Orbita, Höhe .
„ , Breite.
Nase, Höhe. .
^ , Breite .
Gaumen, Länge
„ , Breite
89 mm
138 ^
96 „
98 „
(94) genaa au
d. Uinbiegnoi:
37 mm
42 ^
68
80
55
88
r>
Berechnete Indices:
74,2 OrbiUlindex 88,0
77.4 Nasenindex 51,7
64.5 Gaumenindex 69,0
81,8
(33) Hr. W. V. Schulenburg übersendet aus Charlottenbui^, 5i6. September^
folgende Mittheilungen über
märkische Alterthttmer und Gebräuche.
1. Die Schwedenschanzen bei Görbitzsch.
Westlich 6 km von der Stadt Sternberg in der Neumark liegt das Dorf
Görbitzsch (Kreis West-Stemberg, Provinz Brandenburg), ein sehr schön gelegenes
Rittergui Von Görbitzsch aus in südlicher Richtung erstreckt sich der grosse See,
durch einen Sumpf, den ein breiter Waeserlauf durchzieht, verbunden mit dem
kleinen See. Einige 100 Schritte westlich vom kleinen See liegen auf dem Aus-
läufer eines flachen Bergrückens die im Volke so genannten Schwedenschanzen.
Ich habe dieselben zweimal zu Wagen aufgesucht, meine Zeit war aber beschränkt
Da sich einige Lücken ergaben, trotzdem ich viele Längenmaasse abgeschritten habe,
und ich die Schwedenschanzen noch einmal aufsuchen will, so werde ich später
eine genauere Zeichnung geben und deute jetzt den Rundwall in der Zeichnung
(Fig. 1) nur an.
(430)
Was den erwähnten ßergrUcken anbetrifft, so fallt er in einer steilen Wand
als schrolTer Abbang bei cd in die Tiefe, vielleicht 60 Fass, und dieser schroffe
Fig. 1.
•^
Abhang setzt sich, wenn auch weniger steil, westlich bis q fort. In der Tiefe de»
Abgrundes quillt Wasser, das nordöstlich abfliesst. Jenseit des nicht allzu breiten
Abgrundes erhebt sich wiederum ein steiler Berghang. Auf der gegen ttberliegenden
Seite, bei n k, fällt der Berg ebenfalls schroff ab, doch nur in geringerer Tiefe,
vielleicht 35 Fuss. Am Kusse des Abhanges n k liegt eine schmale Schlucht und jen-
seit derselben erhebt sich wieder ein Bergabhang. Diese Schlucht setzt sich nach
SW. als flachere, ansteigende Mulde fort, lieber k hinaus, in der Richtung nach L
senkt sie sich und verläuA in eine rings von Bergen eingeschlossene Tfaalsenkung,
die den Eindruck grosser Abgeschiedenheit macht. Auch hier unten sind Quellen,
weshalb hier Elsen wachsen, während sonst die Berge ringsum mit Buchen-Hoch-
wald bestanden sind. Auf der Seite nach NO. fällt der Berg, von k e nach h /, nur
sanft ab, dann aber von h i in einem steileren Abhang nach dem erwähnten Thal*
grund. Auf der Seite nach SW. und W. verläuft der Bergrücken in seiner ganzen
Breite flach und eben. Fasst man den Berg hier als Vertheidigungsstellnng in
alter Zeit auf, so ist das Stück cd völlig sturmfrei, bei nk der Zugang äusserst
schwierig, auf der Seite bei /< i durch den grösseren Abhang erschwert, und auf
der Seite c n völlig frei. Dies war die schwache Seite.
Hier auf der Höhe ist nun der Rund wall cdh angelegt worden. Er bat, wenn
ich ihn richtig aufgefasst habe, die Form eines Hufeisens und besteht aus einem gut
erhaltenen Wall und Graben. Sollte er als Befestigung dienen, dann war die Wall-
kröne jedenfalls durch eine Vcrpfählung verstärkt; denn ein blosser Wall mit
Graben von massiger Tiefe konnte im Alterthum keine genügende Sicherheit ge-
währen. Das Stück cd, über der steilen Wand, ist ganz frei; hier fehlt der Wall
vollständig. Denn dass er in die Tiefe gestürzt sein sollte, erschien mir ganz aus-
geschlossen. Im Rundwall selbst fällt der Innenraum cdb von NW. nach SO. und
von SW. nach NO. Jetzt führt bei dacmq ein künstlich hergerichteter Fussweg
entlang.
(431)
Auf der ebenen Bergfläche nach SW. sind noch zwei Gräben vorgelegt, m p n
und gs2^ vielleicht gehörten auch in ihrer ganzen Länge Wälle dazu(?). Am Fuss-
steig bei m und q sieht man noch Erhöhungen. Der etwaige Wall mp, wenn ein
solcher bestanden hat, wäre dann noch weiterhin sichtbar in einer 11 Schritt breiten,
wenig hohen Erdrampe, die wie ein aufgeschütteter Weg oder Erddamm aussieht
und sich in der Richtung von t/i nach p hin erstreckt. Vor ihr liegt der Graben.
Dieser zieht sich deutlich in einem Bogen m p n hin und legt sich bei n an den
Graben des Hauptwalles. Der Graben 9 r erstreckt sich, bis s kaum gebogen,
nach : hin. Von s an wird er weniger bemerkbar.
Ein dritter Aussengraben ist noch erhalten, wenigstens sichtbar in dem gerade-
geführten Stück h i. Bei / biegt er um und ist erkennbar bis n, Vermuthlich führte
er weiter bis A-, heran an den Graben des Rundwalles. Von einem Wall ist hier
nichts bemerkbar. Auch auf der Strecke e/i ist nichts von einem Graben zu sehen,
der Bergabhang (e h) verläuft hier noch steiler als bei // 1. Ob das Fehlen des
Grabens damit in Zusammenhang steht, muss dahingestellt bleiben.
Auf der Strecke z bis n ist nichts von Wall oder Graben zu bemerken.
Bei o ist ein flacher Wegeinschnitt im Wall. Der Weg führt weiter bei p
durch den zweiten Graben und bei ^ durch den dritten, dann biegt er links um
und führt durch die Verlängerung der Schlucht g den jenseitigen Berg hinauf. Ob
dies ein alter Zugang oder ein neuerer üolzweg ist, dürften spätere Erkundigungen
ergehen.
Im Innenraum des Rundwalles, etwa 20 Schritte vom Rande a d entfernt, ist
ein Rundtheil von 9 Schritt Durchmesser, das, etwas höher als der übrige Boden,
sich deutlich abhebt. In der Mitte zeigt es eine flache Vertiefung, während rings
um dasselbe eine Rinne oder ein kleiner Graben ging, wie noch sichtbar ist.
Was die Grössenverhältnissc des ganzen Erdwerkes anbetriftt, so beschränke
ich mich darauf, vorläufig einige annähernde Maasse zu geben. ' Es ist a b etwa =
50 Schritt, crf = 36* ("^ = Schritt), wg = 4b^ der Umfang des Rundwalles in der
Grabensohle elf gemessen = 180"^, die Höhe des Walles von der Grabensohle aus
vielleicht = 10 — 12 Fuss, dieselbe über dem Innenraum des Werkes etwa 3 — 5 Fuss,
c m = 45— ^)0^ q m = 20% m n = 135"', ^ « = G3% 9 r = 105"', h i = 50% / u = 20^.
In der Zeichnung deuten e //, w n und q z die Grabensohlen, cdb den inneren
Rand des Rundwalles an.
Die Generalstabs-Karte dieser Gegend (297 Zielenzig), aufgenommen i. J. 1822,
im Maassstabe 1 : 100000, verzeichnet die Schwedenschanzen nicht mehr, eine
neuere in grösserem Maussstabe fehlt noch.
Bei den Nachgrabungen im Rundwall, die mein Begleiter Hr. Paul Willich
bei meinem zweiten Besuche desselben vornahm, da, wo die Rreuzchen gezeichnet
sind, fand sich in dunkler, schwärzlicher, z. Th. fetter Erde eine Anzahl kleinerer
Scherben, von denen fast alle zweifellos den Burgwalltypus zeigen. Sie sind hart
gebrannt, dem Anschein nach auf der Drehscheibe geformt, meist rötblich, einzelne
gelblich. Nach mehreren Mundstücken zu urtheilen waren sie, oder einzelne von
ihnen, rundbauchig, mit ganz kurzem, eingeschnürtem Halse, wie bisher auf-
gefundene Gefässe dieser Art. Die Verzierung besteht aus et^a 4 mm breiten,
ganz flachen, gleichlaufenden Einfurchungen, soweit zählbar 8 — 9, die, eine unter
der anderen, um den Bauch herumlaufen. Nur ein Stück zeigte eine einzelne,
2 mm breite, schmale, aber tiefere Einfurchung. Ebenso verhielten sich Scherben,
die sich hier in Maulwurfs -Hügeln vorfanden. Einige wenige unter den vor-
gefundenen Scherben hatten fast das Aussehen von vorslavischen, doch waren die
Bruchstücke zu klein, um ein sicheres Urtheil zuzulassen.
(432)
Beim Graben im Kundtheil stellte sich heraus, dass dieses, scheinbar in der
ganzen Oberfläche, mit schwarzer, kohliger Erde bedeckt ist, die von wiederholtem
Feuer henührt. In derselben finden sich viele noch wohl erhaltene grössere SttJcke
von Holzkohle. Unter der Kohlenschicht liegt heller, gelber Sand. In der Mitte
des Rundtheils, soweit das Nachgraben ergab, war die Rohlenschicht 12 — 15 ein
tief. Am Rande ging sie an mehreren Stellen tiefer, bis etwa 30 cm. Auch
fand sich an einer Stelle eine hellgraue Masse, wie Asche aussehend, zwischen der
kohligen Erde. Nur ein Scherben, 3 cm lang, 5 mm stark, ganz kohlig, fand sich
vor. Abgewaschen sieht er gra\ischwarz, graphitartig aus, innen geschwärzt, fein
im Bruch, und zeigt auf der Innenwand die feinen Züge, wie die erwähnten Burg-
wallscherben.
Die Holzkohle vom Rundtheil hatte Hr. Lauck, Assistent der vegetabilischen
Abtheilung der Landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin, die Güte mikroskopisch
zu untersuchen, wofür ich hier besten Dank sage. Dabei ergab sich: „dass die
verkohlten Holzstücke, den charakteristischen Holzform-Elementen nach, nicht Laub-,
sondern Nadelholz darstellen, und zwar, der Gestalt der Markstrahlen nach, die
oft schwer zu erkennen ist, höchst wahrscheinlich Föhren-Arten (Pinus im engeren
Sinne) angehören." Daraus könnte vielleicht folgen, dass damals, wenigstens theil-
weise, Nadelholz stand, wo jetzt Buchenwald ist. Ich fand seiner Zeit in oder bei
vorslavischen Gräbern zu Müschen im Spreewalde sehr gut erhaltene grössere
Stücke Holzkohle, — wenn ich mich recht entsinne, scheinbar von Eschenholz. —
die innen noch ganz braun und unverbrannt waren. Die Probestücke, die sich in
meiner Sammlung befanden, sind der vorgeschichtlichen Abtheilung des Museums
für Völkerkunde übergeben worden.
Aus den Scherben ergiebt sich, dass der Burgwall im früheren Mittelalter
slavisch war; ob vielleicht der Untergrund vorher germanisch war, wäre erst noch
durch weitere Nachgrabungen zu erweisen.
2. Der Farbenstein bei Görbitzsch.
Da ich öfter unter den Landleuten vom „Farbenstein" hörte, suchte ich ihn im
Juli 1897 auf, ohne damals zu wissen, dass ganz in der Nähe die Schwedenschanzen
waren. Er liegt in dem erwähnten Thalgrunde, der bei dem Stein etwa 70 Schritt Quer-
durchmesser hat, nehmlich in der Richtung zu dem Berge hin, der den Rundwall
trägt. Dieser Grund ist fast rings von Bergen umschlossen und mit alten Buchen
bestanden, so dass er ein gewisses abgeschlossenes, geheimnissvolles Aussehen
erhält. Seinen Namen hat der Farbenstein davon, dass er an der Oberfläche röthliche
und gelbe Flecke zeigt. Seine Höhe beträgt etwa 73 cm^ die Breite 60 — 65 cm.
Am unteren Ende hat er eine ganz flache, wohl natürliche Aushöhlung. Ein
kleineres Stück, vom grossen Stein irgendwie abgeschlagen, lag oben auf dem-
selben; als ich später die Schwedenschanzen aufsachte, war es inzwischen ver-
schwunden. Vom Stein bis zam kleinen See, Richtung von W, nach 0., sind etwa
170 Schritt.
Im Volke geht die Sage: „Der Stein lässt sich nicht wegbringen, er kehrt
immer wieder zmrUck.^ Er liegt jetzt am Fusse eines Berges. Vor gewisser Zeit
aber lag er auf der Höhe dieses Berges im Erdboden und sah nur etwas ans der
Erde heraus. Im letzten oder in den letzten Jahren grub ihn der Besitzer Götze
aus Görbitzsch aus, wie ich öfter hörte und er mir selbst mittheilte, und versuchte
ihn mit seinem Sohn auf einem Schlitten wegzuführen. Da er aber zweimal vom
Schlitten wieder „herunterging", gaben sie dann weitere Versuche auf, wohl aus einer
gewissen Scheu. Einem anderen Manne, Stein icke aus Görbitzsch, rutschte er
(433)
zweimal rom Wagen, so dass auch er den Versuch aufgab. Fast möchte man
hier sagen: nomina sunt odiosa (Götzenstein!?). ^Seitdem liegt der Stein unten/
Falls die Sage von der Rückkehr des Steines an seine Stelle alt ist (und nicht erst
hei^leitet von den thatsächlichen Versuchen, ihn fortzuschaffen, um ihn zu ver-
bauen, was wahrscheinlich, aber noch festzustellen ist), so wäre sie zusammenzustellen
mit den mannichfachen älteren Berichten, dass alte Heiligthümer, auch solche von
Stein, z. B. zu Mariaort bei Regensburg, die zur Verehrung irgendwie weggebracht
waren, immer wieder an ihre ursprüngliche Stelle zurückkehrten'}.
Vom Stein bis auf den Berg, wo er früher gelegen, ist, von S. nach N.,
50 Schritt (über den Berghang abgeschritten). Jenseit des Berges dehnt sich der
Sumpf aus, auch ^Busch^ genannt, weil er mit Laubholz bestanden ist, der den
grossen und kleinen See verbindet. Zu einer Zeit wird vormals hier also See ge-
wesen sein. Der Sumpf greift an dieser Stelle zungenförmig in den Berg ein.
Vom Stein bis hierher zum Sumpf, über den Berg weg, in der Richtung von S.
nach N. sind etwa 120 Schritt. In diesem Winkel, wo der offene, schwarze,
schillernde Morast sich zeigt, soll „eine alte Kirche in dem Sump versunken^ sein,
ebenso sollen ^früher die Häuser von Görbitzsch bis hierher gegangen^ sein. Dass
das Dorf Görbitzsch sich jemals bis hier ausgedehnt habe, ist undenkbar; wohl
aber mag die Erinnerung an alte vorgeschichtliche Ansiedelungen sich hier er-
balten haben ^ die in Hinsicht auf den Burgwall u. a. erklärlich wäre. Die Sage
von einer versunkenen Kirche, so allgemein sie ist, könnte doch einen thatsäch-
lichen Untergrund hier haben, sei es, dass man Opfer oder Heiligthümer in den
See versenkte, oder dass bei Einführung des Christenthums ein Sinnbild des alten
Dienstes in den See oder Sampf gestürzt wurde.
„Von den Schwedenschanzen ^, heisst es, „ist immer der Nach^äger gekommen
und nach dem grossen See gezogen. Er hatte immer denselben Strich und zog
von Mittag nach Mitternacht^. Er soll auch immer bei dem Stein vorbeigezogen
sein, wenn er von den Schwedenschanzen kam. Wenn ich richtig verzeichnet habe,
so liegt der Farbenstein von den Schwedenschanzen aus in der Richtung von S.
nach N. Sein Kommen war so ^regelmässig (d. h. so oft), dass die „„mehrsten^^
Leute, wenn sie da bei den Schwedenschanzen vorbei mussten, frühzeitig, vor
Nacht nach Hause gingen, weil sie sich gefürchtet haben*^. „Auch ging keiner^,
so heisst es weiter, „allein an die Schwedenschanzen, um Streu zu harken, weil
grosse Vögel da waren, die pu-hu schrieen". Ich erwähne, dass der Uhu (Strix
bubo L.) hier nicht mehr vorkommt, weil am Karschensee, weiterhin gelegen, seine
Stimme bereits sagenhaft geworden ist. Es wird ferner erzählt, dass, wenn der
Nachtjäger über den grossen See zog, seine Hunde durch das Wasser schwammen
und da8s früher ein Fischer Mamerski in Sommernächten, wenn er dort fischte,
zur Zeit der Erscheinung an's Land fuhr, und da wartete und den Nachtjäger vor-
beiliess, damit sein Kahn nicht umgekehrt würde. Dies ist eine zweite natürliche
Seite von diesem Nachtjäger. Denn Wirbelwinde drehen die Kähne um und zer-
schlagen sie und wühlen im Wasser, dass es sich anhört, als seien Pferde in der
Schwemme, wie ich als Ohrenzeuge weiss. Allgemeiner unter den Landleuten hier,
aber auch weiter in der Umgegend heisst es, dass der Nachtjäger zu Pferde war
und zwei Hunde hatte.
Da in Holstein, Meklenburg und Pommern noch heute unter dem Landvolke
der wilde Jäger Wode heisst, also noch heute nicht bloss die Erscheinung des
Gottes Wodan, sondern sein Name in der Erinnerung fortlebt, nach so vielen Jahr-
1) Vergl. Panzer, Bayerische Sagen, 1855, II, u. a. m.
Verbandl. der Berl. Antbropol. GeselUrhaft \S^7. 28
(434)
handerten, da ferner der Gott Odin zwei Wölfe hatte*), Wodan wesentlich gleich
Odin ist, und der Nachtjäger in der Neomark, in der Niederlaositz und im westlichen
Schlesien dasselbe ist, wie der wilde Jäger, da endlich ein slavischer Gott mit zwei
Hnnden in Deutschland nicht bekannt ist, so darf man in dem Nachtjäger, der ron
den Schwedenschanzen bei Görbitzsch kommt, den germanischen Wodan sehen.
Alle diese Beziehungen, namentlich in Hinsicht auf den Rundwall, scheinen
auf alte HeiligthUmer hinzuweisen, die ja auch irgendwo gewesen sein müssen.
Dass solche „mythologischen^ Erinnerungen in verschiedenen Theilen Deutsch-
lands aus der heidnischen Zeit bis in die Jetztzeit sich erhalten haben, hat erst
neuerdings wieder Hr. Götze an einem ausgezeichneten Beispiele dargethan').
3. Der Borchwald bei Rlauswalde.
Von der Stadt Reppen (Kreis West-Stemberg) 5 km entfernt in nordöstlicher
Richtung liegt der „BurgwalP, im Volke genannt „Borchwald^ rings umgeben
von einer ausgedehnten Wiesenau, die auf allen Seiten von Bergen umschlossen
wird. Durch die Au fliesst in vielfachem Zickzack, südlich am Burgwall vorbei
in etwa 100 Schritt Entfernung der Eilangfluss. Der sogenannte Burgwall, denn so
wurde mir die ganze Erhebung bezeichnet, besteht aus drei zusammenhängenden
Beigen, die durch muldenartige Einschnitte von einander getrennt sind. Von den
zwei grösseren Bergen liegt der eine nach Westen, der andere nach Osten zu; der
mittlere, kleinste schiebt sich nach Norden vor. Die Gesammtlänge von 0. nach
W. beträgt 1250 Schritt. Der westliche Berg liegt nach der Generalstabs-Karte
(1985 Reppen, 1 : 25000, Aufnahme von 1894) 67,8 m über dem Meer. Vom mittleren
Berge führt ein dammartiger Weg, 100 Schritt lang, durch die Wiesen, nördlich
in den Wald. Die Aussicht von der flöhe des westlichen Berges über das Wiescn-
thal und die Eilang ist sehr schön. Die Kuppen des westlichen und mittleren
Berges werden beackert, sonst ist Alles mit Wald bestanden, vorherrschend mit
Kiefern, aber auch mit Haseln, Espen, Hainbuchen, Eichen, Birken und Erlen.
Am Fusse des östlichen Berges blühen viele Waldblumen, darunter auch die durch
mittelalterliche Sage berühmte Springwurz (Impatiens noli tangere L.) In der Bütte
der Berge steht eine Scheune, auch ist in der Nähe ein gemauerter Brunnenkessel
voll Wasser von einem jetzt aufgegebenen Brunnen. Der östliche Berg läuft in
seiner zweiten Hälfte in einen steilen Kamm aus, der fast gleichmässig zu beiden
Seiten beträchtlich hoch und steil abfallt. Eine Strecke lang verläuft er fast gerade.
Zu meinem Staunen fand ich auf der Höhe des Berges einen glatten, gemauerten
Tanzboden, und in der Nähe einen Bock zum Auflegen von BierfUsschen, auch
einen Schiessstand. Es feiern hier Bewohner von Reppen, wie man mir sa^te.
Sommerfeste, also wie im Alterthum Tanz und Biergelage im Freien. Auf dem
mittleren Berge im Roggen-Stoppelfeld (Juli 1897) fanden sich beim Suchen und
Nachgraben, oben auf der Ackerkrume und bis in 1 Fuss Tiefe, vorgeschichtliche
Scherben vorslavischer Zeit in kleben Bruchstücken, auch Kohlenstückchen. Ob
letztere vorgeschichtlich sind, bleibt xmgewiss. Unter den Scherben waren auch
solche von feinen, schön rothbraunen, innen und aussen sehr glatten, auf der Aussen-
Seite, aber auch innen etwas, glänzenden kleineren GePässen. Wälle habe ich
nicht bemerkt, doch war meine Zeit beschi-änkt. Ich werde die Stelle noch einmal
1) Grimm, Mythologie, Berlin 1875, I. 122: .Noch ein Schwank bei H. Sachs I.
5, 499) weiss, daas sich Gt»tt der Herr die wiilfe zu Jagdhunden erwählt hatte.**
2) Zeitschrift für Ethnologie. Verhandi. isi«;, S. IIG — 118: Die HimraeUhurif bei
Mellingen (Sachsen-Weimar).
A ^
(435;
aufsuchen. Der Burgwall liegt zwischen den Ortschaften Reppen, Tomow und
KInuswalde.
Im Volke heisst es, dass früher eine Ritterburg hier gestanden habe.
4. Das alte Haus bei Sternberg.
Das sogenannte ^alte Haus^ liegt 2 km nördlich von Stemberg (Kreis Ost-
Stemberg) an der Eilang. Es schiebt sich hier eine bergige, mit Laubholz be-
standene Landzunge von N. nach S. vor. Sie ist auf drei Seiten von Wiesen
umgeben, die vormals vielleicht Sumpf oder See waren. Auf der West- und
Südseite wird sie in 30—100 Schritt Entfernung von der Eilang umflossen. Das
alte Haus besteht, soweit ich gesehen, aus einer Anzahl von Erhöhungen und
Vertiefungen, die künstlich auf und aus dem Berge hergestellt worden sind,
dargestellt auf der Generalstabs - Karte (1986 Stemberg, aufgenommen 1894).
Die Ausdehnung von N. nach S. beträgt nach der Karte 300 Schritt, in die
Breite fast 200 Schritt. Auf einer Fläche oben, wo ein Ackerstück gepflügt war,
sah ich Stücke von Ziegelsteinen, auch Feldsteine. Vermuthlich waren hier Ge-
bäude in früherer, wohl mittelalterlicher Zeit, doch habe ich die Anlagen nicht
weiter durchsucht Nicht unwahrscheinlich wäre es, dass sie einen vorgeschicht-
lichen Untergrund hätten, wie so vielfach. Die Lage muss als vortheilhaft be-
zeichnet werden. Jetzt ist „das alte Haus^ nur noch Flurname und die Stätte dient
zu Vergnügungs- Ausflügen für die Stemberger.
5. Der Beelitzer Heiden-Kirchhof.
Von der Stadt Stemberg 5 km westlich liegt das Dorf Pinnow. Von da
führt nordwärts ein Fahrweg nach dem Dorfe Biberteich. Ihn kreuzt 500 Schritt
südlich vor dem Eilang-Fluss ein Waldweg, der links, westlich, nach dem Dorfe
Beelitz [Kreis West-Steraberg] *) führt Das Gelände ist hier mit grauem Finken-
moos und dürftigem, durch Streuharken verkommenem Kiefernwald bedeckt. Jen-
seit der Kreuzung, rechts vom Waldweg, waren viele vorgeschichtliche Gräber,
soweit ich nach den Graben und Steinen übersah, in einer Längenausdehnung von
180 Schritt Ebenso waren und sind noch Gräber auf der linken Seite vom Wald-
wege. Die Gräber rechts und eine Anzahl links sind bereits eröfl'net, wie mir ge-
sagt wurde, in der Mehrzahl von den Besitzem, Bauern in Beelitz, um Steine heraus-
zuholen. Dabei wurden alle Gefässe zerschlagen. Eine Anzahl hat Hr. Predigt-
amtscandidat Willich aufgegraben. Sämmtliche Gräber scheinen ursprünglich
Hügel gehabt zu haben. Sie müssen reich an Steinen gewesen sein. Ich sah
unter den zurückgelassenen einzelne sehr grosse Steine von mehr als 2 Fuss Länge
bis IV 2 Fuss Breite. Auch fielen mir hin und wieder ganz platte, flache Steine
auf. Es lagen vorslavische Scherben und Knochen von Leichenbrand umher. Die
Stelle soll früher keinen Namen gehabt haben; Heiden-Kirchhof heisse sie erst,
seitdem die Gräber dort aufgefunden sind.
Der Nachtjäger soll um Mittemacht am Heiden -Kirchhof vorbeiziehen und
zwar von Mittag nach Mitternacht, nach der Eilang zu. Als Leute (deren Namen
genannt werden) vorbeifuhren, „haben sie ein Paar schwarze Hunde gesehen, die
Augen funkelten. Die Pferde sind stehen geblieben und nicht von der Stelle ge-
rückt." „Ebenso hat er durchgejagt durch die sehr grosse Liebensche Heide (weiter
nördlich), wo viel Laubholz war, nicht weit vom Theerofen daselbst Er hat
1) A. Richter, Ortschafls-VerzeichDiss der Provinr Brandenburg (1879) rechnet Beelitz
irrthumlich zum Kreise Ost-Steniberg.
28*
(436)
immer eine Richtung gehabt von Mittag nach Mitternacht und war immer zu be-
stimmter Zeit zu hören, zwischen 1 1 und 1 2. Er hatte zwei Hunde, einer hat grob
gebellt, einer fein. Aber sie sagten, man dürfe den Hunden nicht nachbellen, sonst
kam er geritten und schmiss ein StUck Pferdefleisch zum Fenster *rein.^
6. Feuerstein-Werkstätten und Gräber am Rüchenteich.
Von Stemberg 4,5 km nordöstlich liegt in Wiesen, durchströmt von der Ei lang,
ein See, genannt der Küchenteich (Kreis West-Stembei^}, angeblich, weil für das
Gut Pinnow die Fische dort gefangen wurden, wie noch jetzt Oestlich und westlich
von den Wiesen am Küchenteich steigen Berge an. Die Berghöhe östlich (Kreis Ost-
Sternberg) gehört zum Rittergute Kemnath und erreicht in ihrer Kuppe beim ,.StalP
129,9 m Höhe, während der Küchenteich 72,4 m über dem Meer liegt. Diese öst-
liche Berghöhe dehnt sich an den Wiesen nordwärts, vom Küchenteich ebenfalls
nördlich, aus. Hier durch die Wiese, 200 Schritt vom Küchenteiche ab, führt ein
Fahrweg von Westen nach Osten. Genau in der Richtung des Wiesenweges, der
am Fusse des Berges nach Süden abbiegt, sieht man in mittlerer Höhe am Berge
eine kahle, weisse Sandfläche von etwa 155 Schritt Länge und 85 Schritt Breite,
die sich nur sehr massig senkt. Sonst ist der Berghang hier mit Heidekraut und
Buchsbart bewachsen, hin und wieder mit Birken, Kiefern und Haseln. Früher
waren die Berghöhen hier mit Wald bestanden, sie sind aber von verschiedenen
Käufern oder Besitzern des Gutes Kemnath abgeholzt worden. Der leichte Sand
der kahlen Fläche wird viel vom Winde verweht, auch bei starkem Regen vom
Wasser abwärts geschwemmt; deshalb wäre es möglich, dass hier und da unter
dem Sande noch eine ältere Bodennarbe liegt.
Ich sah auf 100 Schritt Länge im Sande viele Stücke von Feuerstein-Knollen
liegen und zahllose von Menschen hergestellte Feuerstein-Spähne, geschickt ge-
schlagen und wie Glas klingend, Bruchstücke von Messern, einzelne Schabern ähn-
liche Stücke, mehrere eigenthümliche rundliche, scheibenartige Stücke, dreieckige
Stücke wie zu Pfeilspitzen. Ein solches Stück wenigstens, mit scharfer Spitze,
zeigt deutlich eine derartige Absicht, denn an der einen Schneide bemerkt man kurze
Schlagmarken, eine neben der anderen. Ein flaches Stück (S. 440, Fig. 38) war so
scharfkantig, dass ich Dreiecke aus Papier auf harter Unterlage damit ausschneiden
konnte. Auch pfriemenartige Stücke finden sich. Eines hatte eine sehr scharfe
schmale Spitze, die bei meinem etwas lebhaften Versuche, starkes Leder damit
zu durchbohren, abbrach. Manche Scherben sind so durchsichtig, dass man Ge-
drucktes und Geschriebenes darunter lesen kann. Einzelne Bruchstücke von Spähnen
aus röthlichem Feuerstein sind so schön wie Achat Es war hier also eine, oder
mehrere Feuerstein-Werkstätten. Mutterknollen aus Feuerstein finden sich zahl-
reich am Berge und in der ganzen Umgegend.
An zwei Stellen der kahlen Fläche traf ich vorgeschichtliche vorslavische
Scherben in kleinen Bruchstücken, ebenso Stückchen von Arm- und Beinknochen,
die steinhart und schwer geworden sind, von Leichenbrand herrührend. Es waren
also Gräber hier, doch stiess der 3V, Fuss lange Sucher nirgends in der Erde aut
Gefässe. Ebenso blieben Nachgrabungen ohne Ergebniss. Auch fand sich der in
hochrothem Rost lebhaft glänzende Kopf eines eisernen Nagels (8. 440, Fig. 26, 27),
und ein kleines Stückchen einer schwammartig löcherigen, rostfarbenen Masse, wie
Eisenschlacke aussehend, aber nicht schwer und rothfarbend wie Röthel.
An einer Stelle, aber hier in weiterer Ausdehnung, lagen, von Strähnen her-
rührend, viele kurze und längere, zackige, graue Bruchstücke von geschmolzenem
Sand, glasartig klin>rend und innen zu Glas verschmolzen. Jedenfalls hat hier wohl
(437)
der Blitz eingeschlagen. Mit Ausnahme der Endstücke zeigen diese Bildungen im
Querschnitt eine flache oder auch runde, röhrenartige Aushöhlung, letztere bis
5 mm im Durchmesser, durch die der Blitz hindurchgegangen ist Es würde be-
stätigen, was ich früher beim Landvolke hörte, dass der Blitz durch Fenster-
scheiben Löcher wie Erbsen schlug.
Ein Stück meergrünes Glas gehört wohl unserer Zeit an.
Alle diese Gegenstände lagen durcheinander, besonders zahlreich nach starken
Regen. Praglich bleibt, ob die Feuerstein- Werkzeuge zeitlich zu den Gräbern ge-
hören. Was die zertrümmerten Gefässe anbetrifft, so wäre es denkbar, dass sie
beim Ausroden yon Riefern-Stubben zerschlagen wurden im letzten oder in früheren
Jahrhunderten. Denn in der Umgegend brannten Theerofen noch in diesem Jahr-
hundert. Zwei Höfe heissen nach^solchen: „Kemnath -Theerofen", JOOO Schritt,
und ^Theerofen", südwärts an der Eilang, 1700 Schritt von hier entfernt
Noch eine Erscheinung verdient Erwähnung. An einer Stelle sieht man im weissen
Sande eine dunkle Schicht aus schwarzem Boden, wie mir schien von Holzkohle
herrührend, ausgedehnt in einem Doppelbogen, wie Fig. % ade zeigt. Der Bogen
ad ist etwa = 32 Schritt, ab = 21 Schritt, r d = 32 Schritt;
a liegt am höchsten, ad und ac haben Fall, wie der Berg '*^- ^'
hier. Die Linie a d ist ungefähr von 0. nach W. gerichtet. ^
Vorslavische Scherben lagen etwa in der Mitte und aussen '.^
an den beiden Bogen, doch nur wenige hier und da, und V
Feuerstein -Spähne. Bei ef ist die dunkle Schicht etwa /
handbreit tief, beim Nachgraben fanden sich Kohlenstückchen ^/
darin. Nach g und h zu wird sie flacher. Auch wechselt
sie in der Breite: bei a ist sie etwa 1,80m breit, bei hd ^ i^. W
dagegen breiter vom Regen ausgewaschen; wie überhaupt die >^
Bogen nach unten hin, nach c undd, verwaschener erscheinen.
Bei^r fehlt die schwarze Schicht Es fragt sich, ob der dunkle Boden hier von
Feuern herrührt? und dann, ob von Feuern der vorgeschichtlichen oder späterer
Zeit? Ob die eigenthümliche Gestalt durch die Lage der Feuerstellen oder durch
Abschwemmung am Berge hervorgerufen wurde? Gegen die Vorzeit könnte sprechen,
dass die ziemlich regelmässige Form durch die Wurzeln starker Bäume und durch
späteres Ausroden von Stubben hätte gestört werden müssen, für die Vorzeit die
Form, und der vorgeschichtliche Boden hier.
7. Gräber am Ost-Ausgange von Görbitzsch.
Der Hofbesitzer Alisch, früher in Görbitzsch (Kreis West -Sternberg), jetzt
zu Adolphsruhe, theilte mir (1897) mit: „150 Schritt vom Dorfe, links (westlich)
vom Wege nach Pinnow, ist ein freier Fleck, jetzt beackert und dem Kossäthen
Maass gehörig, früher einem gewissen Semann. Da war früher ein Kirchhof. Es
waren mehrere Hibbel (Hügel), rund, etwa 12 bis 14, und Steine darin, grosse und
kleine. Die Steine lagen in der Erde und darüber (oberhalb des Erdbodens), aber
immer war Erde zwischen allen Steinen. Alte Töpfe mit Henkeln und Scherben,
und Asche wurden gefunden. An einer Stelle waren 4 flache Steine, kaum 3 Zoll
(8 cm) stark und etwa 3 Fuss lang und ebenso hoch, im Viereck wie ein Kasten
zusammengestellt. Darin stand ein Topf und rings zwischen Topf und Steinplatten
war Erde. Das war vor mehr als 50 Jahren. Wer Steine brauchte, hat sie von
dort geholt Ich selbst habe auch viele Steine zum Kellerbau und zum Backofen
herausgenommen. Der Keller hatte 12 qm,*^
Unter Asche verstehen die Landleute in solchem Fall, so oft ich es bemerkte,
(438)
den durch die Knocheniheiiehen grau gewordenen Inhalt der Urnen. Die Höhe
der Steinplatten von 3 Fuss, vielleicht auch die Länge, dürfte wohl überschätzt
sein. Ich hatte nicht mehr Gelegenheit, diese Stelle zu untersuchen, obwohl ich
öfter vorbeigekommen.
8. Gräber beim Neuen-Vorwerk bei Görbitzsch.
Nach der Aussage des Hofbesitzers Götze in Görbitzsch waren früher „hinter
Görbitzsch, in der Gegend beim neuen Vorwerk, 800 — 900 Schritt von da nach
Morgen, in der Nähe eines Grabens, zwei Stellen, getrennt durch den Graben, in
einiger Entfernung von einander,^ wo vorgeschichtliche Gefasse gefunden wurden.
Den ersten Topf, den Götze vor Jahren dort vorfand, zeigte er dem des Weges
kommenden, jetzt verstorbenen Hrn. Major v. Kisselmann, dem Besitzer von
Görbitzsch, der das Gefass als Todtenurne erklärte, die herstamme vom „Volks-
stamm der Semnonen^. Um zu sehen, was darin sei, wurde das Geßiss aus-
einandergeschlagen. „Auf dem Boden lag eine Hirnschale, vollständig erhalten.*^
9. Vorgeschichtliche Funde bei Kemnath-Theerofen.
Das Gehöft Remnath-Theerofen (Kreis Ost-Sternberg) liegt etwa 1000 Schntt
nordwestlich von den Feuerstein -Werkstätten am Rüchenteich. In W. und SW.
vom Wohnhause dehnt sich Ackerland aus bis zu einer baumreichen Schlucht,
durch die ein „Flüsschen^ fliesst, der Abfluss einer Quelle in einer Wiese östlich
vom Gehöft. Auf dem Acker, damals Brachland (Juni 1897), fand ich einen kleinen
Scherben von einem vorslavischen Gefass.
Zwischen Kemnath-Theerofen und der Pinnower Mühle erhebt sich ein Berg-
rücken. Ein Fusssteig führt über denselben nach der Mühle. An dem nördlichen
Abhang, Kemnath-Theerofen zu gelegen, westlich vom Fusssteig, dehnt sich Acker-
land aus. Hier traf ich, damals (Juni 1897) Brachland, 200 Schritt südlich vom
Wohnhaus von Kemnath-Theerofen, einen vorslavischen Scherben von einem
feineren Gefass. Auf demselben Acker fand ich einen Feuerstein-Spahn.
10. Fundstelle auf der Landzunge an der Eilang.
Nahe dem Küchenteich liegt die Pinnower Mühle. Weiter abwärts au der
Eilang, 600 Schritt in der Luftlinie, die Steinick'sche Wassermühle. Unterhalb
dieser nach NW. durchfliesst die Eilang ein ausgedehntes Wiesenthal. In der
Luftlinie 1000 Schritt nordwestlich schiebt sich bis hart an die Eilang eine Land-
zunge (Rreis West-Stemberg) vor, etwa 120 Schritt lang, von sehr gleichmässiger
Form, und wegen ihrer Lage im Alterthum gewiss zu einer Ansiedelung sehr
geeignet An zwei Stellen, auf der Generalstabs-Rarte (1986 Stemberg) verzeichnet,
hat man in neuerer Zeit abgegraben. Am nordwestlichen Abstich fand ich einen
Feuerstein-Spahn, sonst auf dem ganzen Hügel trotz vielen Absuchens nichts.
Auf der Landzunge wächst in Menge eine Art Hauslaub (Sempervivum tec-
torum?) und wie ich später fand, auch noch an einer Stelle etwas weiter südlich
von hier an dem Berghang nach der Eilang zu. Bewohner der Umgegend wussten
nichts von seinem Vorkommen hier und kannten es nur von den Gräbern der
Kirchhöfe und von den Strohdächern her.
11. Fundstelle südlich von der Eilang.
Etwa 300 Schritt oberhalb der Landzunge mtlndet ein kleiner Bach in die
Eilang. Etwa 700 Schritt südwärts von dieser Stelle, östlich vom Bach, an einem
sehr flachen Bergabhange (Kreis West-Stemberg), 800 Schritt entfernt vom öst-
(439)
liehen Rand der Höllenkeiten, fand ich einen Feuerstein-Spahn, 5 cm lang und
1,6 cm breit (S. 440, Fig. 23).
12. Gesichtsnrnen bei Sternberg.
Da ich erfahren hatte, dass auf der Feldmark des Gutes Grundhof bei der
Stadt Sternberg (Kreis Ost-Stemberg) Altsachen gefunden wurden, so begab ich
mich nach dem Grundhof, um die Fundstelle zu besichtigen, traf aber Hrn. Knaak
dortselbst nicht zu Hause. Auf Anfragen von Berlin aus hatte Hr. Rnaak die
Güte, mir wiederholentlich Mittheilungen darüber zu machen, die ich zusammen-
gestellt hier wiedeigebe:
,,Ich habe sämmtliche mir bekannten Stellen durchsucht, wo Gräber durch den
Pflug aufgedeckt wurden. Nur an einer Stelle, in der Nähe des Hofes, auf einem
kleinen Hügel, fand ich 4 Gesichtsurnen. Sie hatten Deckel und Verzierungen.
Die Nase war erhaben, dreieckig, Augen und Mund nur durch Striche angedeutet.
Innen waren kleine Gefasse mit Asche, Kohle und kleinen Stücken, wie ich denke,
von oxydirter Bronze angefüllt. Leider zerfiel Alles an der Luft. Meine Knechte
hatten schon daran herumgearbeitet, ehe ich dazu kam. An einer anderen Stelle,
rechts von der Chaussee nach Zielenzig, auch auf einem kleinen Lehmhügel,
fanden sich zwei Kisten-Gräber mit 3 Skeletten, 2 grossen und einem kleinen.
Das eine grosse Skelet hatte einen stark gebogenen Schenkelknochen. Ich habe
mich sehr für die Funde interessirt, jedoch fehlt mir die Zeit, mich damit zu be-
schäftigen. Auf der Mittelmühle ist das sogen, ^alte Haus", das meines Erachtens
noch in seinem Innern viel Interessantes bieten dürfte. Wenn Sie dort nachgraben
wollen, würde ich gern die Vermittelung mit dem Besitzer übernehmen.**
Fig. 1 — 10 (S. 440) von der Schwedenschanze bei Görbitzsch. Fig. 1
Scherben mit einem Loch (4mm) von der Seitenwand eines Gefässes, äff seitliche Rich-
tung; Fig. 2, 3 von Hals und Ausladung zweier Gefasse; Fig. 4 mit breiten, flachen
Streifen um die Ausladung; Fig. 5 mit acht ganz flach eingedrückten Furchen; Fig. 6
mit tieferer Furche in der Ausladung, bei a der Halsansatz. Fig. 7 ein Stück von
rothgebranntem Lehm, bei a ein Stück scheinbar blaugrauen Thones, bei />/> der
glatte Abdruck eines Holzstabes (1,5 cm breit), der etwas gekrümrat gelegen hat,
vielleicht Wandbewurf von einem Gebäude: dies würde dann beweisen, dass ein Haus
im Rundwall stand und vermuthlich in Feuer aufging. Fig. 8 kleiner Scherben,
fast wie Steingut aussehend, im Bruch weisslichgrau, sehr hart, 5 mm stark. Fig. 9
feiner braunfarbiger Scherben, 3 mm stark, ohne Burgwallmerkmale. Fig. 10 Stück
von einer Halsmündung, 8 mm stark.
Fig. IIa bis 14 vom Burgwall bei Klauswalde. Fig. 11 a Scherben, 5 mm
stark, von der Wandung eines nur mittelgrossen Gefässes, zeigt die Rundungen
von 4 etwas schräg gestellten Löchern. Ein Siebgefäss, vielleicht um von Quark
das Wasser ablaufen zu lassen, wie noch heute in der Mark (z. B. Zossen und
Umgegend) irdene, braunglasirte Gefasse mit Löchern dazu dienen und in Ober-
Bayern das hölzerne Kaskor oder Kaskoa mit je 6 Löchern in Wand und Boden*).
Ebenso vielleicht Fig. 1. Fig. IIA Scherben von grossem Gefäss, 8—9 mm stark,
Furchen von oben nach unten. Fig. 12 Kante, 12 mm stark, von einer Urne etwa
wie Fig. 13 zeigt; diese Form scheint häufiger hier vertreten. Fig. 14 von einem
grösseren Gefäss mit rauh gemachter Oberfläche.
1) Yergl. meine Angaben in den Mittheilungen der Wiener Anthrop. Gesellschaft 1896,
S. 68, Fig. 18, S. 84, und über den Gebrauch desselben S. 65.
(44(0
Fig. 15—22 ond 24 vom Beelitzer Heiden-Kirchbor. Fig. 15, 17—20
Scherben mit Furchen; Fig. 16 mit schräg and ziemlich tier eingestoBBenen Lächern
am Halse; Fig. 21, Ton einem grösseren GeföSB, zeigt sehr deatlich einen röthlicbeu
Ueberzag aa, der sich abblättert, daranter eine grane Schicht (pnnktirt!) nnd
darunter die gelbliche Qefasswand. Fig. 22 Loch (5 mm) in einem BodenstUck.
Fig. 24 bearbeiteter weisser nndnrchsicfatiger FenerBtein.
Fig. '2'J von der Landzunge an der Eilang, weiss, an durchsichtig.
Fig. 25 südlich von der Eilang, weiss, undurchsichtig.
Fig. 26—45 vom Bei^ am KUchenteich. h\. 26, 27 Kopf von einem eisernen
Nagel. Pig-2S— 43 Feuerstein-Geräth. Fig. 28 unfertige Pfeilspitze, schw&rzlii^
durchsichtig. Fig. 29, 30, 31, 41 vielleicht ebenso, weisslicb. uDdnrcbslchtig. Fig. 36
flaches, briiunliches Stttck mit sehr scharfkantiger Schneide. Aehnliche fanden si^
mehrfach. Fig. 39 fast runde Scheibe von hellem durchsichtigem Fenerstein, am
(441)
Rande stumpf. Die punktirten Stellen zeigen milchig gewordene ältere Schlag-
flachen, die übrigen frischen Brach.
Fig. 46 ans der Gegend von Kemnath-Theerofen, grau, undurchsichtig, an den
beiden Seitenkanten mit Schlagmarken.
13.[Der Stein bei Tornow.
Der Hofbesitzer Götze, jetzt in Görbitzsch, theilte als Augenzeuge mir mit:
^Vor 60 Jahren lag bei dem Dorfe Tornow (Kreis West-Steraberg) ein grosser
Stein. Er war länglich rand, etwa 5 Fnss lang und 4 — 5 Fuss pj^ ^^
O
o o
breit und sah 1 guten Fuss über die Erde. Oben auf dem Stein
war eine breite Platte. Es waren 4 Hufe darauf, als wenn ein
Pferd geht und in den weichen Stein tritt.** — Als ich die vier
Abdrücke aufzeichnete, wie sie rechts in Fig. 4 wiedergegeben sind,
äusserte er: ^Gerade so haben sie ausgesehen.^ ^
14. Der Stein bei Klauswalde.
Der Hofbesitzer Alisch und Sohn zu Adolphsrahe theilten als Augenzeugen
mir mit: ^Auf dem Privatwege von Biberteich nach Klauswalde (Kreis West-
Sternberg), eine gute y« Meile vor Klauswalde, dicht am Wege liegt ein alter Stein,
etwa 6 Fnss lang und 6—7 Fnss über der Erde. Oben waren 2 Pferdehufe darauf.
Das Stück haben sie aber abgesprengt und weggenommen. Der Stein liegt heute
noch da" (Juli 1897).
Ich bin zwar selbst den gewöhnlichen Weg von Biberteich nach Klauswalde
gefahren, wusste aber damals noch nichts yon der Lage des Steins; es werden sich
aber später die gemachten Angaben vergleichen lassen.
Frauen in Biberteich, die ich früher wegen des Steines befragte, meinten:
„Es sei eine „Eselstappe'' und ein Kinderfuss auf dem Stein. Es sei der Fuss
vom Jesuskinde.** Sie fügten aber hinzu, sie wüssien es nicht genau.
15. Der Stein bei Breesen.
Wie mir Frau Rittergutsbesitzer Kortim, gebürtig aus Breesen (Kreis Ost-
Sternberg), mittheilte, lag früher beim Dorfe Breesen, 200— 300 Schritt entfernt,
am Wege nach Ostrow, ein Stein, auf dem 2 „Hufe" (d. h. die Eindrücke) waren.
Derselbe ist vor mehreren Jahren zersprengt worden.
16. Der Stein bei Biberteich.
Hr. Willich zu Kemnath-Theerofen theilte als Augenzeuge mir mit: „Beim
Dorfe Biberteich (Kreis West-Steraberg) lag früher, nach Norden zu, unten am
Fuss der sogenannten Schlegel berge, ein Stein, der etwa 3 Fuss lang, 2 Fuss breit
und 1 Fuss über der Erde war. Auf dem Stein sah man zwei natürliche Hufe,
wie man ^ie im Wagengeleise sieht. Man konnte auch den Strahl (der Hufe) sehen.
Die Hufe waren wie in den weichen Stein eingedrückt Ausserdem war noch eine
Vertiefung wie ein Wagengeleise oder eine Schlittenspur eingeschnitten. Es sah
aus, als sei jemand mit dem Wagen über den Stein gefahren und das eine Ead
darüber gegangen, das andere daneben. Sie sagten immer: „Hier ist der Teufel
mit der Karre darüber weggekarrt. ^ Die Hirtenjungen kamen alle Tage zweimal
bei dem Stein vorbei. Vor 5 — 6 Jahren ist er zersprengt und dann (an der
Hintermühle bei Biberteich?) verbaut worden." (Die Vertiefungen sollen gewesen
sein, wie oben Fig. 4 zeigt. W. v. S.).
(442)
„Vom Stein 1000 Schritt ab, war das Ochsenfort, ein klein Wässerchen, das
nur im Frühjahr und Herbst war.'' Sie sagten immer: „Da spiekt (spukt) es. Es
sei immer ein weisser Hase mit drei Füssen da. Mal haben sie Feuer da ge-
sehen. Mal sahen sie einen Hand, der ganz glühend war.'^ —
Der „Hase mit drei Beinen'' ist nach alter Volksrorstellung ein Abbild des
Teufels und „Hans Märten" selbst
Danach wären noch zwei solche Steine, öffentliche Denkmäler, der Zerstörung
anheimgefallen, und das ungeachtet der Bestrebungen für die Denkmals-Pflege in
der Provinz Brandenburg. —
Fundstätten im Kreise West-Stemberg.
Da ich nachträglich erfuhr, dass sich Hr. Predigtamts-Candidat Will ich bei
längerem Aufenthalt in Biberteich viel mit den Alterthümem hiesiger Gegend be-
schäftigt hat, so bat ich ihn schriftlich um kurze Angabe seiner Fundstellen.
Hr. Willich hatte die Güte (am 16. August 1897) mir folgende Mittheilungen aus
Görbersdorf in Schlesien zu übersenden:
„1. Feldmark ron Görbitzsch.
a) Fundstelle unmittelbar vor dem Dorfe Görbitzsch am Wege, von Pinnow
kommend rechts, nur Scherben (vermuthlich dieselbe wie S. 437. W. v. S.).
b) Am Weg von Görbitzsch nach Bottschow, ungefähr die Hälfte des Weges
vom Dorfe entfernt auf einem Hügel, Mitte etwa zwischen See (Krumme See.
W. v. S.) und Weg.
c) Am Weg nach Gandern(?), von Görbitzsch etwa 1,5 km entfernt, nur
Scherben.
„2. Feldmark Belitz.
a) Am Weg von Biberteich nach Pinnow, 300 Schritt von der Eilang nach
Pinnow zu, rechts, am Grundstück des Bauern Forchert. Hügelgräber (dieselben
wie Seite 435. W. v. S.).
b) Am Weg von Belitz nach Klauswalder Mühle, links im Walde. Doppelume.
„3. Feldmark Bottschow.
Auf dem Predigerland, nicht weit vom Belitzer Wald und Weg. Umenscherben.
„4. Feldmark Biberteich.
Am Weg nach Lieben, 1 km vom Dorfe Biberteich entfernt, unmittelbar am
Weg und im Weg.
„5. Feldmark Kemnath (Kreis Ost-Stembei^).
In der Nähe von Kemnath-Theerofen liegen zerstreut germanische Scherben;
ich habe dort aber keine Stelle gefunden, von wo sie zerstreut sein könnten (die-
selben wie S. 438. W. v. S.).
Die unter 1., 2., 3. und 4. genannten sind Gräberfelder germanischer Art vom
ältesten und rohesten Typus bis zu den elegantesten Buckelumen. Bei 2 a, Belitz-
Cilang, Bronzefunde (Pfeilspitzen, Bronze-Spirale, eine Art von Messerchen, dünn
wie Blech; in der Gubener Gynmasial -Sammlung, auch ein Theil im Märki-
schen Museum). Keine Eisensachen. Ein Steinbeil wurde von mir gefunden
auf dem Urnenfelde am Görbitzsch -Bottscho wer Wege (l.b), nicht mit anderen
Gegenständen zusammen, sondern abseits zerstreut, flach im Sande. Steinbeile
kamen sonst nicht vor, nur beim Bau der Reppen-Drossener Eisenbahn, irgendwo
zwischen Beppen und Drossen. Näheres nicht bekannt
„6. Burgwall im Eilangthal bei Klauswalde.
Nur wendische Scherben (vergl. S. 434. W. v. S.).
(443)
„7. Burgwall bei Görbitzsch im Bachwald.
Nur wendische Scherben (dieselben wie 8.431. W. v. S.).
„8. Biberteich.
In Biberteich, am Teich der Schlossmühle, eine Stelle mit einer Unmenge
wendischer Scherben. Nach dem Dafürhalten des Hm. Buchholz vom Märkischen
Museum eine wendische Töpferei.
^9. Von neueren Sachen
wurde gefunden eine eiserne Pfeilspitze der Hussitenzcit (Gubener Gymnasial-
Sammlung).
Die Funde datiren aus den Jahren 1888—90. Die Fundorte sind im Märkischen
Museum bereits alle bekannt.^
Soweit Hr. Will ich.
Das erwähnte Steinbeil (Fig. 5) vom Urnenfeld am Görbitzsch-
Bottschower Wege, das ich ankaufte, um es einem Museum ^^^* "•
zu übergeben, ist 7,8 cm lang, 4,2 cm hoch und 3,6 cm breit.
Das Stielloch (1,6 cm Durchmesser an der Mündung) ist nicht
fertig geworden, die Bohrung geht nur 13 mm tief. Der Zapfen im
Bohrloch ist etwa 8—9 mm hoch stehen geblieben. Soweit wurde
er TerkUrzt, aber auch an zwei Seiten desselben hat man
Stücke entfernt.
Wenn man die vorstehend angeführten Fundstellen auf der
Karte einzeichnet, so ersieht man, dass einige derselben auf
Wegen, andere in der Nähe von Wegen liegen, die noch heute
befahren werden und Ortschaften verbinden, und wie es hier ist,
wird es vielfach anderweitig sein. Da liegt doch die Yermuthung nahe, dass Fried-
höfe auch im Alterthum nahe an Verkehrswegen angelegt worden sind und dass viele
der heutigen Fahrwege auf dem Lande noch genau so verlaufen, wi^ einst in der
(germanischen) vorgeschichtlichen Zeit, zumal da auch die heutigen Dörfer in sehr
grosser Zahl an Stätten oder sehr nahe an Stätten liegen, wo vorgeschichtliche Gräber
oder auch vorgeschichtliche Ansiedelungen waren. Ich glaubte schon früher, auf
Grund anderer Erwägungen, eine solche Ansicht aussprechen zu dürfen^). £s würde
sich daraufhin eine Karte nicht nur der vorgeschichtlichen Gehöfte oder Ortschaften,
sondern auch vieler alten Verbindungswege herstellen lassen. Aus der Thatsache,
dass sowohl in der Neuzeit wie im Mittelalter, in der wendischen Zeit und in der vor-
herigen germanischen Zeit gewisse selbe Ortschaften bewohnt gewesen sind, so dürfte
sich doch wohl ergeben, dass allzu lange Unterbrechungen in der Bewohnung nicht
stattgefunden haben werden. —
Der Lindenhörst bei Lüdersdorf.
Ich hatte erfahren, dass Herr Lehrer Meier in Lüdersdorf (Kreis Teltow,
Brandenburg) Altertbümer gefunden habe, und er selbst theilte mir mit, als ich
ihn bei der Rückkehr nach Berlin in Lüdersdorf aufsuchte, dass er eine Er-
hebung in den Wiesen dortselbst, Lindenhörst im Volke genannt, für einen Wall
halte und ebenda Scherben gesammelt habe. Ich begab mich deshalb (31. Mai 1897)
nach Lüdersdorf. Die Entfernung nach dem in südlicher oder südwestlicher Rich-
tung gelegenen Lindenhörst sollte Vi Stunde betragen. Die Wiesen waren aber in
Folge andauernden Regens sehr nass, zum Theil überschwemmt. Ich musste daher
1) Brandenburgia 1897, S. 140, 141.
(444)
Umwege machen und auf verschiedenen Dämmen gehen, die in den Wiesen angelegt
sind und znm Henabfahren dienen. Wie alt die Dämme sind und ob sie sämmt-
lieh oder theilweise aus der Zeit vor oder nach der ^Separation^ stammen, erfahr
ich nicht, da ich wegen frühzeitiger Rückkehr nach Berlin die alten Leute des
Dorfes nicht mehr darüber befragen konnte. Der letzte Damm oder Dammweg
führt unmittelbar auf den Lindenhörst zu. Es war nothwendig, hier öfter durch
Wasser zu gehen, das auf demselben stand. Der Lindenhörst, Lüdersdorfer
Bauern gehörig, erwies sich als eine länglich ronde Erhebung von 4 — 5 Fuss Höhe,
die, soweit äusserlich zu erkennen war, aus einem Hügel und aus einer Auf-
schüttung besteht. Wie weit der gewachsene Boden reicht, und wo überall die
Aufschüttung beginnt, wäre nur durch den Spaten festzustellen. Dies war damals
nicht angängig, weil der Rundwall, um ihn so zu nennen, mit hohem Grase bestanden
war. Der hohe Graswuchs hinderte auch, genauer den Umriss und die Böschungen
mit dem Auge zu verfolgen. Die Oberfläche war fast gelb von den Blüthen der Spel-
blume (Kanunculus) und vielfach blau von Mannstreu (Veronica), während mehr
am Rande Gänseblümchen (Bellis perennis) wucherten. Der Lindenhörst hat keinen
eigentlichen Wall und keine Vertiefung im Innern, sondern liegt wie eine flache,
umgekehrte Schüssel im ehemaligen Sumpf. Eine Längsausdehnung etwa von SW.
nach NO. maass ungefähr 162, eine Breitenausdehnung etwa von NW. nach SO.
128 kleine Schritt. Er wäre danach länglich rund.
An der Südseite des Rundwalls, nicht weit entfernt von ihm, liegt ein randes
Wasserloch (etwa 10 kleine Schritt lang?). Dasselbe war früher grösser, um es
mehr zuzuschütten, hat der Besitzer nach Hm. Meier's Angabe Erde vom Südrand
des Lindenhörst abgegraben und in's Wasser geworfen. Ein zweites Wasserloch, etwa
ebenso gross und 10 kleine Schritt vom Rundwall entfernt, liegt auf einer and^n
Seite. Die zwei fast runden Wasserstellen machen genau den Eindruck, wie die
alten „Tränken" (Viehtränken), die hier überall bei den Dörfern auf den ehe-
maligen Viehhutungen, jetzigen Wiesen, noch zu sehen sind. Sie wuitlcn von den
Bauern vormals ausgegraben für das ^Vieh*^, das in der Zeit der Gemeindeweiden
und Gemeindefelderwirthschaft^) Tags über draussen weidete, während die Pferde
auch über Nacht in den Nachtbuchten') verblieben, die besonders dazu umhegt
waren. Ob nun diese beiden Wasserlöcher schon aus alter, oder erst aus neuerer
Zeit sind, darüber konnte ich wegen Zeitmangels nichts feststellen.
Da, wo der Südrand des Lindenhörst abgegraben ist, sieht man, dass der Rund-
wall hier aus gewachsenem Boden besteht, und zwar aus einer Art weissen, kalkigen
Mergels. Zahlreiche Krümel von einem scheinbar ähnlichen Meigel habe ich seiner
Zeit auf dem Miersch'schen Acker bemerkt beim Dorf Burg im Oberspreewald,
wo der zweite Burger Bronzewagen, im Besitze des Hm. Virchow*), gefunden wurde
und in mehreren vorgeschichtlichen Getässen auf dem Muschink *) bei Müscben im
Oberspree wnld. Auch sonst noch sieht man hier im Wiesengelände und in Acker-
stücken bei Lüdersdorf den gleichen weissen Mergelboden. An andem Stellen aber,
oben und an der Böschung, zeigt der Rundwall dunklen Boden, wie namentlich an
den Maulwurfshügeln zu bemerken war, wo ihn die Maulwürfe von unten hermuf-
gestossen hatten. Es ist also vermuthlich ein Theil des Rundwalls in alter Zeit
1) Vergl Brandenburgia 1896, S. 214-226.
2) Ebenda 1897, S. 119, 120.
8) Hier ist wohl der erste Burger Wagen gemeint (s. Vcrhandl. 1876, S. 241).
R. Virchow.
4) Einer Erhebung mit vorslavischem Friedhof.
(445)
aufgeschüttet worden, ebenso wie er die gleichmässig länglich-runde Gestalt von
Menschenhand erhalten haben dürfte, wenngleich sonst hellsandige Erhebungen von
ziemlich regelmässiger Form auch in hiesiger Gegend vorkommen.
An der Stelle gegen Süden, wo der Rand in gewisser Länge abgegraben ist,
liegen viele Scherben im Boden, also auf der Sohle des Randwalls, was ihre
Ticfenlage anbetrifft. Ob sie immer so tief gelegen haben oder erst durch das
Abgraben so tief geitommen sind, konnte ich nicht feststellen. Ebenso fanden sich
solche Scherben an mehreren anderen Stellen, aber nur an der Böschung, durch
Maulwürfe ausgeworfen. Auf der Oberfläche des Rundwalls habe ich keine bemerkt;
hier war das hohe Gras hinderlich. An der abgegrabenen Stelle sieht man ausser
Scherben noch ungebrannte Knochen, u. a. sehr starke Gelenkstücke vom Pferd oder
Rind(?). Auch ein Stück Kiefer mit mehreren Zähnen fand ich, ebenso Stücke
von Schalen der Teich- oder Flussmuschel, die sehr schön perlmutterartig
glänzten. Von zwei flachen Stücken bräunlichen Feuersteins zeigt das eine sehr
deutlich Merkmale der Bearbeitung. Die Scherben sind jedenfalls in Folge von Ein-
flüssen seit ihrer Lagerung, sehr hart geworden.
Fig. 6.
Fig. 1, 2 Grauer Scherbon mit
einer Reihe von Höckern, die an
der Ausladung um das GefEss
herumgingen; Fig. 1 von oben,
Pifl^. 2 von der Seite. — Fig. 8
Scherben von einem groben
Topf oder Napf mit Furchen
von der Mdndung nach unten.
Fig. 4, 6 Scherben von Mün-
dung und Ausladunp: mittel-
grosser Gefftsse. Fig. 5 von
dünnwandiger Tasse od. Napf.
Fig. 7, 8 bearbeitete Feuer-
steinstücke.
Ich habe nur vorslavische Scherben gefunden, keine aus wendischer Zeit.
Sollten auch im Innern des Lindhörst keine Scherben aus slavischer Zeit vorhan-
den sein, so gehört er zu der geringeren Zahl derer in der Mark, die rein vor-
slavisch sind und wäre dann wohl als germanisch zu betrachten. Ihm schliesst
sich in der Nachbarschaft, etwa eine Stunde von Lüdersdorf entfernt, ein vor-
slavischer, ebenfalls bisher unbekannter Rundwall an, den ich auf dem Gadsdorfer
Höilenberge auffand und bereits beschrieben habe^). Obgleich ich im Laufe
mehrerer Jahre Gelegenheit hatte, die Gadsdorfer Gegend in Hinsicht auf Alter-
thUmer genauer kennen zu lernen, so habe ich doch nicht das geringste Stück von
Töpferei wendischer 2jeit bemerkt. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass hier,
in einem beschränkten Umkreise, das Wendenthum nicht so fest eingewurzelt
nachweisbar war, wie anderswo. Trotzdem deuten vereinzelte wendische Flurnamen
auf der Gadsdorfer Feldmark [Dahren, Bahren (Jehren?), Iliensche]') die dauernde
Anwesenheit der Wenden') im frtihen Mittelalter hier an.
1) Brandenburgia. Berlin 1897. S. 128, 144.
2) Ebenda S. 121, und 18%, S. 219, Anmerk. 22, 24.
3) Bei Klein-Schulzendorf, 4000 Schritt westl. von Lüdersdorf^ heissen (nach einer Mit-
heüuog des Kossäthen Heinrich) Ackerstücke: Naselabbe, Natkladde, Narnbitze, Nakaschlize.
(446)
Es haben sich zwar in Gadsdorf (eine halbe Stunde von Lüdersdorf entfernt)
und Umgegend wendische Worte noch in der Umgangssprache der Landlente er-
halten, so die Worte Miese, Küzel, Mure, Kusche, Kuensch, Moch, Kuzel oder
Kuschel'X wohl auch panken*), und vielleicht Buze, inbuschen, Pujje*); indessen
ist zu bemerken, dass nachweisbar in Gadsdorf die Bevölkerung durch Zuzug in
diesem Jahrhundert sehr gewechselt hat.
Es findet sich hier eine grosse Anzahl rein deutscher Bewohner, nach ihren
Namen und auch ihrer äusseren Erscheinung zu urtheilen. Aber auch sie ge-
brauchen die wendischen Worte, die sie oder ihre Vorfahren also erst zu einer
gewissen Zeit als flüchtige Bestandtheile in ihr Deutsch aufgenommen haben. ^ Ja,
man hat sogar von dem Worte Rüzel ein Zeitwort kttzeln *) mit ganz anderem Sinn
gebildet, das es im Wendischen gar nicht giebt. Es zeigt sich auch hier, dass
vereinzelte slavische Worte in der Umgangssprache des Landvolkes keinen Rttck-
schluss auf slavisches Yolksthum und Herkommen der Einzelnen gestatten. Nur
Flurnamen haben Beweiskraft. Bei ihrer grossen Bedeutung für die Kenntniss
von Tjand und Leuten und deren Entwickelungsgeschichte sollte man sie schleunigst
überall im Lande sammeln. Denn während die auf Karten und in Schriften ver-
zeichneten Namen bleiben, vergehen die beim Landvolk lebendigen und oft
viel werth volleren Flurnamen zusehends, wie alle alte Ueberlieferung. Die Ver-
öffentlichung könnte allerdings nur mit Hülfe von Staatsgeldem geschehen. Aber
mir scheint, es habe mehr Werth und höhere Bedeutung für Deutschland, als etwa
1) Brandenburgia 1897, S. 128, 150; 1896, S. 189—205.
2) Pankcn ist der Namo für das 5-SteinchenspieU für das Aofwerfen und Fangen mit
der Hand, wie die Kinder sagten. In der Neamark (Gegend von Schönewalde) hörte ich
es paxen nennen. Ich sah im Kreise Teltow ein Hjähriges Mädchen, allerdings eine sehr
geschickte Spielerin, 20 oder 25 Mal hinter einander verschiedenfach dieses Spiel spielen,
wie ich es mir auch verzeichnet habe. Wendisch heisst (nach Pfuhl) „panka die Schale,
Eichelkapsel, Nnssschale und pankowaö mit Nussscbalen werfen (Spiel)**. Ich hörte kamoi-
kowad, d.h. Steinchen spielen, für das 5-Steinchen8piel in der Mnskaner Gegend. Zwahr
(Wend. Wörterbuch) erwähnt bemerkens werth „ein Hirtenspiel, das mit Haselnoss-Schalen
(panki) nach Art des Spieles mit 5 runden Steineben gespielt wird. Die Höhe des ersten
Wurfes, bei dem man die Formel: moj pan bogatj cbojii pojsj rogaty, d. i. mein reicher
Herr geht gehörnt einher, ausspricht, bestimmt allemal, wer das Spiel eröffnet, das pan-
kowaö genannt wird.^ Schmaler (Haupt und Schmaler, Wendische Volkslieder. Grimma
1848. IL S. 226) sagt: „Das Panken, Penkon (panka die Schale, pankowas) geschieht mit
den Schalen von Haselnüssen, welche in die Höhe geworfen und mit der Hand aufgefangen
werden .... Das Nähere dieses Spiels, welches vom Cottbusser Kreise an bis Finster-
walde und das Deutsche hinein gebräuchlich ist, blieb uns unbekannt.^ Ueber die Einzel-
heiten des 5-Steinchenspiels unter den Wenden vergleiche mein Wendisches VolksthunL
Berlin 1882. S. 192, 193.
3) Buie für Wiege war früher hier gebräuchlich (anderswo soll es noch gesagt werden^
und noch jetzt inbuschen für einwiegen. Nieder-Serbisch heisst buikas einwiegen. Pnjje
heisst hier die Wiege, niederwendisch im Ober-Spreewalde auch bujki genannt Das Wort
Jru'ie fand ich in der Lüdersdorfer Gegend nur im Eräntemamen Wejejmko (Polygonom
aviculare nach freundlicher Bestimmung des Hrn. Bolle). Die Wenden lu Burg im Ober-
Spree walde sagen für Rasen, wenn sie deutsch sprechen, Gni2e, wenn serbisch: blonde. Ob
Plauze hier vorkommt für Leib - Bauch , z. B. „ich habe mir die Plauze (= ..den Leib**)
ordentlich vollgeschlagen," d. h. ich habe mich sehr satt gegessen, ist mir nicht gerade
erinnerlich, aber sicher anzunehmen, da Plauze in der Mark, auch in Berlin, im gewöhn-
licheren Volkston sehr gebräuchlich ist. Pluca heisst wendisch die Lunge (an hier - u,
Lauch und Lug u. dergl.).
4) Brandenbnrgia 1897, S. 123.
(447)
in Ol3niapia immerhin noch geborgene griechische Alterthümer auszugraben. Mit
10000 oder 20 000Mk. würde man bei uns viel erreichen.
Xoch bemerke ich, dass der Lindhörst in der Verlängerung des Artillerie-
Schiessplatzes (in dem Kummersdorfer Forst belegen) sich befindet und über kurz
oder lang in seinen Bereich einbezogen werden könnte. Schon jetzt dürfen an be-
stimmten Tagen die Bewohner von Lüdersdorf gegen Entschädi^ng ihre Wiesen-
gründe nicht mehr betreten.
In einiger Entfernung vom Lindhorst sieht man eine andere Erhebung, genannt
„Hohehörst**. Doch war es wegen des hohen Wasserstandes nicht möglich, an
ihn zu gelangen. Südlich hinterm Hohenhörst, im Bereich des Artillerie-Schiess-
platzes, in dem Kummersdorfer Forst, liegt der von mir früher öfter besuchte ^breite
Steinbusch*^. Nach Hm. Meier's Angabe sagen die Lüdersdorfer aber dafür „beim
breiten Stein**. Vielleicht hat ein bemerkenswerther Stein hier gelegen.
Nördlich von Lüdersdorf, auf einem von mir bereits näher beschriebenen
bergigen Gelände*), erhebt sich der Zwergberg, mit diesem Namen auch ver-
zeichnet auf der Generalstabs-Karte von 1841. Hier waren voi^eschichtliche Gräber
und zwar vorslavische, wie mit gutem Grund anzunehmen ist.
Heimischer Bronzeguss.
In seiner Sammlung vorgeschichtlicher Alterthümer hatte (1890 oder 91) der nun-
mehr verstorbene Hr. Ober-Prediger Pasch ke zu Lenzen an der Elbe eine Scheiben-
Fibel Ton Bronze, gefunden auf der Feldmark bei "Wustrow (Kreis West-Priegnitz,
Provinz Brandenburg) im Frühjahr 1890 beim Pflügen in leichtem sandigem Boden,
deren Gesammtlänge 16,5 cm, der Längsdurchschnitt der Scheiben etwa 7,5 cm
Fig. T. V«
betrug (Fig. 7). Bemerkenswerth war sie dadurch, dass der in vorgeschichtlicher
Zeit an der einen Scheibe bei a abgebrochene Bügel dort wieder in ziemlich roher
Weise durch Bronzeguss befestigt worden ist, also die heimische Ausübung des
Bronzegiessens bei Wustrow oder irgendwo in der Umgegend bezeugen dürfte.
Vorgescliiclitliclie Funde bei Gandow.
Die Verzierungen von Gefässscherben (S. 448, Fig. 1 — 26) habe ich (1890 oder 91)
bei Hrn. Paschke flüchtig abgezeichnet. Die Scherben wurden gefunden auf dem
Kiebitzberge bei Gandow (Kreis West-Priegnitz). Dieser Kiebitzberg war damals,
wie mir Hr. Paschke raittheilte, zu einem Theil bereits abgetragen, da der Sand
1} Brandenburgia 1897, S. 120, 121, 142, 145.
(448)
TOQ demselben sum Bau des Dammes derEisSDbahii Vittenberge-LanebDr;^BDchholz
VerwoDdang fand. „Die Vermuthnng liegt nahe," äusserte sich Hr. Paschke,
,daB8 der grössere Tbeil der Scherben Anfang der siebziger Jahre in den Eisen-
bahndamm gekommen ist. Alle Scherben sind scheinbar durch den Pflog oder
Fig. 8.
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beim KartofTelhacken an die Oberflüche gekommen. Keine ganze Urne, nor
Scherben wurden Torgefnndcn. Auf dem noch anbertlhrten Theile des Berges
fanden sich auch Scherben aus yorslamcher j^ermanischer Zeit" In diesem Falle
sind also Scherben in Menge anderswo hingekommen. Die Zeichnungen Fig- 10
(449)
und 16, auch 2, 9, 12, 14, 24, 26 ähneln Zeichnungen, die Hr. Treichel von
Scherben des Schlossberges von Mehlken (Kreis Carthaus, Westpreussen) giebt^).
Frau Harke in der Neumark.
Ich konnte in der Neumark, also östlich von der Oder, noch Folgendes über
die Frau Harke') feststellen:
Nach dem Zeugniss der Frau Alisch zu Adolphsruhe (Kreis Ost-Stembcrg)
sagte man vor Weihnachten: „Macht man! spinnt ab, sonst kommt Herker rin
un ^, In Pinnow (West-Stembei^g) sagte man nach dem Zeugniss des Schulzen
Maass: „Frau Herke'' ; in Bibetteich (West-Stembei^) nach Frau Willich: „Frau
Herke^; nach dem Zeugniss des 86jährigen vormaligen Mühlenbesitzers Steinicke
bei Müllersthal (Kreis Ost-Stemberg): „Hericer*; des «0jährigen Hofbesitzers
Willich von Kemnath-Theerofen (Ost-Stemberg): „Frau Herke**.
Hr. Willich theilte mir aus der Gegend von Stemberg mit: „Der dritte Abend
vor Weihnachten hiess guter Abend, Poser- (sonst auch Päser-, Paser-) Abend,
lange Nacht In den Spinnstuben hier waren 6 — 8 Mädchen zusammen. Am Poser-
Abend wurde gesponnen bis 9 Uhr Abends. Dann kamen junge Mannsleute, und
die Mädchen kochten Kaffee und backten Kuchen; die eine brachte dazu Mehl,
die andere Butter u. s. w. Dann wurden die Wocken abgebrannt. Die Mannsleute
nahmen ein Streichholz und hielten es unvermuthet gegen den Wocken und brannten
ihn ab und sagten: „Frau Herkc kommt^.
„Ein altes Weib verkleidete sich als Frau Herke. Sie hatte einen „wuzlijen*'
Kopf von Flachs, die Haare hingen ihr lang herunter oder ganz wild auf die
Schultern. Sie hatte einen alten „kluntrijen^ Rock und eine alte Jacke an und eine
grosse Schürze vor, die weit länger war als der Rock, dass sie mit den Füssen
hat darauf treten können. In der Hand hatte sie einen „strunklijen^ Besen. So
kam sie in die Spinnstube herein, und wo ein Mädchen noch Flachs auf dem
Wocken hatte, da hieb sie mit dem Besen immer von oben herunter auf die
Spinnerin und trieb sie zur Stube hinaus. Darum brannten sie den Flachs ab,
weil sie wussten, dann kommt die Frau Herke nicht.** —
Nach Mittheilung des Hm. Steinicke „wurde in der Spinnstube eines von den
Mädchen (eine Spinnerin) ausgeputzt (d. h. verkleidet), hatte eine Larve auf, einen
Kienspahn in der Hand und brannte die „ganzen*' Wocken ab, wer nicht ab-
gesponnen hatte. Das wurde gemacht nach Weihnachten, gegen Fastnacht zu^.
Es mag eben verschieden gehalten worden sein in verschiedenen Ortschaften
der Kreise West- und Ost-Stemberg, gerade wie auch der Schimraelreiter zu Weih-
nachten und in der Fastnachtzeit erscheint.
Posem heisst abbrennen. Wenn z. B. auf einem Felde viele Quecken sind
und man bringt sie zusammen in Haufen und zündet diese an, so heisst das auch
posem.
Das wilde und wirre Haar der verkleideten Harke erinnert an das wirre Haar
der Frau Holle (Hollenzopf). —
(34) Hr. Preuss übergiebt die Fortsetzung seiner Abhandlung über die
Ornamente yon Kaiser -WUheluisland.
Dieselbe wird im Text des nächstjährigen Bandes der „Zeitschrift für Ethno-
logie** erscheinen. —
1) Zeitfichr. f. Ethnol., Verhandl. 1897, S. 62, Fig. 8 und 3, auch Fig. 1, 2, 4, 6.
2) VergL Brandenburgia 18%, S. 149, 163, 154, 1G7— 169, 179—181, 233-234.
VerhiindL der Ber). Antbropol. Gesellschaft 1897. 29
(450)
Hr. Rud. Virchow bemerkt in Bezug auf die von Hm. Preuss gegebene
genetische Erklärung des Mäanders, dass dieselbe doch nur für das Gebiet von
Neu-Guinea annehmbar sein dürfiie, da in anderen Gegenden, namentlich in der
alten Welt, andere Motive zu der Auffindung dieses Ornamentes geführt haben. —
(35) Hr. Lissauer spricht über eine
gewellte») Bronze -Urne von Nijmegen.
Auf einer Studienreise durch Holland hatte der Vortragende Gelegenheit, die
am linken Ufer der Waal hochgelegene Stadt Nijmegen zu besuchen, von deren
Höhen aus, besonders von dem sog. Valkhoof, man einen prächtigen Blick auf die
Waalbrücke und die Niederung geniesst Schon seit längerer Zeit wurden in der
Stadt und ringsherum bei Bauten und bei Bestellung der Felder wiederholt alt-
römische Funde gehoben, aber erst in den letzten Jahren beim Schleifen des
Walles entdei^kte man eine so grosse Anzahl derselben, wie sie nur von einer
grossen Ansiedelung hinterlassen sein konnten. In der That steht das heutige
Nijmegen auf der Stelle der alten römischen Stadt Noviomagus oder genauer des
alten Batavodurum, der äussersten Grenzfestung der römischen Provinz Germania
inferior gegen die Bataver hin. Sie war ringsherum mit Festungswerken umgeben,
von denen besonders der Valkhoof und der Hunerberg hier zu nennen sind.
Diese I*\mde sind zum grössten Theil in das städtische Museum von Nijmegen,
zum Theil aber auch in das Alterthums-Museum von Leiden gelangt und bestehen
in vielen zum Theil kostbaren Gelassen aus Bronze, Glas und Thon, darunter auch
eine Gesichtsume der römischen Art, vielen Schmuckstücken, Münzen und anderen
Dingen, wie sie auch in den Museen von Mainz, Worms u. a. reichlich vertreten
sind. Unter diesen Fundstücken erregte aber ein Bronzegefass besonders das
Interesse des Vortragenden, weil dasselbe hier zum ersten Male auf acht römischem
Boden auftritt, während ganz gleiche Gefässe im Norden verhältnissmässig oft
schon gefunden worden sind. Es ist dies nehmlich einer jener gewellten Bronze-
kessel, über welche der Vortragende in der Sitzung vom 24. April d. J. schon aus-
führlich gesprochen hat*)-
Das Gefäss von Nijmegen ist ebenfalls aus dünnem Bronzeblech getrieben,
hat im Ganzen 56 stehende Wellenlinien, welche durch kreisförmige Linien be-
grenzt sind, eine Höhe von 23 cm, einen Durchmesser der inneren oberen Oeffnung
von 24,7 rm, in der grössten Bauchweite von 26,5 cm und am Boden von 13,9 cm.
Der obere Rand ist nach aussen 3,7 cm breit umgebogen und zeigt hier noch die
alten Löthstellen, auf welchen der fehlende Henkel, bezw. die Tragringe angelöthet
waren; nahe dem Rande ist ebenfalls ein getriebener Wulst vorhanden. Auch der
Boden zeigt die gleichen abgedrehten Kreise, wie alle übrigen bisher bekannt ge-
wordenen Funde dieser Art.
Aus der eigenartigen Technik hatten die meisten Archäologen, welche diese
Gefässe beschrieben haben, immer auf römische Provenienz geschlossen; allein es
war bisher noch nicht gelungen, auf dem Boden des alten römischen Reiches ein
ähnliches Geföss oder ein Vorbild dafür zu entdecken, so dass manche Archäologen
den Import bezweifelten. Durch diesen Fund von Nijmegen, auf der Stätte einer
alten römischen Grenzfestung, wird nun der römische Import dieser Gefässe fast
zur G^wissheit erhoben und auch auf den Weg, auf welchem dieser Import er-
folgt ist, hingewiesen.
1) Vergl. diese Verhaudl. 1897, S. ITG.
(451)
Wie der Vortragende schon früher zusnmmenKeBtclIt hat, war das Fnnd^rebiet
<lioäcr OefUsse bisher aar Norwegen, Schweden, Dänemark, and in Dentachland auf
Oldenb&rg, Zerbat nnd das untere Weichselgebiet beaehränkt Es deutet die« doch
daranr hin, dass die Verbreitung der römischen Industrie, soweit sie vom Unter-
rhein ausging, Torherrschend von ijen Rh ei nmUn düngen aus und weiter auf dem
Si'cwepe erfolgt ist.
Änr die Zeilstetlung dieser Gerusse wirft der Fund kein neues Licht; da
tmch den Münzfnnden die römische Stadt hier vom Anfang bis zum Ende der
Kaiserzeit bestand, so ist kein Schlass auf das Alter eines einzelnen Geräthes ge-
stattet. Indess lag diest?s Bronzegefitss von Nijmegen auf einem Haufen mit
solchen anderen Gefassen, welche durch edle Form, solide Technik, reiche Ver-
zierung mit Ki.'cht zu der älteren Periode der römischen Kunst-Industrie gezählt
werden, ein Umstand, der die frühere Zeitbestimmung des Vorlnifrenden fllr diese
(iefässe, nehmlich das 3. Jahrhundert, unterstützt.
Wahracheinlich waren alle ausserhalb des römischen Reiches gefundenen Ge-
fässe dieser Art — Ton den meisten liess sich dies sicher feststellen — als wirk-
liche Urnen zur Aufnahme von Leichenbrand benutzt oder doch als Beigaben in
Skelet-Gräbem beigesetzt worden, obschon kein Zweifel darüber auftauchte, dass
sie ursprünglich zum büuslichen Gebranch eingeführt wurden: durch den Fund
(452)
TOD Nijmegen wird diese letztere Annahme weiterhin bestätigt, da derselbe ganz
ansser Beziehung zu einem Grabe steht.
Das vorliegende GefUss ist mit seinen Begleitfanden in den Besitz des Alter-
thams-Mnsenms zn Leiden übergegangen, wo der Vortragende dasselbe mit den
HHrn. Director Pleyte und Conservator Jesse, welcher letztere auch die Photo*
graphie für die Gesellschaft anfertigte, untersuchen durfte; beiden Herren sei auch
an dieser Stelle dafür der beste Dank ausgesprochen. —
(36) Hr. Rud. Virchow bespricht
die anthropologischen Versammlangen des Spätsommers.
1. Die General-Versammlung der Deutschen Anthropologischen
Gesellschaft.
Die vorjährige General -Versammlung hatte Lübeck als Ort der nächsten
Zusammenkunft gewählt. Inzwischen waren so freundliche Einladungen von Schwerin
und Kiel eingelaufen, dass der Vorstand die Mitglieder aufforderte, nach dem Schlüsse
des auf den 3. — 5. August nach Lübeck einberufenen Congresses noch 2 Tage
zusammenzubleiben und am 6. Aug. in Schwerin, am 7. in Kiel die dortigen Samm-
lungen zu besuchen. Dieser Einladung entsprachen zahlreiche Mitglieder; sie
wurden, ausser durch die Kenntnissnahme der Alterthumsschätze in den beiden
letzteren Städten, den ältesten Stätten grosser geordneter wissenschaftlicher Samm-
lungen auf deutschem Roden, auch durch genussreiche Wasserfahrten belohnt.
Ueber die Hauptvorgänge dürfen wir, wie gewöhnlich, den Bericht des General-
secretärs. Hm. Joh. Ranke, erwarten. Es sollen hier nur einzelne Punkte kurz
besprochen werden.
In Lübeck war Alles zu einem festlichen Empfange vorbereitet Das neu
erbaute und im Mai 1893 eröffnete Museum lübeckiscber Kunst- und Cultur-
geschichte am Dom zeigte die uns vorzugsweise interessirenden Funde aus der
vorgeschichtlichen Zeit in bester Uebersicht. Ein uns übeigebener „Führer durch
das Museum in Lübeck, 2. Aufl. 1890" erleichterte das Verständniss, welches uns
durch die wohl unterrichteten Mitglieder des Verwaltungs-Ausschusses erschlossen
wurde. Ueber die treffliche „Festschrift" habe ich schon in unserer Zeitschrift
f. Ethnologie eine Besprechung geliefert (1807. S. 139). Ich beschränke mich daher
auf einige Bemerkungen über ein paar wichtige Plätze, zu denen wir auf beson-
deren Excursionen geführt wurden.
Schon am Nachmittage des 3. August besuchten wir den Platz, wo einstmaU
Alt-Lübeck gestanden hatte. Die kleine Schrift des Hm. Büigermeisters
Dr. W. Brehmer, der uns persönlich begleitete, orientirte alle Theilnehmer über
die Geschichte dieses Platzes; wobei freilich zu bemerken ist, dass auch hier eine nicht
geringe Differenz in den Meinungen der gewissenhaften Localforscher darüber besteht,
welcher Platz genau der spärlichen Angabe der Ueberlieferung entspricht Die
Curia Aldenlubike wird zuerst 1215 urkundlich erwähnt. Spätere Urkiinden haben
es wahrscheinlioh gemacht, dass der Name Oldenlubeke einer ausgedehnten Feid-
mark beigelegt worden ist; immerhin handelt es sich überall um eine Fläche, welche
eine grössere Strecke unterhalb der jetzigen Stadt Lübeck am linken Ufer der Trave
gelegen ist, da wo der schiffbare Fiuss seine nördliche Richtung plötzlich in eine
östliche umwandelt, nachdem er die von Norden herkommende Schwartau auf-
genommen hat Hier finden sich noch jetzt die Reste eines ovalen Burgwalles, der
freilich nur eine geringe Grösse hat (75 m in der Länge und 65 m in der Breite,.
(453)
der also nur eine Art von Citadelle dargestellt haben kann; in der Umgebung
haben sich jedoch weithin noch Reste alter Cultur gefunden. Selbst auf dem
gegenüberliegenden rechten Ufer der Trave sind dergleichen zu Tage gekommen.
Nun ist es bekannt, dass Alt-Lübeck zu wiederholten Malen zerstört worden
ist Zum letzten Male ist dies 1138 geschehen. Aber schon von 1043 an sind als
Besitzer des Walles historisch bekannte WendenfUrsten angenommen, welche christ-
lichen Priestern Schutz gaben und ihnen den Bau einer Kirche gestatteten (Fest-
schrift, Prähist. Abth., S. 21). Es waren hauptsächlich Rugier (Ranen), von denen
die Ueberfalle ausgingen, so nach Helmold 1112, wo sie zurückgeschlagen
wurden*), und 1125, wo sie oppidum cum Castro zerstörten. Seitdem ist der Platz,
soweit bekannt, weder bebaut, noch beackert worden. Bei der ersten Ausgrabung
\Hx2 fand man auf dem Platze des Burgwalls die Grundmauer eines Rirchleins
und innerhalb derselben 7 Leichen mit 11 goldenen Ringen, von denen 6 als
wendische Schläfenringe betrachtet, 5 deutschem Ursprünge zugeschrieben werden.
Ein neuneckiger Ring trug die Inschrift tThEBAL GÜTTANI, welche in ähnlicher
Weise auf einem Ringe im Grabe des Bischofs Ulgerius von Angers (flHO) an-
getroffen sein soll. Hier stossen also Prähistorie und Historie dicht an einander,
oder vielmehr, sie gehen unmerklich in einander über, da hier die Christianisirung
schon in der slavischen Zeit begonnen hat und die Germanisirung mit der Ein-
wanderung katholischer Priester und deutscher Golonisten sich ihr angeschlossen
hat. So kommt es, dass wir auch unter den Fnndgegenständen eine vorwiegende
Zahl von Stücken antreffen, die wir wohl den Slaven zuschreiben müssen, bei
denen aber die Möglichkeit, sie nach Perioden zu scheiden, nicht vorliegt. Hr.
R. Freund (Festschrift, Prähist. Abth., S. 22) erklärt diese auch von ihm betonte
Unmöglichkeit dadurch, dass die einzelnen Schichten schon durch die ersten Gra-
bungen (bei denen die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt noch nicht gerichtet war)
gestört worden waren.
Die nächste Gelegenheit zur Kritik ist durch die auch hier in grosser Menge er-
haltenen Thonscherben geboten. Nur ein einziger „Kochtopf" (Taf. XU, Fig. 5) konnte
aus seinen Trümmern restaurirt werden; er stellt ein Musterexemplar eines altslavischen
^Hafens*^ mit höchst charakteristischen Ornamenten dar. Im Uebrigen zeigen die
Elinzülscherb^ von denen die Festschrift zwei gut gezeichnete Tafeln (XIII u. XIV)
bringt, alle Besonderheiten des Ornaments, das uns von der Ostsee bis zu den süd-
slavischen Gebieten hin in genügender Weise bekannt ist. Ich habe darüber in meiner
Eröffnungsrede am 3. August (Corr.-Bl. der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft
Nr.i), S.70) ausHihrlich gesprochen. Da sind alle jene geradlinigen und gewellten Ein-*
ritzungen, jene grosse Mannichfaltigkeit von Stempeleindrücken, namentlich der ganz
typischen Bodenstempel, concentrische Kreise u. s. w. vorhanden, von denen schon
ein kleines Bruchstück genügt, um dem geübten Auge die Diagnose auf slavischen
Ursprung zu ermöglichen. Alle bisher untersuchten Burgwälle des südöstlichen
Holsteins, von Meklenburg, der Mark Brandenburg und der Lausitz, von Pommern
und Posen haben bezeichnende Parallelstücke geliefert. Alt-Lübeck nimmt unter
ihnen nur insofern eine hervorragende Stellung ein, als seine letzte Geschichte
durch sichere historische Angaben bezeugt wird, was bei der Mehrzahl der anderen
Burgwälle nicht der Fall ist. Somit wird es für die Sicherstellung der Chronologie
ein wichtiger Platz bleiben.
1) Vgl. die chronologisch etwas abweichenden Angaben bei F. W. Barthold, Ge-
schichte von Pommern nnd Rügen. Hamburg 1839. I. 8. 443. II. S. 127.
(454)
Bei der letzten Ausgrabang (1882) stellte es sich heraus, dass der Wall auf
einer breiten Unterlage von Hölzern erbaut ist, welche horizontal in der Kichtung des
Walles liegen, in Lehm verpackt sind und durch senkrechte Pfähle von innen ge-
halten werden. Von Pfahlwerk zu Pfahl werk waren die inneren Dimensionen 110 m
von N. nach S., 135 m von Ost nach West. Es sind 2 bis 3 über einander liegende
Brandschichten nachgewiesen; auch ist festgestellt, dass das Kirchen fundament auf
dem Boden einer früheren Ansiedelung erbaut ist (Festschrift a. a. O. S. 22). Es
ist also anzunehmen, dass der Burgwall, wie ähnliche in der Mark Brandenburg,
auf einem Pfahlbau errichtet ist. Daraus folgt aber nicht, wie ich früher an
yerschiedenen Beispielen nachgewiesen habe, dass dieser Pfahlbau mit denen der
Schweiz und denen der österreichischen Gebirgsseen synchronisch war; im Gegen-
theil, er gehört jener Gruppe an, welche ich als slavische bezeichnet habe. Die
Flintsplitter (Schaber, Messer u. s. w.), welche in grösserer Anzahl in der Erde des
Walles gefunden wurden (ebendas. S. 23), haben nichts an sich, wodurch sie als
Manufacte der Neuzeit charakterisirt werden. Aber es ist auch nichts gesammelt
worden, was einen sicheren Schluss auf eine ältere Bewohnung gestattet.
Immerhin ist es zu bedauern, dass die Fundstellen nicht genauer bestimmt, und
dass die Ausgrabungen in der nächsten Umgebung nicht weiter fortgesetzt worden
sind. Letzteres lässt sich auch jetzt noch nachholen, und ich möchte es als eine
dringende Auigabe der Localforschung bezeichnen, dass durch neue und wenigstens
in einigen Richtungen ausgiebige Ausgrabungen in der Nachbarschaft, und zwar
bis auf das rechte Ufer der Trave hinüber, die Grösse und die Zeit der ältesten
Ansiedelung bestimmt wird. Ich verweise in dieser Beziehung auf meine eigenen
Untersuchungen der Pfahlbauten von Wollin, dem alten Julin, dessen Zer8t<)rung
ungefähr in die gleiche Zeit mit der von Alt-Lübeck fällt. —
Ein anderer Punkt in der nächsten Nachbarschaft, der noch ganz der Auf-
klärung bedarf, ist der grosse Ringwall (die Schanze) von Pöppendorf. Wir
besuchten denselben am 5. August Er liegt nördlich in einer massigen Entfernung
Yon Alt-Lübeck, in der Richtung auf Travemünde, in einer flachen und durchwe«:
niedrigen Landstrecke, und ist aussen von einem bis etwa zu 2 m ansteigenden,
dicht mit Strauchwerk bedeckten Erdaufwurf umgeben. Sein Inneres besteht aus
einer durchweg beackerten, fast ganz ebenen, nur wenig über das Niveau der um-
gebenden Fläche erhabenen, kesselartigen Vertiefung. Obwohl die Aufmerksamkeit
auf ihn schon 1838 durch den Kunstforscher C. F. v. Rumohr gelenkt war, der
ihn für eine slavische Befestigung erklärte, auch später mehrfach Urnenscherben,
Knochen, Kohlen und Feuersteingeräthe darin gefunden sind, so ist es nach dem
Bericht des Dr. Hoch (Festschrift, Geschichtl. Ueberblick, S. 32) doch nicht zu einer
systematischen Untersuchung gekommen. Auch wir begntigten uns mit der An-
schauung. Yon den spärlich zu Tage liegenden Topfscherben zeigte keiner charakte-
ristische Eigenschaften. Nichtsdestoweniger dürfte es wohl nicht zu bezweifeln
sein, dass es sich um eine alte, vielleicht sogar um eine vorslavische Befestigung
handelt, und es kann dem Lübecker Verein nicht dringend genug ans Herz gelegt
werden, endlich einmal an eine wissenschaftliche Untersuchung des grossen Werics
zu gehen. —
Der W^eg zu der Schanze führt durch ein Wäldchen, in welchem schon seit
1817 wichtige Grabfunde gemacht worden sind (Festschrift a. a. 0., S. 21); das später
so berühmt gewordene Hünengrab von Waldhusen, welches in demselben liegt
wurde jedoch erst 1843 blossgelegt und im folgenden Jalire durch den Pastor Klug
beschrieben (ebend. S. 29). Es ist eine der bemerkenswerthesten Steinkammero.
unter den megalithischen Monumenten in Norddeutschland eines der hervorragenden.
(455)
Seine Steinsetzung ist noch erträglich erhalten (Pestschrift, Prähist. Abth., S. 16,
Taf. XV). Die Pandstticke, welche im Lübecker Museom aufbewahrt werden, zeigen
die Merkmale der neolithischen Zeit: Plintkeile mit gemuschelter, an der Schneide
scheinbar angeschliffener Oberfläche (Taf. I, Fig. 6) und Thongeschirr mit Tief-
ornament, wie es namentlich die seh üssel artige, nach unten zugespitzte Urne
(Taf. IV, Pig.'5) zeigt. Noch mehr typisch ist das auf derselben Tafel unter Fig. 4
abgebildete, nach unten kugelförmige Gefäss, dessen Bhindort leider nicht ganz
sicher ist. — Bei Waldhusen sind auch Kegelgräber aufgedeckt worden, in denen
jüngere, wahrscheinlich bis in die Hallstattzeit reichende Gegenstände zu Tage
kamen. —
Hier mag zugleich daran erinnert werden, dass etwas weiter nördlich, auf dem
Wege nach Eutin, der wichtige Fundplatz von Pansdorf liegt, wo durch Joh. M. Haug
eine grosse gerippte zweihenklige Bronzeciste mit etrurischer Inschrift aufgedeckt
ist (Pestschrift S. 13. Führer 8. 14, Nr. 2361 ^\ Lisch, Meklenb. Jahrbücher 1869,
35, S. 1'21), von den auf deutschem Boden vergrabenen die am meisten nördliche.
So weit hat also der Handelsverkehr der Haüstattzeit in diesem Lande gereicht.
Ueber den Gang dieses Verkehrs giebt die Beschaffenheit der Cisten und ihr Vor-
kommen an verschiedenen Orten Deutschlands und der südlichen Nachbarländer
genügendes Zeugniss. Eine Abbildung der Pansdorfer Ciste, die in einem mit einem
Steinringe umgebenen Kegelgrabe, und zwar in einer Kiste aus rothem Sandstein,
gefunden wurde, hat Fr. J. Me stör f (Vorgeschichtliche Alterthümer aus Schleswig-
Holstein, Hamburg 1885, Taf. XXXII, Fig. 346 a — r) gegeben. Ich selbst habe
schon vor mehr als 20 Jahren die völlige üebereinstimmung dieses Gefässes mit dem
von mir beschriebenen (Verhandl. 1874, S. 141) Bronze-Eimer aus dem Gorwal bei
Primentdorf (Posen) betont und die analogen Funde aus Hannover besprochen
(Verhandl. 1875, S. 107). Da ich ähnliche bis nach Böhmen, Hallstatt und Bologna
verfolgen konnte, so lag der Gedanke nahe, dass durch sie der Weg des alten
Handels direct angezeigt werde. Ich will hier nicht näher auf diese Frage eingehen,
aber doch betonen, dass sich seither die Zahl der östlichen Funde, welche mehr
dem Laufe der Oder und der Weichsel entsprechen, sehr vermehrt hat. Ich verweise
namentlich auf die neueste Beobachtung des Hrn. Grempler von Lorzendorf bei
Namslau (Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift VII., '2., S. 195). Vielleicht ist es daher
richtiger, das Schlussurtheil noch offen zu halten. Das jedoch darf als sicher nach-
gewiesen angesehen werden, dass schon im 4. Jahrhundert v. Chr. dieser Verkehr
bestanden hat, dass also schon damals das Gestade der Ostsee südlichem Verkehr
erschlossen gewesen sein niuss.
£]s läge manche Veranlassung vor, die Anknüpfung dieser alten Funde an die
neueren Verhältnisse der Stadt Lübeck zu sichern. Insbesondere die zahlreichen
und stolzen Denkmale der mittelalterlichen Architectur, welche in pietätvoller
Weise gepflegt worden sind, und die Gesammtanlage der späteren Hauptstadt
des Hansa- Bundes würden Gelegenheit dazu bieten. Meine heutige Aufgabe
fordert die Beschränkung auf die ältesten Zeiten. Wie aus dem Mitgetheilten,
namentlich in Betreff des Hünengrabes in Waldhusen, hervorgeht, reichen die
Stein- und Thongeräthe in die neolithische Zeit hinein. Dr. K. Freund (Fest-
schrift, Prähist. Abth., S. 4) leitet seine Uebersicht der im Lübecker Museum ge-
sammelten Steingeräthe mit der allgemeinen Bemerkung ein, dass dieselben „den
Charakter der jüngeren Steinzeit tragen*^. In der That scheinen paläolithische Funde
bis jetzt nirgends gemacht zu sein. Gegenüber der Mehrzahl der geschliffenen und
durchbohrten Steingeräthe, von denen auf Taf. III eine grössere Zahl abgebildet ist,
rauss ich aber den schon mehrfach von mir geäusserten Zweifel, ob sie alle der
/■
(456)
^Steinzeit^ angehören, wiederum geltend machen. Ich habe diesen Zweifel noch
vor Kurzem (Yerh. 1896, S. 4 85) gegenüber den livländischen Funden betont und
denselben auch in einem Vortrage über die Steinzeit in Nord-Europa in der Lübecker
General-Versammlung (Corr.-Bl. Nr. 10 — 11, S. 148) wiederum herrorgehoben. Ich
stütze mich dabei vorzugsweise, obwohl nicht ausschliesslich, auf das Vorkommen
solcher Steingeräthe in Urnen der späteren, namentlich der Hallstatt-Zeit Leider
hat Hr. Freund keine Angaben über die Lage der Lübecker Fundstücke gemacht.
Ich kann daher nur darauf verweisen, dass die meisten der von ihm auf Taf. III
abgebildeten Stücke Formen an sich tragen, welche die Präexistenz von Bronze^
äxten, und zwar von gegossenen Mustern, anzeigen. —
Der 6. August war für den Besuch von Schwerin bestimmt. Schon bei der
Einfahrt in die Stadt sahen wir die dort aufgerichtete Büste von Schliemann.
Obwohl sein Geburtsort in Meklenburg-Strelitz liegt und er sich stets als einen ge-
bomen Strelitzer betrachtete, so können seine Freunde das Gefühl der Hochschätzung
begreifen, dass man ihn nach seinem Tode als Gesammt-Meklenburger ehrt. Weniger
erfreut war ich über die Ausführung der Büste. Nachdem ich ihm manches Jahr
hindurch nahegestanden und ihn noch kurze Zeit vor seinem Tode bei mir gesehen
habe, muss ich ofTen sagen, dass ich diese Büste als eine getreue Nachbildung
anzuerkennen ausser Stande bin und dass ich es tief bedauere, dass ein solches
Bild dem Nachwüchse unter seinen Landsleaten geboten worden ist. Sowohl der
Kopf, als das Verhältniss desselben zum Rumpfe sind so verfehlt und machen
einen so unvortheilhaften Eindruck, dass man den energischen Mann, der aus eigener
Kraft so Grosses vollbracht, für die classische Forschung ganz neue Wege eröffnet
und in so uneigennütziger Weise die Unmasse seiner Funde den Museen von
Deutschland und Griechenland geschenkt hat, dann nicht wiedererkennen wird.
Das Museum fanden wir in einer gänzlich veränderten Verfassung. In dem
Gebäude, welches neu erbaut ist, hat die prähistorische Sammlung grosse und
lichtvolle Räume erhalten. Wir wurden darin mit einer herzlichen Begrüssung
des Hrn. Hofraths Schlie empfangen. Derselbe überbrachte die Entschuldigung
des Herzogs Johann Albrecht, des gegenwärtigen Regenten, der durch Geschäfte
zurückgehalten war, und der mir, seinem ehemaligen Reisegefährten bei Gelegen-
des Lissaboner Congresses, ein freundliches Willkommen bestellen Hess. Von dem
alten Personal war nur Frl. Buch heim übrig, die nach langjährigen treuen Diensten
ihre Custodinstellung aufgegeben hat. Aber man sah es der Sammlung an, dass
sie in wohl conservirtem Zustande der neuen Verwaltung übergeben war. Das ist
die in der ganzen Welt berühmte Sammlung, welche unser alter Freund Lisch im
Laufe eines langen I^ebens zusammengebracht und zum Ausgangspunkt weit-
tragender Schlussfolgerungen im Gebiete der prähistorischen Culturgeschichte ge-
macht hat. Sie ist seitdem durch manche werthvolle Funde bereichert worden,
aber die Hauptabtheilungen sind nahezu unverändert geblieben; sie erschienen denen
von uns, welche frühere Besucher derselben gewesen waren, als alte und liebe
Bekannte.
Hr. Robert Beltz, der uns führte und uns werthvolle Erläuterungen gab, hatte
für unsern Besuch eine besondere Schrift über die steinzeitlichen Funde in Meklen-
burg verfassl, welche dem Congress von dem Verein für Meklenburgische Ge-
schichte und Alterthumskunde gewidmet war. Sie ist durch eine grosse Anzahl
guter Text-Abbildungen illustrirt. Obwohl ein erheblicher Theil derselben durch
Publicationen von Lisch selbst bekannt ist, so muss die vollständige Zusammen-
stellung aller bisher gemachten Steinzeit-Funde doch als eine wichtige Bereicherung
(457)
unsererer Literatar gelten, ond zwar um so mehr, als die Ordnung des gesammter
Materials nach einzelnen Kategorien den Ueberblick in dankenswerthester Weise
erleichtert. Da die Schrift in den Jahrbüchern des Meklenburger Vereins (Bd. LXUI)
zum Abdruck gelangen soll, so darf hier im Granzen darauf aufmerksam gemacht
werden.
Im Hinblick auf das Lübecker Museum mag jedoch gesagt sein, dass auch in
Meklenburg die älteste Steinzeit nur spärlich und fast nur durch zerstreute Einzel-
funde vertreten ist „Meklenburg*^, sagt Hr. Beltz (S. 3), „hat keine paläolithischen
„Stationen"; „weder Kjökkenmöddings, noch Höhlenfunde beweisen hier die Existenz
eines Menschen, der sich nur des roh behauenen Steines als Werkzeuges bediente^.
Und er fUgt (S. 8), nachdem er eine kleinere Anzahl von Steingeräthen hervorgehoben
hat, welche „man wegen ihrer einfachsten Form und Arbeit" als die ältesten an-
sprechen könnte, hinzu: „dass sie aber wirklich auch zeitlich an der Spitze stehen,
würde sich erst dann l^haupten lassen, wenn sichere, nur aus solchen Typen be-
stehende Gesammtfunde vorlägen; das ist nun hier nicht der Fall." Er bemerkt
dabei, dass die Gegend von Wismar verhältnissmässig reich an älteren Steinzeit-
formen ist, und dass gerade diese (hegend mit ihrer geschützten Küste den Lebens-
bedingungen einer paläolithischen Bevölkerung vorzugsweise entspricht Er zieht für
diese Betrachtung auch die Aexte und Hacken aus Knochen und Hom« besonders aus
Hirschhorn, heran.
Um so reicher ist die neolithische Zeit vertreten, so dass dahin gehörige Stein-
geräthe in keinem Theil des Landes fehlen. Bevorzugt sind die Küsten der Ostsee
und der Binnenseen, am ärmsten erwiesen sich die zusammenhangenden Sand-
gebiete, besonders der Südwesten und der Nordosten und die Gegenden mit schwerem
Lehmboden. Die Vertheilung der Hünengräber gewährt ein annäherndes Bild der
Besiedelung des Landes (S. 10). Etf folgen dann zunächst die Geräthc aus Feuer-
stein, welche von den rohesten Formen bis zu den gemuschelten , eine staunens-
werthe Kunstfertigkeit vcrrathenden Instrumenten zu verfolgen sind. Aber die jüngere
Steinzeit erscheint noch als ein Ganzes; Gruppen zusammengehöriger Typen
lassen sich noch nicht bilden.^ — Nachdem eine grosse Reihe von Funden auf-
geführt ist, welche Keile aus Feuerstein ergaben, wendet sich Hr. Beltz zu den
Aexten, welche nie aus Feuerstein bestehen. Nach seinen kurzen Angaben darf
man annehmen, dass vorzugsweise krystallinische und geschichtete Gesteine, be-
sonders Diorit, dagegen nie Kieselschiefer, benutzt wurden. Unter diesen Geräthen
ist namentlich jene Kategorie zu erwähnen (S. 66 — 72), welche an Bronzeformen
erinnert Gelegentlich erkennt auch Hr. Beltz (S. 68) die Wahrscheinlichkeit an,
dass eine „Nachahmung metallener Aexte naheliege^.
In noch höherem Maasse, als bei dem Lübecker Museum, ist das Fehlen genauer
Fundnotizen zu beklagen. Ich bin nicht im Stande gewesen, in Schwerin ein einziges
Stück zu entdecken, welches in einer Urne gelegen hat; nur der Umstand, dass
unter den 16, aus Hünengräbern stammenden Stücken „die künstlichen", dagegen
unter 21 aus Moor- und Wohnplatzfunden gesammelten Stücken die einfachen über-
wiegen, könnte darauf hinweisen, dass die ersteren Beziehungen zu der Kupfer-
oder Bronzezeit gehabt haben. Gerade in diesem Hauptpunkte sind also Lücken
des Berichts vorhanden, und ich darf wohl an alle Sammlungsvorstände das drin-
gende Ersuchen richten, bei künftigen Publicationen vollständigere Angaben zu
machen und wenn möglich auch durch Nachträge das Fehlende zu ergänzen.
In meinem ersten Vortrage in Lübeck (Corr.-Bl. Nr. 9, S. 71) habe ich eine
(extemporirte, und daher gleichfalls lückenhafte) Skizze über den alten Seeverkehr
auf der Ostsee gegeben und dabei in Bezug auf den Verkehr mit Steingeräthen auf
(458)
die Kreide-Insel Rügen hingewiesen (S. 7H). Natürlich würde ein solcher Verkehr
in erster Linie die Küstenstriche betroffen haben. Es ist daher yielleicht bemerkens-
werth, dass Lübeck so wenig, Meklenburg so viel Fenersteingeräthe aufzuweisen
hat, aber es Hesse sich möglicherweise diese Frage präcisiren, wenn einmal eine
sorgfältige Vergleichung der rügischen Geräthe mit den festländischen veran-
staltet würde. Diese müsste dann freilich viel mehr in Einzelheiten über Fund-
verhältnisse, Material und Bearbeitung eingehen, als es bisher meist der Fall ge-
wesen ist. Das Innere der „Hünengräber'^ müsste dabei in erster Linie und mit
besonderer Sorgfalt in Betracht gezogen werden. Ebenso würde eine eingehende
Vergleichung des keramischen Materials, insbesondere in Betreff der Form und der
Verzierung der Thongeräthe, ausgeführt werden müssen. Ganz besonders wäre auf
Stein-Depotfunde zu achten, wie sie sowohl auf der Insel Rügen, als in Vor-
pommern aufgedeckt worden sind (Verhandl. 188G, S. 612). —
Am 7. August stellte sich ein Theil der Mitglieder des Congresses, einer Ein-
ladung des Anthropologischen Vereins in Kiel folgend, unter die Leitung unseres
hochverehrten Ehrenmitgliedes Frl. Mestorf und ihres Assistenten, des Hm.
Dr. Spliedt. Von einem Specialbericht über das dortige Museum, welches durch
die weit berühmten Arbeiten seines Directors so gut bekannt ist, darf ich hier
absehen, obwohl nicht wenige neue Funde dazu auffordern könnten. Es mag ge-
nügen, darauf aufmerksam zu machen, dass die letzten Arbeiten, welche das Museum
hat ausführen lassen, das alte Danewerk betroffen haben und dass Hr. Spliedt
in der ersten Sitzung des Lübecker Congresses (Corr.-Bl. Nr. 9, S. 95) darüber
einen übersichtlichen Bericht erstattet hat Hoffen wir, dass die Lücken in der Fest-
stellung dieses historisch so bedeutsamen Werkes recht bald ergänzt werden und
dass die Theilnahme der Regierung dieser Erforschung- ebenso hülfreich zu-
gewendet werden möge, wie es bei dem Limes romanus der Fall gewesen ist. Wer
gesehen hat, in welcher Ordnung und Vollständigkeit das früher so vernachlässigte
Kieler Museum sich nach der verständnissvollen und anstrengenden Arbeit ihres
gegenwärtigen Directors dem Beschauer darstellt, wird den lebhaften Wunsch
hegen, dass es Frl. Mestorf beschieden sein möge, auch noch die Erledigung der
neuen Aufgabe zu erleben.
Vom Museum begaben wir uns zu einem im Seegarten angebotenen Frühstück
des städtischen Magistrates. Nach demselben führte uns ein Dampfer des Anthro-
pologischen Vereins nach Holtenau zu der Hochbrücke über den neu erbauten
Nord-Ostsee-Kanal und auf die Föhrde. Nachdem wir schon in den letzten Ta^en
von Travemünde aus eine Fahrt auf die Ostsee und von Schwerin aus eine andere
über den schönen See gemacht hatten, blieb den Mitgliedern unserer Gesellschaft in
Bezug auf maritime und lacustre Genüsse nichts zu wünschen übrig. Wir trennten
uns mit der Empfindung des herzlichsten Dankes für einen in allen seinen Thcilen
so wohl organisirten Empfang. An demselben waren so viele alte und neue Freunde
betheiligt, dass es mir nicht möglich ist, sie namentlich aufzuführen. —
Am 8. August rief eine Familien-Angelegenheit mich und die Meinigen noch
etwas weiter nördlich, nach Flensburg. Frl. Mestorf gab uns auch dahin d&s
Geleit. Von der Umschau in dieser interessanten Stadt habe ich hier nur zweierlei
zu erwähnen. Das Eine betrifft eine neolithische Ansiedelung, welche Director
Sauermann, ein aufmerksamer und gewissenhafter Beobachter, vor einigen Jahren
entdeckt hat. Sie lag auf einem Plateaurücken, der sich vorgebirgeartig von Westen
her, neben einer tief eingeschnittenen Thalschlucht, dicht oberhalb der Stadt gegen
(459)
die Föhrde erstreckt Da an dem Abhänge seit langer Zeit Sand und Lehm ge-
graben wuFde, so ist die ursprüngliche Fundstätte gänzlich zerstört. Anzeichen anderer
ähnlicher Ansiedelungen sind bisher nicht bemerkt worden. Von den alten Fund-
stdckeUf hauptsächlich Thonscherben, Knochen u. a., sind Proben in der Sammlung
des Museums aufbewahrt. Erstere zeigen die charakteristischen Tiefeinritzungen.
Eine fortgesetzte Aufmerksamkeit sollte diesem Plateau zugewendet werden; da
äusserliche Zeichen für die Erkennung solcher Stellen nicht vorhanden sind, so ist
die Controle über gelegentliche Funde um so mehr zu verschärfen.
Der andere Punkt, den ich berühren will, gehört mehr in das volksthümliche
Gebiet. Es sind vorzugsweise Holzarbeiten der letzten Jahrhunderte, namentlich
Sehränke, Truhen u. s. w., von denen wiederum Hr. Sauermann ganz ungewöhn-
liche Reichthümer aus dem Lande gesammelt hat. Alle Arten der Hausarbeit und
der Runsttischlerei sind darin in den prächtigsten Exemplaren und in grosser Zahl
vertreten, in so grosser, dass die zur Verfügung stehenden Räume längst nicht
mehr zu ihrer Aufstellung ausreichen. An mehreren Orten der Stadt sind alte,
zum Theil sehr dunkle und auf baufälligen Treppen und Leitern zu erklimmende
ßöden und Zimmer in Anspruch genommen worden, meist unter so ungünstigen Bedin-
gungen, dass ein sehr opferwilliges Gemüth dazu gehört, die Mühseligkeiten der
Erhaltung und der Erweiterung der Sammlungen zu ertragen. Alle Gesuche um
Hülfe sind bei den vorgesetzten Regierungsorganen unerhört geblieben. Wenn ich
trotzdem hier darauf zurückkomme, dass der Beistand der Provincial- und Staats-
behörden von Neuem angerufen werden muss, so geschieht es in der Ueberzeugung,
dass ein zweiter, gleich günstiger Ort für derartige Sammlungen nicht vorhanden
sein dürfte, und dass es im Interesse der lebenden und der nachkommenden Gene-
rationen gelegen ist, die Muster einer so blühenden und hoch entwickelten Local-
industrie in einer gut geordneten und gut placirten Sammlung vereinigt zu sehen. —
2. Die anthropologische Section des internationalen medicinischen
Congresses in Moskau.
Der auf den 19. August nach Moskau einberufene internationale medicinische
Congress zwang mich, schon am 14. Berlin wieder zu verlassen, um zunächst dem
Empfange in Petersburg beizuwohnen. Am Morgen des 18. traf ich in Moskau ein.
Ueber den Verlauf dieses grössten aller bisher stattgefundenen Congresse habe ich
hier nicht zu sprechen. Ich erwähne nur, dass innerhalb desselben auch eine
besondere Section für Anatomie und Anthropologie gebildet war. Es war mir nur
ein paar Mal möglich, ihren Sitzungen beizuwohnen, da ich durch die wichtigen Er-
örterungen in der Pathologischen Section mehrere Tage fast ganz in Anspruch ge-
nommen war. Von den anthropologischen Vorträgen habe ich nur einzelne hören
können. Ich muss deshalb auf andere Berichte verweisen.
Von den mich persönlich berührenden Verhandlungen glaube ich vor allen
eine hervorbeben zu sollen. Dieselbe bezog sich auf den vielleicht ältesten
russischen Schädel der Steinzeit, den von Wolosowo.
Auf dem vorjährigen archäologischen Congress in Riga berührte ich in einem
Vortrage über die russische Steinzeit die von dem Grafen üwarow geschilderten
Gräberfunde von Wolosowo im Gouv. Wladimir (Verhandl. 1896, S. 487—88). Ich
legte seine Abbildungen der gefundenen Schädel vor, erwähnte die Beschreibungen
der Herren Bogdanow und Tichomirow und besprach die Analogien und die Ver-
schiedenheiten derselben von anderen Steinzeitschädeln. Da ich bedauerte, keinen der-
selben selbst gesehen zu haben, so erklärte die Präsidentin des Congresses, Frau Gräßn
Uwarow, sie glaube im Sinne ihres verstorbenen Mannes zu handeln, wenn sie
(460)
mir den besten dieser Schädel zur Untersachong übergebe. Dies ist in diesem
Jahre geschehen. Obwohl die Gräfin an den Folgen eines schweren Abdominal-
typhas auf ihrem Landsitze krank darnieder lag, schickte sie mir unaufgefordert
den Schädel durch ein Mitglied der archäologischen Gesellschaft, Hrn. S. Slutzky,
in den Kreml.
Der Schädel trägt die Bezeichnung 174, Murow, Wladimir, 1878. Ich darf wohl
annehmen, dass er der Abbildung des Grafen Uwarow, in seiner Kussichen Archäo-
logie, Moskwa 1881, Taf. VIII, entspricht, obwohl diese ohne Unterkiefer gezeichnet
ist. Demselben dürften femer die in der Maasstabelle auf S. 309 unter Wolosowo
Nr. 1 gegebenen Zahlen angehören. Nach meinen Notizen gebe ich die folgende
Beschreibung:
Der offenbar männliche Schädel ist schwer; seine Knochen machen einen fast
fossilen Eindruck. Er ist nach allen Seiten gleichmässig ausgeweitet und darf als
entschieden kephalonisch bezeichnet werden. Hinten rechts ist er so weit ab-
geflacht, dass er auf der Fläche einigermaassen steht. Die Plagiocephalie ist am
meisten in der Hinteransicht erkennbar. Vielleicht steht sie im Zusammenhange
mit einem grossen, gegen die Lambdanaht gerichteten sklerotischen Zuge, der
jedoch wegen einer dicken Incrustation, welche Alles überdeckt, nicht genauer zu
beurtheilen ist. Die Squama temporalis dick und vortretend. Von den mächtigen,
durch eine starke Incisur abgegrenzten Warzen fortsätzen erstreckt sich auf die
Hinterhauptschuppe eine sehr unregelmässige Zeichnung, an der Zacken der Sutura
transversa zu existiren scheinen. Die Protuberantia occipitalis externa ist sehr dick
und breit; von ihr aus erstrecken sich nach beiden Seiten Tori occip. Auch die
Oberfläche der Oberschuppe ist sehr unregelmässig. Die Lambdanaht sehr zackig,
ihr Winkel massig zugespitzt.
Die Stirn hat über einem mächtigen Nasenwulst und starken Supraorbitalzügen
eine tiefe Glabella und breite, volle Tubera. Ihre Curve ist nicht hoch, vielmehr
geht sie sehr bald in die lange Gurve des hinteren Abschnittes des Stirnbeins über.
Die Schläfen voll, die Nähte scheinbar synostotisch. Jederseits am Anfange der
Crista temporalis, parallel derselben, eine tiefe Kinne mit einem grossen Suicus
venosus.
Der Horizontalumfang des Schädels beträgt 517, der Querumfang (weit hinter
dem Bregma) 330, der sagittale 364 mm. Von letzterem entfallen 31,5 pOt. auf das
Stirnbein, 37,3 auf die Pfeilnaht, 31,0 auf das Hinterhaupt: die Entwickelung ist
somit wesentlich eine parietale.
Was die Durchmesser betrifft, so war die gerade Höhe wegen Verletzung der
Pars basilaris nicht sicher zu bestimmen; es wurde dafür die hintere Höhe genommen,
die sehr hoch (142 mm) ausfiel. Die grösste horizontale Länge beträgt 177, die
grösste Breite 147 <, an der Grenze der Schuppennaht 144, an den Tubera 134 mm.
Darnach berechnet sich ein hypsibrachycephaler Index (L.-Br. 83,0, L.-H. 80,2).
Der Ohrhöhen-Index ergiebt 63,3. Die Stimbreite misst im Min. 90 mm.
Die Messungen der HH. Bogdanow und Tichomirow haben etwas kleinere
Indices ergeben: L.-Br. 80, L.-H. 75. Woraui namentlich das letztere Maass beruht,
kann ich nicht beurtheilen, indess liefert wohl die Verletzung der Pars basilaris
einen Anhalt für das Urtheil. Im Uebrigen werden meine früheren Schlüsse da-
durch nur wenig betroffen.
Das Gesicht ist sehr breit und nicht hoch, doch wird die Höhe dadurch
ein wenig verstärkt, dass an der Stelle der Stirnnasennaht ein klaffender Spalt
liegt Die Gesichtshöhe ist mesoprosop (Index 77,8). Die Orbitae gross,
etwas eckig, nach oben und innen, sowie nach unten und aussen nusgeweitet,
(461)
chamaekonch (Ind. 78,5), im Innern stark verletzt Fossa canina tief, fast ge*
rade eingesenkt, das For. infraorbitale gross und schräge gestellt. Nase mesorrhin
(Ind. 51,0?); die Nasenbeine grösstentheils zerbrochen, so dass man nur den etwas
tiefen, aber sehr breiten Ansatz, den schmalen, stark vortretenden Rücken und eine
scheinbar weite Oeffnung erschliessen kann. Der Oberkiefer kräftig, aber der
Alveolarfortsatz kurz (beiläufig 16 mm). Der äussere Umfang der Zahncurve be-
trägt 132 Tum, aber die Stellung ist fast opisthognath. Die Zähne selbst haben
(offenbar posthum) stark gelitten, der Schmelz ist meist abgeblättert und das Dentin
bräunlich gefärbt. Vorn stehen noch 2 grosse leere Alveolen für die mittleren
Schneidezähne; darauf folgen rechts 1 Incis. later., 1 Caninus, 2 Praemolares und
1 Molaris, sämmtlich gross, endlich 2 leere Stellen für Pr. II u. III: links stehen
noch alle Zähne bis auf die mittlere Lücke. Der Gaumen ist breit, parabolisch^
leptostaphylin (Ind. 64,3), die Platte dick, mit einem feinporösen 08teophyt(?)
belegt; an der Portio palatina eine sklerotische, ganz braune Fläche mit je einem
seitlichen scharfen Vorsprunge.
Auch an anderen Gesichtstheilen, namentlich am Stirn- und Wangenbein, aus-
gedehnte, zum Theil dicke und'rauhe Ueberzüge, die wie ein starkes Osteophyt aus-
sehen, aber vielleicht nur fossile Incrustationen sind. Wangenbein vortretend, mit
grossen, scheinb^ scharfen, vorderen Tuberositäten, die dem Wangenbein an-
gehören, an dem jedoch die Nahtstellen nicht deutlich sind. Jochbogen links ge-
brochen und mit der hinteren Spitze nach innen gedrückt: rechts gut erhalten und
stark ausgebogen. Sehr tiefe und breite, schief gestellte Gelenkpfannen des Unter-
kiefers, an denen die Gelenkfläche nach vom etwas übergreift. Ohrlöcher etwas
zusammengedrückt, mit hyperostotischer Masse umgeben.
Der Unterkiefer hat eine bleierne Schwere. Obwohl die Zähne nachträglich
sehr verändert sind, machen sie doch den Eindruck, dass sie einem alten Individuum
angehört haben. Der Schmelz ist meist abgesprungen, das bräunlichgelbe Dentin
uneben und scheinbar tief abgenutzt Vom fehlt der frisch ausgefallene Incis.
med. dexi. hinten der M. III, dessen Alveole ganz verstrichen ist. Links sind die
beiden Incisivi, der Caninus und die Praemolaren vorhanden , aber sämmtlich sehr
abgenutzt; es fehlen sämmtliche Molares dieser Seite, aber an der Stelle von M. I
und II liegt eine grosse, offenbar cariöse Höhle, und M. III ist bis auf 3 Wurzel-
löcher verschwunden.
(Der linke Seitentheil des Unterkiefers war nachträglich durch einen schiefen,
von der genannten Höhle ausgehenden Bruch gesprengt, die Stücke sind aber gut
aneinandergefügt.) Der Knochen bildet eine massig grosse, vom mehr elliptische
Curve, deren hintere Winkeldistanz 93 mm beträgt. Sein Aussehen ist bräunlich,
fast holzartig. Das Kinn ist am unteren Rande gerundet, dick und in der Mitte
vorspringend. For. mentale dext. gross und offen; das linke liegt gerade in der
Bruchlinie. Spina ment. int. doppelt, sehr scharf und stark, damnter ein tiefes
Loch. Gegen den Rand des Unterkiefers zwei tiefe Gmben (für den M. digastricus?),
getrennt durch eine mittlere Schnebbe. Die Aeste sehr dick, breit (38 mm) und steil;
Proc. coronoides 60, Pr. condyloides 57 mm hoch, etwas schräg und am Ende ab-
geplattet, fast scharf. Die Incisur zwischen den Aesten tief und scharf. Beide
Aeste aussen und längs des Randes nach innen mit tiefen Muskelfurchen besetzt. —
Zum Schlüsse gebe ich noch eine kurze Zusammenstellung der Hauptmaasse:
Horizontaler Umfang . . .517 mm Grösste horizontale Länge . 177 mm
Querer (verticaler) Umfang . 330 „ „ Breite 147* „
Sagittaler Umfang ... . o64 „ Hintere Höhe 142 „
(462)
Ohrhöhe 112 7nm Gesicht, Breite c (roaxill.) . . 95 tw«
Stirnbreile 99 „ Orbila, Breite 42 ^
Gesicht, Höhe A (Nasenwurzel „ , Höhe 33 ^
bis Kinn) 102 „ Nase, Höhe 47 „
Gesicht, Höhe B (Nasenwurzel ^ , Breite 24? ^
bis Alveolarrand) .... 63 „ Gaumen, Länge 49 ^
Gesicht, Breite a (jugal) . . 131? „ „ , Breite 34 ,,
^ , „ b (malar) . . 94 „
Schon auf Grand der Messungen meiner Vorgänger hatte ich erklärt (a. a. O.
S. 488), dass die (durch die Indices angedeuteten) Eigenschaften der Annahme einer
turanischen oder^ wenn man will, finnischen Bevölkerung nicht entgegenstehen
würden. Meine eigene Untersuchung hat diese Auffassung nur bestärkt, und zu-
gleich den Gegensatz gegen die Schädel von Fatjanowo, die ich freilich selbst nicht
gesehen habe, noch gesteigert.
Ich freue mich, unserem Ehrenmitgliede, der Frau Gräfin üwarow, diese Dar-
legung als ein Zeichen meiner Erkenntlichkeit vorlegen zu können. Möchten nur
bald zahlreichere Untersuchungen russischer Steinzeit-Schädel folgen. —
Nur ganz beiläufig will ich erwähnen, dass ich der Mosk^er Section eine
grössere Reihe von Abbildungen vorgelegt habe, um die veränderliche Lage
und Gestalt der Tuberositas maxillo-malaris und deren Einfluss auf die Be-
stimmung des malaren Gesichtsdurchmessers zu erläutern. Ich behalte mir vor,
auf dieses nicht unwichtige Thema zurückzukommen.
Endlich erwähne ich zur Kenntnissnahme für spätere Reisende, dass unter den
vielen Museen in Moskau ausser dem anthropologischen (Director Prof. Anutschin)
das historische Museum der Archäologischen Gesellschaft zu besuchen ist. Letz-
teres steht unter der speciellen Leitung der Gräfin Uwarow und enthält die Er-
gebnisse der neuesten Ausgrabungen, namentlich auch der transkaukasischen.
Hr. Iwan off, der diese letzteren geleitet hat, war so gütig, mich selbst zu geleiten.
Zu meiner Freude sah ich dort alle meine bekannten Artefacte, insbesondere auch
Antimongeräthe und ein neues und schönes Exemplar eines Bronze-Gürtel-
bleches mit Thier-Ornamenten. —
3. Die ethnographischen und archäologischen Sammlungen in Hamburg.
Nach meiner Rückkehr von Petersburg führten mich wiederum Familien-
pflichten nach Flensburg. Auf der Rückkehr von da nach Berlin brachte ich ein
paar sehr genussreiche Tage in Hamburg zu (10. bis 12. September), wohin gerade
damals die prächtige Blumen -Ausstellung zahlreiche Besucher lockte. Ich möchte
die Mitglieder der Gesellschaft aber auf zwei besonders wichtige Plätze aufmerk-
sam machen.
Der erste ist das neu eingerichtete Museum für Völkerkunde, dem seit Anfang
des Jahres auch die bis dahin getrennt verwaltete Sammlung vorgeschichtlicher
Alterthümer eingefägt worden ist, so dass dasselbe im Wesentlichen nach dem
Muster unsers Museums eingerichtet ist Der neu angestellte Assistent, Hr. K. Hagen,
hat die zahlreichen neuen Erwerbungen, ethnographische und prähistorische, in
einem übersichtlichen Bericht sehr gut geschildert. Auf Einzelheiten ist hier nicht
einzugehen. Nur das mag hervorgehoben sein, dass die Stücke der prähistorischen
Sammlung nicht auf das hamburgische Gebiet beschränkt sind. Die neuen
Erwerbungen greifen weit über andere europäische Länder hin. Als die werth*
vollsten werden 4 Schmuckstücke in Filigranarbeit aus Gold bezeichnet, die in
(463)
Haddien bei Hooksiel am Jahdebusen gefunden sind und als orientalische Import-
artikel des 8. bis 10. Jahrhunderts, verwandt den Hacksilber- Funden, gedeutet
werden. — Die in der Nähe von Hamburg veranstalteten Ausgrabungen ergaben
Brandumen mit neolithischer Keramik, Spuren von Bronze und einige Feuer-
stein-Pfeilspitzen (?). Hr. Hagen glaubt desshalb zu der Annahme berechtigt zu
sein, dass sich die neolithische Keramik in dieser Gegend bis in den Anfang der
Bronzezeit erhalten habe. Nach Analogie anderer Funde aus Mitteldeutschland dürAe
gegen diese Annahme theoretisch nichts einzuwenden sein. —
Sehr viel bedeutsamer hat sich unter der umsichtigen und eneiigischen Geschäfts-
führung des Directors Hrn. Julius Brinckmann das Museum für Kunst und Gewerbe
entwickelt, das schon seit Jahren in immer steigendem Maasse die Aufmerksamkeit
und Bewunderung nicht bloss der Fachleute, sondern auch des grossen Publicums
erregt hat. Man kennt schon lange die grosse Fülle der einheimischen Schmucksachen,
welche dort aufgestellt sind, und den unglaublichen Reichthum an japanischen
Artefacten, welche der in allen Ländern forschende Director zusammengebracht hat.
Unter den neuen Erwerbungen stehen obenan die Bronzen von Benin, von denen
mehrere Hauptstücke für das Museum angekauft sind. Auch die Prähistorie wird
durch immer schönere Stücke vertreten. Dahin gehört insbesondere ein vor-
geschichtlicher Goldfund, anscheinend ein Depotfund, von Erpel bei
Schneidemühl, bestehend aus 7 Armbändern. Der Fund ist in dem Berichte des
Museums für das Jahr 1895, S. 19 beschrieben worden (Aus dem Jahrbuch der
Hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten XIII). Keiner von denen, welche
Hamburg besuchen, sollte es versäumen, dieses Pracht-Museum zu besuchen und^
ihm ein längeres Studium zu widmen.
4. Die Abtheilung für Anthropologie und Ethnologie auf der Versamm-
lung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte
in Braunschweig.
Aus der mannich faltigen und etwas bunten Organisation der alten Naturforacher-
Versammlung hat sich^ dem Bedürfnisse der Zeit entsprechend, auch eine beson-
dere Section für Anthropologie und Ethnologie (diesmal die 13.) herausgebildet.
Die HH. Richard Andree und Fr. Grabowsky fungirten als ofßcielle Einführer.
Die Versammlung, welche für den 20. bis 25. September einberufen war, gestaltete
sich für unsere Mitglieder doppelt werthvoU, weil sie gewissermaassen als eine Vor-
bereitung und eine Probe für die im nächsten Jahre (1898) gleichfalls in Braunschweig
zusammentretende General -Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesell-
schaft angesehen werden konnte. Wir waren so in der Lage, eine vorläufige Musterung
des vorhandenen Materials vorzunehmen und auch bescheidene Wünsche für die
bessere Aufstellung und für die Gestaltung des künftigen Programms zu äussern.
Ich will nur constatiren, dass wir sowohl über die Zahl, als über den Werth der
vorhandenen Stücke unsere grosse Befriedigung aussprechen und den in Aussicht
gestellten Excursionen mit dem vollen Vertrauen auf die sachgemässe Leitung ent-
gegensehen konnten. Sicherlich wird die nächste General- Versammlung eine reiche
Quelle der Belehrung erölTnen, zumal in einem Landstriche, der bis jetzt ungerecht-
fertigterweise der Aufmerksamkeit der Alterthumsforscher fast verschlossen ge-
blieben ist.
Einen besonderen Anreiz gewährt die kleine Schrift, welche der Verein für
Naturwissenschaft in Braunschweig unter dem Titel „Fest-Gruss" der Naturforscher-
Versammlung gewidmet hatte. Darin steht ein höchst überraschender Bericht des
Hm. Wilhelm Blasius über die Megalithischen Grabdenkmäler des nord-
(464)
westlichen Deutschlands, welcher zum ersten Male einen Ueberblick über die
Fülle solcher Monumente im Herzogthum Braunschweig und in der umgebenden Land-
schaft gewährt. Er schliesst sich eng an die in unserer S^itschrifl erfolgte Pnbli-
cation der HHrn. E. Krause und Schötensack über die Megalithe der Altmark,
und er wird daher vielen unserer Mitglieder Gelegenheit bieten, Yergleichungen
anzustellen und weitgehende Schlussfolgerungen anzuknüpfen.
Die Stadt Braunschweig mit ihrem Reichthum an Bauwerken des Mittelalters
ist an sich wie gemacht für einen eingehenden Besuch von Alterthumsforschern.
Die gegenwärtige Regierung ist mit Erfolg bemüht, durch die Restauration vieler
alter Gebäude, namentlich der Burg Heinrichs des Löwen und der alten Kirchen,
ein volles Bild der früheren Herrlichkeit wiederherzustellen. Mögen also unsere
Freunde sich für diese Genüsse genügend vorbereiten! —
(37) Hr. Rud. Virchow bespricht die
Eröffnnni? prähistorischer und römischer Gräber in Worms.
Am 8. d. M. traf ich auf der Rückkehr von Lugano, einer wiederholten Ein-
ladung des Hm. C. Kohl gern Folge gebend, in Worms ein. Der stets glückliche
Forscher hatte noch in der zweiten Sitzung des Lübecker Congresses am 4. August
(Corr.-Bl. Nr. 10, S. 101) eine lichtvolle üebersicht seiner letztjährigen Ausgrabungen
gegeben, durch welche die Area der römischen Gräberfelder um Worms erheblich
und namentlich auch in neuen Richtungen erweitert ist. So wurde im Südwesten
der Stadt, an der alten Römerstrasse, die auf Kaiserslautern zieht, einer der be-
deutendsten Friedhöfe aufjgedeckt, der zahlreiche werthvolle Funde lieferte. Da
schon früher ein nördlicher Friedhof (an der Liebfrauen-Kirche), ein westlicher
und ein südlicher erschlossen waren, im Osten dagegen die Nähe des Rheins die
Anlage eines solchen verbot, so ist nun, von letzterer Stelle abgesehen, der Ring der
römischen Gräberfelder um die Stadt geschlossen.
In den Räumen der aken Paulus-Kirche, die bekanntlich in ein Museum ver-
wandelt ist, finden sich die hauptsächlich durch die Freigebigkeit des Freiherm
Heyl zu Herrnsheim gesammelten Schätze so dicht aufgespeichert, daas die
Nothwendigkeit, ein neues Museum im modernen Sinne, speciell zu dem Zwecke
einer würdigen Aufstellung der Alterthümer, zu erbauen, jetzt allgemein anerkannt
und der Neubau wahrscheinlich in absehbarer Zeit vorgenommen werden wird. Denn
ausser den römischen Sachen findet sich da jener unvergleichlich reiche Aufbau
fränkischer (merovingischer) Alterthümer, und, was keine andere deutsche Stadt
aufweisen kann, jene Fülle von Gräberfunden der neolithischen Zeit, über welche
wir oft gesprochen haben.
Diese letzteren, und namentlich die Menge menschlicher Gebeine, welche aus
denselben in verhältnissmässig gut erhaltenem Zustande von den sachverständigen
Händen der Wormser Forscher geborgen sind, waren es, welche für mich den
hauptsächlichen Anreiz boten, noch einmal an dieselben heranzutreten und de einer
genaueren Prüfung zu unterziehen. Ich entsprach damit zugleich einem Wunsche,
welchen Hr. Kohl mir wiederholt ans Herz gelegt hatte. Die Ergebnisse dieser
Untersuchung gedenke ich heute in möglichster Kürze der Gesellschaft mitzutheilen.
Hr. Dr. Schötensack, der gleichzeitig mit mir in Worms war, übernahm es,
für die Bestimmung der bei diesen Ausgrabungen gesammelten Thierknochen zu
sorgen; ich werde seinen Bericht demnächst vorlegen.
Was das prähistorische Gräberfeld selbst anbetrifft, so darf ich wohl ver-
weisen auf den in unseren .«Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde*^ 189t}.
(465)
Hefl 4, S. 59, and ausführlicher in der Schrill ,,Neae prähist. Funde aas Worms imd
Umgebung, 189(>'' enthaltenen Bericht des Hm. Kohl selbst. Es liegt getrennt von den
römischen Friedhöfen nördlich von der Stadt aaf der sogenannten Hheingewann,
einer jener in der Rheinpfalz häufig wiederkehrenden Bodensch^ellen, welche in
der Richtung vom Hardtgebirge zum Rhein ziehen. Da es sich in dieser Nekro-
pole ausschliesslich um Bestattungsgräber handelt, so waren die Knochen verhältniss-
mässig wenig angegriffen; die Schwierigkeit, sie unversehrt herauszubefordern,
beruhte nur in der agglutinativen Beschaffenheit des Erdreiches, von dem sie um-
schlossen waren. Es ist zufolge dieses Umstandes nur in wenigen Fällen gelungen,
die Schädel in zusammenhängender Form auszuschälen, und noch mehr haben die
übrigen Skelettheile gelitten. Ich kann daher nur fragmentarische Notizen über
die Funde liefern. Ich zähle dieselben unter Angabe der Nummer des Grabes un-
gefähr nach der grösseren oder geringeren Erhaltung der Knochen auf.
Dabei mache ich von vornherein darauf aufmericsam, dass sich bei der Durch-
sicht der einzelnen Grabfunde eine bemerkenswerthe Anzahl platyknemischer
Tibien vorfand.
Grab Nr. 88. Gebeine eines älteren kräftigen Mannes (Neue prähist. Funde S.45),
dessen Zähne sämmtlich wohl erhalten, aber stark abgeschliffen sind. Der Schädel,
mit Unterkiefer versehen, ist gross: horizontaler Umfang 520, sagittaler 376 tum.
Seine Stirnbreite, an der Stelle des kleinsten Durchmessers, ei^iebt 103 rnrn. Seine
Form isthypsidolichocephal: Breitenindex 73,5, Höhenindex etwa 79,5, Ohrhöhen-
index 60,0. Das Gesicht sehr hoch und massig breit, so dass ein leptoprosoper Index
(91,3) sich ergiebt. Die Kiefer orthognath, das Kinn etwas progenäisch. Orbita
mesokonch (Index 80,4), Nase dagegen platyrrhin (Index etwa 55,5). Ober-
schenkel besonders unten glatt, jedoch mit sehr starker Linea aspera. Starke
Piatyknemie. Zugleich ist zu bemerken, dass der Abstand der Unterkiefer-
Winkel von einander sehr gross (127 mm) ist.
Grab Nr. 48 (vergl. „Nachrichten" S. 60. Neue prähist. Funde, S. 10, Taf. I).
Gebeine eines gleichfalls älteren kräftigen Mannes, dessen Zähne stark abgenutzt sind.
Der Schädel zeigt eine leichte hintere, bis auf die Schläfenschnppe reichende Ab-
flachung. Sein horizontaler Umfang misst 512, der sagittule 373 mm. Stimbreite
(minimale) 96 mm. Seine Form ist ebenfalls hypsidolichocephal: Breitenindex
72,3, Höhenindex 77,7, Ohrhöhenindex 63,0. Das Gesicht ist noch höher, als bei
dem vorigen: 120 mm. Da aber die Jochbogen verletzt sind, so lässt sich die Breite,
also auch der Index nicht bestimmen; nach Schätzung muss letzterer jedoch aus-
gemacht leptoprosop gewesen sein. Hier beträgt die Kieferwinkel-Distanz 102 jnvi.
Die Orbita ist hyperhypsikonch (Index 92,3), die Nase leptorrhin (Index
etwa 44,6).
Grab Nr. 49. Das Geschlecht ist nicht sicher zu bestimmen; die rechte
Schläfengegend ist ganz eingedrückt, aber das Collum ossis femoris kurz und
etwas flach gestellt. Da der Unterkiefer auf beiden Seiten zahnlos und sehr
niedrig, die Winkel sehr gestreckt sind, so darf auf ein höheres Alter geschlossen
werden. Am Schädel misst der horizontale Umfang jedoch 500, der sagittale
377 mm, während die minimale Stirnbreite nur 88 mm beträgt Auch hier ist die
Schädelform hypsidolichocephal: Breitenindex etwa 72,5, Höhenindex etwas
unsicher 80,2, Ohrhöhenindex 66,5. Gesichtsmaasse konnten nicht genommen
werden. Oberschenkel mit sehr starker Crista und eingefurchten Seitenflächen. —
Es ist dies das einzige Grab in dieser Nekropole, in welcher die Leiche in der
Stellung des „liegenden Hockers^ bestattet war (Nachrichten, S. 61. Neue prähist.
Funde S. 10, Taf. H).
V«rbaodl. der Ber). AnUiropol. Gesellichaft 1897. 30
(466)
Grab Nr. 57. Die von Hm. Röhl (Nene prühist. Fände, 8. 4ß) als weiblich
bezeichnete, gtark platyknemische Leiche, die übrigens zahlreiche Defecte erlitten
hat, zeigt mehr Merkmale einer männlichen. Der Schädel besitzt einen horizontalen
Umfang von 520,' einen sagittalen von etwa 374 mm. Die (minimale) Stimbreile
raisst anch hier nur 88 mm. Der Schädel ist dolichocephal (Index 72,6); die
gerade Höhe konnte nicht bestimmt werden, dagegen ergab die Ohrhöhe einen Index
von nur 54,3. An der Tibia ist die hintere Fläche ziemlich breit und in der Mitte
mit einer Crista versehen, die Aussenflächen stark eingefurchi
Grab Nr. 8. (Neue prähist. Funde, S. 43). Skelet sehr defect, offenbar männ-
lich. Der Schädel lieferte die höchsten Maasse unter den gemessenen: Horizontal-
Umfang etwa 545, grösste horizontale Länge 201, grösste Breite 144 — 147 n*ia.
Er war also stark dolichocephal (Index 73,1 oder 71,6). Die Stimbreite von
94 mm bleibt nur um 2 mm hinter der sonst beobachteten höchsten (Grab 48) zu-
rück. Sehr weite Stirnhöhlen mit starker Prominenz der Supraorbital wülste. Gesichts-
maasse nicht zu gewinnen.
Grab Nr. 11. (Neue prähist. Funde, S. 43). Sehr defectes Skelet. Horizontal-
Umfang 532 mm, Schädelindex mesocephai (78,7). Sutura frontalis persi-
stens. Rinn progenäisch. Zähne stark abgenutzt.
Grab Nr. 80. Weibliches (?) (Neue prähist Funde, S. 44), höchst defectes
Skelet. Am Schädel ist die ganze linke Seite eingedrückt. Die Nähte undeutlich,
die Zähne stark abgenutzt. Nach den Bruchstücken zu urtheilen, war der Schädel
sehr lang. Unterkiefer sehr gross.
Grab Nr. 60. Männliches (Neue prähist. Funde, S. 46), sehr verletztes Skelet.
Sehr abgenutzte Zähne. Schädel von beiden Seiten her eingedrückt, scheinbar
mesocephai. Schienbeine platyknemisch, an den Aussenflächen stark ein-
gefurcht, aber mit hinterer breiter Fläche.
Grab Nr. 36. Weibliches(?) Skelet (Neue prähist. Funde, S.45). Der Schädel
sowohl von der Seite her, als von der Höhe eingedrückt
Grab Nr. 46. $ (Neue prähist Funde, S.45). Platyknemische Schien-
beine.
Grab Nr. 65. Weibliches Skelet (ebenda, S. 46). Platyknemie: die Aussen-
flächen vertieft, die hintere Fläche massig breit und gerundet Oberschenkel etwas
zart und mehr gerundet; kurzes und etwas flaches Collum.
Grab Nr. 58. Männlich (Neue prähist Funde, S. 46). Langer Oberschenkel
]nit sehr langem und steilem Gollum, stark hervortretender Crista und sehr ab-
geflachtem Unterende. Tibia säbelförmig, un der äusseren Fläche tief eingefurcht,
an der hinteren Fläche mit einer stark hervortretenden Mittelkante (Platyknemie).
Es fand sich endlich noch ein loser, nicht numerirtcr progenäischer Unter-
kiefer. —
Im Anschlüsse an diese Beschreibung gebe ich eine tabellarische Zusammen-
stellung der thatsächlich gefundenen Maasse:
Neolithischo Gräber
von der
Rheingewann bei Worms
Schädel- Cmfang, horizontaler . . . mm
, sagittalcr .... ^
Stimbreite (minimale; „
Nr. 38 Nr. 48 Nr. 49 Nr. 57 Nr. 8 ,Nr. 11
~ -
' —
— —
520
512
500
520
545? 53S
876
873
877
874? '
— —
103
%
88
88
94 —
(467)
Neolithische Gräber
Ton der
Rheingewann bei Worms
Grösste horizontale Lftnge
^ Breite
Oerade Höhe
Ohrhöhe
Oesicht, Höhe A (Nasenwurzel bis
Kinn)
„ B (Nasenwunel bis
Alveolarrand). .
Breite a (Jochbogen) . .
„ b (Yorspmn^ der
Wangenbeine .
y, c (Kieferw.-Distans)
AngcnhOhle, Höhe
„ , Breite
Nase, Höhe
, , Breite
mm
n
185
136
147?
111
116
67
127
92
104
88
41 -
45? i
25
184
188
148
116
182
(182)
146?
121
186
185
101
201
147-144
188
144
120 — —
74
91?
102
86
89
56
25?
Es wäre wohl möglich, dass sich aus den zahbeich vorhandenen Brachstttcken
noch einige Theile so weit restauriren liessen, dass sie messbar wtlrden. Dazu
bot mein unfreiwillig kurzer Besuch keine Gelegenheit dar. Das Gefundene zeigt
aber eine überraschende Uebereinstimmnng der Formen, wie sich aus einer üeber-
sieht der berechneten Ind^ees leicht erkennen lässt:
Längenbreitcn-Index . . /
L&ngenhöhen-Index . /
Ohrhdhen-Index . , /
Oesichts-Index . ./'
Orbital-Indei . ./.
Nasen-Index . /
78,5 I 72,8
79,5? ' 77,7
60,0 ! 68,0
91,8
78,1? awt)
72.5 ' 72,6
80,2? I —
66.6 ! 54,8 —
78,7
80,4
92,8
55,5? ' 44,6? — —
In Bezie/hung auf den Längenbreiten- (Schädel-) Index habe ich nur eine Aus-
nahme gefiniden, indem Nr, 11 mesocephal ist, allein gerade dieser Schädel
hat eine SCntura frontalis persistens; die grössere Breite mag also durch stärkeres
QuerwmcKsthum bedingt gewesen sein. Ausserdem fand sich in Grab 60 noch ein
Schädel/ der den Eindruck der Mesocephalie machte, indess war er zu defect, um
geme88|bn werden zu können. Alle anderen Schädel waren ausgemacht
dolichocephal, so dass diese Eigenschaft als Stammes-Eigenthttmlichkeit be-
zeichnet werden kann.
^er Höhenindex konnte leider nur in 3 Fällen, genau nur in einem Falle,
berechnet werden. Immerhin war er stets hypsieephah Die Controle durch
den rOhrhöhenindex bestätigte dieses Resultat; nur in einem Falle (Grab 57) wurde
ein / chamaecephaler Index erhalten. Ich besitze leider keine so genauen Auf-
zeichnungen darüber, dass ich in eine weitere Analyse des Falles eintreten könnte.
Abjtr auch, wenn sich bei erneuter Controle die Richtigkeit dieser Zahl ergeben
sollte, wtlrde vorläufig an der Hypsicephalie als Regel festgehalten werden müssen.
; 30*
t
(468)
Die hypsidolichocephale Schädelform ist in neolithischen Gräberfeldern keine
ungewöhnliche. Ich verweise beispielsweise aaf die Schädel von Tangermttnde in
der Altmark (Verhandl. 1883, S. 154; 1887, 8. 481) und auf die von der Türken-
schanze bei Lengyel in Ungarn (Verhandl. 1890, S. 102, 117). Von den letzteren
sagte ich, dass ^unter allen lebenden Stämmen (in Europa) nur die nordarischen
eine nähere Verwandtschaft erkennen lassen^, und ich trug kein Bedenken zu
erklären, dass „man leicht so weit gehen könnte, dem Steinvolk von Lengyel eine
arische Abstammung zuzuschreiben, oder umgekehrt, in ihm einen der Urstämme
zu sehen, von welchem die Arier abzuleiten seien.^ Aehnliche Betrachtungen lassen
sich auch auf das Steinvolk von Worms anwenden. Es wird sich verlohnen, auf
diese Frage näher einzugehen, und dabei eine weitere Vergleichung anderer
neolithischer Schädel mit den Wormsem zu veranstalten. Vorläufig will ich nur
' darauf aufmerksam machen, dass ein gewisser Unterschied zu bestehen scheint
zwischen den Schädeln der Nekropolen mit flachen, tief liegenden Gräbern und
denen der Regelgräber, auch wenn diese der neolithischen Zeit angehören. Viel-
leicht wird später Zeit und Gelegenheit günstig sein, um darauf zurückzukommen.
Dabei werden denn auch die Gesichtsverhältnisse weiter zu prüfen sein. Die
starke Zertrümmerung, welche die meisten Wormser Schädel gerade im Gesiebt
erlitten haben, machte es unmöglich, mehr als zwei Schädel daraufhin zu prüfen.
Dabei zeigte sich erhebliche Verschiedenheit an Orbita und Nase, den beiden
Theilen, welche erfahrungsgemäss der individuellen Variation in höherem Maasse
ausgesetzt sind. Immerhin darf als wahrscheinlich angenommen werden, dass bei
den Wormser Neolithikern ein hohes und schmales Gesicht, hohe Orbitae und eine
stark vortretende, gelegentlich schmale Nase YC^rl^errschten und dass sie orthognath
und progenäisch waren. ^**
Die Platyknemie ist schon besprochen worT:Jen. Ich konnte dieselbe bei
6 Skeletten notiren. Freilich erreicht sie meist nicht \jen hohen Grad, der bei
anderen Völkern bemerkt worden ist. Namentlich hat drV^ hintere Fläobe häufig
eine grössere Breite und auch eine stärkere Rundung behaltelfpi ^*8 «^^ ^^^ höheren
Graden der Platyknemie zukommt; der Eindruck der seitlichem* Abflachong wird
bei den Wormsem hauptsächlich durch die starke Einfurchnng* ^^^ Seitenflächen
hervorgebracht So konnte es geschehen, dass ein Schienbd^.^ (Grab Nr. 58)
geradezu als säbelförmig bezeichnet werden musste. —
Hr. Kohl liess es sich nicht nehmen, auf dem zuletzt entdeckteiP römischen
Friedhofe im Südwesten für uns mehrere Gräber öffnen zu lassefr- Sie lagen
sehr tief und enthielten meist grosse Steinsarkophage, zum Theil mi^ prächtigen
Beigaben, namentlich an Gläsern. Ich bin Hm. Kohl sehr dankbar daH^« '^^•" ß'
mir aus seinem grossen Vorrath an Schädeln der römischen Besiedelan^p^** ^^^
zur Vergleichung hat zugehen lassen (No. 1 —3). Sie entstammen dem ebeng«"""**^"
Friedhofe und gehörten Gräbern des 4. Jahrh. an. Ein vierter stammt aoif einc°*
fränkischen Reihengräberfelde an der „Schulstrasse**. Letzterer, der sich dui»* *"*«
Anzahl von flachen Exostosen desSchädeldaches,daranter eine sehr grosse, au8ae\^^
ist unter Nr. 43, 1897 der Sammlung des Pathologischen Institute unserer ü#"*^®*'"
sität einverleibt worden.
Ich gebe eine kurze Beschreibung der 4 Schädel : *
1. Schädel eines älteren Mannes (Nr. 38), Zähne stark abgt^nntst, tahlre^*^®
verstrichene Alveolen. Gut erhalten; nur der rechte Ast des Unterkiefer« m»-^^®*
brechen. Grosser, langer, hoher und breiter Schädel mit weit auagelegtem Hinr^*^
köpf. Die lateralen unteren Abschnitte der Sut coronaria verstrichen* Stark r ^^
J
(469)
tretende Nase and Supraorbitälwülste mit ^robporöser Oberfläche. Andeutung
einer Orista frontalis. An der Fläche der Calvaria zahlreiche Netzfurchen durch
Pflanzenwurzeln. — Capacität 1661 crm (Rephalone): horizontaler Umfang 535,
verticaler 332, sagittaler 390 mm. Die Schädelform ist hypsimesocephal:
L.-Br.-I 78,9, L.-H..I. 76,8, O-H.-L 58,4. Gesichtsindex mesoprosop (80,8), Orbita
chamaekonch (76,1), Nase raesorrhin (48,0). Wangenbeine vortretend, die vor-
dere Tuberositas liegt vor der Naht. Das Bregma vor dem Scheitelpunkt. Warzen-
fortsätze mächtig, mit doppelter Incisur. Foramen magnum sehr gross, 37 auf 30 mm.
also Index 81,0. Unterkiefer sehr gross, mit sehr dickem Körper.
2. Schädel einer jungen Frau (Nr. 72). Zähne wenig abgenutzt, fast voll-
ständig; nur die Molares III fehlen und ihre Alveolen sind verstrichen. Capacität
\2bi rem; horizontaler Umfang 515, yerticaler 302, sagittaler 372 tum, Schädelform
orthomesocephal: L.-Br.-I. 77,0, L.-H.-I. 68,9, O.-H.-I. 51,3. Am Stirnbein ein
langer Rest der Stirnnaht an der Nasenwurzel, der bis über die vordere Wöl-
bung reicht. Die grösste Breite (141 mm) liegt an den Tubera parietalia. Hinter-
haupt, besonders die Oberschuppe stark vorgewölbt Gesichtsindex leptoprosop
(98,3). Orbita hyperhypsikonch (92,5), Nase mesorrhin (47,1). Foramen
magnum gross, 34 auf 28 mm, also Index 82,3. Grosser Unterkiefer, in der Mitte
hoch, das rundliche Kinn vorgeschoben.
3. Schädel eines älteren Mannes. S^hne stark abgenutzt, die hinteren sehr
defect, die Alveolen verstrichen. Der Schädel ist schwer, obwohl der grösste Theil der
Basis bis in den Gaumen und die Nasenhöhle hinein fehlen. Die Capacität ist daher
nicht zu bestimmen. Schädel ziemlich gross: horizontaler Umfang 531, verticaler 311,
sagittaler 378 mm. Seine Form ist hypsimesocephal (L.-Br.-I. 76,5, Ohrhöhen-I.
61,8). Minimale Stimbreite 94 mm, starke, sehr unebene Stirn wüIste. Gesichtsindex
mesoprosop (86,1); Orbitae gross, hoch und eckig, mesokonch (82,5). Nase
sehr gross, schmal und vorspringend, die Wurzel sehr tief liegend, Index 42,0,
hyperleptorrhin. Alveolarfortsatz des Oberkiefers massig stark, orthognath.
Schläfengegend links synostotisch, rechts nur eine Ala elongata.
4. Schädel einer alten Frau ohne Unterkiefer (Nr. 43, 1897. Path. Inst.) aus
der Schulstrasse. Die Zähne fehlen grösstentheils, Alveolen verstrichen und der
Fortsatz atrophisch. Das gelbliche Schädeldach ist mit Pflanzenwurzel-Erosionen über-
zogen und, wie erwähnt, mit Exostosen besetzt, von denen die grösste rechts an
der Hinterstim, die Mehrzahl der kleineren auf den Parietalia liegt. Capacität
1350 rem, also fast um 100 mn grösser, als bei Nr. 2; die Knochen sind sehr brüchig,
aber relativ schwer. An der Coronaria alte Verschiebungen der Knochen, so dass
in der Mitte die Parietalia über das Frontale vortreten, an den Seiten dagegen das
Frontale mehr erhoben ist Das Stirnbein sehr glatt, ohne Wülste; minimale
Breite 97 mm. Massige Stenokrotaphie, rechts ein trennendes Epiptericum,
links eine sehr kurze Sphenoparietalnahi Schädelform hypsimesocephal, jedoch
an der Grenze der Dolichocephalie: L.-Br.-I. 75,4, L.-H.-I. : 68,3, Ohrhöhenindex
59,0. Der horizontale Umfang misst 500, der verticale 312, der sagittale 380 mm, —
Das Mittelgesicht klein, der Alveolarfortsatz sehr niedrig. Orbitae sehr gross,
ultrahypsikonch (Ind. 97,2). Nase stark vortretend und schmal, Index 47,8,
mesorrhin.
Diese Schädel sind ohne Ausnahme mesocephal; nur der fränkische steht nahe
an der Grenze zur Dolichocephalie. Der Höhenindex ist verschieden: zweimal (Nr. 3
nach dem Ohrhöhen-Index) hypsi-, zweimal (bei den Frauen) chamaecephal.
(Unte^ den Neolithikern war kein einziger sicherer Chamaecephnle.)
(470)
Sch&del ans römischen Gräbern
and
aus einem fr&nkischen Grabe in Worms.
1.
I. Messsahlen.
Schädelinhalt ccm
Schädelnmfang, horizontaler mm
„ , verticaler (quer) ,
„ , sagittaler „
Stimbreite (minimale) „
Grösste horizontale Länge ^
n Breite „
Gerade Höhe „
Ohrhöhe „
Gesicht, Höhe A (Nasenwurzel bis Kinn) . „
„ B (Nasenw. bis AlTeolarraud) „
Breite a (Jochbein) „
„ b (Vorsprang d. Wangenbeins) „
c (Eieferwinkel-Distanz) . . ^
Augenhöhe, Höhe ^
, Breite „
Nase, Höhe „
„ , Breite „
1661
535
882
890
95
190
150 1>»
146
111
120
72
136
98
97?
32
42
52
25
2.
?
II. Berechnete Indices.
Längenbreiten-In dex
Längenhöhen-Index
Ohrhöhen-Index . .
Gesichts-Index . .
Orbital-Index . . .
Nasen-Index . . .
1252
515
802
872
96
183
141T
126
104
117
67
119?
93
89
87
40
53
25
78,9
77,0
76,8
68,9
58,4
51,8
8i\8
98,3
76,1
92.5
48,0
47,1
8.
t
531
811
878
94
187
143pt
115
118
70
137
97
102
88
40
50
20
76,5
61,8
86,1
82^
42,0
48 (1897)
2
1850
500
312
880
97
188
138p»
125
108
58
121
90
3G
87
46
22
75,4
68,8
59,0
97,2
47,8
Der GesichUindex ist bei den Männern (Nr. 1 u. 3) meso-, bei der Fraa
(Nr. 2) leptoprosop. Dagegen ist der Orbitalindex bei den Frauen (Nr. 2 u. 4)
hypsi-, bei einem Manne (Nr. 1) chamae-, bei dem andern (Nr. 3) meso-
konch. Der Nasenindex ist bei einem Mar je (Nr. 3) hyperleptorrhin. bei
den 3 anderen Schädeln (Nr. 1, 2 n. 4) mesorrhin.
(38) Hr. Otto Schötensack in Heidelberg übersendet die nachfolgende
Untersuchung der Thierreste ans dem Gräberfelde der jüngeren Steinxelt
bei Worms.
Durch den Alterthomsrerein in Worms wurden im Jahre 1895 auf der Rhein*
gewann daselbst 69 Flacbgräber ans neolithischer Zeit systematisch nntersocht
Einen ausführlichen Fundbericht darüber veröffentlichte Hr. Dr. med. C. Röhl in
der Broschüre „Neue prähistorische Funde ans Worms und Umgebung** (S. oben 8.465).
Unter zahlreichen Beigaben von Thongrefössen, Steingeräthen und primitiven ScTimuck-
(471)
gegenständen befand sich auch eine Anzahl von Thierknochen, welche den Rest
der den Todten in Töpfen mitgegebenen Speisen darstellen. Der Vorstand des
besagten Alterthnmsvereins hatte die Freundlichkeit, mir diese zur nähereu Unter-
suchung anzuvertrauen.
Ein grosser Theil der Thierknochen war zu fragmentarisch, um überhaupt
noch eine Bestimmung zu gestatten, ein anderer Theil bot aber noch genügende
Anhaltspunkte, um an der Hand eines ausreichenden Vergleichsmaterials solche zu
ermöglichen. Dieses fand ich im naturhistorischen Museum in Bern vor, wo Hr.
Prof. Th. Studer in liebenswürdigster Weise mir bei der Bestimmung zur Hand
ging, wofür ich ihm hiermit verbindlichsten Dank ausspreche. Weitere Anhalts-
punkte für die Vergleichnng fanden sich in dem vom Römisch-germanischen Cen-
tral musenm in Mainz mir zur Untersuchung übergebenen osteologischen Material
ans einer neolithischen Mardelle bei Schwabsburg (Rheinhessen), worüber an an-
derer Stelle berichtet werden soU. ^
Die Renntniss der Fauna zur neolithischen Zeit stützt sich für das südliche
Deutschland wesentlich auf die von L. Rütimeyer (Basel 1861) und Th. Studer
(Mitth. d. naturf. Ges. in Bern 1880, 1882, 1883 und 1893) ausgeführten Unter-
suchungen über die Fauna der Pfahlbauten in der Schweiz und die von letzt-
genanntem Forscher beschriebenen Thierreste aus den Ablagerungen des Schweizer-
bildes bei Schaff hausen (Zürich 1806). Auch die Pfahlbauten im Stamberger See
(Edm. Naumann im Archiv f. Anthropologie 1875) ergaben ein reichliches Ma-
terial von Thierresten aus der jüngeren Steinzeit, doch finden sich hier auch
spätere Perioden vertreten, welcher Umstand die Chronologie erschwert.
Da das Gräberfeld der^ Rheingewann von Worms das erste grösseren üm-
fanges aus neolithischer Zeit ist, welches in unserer Gegend systematisch aus-
gebeutet wurde, so bietet sich auch zum ersten Mal die Gelegenheit, einen Blick
in das Oulturleben dieser Bevölkerung des Mittelrheins im Hinblick auf die sie
umgebende Thierwelt zu thun. Um einen solchen zu ermöglichen, wollen wir das
uns überlieferte osteologische Material zunächst ausführlich beschreiben.
Was das Aussehen und den Erhaltungszustand der Thier- (und Menschen-)
knochen anbelangt, so haben sie alle die gleiche kalkig-weissliche Farbe. Schneidet
man sie mit einem Messer an, so glaubt man einen ziemlich weichen Kalkstein
vor sich zu haben. Die compacte und spongiöse Substanz verhalten sich hierin
ziemlich gleichroässig. In verdünnter Salzsäure löst sich der Knochen unter be-
ständiger lebhafter Kohlensäureentwickelung bis auf einen sehr geringen Rest von
Ossein. Phosphorsäure ist nur in Spuren nachweisbar. Die Phosphate scheinen
demnach in der Hauptsache durch Calciumcarbonat ersetzt zu sein, womit auch
die ursprünglich vorhandenen oder durch Verwesung entstandenen Hohlräume an-
gefüllt sind.
Es sind folgende Thiere vertreten:
Aus Grab Nr. 47: Bos primigenius Boj. (Urstier).
Gelenkende des rechten Schulterblattes. Die Fossa glenoidalis und der Proc.
roracoides sind noch erhalten. Die Maasse in Millimetern sind folgende:
Worms Moosseedorf Font
Höhe der Gelenkfläche 83 80 80
Querdurchmesser der Gelenkfläche ... 69 66 70
Durchmesser des Halses 83 84 «4
Die beigefügten Dimensionen von zwei Schulterblättern des Urstieres, mit
denen das vorliegende in der Form sonst völlig übereinstimmt, aus neolithischen Pfahl-
(472)
bauten ergeben, dass die Wormser Scapola von einem recht stattlichen Ur her-
rührt.
Aus Grab Nr. 61: Bos primigenias (juv.) Boj.
Das in zwei Hälften gespaltene, alte Bmchflächen aufweisende Gelenkende des
rechten Schulterblattes eines jungen Urstieres. Der Coracoidfortsa^ ist ab-
geschlagen, dagegen das untere Ende der Spina scapulae noch erhalten* Die
Höhe der Fossa glenoidalis dürfte zwischen 70 — 75 mm betragen haben (genau ist
sie nicht mehr festzustellen), der Querdurchschnitt misst 62 mm.
Aus Grab Nr. 43: Bos taurus brachyceros Rütim. (Torfrind).
Rechte, etwa 210 mm lange Tibia eines jungen Rindes, das nach der Grösse
und der Schlankheit des Knochens in den Rahmen der Brachyceros-Rasse passt
Die obere Epiphyse ist abgebrochen, die untere an der Verwachsungsstelle ab-
gelöst. Querdnrchmesser der Diaphyse in der Mitte 31,5 mm. Dem Aussehen und
Erhaltungszustande nach gehören dazu ein noch leidlich erhaltener Galcaneus, sowie
mehrere fragmentarische Rnochenstücke aus demselben Grabe.
Aus Grab No. 65: Ovis aries L.?
Tibia, an der das distale Ende fehlt, von einem kleinen Wiederkäuer, wahr-
scheinlich einem Schafe kleiner Rasse. Im selben Grabe femer Fragment der
Diaphyse eines dünnen Röhrenknochens, wohl auch Tibia vom Schafe.
Aus Grab No. 59: Ovis aries L.?
Metatarsus, 111 mm lang, von einem jungen Schafe kleiner Rasse. Die Ge-
lenkflächen fehlen. Querdurcbmesser der Diaphyse 12 mm. Die Erde, die noch
an dem Knochen haftete, ist stark mit Asche gemiscljt.
Aus Grab No. 58 und 60: Knochenfragmente, die wahrscheinlich auch
vom Schafe herrühren, die Bruchstücke aus Nr. 60 noch als Humerus und Radius
erkennbar.
Aus Grab Nr. 38: Cervus elaphus L.
Sieben Eckzäline von zum Theil sehr stattlichen Hirschen. Die Zähne sind
durchbohrt und als Anhängsel verwendet.
Aus Grab Nr. 4: Canis familiaris L.
a) Proximale Hälfte einer Ulna mit abgebrochenem Gelenkende,
b) Proximale Hälfte eines Radius mit abgebrochenem Kopfe,
c) Oberer Theil der Diaphyse eines Radius.
Die Dimensionen der Knochen lassen auf einen mittelgrossen Hund in Grösse
eines kleineren Schäferhundes schliessen.
Neben dem Edelhirsch, dessen Eckzähne einem Nimrod als Trophäe mit
in's Grab gegeben wurden (die Sitte, die ausgebrochenen ^Hirschhaken^ als Bre-
loques zu tragen, findet sich noch heute bei unsern Jägern), treffen wir den schon
zur Diluvialzeit über ganz Europa verbreiteten und bei uns wahrscheinlich noch
zur historischen Zeit (ür des Nibelungen -Liedes) heimischen Bos primigenius
in zwei Individuen, wovon das ältere eine sehr beträchtliche Grösse aufweist
Beide sind als wild lebende Thiere aufzufassen. Rütimeyer (Archiv f. Anthr.
1866 S. 238) fand unter Resten aus einem neolithischen Knochenlager am Warte-
berg in Hessen, worüber Prof. Claudius und R. Müller Nachricht gegeben
hatten (Marburg 1861), auch die gezähmte Primigenius-Rasse vor.
War zum Leichenschmause ein Wild, wie der Ur, nicht zu beschaffen, so
schlachtete man ein Hausrind. Von einem solchen rühren offenbar die im
Grabe Nr. 43 aufgefundenen Knochen her. Die kleine und in der Schlankheit an
die des Hirsches erinnernde Tibia gestattet, mit Rücksicht darauf, dass auch in
(473)
der oben erwähnten neolithischen Mardelle das Torfrind vorkommt, es der Bra-
chyceros-Rasse zuzutheilen, die im Steinalter der Pfahlbauten allgemein und
in deren ältesten Ansied langen schon überwiegend vertreten war. Sie wird be-
kanntlich mit den Beiigscblägen der Schweiz, dem kleinen and karzhömigen Braun-
vieh der centralen and östlichen Alpen, das auch an vielen Orten Deutschlands
reichlich vertreten ist und das am reinsten vielleicht noch in Nord-Africa (Algier)
vorhanden ist, zusammengestellt.
Dazu kommt dann das Schaf (bczw. Ziege?), das in mehreren Gräbern
nachgewiesen ist^). Wie bekannt, sind einzelne Skelettheile dieses Thieres von
denjenigen der Ziege sehr schwer zu unterscheiden. Auch in den Pfahlbauten der
Schweiz erscheint neben der ^ege im Steinalter zuerst ein kleines ziegenhömiges
Schaf mit sehr dünnen, schlanken und dabei ziemlich hohen Extremitäten, und dann
erst später, wahrscheinlich mit der zunehmenden Fertigkeit in Zubereitung der
Wolle, eine grössere krummhörnigc Basse.
Die Anwesenheit des gezähmten Rindes, sowie des Schafes, bezw. der Ziege
lässt uns erkennen, dass die steinzeitlichen Bewohner des Mittelrheins bereits
Viehzucht trieben und also wohl zur bodenständigen Ackerbevölkerung zu rechnen
sind. Hierauf weist auch schon das grosse Gräberfeld hin, das 69 Skelette auf-
weist, während dasjenige bei Monsheim, 11 km westlich von Worms, nach der
Schätzung Lindenschmit^s (Zeitschr. d. Vereins zur Erforschung d. Rheinischen
Gesch. u. Alterth., Mainz 1868) sogar über 200 Todte enthielt. Wir haben uns
da wohl das Verhältniss niederer Ackerbauer zu denken, das, wie Ed. Hahn
(Versuche einer Theorie der Entstehung unseres Ackerbaus, Lübeck 1896) gezeigt
hat, auf dem Hackbau beruht und noch jetzt in einigen Theilen von America, dem
transsaharanischen Africa und dem Malaien-Archipel ausgeübt wird und, wie es
scheint, als ursprüngliche Art der Bodenbestellung bei den meisten Völkern be-
stand, ehe sie mit dem Pfluge bekannt wurden. Auf einen solchen Hackbau
scheinen auch, worauf schon von anderer Seite hingewiesen wurde, die in den
Worraser Gräbern aufgefundenen langen Steinmeissel hinzuweisen.
In einem eigenthümlichen Lichte, verglichen mit dem bisher über die Bei-
gaben Berichteten, erscheint die Thatsache, dass in einem Falle auch Theile eines
Hundes als Speise mit in^s Grab gegeben wurden. Von einem Individuum, das
mit seinem Herrn begraben wurde, können die Reste nicht herrühren, da bei dem
Erhaltungszustande des gesammten osteologischen Materials sonst viel mehr, vor
Allem einige Zähne des Hundes erhalten sein müssten; zudem sind laut der Zu-
sammenstellung des Hrn. C. Kohl a a. 0. S. 43 Nr. 4 diese Knochen in einem
Geiass aufgefunden. Es kann also wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass der
Hund, wie die übrigen Thiere, beim Leichenschmause verspeist und Stücke davon
dem Todten mitgegeben wurden.
In den steinzeitlichen Pfahlbauten der Schweiz kommen nach Rütimeyer
(a. a. 0. S. 117) und Th. Studer (Archiv für Anthropologie 18sO S. 74) fast nur
Schädel von alten oder ganz jungen Hunden vor, solche mittleren Alters fehlen.
Sie zeigen fast alle Spuren gewaltsamer Todesart, eingeschlagene Stirnbeine u. s. w.,
woraus letztgenannter Forscher den Schluss zieht, dass nicht der ganze Wurf des
Hundes, sondern nur ein ausgewählter Theil desselben aufgezogen wurde; die
1) Aueh in einem neolithischen Grabe von Wachenheim bei Worms fand sich der
95 mm lange Metacarpiis eines jungen Schafes, bczw. einer Ziege kleiner Rasse: Qucrdnrch-
messer der Diaphyse 12 mw. Die Oelenkflftchen sind verletzt. Der Knochen beftndct sich
ebenfalls im Paulus-Mnseum in Worms.
(474)
übrigenivurden, ebenso wie die alt und unbranchbar gewordenen, getödtet. Küti-
meyer erwähnt ausdrücklich, dass die übrigen Theile des Skelets von Hunden
sich ungleich häufiger unverletzt vorfanden, als diejenigen des Fuchses. Daraus
darf man wohl folgern, dass, während letzteres Thier, das auch weit häufiger,
als der Haushund, in den steinzeitlichen Pfahlbauten der Schweiz Torkommt,
wie alles erlegte Wild verzehrt wurde, hinsichtlich des Canis familiaris bei
den See-Anwohnern eine andere Praxis ausgeübt wurde, die schon dem intimeren
Verhältnisse dieses Thieres zu seinem Herrn Kechnung trug. Ziehen wir aber in
Betracht, dass z. ß. bei den Südsee-Insulanem, sowie auch im nördlichen Africa
von Sfax bis zur Cyrenaika und theilweise auch im westlichen Sudan (vergl. TAn-
thropologie 1897, p. 742) der Hund zur Nahrung Verwendet wird, so dürfen wir
uns auch nicht so sehr wundern, ihn auf der Speiseliste des neolithischen Bewohners
der Rheingewann von Worms zu finden. So erscheint er denn auch unter den
Beigaben des Todten.
In der oben erwähnten neolithischen Mardelle ist der Typus des Canis
Inostranzewi Anutschin, — die nach Th. Studer (Naturw. Wochenschrift 18*»7,
Nr. 28) durch die sibirischen Schlittenhunde (Laika), die norwegischen Elch- und
die Eskimohunde repräsentirte palüarctische Grundform, — vertreten. Ob der Hund
des neolithischen Gräberfeldes von Worms dieser Form oder etwa dem aus der
steinzeitlichen Pfahl baustation Bodmann am Ueberlingcr See bekannt gewordenen
Canis fam. Leineri (Deerhound), von dem der Schäferhund der Bronzezeit,
Canis matris optimae Jeitteles, wohl abgeleitet werden darf, zuzuweisen ist,
darüber lässt sich bei der Spärlichkeit des Materials nichts Bestimmtes aussagen.
Was schliesslich die Grabbeigaben unserer Neolithiker anbelangt, so darf man
vielleicht daraus, dass von dem erlegten Ur in beiden vorliegenden Fällen das
Schulterblatt, von den geschlachteten Thieren durchweg Extremitätentheile den
Todten mitgegeben wurden, den Schluss ziehen, dass auch hierin gewisse Ge-
bräuche beobachtet wurden. Der Umstand, dass nicht allen Todten animalische
Nahrung mitgegeben wurde, lässt die Deutung zu, dass man keinen grossen Ueber-
fluss daran hatte, bezw. dass nur den Wohlhabenden die Spende zu Theil wurde.
So bescheiden auch die Aufschlüsse sind, die wir durch die Bestimmung der
beschriebenen Thierreste erlangt haben, so helfen sie uns doch das Bild be-
leben von dem Culturzustande einer Bevölkerung unserer Heimath, an deren
einstige Existenz wir so eindringlich durch die über das ganze Land zerstreuten
Steingeräthe erinnert werden, ohne dass wir uns genügende Rechenschaft von ihr
geben können. Die verdienstvolle Arbeit des Wormser Alterthumsvereins, der dos
für die Prähistorie unschätzbare Material mit grosser Umsicht barg, hat uns den
Weg gewiesen, nun immer mehr von Hypothesen zu Thatsachen ül»erzogehen. —
(39) Hr. R. Virchow giebt eine vorläufige Nachricht über
die internationale Lepra -Conferenz in Berlin nnd die verntUmmelten
pemanischen Floren.
ich kam gerade zur rechten Zeit zurück, um der Eröffnung der für den
1 1 . October ausgeschriebenen internationalen Lepra-Conferenz und deren Sitzungen,
die erst am 16. geschlossen wurden, beizuwohnen. Die Mehrzahl der bekannten
Lepra-Forscher aas der ganzen Welt war dabei anwesend. Das Ergebniss kann
in folgenden Sätzen kurz zusammengefasst werden.
Für die bis vor Kurzem allgemein angenommene Erblichkeit der Krankheit
wurden keine beweisenden Thatsachen anerkannt. Dagegen fand die Annahme der
(475)
Gontagiosität fast allgemeine Zostimmang, obwohl der Modus der Ansteckung
zweifelhaft blieb. Die Aufmerksamkeit wurde hauptsächlich auf die infectiösen
Absonderungen der Nase und des Rachens gerichtet. Dass der von Hrn. Armauer
Hansen aufgefundene Bacillus die Ursache der Krankheit sei, erschien aus
theoretischen Gründen unabweisbar, während auch diesmal kein Forscher über ge-
lungene Culturen oder über erfolgreiche Impfung desselben zu berichten wusste.
Jedenfalls sprach Alles gegen die Uebertragung durch ein flüchtiges Contagium
und gegen eine acute Entstehung der Krankheit Ein Heilmittel ist nicht gefunden.
Die Isolirung der Kranken wurde als das Hauptschutzmittel anerkannt. Bei An-
wendung derselben, unter Einhaltung der grössten Reinlichkeit, fürchtete man keine
weitere Verbreitung der Krankheit.
Eine Einzelfrage ist zu erwähnen, welche das Gebiet unserer Gesellschaft be-
rührt. Einer der eifrigsten Promotoren des Congresses, der leider nicht selbst er-
schienen war, Mr. Albert S. Ashmead von New York, hatte in einem besonderen
Anschreiben die Frage des präcolumbischcn Aussatzes von Neuem aufgeworfen.
Dasselbe ist in den ^ Mittheilungen und Verhandlungen der internationalen wissen-
schaftlichen Lepra-Conferenz^, Berlin 1897. I. Abth. 4. S. 71 abgedruckt worden.
Schon im Jahre 1895 (Verb. S. 305) hatte sich Mr. Ashmead an mich gewendet und
mitgetheilt, dass Dr. Muniz von Lima an Thonfiguren aus peruanischen Huacos
Anzeichen der Krankheit wahrgenommen zu haben glaube. Er wünschte unsere
Meinung zu wissen. Hr. Bastian (Verhandl. 1895, 8. 365) liess in Folge dessen
Nachforschungen unter den peruanischen Thonsachen des Museums für Völker-
kunde veranstalten und es gelang, zwei Vasen von verdächtigem Aussehen zu ent-
decken. Ich erkannte an, dass der eine Kopf an Lepra erinnere, während die
andere Figur mehr krätzeähnliche Veränderungen zeige, hob aber hervor, dass bis
dahin wirkliche Beweisstücke aus den Sammlungen überhaupt nicht geliefert seien,
weder für Lepra, noch für Syphilis. Mr. Ashmead hat die ihm durch Hrn.
Bastian übersendete Photographie der beiden Gelasse in dem Journal of cutaneous
and genito-urinary diseases, Nov. 1895, abbilden lassen.
Mit seiner Adresse an die Lepra -Conferenz hat er Photographien von 10
peruanischen Thongefässen übersendet (a. a. 0. 8. 73 und 74), von denen eines
von Chepen, die übrigen von Chimbote stammen. Er hält sie sämmtlich für
^.zweifellos präcolnmbisch^, aber er sieht in ihnen keine Darstellungen des Aus-
satzes. Alle zeigen bedeutende Verstünunelungen, welche von dem ausführenden
Künstler nachgebildet sind. Meist ist der knorpelige Theil der Nase zerstört (has
been eaten away); auch die Oberlippe ist zum Theil oder gänzlich verloren. Er
fügt hinzu: the lip is eaten away, not drawn by cicatrization as would be the case
in leprosy. Er macht ferner darauf aufmerksam, dass eine der photographirten
Figuren eine Person darstellt, welche auf dem Bauche liegt und amputirte FUsse
hat, dass aber auch 4 andere Figuren amputirte Füsse zeigen. „Was auch die an
den Gesichtern dargestellte Krankheit war^, sagt er, „sie muss sehr häufig von
einer Krankheit der Füsse begleitet gewesen sein, welche die Amputation nötbig
machte, und zwar nicht eines Fusses, sondern beider^.
Als ich diese Mittheilungen in der dritten Sitzung der Conferenz, am 13. October,
vorlegte (Mittheil. II. S. 79), konnte ich zugleich eine grössere Reihe ähnlicher
Thongefässe aus unserem Museum für Völkerkunde vorlegen, welche inzwischen
durch Hm. Wilhelm von den Steinen aufgefunden waren. Dieselben zeigen die
Verstümmelungen der Nase, der Oberlippe und der Unterschenkel in genau über-
einstimmenden Formen mit denen, welche Mr. Ashmead in photographischer
Wiedergabe übersendet hat. Ich erkannte an, dass diese Darstellungen „ein starkes
(476)
Aiig^ment dafür abgeben, dass es sieh um lepröse Verhältnisse handle^. In einem
schönen Wachsmodell des Kopfes einer leprösen Person, welches sich in der Ton
Hm. Lassar ausgestellten Modellsamrolung befand, konnte ich fUr die gleichzeitige
Zerstörung der Nasenspitze und der Oberlippe ein tadelloses Beispiel aufweisen.
Für Syphilis sprach nach meiner Auffassung nichts, dagegen machte ich auf die
Mittheilungen des Hrn. Seier tiber den amerikanischen Ursprung der Syphilis
(Verhandl. 1895, 8. 449) aufmerksam. Jedenfalls schien mir die Aufgabe, die an
den Oefässen dargestellten Veränderungen in ihrer Beziehung zu mutilircnden
Krankheiten zu verfolgen, ein Gegenstand von grossem Interesse zu sein.
Der Congress Hess die Frage unerörtert; nur unser Mitglied Hr. Polakowsky
bemerkte (Mittheil. II. S. 82), dass ihm bei seinen historischen Nachforschungen
nichts vorgekommen sei, woraus das Bestehen präcolumbischen Aussatzes in America
gefolgert werden könne. Ich lege nunmehr der Gesellschaft eine Reihe von Blättern
mit Zeichnungen des Hrn. W. von den Steinen vor, welche vorläufig ein Bild
der dargestellten Verstümmelungen gewähren werden; wir wollen in einer der
nächsten Sitzungen darauf zurückkommen. —
Hr. Polakowsky: Ich will zunächst theils wiederholen, theils ergänzen, was
ich bereits in der betrefiPenden Sitzung der Lepra-Gonferenz gesagt habe. Bei
meinen Studien über die Geschichte der Entdeckung und Eroberung des spanischen
Americas habe ich in den zahlreichen Documenten nie eine Bemerkung oder An-
deutung gefunden, wonach die Spanier die Lepra bei den Eingeborenen vorgefunden
haben, obgleich ihnen diese Krankheit sehr wohl bekannt war. Der einzige Fall,
der für die Existenz der Lepra in vorcolumbianischer Zeit sprach, war der des
Eroberers von Columbien, Jimenez de Quesada. Dieser starb an der Lepra, und
ich fand eine Angabe, wonach er sich diese Krankheit in Golumhien und zwar
von den Eingeborenen zugezogen habe. Hr. Prof. Garrasquilla aus Bogota, mit
dem ich über diese Angelegenheit sprach, bestreitet diese Angabc ganz entschieden
und bezieht sich dabei auf ein Werk in drei Bänden, welches den Titel führt:
Goleccion de docum. inedit. del archi?o de Indias para la Historia de Columbia.
In diesem Werke sind alle Documente zusammengestellt, die sich auf das Leben
des Eroberers von Columbien beziehen. Danach kam Quesada etwa im Jahre 1530
nach America, gründete 1538 Bogota und ging etwa 1550 auf längere Zeit nach
Spanien. Von dort brachte er sowohl die Syphilis als die Lepra zurück, und der
letzteren ist er etwa 1570 erlegen.
Weiter spricht gegen die Existenz der Lepra vor der Zeit der Entdeckung die
Thatsache, dass man bei den reinen, sog. wilden Indianern niemals die Lepra
gefunden hat. Ich will hier nur 2 Beispiele anführen: Das Gebiet der Araukaner
wurde zum Theil, d. h. südlich vom Tolten-Stromc, erst im Jahre 1882 erschlossen.
Die Anzahl der unabhängigen Araukaner betrug damals 40000; man hat bis heule
keinen Leprösen unter ihnen gefunden. Die Bewohner der Halbinsel Goajini an der
Grenze von Columbien und Venezuela haben durch Jahrhunderte den Weissen und
Mischlingen das Eindringen in ihr Land unmöglich gemacht. Erst in neuerer Zeit
ist man mit ihnen in nähere Berührung gekommen. Und auch diese Indianer sind
vollkommen leprafrei.
Was nun die von Hrn. Virchow der Lepra- Conferenz voi^stellten perua-
nischen Vasen betrifft, so sei mir eine Bemerkung gestattet Ich bin nicht Derma-
tolog und nicht Mediciner, beschäftige mich mit der Sache erst seit einem hall>en
Jahre, habe aber viele Abbildungen und Photogniphieu von Leprösen gesehen. Da
scheint mir nun die Thatsache entschieden gegen Lepra zu sprechen, dass bei den
(477)
Figuren dieser Vasen zwar die Nase und Oberlippe und oft beide Fttsse fehlen,
dagegen alle zehn Pinger wohl erhalten sind. Dies ist, soviel ich übersehen kann,
bei der Lepra nie der Fall, d. h., wenn die Mutilationen so weit vorgeschritten sind,
sind auch stets die Finger in Mitleidenschaft gezogen.
Was stellen nun aber die Figuren dieser Vasen dar? Ich sprach hierüber mit
Hrn. Prof. Carrasquilla und er erklärte ganz bestimmt, es handle sich nicht
um Liepröse, sondern um bestrafte Verbrecher. Für kleinere Vergehen wurden den
Leuten die Nase und die Oberlippe abgeschnitten, rückfälligen Verbrechern, die
sich ihrer Strafe durch die Flucht entzogen hatten, hieb man die Füsse ab, um sie
so in die Unmöglichkeit zu versetzen, weiter etwas Böses zu thun. Hr. Carras-
quilla will mir die Bücher angeben, wo er diese Angaben gefunden hat. Ich selbst
habe in diesen zwei Tagen keine Zeit zu Nachforschungen gehabt, erinnere mich
aber, dass Garcilasso de la Vega in seinen Comentar. Reales ziemlich ein-
gehend über die strenge, ja grausame Justiz der alten Peruaner berichtet. Wenn
ich noch weitere Daten finde, werde ich sie mittheilen. —
(40) Neu eingegangene Schriften:
1. Revista medica de Bogota Aiio XVIII und XIX No. 200—212. Bogota
(Colombia) 1894—96.
2. Serothörapie de la Leprc. Communications sur les travaux du Dr. Juan de
Dios Carrasquilla. Bogota 1897.
Nr. I und 2 Gesch. des Hrn. Polakowsky.
3. Bulletins de la Societe d^anthropologie de Paris VII, 6. Paris 1896.
4. Bulletin de la Societe Imperiale des Naturalistes de Moscou No.3. Moscou 1897.
5. Hirsch, A., Verhandlungen der vom 15. — 21. October 1896 in Lausanne ab-
gehaltenen Conferenz der Commission der Internationalen Erdmessung.
Berlin 1897. Nr. 3—5 durch Hrn. R. Virchow.
6. Bachmaier, A., Pasigraphisches Wörterbuch: a) zum Gebrauche für die
deutsche Sprache. Augsburg 18G8. b) Französisch, Augsburg 1868.
c) Englisch, London 1871. d) ungarisch. Budapest 1886. Gesch. d.
Verf.
7. Ploss-Bartels, Das Weib. 5. Aufl. 13. — 15. Lieferung. Leipzig 1897.
Gesch. d. Hrn. Bartels.
8. ten Kate, H. F. C, Anthropologie des anciens habitants de la region
Calchaquie. La Plata 1896. (Anales del Museo de la Plata.) Gesch.
d. Verf.
9. Bartels, M., Die 27. allgemeine Versammlung der deutschen Ges. f. Anthrop.,
Ethnol. und Urgeschichte in Speyer, Dttrkheim und Worms vom 3. bis
7. August 1896; o. 0. u. J. (Leopoldina 1897.) Gesch. d. Verf.
10. Hoyos y Säinz, L., Los campurrianos. Ensayo de antropometria. o. 0. u. J.
(Soc. espanola de Hist nat. 2. Serie. 11. 1893.) Gesch. d. Verf.
11. Morse, E. S., Rorean Interviews, o. 0. 1897. (Appleton's Populär Science
Monthly.) Gesch. d. Verf.
12. Schmeltz, J. D. E., Job. Stanislaus Rubary. Leiden 1897. (Intern. Archiv
für Ethnographie.) Gesch. d. Verf.
13. Schmidt, Emil, Ceylon. Beriin 1897. Gesch. d. Verf.
14. Radi off, W., Die Alttürkischen Inschriften der Mongolei. St Petersburg
1897. Gesch. d. Verf.
15. deZichy, Comte Eugene, Voyages au Caucase et en Asie centrale. I und U.
Budapest 1897. Gesch. d. Verf.
(478)
16. vonHouvrald, Graf E. O., Toast, gehalten bei dem Festessen nach der
Grundsteinlegung des Straupitzer Bahnhofes am 15. März 1897; o. 0. u. J.
Gesch. d. Verf.
17. Pyl, Tb., Nachträge zur Greschichte der Greifswalder Kirchen. Heft 1.
Greifswald 1898. Gesch. d. Verf.
18. Goldsborough Mayer, A., On the color and color-patterns of moths and
butterflies. Boston 1897. (Proc. Boston Soc. Nat Hist.) Gesch. d. Verf.
19. Eh mann, P., Sprichwörter und bildliche Ausdrücke der japanischen Sprache.
L Tokyo 1897. (Mitth. der Deutschen Ges. für Natur- und Völkerkunde
Ostasiens.) Gesch. d. Verf.
20. Lenz, R, Estndios Araucanos VIII. Santiago de Chile 1897.
21. Ders., Estndios Araucanos. Apöndice a los estudios VI, VII, VIII. Santiago
de Chile 1897. (Anales de la Universidad de Chile.)
Nr. 20 und 21 Gesch. d. Verf.
22. Ar9towski, H., La gön^alogie des sciences. Bruxelles 1897. (Bulletin de
rinstitut intemat. de Bibliographie.)
23. Ders., Materyaly do bibliografii prac naukowych polskich. Bruksella 1897.
Nr. 22 und 23 Gesch. d. Verf.
24. Orsi, P., Esplorazioni archeologiche in Noto vccchio (Netum). Roma 1897.
(Notiz, d. Scavi.) Gesch. d. Verf.
25. Montelius, 0., Pre-classical chronology in Greece and Italy. London 1897.
26. Ders., The Tyrrhenians in Greece and Italy. London 1897. (Jonm. of the
Anthrop. Inst.)
27. Ders., Das Museum vaterländischer Alterthümer in Stockholm. Stockholm 1897.
Nr. 25—27 Gesch. d. Verf.
28. Schwerdtfeger, Die Heimath der Homanen. L Cruttinnen 1896. Gesch.
d. Verf.
29. Brehmer, W., Ueber die Lage von Alt-Lübeck. Lübeck 1885. Gesch. d.
Verf.
30. Matiegka, J., 0 dobe dospelosti divek t Öechach. v Praze 1897. (Vestnik
R. Öeske spolecnosti näuk.) Gesch. d. Verf.
31. Pic, J. L., Archaeologicky vyzkum ve stiPednich öechdch r. 1895 — 96. v Praze
1897 Gesch. d. Verf.
32. Brinckmann, J., Die Sammlung japanischer Schwertzierathen im Museum
für Kunst und Gewerbe zu Hamburg. Hamburg 1893. (Führer durch
das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe.) Gesch. d. Verf.
33. Hagen, K., Bericht über das Museum für Völkerkunde (in Hamburg); o. 0. u. J.
Gesch. d. Verf.
Sitzung vom 20. November 1897.
Vorsitzender: Hr. R. Virchow.
Ur. Waldeyer nimmt das Wort vor der Tagesordnung:
Meine Herren! Ich bitte nm die Erlaubniss, unsere heutige Sitzung mit dem
Hinweise auf einen Gedächtnisstag einleiten zu dürfen, der auch in unserer Mitte
mit lebhafter Freude und Befriedigung begrUsst werden wird. Es füllt in diese
Zeit die Wiederkehr des Tages, an welchem Hr. Rud. Virchow vor 50 Jahren in
die Reihe der Docenten unserer Universität eintrat! Zugleich wurde vor 50 Jahren
das „Archiv für pathologische Anatomie^, welches unter seinem Namen ein Welt-
Archiv geworden ist und dessen 150ster Band demnächst vollendet sein wird, von
ihm gegründet.
Wir gehören mit unserer Gesellschaft zwar nicht dem üniversitätsverbande an;
aber derselbe Mann, der in diesem Verbände sein 50jähriges. Jubiläum feiert und
als Universitätslehrer der „Praeceptor mundi^ seines Faches geworden ist, hat auch
unsere Gesellschaft gegründet und ist in seinem Wirken und in seiner Sorge für
sie auch der Praeceptor mnndi in der Anthropologie geworden! Dessen zu ge-
denken legt der heutige Tag uns nahe; freuen wir uns, dass dieser akademische
Lehrer auch der unsere geworden ist
Rud. Virchow ist aber auch mit unserer Gesellschaft so verwachsen und so
innig verbunden, dass Alles, was uns trifft, auch ihn trifft, und Alles, was auf ihn
kommt, auch unser Herz bewegen muss. Mit gerechtem Stolze und mit reiner
Freude kann er diese Gedächtnissfeier begehen, eine Feier, wie sie wohl kaum noch
Jemandem beschieden war; mit denselben Empfindungen schliessen sicherlich wir
Alle ihm uns an und geben insbesondere darüber unserer Freude Ausdruck, dass
wir ihn, der ein 50jähriges Jubelfest begeht, heute noch mit der Kraft und Frische
eines jungen Docenten in unserer Mitte sehen. Begrüssen wir unsern Jubilar, in-
dem wir uns von unsern Plätzen erheben! —
(Geschieht.)
Hr. Virchow: Mit herzlichem Danke erwidere ich diese unerwartete Ehren-
bezeugung. Die 50 jährige Feier meiner am 6. November 1846 vollzogenen Habi-
litation als Privatdocent an unserer Universität lag ganz ausserhalb meiner Betrach-
tungen. Mir war sogar der Termin so sehr aus der Erinnerung gekommen, dass,
als zuerst durch Zeitungen die Aufmerksamkeit darauf gerichtet wurde und An-
fragen an mich wegen des Tages gelangten, ich ausser Stande war, sie zu beant-
worten. Erst durch eine Anfrage bei dem Secretariat der Universität erfuhr ich
das genaue Datum. Als dann liebe Freunde den Gedanken einer Feier anregten,
gab ich meine Zustimmung, in der Voraussetzung, dass nur ein kleiner Kreis von
Collegen daran betheiligt sein werde. Seitdem hat sich der Kreis, zumal durch
den Beitritt derjenigen, welche auch den Ehrentag meines Archivs und seiner
150 Bände durch ihre Anwesenheit feierlich begehen wollten, so sehr erweitert.
(480)
dass ich, in den Fesseln meiner ertheilten Zusage, nicht umhin konnte, mich zu
fügen. So ist dann ein Fest zu Stande gekommen, ivie es gelungener and an-
genehmer nicht begangen werden konnte, und ich darf ohne Ueberhebnng sagen,
dass ich gern meine Bedenken überwanden habe, und dass die Erinnerung an die
Theilnahme so vieler, zum Theil aus grosser Ferne herbeigeeilter Freunde mir
eine der liebsten Erinnerungen an den Abschlnss einer so langen Zeit der wissen-
schaftlichen Arbeit bleiben wird.
Sie, meine verehrten Oollegen von der Anthropologischen Gesellschaft, wissen
es, dass die Beschäftigung mit der Anthropologie eine der arbcitsvollsten, aber auch
eine der liebsten unter den freiwillig gewählten Aufgaben meines Lebens war.
Ihr Beifall sagt mir, dass Sie es mit mir empfinden, welche Befriedigung der Rück-
blick auf eine so dankbare Thätigkeit in mir hervorruft. Das Wachsen unserer
Gesellschaft hat auch die Zahl der Helfer und Mitarbeiter stetig vermehrt, und so
kann ich wohl sagen, dass die Aussicht auf eine glückliche Zukunft der Gesell-
schaft zu meinen liebsten Hoffnungen gehört. Möge der Geist freundschaftlichen
Zusammenwirkens und einträchtigen Strebens nach der Wahrheit in der Gesell-
schaft sets lebendig bleiben! —
Vorsitzender:
(1) Als Gäste begrüsse ich die Herren Milchner und Graf Zech. —
(2) Die Gesellschaft hat aus dem Kreise ihrer ordentlichen Mitglieder durch
den Tod verloren:
den Geheimen Medicinalrath Dr. Paul Güterbock (fl7. October), eines ihrer
treuesten Mitglieder, den würdigen Sohn eines hochverdienten Vaters,
den Rentier Louis Fischer (f 23. October), einen unermüdlichen Reisenden,
der es zu Stande gebracht hat, alle Rüsten des Erdkörpers zu sehen,
den Consul Palm-Siemsen in Makassar.
(3) Aus dem Kreise der activen Alterthumsforscher ist am 14. October ge-
schieden Professor Dr. Julius Schmidt, der Director des Provincial-Museums zu
Halle a. S., dem es geglückt ist, die stark vernachlässigte Sammlung wieder in
eine wissenschaftliche Ordnung zu bringen und in wichtigen Richtungen, insbeson-
dere für die neolithische Zeit, zu erweitem. —
(4) Vorstand und Ausschuss haben den Grafen Eugen Zichy in Budapest zum
correspondirenden Mitgliede erwählt —
(5) Hr. Alexander Makowsky in Brunn dankt für seine Ernennung zum
correspondirenden Mitgliede. —
(6) Als neues ordentliches Mitglied wird für 1898 Hr. Dr. phil. Kari
Weule in Steglitz angemeldet. —
(7) Don Jose Rizal, unser früheres Mitglied, ist, wie der Gesellschaft schon
früher (Verhandl., S. 26) mitgetheilt wurde, am 30. December in Manila auf Befehl des
Gouverneurs, General Polaviejo, standrechtlich erschossen worden. In der Nacht
vor seinem Tode schrieb der unglückliche Tagale im Kerker sein „letztes Lebe-
wohl^ nieder. Eine Abschrift des schönen Gedichtes ist mir zugegangen. Dasselbe
wird, sowohl im Originaltext, als in der vortrefflichen metrischen üebersetzung des
Hrn. E. Sei er, am Schlüsse dieses Sitzungsberichtes mitgetheilt werden. Der hohe
(481)
poetische Werth dieser Dichtung, insbesondere der patriotische und humane Schwung
derselben werden dazu beitragen, die Erinnerung an den hochbegabten, edlen
Märtyrer zu erhalten.
Hr. Ferd. Blumen tritt hat in dem Internationalen Archiv für Ethnographie
1897, X, eine auf authentischen Nachrichten begrtindete Darstellung der Ent-
wickelung, der Ziele und des Wesens RizaPs veröffentlicht. Daraus möge
hier nachträglich angeführt werden, dass derselbe zu Oalamba, einem kleinen
Städtchen der Provinz La Laguna de Bay auf der Insel Luzon geboren war. Seine
Eltern waren Tagalen (Indios). Obwohl ursprünglich für den geistlichen Stand
bestimmt, wendete er sich bald der Medicin zu, studirte in Manila und Madrid und
wurde in letzterem Ort zum Doctor der Medicin und Philosophie promovirt. Seine
weiteren Studien führten ihn nach Paris, Heidelberg, Leipzig und Berlin. Von
hier kehrte er in sein Vaterland zurück und schrieb seinen berühmt gewordenen
Roman ^Noli me tangere^ dessen freiheitliche Richtung ihm den Hass der Alt-
spanier zuzog und ihn zur Auswanderung zwang. Er lebte dann in wechselnder
Folge in Japan, Nordamerica, England, Frankreich und Belgien, wo er seinen
zweiten politischen Roman ^El Flibusterismo*^ schrieb. Eine Zeit lang wirkte er
dann als praktischer Arzt in Hongkong, wo er sich mit einer Engländerin verhei-
rathete; später ging er nach Britisch -Bomeo, wo er beabsichtigte, eine philip-
pinische Bauerncolonie zu begründen. Von da aus erwirkte er sich die Erlaubniss,
vorher noch sein Vaterland zu besuchen, wurde dort aber verhaftet und nach
Dapitan intemirt. Als der Aufstand auf den Philippinen ausbrach, beschuldigte
man ihn der Anstiftung. Dreimal wurde ihm der Process gemacht, bei dem dritten
M^le wurde er zum Tode verurtheilt.
In der eingehenden psychologischen Analyse des Mannes, welche Hr. Blumen-
tritt geliefert hat, erwähnt derselbe, dass Rizal auch ein feinfühliger Künstler
war, von dem er selbst 3 Statuen aus gebranntem Thon besitze: den gefesselten
Prometheus, den Sieg des Todes über das Leben und den Triumph der Wissen-
schaft (des Geistes) über den Tod. Er schliesst mit den Worten: „Ein Feind
Spanien's ist Rizal nie gewesen.'^
Ein wohl getroffenes Bild Rizal's nach einer photographischen Aufnahme ziert
den würdigen Nekrolog. —
(8) Hr. Buschan zeigt an, dass sich eine Gesellschaft für Völker- und
Erdkunde in Stettin gebildet hat. Die erste General -Versammlung sollte am
22. October stattfinden. —
(9) Die Deutsche Colonial-Gesellschaft, Abtheilung Berlin-Charlotten-
burg, ladet für den 26. November zu einem durch Lichtbilder illustrirten Vortrage
des Hrn. Reh bock, Reisebilder aus Deutsch-Süd west-Africa, ein. —
(10) Der Verein „Neue Menschheit" hatte zu einer Seance des Magnetiseurs
W. R. Scheibler für den 22. October eingeladen. —
(11) Hr. Fedor Schulze überschickt aus Batavia die
Fortsetzung des Stammbaumes von Jacobns. Leonardns Martens
(Zeitschr. f. Ethnol. 1896, S. 237—241, Taf. X), nebst einer grossen, von ihm selbst
im Mai 1895 aufgenommenen Photographie der angeführten Familienglieder. —
VerbaiidJ. der Beri. Antbropol. Gefcllsebaft 1897. 3[
(48-2)
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(483)
(12) Der C. Niederländische Natur- und Heiikundigen-Oongress ist
am 23. und 24. April in Delft abgehalten worden. Hr. P. R. Bos hat darin den
Plan einer ünt^suchung der Schulkinder in Niederland in Betreff der
Farbe von Haut, Augen und Haar dargelegt. Derselbe schliesst sich in der
Hauptsache unserer deutschen Schulerhebung an. —
(13) Hr. Gehring hat im Zoologischen Garren eine grosse Kalmücken-
Karawane vorgeführt. Sowohl Menschen, als Thiere derselben waren gute Bei-
spiele ihrer Art. —
(14) Der Verein „Wöchnerinnenheim", Vorsitzende Prau Minna von
Burchard, übersendet unter dem 7. d. Mts. eine Aufforderung zur Betheiligung
an einer Ausstellung für Frauen- und Kinderpflege, welche Anfang De-
cember in dem früher fUrstl. Stol bergischen Palais stattfinden soll. Da die Gesellschaft
ihre ethnologische Sammlung an das Museum für Völkerkunde abgegeben hat, so
ist sie ausser Stande, sich an dieser Ausstellung zu betheiligen; dagegen ist der
Vorstand des Trachten-Museums gewillt, aus seinen reichen Beständen
geeignete Gegenstände herzuleihen. —
(15) Hr. M. Bartels hat aus den nachgelassenen Schriften unseres Reisenden
Hrolf Vaughan Stevens eine Reihe von anthropologischen Bemerkungen
über die Eingeborenen von Malacca zusammengestellt. Dieselben sind im
Text der Zeitschrift für Ethnologie, S. 173 folg. abgedruckt. —
(16) Hr. Alfred Pohl übersendet folgenden Auszug aus einer Arbeit seines
verstorbenen Vaters, des Dr. J. Pohl (Pincus) in Berlin:
Die Qaerschnittform des Kopfhaares der Kaukasier.
Ein Beitrag zur Kenntniss der Haarbildungsstätte^).
Vor 29 Jahren hat Pruner Bey in zwei Abhandlungen mitgetheilt, dass nach
seinen Untersuchungen die Form des Querdurchschnitts der Kopfhaare der ver-
schiedenen Völker der Erde typisch dreifach verschieden sei:
1. Der Querschnitt ist elliptisch mit so starker Abplattung, dass der längere
Durchmesser etwa doppelt so gross (oder noch grösser) ist, als der kürzere
(Neger, Hottentotten, Papuas).
2. Der Querschnitt ist kreisförmig oder annähernd kreisförmig (Polynesier,
Chinesen, Japaner).
3. Der Querschnitt hat eine zwischen den beiden angegebenen Formen sich
haltende Mittelform (die arischen Völker).
Zuverlässige Beobachter in grosser Zahl haben diese Angaben nachgeprüft und
denselben theils zugestimmt, theils widersprochen.
Zustimmung und Widerspruch erklären sich aus der Beschaffenheit des ünter-
suchungsmaterials und der angewendeten Methode der Prüfung. Das Kopfhaar
des Menschen hat eine grosse typische Länge (etwa V^ bis 1 /«), das Einzelhaar
steht mehrere Jahre; aus diesem langen Lebensvcrlauf des Einzelhaares wird ein
Querschnitt untersucht, welcher an einem Tage gebildet worden ist. Vorsichtigen
1} Aus ,»Ueber die Einwirkung seelischer Erregungen des Menschen auf sein Kopf-
haar**. Kaiserl. Leop. CaroL Akademie, Bd. LXIV, No. 2. In Commission bei Wilhelm
Engelmann, Leipzig.
31 •
(484)
Beobachtern ist die hierin liegende groftse Irrthnmsqnelle auch
nicht entgangen; sie Italien vorgeschlagen, 7on jedem Einzel-
haar mehrere Stellen zu prüren, welche in einem bestimmten
VerhältnisH zum typischen Wachstham ständen (nahe der
Spitze, am grösslen Umfang, dicht über der Wnrzel, an der
Wurzel), ofTenbar Ton dem Gedanken ausgehend, dasa die
Querschnittform vielleicht von den typischen Leben se pochen
des Einzelhaares beeinflusst wUrde.
Nach meinen Untersuchungen meine ich über das Haupt-
haar des Kankasiers Folgendes angsprechen zu können:
Theilt man das ganze in der Haut befindliche Stück Kopf-
haar (s. Abb.) von der Basis der Papille bis zur Oberfläche der
Epidermis in drei Theile, so ist die Ausreifang der in der Tiefe
gebildeten Zellen und die Zusammenschweiasung za einem
einheitlichen Gebilde vollendet kurz vor Beendigung des tief-
sten Drittels. Das ganze mittlere Drittel erscheint phj'sikaliscb
und chemisch annähernd einheitlich und die Form seines
Qaerschnitts ist annähernd die eines Kreises.
An der Grenze des mittleren und oberflächlichen
Drittels ändert sich dies verhällDissmässig plötzlich:
der vorher annähernd kreisförmige Querschnitt erfährt eine
Abplattung (bezw. die schon im mittleren Drittel vorhanden
gewesene massige Abplattung erfährt eine starke Zunahme)
und hiermit erhält das Baar diejenige Form, welche es in
seinem ganzen künftigen Sein zeigt
Es wäre unmöglich genesen, diese Thatsacbe als eine
allgemein gültige zu ermitteln, wenn nicht das polarJstrie Licht
zur Verfügung gestanden hätte; die directc Ausmessung der
Dicke des Huares (parallel der Längsaxe des Mikroskop-Tubus)
am cutanea Schnitt, in der ganzen Ausdehnung von der
Papille bis zur Oberfläche der Cutis, an einer ausreichenden
Anzahl von Schnitten und Köpfen wäre eine nicht zu bewäl-
tigende Aufgabe gewesen. Bei Anwendung des polarisirten
Lichtes erscheinen etwa die tiefsten vier Dreissigstel des (im
vollen Wacbsthum bellndlicben) Kopfhaares sehr wenig licht-
brechend, die folgenden sechs Dreissigstel etwa Braungelb
oder Bräunlich -orange I, dann tritt für das ganze mittlere
Drittel eine annähernd einheitliche Farbe ein, etwa Grün II,
an der Grenze zwischen dem mittleren nnd dem oberfläch-
lichen Drittel geht diese Farbe annähernd plätzlich Aber in
etwa Gelb I oder Braungelb I, wenn der Schnitt so geführt
ist, dass der kfirzere Durchmesser des abgeplatteten Huar-
cylindcrs parallel zur I-ängsaxe des Tubus liegt (oder es steigt
das Grün II plötzlich auf etwa Gelblichgrün II, wenn der
längere Durchmesser des Haarqnerachnittes parallel zur Längs-
axe des Tabus liegt). In dieser umgewandelten Farbe er-
scheint dann weiterhin das zu Tage getretene Haar tiei der
oben bezeichneten gewöhnlichen Lagerung auf dem Object-
triiger.
War mithin, entgegen der allgemeinen Annahme, die liefi'r-
(485)
gelegene Bildongsstätte des Kopfhaares nicht zugleich die Stätte seiner definitiven
Formung, so entstand die Frage: welche Kräfte diese Abplattung des annähernd
cylindrisch vorgebildeten Haares bedingen? und welcher Vortheil dem Haare oder
dem Organismus aus dieser Formänderung entstehen kann?
Die cylindrische Formung des Haarschaftes im mittleren Drittel entspricht
unseren Anschauungen über die vortheilhaiteste Construction eines Seiles; ein
dickes Polster (die äussere Wurzelscheide) und eine dicht anliegende, sehr elastische
Hülle (die innere Wurzelscheide) machen uns verständlich, dass alle in der Haut
wirksamen mechanischen Kräfte jenseit der äusseren Wurzelscheide, so ungleich-
sinnig sie gerichtet sind, doch auf den formbaren Inhalt des Haarbalges schliess-
lich in einem einheitlichen Sinne übertragen werden.
An der Stelle, welche die angeführte plötzliche Abplattung des Haares zeigt,
finden sich vier für diese Abplattung ätiologisch in Betracht zu ziehende Verhält-
nisse: die innere Wurzelscheide schwindet, die äussere Wurzelscheide verdünnt
sich, es erscheinen die Contouren der Talgdrüsen und die unteren Ansätze der den
Haarbalg spannenden Muskelbündel.
Bei den Ausschnitten ex mortuo erscheint der obere freie Rand der inneren
Wurzelscheide in der Regel als ein Gebilde, welches dem Haare äusserst lose
anliegt, vielfach ist geradezu ein erheblicher freier Spielraum im Präparate vor-
handen; die Figur ist an diesem Punkte, der allgemein üblichen Darstellung ent-
sprechend, nach einem Alcoholpräparate gezeichnet. Ich meine, dass schon eine
genaue Betrachtung dieses Bildes in überzeugender Weise belehrt, dass die Ver-
hältnisse in vivo sich unmöglich in dieser Weise verhalten können.
Schon Henle und Kölliker hatten bemerkt, dass die innere Wurzelscheide
nahe ihrem freien Ende dem Haare oft fest anliege. Später hat v. Ebner durch
sorgfältige Untersuchung nachgewiesen, dass die vorher qualitativ sehr differenten
beiden Schichten der inneren Wurzelscheide an dieser Stelle zu einer Qualität
verschmelzen; er hat auch bemerkt, dass ^die Elemente dieser obersten Partie der
inneren Wurzelscheide ein undeutlich querstreißges, etwas gerunzeltes Ansehen
zeigen, so dass in Folge dessen im Flächenbilde die innere Wurzelscheide hier
weniger glashell erscheint, als etwas weiter unten. ^
Bei Personen, deren Kopfhaut reichlich durchsaftet ist, und bei an sich sehr
verschiedenartigen pathologischen Zuständen, welche mit einer Hyperämie der
Cutis capillitii verbunden sind, gelingt es, einzelne Haare, bei sanftem Zuge in der
Implantationsrichtung des Haarbalges, schon das Haar selbst mit einem grossen
Theile der Adnexa bis sehr nahe zum Grunde herauszuziehen; unter diesen Ob-
jecten zeigen einzelne genau die Verhältnisse, welche Ausschnitte ex vivo ergeben
mit Ausnahme der Partieen nahe am Grunde des Haarbalges. Betrachtet man nun
diese Präparate im polarisirten Lichte, so findet man, dass %n der bezeichneten
Grenzstelle zwischen dem mittleren und oberflächlichen Drittel die beiden hier zu-
sammentrefTenden Polarisationsfarben sehr oft schachbrettartig wechseln; die
Einzelfelder sind meist langgezogene Rhomboide; man sieht femer in jedem
Falle an dieser Stelle eine Anzahl feiner Streifen, senkrecht zur Längsaxe des
Htiares, als einen Ring paralleler Linien an der inneren Wurzelscheide herum-
laufen. Trägt man nun an einem solchen Präparat die äusseren Schichten des an-
haftenden Gewebes bis auf diesen Ring vorsichtig ab, was bei einer gewissen
Uebung in der Regel gelingt, so behält das Polarisationsbild alle die schachbrett-
artigen Farbennüancirungen, welche es vorher bei unversehrt breiter Aussenzone
gezeigt hatte; durchschneidet man hingegen auch diesen Ring und ent-
fernt man ihn vorsichtig, so verschwindet nach mehreren Minuten das
(486)
frühere Bild der schachbrettartigen zweifachen Färbung, die Stelle er-
scheint vielmehr in der Polarisationsfarbe des tiefer gelegenen, nicht abgeplatte-
ten Haarabschnittes'}.
Es übt mithin der oberste Theil der inneren Warzeischeide eine
stark einschnürende Einwirkung auf das Haar; es besteht nach meiner
Auffassung der Verhältnisse die Berechtigung, dies Yerhältniss als eine Function
der inneren Wurzelscheide anzusprechen. Die chemische Umwandlung, welche die
einzelnen Zellen der inneren Wurzelscheide auf ihrem Wege von der Papille bi»
zum. freien Rande allmählich erfahren, ist in ihren Details unbekannt; eine mecha-
nische Folge dieser Wandlung ist eine starke Verengerung des obersten Tbeiles de»
Cylinders: derselbe wirkt als Schntirring.
Es soll an dieser Stelle zugleich kurz bemerkt werden, dass, wie die Prüfung^
mit dem polarisirten Lichte ergiebt, noch an drei anderen Punkten der Cutis eine
schnürende Anordnung getroffen ist. Der erste, tiefste Punkt liegt dicht über der
Papille. Der Grad dieser Schnürung scheint, wenigstens für einen grossen Theil der
Kopfhaare, ausschliesslich anderer späterer Einwirkungen, darüber zu entscheiden,
welche Form das Wurzelknötchen des ausfallenden Haares zeigt; die Untersuchung
der Wurzelknötchen im polarisirten Lichte ergiebt, dass die Schntlrung bald kaum
angedeutet, bald massig, bald sehr erheblich ist, und zwar ganz unabhängig
von der Dicke des Haares, und diese Untersuchung gestattet einen Einblick in
den Spannungszustand der tiefsten Schichten der Cutis, welcher auf
keinem anderen Wege gewonnen werden kann'). Der zweite schnürende
King, etwa an der Grenze zwischen dem tief gelegenen und dem mittleren Drittel des
Balges, bedingt die Einheitlichkeit des optischen Bildes des Haares im mittleren
Drittel seines cutanen Verlaufes. Vorher zeigte sich sehr ausgesprochene Faserunir:
nachdem der Ring passirt ist, schwindet das faserige Aussehen oft gänzlich und es
erscheint die angegebene starke Doppelbrechung. Der dritte Ring ist der ein-
gehend besprochene an der Grenze zwischen dem mittleren und oberflächlichen
Drittel des cutanen Verlaufes. Der vierte Punkt liegt in der mittleren Schicht des
Rete Malpighii; die Schnürung ist jedoch an dieser Stelle nur an einem Theile der
Haare zu erkennen.
Wenn vorher ausdrücklich angegeben worden, dass bei dem dritten Schnürring^
am oberen freien Rande der inneren Wurzelscheide die Polarisationsfarbe, also die
Veränderung des Druckes, keine Veränderung erfahre, auch nachdem alle nach
aussen von der inneren Wurzelscheide gelegenen Gewebstheile entfernt worden
waren, so sollte selbstverständlich hiermit nicht gesagt sein, dass die Druckwirkung*
nur von der inneren Scheide herrühre, vielmehr nehmen die meisten Wandschichten
im gleichen Sinne Antheil, wie die circuläre Richtung ihrer im Bilde vorsprin-
genden Linien beweist; allein es giebt keine Methode, die wirkliche Druckleistung
zu messen. Es ist unausbleiblich, dass feine Beziehungen der einzelnen Bestand-
theile der Haarbildungsstätte zu einander uns darum entgehen, weil die Ablösung
der Cutis von ihrer Unterlage uns ein richtiges Bild von der Längs-
Spannung des Uaarbalges nicht gewinnen lässt.
1) Die erhebliche Aendemng der Polarisationsfarbe an der Stelle, an welcher die
innere Wunelscheide endigt, konnte ansschliesslich von dem Fortfall der inneren
Wnnelscheide herrühren, deren Elemente ein starkes Brecbnngsvermögen besitsen. Dies«
zunächst liegende Annahme bei der gewöhnlichen Lagerung des glficklich gefUuten
Schnittes erwies sich bei der anderen Lagemng (längerer Querdurchmc^ser in der Rich-
tung des Tubns) und vollends bei der angegebenen Prftparation als unhaltbar.
2) Vgl. Verf. „Das Polarisirte Licht als Erkennungsmittol für die Erregungs-Znstlnde
der Nerven der Kopfhaut'. Berlin 1886.
(487)
An den anderen Schnürringen ist die gleichzeitige Betbeiligang der etwas
weiter nach aussen gelegenen Qewebsschichten in der Regel anatomisch deutlich
ausgesprochen. —
Wenn die Endwirkung eines Schnürringes in der Abplattung eines cylindrisch
vorgebildeten Körpers besteht, so muss wenigstens an einer Stelle des Ringes die
Intensität des Druckes geringer sein; eine anatomische Basis für ein solches Ver-
hältniss hat sich mir nicht ergeben. Es scheint auch nicht angängig, für die Ent-
stehung der Abplattung auf die allgemeine Spannungsrichtung der Haut zurückzu-
gehen, denn bei Querschnitten der Kopfhaut liegt die Abplattung derjenigen Haare,
welche in einem Haarkreise zusammen stehen, nicht immer in derselben Richtung;
es fehlt überdies auch jedes Recht zu der Annahme, dass diese Spannungsrichtung
sich plötzlich und mit solcher Stärke gerade in einer bestimmten Tiefe der Haut
geltend machen sollte. Eine dritte mögliche Ursache für die Entstehung der Ab-
plattung könnte gesucht werden in einer mechanischen Kraft, welche direct in loco,
an einer Seite entspannend, angriffe: die schrägen Muskelbündel der Cutis
treten in dieser Tiefe an den Haarbalg heran; so lange die Haut in der Gleich-
gewichtslage sich befindet, werden wir uns den Spannungs-Grad dieser „Haar-
balgspanner^, wenigstens nach meiner Meinung, nicht als sehr erheblich vorstellen
dürfen; aber soweit die Spannung überhaupt wirkt, kann sie (ich muss hier
wiederum hinzufügen: wenigstens nach meiner Beurtheilung der anatomischen Ver-
hältnisse) nur den Erfolg haben, dass am Haarbalge die dort wirkenden, gegen die
Längsaxe des Haares hin gerichteten Druckwirkungen der übrigen Aussentheile
herabgesetzt werden, die Muskeln sind daher in der Gleichgewichtslage und bis
zu hohen Graden der Contraction bezüglich der radiären Richtun«^ Entspann er
einzelner Punkte der Haarhüllen; bei dem innigen Connex der einzelnen
Hüllen muss sich aber die von aussen herantretende Entspannung bis zum um-
schlossenen Haare selbst fortsetzen, und die bei der Temperatur der Cutis zäh-
weiche Masse des Haares muss unter dem stärkeren Druck der übrigen Peripherie
des Ringes der Entspannungsrichtung folgen.
Vielleicht darf ich ausdrücklich sagen : ich hatte in den ersten Jahren, nament-
lich nach der Analyse pathologischer Beobachtungen, die Vermuthung, dass die
Abplattung des Haarcylinders in der That direct auf Rechnung der M. arrectores
pilorum zu setzen sei.
Die Prüfung wurde auf anatomischem Wege versucht:
Von kräftigen Menschen mit gutem Haarwuchs, welche durch Unglücksfälle
oder durch acute Krankheiten hingerafft worden waren, wurden kleine Stücke der
Kopfhaut parallel der Oberfläche der Haut in lückenlose Schnitte zerlegt; man er-
hält bis nahe zur Basis der Haarbälge 50 bis 00 Parallelscheiben; es wurde Sorge
getragen, dieselben richtig zu registriren. Zur Controle wurden ausserdem an einem
anderen Hautstück einige Schnitte senkrecht zur Oberfläche gemacht.
Das Ergebniss der Prüfung, welche hier nur kurz zusammengefasst werden
soll, war folgendes:
In der tieferen Hälfte der Haut fanden sich neben annähernd kreisförmigen
Querschnitten vielfach annähernd elliptische; mochte man unter dem Druck der
Vormeinung nun auch zunächst annehmen, dass alle diese ovalen Umrisse von
Schnitten herrührten, welche die Längsaxe des Haares nicht senkrecht getioffen
hatten, so musste diese Vormeinung doch völlig aufgegeben werden, als auch ver-
schiedenartig eingebuchtete Formen erschienen, wie man sie am fertig gebildeten
Gesammthaar mitunter findet.
(488)
Etwa in der Mitte der ganzen Dicke der Haut zeigten nun allerdings die
meisten Haare annähernd kreisförmige Querschnitte; wo aber alsdann in einem
der folgenden Schnitte die ersten, wenn auch schmälsten Umrisse
eines Lappens der Talgdrüsen erschienen, zeigten die an die Talg-
drüse anstossenden Haare in ausgesprochenstem Grade die Abplattung
ihrer Querschnitte, und in derjenigen Region, in welcher die Talgdrtlsen ebenso
viel oder mehr Raum einnahmen, als die Haarbälge, fanden sich die meisten Haare
abgeplattet und ihre kürzeren Durchmesser in der Richtung des anlagernden Talg-
drüsenlappens.
Wo in dieser Höhe der Cutis die Arrectores pilornm dem Haarbalg anliegen,
befinden sie sich in den klar erkennbaren Fällen in der Richtung des längeren
Durchmessers des abgeplatteten Haares, also entsprechend der vorher ^äussert^n
Annahme von ihrer entspannenden, den Haarcylinder indirect in die Breite ziehenden
Wirkung; allein man wird dieses Lageverhältniss trotzdem nicht als einen Beweis
für die Richtigkeit jener Hypothese ansehen dürfen, denn es bleibt den Muskelfaden
kein anderer Weg der Annäherung an den Haarbalg frei.
Hieraus lässt sich folgern: die Abplattung des annähernd cylindrisch
vorgebildeten Haares des Raukasiers kommt auf Rechnung der Talg-
drüsen, welche als Walzen auf das Haar einwirken.
Bezüglich der Gesammtanordnung der Cutis möchte ich nur noch angeben, dass
einerseits der Grund der Talgdrüsen tiefer hinabreicht und andererseits das Fett
höher hinaufsteigt, als in den Abbildungen normaler Cutis gewöhnlich dar-
gestellt ist.
Einen Nutzen*; welchen der Kaukasier von der Abplattung seiner Kopfhaare
hätte, weiss ich nicht anzugeben. Vielleicht führt eine Vergleichung mit der
Haut z. B. des Japaners zur Erkenntnis; mir hat sich bisher zu einer solchen Ver-
gleichung keine Gelegenheit ergeben. —
(17) Hr. Georg Schwein furth meldet in einem Briefe an den Vorsitzenden
vom 16. d. M. seine Ankunft in Palermo und bemerkt Folgendes über
die sicilianische Flora.
Als wir hier am 13. d. Mts. anlangten, war der Contrast mit dem Klima des
Festlandes ein überraschender (heute Mittags -f 22°C. im Schatten). November
scheint hier, wie in Aegypten, noch zu den Sommermonaten zu gehören! Regen
ist noch keiner gekommen. Die Berge erscheinen in düsteres Grau gehüllt und
auf den Blättern in der Nähe der Fahrwege lagern dicke Staubkrusten. Seit-
abwärts aber ist die Gartenflora eine um so mehr überraschende. Ich hatte mir das
gar nicht so interessant vorgestellt, namentlich im Verhältniss zu Aegypten.
Auch die Fruchtbarkeit ist etwas ganz Unerklärliches. Der klimatische Unter-
schied erscheint nur gering, es gedeiht hier so ziemlich Alles, was Aegypten hervor-
bringt: im botanischen Garten steht eine hohe grosse Sykomore, eine ächte
und auch Lebbek-Akazien sind im Freien vorhanden. An exotischen Palmen ist
Palermo Aegypten weit überlegen, trotz der grossen Dürre des Sommers. Was
mich am meisten überrascht, ist die Anwesenheit derselben grossen Ficus-Arten,
die auch in Aegypten die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich lenken, mit
alleiniger Ausnahme des Banjanbaumes, F. bengalensis, für den die hiesige Luft
vielleicht um 2^ zu niedrig ist Es giebt hier als die gemeinste Ficns-Art einen
prachtvollen Baum, den ich am Canal bei Alexandria bereits 1863 auffand und
den niemand zu bestimmen wusste, weil er eben neu war und neu von Borzi
(489)
iils F. maj^nolioidca beschrieben werden musste. Dieser und eine Menge anderer
Gitrtenge wachse sind in neuerer Zeit von hier nach Aegypten gelangt. Palermo
VAT am AnfuDg des Jahrhunderts eine Pflanzstätte von allerhand botanischen
Merkwürdigkeiten und es heisst, dass die Könige durch Nelson seltene Gewächse
aas entlegeneo Ländern za beziehen wussten. Ich hoffe für manche Arten hier
ihre Wanderungageschichte zu eniiren. Der Director des Botanischen Garlens,
Proressor Borzi, hält sein Institut in musterhafter Ordnung; es wäre zu
wünschen, daaa man in Palermo etwas Aehnliches wie in Buitenzorg herstellte, zum
Stadium für die Botaniker aller Länder. —
(18) Das correspondirende Mitglied Hr. Victor Gross in NeuTcville schreibt
unter dem 3. November über ein
Bronze-ArntboDd von Seiri^res bei Nencbätel
Ci-joint la Photographie d'nn y
bracelct de bronze tronr^ en terre
dans le voisinage de Neuchätcl,
an pcn au-dessas du village de
Serrieres, ä un endroit oü Lose a
dt'couvert en 1837 plusieurs tom-
beaux, quiilifics de romains!
Cette piecc qui pese 38 g et a
T ein de diametre, est interessante,
moins par sa Tormc que par l'appen-
dice en Torme de grclot qu'elle
porte. Cet appendicc fondu d'un
seul jet, prt'sentc quelque analogie
arec la piüce fignree dans les Proto-
helvetes, pl. XVllI flg. 45 et renfer-
mant appnremmenl quelque debris de
pierre ou de metal, destine ü faire
Dans le cos oü la trouvaille de
pieces de ce genre aerait paivenue u
Totre conniiissanee, vous m'obligeriez
on nie le faisant savoir. —
(19) Hr. Rud. Virchow berichtet Über die
Dnrchschneidnng des Schlossberges bei Bnrg a. Spree.
Nachdem Ich der Gesellschaft in der Sitzung vom IT. Juli (Verb. 8. 314) den
Abscblnss der behördlichen Vorverhandlungen Über den Eisenbahnbau, welcher
unseren allen Schlossberg im Spreewalde dnrchschneiden sollte, vorgelegt hatte,
sind die Arbeilen in der bezeichneten Richtung thatsachiich in Angriff genommen
worden. Die Herren Voss und Götze sind wiederholt iin ürl und Stelle ge-
wesen, und Hr. Apotheker Petermann in Burg hat die Sammlang der Fand-
stücke Obemommen. Ein Theil derselben ist schon an das Museum für Völker-
kunde abgeliefert worden. Es schien mir daher an der Zeit, durch einen Besuch
mir eine directe Anschauung zu verschaffen, und ich unternahm am 18. October
(490)
mit Hrn. Voss in Begleitung des Baaunternehmers Hrn. J. Becker die Reise
dahin. Es war ein prächtiger Sommertag: die Sonne lag warm über der Land-
schaft und wir konnten im einfachen Bock den ganzen Tag aushalten.
Da die Herren vom Museum besser in der Lage sind und noch mehr seiu
werden, das Einzelne zu übersehen, so will ich ihrer Beschreibung nicht Torgreifen.
Es wird heute genügen, nur eine kurze Skizze des hergestellten Verhältnisses zu
geben. Der Durchschnitt durch den Berg ist in seinem westlichen Theile fast
ganz vollendet, in der Mitte bis nahe an die vorgezeichnete Tiefe gelangt und
nur der etwas höhere Wall an der Ostseite ist noch zu tiberwinden. Ueberall
ist man nach Durchstechung einer verschieden starken Humusdecke auf gelben
Sand gekommen, der gewiss zu einem grösseren Theil einer natürlichen Boden-
schwelle angehört, zum kleinen Theil auch vielleicht aufgetragen ist In der
Humusschicht liegen zerstreut zahlreiche Thonscherbcn, Thierknochen und Kohlen.
Die ersteren sind an den meisten, jetzt aufgedeckten Stellen, welche eben der
grossen, kesselartigen Vertiefung im Innern des Walles angehören, älterer Herkunft
wie wir sie schon früher wiederholt nachgewiesen haben; ausgemacht sla-
vische Reste sind hier sehr spärlich. Unter den älteren bemerkte ich
Bruchstücke von flachen, gut geglätteten, mit einem schwach umgebogenen Rande
versehenen und entschieden helleren Schalen, wie sie die benachbarten Gräberfelder
häufig zeigen, jedoch auch schöne schwarze, gleichfalls glatte und wahrscheinlich
grösseren Schalen angehörige Fragmente. Gröbere, recht unregelmässige Bruch-
stücke, mit schmalen und breiten, aber sehr unsicher gezogenen Horizontal-Furchen,
darunter ein Stück, dessen Rand eine Reihe schräger, parallel gestellter, tiefer Ein-
drücke zeigt, dürften wegen der dichten, mehr gelblichen BcschafiTenheit des
Thons ebenfalls der älteren Zeit zugerechnet werden. Endlich fanden sich zahl-
reich sehr dicke Scherben mit fast senkrechten Flächen, über welche eine schwach
erhabene Leiste mit breiten, tiefen und sehr unregelmässigen, aber kurzen und
stets senkrechten Eindrücken hinweglief. Die Thierknochen waren grosaentheUs
zerschlagen, jedoch fanden sich auch grössere, bearbeitete Stücke, insbesondere
solche von Hirschgeweihen mit scharfrandigen Verletzungen. Die Lage der ein-
zelnen Stücke war zu unregelmässig, um sofort eine Classification zu gestatten;
ich fand nur einen schön geglätteten Schlittknochen. Das merkwürdigste Fund-
stück, das ich jedoch nicht gesehen habe, war ein grosser Thierschädel, der einem
Bären zugeschrieben ist Er wurde in der Mitte des Kessels gefunden, wo eine
grössere Anzahl von Geschiebeblöcken über eine viereckige Fläche von bei-
läufig 4 m im Quadrat zusammengestellt war. Die Kohlen waren an gewissen
Stellen gehäuft; hier Hessen sich auch grössere, verkohlte Stammstücke gewinnen.
Von Metall war ausser einigen Nadeln und einem Sichel messer von Bronze, so-
wie spärlichen Eisensachen wenig zu Tage gekommen; das einzige bemerken»-
werthc Stück, über welches ich den anderen Herren das Nähere vorbehalte, hatt«
sich ausserhalb des Walles an einer Stelle, welche kein sicheres Indicinm für die
Zugehörigkeit darzubieten schien, vorgefunden.
Nach dieser sehr summarischen Uebersicht hat sich also unsere alte Auffassung,
der ich wiederholt Ausdruck gegeben habe, bestätigt, dass die eigentliche
Grundlage des Walles der vorslavischen Zeit zuzurechnen ist Wir
können nur Wünsche ausdrücken, dass die Ausgrabung wenigstens stellenweise
tiefer geführt werde, als das unmittelbare Interesse der Bauverwaltung er-
fordert. Inwiefern auch an anderen Stellen ausserhalb des Durchschnittes neue
Ausgrabungen vorzunehmen sein möchten, wird späterer Entschliessnng vorzu-
behalten sein.
(491)
Nicht ohne grosse Befriedigung darf ich hervorheben, dass die von mir Tom
Anfang an betonte Noth wendigkeit, die äussere Gestalt des ehrwürdigen Bauwerkes
zu sichern, durch die Wahl der Durchschnittsrichtnng in volle Erfüllung gegangen
ist. Noch imroer liegt der Schlossberg in seiner imposanten Gestalt da, obwohl
ein so grosser Durchschnitt ausgeführt ist, und es steht zu erwarten, dass auch
spätere Geschlechter den vollen Eindi-uck der Grösse und Form des Walles
empfangen werden. Gewisse Schwierigkeiten, welche sich in Bezog auf den de-
finitiven Verbleib der Fundstücke durch die begreifliche Eifersucht der Nachbar-
orte, von denen jedes ein Museum für sich bilden möchte, ergeben haben, sind
vorläufig zurückgestellt. Die Fundstücke werden zunächst sämmtlich gesammelt
und an das Königliche Museum in Berlin abgeliefert. Wie mir scheint, steht
nichts entgegen, in naher Zukunft eine Theilung vorzunehmen, welche auch der
Wissbegierde der Nachbarn allen Spielraum lässt. —
Wir fanden nach Erledigung unserer Aufgabe noch genügende Zeit, die uns
freundlichst gebotene Gastfreundschaft des Besitzers der allen Besuchern des
Spreewaldes bekannten Spreemühle, des Hrn. Habermann, zu gemessen, und
nachher noch eine Kahnfahrt die Spree hinab zu veranstalten. In Gesellschaft des
Hrn. Voss und meiner jüngsten Tochter Hanna durchfuhr ich die schöne Wasser-
strasse^ mit ihrer prächtigen Einfassung stattlicher Bäume; aber der Anblick war
sehr beeinträcht durch die Ueberschwemmung, welche schon seit Anfang des
Jahres fast das ganze Wiesengobiet unter Wasser gesetzt und die Ernte an vielen
Orten gänzlich zerstört hat. Die armen Leute hatten vielfach nicht einmal Ge-
legenheit gehabt, das Gras zu mähen und Futtervorrath für den Winter zu
sammeln. Auch Hülfe von ausserhalb war hier nicht gebracht worden. Glück-
licherweise gelang es mir, die Aufmerksamkeit des Berliner Comites diesem
Nothzustande zuzuwenden. So ist denn dem Spreewalde, wenngleich etwas spät,
eine Beihülfe von 30 000 Mark gewährt worden.
Vor unserer Abreise musterten wir noch die grosse und musterhaft geordnete
Sammlung des Hm. Petermann, der insbesondere aus Gräbern der Hallstattzeit
eine Fülle gut erhaltener Thongeräthc aufgehäuft hat. —
(20) Hr. Paul Sartori in Dortmund übersendet unter dem 10. Juni eine
grössere Abhandlang über
das ßauopfer.
Dieselbe wird im ersten Hefte des neuen Bandes der Zeitschrift für Ethno-
logie erscheinen. —
(21) Hr. W. V. Schulen bürg schickt aus Baden-Baden, 15. November,
eine Reihe von Einzelmittheilnngen. Es sind folgende:
1. Die ELnotenzeichen der Müller.
Ein Verfahren, sich darch Knoten Aufzeichnungen zu machen, um dem Ge-
dächtniss zu Hülfe zu kommen, herrscht noch heute bei den Müllern auf dem
Lande in Baden (Gegend von Bühl und Achem), und wohl auch weiterhin in
Deutschland. Allerdings handelt es sich nur um wenige Zeichen für eine kleine
Anzahl von Begriffen. Die folgenden Angaben habe ich festgestellt nach den wieder-
holentlichen Mittheilungen des Hrn. Joseph Niethammer, vormals Müllers in
Zell bei Bühl.
Die Knotenzeichen werden angewendet, um sich in der Fülle von Mahl-
aufträgen zurecht zu finden. Sie sind aber nur noch üblich auf den Kunden-
mtthlen, d.h. den kleineren Mühlen auf dem Lande, nicht in dengrossen Kunst-
mflhlen. Wie bekannt, ist an jedem Sack oder Säckel eire Schnur (Strippe,
(492)
Bindfaden) befestigt zum Zubinden desselben. Wenn die Schnur am Sack fehlt,
so nimmt man eine besondere lose Schnur zum Zubinden.
Es giebt ihrer Bedeutung nach zweierlei Knotenzeichen. Die einen zeigen
eine gewisse Menge, Maasse, an; die andern eine Sorte Mehl.
Die Knoten ftlr Maasse bedeuten: 1 Määssel, 2 Määssel, ^2 Seschter (auf
dem Lande auch S simmer genannt), 1 Sester, 2 Sester, 6 Sester. Es ist Vi Sester
^ 5 Määssel, 1 Sester = 10 Määssel ^). Es sind dies alte Maasse, die noch jetzt auf
dem Lande hier bei Müllern und Bauern in Geltung sind.
Die Zeichen für Mehl arten bedeuten: Saumehl (auch Rummehl genannt);
nicht ausgemahlen; Boll (der allererste Zug von Weissmehl, grobes,
schlechtestes Mehl); zweite Sorte Semel; feinste Sorte Semel. Zu be-
merken ist, dnss das Zeichen für Saumehl und für nicht ausgemahlen das-
selbe ist. Die Bedeutung nicht ausgemahlen gilt aber nur, wenn das Zeichen
(Pig. 9) an einem Sack mit Brotfrucht (Roggen, Gerste, Einkorn) gemacht winL
Diese Zeichen für Mehlarten gelten aber ausschliesslich nur für den Verkehr
zwischen Müller und Beck (Becker).
Das Doppelte, und zwar 2 Massel und 2 Sester, kann angedeutet werden, ent-
weder indem man durch den betreffenden Knoten eine zweite Schnur durchzieht
(Pig. 2 u. 6), oder indem man den Knoten mit einer Doppelscbnur bindet (Fig. 3 u. 7).
Fig. 1 = 1 Määssel. - Fig. 2, 3 = 2 Määssel. - Fig. 4 = V, Sester.
y
Fig. 6 = 1 Sester. — Fig. 6, 7 = 2 Sester.
Fig. 8 = 6 Sester. — Fig. 9: a) = Sanmehl: h) - nicht aus <rc mahlen. — Pig. 10 = Boll.
Fig. 11 = zweite Sorte Semmel.
Fig. 12 = feinste Sorte Semmel.
1) 10 Sester = 1 Malter.
(493)
Das Mässelzeichen ist wie ein gewöhnlicher Knopf (Knoten), nur lose, nicht
fest zusammengezogen.
Das Zeichen für das Saumehl oder Rummehl und für nicht ausge-
mahlen (Fig. 9) besteht aus einem Sc hl auf (Schleife), der durch ein Mässel-
zeichen durchgezogen ist
Das Zeichen für die Boll (Fig. 10) besteht aas einem Schiauf, der durch
ein Sesterzeichen durchgezogen ist.
Das Zeichen für die zweite Sorte Semel (Semmel in Norddeutschland
gesprochen), Fig. 11, besteht aus einem Zöpfchen a, dem Semclzeichen. Der
Knopf (Knoten) bei h und c wird nur gemacht, dass das Zöpfchen nicht
aufgeht.
Das Zeichen für die feinste Sorte Semel (Fig. 12) besteht aus dem Semel-
zeichen a (dem Zöpfchen), und einem Mässelzeichen d. Der Knopf bei b und c
ist nur da, um das Zöpfchen zusammenzuhalten.
Nach dem Obigem heisst z. B. Fig. 4, 5, 6 und 8 gelesen: neun und ein halb
Sester, nehmlich^ Va + ^ + 2 + 6 = 9\'a Sester, oder Fig. 5, 7 und 2 bedeutet:
3 Sester und 2 Massel, nehmlich l S. + 2 S. + 2 M. = 3 Sester, 2 Massel, und der-
gleichen mehr.
Ich beschränke mich auf diese knappen Angaben, da Beispiele, wie bei Be-
stellungen auf der Mühle die erwähnten Zeichen verschiedentlich Anwendung
finden, zu weit in die Einzelheiten der Müllerei hineinfuhren würden.
Nach Angabe meines Gewährsmannes „waren, etwa um 1842, noch sieben
Zigeuner-Familien^) im Kappeier Thal (im Acherer Amte) ansässig als katholische
Bauern und besassen Grund und Boden. Sie hatten ihre Besitzungen bei Unter-
wasser in der Nähe von Allerheiligen." Von diesen Zigeunern theilte einer ge-
legentlich ihm mit, „dass sie ähnliche, wenn auch nicht dieselben, Knoten schürzten
(von Bindfaden), wie die Müller, um sich damit bei ihrem Weiterziehen durchs
Land Anweisungen zu geben. Sie hängten sie zusammen mit Lumpen an einem Baum
oder Strauch auf. Der Lumpen zeigte in der Farbe an, von was für einem Stamm
sie seien, der Knoten, wie viel Personen vorbeigezogen. Auch andere, hier nicht
ansässige, sondern durchziehende Zigeuner sagten ihm dasselbe, wie auch andere
Leute davon wussten."
Mir ist auf dem Lande in der Mark gesagt worden, dass die Zigeuner (zu
zauberischen Zwecken) Knoten schürzten. In einem besonderen Fall hiess es (im
Kreise Teltow), dass, um einer Dienstmagd Geld abzulocken, die Zigeunerin immer
um das Mädchen herumgegangen sei'), sie scharf dabei anblickend, und Knoten
geschürzt und das Mädchen völlig willenlos gemacht habe, also, wenn der Vorgang
sich so abgespielt, sie wohl „hypnotisirt* hat.
Ganz dasselbe zauberische Knotenknüpfen wird von den Wetterhexen be-
richtet. Sie konnten dadurch Winde fesseln und entfesseln. Norwegische Zauber-
weiber hielten sie in einem Sack, den sie mit einem Knoten verschlossen. Die
1) Manche Zigeuner sollen in früheren Jahrhunderten als Kundschafter, namentlich
für Frankreich gegen die deutschen Länder am Oberrhein, gedient haben, wie einer jener
Zigeuner dem Joseph Niethammer mittheilte. Derartige Beziehungen mit Frankreich
schildert, nach einer Erzählung desselben Zigeuners, Niethammer in einer umfangreichen,
von ihm niedergeschriebenen (ungedruckten) Zigeunersage von der Zigeunerprinzess am
Mummelsee.
2) In der Lausitz sagt man ebenfalls: ,Von den Zigeunern soll man sich nicht um-
gehen lassen, denn sie können einen versprechen."
f494)
Bewohner von ^Vinland" verkauften sie nach Bedarf an Seeschiflfer, indem sie
Knoten dabei gebrauchten '). Aehnliches wird von Lappen und Finnen berichtet
Die Hexen machen auch Sturm und Hagel, indem sie in Bäche schlagen')
mit Besen. Wenn man einen Besen über den Weg legt, geht keine Hexe darüber*).
Dasselbe gilt in der Mark von den Zigeunern, nämlich, dass man sie durch Besen
verjagen kann. Als ich (1894 oder 1895) gelegentlich in einem märkischen Dorfe
war, befielen umherziehende Zigeuner dasselbe und setzten durch ihr gewalt-
thätiges Auftreten Frauen und Mädchen des Dorfes in Schrecken, weil die Männer
fast alle auf dem Felde waren. Auf einem Nachbarhofe hörte ich, wie eine Zigeu-
nerin laut schreiend eine Bauernfrau verwünschte und verfluchte, weil sie ihr Fleisch
oder Schinken nicht so gab, wie sie, die Zigeunerin, es haben wollte. Als die
Zigeuner das Dorf wieder vorlassen halten, sehr zur Erleichterung der schutzlosen
Bewohner, wurde mir von den Angehörigen zweier gebildeten Familien mitgetheilt,
dass sie die bei ihnen in^s Haus dringenden Zigeunerweiber durch vorgehaltene
Besen zu sofortiger Umkehr veranlasst hätten.
Hexen und Zigeuner hätten demnach die Furcht vor den Besen und das
Knotenknüpfen gemeinsam. Da die Zigeuner sehr alte Sitten bewahrt haben, so
dürfte, wenn ihr Nestelknüpfen Thatsache ist, die Kenntniss von etwaigen beson-
deren Knoten bei ihnen nicht ganz ohne Werth für die Volkskunde sein. Denn
z. B. Knoten und Verschlingung von Fäden als Verzierung ii^endwelcher Gegen-
stände alter Zeit dürften unter Umständen Beziehungen irgendwelchen Glaubens
andeuten. Hatten doch auch im griechischen Alterthum, und sonstwie, Knoten
ihre Bedeutung. ^Ein doppelt gezogener Knoten hiess nodus Herculis und diente
noch später als Zauberknoten. So benannt, weil Juno durch knotenartiges Ver-
schränken der Finger und Arme die Geburt des Hercules 7 Tage hinhielt*). Den
von mir aufgefundenen nodo di Salomone habe ich bereits früher beschrieben^) und
abgebildet, auch erwähnt, dass ich ihn gezeichnet fand mit Schiffen und Schiflbflaggen.
Derselbe Knoten fand sich auf der Mütze eines westafrikanischen Zauberers*).
Ebenso habe ich einen noch auf Seeschifl'en üblichen Salomonsknoten erwähnt and
abgebildet, wie ihn ligurische Fischer oder Seeleute mir vormachten. Denn ohne
Abbildung ist keine sichere Kenntniss von einem besonderen Knoten zu gewinnen.
Auch Ostseefischer zeigten mir bemerkenswerthe Knoten, doch sind mir die Einzel-
heiten nicht mehr erinnerlich. Früher zeigten mir im Oberspreewald alte Leute
drei Arten von Knoten, die angewendet wurden, um Säcke zu schliessen; verroutb-
lich sind sie noch in Anwendung. Einer hiess ^cartowy suk, Teufelsknoten, eine
Schleife, welche nur der Kundige aufziehen kann^)".
2. Der Fenersprang za Johanni.
Früher vor 50 bis 60 Jahren war es Sitte in der Gegend von Bühl und Achem,
dass auf Berghöhen oder einem Hügel, Abends nach der Betzeit, ein Johannis-
feuer angezündet wurde. Das Holz dazu brachten die ledigen Burschen des
1) Vergleiche die näheren MittbeiluDgen bei Grimm, Deutsche Mythologie, 1876.
n. S. 632, 910.
2) Grimm a. a. 0., II, S. 897.
8) W. V. Scholenburg, Wendische Sagen, S. 157.
4) Lübker, Reallexicon der klassischen Alterthümer, S. 827.
5) MittheilungeD der Wiener Anthrop. Geselhchaft.
6) Zeitschrift fQr Ethnologie, VerhandluDgen.
7) Wendische Sagen, S. 187.
(495)
Dorfes vom elterlichen Hofe herbei, so viel jeder tragen konnte. Auf der Höhe
wurde es zu einem Haufen zusammengeworfen. Im Gebirge, wo kein Holzmangel
ist, machten sie sehr hohe Feuer, so dass man sie weit sehen konnte. Die
meisten Leute vom Dorfe, Alt und Jung, kamen beim Feuer zusammen. Es war
ein wichtiges Dorfcreigniss. Man stand in einiger Entfernung um das Feuer herum,
damit Platz für die Springenden blieb. Denn es war Sitte, dass die ledigen Burschen
über das Feuer sprangen und auch Mädchen, die einen Schatz hatten. Eine
öfTentliche Verlobung gab es damals*) auf dem Lande nicht. Wenn das Feuer
brannte und die Flammen lohten, wurde ein solches Liebespaar von Jemand aus
der Menge aufgerufen unter allgemeiner Spannung der Anwesenden. Es war
nicht immer der nämliche, wo (=der) es gerufen hat. Die Beiden eilten dann auf
sich zu, gaben sich die Hand und sprangen vereint in mächtigem Satze über die
Flammen^). Ob der Sprung gelang, hing von der Gewandtheit und Kraft des Paaies
ab. Dabei wollte man ersehen, wer die Herrschaft in der Ehe führen würde. Man
passte auf, ob „das Paar einen hohem oder niedrigem, einen kurzem oder längern
Sprung über das Feuer machte, ob eines derselben vom Feuer an einem Kleidungs-
stücke beschädigt war und ob sie zu gleicher Zeit und gleichmässig über das
Feuer sprangen", wer engrischer (schneller, entschlossener, muthiger) wäre. Wenn
beim Sprang der Mann sich zaghafter zeigte und das Mädchen engrischer, weis-
sagte man, dass sie im Hause die Hosen anhaben würde u. s. w. „Es sind^
nach der Angabe von Niethammer, „auch nur die ausgerufen worden, die allge-
meine Theilnahmc erregten. Der Aufruf galt so gut wie eine öffentliohe Verlobung.
Aber nicht immer hat es dann ein Ehepaar gegeben. Sie haben sich auch wieder
getrennt, weil irgend ein Grund sie wieder auseinanderbrachte, seien es Eifer-
süchteleien oder Vermögensrücksichten oder sonstwas. Meist hielten sie aber treu
zusammen und die Eltern gaben ebenso ihr Jawort, wenn das Mädchen öffentlich
dem Bu ihr Jawort durch den Sprang gegeben hatte. Die Eltern sahen den Feuer-
sprung vor den Augen der Menge gleichsam als Schicksalsbeschluss an.
Es soll auch in den nur vereinzelten Dörfern, wo im Dorf eine grosse alte
Linde, die Dorflinde, stand, auf dem Platz an der Linde manchmal ein Johannis-
feuer angezündet worden sein, wohl nur in der Ebene?
Eine Erzählung, welche auf meine Veranlassung niedergeschrieen ist von
Joseph Niethammer von Zell (auf dessen wiederholentlichen mündlichen Mit-
theilungen meine obigen Angaben beruhen), ist abgedrackt im „Badener Land"
[Freiburg i. Br. Nr. 19 und Nr. 20, 1897]'). Der Verfasser, ein einfacher Mann
vom Lande, ist selbst noch in früher Jugend vor 60 — 70 Jähren bei Oberkappel
über das Feuer gesprungen und hat in anschaulicher und eingehender Weise Vor-
gänge beim Johannisfeuer geschildert und die Folgen, die sich für einen „Feuer-
schatz" daraus ergaben*).
1) Wie noch heute in ganz Deutschland nicht. Wenn zwei zusammengehen, muth-
nuisst man, dass sie sich heirathen werden.
2) Was früher darin geleistet wurde, kann man sich vorstellen, wenn man noch heute
in einzelnen Gegenden Deutschlands, wo volksthümhcher Sinn und alte Volksspiele sich
erhalten haben, manche staimenswerthe Leistung mit ansieht. Vergl. über oberbayrische
Volksspielo meine Angabc in den Mittheilnngen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft.
1S%, 26 (16), 8.82.
3) Die Erzählung ist für die Bibliothek der Gesellschaft eingesendet
4) lieber die Feuer auf Bergen am Abend des Sonuwendtages in Oberbaiem vergleiche
die Verhandlungen 1^81», S. 22.
(496)
3. Die Ho Wölfe], ein Neujahrs -Gebäck, Schutzmittel gegen Viehseuche
und Blitz.
In den Ortschaften im Amte Bühl (in Baden), vielleicht auch weiterhin im
Schwarzwald, herrschte früher der Brauch, in der Neujahrsnacht (d. h. am letzten
Tage des Jahres, 31. December) sogenannte HowölfeP) zu backen. Jetzt soll
die Sitte dort ganz ausgegangen sein. Die Howölfel wurden gemacht aus Nach-
mehP) und Schnitzbrühe. Die Schnitzbrühe (Saftbrühe) wurde aus Schnitzen
(gedörrten Obststücl^en) von Aepfeln und Birnen ausgekocht, ohne Salz; dadurch
erhielten die üowölfel eine rothbraune Farbe. Hier und da nahm man als Bei-
mischung auch Zwetschgen (Pflaumen). Aus diesem Teig bildeten Eltern und
Kinder — es wurde das gewöhnlich gemeinschaftlich in der Familie gemacht —
Figuren von verschiedenen Thieren, die die Erschaffung der gesammten Thier-
welt darstellen sollten und mit Schmalz (Schweineschmalz) in einer Pfanne auf
dem Heerd gebacken wurden. Aus diesen Figuren glaubten die Leute ersehen und
schliessen zu können, an welchen von ihren Thieren sie Glück oder Unglück im
neuen Jahre haben würden. Dies folgerten sie bei den gut gerathenen Teigthieren aus
der etwaigen Aehnlichkeit mit den wirklichen Thieren, die sie im Stall hatten. Da
vielfach, sogar meist, Missgestalten vorkamen, so wurde dann unter Scherz und
Lachen der Familienangehörigen berathen, was diese oder jene Gestalt vorstellen
sollte. Der eine sagte: „Ein Hund**, der andere: „Ein Kälbel" u. s. w.
Dann war noch der Glaube, dass diese Howölfel das Haus vor Einschlagen des
Blitzes und die Hausthiere vor Ansteckung bewahrten. Deshalb wurden sie im
Gehöft an verschiedenen Orten vertheilt, so im Gänsestall, im Kuhstall, Pferdestall.
Der Hauptbewahrungsort war in der Wohnstube ein über dem Fenster angebrachtes
Brettchen, wo man Gebetbuch und Hausgegenstände liegen hatte. Auch ober dem
Familieubett wurden sie aufbewahrt, wo Mann und Frau schliefen und, gemein-
schaftlich, bei Vater und Mutter, die kleinen Kinder von zwei bis drei Jahren. Denn
die grösseren Mädchen lagen, wie noch heute, in einer Kammer und die Buben
auf dem Boden unterm Dach. An diesen Stellen wurden die Howölfel bis aufs
nächste Jahr aufbewahrt, wo man wieder neue herstellte. Die alten wurden an die
Kinder verschenkt und gegessen. Die Howölfel wurden auch an gute Hausfreunde,
und an Familienangehörige, die ausserhalb wohnten, als ein werthvolles Geschenk ver-
schenkt. Sie galten als Sicichen von grossem Vertrauen und bester Freundschaft. Wenn
man Howölfel verschenkte, war man bei der beschenkten Familie gut angesehen.
Aehnlich wurden bis vor 20 Jahren, vielleicht noch jetzt, bei den Wenden der
Muskauer Gegend (Schleife u. a 0.) kleine Thiere von Mehl gebacken, sogenannte
letka (= Jährchen), und am Neujahrsmorgen dem Vieh zu fressen gegeben. Ebenso
wurden entsprechende letka für die Kinder gebacken').
4. Der erste Nagel im Hause.
Früher vor 70 — 80 Jahren wurden die Häuser in der Umgegend des Fleckens
Bühl (in Baden) aus Holz gebaut und die dabei gelegten Hauptschwellen,
1) LauK^s 0, kurzes G.
2) Nachmehl ist (auf der Mühle) der „letzte Zug" von Weisen oder von Kernen,
ist aber nicht mehr Weissmehl. Weissmebl ist das Mehl aus Weissfrucht und wird
wird gemahlen aus Weizen und Kernen (von Spelz). Unter Brotfrucht versteht man
Korn oder „Rogen**, ^Gerschte" und das seltenere Einkorn. Kerne beisst »chlfcht-
weg im Marktverkehr der geschalte ,Schpelz** oder Fess.
3) W. V. Schulcnburg, Wendisches Volksthum, 1882, S. 132.
(497)
d. h. die ersten Schwellen, die den ganzen Bau tragen, waren meist aas Eichen-
holz, ^wer es haben konnte. Denn es gab damals noch viele starke Eichen; erst
durch die Eisenbahnen haben sie abgenommen^. In den Ecken des Hauses, wo
zwei Hauptschwellen zusammenkamen und im Winkel mit ihren Ausschnitten über
einander lagen, wurden sie durch starke Eichennägel mit einander befestigt, die man
von oben nach unten durchschlug. Die Löcher dazu bohrte man mit dem Doll-
bohrer.
Wenn beim Aufbau des Hauses die Hauptschwellen über der Erde gelegt
waren, musste in der Hauptecke, „die zunächst dem Wege liegt^ ein unschul-
diges Kind mit dem Hammer den ersten Nagel aus Eichenholz durchschlagen.
Dies war der erste Nagel, der überhaupt im ganzen Hanse geschlagen wurde. Das
Kind, etwa von 7 — 9 Jahren, das noch nicht in höherem Alter war, aber so viel
Kraft hatte, dass es mit dem Hammer zuschlagen konnte, musste immer ein Knabe
sein. Sobald es den Nagel eingeschlagen hatte, kriegte es eine Watsch^), „dass
es immer gedenken sollte, dass das Haus gebaut worden ist'', und dann zur Be-
lohnung ein Stück Schwarzbrod und 1 oder 2 Kreuzer'). Es galt dies als ein Vor-
zug für die Kinder, sie mussten dazu gut empfohlen sein als artig und gut. Die
Ohrfeige wurde ausgetheilt von jemand aus der Familie des Bauherrn, von diesem
selbst oder von einem Sohne, aber auch vom Zimmermann, und zwar dem Meister.
Wenn das Haus fertig war, wurde in der Hauptecke (wo der erste Nagel ein-
geschlagen war) innen in der Wohnstube der Herrgotts winkel (wie noch jetzt) ge-
macht'). Auf ein dreieckiges Brettchen, befestigt in der Ecke, stellte man in wohl-
habenden Häusern ein Standbild von Christus auf, meistentheils aus Qyps gemacht
und von Italienern gekauft, oder ebenso ein Muttergottesbild aus Gyps. Die
armen Leute hatten nur Bilder. Darüber wurde ein Crucifix so befestigt oder auf-
gehängt, dass es abgenommen werden konnte. Seitwärts vom Altärel an den
Seiten wänden der Stube hängte man einige Heiligenbilder auf.
Es darf hierbei wohl an die alte Volkstiberlieferung erinnert werden, wonach
beim Bau grosser Gebäude oder von Brücken über Flüsse unschuldige Kinder
lebendig eingemauert wurden, als Opfer zur Besänftigung des Flusses oder der
Erde, damit der Bau feststände.
6. GeweUte Strichverziening:.
Im Jahre 18D5 wurden bei den Dörfern Gadsdorf und Lüdersdorf (Kreis Teltow,
Provinz Brandenburg) Steine aus der Erde gegraben, da die Landleute solche in
grosser Menge zum Bau einer „Chaussee^ beisteuern mussten. Dabei wurden auf
der Feldmark von Gadsdorf sehr viele Gräber der vorslavischen Zeit zerstört. In
einem Kiefernholz am Klappbusch ^) (einem Sumpfe dortselbst) durchsuchte ich
nachträglich Tausende von Scherben, die unter den Bäumen umherlagen, und fand
nur an einer einzigen Stelle nahe den Zwergbergen ^), die am Kerkluch gelegen
1) Watsch heisst (wie z. B. auch sonstwo am Rhein u.a.; eine Ohrfeige, in der
Mark Brandenburg, früher wenigstens, auch Pflaume genannt, daher tüchtiger
Pflanmenschmcisser Jemand, der eine kr&fügc Backpfeife geben kann.
2) Bei Einfahrung der deutschen Reichs währnng wurde hier „1 Kreuzer = 8 Pfennig,
2 Kreuzer = 5 Pfennig gerechnet".
8) Mein Grundriss einer oberbayrischen Bauernstube mit dieser Ecke (Mittheilungen
der Wiener Anthrologischen Gesellschaft, 1896, 26 (16), S. 63).
4) Nähere Angaben über die Fundstellen in der Brandenburgia 1897. S. 122, 132 bis
189, 141.
5) Ebenda, S. 122, 183, 142, 145.
Verhaiidl. der B«rl. Anthropol. Gesellschaft XS^T. , B2
(498)
sind, ehemaligen Gräbern, inehi'cre Scherben ans reinem, röthlichem, gut gebranntem
Thon, die von einer Urne herrührten und wellenförmig mit einem Kamm oder
ahnlichem Werkzeug eingerissene Strichverziemn^'en zeigten, wie in Fig. 13 und 14
zwei abgebildet sind. Der grössere Scherben ist 12 cw hoch und 10 mi breit, der
kleinere 9 em hoch und 9 rm breit. Derartige Strich Verzierung dürfte in hiesiger
Gegend wohl erst seltener bemerkt worden sein.
J. Meatorf) bildet eine ähnliche Verzierung ab (Taf. VI, Fig. 6) von einer
Urne, die beschrieben wird (S. 36) als „glänzend braun, mit eingeritztem Flammen-
ornament („Korbgeflecfat")" aus Schleswig- Holstein , und zwar von „Laurup, Ksp.
Döstrup, 1 Meile nordwestlich von Lügumk losler." —
(22) Fräulein Elisabeth Lemke berichtet, Berlin, l>G. Oc tober, Über
Uiebel -Verzier OD gen in OstprentisPii.
Den in den Verband). 1890, S. -2G-1 gebrachten 44 Zeichnungen von Giebi-I-
Verzicningen in Ostpreussen reihe ich hier weitere 58 un. welche wieder »er-
srhiedenen Kreisen der Provinz entsprechen.
Kreis Mohrungen. Kreis Osterode.
1. Rhoden. 19— -23. Tannenberg.
2-11. Weinsdorr-)- 24-2fi. Heesclicbt').
13. Knnzendorf. 27. Ganshorn.
13-18. Kuppen, 28—34. Gros b-G rieben.
1) ümcnfriedhüfo in Schlcsnig-Halsteia, Hambtiri:, 188«.
2) Weinsdorf; am WcinsilortprCanal, d«r, in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ^—
graben, den E«iiitl-See mit dem Geserich verbindet. — Die Kinhe ist vor 1320 gabuL
Im Giebel oben eines der in Ostpreussfn sehr selteDen KalhunnenradeT (Uie BdU' nnd
Kunst-Denkmäler der Provinz Ostpreusscu, bearbeitet von Adolf Bf.tticbor) — Link,
vom westL Eingang lur Kirche befindet sich noch in der Mauer ein .Halt^ciHen" (- Pranger:.
Die grosse L'br in der Kirche bat iwei snhr grosst Steine als Gewichte; sie soll von einem
Orobschmied (aus der I'r. -Hollander Gepcndi geferligl sein.
8) UeesPlicbt, poln. l.esici, der „Brassen*, soll nacb Ueiinenbergcr scboo in Horh-
tneister Karl Ueffart's Zeiten (also Anfang des 14. Jahrb. ^ ein Marktflecken gewesen «ein.
(499)
35-
45-
47-
52-
Kreis Neidenburg.
-44. Thuraa.
-46. Oscbekau.
-51. Ramionken.
-54. Littfinken.
Kreis Heiligenbeil.
55. Grünau.
Kreis Königsberg.
56 — 58. Karplaukcn.
mmm^
n n n
hc-QV s
Peter v. Heselect und Heinemann iind\Konrad v. Wansen hatten hier im Jahre 1321
<^in Gut Yon 1440 Hufen übernommen. Auf der Grenze vun Hecselicht und Bergung stand
noch vor 80 Jahren ein pyramidaler Grenzstein mit der Bezeichnung „16. Jahrh.**. Auf
der nach N. vorspringenden Halbinsel (i. Damerausen) waren zu Giese's Zeit mehrere
Wälle kenntlich, die dn Schloss umgaben, von dem noch zwei Keller vorhanden sind.
Das Schloss gehörte wahrscheinlich im 14. Jahrh. einem Wansen (Giese, Alterth.-Ges.
Prussia). Eine der alten Glocken der Kirche trägt Kreuzgroschen eingegossen, wie sie
4ler Hochmeister Küchmeister von Sternberg prägte (also wohl ans dem 15. Jahrh.).
82*
(500)
(23) Hr. 0. Olsh aasen spricht über
drei angebliche Eisenobjecte aus der zweitantersten Ruineiischicht
von Hissarlik.
Hr. Dr. A. Götze veröfifentlichte im Globus, Bd. 71 (1897), S. 217-20, einen
Beitrag zur Urgeschichte des Geldes, betitelt „Die trojanischen Silberbarren
der Schliemann-Sammlung'^, in welchem auch einige wirkliche oder scheinbare
Eisensachen von Hissarlik eine wichtige Rolle spielen. Ich glaube indess, dass,
was über diese letzteren vorgebracht wird, in wesentlichen Punkten nicht haltbar ist
Die Silberbarren sind die von Schliemnnn, Ilios S. 524 — 27, besprochenen
und unter Nr. 787—92 abgebildeten, allseitig behämmerten 6 Platten in Form etwa
von zweischneidigen Messerklingen, aus dem grossen Schatze desjenigen Theiles
der drittuntersten Stadt, welcher später von Seh lie mann selbst als zur zweiten
Stadt gehörig anerkannt wurde und auch heute noch so aufgefasst wird '). Diese
Platten sind länglich, an den Längsseiten etwas eingezogen, am einen Ende ab-
gerundet, oder genauer, in der Mehrzahl der Fälle, begrenzt durch einen ge-
drückten Spitzbogen, am andern Ende halbmondförmig ausgeschnitten. Die Länge
schwankt von 17,4 — 21,6 ^m; mit ihr wächst auch die Breite, und zwar in der
Mitte, an der schmälsten Stelle, von 22—40 mm. Die Dicke wechselt zwischen
2 und 4 viin ; die kleinsten Platten sind am stärksten, die grössten am schwächsten,
jede einzelne aber ist in sich so gleich massig dick, wie es das Verfahren der
Hämmerung zulässt Je 2 Platten sind einander in Form, Flächenansdehnung und
Dicke fast gleich.
Schliemann hielt die Platten für „homerische Talente*^, und für Geld sieht
auch Götze sie an. Da indess erst die sechst unterste, Schliemann^s lydische,
Stadt in die mykenische Blüthezeit, d. h. in die zweite Hälfte des zweiten ror-
christlichen Jahrtausends fällt, so bemerkt Götze mit Hecht, dass die Silberstdcke
nicht homerisch, sondern viel älter seien.
Nun befindet sich in der Schliemann-Sammlung unter Nr. 8357 ein Stück
metallisches Eisen, das Götze seiner Form wegen zum Vergleich heranzieht
In „Ilios'^, das 1881, und in ^Troja^, das 1884 in Leipzig erschien, wird es nicht
erwähnt; aber in dem 188G unter Schliemann*s persönlicher Leitung zu Berlin
durch stud. Hübner angelegten handschKfllichen Katalog ist es als „breite Eisen-
stange, un der einen Seite rund^ verzeichnet. Hr. Götze bildet es in Fig. 4 im
Umriss ab, und zwar im gleichen Maassstabe, wie die in Fig. 1 ebenso gezeichneten
6 Silberplatten.
Das Stück ist ein flaches, 219 mm langes Stabeisen von oblongem Querschnitt;
eine Platte kann man es nicht wohl nennen. Die Längsseiten sind etwas ein-
gezogen, im Ganzen aber nimmt die Breite vom einen Ende nach dem andern ein
wenig ab (von 29 auf 25 mm). Das breitere Ende ist rund bogenförmig t>egrenzt,
das schmälere schliesst gerade ab. Hier kann vielleicht etwas fehlen; genau ca
urtheilen, lässt der Rost nicht zu; jedenfalls aber liegt kein Anhalt dafür vor, dass
dieses Ende halbmondförmig ausgeschnitten war, wie an den Silberplatten. Die
Dicke vermindert sich vom breiteren nach dem schmäleren Ende gleichmässig von
7 auf reichlich 2 mm.
1) Zur Orientirong über die zweite Stadt diene W. Dörpfold's Plan der P«fg«iiio«
von Troja, die drei Perioden derselben zeigend^ in: Heinrich Schliemann, Bericht Aber
die Ausgrabungen in Troja im Jahre 1890, Leipzig 1891, Taf. III.
(501)
Hr. Götze spricht hier von einem den Silberbarren y, völlig analogen" Objecte,
und der Umrisszeichnang nach ist ja eine gewisse Aehnlichkeit vorhanden. Bei
Betrachiang der Originale kann ich dieselbe indess nicht gross finden; sie ist nur
eine ganz allgemeine, erstreckt sich nicht genügend auf's Einzelne. Dennoch sagt
Götze: ^Dieser Gegenstand ist wegen der Formähnlichheit mit den Silberbarren
in Parallele za setzen, d. h. er stellt ein Zahlungsmittel, Geld, vor und ist in die
zweite Stadt von Hissarlik zu datiren.^ Mit dieser Zeitansetzung beginnt
für uns das eigentliche Interesse an dem Gegenstande.
Es ist Hrn. Götze natürlich wohlbekannt, dass Schliemann oft das Vor-
kommen metallischen Eisens in den 5 untern, vorgeschichtlichen Schichten zu
Hissarlik leugnete; so Ilios S. 286 und 674. An letzterer Stelle wird freilich von
dem eisernen Messer Nr. 1421 berichtet, dass es seiner Tiefenlage nach zur vierten
oder fünften Stadt gehören müsste; aber bei dem Fohlen anderer Eisensachen
glaubt Schliemann es seiner Form wegen der sechsten (mykenischen) Stadt zu-
schreiben zu sollen. — Femer ist dem Kataloge nach das hier in Frage stehende
Stück in Schliemann's siebenter Stadt, d. h. in der nach mykenischen, obersten
Ruinenschicht gehoben worden. Beiden Angaben Schliemann's steht Götze
nach mündlicher Aeusserung mit Misstrauen gegenüber, da Schliemann sich in
dei^leichen Dingen oft geirrt habe und bisweilen auch etwas willkürlich ver-
fahren sei'). Dies kann unbeschadet der grossen Verdienste des ausserordent-
lichen Mannes zugegeben werden, doch hat man bisher Schliemann fast immer
vorgeworfen, dass er Sachen, die jünger waren, für älter gehalten habe, da ihm
bei seiner Art der Abtragung des Burgberges von Hissarlik (in senkrechten Ab-
stichen, statt in horizontalen Schichten) Dinge von oben in die tieferen Schichten
unbemerkt hinabgefallen seien. Hr. Götze aber hält es auf Gmnd jener Form-
ühnlichkeit des Eisens mit den Silberplatten für nothwendig und, da Schliemann's
Angaben nicht unbedingt zuverlässig sind, auch sonst für gerechtfertigt, hier ein-
mal den umgekehrten Fall anzunehmen, und weist kühn das nach Schliemann
ganz junge Stück in eine der ältesten Schichten hinab, mit Ueberspringung der
Zwischenschichten, in denen noch heute Eisen ebensowenig beobachtet ist, wie
nach der früheren allgemeinen Annahme in der zweituntersten. Der hieraus ent-
stehenden Schwierigkeit begegnet Hr. Götze, wie folgt: „Verfasser (nehmlich Dr. G.)
kann aus bester Quelle versichern, dass Eisen thatsächlich in der zweiten Stadt
vorkommt Der angedeutete Eisenfund aus der zweiten Stadt besteht nicht
etwa aus Werkzeugen oder Waffen, es ist vielmehr ein verhältnissmässig kleiner
Luxusgegenstand, ein Stahgriff, der zudem unter Umständen gefunden wurde, die
darauf schliessen lassen, dass das Eisen als grosse Kostbarkeit galt und auf gleicher
Stufe mit Edelmetallen und werthvoUen Steinen stand.*'
Hiermit hat es folgende Bewandtniss: In einem mir vorliegenden, durchaus
zuverlässigen Bericht über eine der Ausgrabungen Schliemann's auf Hissarlik
werden 2 Klumpen Eisen erwähnt, welche bei Mauerwerk einer der drei Perioden
der zweituntersten Ruinenschicht gefunden sind. Da nun nach Götze, Globus
8. 218, zwischen der zweiten und der sechsten, d. h. der mykenischen Schicht,
eine, wie oben bemerkt, eisenfreie Schuttmasse von 5—6 m Stärke liegt, muss
dieser angebliche „Eisen^fund in der zweiten Stadt von vornherein Bedenken
1) Die Fundangabe des Katalogs hätte Hr. Qötze dennoch nicht unerwähnt lassen
sollen. Denn aus seiner ^Datirung"* wird leicht von Anderen die Auffindung in der
zweiten Stadt als Thatsache gefolgert. So sagt Walter in einer Besprechung der
Götze*schen Arbeit in Buschan's Centnübl. f. Anthr., Ethn. u. Urgesch. H, Breslau 1897,
S. 336: ^(das Eisenstück) stammt .... aus der zweiten Stadt"
(502)
erregen, und da die betreffende Ausgrabung an Soi^falt der Ueberwachung sicher
nichts zu wünschen übrig Hess, so dass ein Versehen bezüglich der Fundstelle
ausgeschlossen scheint, wird sich das Misstrauen gegen die stoffliche Beurthei-
lung der beiden Fundstücke richten. Irren doch Laien in diesem E^nkte un-
gemein oft und sind sie doch naturgemäss fast nie im Stande, den Unterschied zq
erfassen zwischen „eisern*', d. h. aus metallischem Eisen bestehend, und „eisen-
haltig'^, d. h. Eisen in chemischer Verbindung enthaltend! Und darauf gerade
kommt es an.
Nun ist mir der Verbleib des einen Klumpens nicht bekannt, der andere aber
befindet sich in Berlin. Er ist einigermaassen einer körperlichen Kugelzone von
58 mm grösstem Durchmesser und 38^m?/i Höhe vergleichbar. In der Mitte einer
der beiden begrenzenden, allerdings nicht sehr ebenen Parallelkreisflächen befindet
sich ein unregelmässig rundliches Loch, das etwa bis zur Hälfte der Höhe ein-
dringt. Schon lange habe ich Zweifel darüber geäussert, ob das Stück wirklich
aus metallischem Eisen bestehe. Sieht man von einer Schicht, wie es scheint,
zu Conscrvirungsz wecken aufgetragenen Firnisses oder dergl. ab, die allerdings die
genaue Beobachtung erschwert, so macht dasselbe den Eindruck irgend eines
natürlichen Oxydes oder Oxydhydrates des Eisens und an der dem Loch entgegen-
gesetzten Seite auch wohl eines auf anderer Grundlage beruhenden, aber eisen-
schüssigen Minerals. Für Eisen selbst ist es viel zu hart, und ebensowenig konnte
ich mich überzeugen, dass hier ein aus der Oxydation von metallischem Eisen im
Erdboden entstandenes Prbduct vorliege; der Zusammenhang der Masse ist dafür
zu fest, es fehlt an vortretenden Blasen u. s. w. Auch scheinen mir Rillen und
Kauhigkeiten der Oberfläche noch nicht zu genügen, einen durch Rostung nach
der Ausgrabung in Zerfall begrifTenen Eisenklumpen anzunehmen, wie man sie
in Sammlungen bei ungenügender Conservirung häufig beobachten kann. Die
Masse halte ich vielmehr im Wesentlichen für so beschaffen, wie sie bei der Auf-
findung war. Es ist mir demnach sehr fraglich, ob das Stück seinerzeit in der
Schicht der zweiten Stadt in metallischem Zustande zur Ruhe gekommen ist.
Und diese Frage allein beschäftigt uns jetzt: ein Mineral, bestehend aus einer
Eisen verbin düng, ist hier für uns bedeutungslos, auch wenn es bearbeitet, etwa
von Menschenhand mit dem Loch versehen ist.
Mit Sicherheit aber ist natürlich die Frage nach der stofflichen Beschaffenheit
des Stücks nur durch chemische Analyse zu entscheiden, für welche die Probe dem
Innern des Klumpens entnommen werden muss, am besten nach seiner Durch-
schneidung. Ergiebt sich dann, dass metallisches Eisen vorhanden ist, so bleibt zu
erweisen, dass es kein Meteoreisen ^) sei; fehlt aber freies Metall, so hat eine
chemisch-mineralogische Prüfung nach anderer Richtun«^ stattzufinden. Die Frage ist
eben eine rein naturwissenschaftliche; die archäologische Betrachtung des Fundstückes
kann zu ihrer Losung gar nichts beitragen, denn die Form desselben ist keine solche..
dass unbedingt oder mit ^^rosser Wahrscheinlichkeit auf ein bestimmtes Material ge-
schlossen werden müsste. etwa wie bei Messerform auf Eisen, wenn Kupfer und
Bronze, wie hier, schon dem Augenschein nach ganz ausgeschlossen sind.
\) Meteoreisen, wenngleich bei den Natnr\ölkeni ^iuzeluer Gegenden, z.B. im
Flussgebiet des Ohio, U. S. A., häufiger verwendet, als im Allgemeinen bekaout, ist doch
für die Geschichte der Metallurgie insofern belanglos, als sein Besitz nie zu einer künitt-
liehen Gewinnung des Eisens aus seinen Erzen führt. Auch die angeblichen Funde gi*-
(liegenen tellurischen Eisens (wie in Thüringen nnd Böhmen) kommen, schon ihrrr
ungemeinen Seltenheit wegen, nicht in Betracht: übrigens gilt für sie dasselbe, wi« vom
Metcoreisen.
(503)
Hr. Director Voss hat sich denn auch, wenngleich wegen der dabei unver-
meidlichen Beschädigung des Gegenstandes schweren Herzens, entschlossen, eine
gründliche Untersuchung desselben vornehmen zu lassen, und dieselbe in die Wege
geleitet; sie ist aber noch nicht beendigt. Das bisher gewonnene Ergebniss mit-
zutheilen, enthalte ich mich, um Hm. Voss nicht vorzugreifen, der hoffentlich nach
Abschluss der Arbeit hier darüber berichten wird. Hingegen möchte ich die Grenzen
dessen darlegen, was wir von der Analyse erwarten dürfen.
Wenn sich herausstellt, dass metallisches Eisen, wenigstens jetzt, nicht mehr
vorhanden ist, so schwindet damit alle Aussicht für den Nachweis, dass der
Klumpen bei seiner Niederlegung Metall war; denn es wird wohl unmöglich sein,
zu zeigen, dass ein Umwandlungsproduct des Eisens vorliegt. Ein solches
müsste aus dem Hydrat des Oxydes (PejOg) oder des Oxyduloxydes (PeO, Pe^O,)
bestehen. Das darin enthaltene Wasser Hesse sich nun zwar nachweisen und quan-
titativ bestimmen; aber die so erfolgte Peststellung von Hydrat genügt nicht, weiter
auf metallisches Eisen zu schliessen, da wir sehr verbreitete Materialien kennen,
die ebenfalls, wenigstens aus Oxyd hydrat bestehen [Göthit (Pyrrhosiderit, Nadol-
eisenerz), Pe^O,, HjjO; Braun eisenerz (brauner Glaskopf, Limonit, Wiesenerz oder
Raseneisenerz, Gelbeisenstein) 2Pe2 03, SH^O]. Höchstens möchte der sichere Nach-
weis von Oxydul oxydhydrat metallisches Eisen als Ausgangspunkt andeuten;
doch ist dies Hydrat sehr geneigt, durch SauerstofTaufnahme in Oxydhydrat über-
zugehen, und somit sein Portbestehen in der Masse nicht wahrscheinlich. Aber
auch wenn die Analyse einen Oxydulgehalt ergiebt, ist dadurch noch nicht die Ent-
stehung der Masse aus metallischem Eisen bewiesen; denn es enthält z. B. Rasen-
eisenerz öfters neben Oxyd auch Oxydul. Und wie schon oben bemerkt, macht
der Klumpen auch nicht den Eindruck verrosteten Eisens. Wenn dagegen nur
wasserfreies Oxyduloxyd (Magneteisen) oder Oxyd [Rotheisenerz (Blutstein,
Hämatit, rother Glaskopf, Eisenglanz, Eisenglimmer)] vorhanden ist, so steht sicher
fest, dass ursprünglich kein metallisches Eisen vorlag. Die Analyse wird mithin
die Eisenoxyde quantitativ bestimmen und die An- oder Abwesenheit des Wassers
mindestens darthun müssen. Ausserdem wäre auf Schwefel oder genauer Schwefel-
säure zu prüfen, da Brauneisenerz, das häufifi: durch chemische Veränderung anderer
Mineralien, z. B. des Eisenkieses und des Hämatits entsteht, wenn ersterer seine
Mnttersubstanz war, die Umwandlung aber nicht abgeschlossen ist, noch Schwefel-
säure enthalten kann. Wie aber auch immer das Ergebniss der Analyse und da-
mit die Antwort auf die Präge ausfallen möge, ob metallisches Eisen aus der
zweiten trojanischen Schicht wirklich nachgewiesen sei oder nicht, — auf Datirung
und Deutung des von Hrn. Götze besprochenen Eisenstabes hat dies meines
Erachtens keinen Einfluss. Schon dessen guter Erhaltungszustand spricht gegen
ein so hohes Alter, wie Dr. Götze es ihm zuschreibt; er ist zwar oberflächlich
mit Blasen bedeckt, wie sie sich an Eisensachen im Erdboden bei der Oxydation
zu bilden pflegen; aber diese Blasen sind nur klein, und eine Anbohrung zeigte,
dass schon in geringer Tiefe reinstes Metall liegt. Eisen tritt auch sonst erst in
der mykenischenZeit auf. Seh liemann selbst hat sogar in den Niederlassungen dieser
dasMetall noch nicht gefunden, weder auf Hissarlik, nochinMykenae, Orchomenos oder
Tiryns; aber ich entnehme Schuchardt's Werk: Schliemann's Ausgrabungen,
2. Aufl., Leipzig 1891, dass Arbeiten derGriechischen Archäologischen Gesellschaft unter
Tsnntas' Leitung 1887 — 88 in Pelsenkamraergräbern des Volks der Unterstadt von
Mykenae ein paar eiserne Pingerringe ergaben, „welche beweisen, dass dies
Metall damals noch für sehr kostbar galt und nur zu Schmuckgegenständen ver-
arbeitet wurde" (S. 345), desgleichen 1889 in einem Kuppel- (Tholos-) grabe zuAmyklae
(504)
bei Sparta einen eisernen Ring, mit andern Dingen zusammen da gelegen, wo
die Hände des Todten vorauszusetzen waren (S. 348; rergl. auch S. 142 und 369).
In den ältesten Gräbern der inykenischen Zeit, den Schachtgräbem, fehlt das Eisen
noch. Ist nun jener Eisenstab zeitlich nicht mehr mit den Silberplatten zu-
sammenzubringen, so genügt die, wie oben erläutert, mir nicht wesentlich erschei-
nende Formähnlickeit gewiss nicht, eine gleiche Zweckbestimmung darzuthun.
Wozu der Stab gedient haben mag, ist freilich schwer zu sagen; man könnte an
einen Meissel denken, doch spricht die Abrund ung des dickem, breitem Endes da-
gegen; ein Hammer würde beim Draufschlagen leicht abgleiten. — Fehlt am
schmalen Ende ein Stück und war dieses etwa umgebogen und gelocht, so gäbe
der Stab einen vortrefflichen — Pfannenstiel. Doch bin ich auch weniger pro-
saischen Deutungen zugänglich, nur an das ^Geld^ glaube ich nicht. —
Hr. A. Götze entgegnet hieraur:
Durch das von Dr. Olshausen Gesagte wird der Hauptinhalt meines Artikels
im ^Globus^ nicht im Mindesten berührt. Es handelte sich da um eine Deutung
der Silberbarren; der Eisenbarren wurde nur anhangsweise besprochen und tlber-
haupt nur angeführt, um ein weiteres Beispiel von zungenförmigen Geldbarren auf-
zuweisen. Man könnte den auf den Eisenbarren bezüglichen Abschnitt weglassen,
ohne dass das Hauptthema davon getroffen würde.
Was den ^ eisernen^ Stabgriff anlangt, so ist die Untersuchung seiner Substanz
noch nicht abgeschlossen, und man muss sich fragen, ob es nicht besser gewesen
wäre, mit der Erörterung dieser ganzen Angelegenheit zu warten, bis das Resultat
vorliegt.
Auf die von Hm. Olshausen über die zungenförmige Eisenplatte ge-
machten Angaben habe ich Verschiedenes zu erwidern. Hr. Olshausen bean-
standet die Bezeichnung als Platte und glaubt es als Stab benennen zu müssen.
Wenn auch der Gegenstand an dem einen Ende etwas dicker ist, als an dem andern,
so ist die Flächenentwicklung im Verhältniss zur Dicke doch eine derartige, dass
ich an der Bezeichnung als Platte festhalte. — Die Form ist nicht identisch mit der
der Silberplatten, aber sehr ähnlich. Damit sich nun Jedermann selbst ein Urtheil
bilden kann, wie weit die Aehnlichkeit geht, habe ich die abweichenden Punkte
bereits in meinem „Globus^-Aufsatz angegeben. Ob man demnach die Stücke
wenig oder sehr ähnlich findet, ist Ansichtssache; ich glaube letztere Bezeich-
nung vorziehen zu müssen. Als wesentlicher Unterschied wird der gerade Ab-
schluss der Eisenplatte gegenüber dem concaven Einschnitt der Silberplatten hervor-
gehoben (genau genommen ist der Abschluss der Bisenplatte sogar ganz wenig
convex). Dieser Unterschied verliert aber seine Bedeutung, wenn man erwägt, dass
nach meiner, in dem ^Globus^-Aufsatz näher erörterten Annahme die Geldbarren
sich hinsichtlich ihrer Form aus Flachcelten entwickelt haben. Man würde also
in dem geraden Abschluss eine Erinnerung an den ebenso abschliessenden
bekannten Typus der Flachcelte haben, welcher auch in Troja vorkommt. Die
Deutung des Gegenstandes als eines abgebrochenen Pfannenstiels scheint mir nicht
glücklich zu sein, denn wenn auch der verrostete Zustand nicht mit voller Sicher-
heit die ursprüngliche Beschaffenheit des geraden Abschlusses erkennen lässt, scheint
doch der letztere bei seiner regelmässigen Gestaltung nicht eine Bruchfläche, sondern
die ursprüngliche Begrenzung darzustellen.
Bezüglich der Fund umstände der Eisenplatte nimmt Hr. Dr. Olshausen
Anstoss daran, dass ich zwei Angaben Schliemann^s ignorirt habe, erstens die
Notiz im handschriftlichen Katalog der Schliemann-Sammlung, wonach der
(505)
Gegenstand in der VII. Stadt (nach jetziger Bezeichnung VII — IX) gefanden sein
soll, und zweitens die Angabe Schliemann's in ^Ilios^ dass in den fünf prä-
historischen Städten kein Eisen gefanden sein soll. Hierzu bemerke ich, dass ich
bei der Neuordnung der Schi ie mann -Sammlung Gelegenheit hatte, mich von
berufswegen eingehend mit den Fundangaben Schliemann^s zu beschäftigen und
mir ein Drtheil über ihren Werth zu bilden. Auf Grund dessen trage ich nun
nicht das geringste Bedenken, die bei einem einzelnen Gegenstande als Fundort
angegebene Schicht, bczw. Tiefenzahl zu ignoriren. Was insbesondere den Ton
Olshausen speciell hier bemängelten Fall anlangt, dass ein älterer Gegenstand
von Schliemann eine jüngere Datirung bekommen hat, führe ich folgende Bei-
spiele an: 1. Im Katalog ist zu lesen: „Nr. 8389, VII. Stadt, Bronzestift, unten
breiter werdend.** „Nr. 8397, VII. Stadt, Bronzefragment. ** Es ist mir nun ge-
lungen, beide Stücke mit zwei nicht numerirten Stücken zusammenzusetzen und so
ein grösseres Bruckstück eines der für die II. Stadt charakteristischen Dolche mit
langer, oben umgebogener Griffangel und zwei Löchern im Blatt zu erhalten (wie
„Ilios** Fig. 811— 814, 901). — 2. In der Schliemann-Sammlung befanden sich
zwei Bronzegefasse, welche aus vielen Scherben unter reichlicher Anwendung von
ergänzendem Gyps zusammengesetzt waren und zwar, wie mir schien, in ziemlich
willkürlicher Weise. Ich Hess deshalb die Gefässe auseinander nehmen und fand
so, dass die Zusammensetzung thatsächlich ganz willkürlich erfolgt war. Es zeigte
sich nehmlich, dass sich die Seherben mit anderen Bronzefragmenten, u. a. auch
mit den „Helmtheilen** Ilios Fig. 795 — 798, 979 zusammensetzen Hessen. Durch
Aneinanderpassen und Berücksichtigung der Patinirung wurde so die Existenz von
drei BronzegefUssen ermittelt, deren Form im Wesentlichen reconstruirt werden
konnte. Zu einem dieser Gefasse haben nicht weniger als 29 Nummern des
Katalogs beigetragan (vgl. die Nachweise unter Katalog Nr. 915). Ein Scherben
dieses Gefässes nun wurde aus 5 aneinanderpassenden Stücken zusammengesetzt,
von denen 4 (Nr. 7003, 7006, 7019, 70.30) im Katalog als zur II. Stadt, das
5. Stück (Nr. 8490) aber als zur VIL Stadt gehörig bezeichnet sind. Das Ge-
fäss gehört einem Funde der IL oder IIL Ansiedelung an. Diese beiden Beispiele
zeigen, dass es thatsächlich vorgekommen ist, dass Schliemann Gegenstände
aus der IL oder der IL und III. Schicht mit der Provenienzangabe „VIL Stadt^
versehen hat
Was nun zweitens die Behauptung Schi iemann's anlangt, dass Eisen in den
fünf prähistorischen Städten nicht vorkomme, so sollen wiederum einige Beispiele
erweisen, dass derartige allgemeine Aufstellungen den Thatsachen nicht immer
entsprechen. So wird Ilios (1881) S. 539 und Troja (1884) S. 103 ausdrücklich
hervorgehoben, dass in den fünf prähistorischen Städten keine Schwerter vor-
kommen, und doch befindet sich in der Schliemann-Sammlung das bronzene
Ortband einer Scheide, wie solche an Schwertern auf den sogenannten bethitischen
Reliefs im Königlichen Neuen Museum zu Berlin dargestellt sind. Das Stück ist
bereits im Atlas trojanischer Alterthümer (1874) Fig. 2033 abgebildet; als Fund-
tiefe werden dort 8 m angegeben, was nach Schiiemann^s Schema der III. ver-
brannten, d. h. nach späterer Zählung der IL Stadt entsprechen würde. — Ebenso
Terhält es sich mit der üios S. 530 aufgestellten Behauptung über das Nieten :
„Ee verdient besondere Beachtung, dass .... wir hier in Troja nur Löthung, und
nichts mit Pinnen zusanunengeschlagen sehen.^ Gegenüber dieser bündigen Er-
klärung heisst es auf S. 562 Anm. 1 von einem kleinen Goldadler: „Dies ist in
Troja das einzige Beispiel von nicht zusammengelötheten, sondern mit Pinnen zu-
sammengefügten Platten.^ Thatsächlich giebt es aber noch mehr Beispiele von
(506)
Nietarbeit: so ist der Henkel an dem SilbergelUss Ilios Fig. 779 angenietet, und
in der gegenüberliegenden Bauchwandung stehen die Niete, mit denen ein zweiter
Henkel angenietet war, weit hervor. Diese Beispiele zeigen, welchen Werth solche
allgemeinen Aufstellungen haben und welcher Werth im speciellen der Behauptung,
dass Eisen in den 6 prähistorischen Städten nicht vorkomme, beizumessen ist; ich
glaube deshalb vollkommen berechtigt zu sein, solche Aeusserungen unberück-
sichtigt lassen zu dürfen.
Es gehört also keine so grosse Kühnheit dazu, das nach Schliemann junge
Stück älter zu datiren, zumal da es auch nicht ganz sicher ist, ob nicht im Gegen-
satze zu Olshausen^s Angabe in den zwischen II und VII Hegenden Schichten
Eisen beobachtet worden ist. In dem von Dörpfeld herausgegebenen Berichte
„Troja 1893^ wird S. 98 „ein Klumpen Eisen** erwähnt, welcher bei einer schicht-
weisen Ausgrabung in einer Tiefe gefunden wurde, die etwa der V. Ansiedelung
entsprechen soll. Allerdings ist die Zugehörigkeit zur V. Ansiedelung nach den
an dieser Stelle vorliegenden Verhältnissen nicht mit voller Sicherheit nachzu-
weisen, auch lässt sich die Angabc bezüglich des Materials nicht controliren, da
das Stück sich nicht in Berlin befindet; immerhin liegt eine Beobachtung vor,
welche man nicht übersehen darf.
Dass hier Olshausen den guten Erhaltungszustand der Eisenplatte für deren
geringes Alter ins Feld führt, wundert mich, da ihm doch sehr wohl bekannt ist,
dass diesem Moment an und für sich für die Altersbestimmung wenig Gewicht bei-
gelegt werden kann. Man könnte es höchstens dann heranziehen, wenn aus der
in Frage stehenden Schicht eine Reihe von Eisenobjecten vorläge; aber auch dann
müssten noch die Lagerungsverhältnisse in der Erde berücksichtigt werden.
üebrigens sei auf. einen in dieser Angelegenheit noch nicht herangezogenen
Gegenstand der Schliemann-Sammlung hingewiesen, welcher hier nicht ohne
Interesse sein dürfte. An dem, dem „grossen Schatz" (IL Ansiedelung) zugehörigen
Silberbecher (Katalog Nr. 949) befindet sich ein grösserer rostbrauner Fleck, welcher
ganz den Anschein hat, als ob er von einem verrosteten eisernen Gegenstand her-
rühre, der neben dem Becher in der Erde gelegen hat. Eine Untersuchung ist
noch nicht vorgenommen worden, und es dürfte auch zweifelhaft sein, ob durch
eine solche erwiesen werden kann, dass die Färbung von einem Oxydations-
producte metallischen Eisens herrührt 0- Immerhin glaube ich diese Beobachtung
nicht mit Stillschweigen übergehen zu dürfen.
Zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung. Hr. Dr. Olshausen unter-
schätzt sicher das Begriffsvermögen der Laien in chemischen, bezw. mineralogischen
Dingen, wenn er behauptet, dass sie den Unterschied zwischen eisern und eisen-
haltig fast nie zu erfassen vermöchten. Ich glaube denn doch, dass die meisten
Menschen in der Lage sind, es sofort zu begreifen, wenn man ihnen sagt, dass
metallisches Eisen und eisenhaltiges Mineral zwei verschiedene Dinge sind. Etwas
anderes ist es ja allerdings, ob ein Laie eine richtige Bestimmung zu treffen ver-
mag. Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass Hr. Dr. Olshausen sieb
hier im Ausdruck vergriffen hat. —
(24) Hr. Rud. Virchow zeigt einen ausgezeichneten
peruanischen Tharmkopf ans Arica.
Hr. Cap. Beelendorf in Hamburg bot mir unter dem 12. October einen ^alten
Todtenkopf aus Arica, der noch aus der Inca-Zeit herstammen sollte^« an. Auf
\) Vgl. Olshausen, diese Vorhandl. 1893, S. 111— 11-2.
C507)
mein Ersuchen schickte er mir denselben unter dem 18. October, zugleich mit der
Notiz, dass derselbe hinter dem Horro in Arica ausgegraben sei. Ich bemerke
dazu, dass der Besitz von Arica. soviel ich ersehe, im Augenblick zwischen Chile
und Peru streitij^, dass es aber vorläufig in der Gewalt von Chile ist.
Der Kopf ist einer jener etwas selteneren, welche von Tschudi als ei^ut-
liche Inca-Schiidel bezeichnet sind. Er zeigt im ProHl (Fig. I) die starke Zurilck-
Fig. 2. %
druckung und Abllochung des Stirnbeins, welche
die Verschiebung der Fontanelle nach hinten und ^^" ''
die Einrallung des vorderen Theiles, sowie die Er-,
höhung der Mitte der Parietalia zur Folge gehabt
hat. Dann Tol^t ein schneller Abrall des Hinter-
haupts und die sehnige Abplattung der Squama
occipitalis. Nach vorn setzt sich die schiefe Ebene
des Stirnbeins Tast gerade auf die abgeplattete,
aber nach unten stark vortretende Niisc fort; unter-
halb derselben tritt der kurze Alvcolarfortsatz,
durch grosse Zahnlöcher erweitert, prognathiseh
vor. Trotz der starken Derormation sind
die Ohrlöcher gerundet und die Schläfen-
gegenden normal entwickelt. Die Plana temporalia
hoch, aber kurz und unregelmiissig.
Ib der Vorderansicht (Fi;;. -2) macht sich zu-
nächst eine Sutura frontalis persistens und
eine breite Stirn bemerklich. Die Tubera fron-
talia, obgleich vergrossert, sind ganz niedergedrückt.
Die Seitcntheile lliich gerundet, um breitesten in der Gegend der Tubera aus-
gelegt. Das Gesicht niedrig, aber durch die Auslage der Jochbogen breit. Augen-
hohlen hoch, ihre Ränder gerundet. Tiefe Fossae caninae. Breite und kurze
Nasenbeine.
In der Unteransicht (Fig. J) sieht man den lan^estreckten Contour des n.ich
hinten hinausgeschobenen Schädels, dessen Oberschuppe eine mediane Einfaltung
und jederscits einen tiefen seitlichen Eindruck erlitten hat. Die Linea scmic.
(508)
«uprema ist in der Mitte weit nach oben vorgerückt. Gaumen gross, insbesondere
nach Torn yerbreitert. Die noch Torhandenen Molares massig abgenutzt
Capacität
Orösste horizontale Länge
^ Breite ...
ijerade Höhe. . . .
Ohrhöhe
Obergesicht, Höhe . .
, Breite a .
b.
Längenbreiteui ndex
Längenhöhenindex .
Ohrhöhenindex . .
Messzahlen:
1105 ccm Orbita, Höhe 34 mm
177 mm
12rr ^
137 ,
110 ,
124 ^
109 .
r»
, Breite 35
Nase, Höhe 50
^ , Breite 24
Gaumen, Länge 59
, Breite 36
Berechnete Indices:
68,4 Orbitalindex 97,1
77,4 Nasenindex 48,0
62,1 Gaumenindex 61,0
(25; Hr. Rud. Virchow legt eine Anzahl von
Nachbildungen ethnologischer Schädel in Gyps
Tor, welche die Rudolf Virchow-Stiftung durch Hm. Bildhauer Fritz Rolbow hat
anfertigen lassen. Dieselben sind für die im Museum fQr Völkerkunde zu er-
richtende Schausammlnng bestimmt. Für die Vei^leichung unter einander sind
diese farblosen Copien der nicht selten gefleckten und sonst verunreinigten Originat-
Schädel Ton besonderem Werthe. —
(26) Hr. Wilhelm Krause berichtet tiber seine
anthropologische Reise nach Australien,
wobei sich das früher construirte Reisemikroskop aus Aluminium (Verhandl. 1894,
Bd. XXVI, S. 98) sehr gut bewährt hat, legt verschiedene mitgebrachte Gegen-
stände, unter Anderem solche, welche die Biszeit in Hallett's Cove (Süd-Australien)
betreffen, und die folgende Abhandlung vor:
Australlsohe Schädel.
Während meines Aufenthalts in Australien im Sommer 1897 habe ich etwas
mehr als 200 Schädel von australischen Dreingeborenen in Händen gehabt Die-
selben sind im Juni 1897 nach der Frankfurter Verständigung untersucht worden,
auf welche sich die Nummern der ersten horizontalen Reihe in den Tabellen be-
ziehen. Die Schädel Nr. 1—17 und 24 stellte der Professor der Anatomie Hr. Allen
in Melbourne aus der anatomischen Sammlung der Universität zur Verfügung:
Nr. 18—23 sind Privateigenthum des Hrn. Professors B. Spencer daselbst; Nr. 25
ist ein Geschenk des Hm. Dr. Peipers in Melbourne und Nr. 26 des Hm. Dr.
Ch. Ryan daselbst Die Schädel Nr. 27—103 wurden in Sydney untersucht
Nr. 27—33 gehören dem unter Leitung von Hm. Professor Wilson stehenden
Anatomical Department in Sydney. Nr. 34 — 36 und 38—46 befinden sich im
Macleay Museum in Sydney: Nr. 37 erhielt ich von Hm. stud. med. MacDowall
in Sydney; die Nr. 47—89 gehören dem Australian Museum in Sydney; Nr. 90 be*
sitzt Hr. Prof Liversidge daselbst; Nr. 91 — 103 erhielt ich aus einer Pnvatsamm*
(509)
luDg durch Hrn. Prof. Wilson in Sydney. Die Nr. 104—187 verdanke ich den
Directoren des South Australian Museum in Adelaide, Hm. Stirling und Hm.
Zietz sen., mit Ausnahme des Schädels Nr. 135 aus dem unter Prof. Watson
stehenden Anatomical Department in Adelaide. Ferner sind Nr. 151 ein Geschenk
von Hrn. Dr. London in Adelaide, Nr. 152 — 154 von Hrn. Dr. Märten in Adelaide
und Nr. 155 von Hm. Minchin, Director des zoologischen Gartens in Adelaide.
Schädel Nr. 188 gehört Hrn. Malier in Adelaide.
Direct nach Berlin wurden abgesendet: Ein vollständiges Skelet und noch ein
Schädel von Hm. Martin, Prof. der Physiologie in Melbourne, und 4 besondere
schöne Skelette, die ich meinem lieben Freunde Prof. Watson in Adelaide ver-
danke, sowie auch ein Skelet von den Solomon-Isiands.
Allen genannten Herren und insbesondere Hm. Prof. Watson, der mich durch
vielfache Empfehlungen unterstützt hat, sei an dieser Stelle der herzlichste Dank
ausgesprochen.
Bisher sind etwa 150 australische Schädel publicirt worden, vergl. die Statistik
von Virchow (Zeitschr. f. Ethnol. 1880, Bd. XII, S. 1) und Turner (The com-
parative osteology of races of man. Reports of the voyage of H. M. S. Challenger.
Edinburgh 1884, Vol. X, PI. XXIX); seitdem sind nur wenige hinzugekommen.
Wilson (Fräser, The Aborigines of New South Wales, Sydney 1892. p. 96—91»,
und Report of the Hörn Expedition to Central Australia, T. IV. Anthropology, 1806)
hat 9 Schädel gemessen, Haiford (Brough Smyth, On the Aborigines of South
Victoria 1878, Vol. II, p. 340—378) schon früher 5 Schädel.
Von obigen 200 australischen Schädeln wurden 187 auf Grundlage der Frank-
furter Verständigung gemessen. Bei der Berechnung der mittleren Durchschnitts-
zahlen fallen 15 aus, weil sie nachgewiesenermaassen weiblich sind; 4, weil sie
sicher oder sehr wahrscheinlich Half-castes waren, die von einem weissen Vater
und einer schwarzen Mutter herstammen. Ferner scheiden 10 aus, weil sie zu
unvollständig conservirt und theilweise nur in Bmchsttlcken vorhanden oder patho-
logisch waren ; 6, weil sie mit den zugehörigen Skeletten direct nach Berlin expedirt
wurden; \o wegen jugendlichen Alters; 5 wurden in Adelaide noch macerirt; 1 ge-
hörte einem Riesen an; ^ Schädel war noch in seiner BestattungshUlle, und 4
konnten der Rtirze der Zeit halber nicht näher untersucht werden. Von den übrig
bleibenden 155 sind sicher 21 männlich, excl. des Riesen; 134, die hier als
^gemischte^ bezeichnet werden, sind für die Aufstellung von Mittelzahlen mit den.
männlichen zu vereinigen, sie sind nehmlich ohne Zweifel grösstentheils männlich,
aber ein directer Nachweis dafür fehlt.
Nimmt man hiernach die männlichen und die gemischten Schädel zusammen,^
so eigiebt sich Folgendes: Der australische Schädel ist dolichocephal (L.-B. = 69,7);
nahezu hypsicephal (L.-H. = 74,6); prognath, denn der Profilwinkel beträgt 78,0°;
schmalgesichtig (Gesichtsindex, nach Y ircho w = 1 19,4); mit schmalem Obergesicht
(Obergesichtsindex = 70,0); leptoprosop (Jochbreiten-Gesichtsindex =91,8); mit lepto-
prosopem Obergestcht (Jochbreiten-Obergesichtshöhenindex = 53,6); chamaekonch
(Augenhöhlenindex = 79,0); hyperplatyrrhin (Nasenindex = 64,0) und leptostaphylin
(Gaumenindex =^8,2).
Der weibliche Schädel ist ebenfalls dolichocephal (L.-B. = 71,2) und hypsi-
cephal (L.-H. = 76,2), prognath (79,7°), schmalgesichtig (116,8), mit schmalem
Obergesicht (70,7), leptoprosop (90,9), mit leptoprosopem Obergesicht (54,7), aber
im Gegensatz zum Manne mesokonch (83,8), pJatyrrhin (52,7) und leptostaphylin
(63,7).
(510)
Die allgemeinen Charaktere des aastralischen Schädels werden
hier zusammengestellt, damit sie nicht bei der Erörterung jedes einzelnen Schädels
^vied erholt zu werden brauchen. Der Schädel ist sehr dolichocephal und zugleich
hoch, also hypsidolichocephal. Die Arcus superciliares springen sehr stark vor,
die Nasenwurzel ist eingedrückt, die Nasenbeine sind in ihrer oberen Hälfte schmal,
alle Cristae und Muskelansätze treten stark hervor. Häu6g findet sich ein Toms
•oecipitalis transversus oder ein Torus frontalis medianus, der in der Gegend der
obliterirten Sutura frontalis sich erstreckt. Die Stirn ist schmal und ^urttckfliehend.
die Stirn breite sehr gering.
Die Jochbeine stehen ziemlich schräg, mit ihrem unteren Rande lateratwärts
abweichend. In der Norma verticalis kann man zwischen dem Stirnbein und den
Arcus zygomatici hindurchsehen, zufolge der geringen Stirnbreite. In der Schläfen-
fontanelle sind Schaltknochen häufig, die an einem ihrer Ränder mit den benach-
barten Knochen zu verwachsen pflegen und dann je nach den Umständen einen
Processus frontalis der Squama temporalis oder einen langen Processus sphenoi-
tialis oss. parietalis darstellen, oder die Ala magna vei^rössem, namentlich, indem
sie ihr oberes Ende verbreitern.
Mitunter, aber keineswegs immer, sind die Ossa parietalia seitlich abgeflacht.
so dass der Schädel in der Norma occipitalis an das Dach eines Hauses erinnert
und fünfeckig ist. Auch findet mitunter ein Abfall von der Scheitelhöhe nach
hinten statt.
Die Processus styloides sind dünn, schlank, häufig wie abgebrochen, was auf
eine Zusammensetzung aus mehreren Stücken hinweist, ihre Vaginae aber meist
sehr stark entwickelt. Die Processus mastoides sind klein, kurz, die Incisurae
mastoideae sehr häufig doppelt. Sehr häufig sind Spinae supra meatum vorhanden,
die Cristae supramastoideae meist sehr stark ausgebildet, die Lineae temporales
superiores erstrecken sich häufig quer über die Tubera parietalia. Mitunter sind
die Condyli occipitales durch eine quere Trennungslinie in zwei Hälften gesondert;
sehr häufig sind Processus paramastoidei, ferner tiefe Gruben zwischen den
Lineae nuchae inferiores und dem hinteren Rande des Foramen occipitale
magnum.
Alle Löcher und DurchgangsöfTnungcn am Schädel sind sehr weit Am
interessantesten ist diese Erscheinung beim Gehörorgan; die Weite des Meatus acusticus
internus dürfte mit einer grösseren Dicke des N. acusticus, die Weite des äusseren
Gehörganges mit Ausdehnung des Trommelfelles über einen grösseren Raum und
Beides mit der ausgezeichneten Gehörschärfe der Eingeborenen zusammenhängen.
Die Foramina ovalia sind manchmal sehr weit, mehr rundlich als längsoral
(z. B Nr. 179).
Was das Gesicht anbetrifl't, so sind die Augenhöhlenränder gewulstet. Keines-
wegs so bedeutend, um an ein Opernglas zu erinnern, wie Virchow diese Formation
bei den Affen gekennzeichnet hat, aber mehr als bei europäischen Rassen. Ferner
fällt die meist sehr beträchtliche Tiefe und Grösse der Fossae eaninae auf, and
nicht selten sind Fossae praenasales vorhanden. Der Prognathismus ist sehr
bedeutend, was bei den Zifi'ern des Profil winkeis nicht so deutlich hervortritt
Bedingt wird die Prognathie hauptsächlich durch die schräge Stellung der Pro-
cessus alveolares. Die Zahnreihen passen vorn auf einander, im Gegensatz zu den
Rassen, bei denen eine, gewöhnlich die untere hinter der andern zurücktritt Die
Zähne sind schon frühzeitig stark al)geschliO'en, in Folge des Kauens angekochter
Wurzeln oder von Pflanzenfasern zur Herstellung von Netzen: bei den civilisirten
australischen Eingeborenen fällt dies natürlich weg.
(511)
Hinter dem Weisheitszahn verlängert sich der Processus alveolaris des Ober-
kiefers nach hinten, enthält zuweilen eine kleine Höhle und bietet jedenfalls Kaum
für einen vierten Molarzahn: die Oaumen-Endbreite ist gewöhnlich etwas beträcht-
licher, als die Gaumenmittelbreite, doch sind die Unterschiede nur gering.
Trotz der grossen absoluten Länge des Schädels überschreitet die Länge der
Schädelbasis gewöhnlich nicht die Norm; sie betrug an 30 Schädeln im Durch-
schnitt 101,5 mm. Diese Kürze bedingt die oben erwähnte Einziehung der Nasen-
wurael, welche den lebenden Eingeborenen ein so charakteristisches Aussehen
verleiht.
Die geschilderten Charaktere, über welche weiterhin die Varietäten zu ver-
gleichen sind, treten mehr oder weniger ausgesprochen bei jedem australischen
Schädel hervor. Sie sind nicht zufällig zusammengewürfelt, sondern stehen in Be-
ziehung zu einander. Manche derselben fasst die Anatomie als Varietäten auf, die
bei allen Rassen, jedoch in sehr verschiedener^Hänfigkeit vorkommen. Sie stehen
in Beziehung zu embryonalen Abweichungen, Störungen in der Entwickeluug der
Kaumuskeln, der Znngenbeinmuskeln, der Nackenmuskulatur und charakterisiren
sich als stärkere Ausbildung dieser Muskeln im Gegensatze zu anderen. Der
Australier theilt manche dieser Besonderheiten mit anderen primitiven Rassen, aber
nirgends, so viel man bis jetzt sagen kann, sind sie so ausgeprägt. Jedes dieser
Kennzeichen hat die Richtung, dem Schädel einen mehr kindlichen oder gar mehr
thierischen Charakter zu verleihen. Die wissenschaftliche Anatomie sieht als
Normalmenschen den Arier an, und Abweichungen von dessen Typus kann man
am einfachsten als Störungen subsumiren. Ein eingeborener australischer Anatom,
wenn es solche geben könnte, würde wohl einer entgegengesetzten Auffassung
huldigen. Man kann jedoch jetzt sagen, dass eine Störung, ein Zurückbleiben in
der EntWickelung der Stimregion vorliegt. Dafür sind charakteristisch: die Pro-
cessus frontales der Squama temporalis oder die Schaltknochen in der Schläfen-
fontanelle, die geringe Länge der Schädelbasis im Vergleich zur ganzen Länge,
die Einziehung der Nasenwurzel, die geringe Stirnbreite, während die Areas zygo-
matici lateralwärts hervorragen, die Häufigkeit eines Torus frontalis medianus u. s.w.
Abhängig ist das Zurückbleiben der Stimregion unzweifelhaft nicht vom Schädel,
sondern vom Stimlappen des Gehirns. Es wäre also auf die embryonalen Ent-
wickelungsstadien zurückzugehen, oder zunächst auf das Gehirn selbst, das nach
Waldeyer's Rath für die üebersendung durch Formol vorbereitet werden sollte.
Die bekannten Geschlechtscharaktere des weiblichen Skelets treffen
auch bei der Australierin zu. Das Mittelstück des Sternum ist beim Manne fast
doppelt so lang, als das Manubrium, beim Weibe, auch dem australischen, ist
letzleres relativ länger. Die Clavicula ist weniger stark gekrümmt, die Seitentheile
des Kreuzbeines sind breiter, der Arcus pubis nicht so winkelrecht wie beim
Manne. Alle Knochen sind zarter, schlanker, die Muskelansätze und Gelenkenden
weniger ausgeprägt.
Der weibliche Schädel ist kleiner, seine Knochen sind dünner, ersterer daher
absolut leichter, der Längenhöhenindex und der Augenhöhlenindex grösser. Seine
Dimensionen sind etwas geringer, alle Charaktere des männlichen Schädels gegen-
über anderen Rassen sind zwar vorhanden, aber weniger ausgeprägt. Die Dolicho-
cephalie ist etwas, die Capacität bedeutend, durchschnittlich um l(iO ccm geringer.
Alle Foramina sind kleiner, die Augenhöhleneingänge mehr rundlich, deren Ränder
nicht 80 gewulstet, die Nasenwurzel nicht so enorm eingedrückt, die Muskelansätze
und Cristae weniger ausgebildet Immerhin würde es schwer halten, auf diese
Charaktere hin einen weiblichen Schädel mit Sicherheit herauszufinden.
(512)
Eine Anzahl von etwa IG Schädeln könnte nach den bekannten Charakteren,
unter denen die stärkere Wölbung der Stirn, die geringere Capacität und geringes
Hervortreten des EUnterhauptes erwähnenswerth sind, als weiblich bezeichnet
werden. Eine vollständige Garantie dafür war jedoch nicht zu erreichen. Es sind
die Nrn. 9, 13, 39, 43, 60, 75, 79, 84, 91, 115, 138, 139, 147, 148, 160, 181. Würde
man sie aus der Reihe der gemischten Schädel fortlassen, so würde sich in den
]\littelzahlen nur wenig ändern; sie den weiblichen Schädeln ohne Weiteres zuzu-
rechnen, geht nicht an, weil ihr Höhenindex zu gering ist, wie die Tabelle zeigt:
S«''"'''= Länjren- Länpen-
[wahracheinlich weibliche, anter breitenindex höhemndex
den ^gemischten** mitgezählt] . 16 70,7 7*2,8
männliche 21 68,8 74,6
weibliche 15 i 71,1 75,9
gemischte 134 69£ 7g.8
zusammen 170 durchschnittL 69,7 73,8
(Jeberdies reichen, wie gesagt, die oben aufgezählten Charaktere des weiblichen
Schädels nicht aus, um Sicherheit über das Geschlecht zu geben. Sie alle finden
sich häufig genug bei jungen Männern vom 20. — 30. Lebensjahre (z. B. bei Nr. 77,
134 und 149), andererseits kommen unzweifelhaft weibliche Schädel vor (z. B.
Nr. 18), die vollständig dem Schädel eines Mannes gleichen. Man könnte daran
denken, dass nach australischer Sitte den Knaben bei der Mannbarkeitserklämng
ein oder zwei mittlere Schneidezähne des Oberkiefers ausgeschlagen werden. Da
dies geschieht, ehe der Processus alveolaris maxillae seine bleibende Form an-
genommen hat, so lässt sich der Vorgang noch am macerirten Schädel constatiren.
Der Processus bleibt an dieser Stelle dünn, der Rieferrand wird sehr scharf, unter-
wärts nur 2 — 3 mm breit. Diese Eigenthümlichkeit fand sich, abgesehen von den
sonst mit Sicherheit als männlich nachgewiesenen Schädeln, bei Nr. 35, 52, 58,
77, 91, 96, 100, 103, 104, 106, 109, 143, 151, 154, 167, 171, 175, 176, 177, 178,
also bei 20 Schädeln; der Gebrauch ist aber keineswegs bei allen Stämmen ver-
breitet, und unter den 21 sicher männlichen Schädeln fehlten nur Nr. 42 die mittleren
Schneidezähne in Folge einer frühzeitigen Operation. Auch bei Frauen können
natürlicher Weise ein oder mehrere Schneidezähne frühzeitig verloren gehen, and
bei jungen Mädchen wird die Operation des Ausschiagens derselben bei einigen
Stämmen (Nr. 108, 145) wie eine Modesache geübt Unter diesen Umständen
erschien es am besten, zunächst die ganz sicheren Thatsachen festzustellen, da
genug männliche (21) und weibliche (15) Schädel von unzweifelhafter Herkonfk
vorlagen, um das Bild weder durch die Hinzurechnung von jenen 16 wahrscheinlidi
weiblichen, noch von "20 wahrscheinlich männlichen zu trüben. Die Anzahl der
gemischten Schädel wäre dadurch auf 98 vermindert worden, aber auch diese
letzteren sind mit grösster Wahrscheinlichkeit als männliche zu betrachten. Der
Schädel Nr. 45 ist unzweifelhaft männlich; da ihm aber ein Theil der Schädeldecke
fehlt, so sind die Maasse nicht sicher zu verwerthen und der Schädel ist unter
den gemischten untergebracht
Es sind nun eine Menge von Einzelheiten zu erörtern.
Die grösste absolute gerade Länge von 204 mm besitzt der Schädel Nr. 81,
der als männlich betrachtet werden darf, die geringste Länge beim Manne beträgt
163 mm am Schädel Nr. 26. Beim Weibe misst die grösste Länge 188 mm am
Schädel Nr. 37 und die geringste 161 mm am Schädel Nr. 118, wenn man von dem
jugendlichen Weibe Nr. 117 mit nur 155 mr/< absieht
(513)
An 67 Schädeln wurde der Profilwinkel in Graden bestimmt:
Mftnnlich Weiblich Gemischt Total
Aniahl der Schidel 5 6 56 67
Maximum 79° 84° — 84°
Minimum 75° 76° — 75° ■
Mittel 76,8° 79,7° 78,6° 78,6°^
Die Capacität wurde nach der Methode Virchow's mit Broca'schen
Instramenten mitteis Bleischrot von 2 mm Durchmesser an 50 männlichen oder
gemischten Schädeln und an 5 weiblichen bestimmt. Einer der letzteren (Nr. 43)
ist in den Tabellen nicht zu den weiblichen Schädeln gestellt, weil ein directer
Nachweis nicht za liefern war. Er zeigt alle Merkmale eines 'weiblichen Schädels;
Prof. Wilson in Sydney war mit mir in der Diagnose einig.
Die gefundenen Capacitäten stimmen mit den hier zur Vergleichung aufge-
führten Durchschnittszahlen früherer Beobachter überein; letztere konnten über
das Geschlecht jedoch zumeist nur Vermuthungen aufstellen und verfügten über
eine viel geringere Anzahl von Schädeln. Nr. 29 (1365 ccm) und Nr. 49 (1240 rem)
sind unzweifelhaft männlich.
„ ^ , Gemischt Weiblich
Beobachter:
ccm ccm
W. Krause: Mittel 1288 1186
„ » Maximum 1590 1870
„ Minimum 1000 990
Quatrefages et Hamy 1269 —
Plower 1298 —
Turner: m&nnlich 1293,7 1108
„ Maximum 1514 —
„ Minimum — 940
Der Schädel Nr. 78 verdankt seine auffallende Capacität (1590 ccm) wesentlich
seiner beträchtlichen ganzen Höhe (144 mm) bei einer geraden Länge von 181 und
einer grössten Breite von 132 mm. Die Indices lauten: L.:B. = 72,9; L:H.=79,6.
Turner hat 20 Männer und 10 Frauen, Fl o wer 16 männliche Schädel (und
einen weiblichen Schädel aus Queensland) gemessen, die sich nach Kegionen, wie
folgt, vertheilen Hessen (vergl. S. 517 die Erklärung der Tabelle). Damit sind hier
48 gemischte Schädel zusammenzustellen:
Norden Nordosten Osten Südosten Süden Westen
ccm ccm ccm ccm ccm ccm
Krause. . 1220 1286 1256 1245 1228 1213
Flower. . 1236 1226 1870 1172 1888 1800
Meine Messungen erwiesen sich bei Wiederholungen bis auf etwa 10 ccm
genau; sie sind unter einander vergleichbar, während die Veigleichung der An-
gaben verschiedener Beobachter mit einander auf mehr als eine Schwierigkeit stösst.
Der Längen breitenindex des Foramen occipitale magnum beträgt bei den
nachgewiesen männlichen Schädeln im Durchschnitt 81,2, bei den Frauen 81,5, im
Mittel 81,3. Er schwankt zwischen 64—100, vergl. die Schädel Nr. 169 und 59; zu-
weilen ist das Foramen fast rautenibrmig (Nr. 25 und 68). Sein vorderer Rand
liegt stets um einige (2 — 10) Millimeter höher, als der hintere; die einzigen Aus-
nahmen bilden die Schädel Nr. 6 und Nr. 32.
Das Innere der Schädel. An den zerbrochenen und aufgesagten oder in
der Mitte halbirten Schädeln liess sich die Gelegenheit benutzen, die Besonder-
heiten der Innenwände zu ermitteln. Die Foramina, namentlich auch der Meatus
acusticus internus (Nr. 15), sind weit, und mit Rücksicht auf das scharfe Gehör
V«rbaadl. d«r Berl. Anthropol. GeMlUcbaft 1897. 88
(514)
der Eingebornen darf man vielleicht eine besondere Dicke der Nenri acustici ver-
mnthen. Die Dicke der Schädelknochen ist zwar aus den Berichten der frtLheren
englischen Ansiedler and manchen Beispielen von Verletzungen bekannt; trotzdem
erregen diese dicken, massiven, eisenfesten Schädelwände, ohne Diploe, nicht ge-
ringe Verwundening. Die Sinns frontales können ganz fehlen (Nr. 24) and die
Areas sapercUiares stellen eine solide, 19 mm dicke Rnochenmasse dar; an der
Protuberantia occipitalis externa ist der Knochen 15 mm, an der Protaberantia
occipitalis interna 11 mm dick (Nr. 24, Nr. 16). Die Fossae sabarcaatae sind sehr
tief, die Eminentia arcuata des Canalis semicircalaris saperior sehr stark, die
Apertara externa des Aqaaedactas vestibali sehr deatlich. Dagegen sind die
Foveolae granalares (Pacchionii) der Innenfläche wenig entwickelt and sparsam
(Nr. 5), die Juga cerebralia niedrig and die Impressiones digitatae sehr flach
(Nr. 6), doch ist dies nicht immer der Fall (Nr. 30 and 103).
Der Sattel Winkel konnte nar einmal gemessen werden (Nr. 24); es warden
142° gefanden.
Erhaltangszastand der Schädel. Das mir zur VerfUgang gestellte Schädel-
material war darchweg soweit conservirt, wie es bei aasgegrabenen Schädeln die
Regel ist. Die Bestattangsweise war bei den verschiedenen, jetzt aasgestorbenea
Stämmen eine verschiedene: Begraben, Maroificirang in hockender Stellang, Aus-
setzen aaf hölzernen Plattformen zum Schatz gegen kleinere Fleischfresser, Be-
stattung in hohlen Bäumen kamen vor. Häufig sind im Sandboden eingegrabene
Skelette durch die Winde freigelegt und ihre Schädel reinweiss gebleicht, mit
grob granulirter Aussenfläche der Knochen, die von dem continairlichen AuftrefTen
fortgeblasener feiner Sandkörner herrührt. Einige der bestattet gewesenen Schädel
sind nachträglich auf den anatomischen Anstalten Australiens macerirt, wodurch
freilich nicht immer viel gewonnen wird. Am meisten hatte das knöcherne Ge-
sicht gelitten, was im Interesse des vierten Molarzahnes besonders zu bedauern
ist; andernfalls wären Spuren desselben vielleicht öfter zu finden gewesen. Häufig
fehlten die Unterkiefer, auch passten einige nicht zu den betreffenden Schädeln
und wurden selbstverständlich fortgelassen. Nur verhältnissmässig sehr wenige
stammen aus Sectionssälen; die meisten sind auf dem Lande von Aerztea. Land-
verniessem, Grundbesitzern, Polizeibeamten, aber auch von Museumsvoratänden
eingesammelt. Wie lange die Leichen begraben gewesen sind, ist vollkommen
unbestimmbar; nur in einem Falle (Nr. 90) Hess sich sicher constatiren, dass seit-
dem 50 Jahre verstrichen waren, und dieser Schädel war nicht schlechter conser-
virt, als die meisten der übrigen.
Half-castes, Mischlinge, von einem weissen Vater und einer schwarzen Matter
herrührend, sind keineswegs selten und die sog. Eingebornen-Stationen und Missions-
anstalten Australiens fast ausschliesslich mit solchen gefüllt Sie haben eine ocker-
gelbe Hautfarbe, hell- bis dunkelbraunes Haar, keine hervorspringenden Arcus
superciliares, breite and flache Nase, weniger hervortretende Jochbeine, dicke
Lippen. Die Männer sollen etwas heller sein. Es waren unter den zur Verfügung
gestellten Schädeln vier, die mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit als Half-castes
zu erkennen waren; ihre Eigenthümlichkeiten hielten sich in der Mitte zwischen
australischen und europäischen Schädeln. Eine Untersuchung derselben würde
bei grösserem Material interessant genug sein, wenn man wissen könnte, wer die
Väter waren, die natürlich don Half-castes selbst vollständig unbekannt bleiben.
Von den Missionsanstalten Material zu erhalten, ist ganz unthunlich, da so^^mr
Sectionen dort aus leicht zu errathenden Gründen principiell ausgeschlossen sind.
Von pathologischen Veränderungen ist zu erwähnen, das« Knochen*
(515)
narben, von Tomahawkhieben oder Reulenschlägen herrührend, häufig sind; letztere
kommen auch an weiblichen Schädeln vor. Ferner sind periost^ale Auflagerungen
nicht selten. Dreimal kam Syphilis zur Beobachtung (Nr. 15, 16, 80) und ebenso
oft (Nr. 89, 163, 188) die eigenthümliche, auf die Schädelknochen übergreifende,
leicht mit Syphilis zu verwechselnde Hautkrankheit der Eingebornen, welche die
Engländer in Australien itch nennen. Sie wird aber nicht von Sarcoptes hominis
bedingt, sondern soll von einer anderen Milbe herrühren.
Varietäten sind an den australischen Schädeln sehr häufig; wegen der selte-
neren ist auf die Beschreibung der einzelnen Schädel zu verweisen.
Ein Torus frontalis medianus fand sich 68mal an 154 Schädeln oder in
44,2 pCt. mehr oder weniger entwickelt.
Sutura frontalis. Ein Caput cruciatum kam nur einmal zur Beobachtung
(Nr. 8); mehr oder weniger hoch von der Sutura nasofrontalis an hinaufreichende
Reste der Sutura frontalis sind dagegen nicht ganz selten, wenigstens = 5 pCt.
Die untere Partie einer solchen persistirenden Sutura frontalis pflegt stark gezahnt
zu sein. Ein Schädel (Nr. 172) bot einen grossen rhombischen Schaltknochen in
der grossen Fontanelle dar.
In der Sutura nasofrontalis kamen kleine Schaltknochen ebenfalls zur Be-
obachtung. Die Nasenbeine sind häufig ungleich, asymmetrisch, sehr schmal,
in ihrer oberen Hälfte mehr sagittal als frontal gestellt, so dass die Sutura inter-
nasalis nach vorn zuweilen eine scharfe Kante bildet.
Ein Poramen supraorbitale war an 127 Schädeln 50mal oder in 19,2 pCt.
vorhanden, 17 mal rechterseits, 7 mal linkerseits und 24 mal an beiden Seiten. Ein
Foramen frontale war an 170 Schädeln 8 mal oder in 2,4 pCt. vorhanden, stets
nur einseitig und eben so oft rechterseits, wie linkerseits. Die Incisurae supraorbitalis
und frontalis waren 75 mal oder in 29,4 pCt. vereinigt, 16 mal rechterseits, 19 mal
linkerseits, 20mal an beiden Seiten. In den übrigen 55,8 pCt. waren die beiden
Incisuren getrennt. Bei norddeutschen Schädeln verhält sich die Sache ganz
anders. Unter 509 solchen Schädeln war ein Poramen supraorbitale in 51,8 pCt.
vorhanden, ein Foramen frontale in 1 pCt. (W. Krause, Handbuch der mensch-
lichen Anatomie, 1880, Bd. III, S. 67).
Zweimal wurde eine Spina trochlearis beobachtet. Die Fossae sacci
lacrimales sind gewöhnlich weit.
Ein Processus frontalis der Squama temporalis fand sich unter 186 Schä-
deln (von denen jedoch einige unvollständig waren) 14 mal, beide Seiten zusammen-
gerechnet; ein Schläfenfontanellknochen (Os epiptericum) 42 mal; beide insgesammt
in 17 pCt. (Vergl. die Statistik von Virchow, Zeitschrift ftlr Ethnologie, 1880,
Bd. XII, S. 1.) Verwächst dieser Schaltknochen mit der Squama temporalis, so
entsteht ein Processus frontalis der letzteren, verwächst er mit dem Os parietale,
was die Norm ist, so verbindet sich letzteres durch die Sutura parietosphenoi-
dalis mit der Ala magna: nicht selten ist diese Sntur auffallend lang, z. B. 35 — 36 mm
(Nr. 107).
Der Meatus acusticus externus ist in der Regel weit, mit öfters sehr stark
verdickter vorderer und unterer Wand; im ersteren Falle entsteht dadurch eine
eigenthümliche schmale Spaltform von bedeutender Höhe in verticaler und geringer
Breite in sagittaler Richtung. An der hinteren Wand des Meatus zeigen sich
zuweilen (6 mal unter 1S7 Schädeln = 3,2 pCt.) glatte, rundliche oder längliche
Exostosen, und es Hess sich nachweisen, dass sie von einer abnormen Fortsetzung
jener Verdickung der unteren Wand nach hinten geliefert werden (Nr. 164).
Spinae supra meatum waren 1 12 mal an 168 Schädeln oder in 72,0 pCt.
33»
(616)
Torhanden, Cristae supramastoideae an 186 Schädeln 135 mal oder in 72,5 pCt;
sie sind meistens stark entwickelt.
Die Sntara coronaria war in 116 Fällen unter 137 Schädeln oder in 84,7 pCt
im mittleren Theile jeder ihrer Seitenhälflen viel stärker gezackt, als im oberen mid
unteren Theile, nnd mit weit längeren Zacken versehen, als es bei Ehiropäem der
Fall ist, welche Beobachtung ich Hrn. Prof. Wilson in Sydney verdanke. Letztere
Beschaffenheit fand ich in etwa 70 pCt., sowie dass sie ursprünglich von dem Vor-
handensein sehr kleiner Schaltknochen in dieser Sutur herrührt (z. B. Nr. 42,
Nr. 112 bei jungen Männern).
Die Sutura lambdoides enthielt 82 mal an 185 Schädeln oder in 42,9 pGt
einen oder mehrere, bis zu 21 (Nr. 170) Schaltknochen. Ein echtes Os Incae kam
nicht zur Beobachtung, dagegen 5 mal ein Os interparietale, welches die Spitze
der Squama occipitalis bildete (Nr. 18, 27, 104, 131 und 175). Einmal war ein solches
mit der Squama occipitalis verwachsen, deren oberes Ende dadurch einen quadra-
tischen Vorsprung erhielt (Nr. 35).
Ein Torus occipitalis transversus kam 57 mal oder in 29,6 pOt zur
Beobachtung. Processus paramastoidei waren 51 mal oder in 29,6 pCt mehr
oder weniger entwickelt; sie zerfallen öfters in mehrere kleine Höcker. Dit* Pro-
cessus mastoides sind klein, die Incisura mastoidea ist meist weit und flach,
häufig doppelt, auch sitzt neben dem Processus mastoides medianwärts zuweilen
ein kleinerer Processus mastoides accessorius (Nr. 64). Die Processus
styloides sind dünn, ihre Vaginae dagegen meist sehr stark entwickelt, breit,
dick und lang. Auch die Spinae angulares sind häufig zu starken Processus
ausgebildet. Am hinteren Rande des Foramen occipitale magnum zeigt sich
bei jugendlichen Schädeln ein länglich -viereckiger, transversal verlaufender Aus-
schnitt, einige Millimeter in sagittaler Richtung messend. Am vorderen und an den
Seitenrändem des Foramen sind öfters kleine rundliche Tubercula vorhanden.
Hinter dem Foramen occipitale magnum, zwischen ihm und den Lineae nuchae
inferiores, dicht neben der Crista occipitalis externa befindet sich häufig jederseits
eine flache, kürzere oder längere Impressio muscularis für die Insertion der
Mm. recti capitis posteriores minores. Die Gondyli occipitales sind häufig stark
convex, fallen steil nach hinten ab und dann bildet sich eine tiefe rundliche Grube
für das Foramen condyloideum. Die Pars basilaris oss. occipitalis ist bis zur
Synchondrosis sphenobasilaris, wenn sie genau gemessen werden kann, stets t2,
höchstens 23 mm lang. Die Messungen sind aber an älteren Schädeln höchst un-
sicher. An ihrer unteren Fläche ist das Tuberculum pharyngeum häufig stark ent-
wickelt, oder es sind eine mediane Fovea pharyngea und an ihrem lateralen Seiten-
rande besonders stark entwickelte, symmetrische schräge Cristae musculares vor-
handen. Neben den Alae vomeris verläuft zuweilen jederseits ein weiter Canalis
vomerobasilaris s. vomerosphenoidalis lateralis snperior (Nr. 45 u. 175). Die
gewöhnlich sehr weite Fissura pterygopalatina war zuweilen auffallend eng;
sie ist zuweilen durch Spinae an ihrem hinteren lateralen Rande verengert (Nr. 151).
Ein Foramen pterygo spinös um s. Civinini fand sich mehrere Male (Nr. 2^,
75, 93, 135, 171). Die Fissura orbitalis inferior ist manchmal sehr weit
(11 — \5mm) in ihrem vorderen Theile, zuweilen fallt sie durch ihre Enge auf.
Processus marginales der Jochbeine zeigten sich 73 mal an 128 Schädeln
oder in 57,0 pCt.
Der Canalis infraorbitalis ist in seiner hinteren Hälfte oftmals weit offen,
und beiderseits von der Vcrschlussstelle verläuft eine Naht nach vom und median*
wärts zum Ende des Processus zygomaticus maxillae (Nr. 41).
(517)
Die Satara palatina transversa verläuft nicht selten anregelmässig, so dass
die Pars horizontalis des einen Gaumenbeines sich weiter nach vorn erstreckt, als
die des entgegengesetzten. Am harten Gaumen sind Andeutungen eines Toruspala-
tinus transversus häufig genug vorhanden : 57 mal unter 119 Schädeln =»38,3 pCt.
Viel seltener, aber als regelrechter medianer Wulst, erscheint ein Torus pala-
tinus medianus (z. B. Nr. 82). Spinae palatinae waren unter 165 Schädeln
124 mal oder in 75,1 pCt. vorhanden, ßemerkenswerth ist eine häufig vorkommende
scharfe und dünne, aber zum Theil recht hohe (mehrere mm) Crista palatina
transversa, welche in querer Richtung, mit ihrer hinteren Fläche etwas nach
unten schauend, nahe vor dem hinteren Bande der Pars horizontalis oss. palatini
beiderseits verläuft und dem M. tensor veli palatini zum Ansatz dient.
Die Hamuli pterygoidei sind meist dünn und kurz, zuweilen breit und an
ihrem freiem Ende knopfforroig abgerundet.
Processus alveolaris maxillae. Wie früher schon mitgetheilt wurde
(Internationale Monatsschrift, 1897, Bd. XIV, H. 10, S. 214), zeichnen sich die
australischen Schädel durch eine starke Verlängerung des 'Processus alveolaris
maxillae hinter dem Weisheitszahn nach hinten ans, die bei 109 Schädeln im
Durchschnitt 1 cm (10,07 mm) betrug. In dieser Verlängerung finden sich zuweilen
kleine, glattwandige, nach unten entweder geschlossene oder offene, nach oben sich
in einen Knochenkanal fortsetzende Höhlen. Ihre Dimensionen betragen nur wenige
Millimeter, und gewöhnlich liegen sie in der Verlängerung der Axe der Oberkiefer-
zahnreihe. Für ihr Dasein lässt sich kaum eine andere Erklärung finden, als die,
dass sie die abortiv zu Grunde gehende, weich bleibende Anlage eines vierten
Molarzahnes enthalten. Solche Höhlen fanden sich an 17 Schädeln unter 188,
also in 9 pCt.; es sind die Schädel Nr.3, 70, 85, 106, 107, 114, 116, 120, 121, 147, 149,
151, 167, 172, 175, 177, 179. Znckerkandl (Sitzungsber.der k.Akad. d.Wissensch. zu
Wien, 1891, Bd. C, Abth. III, S. 315) fand Alveolen oder Dellen unter 300 Schädeln
nur 5 mal am Oberkiefer. Man muss bis zu den Beutelthieren , z. ß. Perameles,
hinuntergehen, um lebende Säuger mit 4 Molarzähnen im Oberkiefer zu finden;
die amerikanischen Affen besitzen zwar 36 Zähne, aber je 3 Praemolarzähne
und nur 3 Molarzähne. Jene Verlängerung des Processus alveolaris fehlt, wenn
der Weisheitszahn eben durchbricht (Nr. 117 u. 172) und bildet sich erst allmählich
aus (Länge z. 6=» 4 mm, Nr. 103); wenn der letztere noch gar nicht abgeschliffen
ist, beträgt die Verlängerung beispielsweise nur 7 (Schädel Nr. 179) oder 8 mm
(Nr. 157).
Erläuterunoen zu den Tabellen.
Eingeklammerte ZifTern zeigen an, dass die Messung aus irgend einem Grunde
onzuverlässifT erschien. In der Colonne E bedeutet ein -f Zeichen, dass der vordere
Rand des Foramen occipitale magnum höher liegt, als der hintere. Das — Zeichen
deutet das Oe^ntheil an. Wenn der Unterkiefer nicht vorhanden war, so steht
in der Colonne 19 ein Strich; hat ausnahmsweise die Gesicbtshöhe nicht gemessen
werden können, weil alle Zähne fehlten, so ist dies ausdrücklich angegeben.
Die Numerirung der Schädel giebt die chronologische Reihenfolge an, in der
sie untersucht wurden; einige aus den verschiedenen, vorhin aufgezählten Gründen
unbrauchbare sind weggeblieben, theilweise jedoch noch für die statistischen
Notizen ausgenutzt. Angeordnet sind die Schädel nach Regionen, um eine Ver-
gleichung verschiedener Gegenden des grossen australischen Continents zu ermög-
lichen. Topinard") hatte die H3fpothese aufgestellt, es seien zwei Rassen in
1) Etüde sor les races indigenes de rAustralie. Bulletins de la societe d^ Anthropologie.
1872. T. Xn. p. 211.
(518)
Australien vertreten, eine kleinere, mehr dolichocephale, Neger-äholiche im Westen
und eine grössere, weniger dolichocephale im übrigen Australien; erstere sei von
der letzteren verdrängt, die sich muthmaassüch deren Frauen bemächtigt habe.
Turner^) konnte für solche Vermuthungen keinen Anhaltspunkt finden, und die
folgende Zusammenstellung nach Regionen zeigt, dass die Schädel keine Differenzen
darbieten, die für eine Sonderstellung des Inneren oder des Westens sprechen
würden. Richtig scheint zu sein, dass die Leute im Westen etwas kleiner sind;
der 25jährige Mann, dem der Schädel Nr. '21 angehörte, war nur 155 cm gross, und
die nicht grösseren, von Watson gemessenen Skelette der Schädel Nr. 168 und
169 weisen ebenfalls auf eine kleinere Statm* hin. In Australien zweifelt man
aber nicht, dass dies eine Degenerationserscheinung, eine Folge der Dürre und
Unfruchtbarkeit eines Landes ist, wo es nicht einmal Schlangen und Eidechsen
als Fleischnahrung giebt.
In politischer Hinsicht zerfällt Australien in fünf englische Colonien: Queens-
land, New South Wales, Victoria, South Australia und West Australia. Filr
anthropologische Zwecke muss man jedoch South Australia weiter eintheilen, weil
diese Golonie sich in einem breiten Streifen von Norden nach Süden durch den
ganzen Continent zieht und den Westen von den drei östlicflen Colonien trennt,
von welchen letzteren Queensland den nördlichen, Victoria den südlichen Theil
des Ostens umfasst, während New South Wales die Mitte einnimmt. Der nörd-
liche Abschnitt von South Australia wird Northern Territory dieser Colonie ge-
nannt; zwischen ihm und dem eigentlichen Süd-Australien befindet sich das innere
oder centrale Australien, das sich in West-Australien hinein erstreckt. Somit or-
giebt sich:
Norden = Northern Territory von South Australia.
Nordosten . . . . =r Queensland mit der Hauptstadt Brisbane.
Osten = New South Wales mit der Hauptstadt Sydney.
Südosten = Victoria mit dpr Hauptstadt Melbourne.
Süden = South Australia mit der Hauptstadt Adelaide.
Westen = West Australia mit der Hauptstadt Perth.
Inneres = Centraler Theil von South Australia.
Unbestimmt . . . = unbestimmter Herkunft.
Eb liegen nehmlich einige Schädel vor, über deren Herkunft nichts zu er-
mitteln war.
1) Report« of the Voyage of H. M. S. Challengcr. Edinburgh 1884. VoL X, P. XX IX
Männlich.
Nr.
1234 4a 56 £7 89
10 '
92
11
19
12
31
13
1
29
13a iSh 14
100138 495
15
361
16
1
178188180128119 91 126 -h 5125106 104
296
19
189 200 198 136 118 100 132 -f 9 165 111 116
102
22
39
38
102 139 543
409
30ft
23
179186184 123143 98138+ 4 135 106 103
102
23
38
29
104 127 518
377
•;>86
26
163168164 110 99 85129+ 6 130 94 95
94
23
34
31
95 113 457
353
267
28
181 185 175 122 102 100 135 + 10 133 107 118
94
24
39
31
89127 499
373
298
29
180 188 183 126 116, 94 134 + 7 135 112 110
105
24
82
29
95132 497
38tt
a09
30
176178175182111 97 184+ 8 138108112
107
22
36
31
99 183 510
1
369
806
1
(519)
Nach dieser Reihenfolge sind die Schädel geordnet, zunächst jedoch die un-
zweifelhaft männlichen und weiblichen gesondert aufgeführt. Wie man sieht,
unterscheiden sich die Mittelzahlen der Indices von Schädeln aus verschiedenen
Regionen Australiens nicht wesentlich von einander. Bei der Berechnung der ge-
mischten Schädel sind in der letzten Columne die männlichen mit eingerechnet,
weil, wie oben (S. 512) erörtert, bei Weitem die grösste Mehrzahl der gemischten
als männlich betrachtet werden muss.
Mittel der SchSdelindices, nach Regionen geordnet:
IffRTimnTn
Minimum
Mittel
Regionen
Anzahl der
Schädel
Norden. . .
Nordosten .
Osten . . .
Südosten . .
Süden . . .
Westen. . ,
Inneres. . .
Unbestimmt
18
21
40
18
82
18
9
4
Längen-
breitenindex
69,4
69,5
71,6
69,6
68,7
69,9
68,4
63,9
Län^en-
höhenmdex
76,7
74,7
74,5
78,2
71,8
75,2
74,6
72,0
Summa
155
69,7
74,6
Maxima und Minima der Schädclindices, in Procenten:
Längenbreitenindex Längenhöhenindex
Männlich
75,0
61,5
WoibUch
76,0
64,4
Total
77,8
60,4
Männlich
81,8
67 5
Weiblich
82,0
69,3
Total
82,1
68,7
68,8 71,1 69,7 74,6 75,9
Mittel der Gesichtsindices, in Procenten:
Männlich Weiblich
Gesichtsindex nach Virchow . . . 119,4
Obergesichtsindex nach Virchow . 70,0
Jochbreitengesichtsindex 91,8
Jochbreitenobergesichtshöhenindex . 58,6
Augenhöhlenindex nach Virchow . 79,0
Nasenindex 64,2
Ganmenindex nach Virchow . . . 68,2
116,8
70,7
90,9
54,7
82,8
58,4
63,7
Gemischt
117,4
68,8
90,2
52,8
79,9
64,0
67,8
74,6
Gemischt
und männl.
117,4
68,9
90,6
53,0
79,7
68,0
67,3
Männlich.
17 ilallb 18,18fl! 19 20,21 22123:24 25 26 27,28,29, 30 31 32
££\
I I
Index
88 90101122 18 I — 59 j44 28 40 4130 33 — 4089 97 — — 70,2
105 IOC» 122 129 24 108 61,47 29 46 46 35'83'57 47 48 102 — — 72,0
98 99111 - 23 — 65 312942 4189 36 6138 39103— — 68,7
81 84 112 1? 9H 58 42:26 40 39 39 30 29 54 37 40 90 — — 67,5
87 91105121 24 120 79 54 28 44 43 37 36 57 34 34 99*75^ — 67,4
93 100117:i24|20'104 63 50294544:35 34 56 37 41 102 78«» 1365 70,0
88 90109124120 112 70151 25 40 41 34 88 63 3940100 77° - 76,0
j llölieii-
liidox
70,8
72,5
74,8
79,1
74,6
74.4
76,1
Regionen
Osten
Inneres
Inneres
Westen
Osten
Osten
Osten
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108 97 135+ 8132 98 98
101
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33 29
43
+ 8 121 107 107 99 22
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+ 6137 113 113103 26
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M
+ 8187 117 115100 25
87 82
70
+ 8 131 106 109 106 28
36 32
71
+ 8187121121 98 22
36 26
72
3*100 + 12134 113 114 92 23
39 32
72
102^127,+ 8127102106 97 23
38 30
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95 129 + 6 128 108 109 95 22
33 30
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77
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32 80
78
98 144 + 11 143 121 121105 24
31 25
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94 125+ 5126104 103 94 28
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99 127 528
104 187 529
98 133 524*
89 112
92 124,494.
103 122 501
105 183 608
103 133 498
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Nr. 1. Schfidel brftunlich, mAnnlich. Stin grün von EDpfehnfiltrst. Nkhte vor-
huiden, Zftbne fehlen. Kleine fl«che Eioatosen mt den Scheitelbeinen. Tonu oceipftnlü
trUBTeisDs an Stelle der Protnberuitia occipitklis externa. Linb ein SchAltknochcu,
9 mm Hag nnd 6 mm hoch, in der Scbl&fenfontanelle.
Nr. 2. SchSdet weiss. N&ht« erholten, Z&hne fehlen bis anf die Molaren, die wenig
abg«achlitfen sind. Vielfache poatinoTtale Beich&dtgnngen; am Ob parietale siniatrain, am
linken Processoa mastoides, an der Schädelbasis; auch sind die Processus alreolane der
Oberkiefurbeine Tom etwas beschAdigt. Die Lineae temporales snperior und inferior ver-
laufen dicht neben einander.
Nr. 3. Schädel sehr schwer, brännlich. N&hte nnd Z&hne meist erhalten, letitcra
stark abgeschliffen. Linker Arcns ijgomaticna nnd der Boden der Unken Orbita dnd servtArt,
das linke Os parietale postmortal rerlettt. Dia Verlingemng des Procewua atTeoluia
msiülae betrkgt 18 tnm nnd letit«rer lägt belderseitd eine flache Qmbe, als ob darin der
IQ Grunde gegangene Keim eines 4. Holanahnes gesessen hUte (Helboome, ?. Jnni 1897).
Nr. 4. Sch&del grau, auf der Sqnama frontalis und am rorderon Theil der Hadlla*
etwas ?on Bauch geschwAnt. Abgebildet als Schädel C von Ealford (Brongh Smjth,
On tbe Aborigines of Victoria. 1878. Vol. II, p. 340-878, Fig. 278—281), aber nicht
gemessen. N&hte erhalten, ZUme stark abgeschliffen. Der mediale yordere Theil de«
rechten Oa parietale ist durch eine llnglich-Tiereckige, 3—4 cm im SagittaldorebmeMer
haltende Sch&delwnnde lentdri; die nnteren Enden der Sutura coronaria rerstrichm, die
Gemischt (Westen).
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BbrigeD N&hte erhallen. Rechtereeits berührt der An^iu spheDoidalis des Os parietale
<lic Als magna an einer kleinen Stelle, linkerseits wird das Os parietale dnrcb die St(naina
teniporalis gani von der Ala magna abgedrängt. Die Condj-li occipitalee fallen schr&g
Isteralw&its ab, der rechte bat vom ein kleines Tobercnlum Uterale, der linke in der
Mitte seiner Ltnge ein kleines Tubercnlnm i[iediale. lo der Spitze des rechten Procearos
mastoide« eine grosse, durch eine kleine OnStinng mit den übrigen CcUaUe mastoideae
comDinnicirende Hdhle. Der Boden der linken Orbita ist lerstürt. Beiderseits eine Spina
trochlearis. Die vereinigten Incisarar supranrhitalis und frontalis bilden jederseita eine
grosse, breite Vertiefbng'.
Nr. 5. Schädel in der Hedianebene durchs>. Nftbte erhalten, Zähne stark ab-
geschliffen, im Oberkiefer 2, im Unterkiefer 10 erbalten. Der linke Oberkiefer nnd Arcus
ijgomaticus leistSrt, ebenso die mediale Wand der rechten Orbits and die Schädelbasis.
Becht«tseit8 eine kleine Exostose am Hcatns Bcnaticua eitemns. Sinns frontales gut ent'
wickelt, Sqnama frontalis sehr dick, in den Oasa parietalia keine DiploS. Nur wenige und
kleine Foveolae granolareä (Paccbionii) ; die Joga cerebralia and Impresüiones digitatae
wenig ausgebildet.
Nr. 6. SchKdcl bezeichnet als Mr. Robertson Colac 2 (vgl. Nr. 24), in der Medianlinie
dnrchsigt. N&hte erhalten, Zahne stark abgeschliffen, im Oberkieter 9, im Unterkiefer 5
erhalten, die Wcisheitsi&bne des letiteren klein. An der medialen Seite des iweitcn
oberen Holanahues eine nindliclie Grabe, anscheinend die Alveole eines abenirten
(530)
4. Molanahnes. Starker Toms occipitalis transversus. Die Lineae temporales inferiores
bilden an der Squama frontalis deatliche Cristae. Links ein Scbaltknochen der SchUfen-
fontanelle, in sagittaler Richtung 82 mm lang und 18 mm hoch. Kleiner Toms palatinns
transYersus, namentlich linkerseits, Ifings der Sutnra palatina transrersa. Schädeldach
dick, DiploS ganz verschwunden, Sinns frontalis klein. Ein langer xapfenfSrmiger Sinus
sphenoidalis ragt bis an die DiploS der Pars basilaris oss. occipitalis nach hinten.
Nr. 8. Schädel braun. Nähte erhalten, Zähno wenig abgeschliffen, nur 8 im Ober-
kiefer vorhanden. Nasenhöhleneingang rechterseits beschädigt Squama occipitalis stark
nach hinten hervorragend. Condjli occipitales sehr flach. Flacher Toms palatinus
medianus.
Nr. 9. Schädel weissgelblich. Sutura sagittalis verstrichen, die übrigen Nähte er-
halten. Alle Zähne fehlen. Condjlus occipitalis finister, der linke Jochbogen, der harte
Gaumen theilweise, der linke Condjlus occipitalis und die Processus pterjgoides sind zer-
stört Toms occipitalis transversus in Form von zwei queren Wülsten beiderseits neben
der Protuberantia occipitalis externa. Kleine Exostose in der Fossa mandibularis sinistra.
Rechterseits ein langer spitzer Dom statt der Vagina processus stjloidis.
Nr. 10. Sehädel graugelblich. Suturae sagittalis und lambdoides theilweise ver-
strichen, die übrigen Nähte erhalten. Zähne fehlen. Squama frontalis sehr weit hinauf-
reichend, der Messungspunkt von Nr. 7 liegt hinter dem von Nr. 6. Condjli occipitales
rundlich, Foramen occipitale magnum sehr rundlich. Toms palatinus medianus. Kleine
Exostose an der medialen Aussenwand des Alveolus des rechten oberen Weisheitszahnes.
Nasenbeine 25 mm lang, unten zusammen 15, oben nur 6 mm breit
Nr. 11. Schädel gelbbraun. Sjnchondrosis sphenooccipitalis und alle Zähne fehlen,
doch sind die Weisheitszähne nicht durchgebrochen. Nähte vorhanden. Alle Cristae sehr
wenig ausgeprägt Alter etwa 20 Jahre. Unterer Theil der Sutura frontalis 12 mm lang
erhalten. Tubera parietalia vorspringend. Kleine Exostosen im Meatus acusticus extemus
sinister. Pars basilaris oss. occipitalis sehr breit Processus mastoides klein. Starker
Prognathismus. Suturae incisivae verlaufen hinter dem Foramen incisivum in der Richtung
zum Dens caninus und sind beiderseits zu zwei Dritteln erhalten.
Nr. 12. Schädel gelbbraun. Sutura sagittalis beginnt zu verwachsen, in der Mitte
ihrer Länge auf derselben ein flacher longitudinaler Sulcus parietalis medianus. Zähne
wenig abgeschliffen, nur 9 im Oberkiefer vorhanden. Der untere und der hinterste Theil
der Sutura frontalis je 5 cm weit erhalten. Tubera frontalia ausgeprägt Stirn vom fast
senkrecht abfallend. Linkerseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, 15 mm lang.
8 mm breit ; rechterseits ist derselbe mit der Ala magna verwachsen, die auf di^se WeL^e
den Angulus sphenoidalis oss. parietalis erreicht. Crista occipitalis extema in ihrem unteren
Theile 2 cm lang, sehr ausgebildet Kleine Exostosen an der medialen Seite der Alveolen
der Weisheitszähne. Nasenbeine oben in der Medianlinie verwachsen. Processus nasales
der Maxillae sehr breit. Rechter Jochbogen zerstört
Nr. 18. Schädel grauweisslich. Nähte erhalten, mit Ausnahme der unteren Enden
der Sutura coronaria. Zähne massig abgeschliffen, 11 sind im Oberkiefer erhalten. Squama
occipitalis stark hervorragend. Lineae nuchae fehlen, die Protuberantia occipitalis extema
ist ein flacher HügeL Arcus zjgomatici und Processus mastoides sinister abgebrochen.
Schädel asjmmetrisch, die mediane Achse der Schädelbasis verläuft S förmig gebogen, im
Foramen occipitale magnum nach rechts convex, letzteres ist nach rechts hin erweitert,
der Condjlus occipitalis sinister ragt weiter nach unten, ist höher und mehr rundlich, als
der rechte; an seinem vorderen Ende und ebenso am rechten Condjlus befindet sich je
ein kleiner rauher Höcker und zwischen diesen beiden Tubercula eine kleine Knochen-
brücke. Weitere Asjmmetrien sind am Schädel nicht vorhanden, doch ragt die Pars hon-
zontalis des rechten Gaumenbeines weiter nach vom, als die des linken, und offenbar ist
das Knochenwachsthum an der linken Seite des Schädels etwas zurückgeblieben. Die
Choanae sind sehr niedrig.
Nr. 14. Schädel graugelblich, bez. als Mr. Robertson Colac i, Nähte sämmtlidi
erhalten. Zähne nicht abgeschliffen, 7 Zähno im Oberkiefer sind erhalten. Flacher Tom«
(531)
frontalis medianas. Der rechte Processus mastoideos ist quer abgebrochen. Die Nasen-
beine sehr schmal, die Processus frontales der Maxillae sehr breit
Nr. 16. Schädel, dem die Stirn und das Gesicht fehlen, mit zahlreichen, cariösen,
rundlichen Erosionen auf der oberen Fl&che des linken Os parietale; cariöse Zerstörung
und Osteoporose der Tabula externa in einer rundlichen Stelle ron 2 cm Durchmesser in
der Gegend des rechten Tnber parietale. Eine ähnliche, grössere findet sich in der Gegend
der Protuberantia occipitalis externa am Os occipitale. In den Partes horizontales der
Gaumenbeine und am hinteren Ende der Processus palatini der Maxillae ebenfalls syphi-
litische Caries. Die Nähte erhalten, alle Zähne ausgefallen. Protuberantia occipitalis
interna auffallend stark. Alae par^ae ausserordentlich breit, das Jugum sphenoidale in
nagittaler Richtung 9mui breit
Nr. 18. Schädel bräunlich, fest Nähte erhalten, ebenso die Zähne bis auf zwei, und
wenig abgeschliffen; Weisheitszähne eben durchgebrochen. Alter etwa 25 Jahre, weib-
lich ; Tod an Hydrops in Warra, Queensland. Wäre ron einem männlichen Schädel nicht
zu unterscheiden gewesen. Ein Os intcrpariotale von etwa 2 cm Durchmesser zwischen den
hinteren Enden der Ossa parietaUa in der Medianlinie. Suturae squamosae sehr zackig.
Starker Torus occipitalis transversus. Hinter dem Foramen incisivam beginnend, erstreckt
sich längs der Sutura palatina mediana ein niedriger schlanker Torus palatinus medianus
bis zur Sutura palatina transversa. Choanae niedrig. Fossae scaphoides sehr deutlich.
Nr. 19. Schädel graugelblich, männlich, Ton King Mangula Jaoh. Dieser Häuptling
war über 180 cm hoch und der Schrecken von New England nördlich von Sydney, nahe
der Küste von New South Wales. Die Nähte beginnen zu verstreichen. Zähne ganz voll-
ständig, abgeschliffen. Tubera parietalia ausgeprägt Torus occipitalis transversus breit
and flach. Linkerseits erreicht ein Processus frontalis squamae temporalis die Squama
frontalis in einer Breite von 14 mm; rechterseits das Os parietale die Ala magna in einer
Breite von 6 mm, Lineae temporales inferiores an der Squama frontalis «tark ausgeprägt,
rechterseits doppelt und die Linea temporalis superior dicht darüber. Das Foramen occipitale
magnum sehr rundlich. Condyli occipitales klein und rundlich. Pars basilaris oss. occipitalis
sehr breit Hamuli processus pterygoidis sehr kurz. Lamina lateralis des Processus ptery-
goidcs simster sehr breit, der rechte ist zerstört Alle Charaktere des australischen Schädels
sehr deutlich ausgesprochen.
Nr. 20. Schädel von New South Wales, durch Prof. Masson im März 1895. Braun,
brüchig: Oberkiefer, die mediale Wand der Orbltae, der Margo supraorbitalis linkerseits
und der Unterkiefer zeigen postmortale Verletzungen. Nähte verstrichen, Zähne ab-
geschliffen, der untere linke Eckzahn fehlt. Die Protuberantia occipitalis externa liegt
tief, 45mm vom hinteren Rande des Foramen occipitale magnum entfernt; Hinterhaupt
stark hervorragend. An der Squama frontalis sind die vorderen Enden der Lineae tempo-
ralos inferiores zu Cristae ausgebildet
Nr. 21. Schädel graugelblich und schwer, von Gayndah in Queensland, October 1891.
Dabei zwei Humeri, zwei Claviculae, linker Radius und linke Ulna. Arthritis deformans
im linken Ellenbogengelenk, an der Ulna und dem Radius, sowie an der Trochlea humeri.
Am Mittelstück des letzteren flache syphilitische Verdickungen. Linke Clavicula zeigt
eine schief geheilte Fractur in der Mitte ihrer Länge. Der Atlas mit dem Os occipitale
verwachsen. Nähte meist verwachsen. Protuberantia occipitalis externa stark entwickelt,
darüber ein flacher Torus occipitalis transversus. Alae vomeris sehr breit
Nr. 22. Schädel von Gayndah, Queensland. Von Mr. J. Iliiage. Mit Skelet Linke
Clavicula gebrochen, mit starkem Callus verkürzt geheilt Nähte meist verwachsen,
namentlich die Suturae saglttalis und coronaria. Alle Zähne fehlen. Hinterhaupt sehr
f;tark hervorragend, Protuberantia occipitalis externa sehr deutlich, darüber ein Torus
occipitalis transversus. Processus frontalis der Ossa zygomatica lang, schlank, 25 mm
lang, 12 mm breit. Kleine symmetrische rundliche Exostosen an der hinteren Wand beider
Meatus acustici extemi. Foramen occipitale magnam sehr lang, ovaL Hamuli der Pro-
cessus pterygoides lang, gebogen, schlank. Nasenbeine an der Grenze ihres oberen und
mittleren Drittheiles sehr schmal.
(532)
Nr. 23. Schädel von Gayndah, Qaeensland. Weisslich; mit montirfem Skelet
(200 Mk.), männlich. Nähte meist erhalten, auch die Synchondrosis sphenooccipitalis als
Naht vorhanden. Zähne abgeschliffen, mit Ausnahme der Weisheitszähne. Im Oberkiefer
12« im Unterkiefer 7 erhalten. Toms frontalis medianus. Hinterhaupt Torsprinffend.
Rechter Arcus zygomaticus zerstört. In der rechten Schläfenfontanelle ein Schaltknochen,
28 »/im lang, 13 mm hoch. Eine Spur der verstrichenen Sutura coronaria setzt sich noch
abwärts in den Schaltknochen fort, ihn in eine kleinere hintere und grössere vordere
Hälfte thoilend. Linkerseits sind die Nähte an dieser Stelle verstrichen. An der vorderen
Wand des Perus accusticus extemus eine stark lateralwärts gerichtete Spina. In der
Mitte des Yorderrandes des Foramen occipitale magnum eine nach hinten gerichtete kleine
mediane Spina. Jederseits ein Processus paramastoideus, linkerseits findet sich unter dem
Foramen ovale eine dorn N. masticatorius anliegende Knochenbrücke. Nasenbeine in der
Medianlinie auffallend kurz, 18 mm lang, an den lateralen Rändern 24 mm lang, oben
19 mm broit.
Nr. 24. Schädel in der Medianebeno durchsfigt, bez. als Mr. Robertson Colac / (vergL
Nr. 6 u. 14). Atlas mit dem Os occipitale und dem Epistropheus fest verwachsen, ebenso
der Dens cpistrophei mit dem Arcus anterior des AUas. Nähte erhalten, Zähne abgeschliffen,
im Oberkiefer 14 vorhanden. Beiderseits sehr kleine Schaltknochen in der Schläfenfontanelle.
Cristae supramastoideae erscheinen wie kleine Höcker am unteren Ende der Sutnrse
sqnamosae. lAneae nuchae snperiores sehr stark, Knochen an den Arcus supraciliares
19 mm, an der Protuberantia occipitalis externa 15 mm, an der interna 11 mm dick. DiploS
fast überall verschwunden. Apertura externa aquaeductus vestibuli sehr deutlich. Fossae
subarcuatae sehr tief. Juga cerebralia flach. Processus jug^laris r^chterseits doppelt,
linkerseits gross, mit zwei Spitzen. Die Spinae angulares sind zu dicken, 10 mm langen,
7 mm breiten Processus ausgebildet. Der Sattelwinkel beträgt 142 °.
Nr. 25. Schädel brauugelb, von Murchison, etwa 400 X;m östlich von Sharksbaj in
West-Australien, im Jahre 1894 durch Hm. Ingenieur Streich ausgegraben. (Ein ähnlicher
[Nr. 106] ist im South Australian Museum in Adelaide, »in anderer soll sich in Leipzig
befinden.) Die Nähte meist verstrichen, das Schädeldach stellenweise restaurirt Rechte
Gesichtshälftc fehlt, Zähne abgeschliffen, nur die drei linken Molaren vorhanden, ausserdem
sechs isolirte Zähne. Auf dem rechten Os parietale und an der Squama occipitalis
vielfache oberflächliche cariöse Zerstörungen, Lucher in der Tabula externa, Knochen-
auflagerungen und von Rauch geschwärzte Stellen. Das unterste Ende der Sutura frontalis
erhalten. Flache Furche längs des mittleren Theiles der Sutura sagittalis. Toms occi-
pitalis transversus oberhalb der Protuberantia occipitalis externa. Foramen occipitale
magnum fast trapezförmig. Pars bcsilaris oss. occipitalis breit, deutliches Tnbercnlnn
pharyngeum. Alao vomeris breit. Ossa nasi schmal, oben zusammen nur 7 mm breit daa
linke daselbst breiter, als das rechte.
Nr 26. Schädel weisslich, im Ganzen klein. Von Mount Margaret im Coolgardie-
District in Westanstralien, von einem etwa 155 cm grossen, 25jährigen Mann. Nähte er-
halten, Zähne abgeschliffen, die Weisheitszähne nur wenig; im Ganzen 11 erhalten. Vom
eine Rille zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen. Toms occipitalis trans-
versus. Protuberantia occipitalis externa sehr schwach. Lineao temporales snperiores and
inferiores nahe übereinander. An der Pars basilaris oss. occipitalis eine mediane flache
Fovea pharjngea. Kurzer Toms palatinus medianus am hinteren Theile der Sutora
palatina mediana. Nasenbeine schmal, zusammen nur 7 mm breit.
Nr. 27. Schädel bez. als Nr. 121)5, Rosie, 27 Jahre alt. Von einem weiblichen
Skelet Schädel aufgesägt. Alle Nähte und Zähne erhalten, letztere wenig abgeschlüTen.
Flacher Toms frontalis medianus. Os occipitale stark vorspringend. Die Spitze der
Squama occipitalis wird von einem 36 mm breiten, 20 mm hohen Schaltknochen gebildet
Auf dem rechten Scheitelbein eine kleine randliche Exostose. In der rechten Schl&fen-
fontanclle ein länglicher Schaltknochen, 18 mm lang, 7 mm hoch. Linkerseits ein 7 «um
langer Processus frontalis der Squama temporalis. Starke mediane Crista basilaris an der
unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis. Beiderseits ein Procesaus paramastotdeas.«
(533)
nameutlich linkersoits ausgebildet. Processos mastoidei sehr klein. Nasenwunel wenig
eingcdrfickt^ Areas supereiliares nicht sehr vorspringend. Das mediale Ende des rechten
Processus roaxillaris oss. ijgomatici springt in der Mitte des unteren Randes der rechten
Augenhöhle in deren Eingang hervor.
Kr. 28. Schädel weisslich, von einem montirten männlichen Skelet, zeigt aUe
Charaktere des australischen Schädels besonders deutlich. Bes. als No. 1231. Nähte teil-
weise verwachsen, Zähne sehr wenig abgeschliffen, drei fehlen, einige sind cariös. Schmaler
Toras occipitalis transversus. Kleiner Schaltknochen in * der rechten Schläfenfontanelle,
12 mm lang, 6 mm hoch. Foramina pterygospinosa. Beiderseits starke Processus marginales
der Jochbeine.
Nr 29. Schädel von einer Anatomieleiche, üellbräunlich, sehr fettig. Zähne stark
abgeschliffen, 9 im Oberkiefer, 7 im Unterkiefer erhalten. Alters -Atrophie der beiden
Scheitelbeine. In der Mitte der Länge der linken Hälfte der Sutura coronaria ein flacher
runder Hügel von IS mm Durchmesser, woselbst die Sutur verwachsen ist Starker Toms
occipitalis transversus. Zwei Gcfässlöcher am hinteren Rande des Foramen occipitale magnuni,
links und rechts neben der Crista occipitalis externa. Lineae temporales inferiores ihrer
ganzen Länge nach zu einem starken Wulste ausgebildet, die schwachen Lineae temporales
supcriores verlaufen dicht darüber. Vorderwimd der Fori acustici eitemi bis auf 7 mm
verdickt. Deutliche Processus paramastoidei, das Foramen occipitale magnum eng und
rundlich. Starker Vorsprnng am medialen Ende des Processus maxillaris an beiden Ossa
zygomatica.
Nr. 80. Schädel weisslich. Von einem montirten Skelet, ohne nähere Bezeichnung.
Männlich, etwa 20 Jahre alt, aufgesägt. Nähte und Zähne erhalten, letztere wenig ab-
geschliffen; obere Weisheitszähne noch im Kiefer, die unteren sind ausgefallen. Starke
Juga cerebralia und Impressioues digitatae. Spinae am Angulus superior der Pars petrosa
oss. temporalinm dicht über den Pori acustici interni. Synchondrosis sphenooccipitalis
noch Dicht verknöchert. Flacher Torus frontalis medianus. Breiter und langer Fortsatz
des rechten Os parietale am Angulus sphenoidalis, SO mm lang, 18 mm breit. Rechterseits
ein Tuberculum in der Mitte zwischen der Crista occipitalis externa, der Linea nuchae
inferior und dem Rande des Foramen occipitale magnum. Processus paramastoidei deutlich.
Processus mastoides sehr klein. Foramon jugulare sinistrum sehr weit und weiter, als das
rechte. Hamulns processus pterygoidis dextri lang und gebogen. Flacher schmaler Torus
palatinus medianus. Sutura intemasalis verläuft etwas gebogen, in der Mitte ihrer Länge
erst nach links, etwas darunter nach links convex.
Nr. 31. Schädel bräunlich, bez. als Nr. 1188. Nähte theilweise verstrichen, Zähne
fehlen. Tubera parietalia hervorragend. Die Linea temporalis inferior bildet an der Squama
frontalis jcderscits eine starke Crista. Beiderseits ein grosser Schaltknochen in der Schläfcn-
fontanelle, etwa 22 mm lang, rechts 13, links 15 mm hoch. Scharfe Cristae statt der Lineae
nuchae superiores. daneben jederseits zwei symmetrische Foramina diploetica. Breite und
niedrige Processus paramastoidei, von denen der linke grösser. Spinae angulares sehr lang.
Fossae scaphoides sehr deutlich und breit Andeutung eines Torus palatinus transversus
in Form starker querer Cristae an der unteren Seite des vorderen Randes der Partes
horizontales beider Gaumenbeine. Spina nasalis posterior lang, zungenförmig, ihr freies
Ende gabelförmig getheilt. Nasenbeine sehr schmal, zusanmien in transversaler Richtung
nur 6 »im breit: das rechte, nur 3 mm breite ist fast sagittal gestellt, das linke 5 mm
breit. Linkerseits zwei Foramina zygomatico-facialia. Beiderseits starke Tuberositates
malares.
Nr. 32. Schädel weisslich, bez. mit SS. Nähte erhalten. Zähne stark abgeschliffen,
meist cariös. Im Oberkiefer 4, im Unterkiefer (> vorhanden. Viele kleine Exostosen auf
der Squama frontalis und den Ossa parietalia. Oberer Rand der Alae magnae sehr breit.
Die Cristae supraroastoidcae bilden sehr starke Wülste. Hinterhaupt stark vorspringend.
Toms occipitalis transversus. An der medialen Seite der tiefen Incisura mastoidea ver-
läuft jederseits ein starker Knochenwulst und daneben medianwärts eine kleinere Incisura
mastoidea accessoria. Vaginae der Processus styloides colossal entwickelt. Fossae
(534)
scaphoides stark ausgeprägt Paarige Spina mentalis sehr lang nnd spiti. Jederseits
sind zwei Foramina zygomatico-facialia vorbanden. Beiderseits deutliche Processus margi-
nales der Jochbeine.
Nr. 88. Sch&del bez. als Nr. 76, gelblich mit schwarzen Flecken ron Rauch u. s. w.
N&hte fast sftromtlich verstrichen. Im Oberkiefer fehlen alle Zähne, im Unterkiefer sind
6 vorhanden, davon 2 cariös. Schmaler flacher Toms frontalis medianns. Tiefe geheilte
Knochenwunde der Lamina externa oss. parietalis, medianwäits vom Tuber parietale.
Laminae laterales der Alae ma^ae oben sehr breit. An der unteren Fläche der Pars
basilaris oss. occipitalis eine flache Fovea phai3mgea. Schwacher Torus palatinus trans-
versus. Vordere Wand des linken Sinus maxillaris zerstört
Nr. 84. Schädel bez. als Richmond River, Sie. XIII. Schädel grau, mit bräun-
lichen Flecken an der linken Seite. Daselbst sahireiche postmortale Zerstörungen an der
Squama temporalis und am b'nken Os parietale. Nähte meist erhalten, Zähne abgeschliffen,
im Oberkiefer 18, im Unterkiefer 15 vorhanden. Starker Toms occipitalis transversus.
Nr. 85. Schädel gelblich, mit braunen Flecken, bez. als Derby, West Australia.
Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen die beiden mittleren Schneidezähne und ihre
Alveolen, Kieferrand scharf; 2 andere Zähne fehlen. Im Unterkiefer fehlen 5 Zähne.
Starker Torus occipitalis transversus. Starke schnabelförmige, länglich-viereckige Spitze
der Squama occipitalis. Jederseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, rechts
19 mm lang, 8 mm hoch, links 21 mm lang, (» mm hoch. Pars basilaris oss. occipitalis sehr
breit Foramen occipitale magnum rundlich. Jederseits ein Processus paramastoideus mit
zwei Höckern. Foramina ovalia rundlich, 7 mm lang, 6 mm breit, Foramina rotunda sehr
klein. Fossae mandibulares ausserordentlich gross, weit und tief. Tubera frontalia deutlich.
Die Verlängerung des Processus alveolaris der Maxillae hinter dem Weisheitszahn beträgt
15 m//}. Rechter Arcus zjgomaticus abgebrochen. Sehr starke Lingulae der Mandibolae.
Nr. 86. Schädel röthlich, was vielleicht vom Erdboden herrührt, bez. als Sie. XIII
Nr. 1651, Cape York (Queensland). Nähte erhalten. Zähne wenig abgeschliffen, im Oberkiefer
fehlen 11, im Unterkiefer 8 Zähne. Leichter Torus frontalis medianns. Protuberantia
occipitalis externa 7 mm dick. Rechterscits ein 10 mm langer, 15 mm breiter, linkerseits
ein IS mm langer, 11 m//i breiter Fortsatz am Angulns sphenoidalis oss. parietalis. Suturae
squamosae stark gezackt Am vorderen Rande des Foramen occipitale magnum eine kleine^
nach hinten gerichtete, mediane Spina. Rechterscits ein niedriger, linkerseits ein hoher
Processus paramostoideus. Die Stelle der grossen Fontanelle ist etwas erhaben.
Nr. 37. Schädel grau. From Wide Baj near Maryborough, Queensland. Schädel
aufgesägt, Diploö grösstentheils consolidirt, Schädeldach sehr dick\ bis 10 — 12mi».
Die Juga cerebralia wenig ausgeprägt. Kleine Verknöcherungen der Dura mater am
hinteren Ende der Procesuss clinoidei posteriores. Meatus acnstici intemi weit. Lisker-
seits ist die Mitte des Angulus superior der Felsenbeinpjramide zu einem ovalen, 17 mm
langen Tuberculum aufgetrieben. Sulci arteriosi wenig tief. Im Oberkiefer fehlen 13,
im Unterkiefer 9 Zähne. Processus condjloides dexter mandibulae abgebrochen. Scheitel-
beine seitlich abgeflacht und verd&nnt. Torus frontalis medianns. In der rechten Schilfen-
fontanelle ein dOmm langer, 14 mm breiter Schaltknochen. Linkerseits eine 8 mm lange^
spitze Zacke am oberen Ende des hinteren Randes der Ala magna. Condjli ocdpitale«
in eine vordere und hintere Qelenkfläche getheilt, sehr hoch. Lange gebogene Hamnli
der Processus pterygoides. Rechter Arcus zjgomaticus zerbrochen. Das linke Thrtnen-
bein fehlt.
Nr. 88. Schädel von Cape York, Queensland, bez. Sie. XIII Nr. 1662. Nähte er^
halten, Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 8, im Unterkiefer auch 8 Zähne.
Rechterseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, 22 mm lang, 7 mm breit darunter
eine 12 mm lange, 6///m breite Zacke an der Squama temporalis, die nur in den hinterea
Rand der Ala magna eingreift Schwacher Torus occipitalis transversus. Par» basilaris
oss. occipitalis breit Spina nasalis posterior lang, stark nach oben gebogen. Andeotnng^
eines Torus palatinus transversus.
(535)
Nr. 89. Schftdel Ton Port Darwin, Nordkfiste von Sonih Australia, bez. Sie. XIII,
Kr. 1648. Nfthte erhalten. Zähne wenig abgeschliffen, es fehlt nur der linke mittlere
Schneidezahn im Unterkiefer. Toms frontalis 'medianos. Hinterhaupt mehr abgerundet.
Rechterseits berühren sich das Os parietale, die Sqnamae frontalis nnd temporalis und
die Ala magna nur in einem Pnnkte; linkerseits ein] 18 mm langer, 7 mm hoher Schalt-
knochen in der Schlftfenfontanelle. Lineae temporales superiores dicht über den inferiores
verlaufend. An der unteren Fl&che der Pars basilaris oss. occipitalis eine starke mediane
Crista basilaris. Das hintere Ende des Processus alreolaris der Maxillae ragt beiderseits
um 10 mm nach hinten hinter dem Weisheitszahn, linkerseits darin eine kleine Höhle. Die
Pars horiiontalis der Gaumenbeine in sagittaler Richtung verlängert, 17 mm lang. Schwache
Andeutung eines Toms palatinus transrersus.
Nr. 40. Sch&del briunlich, bez. Sie. Xm, Nr. 1649. Nähte meist verstrichen, Zähne ab-
geschliffen; es fehlen 5 im Oberkiefer. In der Sutura sagittalis ein ovales, 24 mm langes, 16 mm
breites Loch in einer 10 cm langen, 5 cm breiten Vertiefung, die nahe hinter dem vorderen
Ende der Sutur beginnt, daneben exostotische Wucherungen auf den Scheitelbeinen. Leichter
Toms frontalis medianus. Rechterseits ein 4 mm in sagittaler Richtung, 8 mm in verticaler
Richtung messender Schaltknochen in der Schläfenfontanelle. Condyli occipitales sehr
lang. Spinae angulares stark ausgebildet. Die Pars horizontalis des linken Gaumenbeines
ragt 2m/ii weiter nach vom, als die des rechten.
Nr. 41. Schädel gelblich, bez. Sie. XIII, Nr. 1650. Von Cape York (Queensland).
Nähte erhalten. Schädeldach giebelfSrmig, Schädel fünfeckig in der Norma occipitalis.
Starker Toms occipitalis transversus. Zahlreiche kleinste Schaltknochen im mittleren
Theile der Seitenhälften der Sutura coronaria sehr deutlich. Rechts drei Schaltknochen in
der Schläfenfontanelle, zusammen 22 mm lang, 6 mm hoch, der vorderste 14 mm lang.
Linkerseits nur ein Schaltknochen 22 mm lang, 11mm hoch. Oberer Rand derAlae magnae
31 mm breit. Lineae temporales superiores verlaufen über die Tubera parietalia. Fossae
sacci lacrimalis sehr tief. Beiderseits Schaltknochen im Boden der Augenhöhle. Choanae
klein und niedrig. Pori acnstici intemi sehr weit
Nr. 42. Schädel mit röthlicher Farbe bemalt, von Derby, Nord -West -Australien.
Schädel dünn, leicht, Nähte erhalten. Zähne wenig abgeschliffen, Weisheitszähne nicht
durchgebrochen. Im Oberkiefer fehlen 8 Zähne, im Unterkiefer 12. Der rechte Eckzahn
des Unterkiefers colossal, der linke fehlt. Mittlere Schneidezähne durch Ausbrechen ent-
fernt, Alveolen fehlen, die Processus alveolares daselbst dünn und scharfrandig. Leichte
Erhebung in der (regend der Sutura coronaria. Letztere enthält an ihren beiden gezackten
Stellen sehr kleine Schaltknochen. Sutura frontalis an ihrem unteren Ende in 11mm
Länge erhalten. Schwacher Toms frontalis medianus. Starker Toms occipitalis trans-
versus. Gelenkflächen der Condyli occipitales in eine vordere und hintere Hälfte getheilt.
Synchondrosis sphenooccipitalis 1mm weit klaffend. Pars basilaris oss. occipitalis breit,
jcderseits eine kleine schräge Crista muscularis am lateralen Rande ihrer unteren Fläche.
Foramina ovalia mehr randlich. Starke Spinae angulares. Pars horizontalis beider
Gaumenbeine in sagittaler Richtung verlängert, 28 mm lang, Sutura palatina transversa
nach vora convex.
No. 48. Schädel bräunlich, bez. Hinchinbrook, J. 2., North -East-Australia. Nähte
erhalten. Zähne stark abgeschliffen, im Oberkiefer fehlen 7, im Unterkiefer 10 Zähne,
ein Zahn cariös. Schädel ein wenig dachförmig. Flacher Eindmck von einer ge-
heilten Knochenwunde auf dem rechten oberen Theil der Squama frontalis, ebenso vora
auf dem rechten Os parietale neben der Sutura sagittalis. Starker Tonis occipitalis
transrersus. Knochen des Schädels, namentlich der Unterkiefer, klein und zierlich.
Nr. 44. Schädel bez. Cape York. Nähte theilweise verstrichen. Zähne sehr wenig
abgeschliffen. Schaltknochen in der linken hinteren Seitenfontanelle. Die liineae tempo-
rales superiores verlaufen etwas oberhalb der Tubera parietalia. Geringer Toms occipitalis
transversus. Processus paramastoidei. Kleine Höcker am hinteren Rande des Foramen
occipitale magnum neben der Medianlinie. Sutnrae palatinae mediana und transversa ver-
strichen, letztere war nach vora concav; Andeutung eines Toms palatinus transversus.
(536)
Kr. 45. Schädel Ton BeloDO River. 1880. Männlich. Schädeldach und Unterkiefer
fehlen. Z&hne wenig abgeschliffen. Starker Toms occipitalis transyersos. Tiefe Graben
an dem rorderen Ende der medialen Fliehen der Condjli occipitales. Breite Proceesus
vaginales und weite Canales Tomerobasilares s. Yomcrosphenoidales laterales saperiores
zwischen dem Vomer und diesen Processus. Starke Spinae angulares. Kleine, knne»
gerade Harouli pterygoidei. Foramen incisivurn schräg gestellt, lang, anregelmässig, als
ob seine rechte Hälfte verkümmert wäre. Colossale, 10 min tiefe Fossae caninae.
Nr. 47. Schädel weiss, männlich, von einem montirten Skelet. Nähte erhalten, die
Zähne bis auf 2, die im Oberkiefer fehlen : sie sind ziemlich abgeschliffen. Tonis occipitAli»
transversus. Angulus sphenoidalis des linken Os parietale sehr spitz, rechterseits fast
rechtwinklig. Die Pars horizontalis oss. palatini ragt linkerseits 3 mm weiter nach vom
als rechterseits. Das Foramen incisivum ist ein schmaler Schlitz, dicht dahinter zwei
kleine runde Löcher.
Nr. 48. Schädel weiss, von einem montirten* Skelet, bez. als Nr. 1167, weiblich.
Alle Nähte und Zähne erhalten, Weisheitszähne noch nicht durchgebrochen. Sqnaroa
occipitalis stark vorspringend, Protuberantia occipitalis externa nur angedeutet Rechter-
seits vereinigt sich die Spitze der Ala magna in einer Ausdehnung von 2 mm mit dem
Angulus sphenoidalis oss. parietalis, linkerseits ist ein Processus frontalis der Squama
temporalis von 10 ww Länge und dmm Breite, dahinter ein etwa ebenso grosser Schjüt-
knochen in der Sutura squamosa vorhanden, und ein ebensolcher nach dem hinteren Ende
der letzteren hin. Foramen occipitale magnum sehr rundlich. Pars basilaris oss. occipitalis
breit. Beiderseits eine Incisura incisiva, die vom Foramen incisivum zum lateralen Bande der
beiden Eckzähne verläuft. Am rechten Tuber frontale ein Eindruck in der Tabula ezt«ma,
von einer Verletzung mit einem stumpfen Werkzeuge herrührend. Sutura interaasalis in
ihrer oberen Hälfte verwachsen. Starke Tuberositas malaris jederseits.
Nr. 49. Schädel braun, von einem montirten Skelet, männlich. Nähte erhalten. Im
Unterkiefer fehlt der rechte Weisheitszahn, sonst alle Zähne erhalten, abgeschliffen. Ge-
ringer Toms frontalis medianus, leichte Abplattung längs der Sutura sagittalis. Processus
paramastoidei. Starke quere Crista palatina beiderseits längs des hinteren Randes der
Pars horizontalis oss. palatini nach unten hervorragend Nasenbeine zusammen oben nur
7 mm breit
Nr. 60. Schädel bräunlich, fleckig. Bez. AU 783. Im Oberkiefer fehlen 4, im
Unterkiefer 3 Zähne. Nähte erhalten. Schwacher Torus frontalis medianus. Linkeraeits
berührt die Squama temporalis in einem Punkt die Squama frontalis. Starke Crista pala-
tina transversa beiderseits. Die Nasenbeine schmal, zusammen 7 mm breit
No. .')l. Schädel gelblich, bez. B 7065. Nähte verstrichen. Linker zweiter Schneide-
zahn frühzeitig entfernt, Processus alveolaris daselbst dünn und glatt. Zähne stark ab-
geschliffen, im Oberkiefer sind 12, im Unterkiefer 6 Zähne vorhanden. Spinae angulares
lang und dick. Sehr kleiner Torus palatinus medianus. Die Processus alveolares der
Maxillae ragen hinter den Weisheitszähnen 16 mw weit nach hinten.
Nr. 52. Schädel bräunlich, bez. A 11775. Nähte meist verstrichen. Zähne ab-
geschliffen, im l nterkiefer 13 vorhanden. Schwacher Torus frontalis. Gegend der Sutura
sagittalis hinten etwas vertieft. Flacher Torus occipitalis transversus. Auffallend knöpf-
förmige Gestalt der Hamnli der Processus pterygoides. Starke breite Spinae palatinae in
der Mitte des hinteren Randes der Pars horizontalis an beiden Gaumenbeinen. Linkerseits
Perforation des Processus palatinus maxillae neben dem Foramen incisivum. Nasenbeine
schmal, asymmetrisch, das linke oben schmaler. Apertura p^Tiformis hoch und sehr drei-
eckig. Lange, spitze, doppelte Spina nasalis anterior. Tiefe Grube am Unterkiefer über
der Protuberantia mentalis ext<»ma.
Nr. 54. Schädel gelblich, schwer, von Jervis Bay. Nähte erhalten. Zähne sehr stark
abgeschliffen, es fehlen 4 im Unterkiefer. Rechter Processus condyloides mandibulac
abgehrochen, der rechte Arcus zygomaticus etwas beschädigt. Nahe der Sutura sa-
gittalis eine Vertiefung in derselben, von einer Verletzung herrührend; eine kleinere
(537)
linkerseits an der Sqnama frontalis, nnregelmässige Eindracke am linken Os parietale.
Starker Toros occipitalis transversns. Beiderseits Schaltknochen in der Schläfcnfontanelle,
rechterseits 24 mm lang, 11mm hoch, linkerseits 22 mm lang, 18 mm hoch. Ein kleiner
Schaltknochen in der hinteren linken Seitenfontanelle. Foramen oecipitale magnnm rundlich,
genau so lang wie breit. Kleine Cristae palatinao transversae l&ngs der lateralen Hälften
des hinteren Randes der Pars horizoutalis beider Gaumenbeine. Processus alveolaris der
linken Maxiila springt am Eckzahn etwas vor. Nasenbeine schmal, zusammen 7 fmn breit,
das linke erreicht die Sutura nasofrontalis nicht. Fissurae orbitales inferiores sehr weit,
11 mm an ihrem vorderen Ende. Foramina mentalia sehr klein.
Nr. 55. Schidel bräunlich, bez. als von Mudgee. Nähte erhalten, Zähne wenig ab-
geschliffen, im Oberkiefer nur 6 vorhanden, der Unterkiefer fehlt Torus occipitalis trans-
versus. Kleine Fovea pharjngea an der Pars basilaris oss. occipitalis. Spina angularis
sinistra lang und dick Processus stjloides sinister 35 mm lang, rechts abgebrochen.
Laminae laterales der Processus pterjgoides auffallend breit Weiter Canalis basipharyngeus.
Starke Cristae palatinae transversae an der lateralen Hälfte der Pars horizontalis beider
Gaumenbeine. Linkes Nasenbein oben breiter als das rechte, im Verhältniss von 8 : 5 mm.
Nr. 56. Schädel bez. als Nr. 11964. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen; es
fehlen 6 im Oberkiefer, 2 im Unterkiefer. Wände der Orbitae theilweise zerstört Schädel
scaphocephal. Zwei Eindrücke der Tabula externa in der rechten Hälfte der Squama
frontalis und auf dem rechten Os parietale. Pyramiden der Ossa temporalia zerstört.
Schädelbasis angebrannt. Breiter Torus occipitalis transversus. Torus palatinus trans-
versus angedeutet Scharfe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars
horizontalis beider Gaumenbeine. Processus marginales an beiden Jochbeinen.
Nr. 57. Schädel weisslich, bez. als Nr. 1201, von Jervis Bay. Nähte erhalten. Zähne sehr
stark abgeschliffen, 6 fehlen im Oberkiefer, und der ganze Unterkiefer. Arcus zygomaticus
zerbrochen. Am rechten Os parietale postmortale Verletzungen, Sprung in der Squaiua
occipitalis, Gaumen hinten zerstört, Nasenbeine abgebrochen. Flacher Torus frontalis
medianus. Rechterseits drei kleine Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, der grösste
1 1 mm lang, 5 mm hoch.
Nr. 58. Schädel grau. Von Murrum Lodge, bez. als Nr. 1197. Unterkiefer fehlt
Zähne abgeschliffen, im Oberkiefer sind die medialen Schneidezähne frühzeitig entfernt,
6 Zähne fehlen. Nähte erhalten mit Ausnahme des mittleren Theiles der Sutura sagittalis.
Schmaler niedriger Tonis occipitalis transversus. Rechtes Foramen ovale sehr weit, 11 mm
lang, 6 mm breit Schwacher Torus palatinus transversus. Hohe, zackige Cristae palatinae
transversae.
Nr. 59. Schädel bräunlich, bez. als A. 11 963. Nähte erhalten, Zähne fast gar nicht
abgeschliffen. Weisheitszähne rechterseits im Durchbrechen begriffen, der linke oben fehlt,
im Unterkiefer fehlt der rechte Eckzahn. Starke Tubera parictalia. Scheitelhöhe erhaben,
nach hinten abfallend Niedrige zackige Cristae palatinae transversae am hinteren Rande
der Pars horizontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 60. Schädel gelb, klein, leicht, bez. als A. 11 962. Nähte theilweise verstrichen.
Zähne abgeschliffen, im Oberkiefer fehlen 8, im Unterkiefer 6. Wände der Orbitae theil-
weise zerstört, ihre Eingänge schräg gestellt, lateralwärts nach unten abweichend. Torus
frontalis medianus. Sehr starker Torus occipitalis transversus. Schwacher Torus palatinus
transversus. Hohe scharfe Cristae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Flache Processus marginales der Oss. zygomatica.
Nr. 61. Schädel bez. als A. 11 961, weiblich. Nähte verstrichen, Zähne abgeschliffen,
einige sind cariös. Im Oberkiefer fehlen 5, im Unterkiefer 6 Zähne. SUrker Torus occi-
pitalis transversus. Der Processus paramastoideus sinister ist ein 12 mm hoher conischer
Zapfen mit einer abgerundeten Gelenkflächo für den Atlas von 9 mm Durchmesser; rechter-
seits ist kein Processus vorhanden.
Nr. 62. Schädel gelbbraun, bez. A. 11 %9. Nähte erhalten, Zähne wenig abgeschliffen,
Toms frontalis medianus. Tubera parietalia hervorspringend, die Lineae temporales
(538)
superiores verlaufen über den oberen Rand derselben. Starker Toms occipitalis Uans-
versos. Kleine Processns paramastoidei. An der hinteren Kante des vorderen Randes des
Foramen occipitale magnnm verläuft ein gebogener horizontaler Sulcus, und dicht vor
demselben befindet sich an der unteren Fläche der Pars basilaris oss. ocdpitalis jeder-
seits ein Tuberculum; das rechte grösser und flacher, von 7 mm Längsdurchmetaer,
zeigt eine nach vom gerichtete kleine, ovale, glatte Gelenkfläche f&r den Atlas. Andeutung
eines Toms palatinus transversus; die Pars horizontalis des linken Oaumenbeins erstreckt
sich 2 mm weiter nach vom, als die des rechten. Starke Hervorragung am linken Augen-
höhlenrande oberhalb des Foramen infraorbitale am Ende der Sutura zjgomatico-maxillarU.
Nr. 63. Schädel hellbräunlich, bez. A. 12 568 vom Dawson River, Queensland. Durch
Verletzungen entstandene Eindrücke am Knochen am oberen Ende der Squama frontalia
in der Mediangegend, in der Mitte der Ossa nasi und am rechten Foramen supraorbitale.
Oberkiefer beschädigt, Arcus zygomatici und Partes horizontales der Gaumenbeine xer-
brechen. Nähte theilweise verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer nur 1 Zahn«
im Unterkiefer 5 vorhanden. Ein flacher Höcker von 15 mm Durchmesser beginnt 25 mm
hinter der Sutura coronaria in der Medianlinie. Starker Toms occipitaÜs transversus.
Rechterseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, 15 mm lang, 5 mm breit. Kleiner
Processus paramastoideus sinister. Schwacher Toms palatinus transversus. Fissura orbi>
talis inferior sehr weit, vom 11 mm breit. Beiderseits eine Tuberositas malaris.
Nr. 64. Schädel bez. B 1765, J. W. Palmer, weiblich. Nähte eriialten. Der Untei^
kiefer fehlt, im Oberkiefer nur drei Zähne vorhanden. Sinus maxillaris sinister von vom
her durch Caries geöffnet. Partes horizontales der Ossa palatina zerbrochen. Tonu
frontalis medianus. Rechterseits ein weites Foramen parietale. Flache Processus marginales.
Leichte Vorwölbung der rechten Seite der Squama occipitab's nach hinten. Schwacher
Toms occipitalis transversus. Synchondrosis sphenooccipitalis erhalten. Rechterseits ein
kleiner, 5 mm langer Processus mastoides accessorius, durch eine 5 mm tiefe Furche ab-
getrennt. Linkerseits Andeutung desselben durch einen Sulcus.
Nr. 64. Schädel sehr gross, schwer, kräftig, gelblich, bez. Rockhampton 1224.
Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer 7 vorhanden. Starker Toms frontalis medianus.
Colossale Protuberantia occipitalis externa, 25 mm lang, 19 mm in sagittaler Richtung breit,
9 mm hoch. Kleiner Höcker neben der Medianlinie am hinteren Rande des Foramen
occipitale magnum. Kleines Tuberculum pharjngeum. Tiibercula articularia oss. temporaliom
colossal entwickelt Spinae angulares 8 mm hoch. Niedrige Cristao palatinae. Arcus
superciliares stark hervorspringend. Nasenwurzel breit, das rechte Nasenbein 8 mm, das
linke 9 mm breit.
Nr. 66. Schädel bez. B 10510, Queensland. Zähne sämmtlich vorhanden, ab-
geschliffen. Schädel scaphocephal. In der Mitte der Sutura sagittalis eine dieselbe
kreuzende schrSge, scharfrandige Säbelwunde, die linkerseits eine sagittale Fissur nach
hinten aussendet Flacher breiter Toms frontalis medianus. Breiter Toms occipitalis^
transversus. Die Lineae temporales inferiores bilden starke Cristae an der Squama frontalii».
Rechterseits ein langer, rechtwinklig gebogener Schaltknochen in der Schläfenfontanelle;
sein vorderer oberer Theil 28 mm lang und 10 mm breit, der hintere, nach unten absteigende
12 mm lang und unten 3 mm breit. Linkerseits hat das Os parietale einen langen, nach
vom spitz über einem Schaltknochen der Schläfenfontanelle endigenden Fortsatz; der
Schaltknochcn ist 15 mm lang, 5 mm hoch. Breiter Toms occipitalis transversus. Processus
paramastoideus sinister 8 mm lang, 5 mm hoch. Niedrige, aber scharfe Cristae palatinae
am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Ossa nasi schmal, zu-
sammen 9 mm breit Fissurae orbitales inferiores weit, vom 10 mm breit. Ossa zygomatica
sehr gross, breit; starke Processus marginales und Tuberositates malares. Fossae caninae
7 tmn tief.
Nr. 67. Schädel weiss, macerirt, bez. B 10505. Yon Queensland. Basis zerbrochen,
ebenso die Squamae temporales. Nähte erhalten, Synchondrosis sphenooccipitalis klaffend.
Zähne wenig abgeschliffen, Weisheitszähne noch nicht durchgebrochen. Im Oberkiefer
7 Zähne vorhanden. Toms frontalis medianus. Breiter Toms occipitalis transversus.
(539)
OriBtae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horixontalis beider Gaumen-
beine sind hocb, scharf nnd gezackt. Processus marginales der Oss. ijgomatica stark
entwickelt, Tnberositates malares deutlich. Nasenbeine ungleich, das linke oben spitzer,
beide zusammen daselbst 5 mm breit. Fossae caninae sehr tief.
Nr. 68. Sch&del gelblich, bez. B 10 506, Queensland. N&hte erbalten. Zfthne wenig
abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 4, im Unterkiefer 8 Z&hne. Schwacher Toms fron-
talis medianus. Starker Toms occipitalis transversus. Foramen occipitale magnum trapez-
förmig. Im Schädel ein röthlicher, 8 — 4 am grosser Klumpen, yielleicht vertrocknetes
Cerebellnm. Sntura palatina mediana verstrichen. Hohe Gristae palatinae transversae
am hinteren Bande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Foramen incisivum drei-
eckig. Kerbe zwischen den Alveolen der oberen medialen Schneidezähne, wie beim Gorilla.
Nasenbeine in ihrer oberen Hälfte fast sagittal gestellt, sie bilden eine scharfe, nicht
pathologische Crista interaasalis und sind zusammen oben 5 mm, unten 23 und 19 vxin
lang. Starke Processus marginales der Ossa zjgomatica und Tnberositates malares. Am
AnguluB mandibulae befinden sich Gristae f&r die Muskelansätze, wie beim Gorilla.
Nr. 69. Schädel grau, bez. Brisbane, Queensland. Linke Orbita beschädigt und Joch-
bogen abgebrochen. Nähte erhalten, Zähne abgeschliffen, sehr gross. Im Oberkiefer
8 Zähne vorhanden. Etwa 2 cm über der rechten Incisura frontah's eine Impression des
Knochens von 15 mm Durchmesser. Sehr hoher Toms occipitalis transversus. In der
rechten SchläfenfontaneUe ein 17 mm langer, 10 mm hoher Schaltknochen. Sehr niedrige
Gristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Foramina supraorbitalia weit, ein kleines accessorisches auf jeder Seite. Kleiner
querer Schaltknochen in der Sutura nasofrontalis, 9 mm breit, 4 mm hoch. Kleines medianes
Foramen nasale nahe dem unteren Ende der Sutura nasalis.
Nr. 70. Schädel weissgelblich, bez. als Nr. 1252, von Rockhampton. Näbte erhalten.
Sntura sagittalis in ihrem hinteren Theil verstrichen. Zähne aS^eschliffen, sehr kräftig.
Rechter mittlerer Schneidezahn sehr breit, 12 mm, linker 10 mm breit. Auf der vorderen
Seite des ersteren eine Längsfurche, auf der hinteren eine tiefe Kerbe. Flacher Toms
frontalis medianus. Stark entwickelter Toms occipitalis transversus. Goudyli occipitales
flach. Kleines Tuberculum pharjngeum. Verlängemng der Processus alveolares der Ma-
lillae rechts 10 mm, links 8 mm hinter dem Weisheitszahn. Darin rechterseits ein ovales,
5 mm langes, 3 mm breites Loch für einen ausgefallenen 4. Molarzahn, die Zahnalveole
ist 6 mm tief, mit einfachem Gefäss- und Nervenkanal. Linkerseits ist an der corre-
spondirenden Stelle eine Yorwölbung des Processus alveolaris vorhanden. Deutliche Pro-
cessus marginales der Jochbeine, kleine Tnberositates malares. An der medialen Seite der
Angnli mandibulae starke Gristae am Knochenrande für den Ansatz der Mm. pterygoidei
interaL
Nr. 71. Schädel weisslich. Von Gape York, Queensland, bez. Gapt. Elliott, 86.
Nr. 1288. Dura mater noch im Schädel. Nähte erhalten. Zähne stark abgeschliffen.
Nur 5 Zähne vorhanden. Linkes Os parietale nach hinten asymmetrisch ausgebuchtet.
Hinterhaupt hinten abgeplattet, schwacher Toms occipitalis transversus. Processus pterygo-
spinosus neben der rechten Spina angularis. Starke Tubercula an den vorderen Enden
der Gristae infratemporales. Kurze Grista palatina mediana zwischen den Partes hori-
zontales der Ossa palatina. Die Sutura palatina transversa ist in ihrem mittleren Theile
nach vom convex ausgebuchtet Starke Processus marginales der Ossa zygomatiea und
hervorragende Tnberositates malares.
Nr. 72. Schädel graugelblich, bez. als Nr. 1175. Von Brisbane, Queensland. Nähte
erhalten. Im Oberkiefer 5 Zähne vorhanden, einer davon ist cariös. Dach der Orbita
sehr dünn und perforirt Sehr starker Toms occipitalis transversus. In der rechten
Schläfenfontanello ein dreieckiger Schaltknochen, 10 mm lang, 6 mm hoch. Gondyli occi-
pitales ganz eben, in eine grössere vordere und viel kleinere hintere Hälfte getheilt; da-
hinter beiderseits ein schräger tiefer Sulcus. Linkes Foramen ovale mehr rundlich.
Grista palatina mediana zwischen den Partes horizontales der Gaumenbeine. Sutura inter-
(540)
Basalis verstrichen. Nasenbeine zusammen nur 5 mm breit. Schwache Processus mar-
ginales.
Nr. 78. Schädel gelblich, von Wide Baj, Queensland ; bes. als Nr. 122a N&hte er-
halten. Zähne abgeschliffen, 9 im Oberkiefer rorhanden. Schwacher breiter Toms fron-
talis medianus. Deutlicher Torns occipitalis transversus. Aus iwei Höckern bestehende
Processus paramastoidei Sehr lange Spinae angulares. Niedrige Cristae palatinae Irans-
Ycrsae am hinteren Rande der Partes horizontales beider Gaumenbeine. Ossa nasi oben
zusammen nur 7 mm breit. Thränengruben .sehr weit. Starke Processus marginales.
No. 75. Schädel grau. Bez. als Nr. 16, Brisbane, Queensland, Nr. 1286. N&hte er-
halten. Zähne wenig abgeschliffen. Im Oberkiefer 4 Torhanden, oberer rechter Weisheits-
zahn eben durchgebrochen. Synchondrosis sphenooccipitalis klaffend. Flacher Toras
palatinus medianus. Sehr breiter Torus occipitalis transversus. Linkerseils ein Processus
paramastoideus. Kräftige Spinae angulares. Beiderseits ein grosses Foramen pterygo-
spinosum. Niedrige Cristae palatinae transvcrsae am hinteren Rande der Pars horisontalis
beider Gaumenbeine.
Nr. 76. Schädel grau, bez. als Nr. 1241, von Cape York, Queensland. Auf beiden
Oss. parietalia, am rechten Margo supraorbitalis und in der Mitte der Squama frontalis
unrcgelmässige Knochennarben, dazwischen Wucherungen; Gefasslöcher in der N&he des
Eindruckes auf der Squama frontalis. Linker Arcus zygomaticus abgebrochen. Nähte erhalten,
Zähne abgeschliffen, 5 im Oberkiefer vorhanden. Relativ hoher und schmaler Toras fron-
talis medianus. Starker Torus occipitalis transversus. Niedrige Processus paramastoidei,
sehr dünne Hamuli der Processus pterjgoides. Niedrige Cristae palatinae transvcrsae am
hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 77. Schädel grau, bez. als Nr. 43, Brisbane, Queensland, Nr. 1247. Nähte
theilweisc verstrichen. Zähne abgeschliffen. Linkerseits die beiden Schneidezähne früh-
zeitig entfernt, scharfe'^ Kante am Processus alveolaris marillae. Im Oberkiefer fehlen
6 Zähne. Stirn oben gewölbt. Schwacher Torus occipitalis transversus. Kleine Processus
paramastoidei. Spitze Spinae angulares. Anstatt eines Torus palatinus transversus mehrere
Höcker an der Sutura palatina transversa.
Nr. 78. ^^cbädcl braun, theilweise geschwärzt, bez. als Nr. 1281, von Cape York,
<^ucensland. Schädel dick, schwer, sehr hoch auf der Mitte der Scheitelbeine, enorme
Capacität von 1590 ccw. Nähte theilweise verstrichen. Alle Zälme fehlen; erhalten sind
im Oberkiefer nur die Alveolen für den rechten hinteren Praemolarzahn und für den linken
Eckzahn. Kieferrand vorn schräg und compact. Kleine mediane Exostose in der Mitte
des vorderen Randes des Foramen occipitale magnum an dessen Innenseite: zwei eben-
solche dicht hinter dem rechten und linken Condjlus occipitalis. Starke Spinae angulares.
Deutlicher Torus paUtinus transversus. Niedrige Cristae palatinae transvcrsae am hinteren
Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 79. Schädel weiss, mürbe, bez. als Nr. 46, Brisbane, Queensland, Nr. 1203.
Nähte erhalten. Im Oberkiefer 6 Zähne vorhanden. Rechterseits dicht neben der Mitte
der Sutura sagittalis ein tiefer, H mm im Durchmesser haltender Eindruck in der Tabula
externa. Arcus zygomatici und die laterale Wand der rechten Orbita sind zerstört Stirn
mehr gewölbt. Starker Torus occipitalis transversus. Andeutung eines Toms palatinus
transversus. Schwache Cristae palatinae transvcrsae am hinteren Rande der Pars horison-
talis beider Gaumenbeine. Nasenbeine asymmetrisch, das rechte oben viel schmaler, tn-
sauimen nur 7 mm brdt.
Nr. 80. Schädel weisslich, bez. A 10 799. Von Bsorrein Bay, Victoria. Nähte theil-
weise verstrichen. Zähne sehr abgeschliffen: 5 im Oberkiefer fehlen. Syphilitisehe Ver-
dickungen. Grosso svphilitischc Zerstörungen, rundlich und mit weit ausgenagten Randen
am Os frontale, an der Squama occipitalis und am linken Os parietale, das an zwei Stellen
perforirt ist. Eine kleinere solche Grube am rechten Os parietale. Verdickungen des
Knochens am harten Gaumen. Sehr starker Torus occipitalis transversus. Laminae late-
rales der Processus ptcrygoides sehr breit. Lange Spinae angulares. Nasenbeine durch
Caries zerstört Foramina infraorbitalia sehr weit
(541)
Nr. 81. Schädel gelblich, bet. als Nr. 20, Port Fairy, Victoria, Nr. 1245. Schadet
schwer, sehr lang, 204 mm. Squama occipitalis weit nach hinten Torspringend. Zähne
abgeschliffen, im Oberkiefer sind 7 Torhanden. Doppelte Reihe von Schaltknochen in der
Satua lambdoides. Ein gebogener, 56 mm langer, 14 mm hoher Schaltknochen erstreckt
sich Ton der Ala magna in der rechten Schläfenfontanelle über den ganzen oberen Theil
der Satnra squamosa; am hinteren Abschnitt der letzteren findet sich noch ein kürzerer
Schaltknochen. Kleine Processus paramastoidei. Meatus acustici extcmi sehr hoch.
Areas ijgomatici sehr weit lateralwärts vorspringend.
Nr. 82. Schädel weissltch, bez. A 10 800, Victoria. Rechter Arcus zygomaticus und die
laterale Wand der rechten Orbita zerstört, der rechte Processus mastoides abgebrochen.
Zähne abgeschliffen, zum Theil cariös. Nur 3 im Oberkiefer vorhanden. Tiefe, durch
Caries veranlasste Grube oberhalb der Alveolen der rechtsseitigen Schneidezähne, mit
jenen communicirend. Schwacher Toms frontalis medianus. Starker Toms occipitalis
transversas. Starker Toms palatinus medianus.
Nr. 88. Schädel gelblich, bez. A 10 798, Victoria. Sagittalnaht verstrichen, in der
Mitte ihrer Länge eingedrückt. Im Oberkiefer fehlen 7 Zähne. Stirn weit zurückliegend.
Sehr starker und breiter Torus occipitalis transversus. Rechterseits ein Schaltknochen in
der Schläfenfontanclle, 21 tnm lang, 0 mm hoch. Kleine Processus paramastoidei. Fora-
mina zjgomatico-facialia weit.
Nr. 84. Schädel weisslich, bez. B 6595, Victoria. Rechterseits das Os parietale und
Os temporale zertrümmert. Zähne weiss, abgeschliffen, im Oberkiefer rechterseits 4 vor-
handen; der linke Processus alveolaris zerstört. Im Unterkiefer sind 4 Zähne vorhanden.
Stirn sehr zurückweichend, schwacher Toms frontalis medianus; auf der rechten Seite der
Squama frontalis, nahe oberhalb der stark ausgesprochenen Einea temporalis inferior, eine
flache Erhebung, Knochennarbo. Linkerseits ein Foramen frontale, kein supraorbitales und
keine Incisur; rechterseits eine gemeinschaftliche Incisura supraorbitalis und frontalis.
Nr. 85. Schädel braun, glänzend, inwendig mit weisser Farbe beschmiert, bez.
B 10283, West Australia, by Lieut. H. C. Roche, 2. März 1886. Nähte erhalten. Zähne
abgeschliffen. Im Unterkiefer fehlen 9 Zähne. Hinter dem oberen rechten Weisheitszahn
eine mndliche Höhle im Processus alveolaris maxillae, die Verlängerung des letzteren
nach hinten beträgt 11 mm. Stirn sehr zurückweichend. Starke Erhebung in der Gegend
der Kreuzung der Suturae coronaria und sagittalis. Toms frontalis medianus und Toms
occipitalis transversus. Glabella stark hervorragend, gar nicht eingedrückt. Rechterseits
berührt die Ala magna den Ang^lus sphenoidalis oss. parietalis in 2 mm Breite. Rechter-
seits ein Processus paramastoideus. Starker, 24 mm breiter, flacher Torus palatinus me-
dianus. Ossa nasi asymmetrisch, das linke aber schmaler. Fossae caninae sehr tief.
Nr. 86. Schädel bräunlich, inwendig mit weisser Farbe beschmiert, bez. B 10282,
West Australia, by Lieut H.C.Roche. Nähte erhalten, Zähne abgeschliffen. Im Ober-
kiefer fehlen 4, im Unterkiefer 7 Zähne, einige sind cariös. Die Glabella gar nicht ein-
gedrückt, Torus frontalis medianus, starke Erhebung in der Gegend der Kreuzung der
Linea« coronaria und sagittalis und auch an letzterer. Starke Lineao temporalos inferiores
an der Squama frontalis. Hervorragende Processus paramastoidei. Sehr schwacher Toms
palatinus medianus. Niedrige Cristae palatinae transversae am hinteren Rand der Pars
horizontalis beider Gaumenbeine. Die medialen Wände beider Orbitae sind zerstört. Ossa
nasi sehr ungleich, das rechte bleibt oben weit von der Sutura nasofrontalis entfernt, ist viel
kleiner, kürzer und schmaler, als das linke, letzteres ist an seinem oberen Ende, entsprechend
der Sutura nasofrontalis, nur 5 mm breit. Die Sutura internasalis verläuft rechts von der
Medianlinie und biegt oben stumpfwinklig nach rechts um.
Nr. 87. Schädel gelblich, bez. B 3507, von Perth, West -Australien. Nähte theil-
weise verstrichen. Pathologische Knochenimpression oberhalb der Glabella. Nur 3 Zähne
im Oberkiefer vorhanden. Der mittlere Theil jeder Seitenhälfte der Sutura coronaria ver-
läuft merkwürdig gestreckt, rein transversal. Stirn gewölbt. Schaltknochen in der hin-
teren Seitenfontanelle. Condyli occipitales stark vorspringend. Kleine Processus para-
mastoidei. Mediane Crista basilaris an der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occi-
(542)
pitalis. AndeutuDg eines Tonis Palatinos transversns. Niedrige Cristae palatinae trans-
Tersae am hinteren Bande der Pars horisontalis beider Gaumenbeine. Foramen incisivom
sehr weit. Arcus zygomatici sehr weit abstehend; Processus marginales.
Nr. 88. Schidel briunlich, mit rother Farbe bemalt, bex. A 6114, von Port Darwin,
Northern Territory. Nähte erhalten. Weisheitsiähne eben durchgebrochen. Zähne ab-
geschliffen, 7 im Oberkiefer fehlen. Stirn sehr zurückweichend, aber nach hinten hoch.
Schwacher Torus frontalis medianus. Rechterseits ein 20 mm langef, 9 mm hoher Schalt-
knochen in der Schläfenfontanelle. Linkerseits ein 7 mtn langer, 8 mm breiter Processus
frontalis der Squama temporalis. Kleine Processus paramastoidei. Kleine längliche Fo-
vea pharyngea in der Medianlinie der Pars basilaris oss. occipitalis. Am vorderen Rande
des Foramen occipitale magnum eine kleine quere Knochenbrücke in der Medianebene.
Sehr grosse Spinae angulares. Der untere Rand der Arcus zjgomatici stark gezackt durch
Muskelansätze. Abgerundete Processus marginales. Tiefe Fossae lacrimales.
Nr. 89. Schädel grau, aufgesägt, bez. B 8496, South Australia. Schädel sehr schwer,
das Schädeldach bis 10 mm dick. Der untere Thcil des rechten Scheitelbeines ausgebrochen:
auf der Squama frontalis und den Ossa parietalia zahlreiche cariöse Zerstörungen der
Tabula externa. Jochbogen zerbrochen. Ossa parietalia seitlich abgeflacht, Tubera
parietalia sehr deutlich. Condjli occipitales fast eben. Starkes Tuberculum pharyngenm.
Sehr scharfe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider
Gaumenbeine.
Nr. 90. Schädel braun, ist der eines etwa 60 Jahre alten Häuptlings, sog. King
Oobbera Ball, of the Bingera tribe, New South Wales, 1848 getötet. Wurde 18^6 aus-
gegraben von J. Mc C. Smith, nach etwa 50 Jahren, noch gut erhalten, etwas mürbe.
Viele kleine Zerstörungen imd Perforationen am Schädel. Rechter Processus mastoides
und Jochbogen zerstört. Nähte verstrichen. Zähne sehr abgeschliffen. Der linke mediale
Schneidezahn in der Jugend entfernt, Processus alveolaris scharfkantig. Nur 4 Zähne vor-
handen, im Oberkiefer. Arcus superciliares sehr vorspringend, 11 mm dick. Sehr starker
Torus occipitalis transversus. Sehr kleine Processus paramastoidei. Breiter Torus pala-
tinus transversus, der hintere Theil des harten Gaumens zerstört. Sutura intemasalis ver-
strichen, Ossa nasi zusammen 10 mm breit. Unterer Raud der Orbitae lateralwärts wulstig
aufgetrieben. Starke Processus marginales.
Nr. 91. Schädel braun, bez. Nr. 1, von Port Jackson, found in sand near Manly,
bei Sydney. Nähte erhalten, Zähne abgeschliffen, aber nur wenig. Rechterseits fehlt der
laterale obere Schneidezahn, Alveolus obliterirt. Im Oberkiefer sind 6, im Unterkiefer
11 Zähne vorhanden. Unterkiefer klein und zierlich. Stirn gewölbt Tiefe Knochen-
wunde vor dem linken Tuber parietale, eine geheilte quere Fractur läuft in senkrechter
Richtung zur Sutura squamosa herab. Beiderseits ein Processus frontalis squamae tempo-
ralis, rechterseits 15 mm breit, 7 mm lang, linkerseits 13 mm breit, 7 mm lang. Kleine
Processus paramastoidei. Augenhöhleneingang mehr rechteckig. Nasenbeine asymmetrisch,
das linke von der Sutura nasofrontalis abgedrängt, endigt oben spitz : zusammen 7 tnm breit.
Nr. 93. Schädel gelblich, bez. als Nr. 3. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer und
im Unterkiefer je 5 vorhanden. Schwacher Torus frontalis medianus. Die Sutura sagit-
talis zeigt in der Mitte ihrer Länge einen flachen EindrucL Condyli occipitales mndlick,
gross, steil. Kleine Processus paramastoideL Kleine Crista basilaris an der unteren
Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis. Lamina lateralis des linken Processus pterygoides
sehr breit, 26 firni, daselbst ein Foramen pterygospinosum. Sutura palatina mediana etwas
nach links convex. Niedrige Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars
horizontalis beider Ossa palatina. Nasenbeine asymmetrisch, mehr sagittal gestellt, zu-
sammen oben 10 mm breit: das rechte greift mit einer Zacke an der Sutura nasofh>ntalLN
nach links hinüber. Inwendig sind die unteren Ränder der Arcus zygomatici etwas gezackt
ebenso finden sich starke Riffe für Muskelansätze an den Anguli mandibular Grosse Pro-
cessus marginales.
Nr. 94. Schädel gelblich, bez. als Nr. 4. Nähte erhalten, Zähne wenig abgeschliffen,
Weisheitszähne fast gar nicht, im Oberkiefer 7 vorhanden. Kleine postmortale Durch-
(543)
bohrnngen der Squama temporalis. Schwacher Toms frontalis. Schwacher Toms occi-
pitalis transyersQS. Condjli occipitales rundlich, tief hinabragend. Grosse höckrige Pro-
cessus paramastoidei. Kleiner medianer Snlcns an der unteren Fläche der Pars basilaris
088. occipitalis. Spitze Zacken am hinteren Bande der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Der knöcherne Gaumen ist nach oben tief ausgehöhlt. Schwache Processus
marginales.
Nr. 95. Schädel braunröthlich bemalt, bez. als Nr. 2, found near Manlj, Port Jackson
bei Sydney. Nähte erhalten, Zähne wenig abgeschliffen, Weisheitszähne fast gar nicht Im
Oberkiefer fehlen 6 Zähne. Schwacher Toms frontalis medianus. Linkerseits sagittale
Exostosen nahe der Mitte der Länge der Sutura coronalis. Starker Toms occipitalis trans-
versns. Die Lineae temporales superiores reichen über die Tubera parietalia hinauf.
«
Zackige Processus paramastoidei. Scharfe; 5 mm hohe Cristae palatinae transrersae am
hinteren Rand der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Rechtes Nasenbein oben 10 mm^
das linke nur 7 mm breit. Augenhöhleneingang beiderseits mehr viereckig. Foramina
infraorbitalia sehr weit, damnter längliche Gmben.
Nr. 96. Schädel bräunlich, bez. als Nr. 3, near Manly, Port Jackson, im Sande be-
graben. Nähte erhalten, Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer sind die beiden medialen
Schneidezähne frühzeitig entfernt worden, der Kieferrand ist scharf. Im Unterkiefer
fehlen 5 Zähne. Dicht hinter der Sutura coronaria eine tiefe Gmbe in der Sutura sa-
gittalis, etwa 15 mm im Durchmesser, von einer Verletzung herrührend. Grosse flache
Auflagerang nahe oberhalb des rechten Tubor parietale. Schwacher Toms frontalis medi-
anus, sehr starker Toms occipitalis transversus. Sehr starke und scharfe Lineae nuchae
superiores, starke Protuberantia occipitalis externa und scharfe Crista occipitalis externa.
Breite höckrige Processus paramastoidei. Sehr starke Crista infratemporalis dextra. Fora-
mina oTalia sehr rundlich. Andeutung eines Toms palatinus transversus. Scharfe hohe
Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Spina nasaUs anterior sehr stark, doppelt.
Nr. 97. Schädel braun, bez. als Nr. 4. Nähte theilweise verstrichen. Zähne abge-
schliffen. Im Oberkiefer fehlen 5, im Unterkiefer 9 Zähne. Deutlicher Torus frontalis
medianus. Kleine flache glatte Exostose über der Mitte der rechten Hälfte der Sutura
lambdoides am Os parietale dextmm. Sehr starker Toms occipitalis transversus, Pro-
tuberantia occipitalis externa 9 mm hoch. Niedrige Processus paramastoidei. Scharfe
Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Der Processus alveolaris maxillae um 11 mm hinter dem Weisheitszahn verlängert; in
der Mitte dieser Verlängerang befindet sich linkerseits eine kleine trichterförmige Höhlung.
Dach der rechten Orbita verletzt. Abgemndete Processus marginales. Sutura interaasalis
in ihrer oberen Hälfte verwachsen.
Nr. 98. Schädel gelblichbrann, bez. als Nr. 6. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen.
Im Oberkiefer fehlen die mittleren Schneidezähne, im Unterkiefer 4 Zähne. Toms occi-
pitalis transversus; derselbe hat linkerseits einen queren Wulst, der hervorragt; die Pro-
tuberantia occipitalis externa ist in sagittaler Richtung verdoppelt Lineae nuchae inferiores
erstrecken sich als erhabene Cristae gekrümmt weit nach abwärts zu den Incisurae mastoi-
deae. Die Ala magna oss. sphenoidalis und der Angulus sphenoidalis oss. parietalis be-
rühren sich rechterseits nur in 2 mm Ausdehnung. Die Condyli occipitales sind hoch,
haben aber relativ kleine, nach hinten und lateralwärts gerichtete Gelenkflächen. Linker-
seits ein grosser überknorpelter Processus paramastoideus. Laminae laterales der Pro-
cessus ptei^goides sehr breit Spina mentalis sehr stark, doppelt Ossa nasi nur 12 mm
lang. Dicke grosse Processus marginales.
Nr. 99. Schädel gelblich, bez. als Nr. 7. Nähte theilweise verstrichen. Zähne wenig
abgeschliffen, namentlich die Weisheitszähne. Im Oberkiefer fehlen 6 Zähne, einer ist
cariös; in der Gegend des linken Eckzahnes eine grosse, rundliche, durch Eiterung ver-
anlasste Höhlung. Im Unterkiefer fehlen 11 Zähne. Nasenbeine in ihrer unteren Hälfte
durch eine Fractur eingedrückt und unregelmässig verwachsen. Corpus der rechten
Maxilla theilweise zerstört. Sehr starker Toms occipitalis transversus. Condyli occipitales
(544)
sehr flach. Niedrige Processus paramastoidei. Kleines Tubercnluin pharyngenm in der
Mitte der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis. Torns palatinus transTersus
angedeutet.
Nr. 100. Schädel grau, bez. New Castle from Mr. Hin de. Inwendig Bindfaden-
Vorrichtung zum Aufhängen. Nähte verstrichen. Zähne stark abgeschliffen. Im Ober-
kiefer der linke mediale Schneidezahn frühzeitig entfernt, Knochenrand scharf. Es fehlen
6 Zähne; im Unterkiefer sind 3 vorhanden. Arcus zygomatici abgebrochen. Stirn zurück-
tretend, Hintorhaupt vorspringend. Breiter Torus occipitalis transversus. Rechterseita
Processus frontalis der Squama temporalis, 12 mm lang, 10 mm breit Linkerseits eine
Knochennarbe hinter dem unteren Ende der Sutura coronaria. welche einen ähnlichen Pro-
cessus an seinem Ursprünge quer abgetrennt hat. Kleine Processus paramastoidei.
Torus palatinus medianus an den Ossa palatina. Nasenbeine schmal, zusammen 7 mm
breit.
Nr. 101. Schädel gelblich. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen, die Weisheitszähne
nur wenig. Es fehlen im Oberkiefer die beiden mittleren Schneidezähne. Rechter Arcus
zygomaticus abgebrochen, laterale Wand der rechten Orbita zerstörte Breiter Torus occi-
pitalis transversus. Kleine Processus paramastoidei Laminae laterales der Processus
pterjgoides sehr breit Anstatt eines Torns palatinus medianus findet sich eine kleine
Crista palatina mediana längs des hinteren Endes der Sutura palatina mediana, und niedrige
Cristae palatinae transversae sitzen am hinteren Rand der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Nasenbeine mehr sagittal gestellt, oben 7 mm breit.
Nr. 102. Schädel weisslich. From Hawkesbury, injury in forehead by Tomahawk.
Grosse flache Exostosen und Vertiefungen auf der Squama frontalis. Flache Eindrücke
an der Spitze der Squama occipitalis, daselbst eine rundliche, 20 mm grosso tiefe Knochen-
narbe. Flache Eindrücke auch in der Mitte der Länge der rechten Hälfte der Sutura
coronaria: letztere grösstentheils verstrichen. Eingang der rechten Orbita lateralwärts sehr
viel höher, als medianwärts, in Folge der Stirnbeinfractur. Kleine Knochennarbe oberhalb
der Mitte der rechten Linea temporalis inferior. Niedriger Torus occipitalis transversus.
Kleine tiefe Fovea pharyngca in der Mitte der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occi-
pitalis. An der Sutura palatina mediana vom und hinten kleine, sagittal gestellte Cristae.
Grosse Processus mai^rinales an beiden Jochbeinen.
Nr. 108. Schädel bez. als Nr. 5. Aufgesägt, macerirt, oben gelblich, unterer Theil
weiss. Obere Weisheitszähne eben durchgebrochen, die Verlängerung des Processus alveo-
laris hinter denselben beträgt nur 3—4 mm. Im Oberkiefer der rechte mittlere Schneide-
zahn frühzeitig entfernt, Kieferrand scharfkantig; linkerseits fehlen 4 Zähne. Im Unter-
kiefer ist der rechte Eckzahn sehr gross, linkerseits ein Molarzahn cariös, es fehlen 5 Zähne.
Niedriger Torus occipitalis transversus. Kleine Processus paramastoidei. Cboanae niedrig.
Die Pars horizontalis des rechten Os palatinum ragt ein wenig weiter nach vom, als die
des rechten. Niedrige Cristae palatinae transversae am hinteren Bande der Pars hori-
zontalis beider Gaumenbeine. Starke Processus marginales. Im Inneren des Schädels sind
die Schädellöcher ziemlich weit. Das Dach der rechten Orbita sehr dünn und zerstört
Juga cerebralia entwickelt. Foramen caecum sehr weit, trichterförmig. Processus clinoidei
anteriores sehr kräftig, zwischen beiden ein medianes Tuberculum. Fossa hjpophyseot in
sagittaler Richtung sehr lang. Dorsum sellae sehr hoch und dünn. Processus clinoid«i
posteriores lang und dünn. Eminentia arcuata des Canalis semicircularis superior der
Felsenbeinpyramiden sehr stark ausgebildet.
Nr. 104. Schädel weiss, bez. Cygnet Bay, von Capt H. Uilliard. Nähte erhalten.
Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer die beiden medialen Schneidezähne frühseitig entfernt
Kieferrand daselbst scharf. Es fehlen auch die beiden lateralen Schneidosihne nnd
die Weisheitszähne, im Unterkiefer 9 Zähne. Schwacher Toms frontalis roediami».
Niedriger Toms occipitalis transversus. Beiderseits Schaltknochen in der SchUfeii-
fontanelle, rechterseita 20 mm lang, 4 mm hoch, linkerseits 2(i mm lang, 6 mm hoch. Kleine
Schaltknochen in der hinteren Seitenfontanelle. An der Spitze der Squama occiplUlis
eiu 15 mm grosses, unregelmSssiges Os interparietale. Jederseits zwei Foraroina mattoidc«.
(545)
Cftnales hypoglossi sehr weit Kkine höckerige Processus paramastoidei. Kleine Fovea
Ipharjngea in der Mitte der aateren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis. Hohe und
^scharfe Cristae palaÜDAe transvenae am hinteren Rande der Pars honzontalis beider
-Gaumenbeine und klriiie Höcker beiderseits in der Sutura palatina transversa. Nasen-
beine zusammen 9 mm breit Rechterscits ein kleiner Schaltknochen am vorderen Ende
•der Fissura orbitalis inferior.
Nr. 105. Schidol gelblich, bei. VH, von Goraldton, by Mr. C. Elliot, died of
imeaslcs 1868. Nähte verstrichen, Zähne wenig abgeschliffen, der linke obere Weisheitszahn
4^BT nicht. Im Oberkiefer 4, im Unterkiefer nur 1 Zahn vorhanden. Unterkiefer niedrig, 25 mm
'hoch, Alveolen sind erhalten. Undeutlicher Torus frontalis medianus. Starker Toms occipitalis
ttrans versus. Die Squama occipitalis hat recht crseits eine quere postmortale Spalte. Linkerseits
•ein etwa 2 cm grosser Schaltknochen in der Schläfcnfontanclle. Niedrige Processus para-
mastoidei. Starkes, 5 mm langes, 3 mm breites Tuberculum in der Mitte des vorderen
Bandes des Foramen occipitale magnum horizontal nach hinten ragend. Die Pars hori-
sontalis des linken Os palatinum ragt weiter nach hinten als die des rechten. Schwache
Frocessns marginales der Jochbeine.
Kr. 106. Schädel weiss, bez. Naununi tribe, Murchisondistrict, ausgegraben von
Mr. Streich, 1895. (YergL Schädel Nr. 25.) Nähte erhalten, Zähne sehr abgeschliffen. Im
Obca-kiefer fehlen 3, im Unterkiefer 8 Zähne. Rundlicher Höcker von 6 mm im Durch-
messer am hintersten Ende des rechten, hinter dem Weisheitszahn noch 13 mm langen Pro-
cessus .alveolaris des Oberkiefers. Links beträgt die Verlängerung 15 mm und darin befindet
sich -eine leere kloine Höhlung. Undeutlicher Toms frontalis medianus. Flacher Torus
occipüab's transversus. Lineae temporales superiores stärker, als die inferiores. Schalt-
knocben in der hinteren linken Seitenfontanelte. An der unteren Fläche der linken Hälfte
des Foramen occipitale *magnum ein grösseres, rechterseits ein kleineres Tuberculum.
ForamioA ovalia weit und rundlich. An den Partes horizontales der Gaumenbeine ein
flacher Torus palatinus medianus.
Nr. 107. Schädel weiss, von Cygnet Baj, vergL Nr. 104. Nähte erhalten. ' Zähne
wenig abgeschliffen, Weisheitszähne fast gar nicht; der rechte im Unterkiefer cariös.
Rechterseits hinter dem oberen Weisheitszahn in der 11 mm langen Verlängerung des Pro-
cessus alveolaris eine kleine, in der Achse der Zahnreihe gelegene, 2 mm grosse, mit einem
centralen, nach oben fuhrenden Loch versehene Höhle. Beide mediale Schneidezähne frQh-
seitig entfernt, Kieferrand scharf. Im Oberkiefer 8, im Unterkiefer 13 Zähne vorhanden.
Undentlicher Torus frontalis medianus. An der linken Hälfte der Squama frontalis grosso,
gelbe, von Maceration herrührende Flecken. Starker Torus occipitalis transversus. Oberes
Ende der Alae magnae sehr breit, rechterseits 36 mm^ linkerseits 35 mm. An beiden Seiten
der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis schräge Cristae. Lamina lateralis
des rechten Processus pterjgoides sehr breit Andeutung eines Torus palatinus trans-
versus. Hohe und scharfe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars hori-
sontalis beider Gaumenbeine. Breite Processus marginales der Jochbeine.
Nr. 108. Schädel grau, von Charlotte Waters. Weiblich. Linker Jochbogen und
Nasenbeine zerbrochen. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Rechter medialer
Schneidezahn frühzeitig entfernt, Kieferrand scharf. Im Oberkiefer 5, im Unterkiefer'
6 Zähne, meist nur Wurzeln vorhanden. Spur einer Sutura frontalis. Schwacher Torus
frontalis medianus. Schräg herablaufende Knochennarbe des rechten Os parietale. Breiter
Toros occipitalis transversus. Rechterseits stossen die Squamae frontalis und temporalis
mit dem Os parietale und der Ala magna in einem 1 mm breiten Punkte zusammen. Die
Lineae temporales superiores sind stärker, als die inferiores. Hinter beiden Condjli occi-
pitales am S^itcnrande des Foramen occipitale magnum je ein kleines Tuberculum.
Knöcherner Gaumen sehr flach. Torus palatinus transversus in einem stumpfen, nach vom
offenen Wiukel verlaufend. Nasenbeine oben zusammen nur 8 mm breit.
Nr. 109. Schädel mit röthlicher Farbe bemalt gewesen, von Dalj River. Von Zähnen
nur die Wurzel eines Molarzahnes im Oberkiefer vorhanden. Verlängerung des Processus
alveolaris hinter den Weisheitszähnen, 12 mm lang und sehr breit. Schädel vom Scheitel
Verband], der R«rl. Aothropol. OeselUchaft 1897. 85
(546)
ans Dach hinten und vorn abfallend. Schwacher Tonis frontalis medianns. Hoher schmaler
Toms occipitalis transversus. Höckerige Processus paramastoidei Andeutungen eines Toms
palatinus transversus. Spitze quergestelltc Zacken am hinteren Rande der Pars horizon-
talis beider Gaumenbeine. Nasenbeine schmal, zusammen 9 mm breit. Breite Processus
marginales
Nr. 110. Sch&del weiss, macerirt, von New Castle Waters, bj Mr. Rarenscraft.
Am linken Processus condjloides mandibulae eine Höckerbildung, wie von Arthritis dcformans.
Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Die beiden mittleren Schneidezähne frühzeitig
entfernt, der Rand des Processus alveolaris scharf und verkürzt. Im Oberkiefer 5 Zähne
vorhanden. Hoher und breiter Toms occipitalis transversus Oberer Rand der Alae magnae
sehr breit, an seinem vorderen Ende joderseits ein kleiner Schaltknochen zwischen der Ala
magna, dem Processus zjgomaticus oss. frontalis und dem Processus frontalis oss. zjgomatici.
der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis ein medianes Tuberculum pharjn-
geum, davor eine flache Fovea pharjngea, zu beiden Seiten von jenem Tuberculum joder-
seits ein kleiner Höcker am Scitenrande der Pars basilaris. Andeutimg eines Toms pala-
tinus transversus. Niedrige Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars
horizontalis beider Gaumenbeine. Nasenbeine asymmetrisch, das rechte oben viel breiter.
Nr. 111. Schädel bräunlich, bez. als Woolnah Tribe, Adelaide River, noar Port Darwin.
Linker Jochbogen zerbrochen. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen. Dieser Stamm schlägt
keine Zähne aus, macht keine Mika-Operation und keine Circumcision (Stirling). Im Ober-
kiefer fehlen 2 Zähne. Kurzer hoher Toms occipitalis transversus. Beiderseits Schalte
knochen in der Schläfenfontanelle, rechterseits 28 mm lang, 0 mm hoch, linkerseits 23 tnm
lang, 8 mm hoch. Kleine Processus paramastoidei. Scharfe Cristae palatinae transveraao
am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Rechtwinklige Processus
marginales. Die Foramina mentalia liegen weit hinten, unter dem ersten Molarzahn des
Unterkiefers.
Nr. 112. Schädel bräunlich, verwittert, vom Unallah tribe (called also Janich tribc),
Port Esington, ldb2 erhalten. Männlich, 25 Jahre. Rechter Jochbogen zerbrochen. Nähte
vorhanden, Zähne wenig abgeschliffen. Zahlreiche kleine Schaltknochen in der gezackten
Stelle der Sutura coronaria. Grosse Vertiefung am oberen Rande der Spinae supra meatum.
Kleiner Schaltknochen in der rechten Schläfenfontanelle, 4 mm lang, 2 mm hoch. Hoher
Toms occipitalis transversus. Protuberantia occipitalis externa ausgedehnt, aber niedrig;
Lineae nuchae superiores zu hohen scharfen Cristae entwickelt. Grosse Processus para-
mastoidei. Scharfe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horizontalit
beider Gaumenbeine. Gaumen sehr gewölbt. Ossa nasalia sehr lang, linkerseits ein grosses
Foramen nasale.
Nr. 113. Schädel gelblichweiss, dick und schwer, von Parallana, bj R Hawker.
Nähte erhalten, Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer 7, im Unterkiefer 8 Zähne vorhanden,
einer davon cariös. Tuberculum articulare des rechten Os temporale durch Arthritis
deformans vorändert, in sagittaler Richtung nach vom verlängert, ebenso der rechte Pro-
cessus condjloides ntandibulae, beide abgeschliffen. Tubera parietalia deutlich, Ossa
parietalia seitlich abgeflacht, auf denselben zwei kleine rundliche Hügel. Hoher, schmaler,
höckeriger Toms occipitalis transversus. Rechterseits dicht neben der Protuberantia occi-
pitalis externa ein grosses Foramen nutricium. Schaltknochen der rechten Schläfenfontanelle
37 mm lang, 11 mm hoch Linkerseits erreicht die Ala magna das Os parietale, aber dicht
an ihr befindet sich in der Sutura squamosa ein 7 mm langer, 4 mm hoher Schaltknocben;
ein ähnlicher auch in der rechten hinteren Seitenfontanelle. Kleine Höcker anstatt etnea
Toms palatinus transversus. Niedrige Cristae palatinae transversae am hinteren Rande
der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Kleine scharfe Processus marginales.
Nr. 114. Schädel grau, von Parallana, bjR. Hawker. Schädel scaphocephal. Flache,
quere Knochennarbe auf dem rechten Os parietale, nach hinten und medianwärts vom
Tuber parietale sich erstreckend. Der rechte Jochbogen zerbrochen. Nähte verstrichen.
Am Oberkiefer ist die Verlängerung des Processus alveolaris hint«r dem Weisheitssahn
12 mm lang und 13 mm breit, mit einem medianwärts und nach hinten gerichteten H5cker
(547)
yersehen. Hinter letzterem ein nach anten offenes, nach oben sich in einen Canal fort*
setzendes Loch, von vom nach hinten 2 mm lang, 1,5 mm in querer Richtung breit und
2m»n tief, mit glatten Wunden; es ist in der Achse der Zahnreihe gelegen Im Oberkiefer
4 Zähne, im Unterkiefer 8 vorhanden, davon 2 cariös. Breiter, hoher Torns occipitalis
transversns. Condyli occipitales sehr flach. Kleine Höcker anstatt der Processus para-
mastoidei. Foramina ovalia rundlich.
Nr. 115. Schädel gelbbraun, from Pina Creek. Stirn gerundet. Ossa parietalia
nach hinten abfallend. Nähte erhalten. Zähne abgeschlififon. Im Oberkiefer fehlen 6,
im Unterkiefer 8 Zähne. Schwacher Toms frontalis medianus. Breiter Toms occipitalis
transversus. Beiderseits ein Processus frontalis der Squama temporalis, beiderseits Sf/im
lang, 12 mm breit. Niedrige und scharfe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande
der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Sehr kleine Schaltknochen in der Sutura naso-
frontalis. Nasenbeine sehr kurz, nur 15 mm lang, dabei schmal.
Nr. 11(>. Schädel grau, vom Larrakeah Tribe, South Port, near Port Darwin, September
1882. Weiblich. Stirn gemndct. Nähte erhalten. Zähne nicht abgeschliffen, Weisheits-
zähne eben durchgebrochen. Linkerseits hinter denselben in der Achse der Zahnreihe eine
8 mm breite, 6 mm hohe glattwandige Höhle, die rechterseits sehr wenig grösser erscheint;
die Verlängerung des Processus alveolaris nach hinten beträgt 4 mm. Linkerseits fehlt
der laterale obere Schneidezahn. Synchondrosis sphenooccipitalis klaffend. Linkerseits
ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, 23 mm lang, 10 mm hoch. Schwacher Toms
^ontalis medianus. Flacher Torus occipitalis transversus. Tiefe Fovea pharyngea am
vorderen Ende der unteren Fläche der Pars basilaris oss occipitalis. Furamen incisivum
«ng. Andeutung des unteren Endes einer Sutura frontalis, 8 mm lang. Schaltknochen in
der linken Hälfte der Sutura nasofrontalis. Linkes Os uasale 26 mm lang, Nasenbeine zu-
sammen 10 mm breit.
Nr. 117. Schädel weiss, vom Larrakeah Tribe, South Port, near Port Darwin, young
Female, September 1882. Nähte erhalten, Zähne wenig abgeschliffen, einige etwas un-
regelmässig gestellt, Weisheitszähne noch nicht durchgebrochen. Eine Gefässrinne fuhrt
beiderseits hinter dem zweiten Molarzahn in die Höhle des Weisheitszahnes. Starker
Torns frontalis medianus. Tubera fron*alia sehr ausgesprochen. Starker hoher Toms
occipitalis transversus. Kleine Höcker statt der Processus paramastoidei Starke Cristae
palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Nasen-
heine sehr lang, in der Medianlinie 19 mm, am lateralen Rande 22 mm lang, oben zu-
sammen 8 mm breit. Deutliche Processus marginales der Jochbeine.
Nr. 118. Schädel weiss, macerirt, vom Moolioongali Tribe zwischen South Port and
Yam Creek, April 1882. Etwa 30 Jahre alt, weiblich. Schädel hoch in der Frontalebene
der hinteren Scitenfontanellen Die Thränenbeine sind zerstört Nähte erhalten. Zähne
wenig abgeschliffen Im Oberkiefer fehlen 5 Zähne, im Unterkiefer steht der linke zweite
Praemolarzahu etwas schief, der erste Molarzahn ist cariös. Massiger Toms frontalis medianus.
Kleiner Processus frontalis squamae temporalis rechterseits, 3 ihtn lang, 2 mm breit. Grosse
^arke Processus paramastoidei. Andeutung eines Toms palatinus transversus. Abgerundete
Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. \Vd, Schädel gelblich, sehr kräftig, von Streaky Bay, durch Rev. F. Tower.
Knochennarbe von 22 mm Länge, 1 1 mm Breite in sagittaler Richtung ao der linken Seite
der Squama frontalis, in der Mitte der Länge der Sutura coronaria. Kleinere Knochen-
narbe oberhalb des linken Tuber frontale. Rechter Arcus zygomaticus beschädigt. Nähte
beginnen zu verstreichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 5 Zähne. Schädel
«n der Squama frontalis dachförmig, starker Torus frontalis medianus Sehr hoher und
starker Torus occipitalis transversus, er entspricht den Lineae nuchae superiores. Ober-
halb desselben und dicht hinter dem hinteren Ende der Sutura sagittalis verläuft ein
zweiter oberer flacher Torus occipitalis transversus Lin^^ae temporales superiores sind stärker,
als die inferiores, und reichen aufwärts bis >>0 mm lateralwärts von der Sutura sagittalis.
Lange Processus paramastoidei. Hohe und scharfe Cristae palatinae transversae am
hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Augenhöhlen ziemlich recht-
35*
(548)
winklig viereckig. Linkerseits zwei Incisnrae frontales und eine Incisnra sapraorbiUlis.
Sutura nasaÜB Terwachsen. Ossa nasalia lateralw&rts 29 mm lang, oben zosammen 11 mm
breit. Abgerundete Processus marginales der Jochbeine.
Kr. 120. Schädel weiss, macerirt, bez. Cantara, Sonth East Ton Südaustralien, firom
platform (vgl. bei Nr. 121). Nähte beginnen zu verstreichen. Zähne sehr abgeschlifien.
Im Oberkiefer fohlen 4 Zähne. Processus alveolaris der rechten Maxiila hinter dem Weisheits-
zahne 9 mm lang, enthält eine kleine glattwandige Alveole, unten 4 mm weit und ebenso
hoch, sie steigt schräg lateralwärts auf und setzt sich in einem engen Knochencanal fort.
Weisheitszahn klein. Flacher Toms frontalis medianus. Starker Torus occipitalis trana-
versus. Rechterseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, 25 mm lang, 5 mm breit.
Linkerseits ist der obere Rand der Ala magna 34 mm lang, seine hintere Hälfte verbindet
sich mit dem Os parietale. Kleine Processus paramastoidei Der Processus styloides
lang und dick, besteht rechterseits aus zwei, linkerseits aus drei Stücken. Spuren dea
unteren Endes einer Sutura frontalis.
Nr. 121. Schädel weiss, macerirt, bez. Cantara, South East von Südaustralien, from
platform (einem Gerüst auf 3 Holzbalken zum Aussetzen der Leichen, vgl Nr. 120). Zähne
abgeschliffen. Linkerseits hinter dem Weisheitszahn in der 7 mm langen Verlängerung
des Processus alveolaris maxillae eine glattwandige, 4 mm weite, 6 mm hoho Höhlung, die
sich nach oben in einen Enochencanal fortsetzt Rechterseits eine ähnliche kleinere
Höhle, die Stelle ist aber zerstört. Im Oberkiefer fehlt der laterale linke Schneidezahn,
im Unterkiefer fohlen 4 Zähne, einer ist cariös. Flacher Torus frontalis medianus, deut-
licher Torus occipitalis transversus. Ein kleiner Höcker jederseits an Stelle eines Pro-
cessus paramastoideus. Spuren einer Sutura frontalis, 17 mm nach oben reichend. Kleine
Schaltknochen in der Sutura nasoürontalis. Das linke Nasenbein oben breiter, als daa
rechte. Abgerundete Processus marginales.
Nr. 122. Schädel weiss, macerirt, von einem 20jährigen Manne, dessen Skelet 192cm
hoch ist; ein civilisirter Schwarzer, der Glacehandschuhe trug. Sein Bruder war noch
grösser. Schädel nicht besonders gross, nur der Unterkiefer gross, dick, massiv, vom
38 mm hoch. Nähte erhalten, Zähne wenig abgeschliffen. Weisheitszähne des Oberkiefers
noch nicht durchgebrochen. Stim zurückliegend. Flacher Torus frontalis medianus.
Hoher und schmaler Torus occipitalis transversus. Der obere Rand der Ala magna lang,
rechterseits 32 mm, geht in einen langen, 8 mm breiten, nach hinten gebogenen Fortsatz
über, der sich mit dem Os parietale verbindet. Foramen occipitale magnum sehr weit
Am rechten unteren vorderen Ende der lanea nuchae inferior eine starke Crista, ebenso
schräge Cristae musculares am Seitenrande der unteren Fläche der sehr langen Pars ha-
silaris oss. occipitalis. Niedrige Cristae palatinae transvenae am hinteren Rande der
Pars basilaris oss. occipitalis. Processus marginales der Jochbeine, sehr lang, gross
und dick.
Nr. 123. Schädel gelbbraun, bez. Woolnah Tribe, from Adelaide River, near Port
Darwin, 45 Jahre alt. Collection Stirling. Nähte theilweise verstrichen. Im Oberkiefer
fehlen 1, im Unterkiefer 2 Schneidezäline. Colossaler, 15 mm dicker Wulst an der Gla-
bella. Stim sehr zurückweichend, Torus frontalis medianus. Hoher und dicker Torus
occipitalis transversus. Seitliche Abflachung der Ossa parietalia. Am hinteren Rande des
Poramen occipitale magnum jederseits kleine Knochen Wucherungen. Scharfe Cristae trans-
versae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Grosse und dicke
Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. 124. Schädel weisslich, von einem weiblichen Skelet; Frau des Mannes Nr. 1S6.
Stim mehr gewölbt, Fossae caninae viel tiefer, Tubera parietab'a deutlicher, Cristae ebenso
ausgeprägt, wie bei Nr. 120. Wäre nicht als weiblich zu erkennen gewesen. Knochen*
narbe in der Mitte der Stim, von einer Verletzung herrührend. Flacher, 20 mm grosser
Hügel im hinteren Theile der Sutura sagittalis. Nähte zum Theil verstrichen. Zähne ab-
geschliffen, einige cariös. Im Oberkiefer fehlen 2, im Unterkiefer 3 Zähne. Breiter imd
flacher lorus occipitalis transversus. Lioeae temporales superiores und inferiores sehr
deutlich. Condjli occipitales sehr gross und hoch.
(549)
Nr. 125. Schädel grau, von Yorks Peninsula, weiblich. Rechter Jochbogen abgebrochen.
N&hte verstrichen. Zähne abgeschliffon. Im Oberkiefer fehlen 4, im Unterkiefer 6 Zähne.
Schwacher Toras frontalis mcdianns. liinkerseits ein breiter Processus frontalis squamae
temporalis, rechterseits erreicht die Spitze der Ala magna die Squama temporalis. Jeder-
seits zwei kleine Höcker an Stelle von Processus paramastoidei. Ossa nasalia ganz oben am
schmälsten. Abgerundete Processus marginales der Jochbeine. Foramina mentalia sehr weit.
Nr. 126. Schädel weissllch. Mann der Frau Nr. 124. Nasenwurzel wenig eingedrückt.
Arcus superciliares und Nasenbeine durch eine Verletzung zertrümmert, letztere schief an-
geheilt Länge der Schädelbasis unsicher, weil die Nasenwurzel pathologisch verändert ist
DeutUcher Toms frontalis medianus. Sehr hoher und dicker Toms occipitalis transversus.
Andeutung eines Toms palatinns transversus. Hohe und scharfe Cristae palatinae trans-
versae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Jochbeine.
Nr. 127. Schädel, found upon a platform on a dried bodj at Coorong in South Australia
1896, eingehüllt in Netze, daher nicht zu messen.
Nr. 128. Schädel eines Häuptlings, des sog. King Billy. Knocbennarbe rechts neben
der Medianlinie in der halben Höhe der Squama frontalis, eine kleinere über dem linken
Arcus superciliaris. Arcus superciliares ausserordentlich stark vorspringend. Glabella
dazwischen tief eingedrückt Zähne abgeschliffen. Deutlicher Toms frontalis medianus.
Ossa parietalla seitlich abgeflacht, Schädel scaphocephaL Protuberaiitia occipitalis externa
und Lineae nuchae superiores bilden zusammen einen starken Turus occipitalis transversus.
Deutliche Lineae temporales superiores und inferiores. Cristae supraroastoideae vorspringend
und dick. Grosse dicke Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. 129. Schädel wcisslich, macerirt, schwer, von Cantara, from platform, vergl.
Nr. 120 u. 121. Nähte erhalten. Zähne abgcschlilTen. Im Oberkiefer fehlen 10 Zähne.
Starker hoher Toms occipitalis transversus. Medianwärts neben dem linken Processus
mastoides ein kleinerer Processus mastoides accessorius. Andeutung eines Toms pala-
tinns transversus. Niedrige Cristae palatinae transversao am hinteren Rande der Pars hori-
zontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 130. Schädel weiss, von einer Plattform stammend. Zähne erhalten. Weisheits-
zähne noch nicht ganz durchgebrochen. Hinterhauptsschuppe stark nach hinten hervor-
ragend. Rechtes Os nasi oben etwas breiter als das linke. «
Nr. 131. Schädel weissgelblich, aus einem Grabe im Sande, von Salt Crcek, Coorong,
mit einigen Skeletknochen. Stirn sehr breit. Postmortale Erosionen an der rechten Seite
der Squama frontalis. Knochennarbe in der Gegend des linken Tuber frontale. Nähte
theilwcise verstrichen. Zähne abgeschliffen. Drei Schneidezähne fehlen im Oberkiefer.
Starker breiter Toms occipitalis tran8\er8us. Os interparietale an der Spitze der Squama
occipitalis, 12 mm hoch, oben 16 mm, unten an seiner Basis 8 mia breit. Rechterseits ein
Processus frontalis squamae temporalis, 6 mm lang, 9 mm breit Starke Crista basilaris,
davor eine flache Fovea pharyngea und jederseita ein Tubcrculum am lateralen Rande der
unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis. Toms palatinus medianus an der Pars
horizontalis beider Gaumenbeine. Das linke Nasenbein ist oben breiter als das rechte:
9 bezw. 4 mm; beide zusammen sind weiter unten nur 9 mm breit.
Nr. l.'fö. Schädel von Coorong, presented by Mr. Morgan. Nähte fangen an zu ver-
streichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 4, im Unterkiefer 2 Schneidezähne.
Innenwände der rechten und linken Augenhöhle theilweise zerstört Sehr starker und breiter
Toms occipitalis transversus. Linkerseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle,
8 mm hoch, 7 mm breit Foramina ovalia sehr weit Kleine Cristae palatinae transversae
Mm hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Unteres Ende der Sutura
frontalis, 12 mm weit zu erkennen. Rechtes Nasenbein etwas breiter, als das linke. Sutura
intemasalis oben nach links convex ausgebuchtet.
Nr. 133. Schädel graubräunlich, von Pillawater Station, Port Lincoln an der Sfid-
küite von South Australia, lBb3. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer
fehlen 5 Zähne. Toms frontailis medianus. Zwei Foramina parietalia in der verstrichenen
Sutura sagittalis, 11 mm hinter einander. Starker Toms occipitalis transversus längs der
(550)
Lineae nuchae superiores. ^lehrere kleinere Processus paramastoidei. Cristae infiratem-
porales sehr stark. Schwacher Toms palatinos transyersos, von der Mitte der SeitenhfiKten
der Sutura palatina transversa an sich nach vom umbiegend.
Nr. 135. Schädel grau, von Prof. Watson's Anatomical Department in Adelaide.
Gesicht und Arcus zjgomaticus dexter zerstört. Nähte vorstrichen. Die Zähne fehlen
sämmtlich. Oberhalb der Wurzeln des linken oberen Weisheitszahns eine weite hohlkugd-
formige Höhle, mit der Alveolarhöhle communicirend Die Verlängerung des Processus
alveolaris maxillae hinter dem Weisheitszahn beträgt 12 mm. An der Spitze der Sqnama
occipitalis ein 16 mm hohes, 25 mm breites Os interparietalc. Schwacher Toms frontalis
medianus. Breiter Toms occipitalis transversus. Kleine Höcker an Stelle der Processus
paramastoidei. Am hinteren Rande des Foramen occipitalc magnum eine breite mediane
Ausbuchtung des Randes nach hinten, 3 mm weit in sagittaler Richtung. Linkerseits ein
Foramen pterjgo-spinosum. Schwache Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der
Pars horizontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 187. Schädel weiss, aus Sand ausgegraben, von Meringue, by Dr. Ho wc hin.
Schädelbasis und Gesicht fehlen. Der Jochbogen wurde horizontal gestellt. Nähte ver-
strichen. Stirnbein sehr dick, lA mm; grosse Sinus frontales, wenigstens 30 mm weit
hinaufreichend. Andeutung einer Sutura frontalis. Arcus superciliares sehr vorspringend.
Schwacher Toms frontalis medianus. Durch beide Ossa parietalia geht ein querer Bruch ;
kleine Sprunge in der Squama occipitalis.
Der Schädel hat einige Achnlichkeit mit dem Neanderthaler: Länge 907 : 200; Parietal-
breite 12^:145; Stimbreitc 103:109; Längenbreitenindex 60,7:70,2; jedoch sind die
Parictalbreite und der Längenbreitenindex bei letztcrem beträchtlich grosser.
Nr. 138. Schädel weiss, aus Sand ausgegraben, von Goolwa an der Mündung des
Murray-Flusses. Gesicht und Unterkiefer fehlen. Die Jochbogen wurden horizontal ge-
stellt. Schädelknochen sehr porös. Stirnhöhlen weit. Glabella sehr stark vorspringend^
gar nicht eingedruckt. Die Arcus superciliares selbst nur wenig vorspringend. Schwacho*
Toms frontalis medianus. Starker Toms occipitalis transversus.
Nr. 139. Schädel weiss, found in sandhills, Goolwa, from T. Gill, Treasurj. Nähte
wenig verstrichen. Zähne abgeschlifTen , im Oberkiefer fehlen 9 Zähne. Stim abgerundet^
Arcus superciliares sehr wenig vorspringend. ' Zwei grosse Schaltknochen an der rechten
und linken Hälfte der Sutura lambdoides, rechterseits 50 mm breit, 49 mm hoch, linker-
seits 4r> mm breit, 84 mm hoch. Mitteltheil der Squama occipitalis von der Protaberantia
occipitalis externa an Ol mm weit sich nach oben erstreckend. Starker Toms occipitalis
transversus. Andeutung eines Toms palatinus transversus. Scharfe, hohe Cristae palatinae
transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 140. Schädel gelblichwciss, maccrirt, fest, bez. als Pompej, vielleicht männlich,
from ümheratana, by Mr. Stuckey. Nähte erhalten. Alle Zähne fehlen. Starker, langer
Toms frontalis medianus. Spitze der Squama occipitalis viereckig, 81 mm breit, 24 utm
hoch. Sehr starker Toms occipitalis transversus. Condyli occipitales hoch, abgerandet.
Kleine Processus paramastoidei. Incisurac mastoideae ausserordentlich weit und tief. An-
deutung eines Toms palatinus transversus. Scharfe und hohe Cristae palatinae transversae
am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Starke Cristae an den
Anguli mandlbulae für die Mm. pterygoidei interai.
Nr. 141. Schädel weiss, ßegräbniss im Sande, bez. als Murray native. Oberfläche
charakteristisch rauh und kömig von den durch die Winde daraufgeblasenen Sand-
kömchen. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 7, im unter*
kiefcr eben so viele Zähne. Starker Toms occipitnlic transversus. Toms palatinus medianus.
Sehr hohe Cristae palatinae transversae längs der Pars horizontalis beider Gaumenbeine«
Nr. 142. Schädel graugelblich, mürbe, from Silverton, presented by J. Allen. Nähte
meist erhalten, .Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer und im Unterkiefer fehlt je ein Zahn.
Schwacher Torus frontalis medianus. Tubera parietalia sehr deutlich. Sehr entwickelter
Toms occipitalis transversus. Massig grosso Processus paramastoidei. (^hoanae sehr
niedrig. Toms palatinus medianus längs der vorderen Hälfte der Partes horiiontalca der
(551)
Ganmeubeine. Die hintere Hälfte der Sntura palatina mediana ist verwachsen. Hohe
scharfe Cristae palatinae transversae längs der hinteren Ränder der Pars horizontalis beider
Gaamenbeine. In der Glabella Andeutung einer Sutura frontalis. Bochterseits sitzen das
Foramen snpraorbitale nnd die Incisnra frontalis ganz nahe beisammen.
Nr. 148. Schädel gelblichweiss, dick, schwer, von Talcmo, River Darling, from
Miss Sadleir. Enochennarben auf der Squama frontalis. Nähte verstrichen. Zähne ab-
geschliffen. Im Oberkiefer der mediale rechte Schneidezahn frühzeitig entfernt, Kieferrand
scharf. Es fehlen 4, im Unterkiefer 5 Zähne; einige Zähne sind cariös. Linkerseits hinter
dem oberen Weisheitszahn ein grosser Höcker am Processus alveolaris. Schwacher Toros
frontalis medianus. Schmaler Toms occipitalis transversus. Starke, sagittal verlaufende
Cristae beiderseits am untersten Theile der Squama occipitalis. Kleine, mediane Crista
basilaris und schräge Cristae laterales an der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occi-
pitalis. Mehrere kleine Höcker an Stelle von Processus paramastoidei. Sutura intemasalis
nnregelmässig. St^u-ke Cristae an den Anguli mandibulae für die Mm. pterygoidei inteml
Nr. 144. Schädel gelbbraun, von Wentworth , bj Mr. Longson. Quere, postmortale
Verletzungen der Squama frontalis und des Os parietale sinistrum. Beide Arcus zjgo-
matici und die linke Seite des Os sphenoidale zerstört. Auf dem Scheitel eine alte, sagittal ver-
laufende , 80 mm lange Knochennarbe. Sjnchondrosis sphenooccipitalis nicht verknöchert.
Länge der Pars basilaris genau *22 mm. Nähte erhalten. Zähne wenig abgeschliffen. Weis-
heitszähne eben durchgebrochen. Im Oberkiefer fehlen die Schneidezähne, im Unterkiefer
der mediale linke Schneidezahn. Processus condyloides mandibulae rcchterseits ab-
gebrochen. Stirn gewölbt, hoher Toms occipitalis transversus. Condjli occipitales flach.
Lamina lateralis des rechten Processus ptcrygoides sehr breit, 20 f/ii/?, links ebenso. Gaumen
sehr gewölbt. Das rechte Nasenbein oben schmaler, als das linke; die Sutura inter-
nasalis biegt sich daselbst nach rechts um.
Nr. 145. Schädel gelblichweiss, von Talemo, River Darling, from Miss Sadleir
(vergl. Nr. 148), weiblich. Stim gerundet Augenhöhlen mehr mndlich, Nähte beginnen
zu verstreichen. Zähne abgeschliffen. Der linke mediale Schneidezahn fehlt, der Kiefer-
rand dünn. Geringer Toms frontalis medianus. Knochennarbe oberhalb des rechten Tuber
parietale. Hinterhaupt vorspringend ; schmaler Toms occipitalis transversus. Rechtcrseits
ist eine laterale Partie der fötalen Sutura occipitalis transversa erhalten und durch zwei
kleine Schaltkuochen angedeutet Andeutung eines Toms palatinus transversus. Foraroen
incisivum sehr weit. Unterer Theil der Nasenbeine gebrochen und wieder geheilt.
Nr. 146. Schädel braun. Dieser Schädel mit den Skeletknochen und 8 anderen
Skeletten (Schädel Nr. 147 — 149 und 156-161) wurde Ib km westlich von Adelaide und
eine halbe Stunde von der Südküste Süd-Australiens Anfang November 1896 in Reedbcds
(Schilfrohrbetten) von einem Policemaster ausgegraben. Gesicht und Schädelbasis fehlen.
Jochbogen und Unterkiefer zerbrochen, der Rest des Arcus zjgomaticus zur Horizontalstellung
benutzt. Crista frontalis interna sehr stark vorspringend. Im Oberkiefer fehlen 10, im
Unterkiefer 5 Zähne, die vorhandenen stark abgeschliffen. Die beiden ersten Molarzähne
des Unterkiefers sind luxirt, die beiden lateralen Wurzeln ragen lateralwätts über den
Kieferrand hinaus, die Zahnhöhle ist beim Kauen von Pflanzenfasern zur Herstellung von
Netzen oder dergl. der Länge nach geöffnet, so dass die laterale Hälfte des Zahnes fehlt
nnd die Halbimngsfläche nach oben schaut. Diese ganz eigenthümlichen Verhältnisse
kehren mehr oder weniger an den meisten Schädeln aus jenen Reedbeds wieder. Toms
frontalis medianus. Torus occipitalis transversus hoch und breit.
Nr. 147. Schädel wie Nr. 146, mürbe. Nähte theilweise verstrichen. Im Oberkiefer
4 Zähne vorhanden, die ersten Molaren luiirt. Der rechte mediale Schneidezahn frühzeitig
entfernt. Unterkiefer niedrig, weil die Alveolen der Molarzähne obliterirt sind; alle seine Zähne
fehlen. An der hinteren lateralen Aussenwand des Processus alveolaris der rechten Maxiila
ein Vorspmng, der eine 3 mm weite, glattwandige Höhlung ganz dicht an jener Aussenwand
enthält. Stim gewölbt Beiderseits mndliche Knochennarben auf der Squama frontalis dicht
oberhalb der Tubera frontalia. Torus occipitalis transversus. Die Pars horizontalis des
linken Gaumenbeines ragt weiter nach vom, als die rechte. Gaumen theilweise zerstört.
(552)
ürosse Foramina «ygomatico-facialia. Processus e«i*ylwdes: nnifiMae linkerseits ak--
gebrochen.
Nr. 148. Sch&del wie Nr. 146, mürbe. Os sphenoüdialla recMersefts umI beide Jochbogeii:,
lerstört Nahte erhalten. Zähne sehr abgeschliffen, im Oberltiefer b» auf die Worzeli».
abgekaut. Der erste Molarzahn des Unterkiefers beiderseits hmrt^ wie bei Nr. 146. luk^
Oberkiefer fehlt der laterale linke Schneidezahn, in Unterkieter feUen 8 Zihne. Starkirr
Toms occipitalis transversus. Rechterseits ein SchahknocbeB m der Sebl&fenfontanelle« .
20 mm lang, vom 9 mm hoch. Kleine Spina am Twderen- Rande des Foramen occipital^
magnum in der Medianlinie. Rechterseits zwei kleine HSeker an SteUe Ton Processi»
paramastoidei. Linkes Foramen ovale gross. Elliptisaber Tbros pftlatniis medianus Iftngs
des ganzen Processus alveolaris maxillae. Gaumen hinten, der ÜBlerkiefer in zwei:QiH-
gleiche H&lften zerbrochen.
Nr. 149. Schädel wie Nr. 146, weiss, fest, schwor. Stiru gewebt. Nasenbeine zer-
brochen. Unterkiefer hoch und kräftig. Nähte theflweise verstrichen. Zähne sehr stark
abgekaut. Am hinteren Ende des Processus alveolaris der linken Mazilla in der Acfasen--
linie der Zahnreihe eine mndliche, 2 mm grosse Hdhle dicht unter dem unteren Ende dea^
Processus ptcrygoides. Processus alveolares kräftig, hueh, daher die Nasenhöhe gering. Im.
Oberkiefer fehlen 5 Zähne; der rechte zweite Molarsahn ist luxirt, wie bei Nr. 146, ebenso-
der erste linke Molarzahn des Unterkiefers. Im letzteren fehlen 10 Zähne. Kleine rand^
liehe H&gel auf der Höhe des Scheitels in der Suiura sagittalis. Sehr starker Toraa^
occipitalis transversus. Kleine Höcker beitlerseits an SteUe von Processus paramastoidei^
Schwache Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. 150. Schädel weisslichgelb , von Dr. Lendon in Adelaide. Nähte* tfaeillRei^
verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 5 Zähne, einige sind oaaSa.
Lineae temporales inferiores sehr stark. An der hinteren Wand beider Moatus aoustici
exterai symmetrische grosse mndliche Tubercula. Protuberantia occipitalis eiteima bock
und böckrig. Grosse höckerige Processus paramastoidei. Choanae sehr niedidg^ Dio
Sutura palatina transversa hat nach vom gerichtete zackige Yorsprünge. Eia nnbnftbH
förmiger Knochenvorsprang deckt den hinteren Rand des Foramen incisivvm.
Nr. 151. Schädel röthlich bemalt, von Dr. Märten in Adelaide. Nähte crhaJÜbeiw Zähne
massig abgeschliffen. Der Boden der linken Augenhöhle ist zerstört. Im Oberkiefer der
rechte mediale Schneidezahn frühzeitig entfernt, Kieferrand scharf. Processus alveolaris
maxillae hinter dem Weisheitszahn um 10 mm verlängert und beiderseits ^rin eine in
der Achse der Zahnreihe gelegene, 2—3 mm messende, rundliche, nach unten offene Höhle.
Im Oberkiefer fehlen 3, im Unterkiefer 2 Zähne. Stirn breit Lineae temporales inferiores
an der Squama frontalis stark entwickelt. Processus paramastoidei. Beiderseits Spinae
am hinteren Rande der Fissurae pterygo-palatinae. Flacher Toms palattnus medianus
längs der ganzen Sutura palatina mediana. Kleine Schaltknochen in der Sntnra frontalis.
Das linke Nasenbein greift oben nach rechts über die Medianlinie hinüber. Sehr groetse
Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. 152. Schädel grau, von Dr. Märten in Adelaide. Wand der rechten Augenhöhlen«!
der linke Processus mastoides zerstört, der rechte Jochbogen abgebrochen. Im mittleiea
Theil des rechten Os parietale eine postmortale Fractur. Nähte erhalten. Zähne abgeschliflbs.
Im Oberkiefer fehlen drei Schneidezähne. Deutlicher Toms frontalis medianus. Rechter»
seits ein kleiner Schaltknochen in der Schläfcnfontanelle, 5 mm hoch, 4 mm in sagittakr
Richtung lang. In beiden Meatus acustici exterai glatte Hervorragungen an der hintorea
Wand, wie beim Schädel Nr. 150. Flache Processus paramastoidei. Die Laminae laterales
der Processus ptcrygoides sehr weit lateralwärts abweichend, an ihrer Wurzel beiderseits
eine tiefe Höhlung. Andeutung eines Toms palatinus transversus. Niedrige Oristae pala-
tinae transvcrsae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Ganmeaboino. Sehr
grosse Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. 153. Schädel grau, mürbe, von Dr. Märten in Adelaide. PosUnortalo grofM
Oeffnung in der Squama occipitalis. Laterale Wand der rechten Orbita und der Arcus
zygomaticus dextcr zerstört. Nähte verstrichen. Im Oberkiefer fehlen 8, im Unterkiefer
(553)
4 Z&hne. Schwacher Torus frontalis medianos. Tubera parietalia sehr deutlich. Schmaler
Toms occipitalis transyersos. Condjli occipitalcs stark hervorragend. Processus mastoides
ODglcich, der linke kleiner nnd dünner, als der rechte. Scharfe Processus marginales beider
Jochbeine. Kinn spitz.
Nr. 154. Sch&del dunkelgrau, voll Erde, von Dr. Märten in Adelaide. Nasenbeine
zerbrochen. Die linke Seite der Squama frontalis und das linke Os parietale zeigen eine
grosse, in sagit taler Richtung 67 mm lange und 42 mm breite, nach unten hin stark er-
habene und rauhe Knochonnarbe. Nähte verstrichen, Zähne abgeschliffen; im Oberkiefer
ist der mediale linke Schneidezahn frühzeitig entfernt, der Alveolus obliterirt, ebenso die
Alveolen der linken Praeroolaren und Molarzähne, der Kieferrand niedrig. Unterkiefer in zwei
Hälften zerbrochen, enth< nur einen, abgeschliffenen Weisheitszahn. Starkor Torus occi-
pitalis medianus an beiden Seiten. Laterale Höcker der Processus paramastoidei vor-
handen Condyli occipitales sehr flach. Andeutung eines Torus palatinus transversus.
Von Skeletknochen sind vorhanden: 1 Atlas, 1 Epistropheus, 1 Halswirbel, 2 Brustwirbel,
2 Lendenwirbel, 1 Manubrium stemi, 7 rechte und 5 linke Rippen, 1 linke Clavicula,
2 Scapulae, 2 Humeri, 1 Radius, 1 Ulna.
Nr. 155. Schädel graugelblich, von Mr. Minchin, Director des zoologischen Gartens
in Adelaide, weiblich. Stirn abgerundet Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen. Im
Oberkiefer fehlen 7, im Unterkiefer eben so viele Zähne. Im Oberkiefer sind die Alveolen
der Weisheitszähne obliterirt. Lateralwärts von der Alveole des linken oberen Eckzahnes
findet sich eine accessorische, glattwandige, 0 mm hohe Alveole. Deutlicher Torus occi-
pitalis transversus. Nasenwurzel sehr tief eingedrückt. Nasenbeine etwas asymmetrisch,
das linke oben etwas breiter. Andeutung von Processus marginales an beiden Jochbeinen.
Nr. 156. Schädel wie Nr. 146, gelbgrau, in seitlicher Richtung postmortal zusammen-
gedrückt Nähte klaffen. Höhe des Schädels sehr unsicher. Rechte Augenhöhle hinten
zerstört, Jochbogen zerbrochen, die Nase theilweise zerstört und falsch angesetzt Sutura
lambdoides verstrichen. Zähne abgeschliffen; im Oberkiefer fehlen 8, im Unterkiefer
5 Zähne. Deutlicher Torus frontalis medianus. Starker Toms occipitalis transversus.
Die Condjli occipitales haben eine abnorme, 5 mm lange, überknorpelte laterale Fort-
setzung an ihrem hinteren Ende. Abgerundete Processus marginales der Jochbeine.
Nr. 157. Schädel wie Nr. 146. Nähte theilweise verstrichen. Zähne abgeschliffen,
Weisheitszähne oben durchgebrochen. Sämmtliche 4 ersten Molarzähne stehen schief, sind
halb luzirt, medianwärts. Im Oberkiefer fehlen 5 Zähne. Deutlicher Toms frontalis
medianus. Kleine Knochennarben nahe der Sutura sagittalis an beiden Seiten. Starker
Torus occipitalis transversus. Kleiner Schaltknochen in der rechten Schläfenfontanelle,
6 m»n lang, 4 mm hoch. Der rechte Processus mastoides abgebrochen, der linke lang und
sehr dünn, 12 mm in sagittaler Richtung messend. Linkerseits das Foramen jugulare durch
eine feine Knochenbrücke in eine kleinere vordere und eine grössere hintere Hälfte getheilt.
Kleine Fovea pharjngea an der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis.
Nr. 158. Schädel wie Nr. 146. Schädelbasis, Gesicht und Unterkiefer zerbrochen,
ebenso die linke Seite der Squama frontalis und das linke Os parietale. Die Jochbogen
bei den Messungen horizontal gestellt. Kleine atrophische Stellen neben der Sutura
^sagittalis, oberhalb der Tubera parietalia. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen; im Unter-
kiefer 4 vorhanden, ausserdem sitzt rechterseits ein Weisheitszahn im Unterkiefer mit der
Krone abwärts und nach vorn g*»richtet. Starker Toms occipitalis transversus. Condjli
occipitales klein und mndlich.
Nr. 159. Schädel wie Nr. 1 16, geibbräunlich. Rechter Jochbogen zerbrochen. Nähte
beginnen zu verstreichen. Zähne sehr abgeschliffen. Im Oberkiefer nur Wurzeln, im Unter-
Idefer 4 Zähne vorhanden. Toms frontalis medianus. Sehr starker Toms occipitalis trans-
versus. Protuberantia occipitalis externa sehr hoch , 7 mm. Beiderseits Schaltknochen in
der Schläfenfontanelle, rechterseits 19 mm lang, 7 mm hoch, linkerseits 24 mm l^g, 10 mm
hoch. Condjli occipitales flach. Andeutung eines Toms palatinus transversus. Processus
marginales beider Jochbeine von rechtwinkliger Form. Linker Processus condjloides
mandibnlae abgebrochen.
(554)
Nr. 160. Sch&del wie Nr. 146, weiss. Stirn abgerundet. Nähte theilweise verstrichen»
Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 10 Zähne. Der linke erste Molarxahn des
Unterkiefers schräg gestellt, wie loxirt Sehr starker Toms occipitalis transversos. Condyli
occipitales sehr eben.
Nr. 162. Schädel grau, schwer, sehr dolichocephal. Nähte theilweise verwachsen.
Zähne sehr abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 3 Schneidezähne. Enorme, l.^ mm lange
Verlängerung der Processus alveolares maxillae hinter den Weisheitszähnen. Sehr starker
Toms occipitalis transversus. Condyli occipitales sehr flach. Flacher Toms palaÜniui
transversus, hinter der Sutura transversa verlaufend, 9 i/i/« breit Schwache Cristae pala-
tiuae transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Foramen
incisivnm sehr weit. Kleine Schaltknocbcn in der Sutura nasofrontalLs. Rechtes Nasen-
bein oben breiter, als das linke.
Nr. ICB. Schädel weiss, macerirt. Nähte theilweise verwachsen. Zähne massig abge-
schliffen; im Oberkiefer fehlen die Schneidezähne. Rundliche Graben mit Knochen-
wuchemngen auf ihrem Boden am Rande der Squama frontalis; der hintere Theil der
Sutura sagittalis zeigt eine starke, etwa 40 fnm breite Vertiefung mit denselben kleinen Wuche-
rungen; eine kleine solche Grube am linken Tuber parietale. Sie rühren vielleicht von einer
Scabies-ähnlichen Hautkrankheit (S. 515) her. Hinterhaupt von der Scheitelhöhe nach hinten
stark abfallend. Schwacher Toms frontalis mcdianus. Sehr starker Toms occipitalis trans-
versus. Andeutung eines Toms palatinns transversus. Cristae palatinae transversae am
hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Dicke mndliciie Processus mar-
ginales beider Jochbeine.
Nr. 164, Schädel gelbgran. Nähte theilweise verstricjien. Zähne wenig abgeschliffen,
einige sind cariös; 5 fehlen im Oberkiefer. Oberhalb des rechten oberen Eckzahnes eine
grosse rundliche Eiterhöhle; neben dem linken zweiten Praemolarzahn an seiner lateralen
Seite, vorn und hinten, zwei mndliche leere Alveolen, vielleicht für überzählige Zähne.
f!rhabener Torus frontalis niedianus. Grosser breiter Toms occipitalis transversus. An der
hinteren Wand beider Fori acustici extemi eine trlattc knöcherne Hervorragung, sie gehört
noch der Verdickung der unteren Wand an. Condjli occipitales sehr rundlich und hoch.
Grosse Processus paramastoidei. Starker langer Processus jugniaris oss. temporalis in
beiden Foramina jugularia. Sutura nasofrontalis verläuft ganz gerade, ist nicht gezackt.
Sutura internasalis theilweise verstrichen. Der untere Theil des rechten Nasenbeine«
abgebrochen gewesen und schief angeheilt. Die Fissurae orbitales inferiores sind ganz
schmale Spalten.
Nr. I(i5. Schädel gelblich, von Enclea Beach, South Australia, nahe der Grenz«
gegen Queensland, bez. Adult male. Männlich. Nähte verstrichen. Gegend der Sntora
sagittalis etwas eingedrückt. Zähne theilweise cariös. Im Oberkiefer fehlen 7 Zähne.
Am linken ersten Molarzahn eine grosse Eiterhöhle, die unter dem Processus palatimia
maxillae mündet. Andeutung eines Toms frontalis medianus. Sehr starker Toms occi-
pitalis transversus. Am vorderen Ende des Condylus occipitalis dexter findet sich ein
Tuberculum nahe neben der Medianlinie. Die Processus paramastoidei sind spitze Höcker.
Spinae angulares sehr dick. Sutura internasalis verstrichen. Augenhöhleneingänge merk*
würdig schief; an der medialen Seite nur 20 anstatt B4 mm hoch. Processus marginale»
beider Jochbeine sehr gross; ihre Basis misst 16 mtn, ihre Länge 7 mm.
Nr. 16G Schädel von New Charlotte Waters, by Mr. Ravenscraft, 1893. Niht#
verstrichen. Alle Zähne erhalten, abgeschliffen. Runde, etwa 10 mm grosse Knochen«
auflagemngen auf der Squama frontalis. Kleiner Toms occipitalis transversus. Lineae
temporales superiores sehr scharf abgegrenzt. Kleiner Toms occipitalis transversus.
Condyli occipitales klein, rundlich. An der Stelle der Processus paramastoidei beiderecitB
mehrere kleine Höcker. Grosse mediane Fovea pharyngea, 7 mm lang, 5 mm breit, an der
unteren Fläche der Pars basilaris qss. occipitalis. Cristae infratemporales beiderseits sehr
dick und lang. Spinae angulares sehr gross. Sutura frontalis an ihrem unteren Ende
in einer Länge von 14 mm erhalten. Sutura internasalis verstrichen. Canales infra-
(555)
orbitales nach oben hin ihrer ganzen Länge nach offen. Zwei Foramina infraorbitalia
jederseits.
Nr. 167. Sch&del gelblich, vielleicht vom Northern Territory. Nähte erhalten. Zähne
abgeschliffen. Der rechte mediale Schneidezahn des Oberkiefers frühzeitig entfernt, Kiefer-
rand scharf. Tm Oberkiefer fohlen 9 Zähne; hinter dem Wiasheitszahn jederseits eine ganz
flache, kleine Höhle. Rechter Jochbogen zerbrochen. Breiter Toms frontalis medianus.
Kleiner Toms occipitalis transversos. Lineae temporales inferiores sehr rauh. Starker
Condylus occipitalis mit zwei Höckern, jederseits. Starker Toms palatinus medianns.
Scharfe, hohe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider
Gaumenbeine. Rechtes Nasenbein oben viel breiter, als das linke. Abgerandete Processus
marginales beider Jochbeine. Jederseits eine starke Tuberositas malaris.
Nr. 1Q8. Schädel von der Calvert-Expedition in das westliche Australien, 1896, bei
der die Theilnehmer Johns und Wells verunglückten. Die Leichen wurden gesucht und
zwei Skelette nebst Schädeln (Nr. 168 und 169) von Eingebomen, die ans dem unberührten
Westen stammen, zurückgebracht. Prof. Watson in Adelaide fand die Leute von kleiner Statur
und hat einige Maasse mitgctheilt. Linke Felsenbein-Pyramide ausgebrochen. Schädel grau,
inwendig Sand. Bez. als „old man". Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Ober-
kiefer fehlen 8 Zähne, einige sind cariös, im Unterkiefer nur 3 Zähne vorhanden.
Schwacher Toms frontalis medianus. Starker Toms occipitalis transversus. Linkerseits
ein niedriger Processus paramastoideus. Kleine, längliche Fovea pharyngea. Längliche,
schräge Tubercula am lateralen Rande der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occi-
pitalis. Starke Spinae angulares. Dreieckiger Toms palatinus medianns, mit der Spitze
nach hinten gerichtet, in der Medianlinie der Pars horizontalis diT Gaumenbeine. Nähte
des Gaumens verwachsen. Abgerundete Processus marginales beider Gaumenbeine. Sehr
tiefe Fossae sacci lacrimalis.
Nr. 169. Schädel wie Nr. 168; gelblich, boz, als ^young man**. Nähte verstrichen.
Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 9 Zähne, einer ist cariös; im Unterkiefer ist
nur der rechte zweite Molarzahn vorhanden, sehr abgeschliffen; daher ist die Gesichlshöhe
nicht bestimmbar. Am rechten Os parietale neben der Sutura sagittalis eine kloine Knochen-
narbe. Von der Scheitelhöhe fällt der Schädel etwas nach hinten ab. Starker Torus
occipitalis transversus. Condyli occipitales sehr lang, ebenso das Foramen occipitale
magnum länglich. Sehr kleine mediane Spina am vorderen Rande desselben. Kleine
Fovea pharyngea und kleine, schräge Tubercula am lateralen SeiU^nrande der unteren
Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis. Kleine Processus paramastoidei Andeutung
eines Toms palatinus transversus. Abgerundete Processus marginales beider Jochbeine.
Fossae sacci lacrimalis sehr tief.
Nr. 170. Schädel dünn, weiss, macerirt, bez. T. Foelsche, Police -magistrate,
Palmerston, Port Darwin, Northern Tcrritx)ry, South Anstralia. Jugendlich, Synchondrosis
sphenooccipitalis erhalten, Weisheitszähne noch nicht durchgebrochen. Rechterseits ein
Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, 21 mm lang, 11 wm hoch. Linkerseits ein Pro-
cessus frontalis squamae temporalis, 7 mm lang, 15 wm breit.
Nr. 172. Schädel weiss, macerirt, bez. Victoria River. Nähte theilwoise verstrichen.
Zähne abgeschliffen. Beide mediale Schneidezähne des Oberkiefers frühzeitig entfernt.
Im Oberkiefer fehlen 6, im Unterkiefer 6 Zähne. Grosse Eiterhöhle rechterseits an Stelle
der beiden hinteren Molarzähne. Starker Toms occipitalis transversus. Beiderseits langer,
spitzer Processus frontalis squamae temporalis, 8 mm lang, 10 mm an seiner Wurzel breit.
Beiderseits starke, längliche Wölbung an der hinteren Wand beider Meatus acustici exterai,
im Zusammenhange mit starker Verdickung an der unteren Wand. Condyli occipitales
sehr hoch, deshalb Vertiefungen für die Foramina condjloidea. Jederseits ein Tuber-
culum am lateralen Seitenrande der Pars basilaris oss. occipitalis. Länglicho Fovea
pharyngea. Foramen jugulare sinistrum durch eine Knochenbrücke in zwei Abtheilungen
getheilt. Processus styloides 88 mm lang, spitz. Linkerseits ein Foramen pterygo-spinosum.
Laminae laterales der Processus pterygoides sehr breit, 25 mm. Starke Spinao am vorderen
(556)
Ende der linken Crista infratemporalis. Choanae niedrig. Abgemndete Processns marginales
beider Jochbeine. Fissurae orbitales inferiores sehr eng. Fossae sacci lacrimalis tief.
Nr. 17B. Schädel weiss, bez. Borroloola, from Mr. Stretton, with tall skeleton.
Bechtcr Arcus zjgomaticus abgebrochen. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen. Im Ober-
kiefer fehlen 4, im Unterkiefer 7 Zähne. Grosse Eiterhöhlen an den Schneidezähnen ond
dem ersten linken Molarzahn des Oberkiefers. Geringer Toms frontalis medianus. Schwacher
Toms occipitalis transYersus. Linkerseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle,
6 mm lang, 5 mm hoch. Starke Spina am hinteren Rande des rechten Foramen jngolare.
Grosses Tnbercnlnm pharyngenm in der Mitte der unteren Fläche der Pars basilaris oss.
occipitalis. Rechterseits ein schmaler, hoher Processus condyloides. Lamina lateralia
der Processus pierygoides 25 mm breit. Andeutung eines Toms palatinus transversos.
Unteres Ende der Sutura frontalis in der Länge von 15 mm erkennbar. Ossa nasialia mehr
sagittal gestellt. Sutura interaasab's oben verwachsen. Sehr starke Processus marginales.
Nr. 174. Schädel braun, bez. Poltallock, 10. October 1898. Schädelbasis von Kohlen-
rauch geschwärzt Beide Jochbogen zerbrochen. Linkes Scheitelbein postmortal in mehrere
Stücke gebrochen. Stirn abgerundet. Nähte vtsrstrichen. Zähne sehr abgeschliffen. Er-
habener Toms occipitalis transversus. Die Lineae temporales bilden an der Squama frontalis
deutliche Cristae. Grosser Schaltknochen in der rechten Sutura squamosa, 28 mm lang,
11 mm hoch. Am hinteren unteren Rande des linken Poras acusticus exteraus ein kleines
Tuberculum. Condjli occipitales hoch, rundlich. Kleines Tuberculum pharyngeum. Gaumen
sehr gewölbt. Andeutung eines Toms palatinus transversus. Scharfe Cristae palatinae
transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Das linke
Nasenbein greift oben über die Medianlinie mit einer Zacke nach der rechten Seite hin-
über. Sehr starke Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. 175. Schädel weiss, bez. New Castle Waters, by Mr. Ravenscraft Gaumen
^urch Caries perforirt. Nähte erhalten. Zähne wenig abgeschliffen, namentlich die
Weisheitszähne Im Oberkiefer fehlen 9 Zähne. Jederseits eine kleine glattwandige Höhle
oberhalb des Weisheitszahnes, nach oben und hinten von letzterem im Processus alveolaris
sitzend, 2 mm lang, 1,5 mm breit und 2 mm hoch. Beide oberen medialen Schneidezähne früh-
zeitig entfernt, Kieferrand scharf. Sehr schwacher Toms frontalis medianus. In der rechten
Schläfenfontanelle ein unregelmässig gebogener Schaltknochen, 21 mm lang, 12 mm hoch.
Kleines Os interparictale an der Spitze der Squama occipitalis. in sagittaler Richtung 9,
in transversaler 12 mm breit, darüber noch ein Schaltknochen nahe dem hinteren Ende der
Sutura sagittalis. Condjli occipitales rundlich, hoch. Mediane Crista basilaris an der
unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis. Weite Canalcs vomerobasilar^s s.
vomerosphenoidales laterales (superiores). Kleine Höcker an Stelle der Processus para-
mastoidei. Die Cristae infratemporales bilden starke Zacken. Foramina ovalia weit und sehr
breit Spinae palatinae längs des hinteren Randes der Pars horizontalis beider Gauiuen-
beine. Unteres Endo der Sutura frontalis in 10 mm Länge erhalten. Fissura orbitalis
inferior vom sehr weit: linkerseits nahe hinter derselben eine starke, mit der Crista infra-
temporalis zusammenhängende Zacke. Rechtes Os nasale oben sehr weit nach links über-
greifend. Starke Tuberositates malares.
Nr. 176. Schädel weisslich, macerirt, bez. Gulf of Carpcntaria , from Mr. Favene,
1882. Os etbmoidale zerstört. Nähte theilweise verstrichen. Zähne abgeschliffen. Beide
medialen oberen Schneidezähne frühzeitig entfernt, Kieferrand scharf. Ausserdem fehlt der
rechte obere Weisheitszahn. Andentnng eines Toms frontalis medianus. Sehr schwacher
Toms occipitalis transversus. Beiderseits grosso Schaltknochen in der Schläfenfontanelle,
rechterseits 81 mm lang, 15 mm hoch, linkerseits 89 mm lang, 17 mm hoch. Hinterer Rand
des Foramen occipitale magnum viereckig ausgebuchtet, das Foramen sehr länglich, ai
seinen lateralen Rändern starke Knochen Wucherungen, am vorderen Rande eine kldne
mediane, nach vom gerichtete Spina. Gaumen sehr ,eewölbt. Doppelte Incisnrae fron-
tales, dicht mcdianwärts von der Incisura supraorbitalis. Rechtes Nasenbein oben ein
wenig breiter, als das linke.
(557)
Nr. 177. Schädel weiss, bez. from T. Foelsche, police-master, Palmerston, Port
Darwin. Knochennarbe, 10 mn gross, auf der Äfitte der Stirn. N&hte erhalten. Zähne
wenig abgeschliffen. Der rechte obere mediale Schneidezahn frühzeitig entfernt, Kieferrand
scharf. Im Oberkiefer fehlen 5 Zähne. Kleine glattwandige Höhlen, l mm gross, am hinteren
Ende der beiden Processus alveolares der MaxUlac; die Verlängerung hinter den Weisheits-
zähnen beträgt 13 mm. Schwacher Torus frontalis medianus. Lineae nuchae superiores^
Protnberantia et Crista occipitales extemac sehr stark. Kleiner medianer Condylus occi-
pitalis tertins am vorderen Rande des Foramen occipitalo magnum. Linker Condylus occi-
pitalis in zwei Hälften getheilt Kleines Tuberculum pharyngeum. Crista palatina mediana
längs der Sntnra palatina mediana an den Partes horizontales beider Gaumenbeine. Gaumen
gewölbt. Starke Spinae am unteren Rande beider Fissurao orbitales inferiores. Kleine
Tuberositas malaris jederseits.
Nr. 178. Schädel .weisslich, bez. T. Foelsche, police-master, Victoria River. Nähte
verstrichen, auch die Sutura palatina mediana. Zähne stark abt^cschliffen. Beide oberen
medialen Schneidezähne frühzeitig entfernt, Kieferrand scharf. Im Oberkiefer fchlea
8 Zähne. Hinterhaupt von der Scheitelhöhe an stark nach hinten abfallend. Schmaler
Torus occipitalis transversus. Glabella tief eingedrückt
Nr. 179. Schädel gelblich, bez. T. Foelsche, police-master, Port Darwin, Oct. 1893.
Knochennarbe in der Mitte der Squama frontalis, 15 mm im Durchmesser. Nähte erhalten.
Zähne wenig abgeschliffen. Kleine rundliche, 1 ,5 mm grosse, unten offene Höhle in der Achse
der Zahnreihe, dicht hinter dem Alveolus des linken oberen Weisheitszahnes; die Ver-
längerung des Processus alveolaris beträgt 11 mm. Im Oberkiefer fehlen 3, im Unterkiefer
8 Zähne, einige sind cariös. Schmaler Torus occipitalis transversus. Drei kleine Höcker
am hinteren und an den lateralen Rändern des Foramen occipitale magnum. Kleines
Tuberculum pharyngeum an der Pars basilaris oss. occipitalis. Kleines Loch für die
A. meningea media in der rechten Spina angularis. Foramina ovalia rundlich. Gaumen
gewölbt. Sutura intemasalis in ihrem oberen Theile gezackt. Starke Spinae am unteren
Rande beider Fissurae orbitales inferiores. . .
Nr. 1>0. Schädel weiss, aus einem Sandhügel ausgegraben. Oberfläche kömig. Bez.
Murray native. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 7 Zähne.
Starke, länglich-spindelförmige, glatte Hervorragung an der hinteren Wand beider Pori
acnstici externi. Foramina ovalia rundlich. Kleiner Torus palatious medianus längs der
Sutura palatina mediana der Pars horixontalis der Gaumenbeine.
Nr. 181. Schädel braungelblich, klein, bez. T. Foelsche, police-master, Port Darwin,
Oct. 1893. Stirn gerundet. Knochennarbe, 2*) mm im Durchmesser, am linken Tuber fron-
tale. Hinterhaupt von der Scheitelhöhe an nach hinten steil abfallend. Nähte erhalten.
Zähne sehr abgeschliffen, klein. Im Oberkiefer fehlen 3, im Unterkiefer 6 Zähne; viele
find cariös. Deutlicher Toms frontalis^ medianus. Breiter Toms occipitalis transversus.
Condyli occipitales. sehr hoch, nach hinten steil abfallend. Längliche Fovea pharyngea
und ein medianes Tuberculum pharyngeum an der unteren Fläche der Pars basilaris oss.
occipitalis. Am oberen Ende der Lamina lateralis beider Processus pterygoides tiefe,
lateralwärCs schauende Gruben. Choanae niedrig. Gaumen gewölbt Kleiner Schaltknochea
io der Sutura nasofrontalis. Augenhöhleneingang sehr randlich. Fissurae orbitales infe-
riores eng. Das rechte Nasenbein oben schmaler, als das linke; beide zusammen im oberen
Theil nur G mtn breit.
Nr. 182. Schädel gelbbräunlich, bez. T. Foelsche, police-master, Port Darwin,
October 1898. Rechter Arcus zygomaticus abgebrochen. Ossa parietalia von der Scheitel-
höhe an nach hinten abfallend, atrophisch. Nähte beginnen zu verstreichen Zähne ab-
geschliffen. Im Oberkiefer fohlen 8« im Unterkiefer 4 Zähne , einer ist cariös. Foramen
occipitale magnum sehr länglich. Gaumen gewölbt. Kleiner Schaltknochen in der Sutura.
nasofrontalis. Nasenbeine sehr schmal, im oberen Abschnitt zusanmien nur 5 mm breit.
Nr. 188. Schädel grau, bez. T. Foelsche, police-master, Port Darwin, October
1893. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 8, im Unterkiefer
8 Zähne, einige sind cariös. Schmaler Toms occipitalis transversus. Linkerseits ein Pro-
(558)
cossns frontalis der Squama temporalis, 7 mm lang, 5 mm hoch, zungenförmig and
hinten an seiner Wurzel nur 2 mm breit. Spinae angulares sehr dick. Kleine Höcker an
Stelle von Processus paramastoidei. Andeutung eines Toms palatinus transversns. Viele
kleine Spinae hinter dem Foramen incisivum. Am rechten Os zjgomaticum ist ein Pnn
ccssus marginalis vorhanden.
Nr. 184. Schädel graubraun, bez. Woolwonjah Tribe (male) between Southport and
Yam Creek, by T. Foelsche, police-master, October 1888. Os ethmoidale zerstört.
Nähte theilweise verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Unterkiefer der rechte mediale
Schneidezahn seit längerer Zeit entfernt, Kieferrand scharf; linkerseits fehlen beide
Schneidezähne. Schwacher Torus frontalis medianus. Hoher Torus occipitalis transversos.
Kleines rundliches Tuberculum jederseits in der Mitte des lateralen Randes des Foramen
occipitale magnum (Taumen gewölbt. An der oberen Hälfte der verstrichenen Sutnra
' intemasalis eine starke mediane Crista intemasalis.
Nr. 185. Schädel gelb, bez. Skull of Manialocum, Big Rock tribe, by Dr.
Stiriing, 1891. Murdered by Spencer at Bowenstraits. Am hinteren unteren Ende der
rechten Squama temporalis, dicht über der Spina supra meat^im, eine 18 mm grosse rande
Kugelwunde. Der untere Theil der rechten Squama temporalis fehlt, ist abgesplittert.
Fissuren haben den rechten Processus mastoides abgesprengt und gehen durch die Pars
lateralis dextra oss. occipitalis und die Pars basilaris bis zum Yomer. Linkerseits ist die
Ausgangsöffnung etwas höher gelegen, dreieckig, länglich. Vorderer Theil beider Ossa
parietalia oberhalb des vorderen Endes der Squama temporalis durch Fissuren abgetrennt.
Tubera frontalia sehr deutlich. Beiderseits ein Processus frontalis der Squama temporalis,
rechterseits 9 mm lang, 17 mm breit, linkerseits ebenso lang, 15 mm breit Kleine Höcker
am hinteren und Seitenrande des Foramen occipitale magnum, sowie statt der Processus
paramastoidei. Processus condyloides hinten sehr steil abfallend. Starke Spinae angulares.
Harter Gaumen stark gewölbt, scharfe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande
der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Kleine Schaltknochen in der Sutnra naso>
frontalis. Rechtes Nasenbein oben etwas breiter, als das linke.
Nr. 188. Schädel grau, von Mr. Mallor in Adelaide. Gesicht und Unterkiefer zer-
brochen. Nähte erhalten, Zähne sehr abgeschliffen. Die Ossa parietalia sind mit an-
regelmässigen Vertiefungen und rundlichen Höckern bedeckt, die von einer Scabies - ähn-
lichen Hautkrankheit herrfthren. —
Hr. B. Yirchow macht darauf aufmerksam, dass die in der Siteung vorgelegten
angeblichen Gletscherschliffe den auf Rügen und sonst auf Sandbei^n und Dtinen
so häufigen Sandschliffen (durch Winde) sehr ähnlich sehen. Eine ähnliche Deu-
tung wäre vielleicht auch fQr Australien zulässig. —
Hr. Krause erwidert, dass er nur die Angaben der australischen Geologen
wiedei^egeben habe. Freilich halte auch er die betreffenden Flächen für Gletscher-
schliffe, er erkenne aber an, dass auch eine andere Deutung möglich sei. —
(27) Fortsetzung der Discussion (8. 477) über die
verstümmelten Thonfiguren ans Peru.
Der Vorsitzende recapitulirt die in der October-Sitzung stattgefundenen Be-
sprechungen und zeigt die in der peruanischen Abtheilung des Museums für Völker-
kunde vorhandenen Thonfiguren, welche Verstümmelungen an Nase, Mund und
Beinen zeigen. Dieselben werden im Dccember-Bericht ausführlicher besprochen
werden. —
Hr. Wilhelm von den Steinen erklärt mit Rücksicht auf die Ton Hm. Pola-
kowsky in der letzten Sitzung mitgetheilte Deutung, wonach die dargestellten
(559)
Yerstümmelangen künstlich, und zwar zur Bestrafung beigebracht sein sollen, dass
er das ganze, ihm zur Yerfügang stehende Material von alten und nenen Werken
über Süd-America darcbgeseben, nirgend aber eine solche Strafe erwähnt gefanden
habe. Weder Gieza de Leon, noch Incu Garcilaso de Vega, noch sonst
jemand berichten davon. Aber aach ausserdem lasse sich die Ansicht, dass es
sich um die Darstellung von Rrankheits-Erscheinungen handle, begründen. Er lege
vorläufig seine Zeichnungen und die Originale vor, behalte sich aber für die
nächste Sitzung Weiteres vor. —
Hr. Polakowsky: Bei der Kürze der verfügbaren Zeit muss ich mich darauf
beschränken, nur einen kleinen Theil des von unserem Präsidenten angeregten
Themas, welches eine ganze Anzahl von Fragen umfasst, zu besprechen. — Ich
knüpfe dabei an das soeben von Hrn. Wilhelm von den Steinen Gesagte an.
Nicht ich habe behauptet, dass die ausgestellten altperuanischen Vasen bestrafte
Verbrecher, denen die Nase abgeschnitten und die Füsse abgeschlagen sind, dar-
stellen, sondern Hr. Prof. Dr. D. Juan de Carrasquilla aus Bo^otd, der Berlin längst
verlassen hat und mich bat, seine Erklärung dieser Thongetässe, bezw. mensch-
lichen Figuren bei der ersten passenden Gelegenheit mitzutheilen. Ich habe mich
dieses Auftruges am Schlüsse der vorigen Sitzung entledigt
Ich bat Hrn. Carrasquilla um Angabe der alten Historiker oder sonstigen
Quellen, woraus ersichtlich sei, dass eine derartige „Justiz" mit Abhacken der Hände
und Füsse — Hr. Ashmead spricht stets von amputirtcn Füssen — existirte. Er
versprach mir, darüber zu schreiben. Da aber, selbst wenn Hr. Carrasquilla
seine Zusage genau erfüllt, gegen 4 Monate bis zum Eintreffen seiner Auskunft ver-
gehen werden, und ich andererseits durch die Erfahrungen, die ich in *23 Jahren
im Verkehr mit Hispano-Amerikanem gesammelt habe, etwas misstrauisch gegen
solche Versprechungen geworden bin, so beschloss ich, die Ansicht einer kleinen
Anzahl namhafter Amerikanisten, die sich eingehend mit Peru beschäftigt haben und
die fraglichen Gefusse kennen, einzuholen. Alle Herren haben geantwortet, ich
habe keinen Brief vergebens geschrieben. Vorher theile ich noch mit, dass sich
auch Hr. Bastian, wie mir von zuverlässiger Seite mitgetheilt wurde, bereits vor
Jahren dahin ausgesprochen habe, dass diese Gefasse Verbrecher darstellen, die
zur Strafe verstümmelt wurden.
Ich schrieb zunächst an Hrn. Geh. Rath Dr. W. Reiss, der hier genügend
bekannt ist. Er antwortete sofort, wenn auch sehr kurz. Er deutete in liebens-
würdiger Weise an, dass er von der Zeit der Conquista wohl nicht mehr wisse, als
ich, geht auf die Frage nach der Natur dieser peruanischen Thongefasse nicht
ein und erklärt zum Schlüsse: „dass der sehr bedenkliche Zustand seiner Augen
es ihm nicht gestatte, nähere Nachforschungen über die Justiz der alten Peruaner
anzustellen.*^ Ich bin Hm. Reiss zu ganz besonderem Danke verpflichtet, dass
er trotz seiner leidenden Augen geantwortet hat
Ich schrieb weiter an Hm. Dr. A. Stube 1 in Dresden. Meine Fragen und
die Antwort will ich verlesen:
1. Erinnern Sie sich, bei Ihren Studien über Süd -America auf Thatsachen
oder Angaben gestossen zu sein, welche den Schluss gestatten, dass die
Lepra vor Ankunft der Spanier und Portugiesen in Süd -America existirte?
„Nein.**
2. Haben Sie bei den wilden uncivilisirten Indianer-Tribus Liepra gefunden,
bezw. sichere Angaben erhalten, dass diese Krankheit bereits vor der Ver-
mischung mit den Weissen bei den Indianern zu finden war?
(560)
„Niemals; auch bin ich überzeugt, dass es ganz vergebliche Mühe
sein würde, solche Angaben auffinden za wollen. '^
3. Halten Sie die Verstümmelungen der Nase und Füsse an den im Briefe
erwähnten Vasen für die Folge von Krankheit oder Operationen?
„Halte ich unbedingt für Krankheits-Erscheinungen, welche dargestellt
werden sollten.^
4. Ist Ihnen bekannt, dass im alten Peru gewisse Vergehen und Verbrechen
durch derartige Verstümmelungen bestraft wurden?
„Darüber ist mir nichts bekannt^
5. Können Sie mir einige Historiker oder sonstige Quellen angeben, wo
Näheres über diese Art der Justiz zu finden ist? Ich habe bereits viele
Bücher vergebens durchgesehen.
„Meine Kenntniss der altspanischen Literatur erstreckt sich nicht auf
Werke, welche hierüber aythentische Angaben machten.**
Zu der Beantwortung der Frage 2 habe ich Folgendes zu bemerken: Erst in
neuester Zeit, etwa seit 1880, ist ein grosser Theil von Süd-America näher be-
kannt und erschlossen worden. Ich erinnere an die Versuche, im nordöstlichen
Bolivia und im östlichen Peru Verkehrswege anzulegen, und an die Forschungs-
reisen in Brasilien. Ueberall ist man auf Indianer-Tribus gestossen, die bisher
wenig oder gar nicht mit Europäern in Berührung gekommen waren. Ich habe
viele Berichte über diese Expeditionen und viele Berichte von Missionaren in den
letzten :^0 Jahren gelesen, aber ich erinnere mich nicht, je eine Bemerkung ge-
funden zu haben, dass man bei diesen Indianern auf Lepra gestossen sei. Diese
Forschungen können noch immer fortgesetzt werden, da es in Brasilien und im
östlichen Columbien noch immer mehr oder weniger unberührte Indianerstämme
giebt.
Ich schrieb weiter an Hrn. Dr. E. W. Middendorf, dem wir das beste
neuere Werk über Peru verdanken. Er hat 25 Jahre als Arzt im Lande gelebt,
eingehende linguistische, historische und ethnologische Studien gemacht und
den ganzen westlichen und centralen Theil des Landes behufs Aufsuchung der
alten Ruinenstätten durchwandert. Er schreibt mir: „8o sehr es mich gefreut
hat, zu ersehen, dass Sie sich meiner noch freundlich erinnern, so leid thut
es mir, dass ich Ihnen hinsichtlich Ihrer Anfragen keine befriedigende Ant-
wort geben kann. Ich habe während meines langen Aufenthaltes in Peru nur
3 Fälle von Lepra zu Gesicht bekommen. 2 davon waren Chinesen und einer eine
Frau von vorwiegend europäischem Blute. Von Leprösen rein indianischer Ab-
stammung habe ich weder etwas gesehen, noch von Collegen etwas gehört, —
was selbstTcrständlich nichts gegen etwaiges Vorkommen dieser Krankheit bei
den Eingebornen beweist. Auch bei den alten spanischen Schriftstellern ist mir
nicht erinnerlich, eine darauf bezügliche Bemerkung gelesen zu haben. Der Er-
oberer von Colombia starb an Lepra, nachdem er lange Zeit in Europa gelebt und
erst in seinen späteren Lebensjahren wieder nach America zurückgekehrt war.
Die Darstellung verstümmelter Menschen auf peruanischen OeHissen habe ich, wie
andere Forscher, als Abbildungen bestrafter Verbrecher betrachtet** — Leider nennt
Hr. Middendorf diese anderen Forscher nicht
Endlich schrieb ich, und zwar aof Ruth des Hm. Dr. Seier, an Hm. D. Marcos-
Jimenez de la Espada, unbedingt den besten lebenden Kenner des alten Perd.
Auch er hat in ebenso liebenswürdiger, wie ausführlicher Weise geantwortet
(561)
Da die Zeit leider abgelaufen ist, raoss ich die Mittheilung dieser Antwort
für die nächste Sitzung verschieben. Ich will nur bemerken, dass sich auch
fir. Jimenez de la Espada ganz bestimmt dahin ausspricht, dass es sich hier
mm pathologische Zerstörungen handle. —
Die weitere Discussion vrird auf die December-Sitzung vertagt. —
(28) Hr. Katz, der von dem Moskauer Congress aus eine Radfahrt durch
den Rankasus ausgeführt hat, zeigt eine Reihe von
Projectionsbildem kaukasischer Gegenden und Menschen
nach Photographien, die er auf seiner Reise aufgenommen hat.
Zugleich bespricht er eine kleine Sammlung scheinbarer Bronze -Idole pria-
pischer Art, die er in Tiflis gekauft hat —
Hr. R. Virchow erinnert daran, dass Graf A. Bobrinskoy auf den schwung-
vollen Handel mit getäischten Figuren dieser Art im Kaukasus aufmerksam ge-
macht hat (Verhandl. 1893, S. 371 und 1894, S. 367). —
(29) Die Colonial-Abtheilung des Auswärtigen Amtes, gez. v. Richt-
hof en, übersendet unter dem *1Z. October
anthropologische Aufnahmen des Hauptmanns Ramsay in Udjidji.
Ausser den nachstehenden Aufzeichnungen sind auch noch 19 zugehörige
photographische Platten durch das Auswärtige Amt eingeliefert worden. Da die-
selben aber keinerlei Bezeichnung tragen, so raussten sie vorläufig ganz zurück-
gestellt werden.
Das mitgetheilte Material wird in Nachstehendem, nach Ausscheidung der
überhaupt nicht ausgefüllten Rubriken, zusammengestellt:
Die Aufnahmeblätter besagen Folgendes:
Nr. 1. Udjidji, 22. Mai 1897. Tambue, 20jähriger Mann vom Stamme der
Mwinsa, aus Rassenga am Rutschugi ; Salzkocher, ^ in sehr gutem Ernährungs-
zustande. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Oberarm chokoladenbraun.
Tättowirung: drei Reihen ^^/^'-\'-\ ftuf dem Bauche. Iris dunkelbraun,
Augen rund, gerade gestellt. '^^^^ Kopfhaar schwarz, wellig und
kraus; kein Bart; Achsel und Scham behaart. Kopf hoch.
Gesicht rund; Stirn hoch; Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel flach, mit
breitem Rücken und breiten, grossen Flügeln. Lippen voll. Zähne gerade gestellt,
von weisser Färbung; Feilung der oberen Vorder-Schneidezähne: w \( w
Ohrläppchen nicht durchbohrt. Runde Brüste mit kleiner Warze. — LJL^^^OLJ
Nicht beschnitten; die Genitalien mit Haarwuchs. — Waden dünn,
aber muskulös. Hände lang und schmal, mit hellrosa Fingernägeln. Füsse kurz
und dick; längste Zehe II.
Nr. 2. Udjidji, 22. Mai 1897. Maganga, 22 jähriger Salzkocher vom Mwinsa-
Stamm, aus Kassenga; sehr gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und
Oberarm chokoladenbraun. Reine Tättowirung. Iris schwarz, Augen rund, gerade
gestellt. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus. Reimender Kinnbart; Achsel und
Scham behaart. Kopf breit Gesicht niedrig und breit; Stirn niedrig und gerade;
Wangenbeine vortretend. Nase an der Wurzel flach, mit breitem Rücken. Lippen
Verhandl. d«>r B«rl. Anthropol. (;eB«lls«baft 1897. 86
(562)
voll. 2^hne gerade gestellt, von weisser Färbung, ohne Feilong. Die Ohrläppchen
klein, ohne Durchbohrung. Brüste rund mit kleiner Warze. — Nicht beschnitten. —
Waden dünn, aber sehr muskulös. Hände kurz und breit, mit rosa Fingernägeln,
Kurze, dicke Ftisse; längste Zehe I.
Nr. 3. Udjidji, 22. Mai 1897. üssolo, 20jähriger Salzkocher, vom Mwinsa-
Stamm, aus Rassenga; sehr gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und
Oberarm chokoladenbraun. Keine Tättowirung. Iris schwarz; Augen rund, und
gerade stehend. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; Kinnbart sprossend; Achsel
und Scham behaart. Kopf lang und breit; Gesicht niedrig und breit, Stirn niedrig
und gerade, Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel eingedrückt, mit breitem
Rücken und grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne gerade stehend,
weiss, mit Feilung der oberen Vorder-Schneidezähne : / ,/ v \/ v Ohrläppchen
klein, ohne Durchbohrung. Brüste rund, mit kleiner [ JL/Vjl ) Warze. —
Nicht beschnitten. — Waden dünn, aber muskulös. \\ \ VI Hände kurz
und breit, mit rosa Fingernägeln. Füsse kurz und breit, längste
Zehe I. — Hat an jeder Hand sechs Finger und an jedem Fusse sechs
Zehen.
Nr. 4. Udjidji, 29. Mai 1897. Pungulu, SOjähriger Salzkocher, vom Mwinsa-
Stamm, aus Kassenga; in gutem Ernährungszustände. Hautfarbe an Stirn, Wange,
Brust und Oberarm chokoladenbraun. Tättowirung: auf beiden Unterarmen zwei
Gruppen von Schnitten: . Iris schwarz, Augen rund, gerade stehend.
Kopf haar schwarz, wellig - - und kraus; krauser Schnurr- und Backenbart;
Brust und Bauch behaart. ^* Kopf breit. Gesicht breit: Stirn niedrig und
gerade; Wangenbeine vortretend. Nase an der Wurzel eingedrückt
Flügel gross. Lippen voll und vortretend. 2>ähne massig, von weisser Färbung:
Feilung der oberen Vorder-Schneidezähne, zwischen denen eine kleine Lücke.
/ 1/ Jl U V Ohrläppchen klein, ohne Durchbohrung. Brüste mit runder Warze.
i_jy\\ ) Die Genitalien mit Haarwuchs; nicht beschnitten. Waden stark
und muskulös. Hände lang; Fingernägel rosa. Füsse kurz und
breit, längste Zehe I.
Nr. 5. Udjidji, 30. Mai 1897. Tawanjia, 25 jähriger Salzkocher, vom
Mwinsa-Stamm, aus Kassenga; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und
Oberarm dunkelbraun. Tättowirung: zwei Reihen von Narben auf beiden Oberarmen:
. Iris schwarz; Augen rund. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; Kinn-
r : und Schnurrbart vorhanden. Kopf schmal. Gesicht schmal; Stirn niedrig
z • und gerade; Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel eingedrückt, mit
schmalem Rücken und grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend.
Weisse, an den oberen Vorder -Schneidezähnen angefeilte Zähne. Ohrläppchen
Ü\/ ^ . klein, ohne Durchbohrung. Brüste rund, mit kleiner Warze. An den
■v^V-LJ Genitalien starker Haarwuchs; nicht beschnitten. Waden kräftig
\\ I 1 / und muskulös. Hände schmal und lang. Fingernägel rosa. Füsse
kurz und breit; längste Zehe L
Nr. 6. Udjidji, 30. Mai 1897. Mtanuke, dOjähriger Salzkocher, vom Mwinsa-
Stamm, aus Kassenga; gut genähri. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Ober-
arm dunkelbraun. Ohne Tättowirung. Iris schwarz; Augen rund und gerade
stehend. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; Bart an Oberlippe und Kinn;
Achselhöhlen und Scham behaart. Kopf schmal und hoch. Gesicht hoch und
schmal; Stirn niedrig und gerade; Wangenbeine angelegt. Nase an der Wunel
(563)
eingedrückt, mit flachem Rücken, schmaler Scheidewand und platten Flügeln.
Lippen voll und vortretend. Zähne gerade stehend, weiss, ohne Peilung. Ohr-
läppchen klein, ohne Durchbohrung. Brüste rund, mit kleiner Warze. Genitalien
mit Haarwuchs; nicht beschnitten. Waden kräftig und muskulös. Hände schmal
und lang, mit hellrosa Fingernägeln. Püsse kurz und breit, längste Zehe I.
Nr. 7. üdjidji, 17. Juni 1897. Kanseruni, 25jähriger Fischer vom Mbwari-
Stamm, aus Makabwari; gut genährt Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Ober-
arm chokoladenbraun. Keine Tättowirung. Iris schwarz, Augen rund, gerade
stehend. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; Kinnbart. Achsel und Scham behaart.
Kopf lang und breit. Gesicht breit; Stirn niedrig und gerade; Wangenbeine angelegt
Nase mit eingedrückter Wurzel, flachem Rücken, breiter Scheidewand und breiten,
jrrossen Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne gerade, massig, von weisser
Farbe; nicht befeilt Ohrläppchen nicht durchbohrt Brüste oval, mit kleiner Warze
und kleinem Warzenhof von folgender Form: _ .— . ^ — Nichtbe-
schnitten. — Waden kräftig und muskulös. V "^ ^^-^-^ — ^^^--l^I^^ Hände kurz
und breit; Fingernägel weiss. Füsse kurz und breit;
längste Zehe L
Nr. 8. Udjidji, 17. Juni 1897. Maguratschungu, 24jähriger Fischer vom
Mbwari-Stamm, aus Kandamisa; gut genährt. Hautfarbe an Stirn und Wange hell-
braan, an Brust und Oberarm dunkelchokoladenbraun. Keine Tättowirung. Iris
schwarz; Auge rund, gerade stehend. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; kein
Bart. Achsel und Scham behaart Kopf lang und breit Gesicht breit;3[ Stirn
niedrig und gerade; Wangenbeine angelegt Nase mit eingedrückter Wurzel, flachem
Rücken, schmaler Scheidewand und grossen, breiten Flügeln. Lippen voll und vor-
tretend. Zähne gerade, massig, weiss; Feilung wie bei Nr. 4, jedoch flacher. Ohr-
läppchen klein, ohne Durchbohrung. Brüste rund, mit vortretender Warze. —
Beschnitten. — Waden kräftig und muskulös. Hände breit und kurz; Fingernägel
weiss. Füsse kurz und breit; längste Zehe II.
Nr. 9. üdjidji, 17. Juni 1897. Kamruischrin, 24jähriger Fischer vom Mbwari-
Stamme, aus Ssomc; in sehr gutem Ernährungszustande. Hautfarbe an Stirn,
Wange, Brust und Oberarm chokoladenbraun. Ohne Tättowirung. [üeber die
Augen ist nichts vermerkt] Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; kein Bart Scham
und Achsel behaart. Kopf lang und breit. Gesicht breit; Stirn niedrig und gerade;
Wangenbeine angelegt. Nase mit eingedrückter Wurzel, schmalem Rücken, schmaler
Scheidewand, grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne gerade, von
feinem Aussehen und weisse Farbe; nicht befeilt Ohrläppchen ohne Durch-
bohrung. Brüste oval (wie bei Nr. 7) und mit kleiner Warze; die rechte Brust-
warze wie bei einem jungen Mädchen. — Beschnitten. — Waden muskulös.
Hände lang und schmal; Fingernägel rosa. [(Jeher die Füsse und die längste Zehe
ist nichts bemerkt]
Nr. 10. üdjidji, 17. Juni 1897. Sababu, 26jähriger Fischer vom Itfbwari-
Stamm, aus Mpansa; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Ober-
arm chokoladenbraun. Keine Tättowirung. Iris schwarz; Augen rund, gerade.
Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; kein Bart Achsel, Brust und Scham behaart.
Kopf kurz. Gesicht rund; Stirn niedrig und gerade; Wangenbeine vortretend. Nase
mit eingedrückter Wurzel, flachem Rücken, schmaler Scheidewand und [grossen
Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne gerade, durchscheinend, weiss; ohne
Feilung. Ohrläppchen nicht durchbohrt. Brüste oval (wie bei Nr. 7), mit kleiner
86*
(564)
Warze und kleinem Warzenhof. — Beschnitten. — Waden kräftig. Hände lang
und schmal; Nägel rosa. Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 11. üdjidji, 19. Juni 1897. Madjaliwa, 26jähriger Fischer vom Marungu-
Stamm, aus Mpuetu; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Oberarm
ganz dunkelbraun. Tätto wirung: über dem Nagel 4 Tüpfel senkrecht über einander.
Iris schwarz; Augen rund, gerade. Kopf haar schwarz, wellig und kraus; Rinnbart.
Achsei und Scham behaart. Kopf schmal. Gesicht schmal; Stirn hoch und gerade;
Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel eingedrückt, mit flachem Rücken,
schmaler Scheidewand und grossen Flügeln. Lippen toII und vortretend. Zähne
gerade, durchscheinend, weiss; nicht befeilt. Ohrläppchen klein, nicht durchbohrt.
Brüste oval (wie bei Nr. 7), mit kleiner Warze. — Beschnitten. — Waden kräftig.
Hände schmal und lang; Nägel hellrosa. Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
Die II. Zehe des linken Fusses ist verloren.
Nr. 12. üjidji, Sonntag 20. Juni 1897. Marsau, 26 jähriger Fischer und Träger
vom Mbwari-Stamm , aus Ssome; gut genährt Hautfarbe an Stirn, Wange, Brost
und Oberarm chokoladenbraun (im Gesicht heller). Ohne Tättowirung. Iris
schwarz; Augen rund, gerade. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; wenig Kinn-,
Schnurr- und Backenbart. Achsel und Scham behaart. Kopf kurz und schmal.
Gesicht schmal, oval; Stirn hoch und gerade; Wangenbeine angelegt. Nase mit
eingedrückter Wurzel, flachem Rücken, breiter Scheidewand und breiten Flügeln.
Lippen voll und vortretend. Zähne gerade, von massigem Aussehen, weiss; Feilung
der 2 mittleren oberen Schneidezähne (wie bei Nr. 8). Ohrläppchen ohne Durch-
bohrung. Brüste rund, mit kleiner, flacher Warze und kleinem Warzenhof. —
Beschnitten. — Waden kräftig und muskulös. Hände kurz und breit; Nägel rosa.
Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 13. üdjidji, 20. Juni 1897. Pendakusafiri, 25jähriger Fischer vom
Mbwari-Stamm, aus Karambu; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brost und
Oberarm chokoladenbraun. Nicht tättowirt. Iris schwarz; Augen rond, gerade.
Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; wenig Kinn-, Backen- und Schnurrbart
Achsel, Brust und Scham behaart. Kopf kurz und breit. Gesicht hoch, oval; Stirn
niedrig und gerade; Wangenbeine angelegt. Nase mit eingedrückter Wurzel
schmalem Kücken, schmaler Scheidewand und kleinen Flügeln. Lippen voll und
vortretend. Zähne gerade, von massigem Aussehen; Feilung der oberen Vorder-
Schneidezähne so: / v \ Ohrläppchen klein, nicht durchbohrt Brüste
mit kleiner, flacher ^'^^^sj Warze und rundem Warzenhof. — Beschnitten.
— Waden kräftig \ r~]| r"i und muskulös. Hände lang und schmal, mit
rosa Fingernägeln. \ ^ /1 4 / Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 14. üdjidji, 20. Juni 1897. Kitanda ja bibi, 2 2 jähriger Träger vom
Mbwari-Stamm, aus Ssome; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und
Oberaroi chokoladenbraun. Nicht tättowirt Iris schwarz; Augen rond, gerade.
Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; Spuren von Schnurr- und Backenbart Achael
und Scham behaart Kopf kurz und breit Gesicht niedrig und breit; Stirn luedrig
und gerade; Wangenbeine angelegt Nase mit eingedrückter Wurzel, flacheoi
Rücken, breiter Scheidewand und breiten Flügeln. Lippen voll und vortreteod.
Zähne gerade, von massigem Aussehen, weiss; nicht befeilt Ohrläppchen klein,
nicht durchbohrt Brüste rond, mit vortretender Warze und kleinem Warzenhot —
Beschnitten. Waden kräftig und muskulös. Händfe schmal und lang, mit
Fingeraägeln. Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
(565)
Nr. 15. Udjidji, 20. Jani 1897. Oodomea, 30 jähriger Bootsmann vom Mbwari-
Siainm, ansMbwari; gut genährt Haatfarbe an Stirn, Wange, Brust und Oberarm choko-
ladenbraun (im Gesicht heller). Tättowirang: a) *> b)aaf dem Bauche; ^)
auf dem Oberarm. Iris schwarz; Augen rund, ^ /\ /^ gerade. Kopfhaar
schwarz, wellig, kraus; Kinn- und Schnurrbart ^ /x ^^i vorhanden. Achsel :^^
und Scham behaart. Kopf kurz und breit. {/\/\/ Gesicht niedrig 'i^
und breit; Stirn niedrig und gerade; Wangen ' " beine vortretend.
Nase mit eingedrückter Wurzel, breitem Rücken, breiter Scheidewand und grossen
Flügeln. Lippen voll und vortretend, ^hne gerade, von massigem Aussehen,
weiss; Feilung wie bei Nr. 13. Ohrläppchen klein, nicht durchbohrt. Brüste oval
(wie bei Nr. 7), mit vortretender Warze und flachem Warzenhof. — Beschnitten. —
Waden muskulös. Hände kurz und breit, mit breiten rosa Fingernägeln. Fttsse
kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 16. Udjidji 20. Juni 1897. Masurumu, 25jähriger Fischer vom Mbwari-
Stamro, aus Kalamba; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Ober-
arm (dunkel)chokoladenbraun. Nicht tättowirt. Iris schwarz; Augen rund, gerade.
Kopfhaar schwarz, weUig, kraus; Spuren von Kinn- und Schnurrbart. Achsel und
Scham behaart. Kopf kurz und schmal. Gesicht breit; Stirn niedrig und gerade;
Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel eingedrückt, mit flachem, breitem
Rücken, schmaler Scheidewand und grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend.
Zähne gerade, von weisser Farbe; nicht befeilt. Ohrläppchen klein, nicht durch-
bohrt. Brüste oval (wie bei Nr. 7), nait kleiner Warze und kleinem Warzenhof. —
Nicht beschnitten. — Waden dünn, aber muskulös. Hände lang und schmal; Nägel
rosa. Füssc kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 17. Udjidji, 25. Juni 1897. Ngajakka, 35jähriger Mann vom Mdjidji-
Stamni, aus Mganza; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Ober-
arm chokoladcnbraun (im Gesicht heller). Tätto wirung: eine Reihe ^t ^ aa
auf dem Bauche. Iris schwarz; Augen rund, gerade. Kopfhaar ^
schwarz, wellig, kraus; Bart an Kinn, Backen und Oberlippe. Achsel und Scham
behaart. Kopf lang und schmal. Gesicht hoch und schmal; Stirn hoch und
gerade; Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel etwas eingedrückt, mit
breitem Rücken, breiter Scheidewand und grossen Flügeln. Lippen voll und vor-
tretend. Zähne gerade, von massigem Aussehen, weissgelb; Feilung in dieser Form:
^ Ohrläppchen nicht durchbohrt Brüste flach, rund, mit ganz kleiner
\^/\ j Warze und rundem Warzenhof. — Nicht beschnitten. — Waden kräftig.
Hände kurz und breit, mit rosa Nägeln. Füsse kurz und breit;
längste Zehe I.
Nr. 18. udjidji, 25. Juni 1897. Kitoe oder Kiboboa, 27jähriger Mann
vom Mdjidji- Stamm, aus Nkalinsi; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange,
Brust und Oberarm chokoladcnbraun. Nicht tättowirt. Iris schwarz; Augen rund,
gerade. Kopfhaar schwarz, wolbg, kraus; Backen-, Kinn- und Schnurrbart vor-
handen. Achsel und Scham behaart Kopf kurz und schmal. Gesicht niedrig
and rund; Stirn hoch und gerade; Wangenbeine angelegt Nase mit eingedrückter
Wurzel, breitem Rücken, schmaler Scheidewand und grossen Flügeln. Lippen
voll und vortretend. Zähne gerade, von feinem Aussehen, weiss; ohne Feilung.
Ohrläppchen klein, nicht durchbohrt Brüste oval (wie bei Nr. 7), mit vortretender
Warze und kleinem Warzenhof. — Nicht beschnitten. — Waden muskulös. Hände
breit und kurz, mit rosa Nägeln. Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
(566)
Nr. 19. Udjidji, 25. Juni 1897.
Ssekanoa, 27 jähriger Händler Tom
Mdjidji-Stamin, aus Kungu; gut ge- xJvv;:?^-:?^^:?^
nährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, ^^^^^^
Brust und Oberarm dunkelbraun. :._-.v.v..v- :.::...
Tätto wirung:
a) auf dem Bauche ;
ffW.'M'.üf.
ootnntiniit
» • » « ' *
b) auf der rechten
Rückenhäifte j|
(Narben).
Iris schwarz; Augen rund, gerade. Kopfhaar scjmarz, wellig, kraus; Bartwuchs
an Kinn und Oberlippe. Achsel und Scham benaart. Kopf kurz und schmaL
Gesicht hoch und schmal; Stirn hoch und gerade; Wangenbeine angelegt. Nase
an der Wurzel eingedrückt, mit breitem Rücken und grossen Flügeln, die Scheide-
wand so:
(#%)
Lippen voll und vortretend. 2iähne gerade, ron
massigem Aussehen, weiss; Feilung der oberen Vorder-Schneidezähne so : / X \
Ohrläppchen klein, nicht durchbohrt Brüste rund, mit kleiner, anliegender L/ ^J
Warze und flachem, kleinem Warzenhof. — Nicht beschnitten. — Waden dünn, aber
muskulös. Hände kurz und breit, mit rosa Fingernägeln. Füsse kurz und br^;
längste Zehe I.
Nr, 20. Cdjidji, 25. Juni 1897. Nairola, SOjähriger Mann vom Mdjidji-
Stamm, aus Mrangala; in gutem Ernährungszustände. Hautfarbe an Stirn, Wange,
Brust und Oberarm chokoladenbrann. Keine Tättowirung. Ins schwarz; Augen
rund und gerade. Kopfhaar schwarz, wellig, kraus; Bart an Kinn und Obeiiippe:
Achsel und Scham behaart Kopf kurz und schmal. Gesicht niedrig und breit;
Stirn niedrig und gerade; Wangenbeine angelegt. Nase mit eingedrückter WorseL
breitem Rücken, breiter Scheidewand und grossen Flügeln. Lippen voll und vor-
tretend. Zähne gerade, von feinem Aussehen, weiss; ohne Feilung. Ohrläppchec
nicht durchbohrt Brüste cylindrisch, mit vortretender Warze und kleinem, ovalem
Warzenhof. — Nicht beschnitten. — Waden dünn, aber muskulös. Hände ku«
und breit, mit rosa Fingernägeln. Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 21. Udjidji, 25. Juni 1897. Kajumba, 40jähriger Mann vom Mdjidji-
Stamm, aus Kaware; gut genährt Hautfarbe an Stirn, Wange, Brost und Ober-
arm chokoladenbrann, hell. Ohne Tättowirung. Iris schwarz; Augen rund, gerade.
Kopfhaar schwarz, wellig, kraus: Bart an Kinn und Oberlippe. Achsel und Scham
behaart Kopf kurz und schmal. Gesicht hoch und schmal: Stirn hoch ood
gerade; Wangenbeine angelegt. Nase mit eingedrückter Wurzel, breitem Rücken,
breiter Scheidewand und grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne
I.
Kopftnaasse
in Millimetern.
stamm:
Mwinsa
Mbwari
Nummer der Aufnahme-
bl&tter und Namen:
1
0 1
Ussolo
1
0
C ^ es
4P
0
O
•
M 1
il
■
•
I. 1
174 182 '
3.
170
4,5.
§.
7.
19<>
».
Grösste L&ngo
11)5 175
187
176
1^
Grösste Breite ....
•
142 144
151
150 185
140
14i»
145
14T
Ohrhohe
•
127 104
124
120 115
120
126
I4H
lJi<»
(5(57)
gerade, von massigem Aussehen, gelblich; nicht befeilt. Ohrläppchen nicht durch-
bohrt Brüste rond, mit kleiner Warze, Warzenhof wie bei Nr. 7. Waden dünn.
Hände lang und schmal, mit rosa Nägeln. Füsse lang und schmal; längste Zehe I.
Nr. 22. üdjidji, 28. Juni 1897. Rugarri, 35jähriger Mann vom Mdjidji-
Stamm; aus Ralinsi; sehr gut genährt Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und
Oberarm chokoladenbraun. Ohne Tättowirang. Iris schwarz; Augen rund, gerade
stehend. Kopfhaar schwarz, wellig, kraus; Kinn- und Backenhart vorhanden. Achsel
und Scham behaart. Kopf lang und schmal. Gesicht hoch und schmal, mit hoher
Stirn und angelegten Wangenbeinen. Nase mit eingedrückter Wurzel, breitem Rücken,
breiter Scheidewand und breiten, grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend.
Zähne gerade, von massigem Aussehen, weiss ; Feilung am rechten oberen Schneide-
zahn (wie bei Nr. 17). Ohrläppchen klein, nicht durchbohrt. Brüste cylindriscb,
vortretend, mit kleiner Warze und ovalem Warzenhof (wie bei Nr. 7). — Nicht be-
schnitten. — Waden dünn, aber muskulös. Hände lang und schmal, mit rosa Nägeln.
Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 23. Udjidji, 2. Juli 1897. Tschuba, 19jährige Frau vom Mdjidji- Stamm,
aus Mohassa; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Oberarm choko-
ladenbraun. Schöne Tättowimng. Iris schwarz; Augen rund und gerade stehend.
Kopfhaar schwarz, wellig, kraus. Achsel und Scham behaart Kopf kurz und
schmal. Oesicht niedrig und breit, mit niedriger gerader Stirn und aqgelegten
Wangenbeinen. Nase mit eingedrückter Wurzel, l)reitem Rücken, breiter Scheide-
wand und kleinen ^^^ ^^ Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne
von weisser Farbe ; (^^ ^^J zwischen den mittelsten oberen Schneidezähnen
von Geburt an
Ohrläppchen nicht durchbohrt.
Hände lang und rTXTl schmal. Füsse
eine breite Lücke / V \ I 1 \ (^^"® Feilung).
Brüste rund, mit ^ — ^— ^ ^ — * — ' herabhangen-
der Warze. — Waden dünn,
kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 24. üdjidji, 2. Juli 1897. Njabunue, 1 8jährige Frau vom Mrundi-Stamm
(Geburtsort vergessen); in gutem Ernährungszustande. Hautfarbe an Stirn, Wange,
Brust und Oberarm hell chokoladenbraun. Reichliche Tätto wirung. Iris schwarz;
Augen rund, gerade stehend. Kopfhaar schwarz, wellig, kraus; kein Bart Achsel und
Scham behaart Kopf kurz und schmal. Gesicht hoch und schmal, mit niedriger, gerader
Stirn und angelegten Wangenbeinen. Nase an der Wurzel eingedrückt, mit br^tem
Rücken, schmaler Scheidewand und kleinen Flügeln. Zähne gerade, weiss; die Spitzen
der befeilten obe- . u jl x. . renVorder-Schneidezähne reichen über die unteren
Zähne. Ohrläpp- (l^—]r\J^ chcnnicht durchbohrt Brüste rund, mitcylindrischer
langer Warze und \ N M /i / vollem Warzenhof. — Waden dünn. Hände schmal
und lang, mit rosa Fingernägeln. Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
I. Kopftnaasse in Millimetern.
Mbwari
Mdjidji
Ma-
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Mrun-
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OB
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15. 1§.
17.' 18. It. 20. tl.
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II.
21.
164
185
176 178 18() 1 185
190 195 186 1851195
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162
li»7
186
140
153 135 145 148
135 135 135 135 136
143
145
138
144
186
145
150 145
145 ^ 156
135
145 140 130 135
140
136
134
144
(568)
Stamm:
Nnmmer der Aafaahme-
blfttter und Namen:
Mbwari
Stimbreite
Oesicbtshöhe A
B
Mittelgesicht
Gesicbtsbreite a)
b)
c)
Distanz der inneren Augen-
winkel
Difitani der äusseren Augen-
winkel
Nase, Höhe
. , L^nge
« , Breite
Mund, Länge
Obr, Höhe
Entfernung des Obrloches von
der Nasenwurzel
Horizontalumfang des Kopfes .
128
174
118
76
116
105
112
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65? j
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48
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46
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560
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190
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75
155
125
106
86
110
50
60
40
52
65
125
580
Längenbreitenindex
Ohrhöhenindex . .
Gesicbtsindex . .
Berechnete Indices.
81,6' 79,1 88,8 76,9 , 77,1 74,9
78,0; 57,1 72,9 I 61,5 65,7
— ' 46,1 ?| 89,9 88,5 100,0
64,2
84,0
n. Ktfrpermaasse in Millimetern.
Ganze Höbe
Klaftenv'eitc
Höbe, Kinn
^ , Schulter ....
. , Ellenbogen . .
.. , Handgelenk . .
^ , Mittelfinger . .
• , Nabel
„ , Crista ilium . .
r , Symphysis pubis
^ , Trocbanter . . .
Pateüa
" 7
120
175
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78
185
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«:»
37
52
12M
80,0 76,8 89,1
71,4 j 7.%7 ! 90,9
77,8 77,4 80,O
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um
1620
1730 1 1630
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1640
1740
1640
1680
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Berechnete Indices.
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Hr. Rud. Virchow: Aus den Angaben des Hm. Ramsay ergiebt sich, dass
unter den 24 gemessenen Personen nur 2 Wdiber waren, von denen die eine eine
Hdjidji, die andere eine Mrundi war. Von den 22 Männern waren 6 Salzkocher
von dem Stamme Mwinsa, 9 Fischer, bezw. Träger oder Bootsleute aus dem
Stamme Mbwari; ein Fischer war seines Stammes ein Marungu, 6 Leute, ron
denen nur bei einem die Beschäftigung (Händler) angegeben ist, gehörten nach
Udjidji. Ueber die etwaigen Beziehungen der Stämme unter einander ist nichts
gesagt "
Ich habe nach den Ton Hm. Ramsay angeführten Zahlen fär Länge und
Breite des Kopfes die Indices nochmals berechnet:
. 81,6 Nr. 18. Mbwari, Fischer mß
Nr. 1. Mwinsa, Salzkocher
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Dieses Ergebniss stimmt mit dem des Hrn. Hose mann (8. 426) einigermaasen
überein. Freilich hat Hr. Ramsay über den von ihm verwendeten Maassstab
nichts gesagt, indess liegt kein Omnd vor, die Richtigkeit seiner Rechnung zu be-
zweifehi. Darnach wäre auch das Urtheil über die Resultate des Hm. Hösemann
zu corrigiren.
Hier erhalten wir aber eine wichtige Erklärung in der Staromesverschiedenheit.
Sämmtliche Dolichocephalen des Hrn. Ramsay, mit Ausnahme eines Mwinsa
(Nr. 6) und einer Mrundi (Nr. 24), waren ans üdjidji selbst; unter den Mbwari
dagegen sind 6 Brachy- und 3 Mesocephalen ; unter den Mwinsa zähle ich
2 Brachy-, 3 Meso- und 1 Dolichocephalen. Es würde also Gegenstand weiterer
Ermittelung sein müssen, diese Angelegenheit weiter zu verfolgen.
Ich bemerke noch, dass 8 Männer als beschnitten aufgeführt werden,
darunter 7 Mbwan und 1 Marungn; sämmtliche Mwinsa- und Udjidji-Männer waren
nicht beschnitten.
Die Feilung der oberen mittleren Schneidezähne ist bei 11 Männern und
den beiden Mädchen erwähnt Als nicht gefeilt werden aufgeführt 2 Mwinsa,
5 Mbwari, 1 Marungn und 3 Wadjidji.
Hieraus dürften sich weitere Anhaltspunkte für die Abstammung ableiten
lassen, znmal wenn die Tättowirungen in nähere Betrachtung genommen
werden. —
(30) Neu eingegangene und erworbene Schriften:
1. Conwentz, H., Die Moorbrücken im Thal der Sorge. Mit 10 Tafeln und
26 Textfiguren. Danzig 1897. (Abhandlungen zur Landeskunde der Pro-
vinz Westpreussen X.) Gesch. d. Verf.
(572)
2. May, M., Sind die fremdartigen Ortsnamen in der Provinz Brandenburg und
in Ostdeutschland slavisch oder germanisch? Frankfurt a. II. 1897. G^esch.
d. Verf.
3. Preuss, R. Th., Künstlerische Darstellungen aus Kaiser -Wilhelms -Land in
ihrer Bedeutung für die Ethnologie. Berlin 1897. (Zeitschr. f. Ethnol.)
Gesch. d. Verf.
4. Buschan, G., Metopismus. Wien 1897. (Real-Bncyclopädie der gesammten
Heilkunde.)
5. Derselbe, Die 28. allgemeine Versammlung d. Deutschen Anthropol. Gesellsch.
in Lübeck vom 3. bis 6. August 1897. (Gentralbl. für Anthrop., Ethnol.
und Urgeschichte.)
Nr. 4 u. 5 Gesch. d. Verf.
6. Pantussow, N. N., Mittheilungen über das Territorium von Kuldscha tou
1871—1877. Kasan 1881. (Russisch.) Gesch. d. Verf.
7. Weber, F., Germanische Reihengräber in Oberbayem. München 1897.
(Correspondenzbl. d. Deutsch. Anthrop. Ges.)
8. Derselbe, Bericht über neue vorgeschichtliche Funde in Bayern. Für die
Jahre 1894 — 1896 zusammengestellt München 1897. (Beiträge z. Anthr.
und Urgesch. Bayerns.)
9. Derselbe, Die Hügelgräber auf dem bayerischen Lechfeld. München 1897.
(Beitr. zur Anthrop. und Urgesch. Bayerns.
Nr. 7—9 Gesch. d. Verf.
10. Treichel, A., Vier Aufsätze zur Volkskunde aus den Verhandl. d. Berliner
Anthrop. Ges., den „Blättern fUr Pommerische Volkskunde^, dem „Urquell*^
und der Altpr. Monatsschrift Gesch. d. Verf.
11. Giuffrida-Ruggeri, V., Un osso zigomatico tripartito e altre rare anomalie.
Reggio-Emilia 1897. (Estr. Rivista Sperimentale di Freniatria.) Gesch.
d. Verf.
12. Hirth, F., Ueber die einheimischen Quellen zur Geschichte der Chinefidschen
Malerei von den ältesten Zeiten bis zum 14. Jahrhundert München 1897.
(XI. Internat Orientalisten-Congress, Paris«) Gesch. d. Verf.
13. Mies, J., Quelques points sur la longueur, 1e poids absolu, le volome et le
poids speciftque du corps humain. o. O. u. J. (Congres international de
Moscou 1897.)
14. Derselbe, Ueber das Verhältniss des Hirn- zum Rückenmarkgewicht, ein Unter-
scheidungsmerkmal zwischen Mensch und Thier. Berlin 1897. Deutsche
Medicinische Wochenschrift.)
Nr. 13 u. 14 Gesch. d. Verf.
15. Berg, C, Memoria del Museo Nacional correspondiente al ano 1894. Das-
selbe ftir 1895 und 1896. Buenos Aires 1897. Gesch. d. Verf.
16. V. Schulenburg, W., Alterthümer aus dem Kreise Teltow. Beriin 1H97.
(Brandenburgia 4.) Gesch. d. Verf-
17. Kossinna, G., Die ethnologische Stellung der Ostgermanen. Bonn 18^6.
(Indogermanische Forschungen VU.)
18. Derselbe, Referat über: Bericht über die Erforschung des obergemumisch-
rhätischen Limes von F. Hettner. Berlin 1897. (Anzeiger f. deutsches
Alterthum und deutsche Litteratur XXIII.)
Nr. 17 u. 18 Gesch. d. Verf.
19. Krzywicki, L., Kurs systeroatyczny Antropologü 1. Rasy fizyczne. War-
szawa 1897. Gesch. d. Verf.
(573)
20. Bartels, P., Ueber Geschlechtsunterschiede am Schädel. Berlin 1897. Gesch.
d. Verf.
21. Ploss-Bartels, Das Weib. 5. Auflage. 16. und 17. (Schluss-) Lieferung.
Berlin 1897. Gesch. d. Verf.
22. Li vi, R., Dello sviluppo del Corpo in rapporto colla professione e colla con-
dizione sociale. Roma 1897. Gesch. d. Verf.
23. Grossi, V., Nel paese delle Amazzoni. Roma 1897. Gesch. d. Hm. Virchow.
24. Eine moderne Feuerbestattung. Berlin 1897. Gesch. d. Vereins für Feuer-
bestattung in Berlin.
25. Observaciones meteorologicas de San Salvador. Febrero y Marzo 1897. San
Salvador (o. J.). Gesch. des Observatoriums in San Salvador.
26. Festschrift zur XXVIII. Versammlung der Deutschen Anthropologischen Ge-
sellschaft. Lübeck 1897. Gesch. d. Lokal-Geschäftsführung.
27. Deininger, J. W., Das Bauernhaus in Tirol und Vorarlberg. Abth. I. Heft 6.
Wien 0. J. Angekauft.
28. Cooper, J., Informe del Museo Nacional de Costa Rica. San Jose 1897.
Gesch. d. Museums in Costa Rica.
29. Relaciones geogrdficas de Indias. Publicaeas el Ministerio de Fomento. Peru.
Tomo IIL Madrid 1897. Gesch. d. Hm. M. Murillo in Madrid.
30. Hamy, B. T., Galerie am^ricaine du Musee d'ethnographie du Trocadero.
Choix de pieces arch^ologiques et ethnographiques. 1 . partie. Paris 1 897.
Gesch. Sr. Excel lenz des Duc de Loubat in Paris.
31. Compte-rendu de la Commission Imperiale Archeologique pour 1891 — 1894.
St. Petersbourg 1894—95. 4«. (Russisch.)
32. Materiaux pour servir ä Tarcheologie de la Russie, publies par la Commission
Imperiale Archeologique. Nr. 20. St. Petersbourg 1896. (Russisch.)
Nr. 31 u. 32 Gesch. d. k. archäol. Commission in St. Petersburg.
33. 1866 bis 1896 Trei-deci de ani de domnie ai regelui Carol I. Vol. I u. II.
Bucuresci 1897. Gesch. d. Rumänischen Akademie.
34. Deutschland und seine Colonien im Jahre 1S96.* Berlin 1897. Gesch. d.
Arbeitsausschusses der Deutschen Colonial-Ausstellung.
35. Bibliotheca geographica III. Jahrg. 1894. Berlin 1897. Gesch. d. Hm.
Lissauer.
36. Lenz, R., EstudioH Araucanos IX. Santiago de Chile 1897. (Anal. Universidad
de Chile.) Gesch. d. Verf.
37. Virchow, R., Die Stellung der Lepra unter den Infectionskrankheiten und
die pathologisch-anatomische Erfahrung. Berlin 181)7. (Lepra-Conferenz.
I. Bd.) Gesch. d. Verf.
38. Mako WS ky, A., Der Löss von Brunn und seine Einschlüsse an diluvialen
Thieren und Menschen. Brunn 1897. (Verhandl. d. naturf. Vereins in
Brunn.)
39. Derselbe, Der diluviale Mensch im Löss von Brunn. Wien 1892. (Mitth. d.
Wiener Anthropol. Gesellschaft)
40. Derselbe, Beiträge zur Urgeschichte Mährens. Wien 1896. (Mitth. d. Wiener
anthropol. Gesellschaft.)
41. Derselbe, Das Rlünoceros der Diluvialzeit Mährens als Jagdthier des paläo-
lithischen Menschen. Wien 1897. (Mitth. d. Wiener Anthropol. Gesellsch.)
42. Derselbe, Die Excursion der Anthropol. Gesellschaft nach Brunn vom 27. bia
29. Mai 1897. Wien 1897. (Mitth. d. Wiener Anthropol. GesellschafL)
Nr. 38—42 Gesch. d. Verf.
(574)
43. Behla, R., Die Amöben, insbesondere vom parasitären und calturellen Stand-
punkte. Berlin 1898. Oesch. d. Verf.
44. Moore, A. W., and J. Beddoe, Physical Anthropology of the Isle of Man.
London 1897. (Joum. Anthrop. Institute.) Gesch. d. Verf.
45. Seidel, H., Der Yew'e-Dienst im Togolande. Berlin 1897. (Zeitschrift für
afrikanische und oceanische Sprachen. III.)
46. Derselbe, Instruction für ethnographische Beobachtungen und Sammlungen in
Togo. Berlin 1897. (Mitth. aus den deutschen Schutzgebieten. X.)
47. Derselbe, Krankheit, Tod und Begräbniss bei den Togo-Negern. Braunschweig
1897. (Globus. LXXII.)
Nr. 45—47 Gesch. d. Verf.
48. Stieda, L., Referate aus der Russischen Literatur. (Abhandlungen, den
Raukasus betreffend.) Braunschweig 1897. (Arch. f. Anthropol.) Gesch.
d. Verf.
49. y. Andrian, F., Die kosmologischen und kosmogonischen Vorstellungen primi-
tiver Völker. München 1897. (CJorresp. d. Deutsch. Anthropol. Gesellsch.)
Gesch. d. Verf.
50. Dorsey, G. A., A sexual study of the size of the articular surfaces of the
long bones in Aboriginal American Skeletons. — A rare form of Occipito-
Atlantical articulation. Boston 1897. (Boston Medic. and Surg. Journal.)
51. Derselbe, A Peruvian cranium with suppressed upper lateral incisors. —
Notes on the numerical variations of the teeth in fifteen Peruvian skulls.
0. 0. 1897. (Dental Cosmos.)
52. Derselbe, Observations on the Scapulae of Northwest Coast Indians. o. O.
1897. (American Naturalist.)
53 Derselbe, Physical Antbropology. o. O. 1897. (Science.)
Nr. 50—53 Gesch. d. Verf.
54. Fiala, F., Die Ergebnisse der Untersuchung prähistorischer Grabhügel auf
dem Glasinac im Jahre 1895. — Ausgrabungen auf dem Debelo Bi^do bei
Serajevo im Jahre 1894. — Beiträge zur römischen Archäologie der Herce-
govina, — Viola Beckiana N. Sp. — Römische Brandgräber bei Rogatica.
Wien 1897. (Wissensch. Mitth. aus Bosnien und der üercegovina. V. Bd.)
Gesch. d. Verf.
i
f575)
El ultüno adios
von Don Jos^ Rizal.
Adios, patria adorada, region del sol qaerida,
Perla del mar de Oriente, nuestro perdido Eden
A darie voy alegre la triste mustia vida;
Si fnera mas brillante, mas fresca, mas florida,
Tambien por ti la diera, la diera por tu bien.
En campos de batalla Incbando con delirio
Otros te dan sos yidas, sin dudar, sin pensar;
El sitio nada importa: cipres, laurel 6 lirio,
Cadalso 6 campo abierto, combate ö cruel martirio,
Lo mismo es, si lo piden la patria y el bogar.
Yo muero cuando veo que ei cielo se colora,
Y al fin anoncia el dia tras löbrego cariz.
Si grana neeesitas para tenir tu aurora,
Vierte la sangre mia, derramala en baen bora,
Y dasela un reflejo de tu naciente luz.
Mis suenos, cuando apenas mucbacho adolescente,
Mis suenos, cuando joven ya Ueno de vigor,
Fueron al verte un dia, joya del mar de Oriente,
Secos los negros ojos, alte la tersa frente,
Sin ceno, sin arrugas, sin mancbas de rubor.
Ensueüo de mi vida, mi ardiente vivo anhelo,
Saludl te grita el alma, que pronto va ä partir.
Salud, eb! que es bermoso caer por darte vuelo,
Morir por darte yida, morir bajo tu cielo,
Y en tu encantada tierra la eternidad dormir.
Si sobre mi sepulcro yieras brotar un dia
Entre la espe^a yerba sencilla humilde flor,
Acercala a tus labios, que es flor del alma mia,
Y sienta yo en mi frente, bajo la tumba fria
De tu temura el soplo, de tu bälito el calor.
Deja a la luna verme con luz tranquila y suave,
Deja que e\ alba enrie su resplandor fugaz,
Deja gemir al viento con su mormullo grave,
Y si desciende, y posa sobre mi cruz un ave,
Deja que el^ave entone un cäntico de paz.
Deja que el sol ardiendo las lluvias evapore,
Y al cielo tornen puras con mi clamor en pös.
Deja que un ser amigo mi fln temprano llore,
Y en las serenas tardes cuando por mi alguien ore,
Ora tambien, oh Patria, por mi descanso d Dios.
(576)
Ora por todos caantos murieron sin Ventura,
Por caantos padecieron tormento sin igual,
Por nnestras pobres madres, que gimen sa amargnra,
Por hnerfanos y vindas, por presos en tortora,
Y ora por ti, que veas tu redencion ftnal!
Y cuando en noche oscura se envnelve el cementerio
Y solo los muertos quedan velando alli,
No tarbes su reposo, no torbes el misterio,
Tal?ez acordes oigas, citaras 6 salterio:
Soy yo, querida patria, yo que canto d ti!
Y cuando ya mi tumba, de todos olridada,
No tenga cruz ni piedra, que marquen su lugar,
Deja que la are el hombre, la esparza con la azada;
Y mis cenizas, antes que 7uel?an d la nada,
El polvo de tu alfombra que vengan d formar.
Entonces nada importa me pongan en olvido,
Tu atmosfera, tu espacio, tus valles cruzar^,
Vibrante y limpia nota sere para tu oido,
Aroma, luz, colores, rumor, canto, gemido
Constante repitiendo la creencia de mi fei
Mi patria idolatrada, dolor de mis dolores,
Querida Filipinas, oye el postrer adios
Ahi te dejo todo, mis padres, mis amores,
Voy ä dö no hay esclavos, verdugos, ni opresores,
Donde la fe no mata, donde el que reina es Dios.
Adios, padres y hermanos, trozos del alma mia,
Amigos de la infancia en el perdido hogar,
Dad gracias que descanso del fatigoso dia.
Adios, dulce estrangera, mi esposa, mi alegria,
Adios, queridos seres, morir es descansar.
(577)
Das letzte LebewoM
von Don Jos^ Rizal.
Uebersetzung von Dr. Eduard Seier.
Leb wohl, geliebte Heimath, Du Reich der goldnen Sonne,
Des Ostmeers leuchtende Perle, Torlornes Paradies!
Filr Dich das traurige Leben, ich gebe es mit Wonne,
Und war es frisch und glanzToll, ein Blüthenquell, roll Wonne,
Auch dann gab ich es gerne, für die Heimath gern ich's Hess.
Im Rausch entbrannter Schlachten, auf blutgetränkten Haiden,
Sie opfern Dir ihr Leben, ohn* Zaudern, ohne Wahl.
Der Platz thut nichts zur Sache: Lorbeer und Trauerweiden,
Schlachtfeld und Blutgerüste, im Kampf, im Folterleiden,
Pür's Vaterland wir sterben, da, wo es uns befahl.
Ich sterbe, wenn am Moi^n aus dunklen Wolkensälen,
Nach bangem nächtigem Grauen, der erste Schimmer bricht.
Und sollt' der Morgenröthe ein wenig Purpur fehlen,
Giess hin mein Blut das rothe, lass ihr es sich yermählen,
Dass blutig Widerscheine des jungen Tages Licht.
Des Knaben erstes Träumen, des Jünglings heisses Sehnen,
Auf Dich war es gerichtet, des Ostmeers heller Stern!
Dich hoffte ich zu schauen, getrocknet Deine Thränen,
Erhabenen Hauptes schreitend, vorbei gramvolles Sehnen,
Verscheucht des Kummers Falten, der Schmach für immer fem.
Traum meines jungen Lebens, mein heisses, trunknes Werben,
Es grüsset Dich die Seele, die bald nun ruht vom Thun.
Ja, schön ist es zu fallen. Dir Freiheit zu vererben.
Dir Leben gebend scheiden, unter Deinem Himmel sterben.
In Deinem Zauberlande in Ewigkeit dann ruh'n.
Siehst auf dem grünen Hügel Du lieblich sich erschliessen,
Versteckt in dichtem Grase, ein kleines Blümelein,
So drück's an Deine Lippe, mein Herz Hess auf es spriessen,
Lass in dem kühlen Grabe ein Weilchen mich geniessen
Den Hauch mitleidiger Liebe, den warmen Athem Dein.
Der Mond mit stillem Lichte in's Angesicht mir scheine,
Der helle Morgen sende den flüchtigen Strahl mir zu.
Des Windes sanftes Wehen den Hügel leis umweine.
Und lässt ein kleines Vöglein sich nieder auf dem Steine,
Lass Frieden es mir singen in meine Grabesruh' !
Im heissen Strahl der Sonne geläutert aufwärts wende
Sich feuchter Dunst und trage mein Flehen dem Himmel zu!
Eine mitleidsvolle Seele bewein' mein frühes Ende,
Und wenn am stillen Abend Gebet erhebt die Hände,
0 Vaterland, so bete auch Du für meine RuhM
VerhiiBdL der Berl. Anthropoi. Ge!»ellschait lt)i«7. 87
(578)
Für all' die Armen bete, die sie zq Tode brachten,
Für alle, die da starben in Martern unerhört,
Für unsere armen Mütter, die ihr bitteres Leid betrachten,
Für Wittwen und für Waisen, für die in Banden schmachten.
Und auch für Dich, dass endlich auch Dir Erlösung werdM
Wenn um den stiUen Friedhof sich Nacht und Dunkel breiten
Und nur die Todten wachen, von Finstemiss umringt,
0 stör' nicht ihre Buhe, was heimlich sie bereiten.
Vielleicht hörst Du Accorde, hörst klingen Harfensaiten,
Ich bin's, geliebte Heimath, ich bin's, der Dich besingt
Und wenn schon längst vergessen mein Grab in späten Tagen,
Rein Stein mehr zeigt die Stätte, kein Kreuz auf ihm zu seh'n.
Der Pflug mag es zerwühlen, das Grabscheit es zerschlagen.
Die Asche, die geblieben, vom Wind herausgetragen.
Als Staub in Deinem Teppich, so möge sie verweh'nl
Dann werd' ich .unbekümmert, ob alle mich yergassen,
In Deinem Luftraum schweben, in Deinen Thälem mild,
Und rein u\id hell erklingen werd' ich auf allen Strassen,
In Duft, in Licht, in Farbe, in Lied, in Seufzer fassen
Das, was als heiliger Glaube mein Innerstes erfüllt
0 Vaterland, Du theures. Du schmerzlichster der Schmerzen,
Geliebte Filippine, leb' wohl zum letzten Mal!
Dir lass' ich Eltern, Freunde, was theuer meinem Herzen,
In's Land der Freiheit zieh' ich, wo keine Retten schmerzen,
Wo Glaube nicht den Tod bringt, wo Gott herrscht allzumal.
Lebt wohl, Eltern und Brüder, Bruchstücke meiner Seele,
Ihr Freunde meiner Rindheit, den Herd ihr verödet seht,
Dankt Gott, dass ruh'n ich werde, der im Staub so lang mich quäle!
Leb' wohl, Du süsse Fremde, mein Weib, Da meine Seele,
Lebt wohl, geliebte Wesen! Wer stirbt, zur Ruhe geht!
Sitzung vom 18. December 1897
Vorsitzender: Hr. R. Virchow.
(1) Als Gäste sind anwesend die HHm. Prof. Emil Ornnmach and Dr. Rieh.
Bethge von Berlin, Dr. R. Raatzsch von Halle a. S. —
(2) Der Vorsitzende erstattet statatengemäss den
Verwaltungsbericht für das Jahr 1897.
■
Der Personalbestand der OesellschaTt hat im Laufe des Jahres zahlreiche und
zum Theil recht schmerzliche Aenderungen erfahren.
Von unseren 5 Ehrenmitgliedern ist Oberstudienrath Prof. Dr. Fraas in Statt-
gart am 22. November im 74. Lebensjahre nach kurzem Leiden gestorben. Er war
einer der hervorragendsten Repräsentanten jenes alten Stammes von deutschen
Alterthumsforschem, die schon vor der Gründung der Deutschen Anthropologischen
Gesellschaft an der Arbeit standen und der späteren glänzenden . Entwicklung
derselben den Boden geebnet haben. Seine Höhlenforschung in der schwäbischen
Alp und seine schönen Entdeckungen an der Schussenquelle werden dauernde
Marksteine in unserer Prähistorie bleiben. — Die 4 anderen Ehrenmitglieder haben
wir in voller Thätigkeit unter uns gesehen. Gräfin Uwarow, die inzwischen einen
schweren Typhus durchgemacht hat, wird demnächst auf ihrer Rückreise von der
Riviera, wo sie Erfrischung gesucht und gefunden hat, einige Tage in Berlin ver-
weilen: sie lässt der Gesellschaft im Voraus die herzlichsten Grüsse bestellen.
Frl. Mestorf sahen wir neben den Herren Baron v. Andrian und Johannes
Ranke auf unserm Congress; die erfolgreiche Thätigkeit der ersteren konnten wir
in Kiel direct bewundem.
Aus der Zahl unserer correspondirenden Mitglieder haben wir leider 6,
und darunter die besten Männer verloren: Bahnson, Galori, Sir A. Wollaston
Franks, Franz v. Pulszky, Jap. Steenstrup und H. Wankel. Ihre Namen
erinnern uns an die Blüthezeit der internationalen prähistorischen Congresse,
auf denen sie ihre wichtigen Beobachtangen über die Entwickelang der ältesten
Oultur in Europa uns vortragen. — Neu gewählt wurden die HHm. Delorme,
Makowsky, de Morgan, Munro, Flinders Petrie und Graf Eugen Zichy.
Der letztere wur eben in Berlin, eifrig beschäftigt mit den Vorbereitungen zu einer
neuen grossen wissenschaftlichen Forschungsreise, die quer durch Gentralasien bis
nach China gehen soll. Er hat mich beauftragt, der Gesellschaft seinen warmen
Dank für die ihm gewordene Ehrenbezeugung auszusprechen. — Somit ist die Zahl
unserer correspondirenden Mitglieder unverändert geblieben; sie beträgt, wie am
Schlüsse des Vorjahres, 117.
Auch bei den ordentlichen Mitgliedern ist die Zahl der immerwährenden,
5, unverändert geblieben. Dagegen haben wir von den zahlenden Mitgliedern 18
durch den Tod verloren: Arons, Berlin, Boer, Eyrich,R. Fischer, L^ Fischer,
37*
(580)
Gttterbock, Heimann, A. v. Heyden, Rärnbach, Marimon y Tudö, Menger,
Schweitzer, Palm Siemsen, Strassmann, Wattenbach, Herrn. Weiss und
Zintgraff, lauter zuverlässige und anhängliche Männer, nicht wenige von weit
umfassendem Wissen, manche yon ganz ungewöhnlicher Energie und ThatkrafL
Wir werden ihrer in treuer Erinnerung gedenken. Dafür sind neu aufgenommen 30.
Da jedoch ausgetreten oder wegen Zahlungsverweigerung 23 gestrichen worden sind,
so beträgt die jetzige Zahl 517 und mit Zurechnung der immerwährenden Mit-
glieder 522. Gegen das Vorjahr, in welchem wir am Schlüsse 533 ordentliche
Mitglieder hatten, ein Verlast von 11 Mitgliedern.
Sie wissen, welche Ansprüche an unsere Mittel durch die laufenden Leistungen
der Gesellschaft, insbesondere durch die Publication der ^Zeitschrift für Ethnologie*^,
der ^Verhandlungen'^ und der „Nachrichten über deutsche Alterthumsfande^
gemacht werden. Sowohl der Umfang dieser Veröffentlichungen, als ihr Reichthum
an Illustrationen, welche uns in dem Wettstreite der Nationen einen so ehrenvollen
Platz gewonnen haben, waren nur möglich, indem wir unsere Jahreskasse fast ganz
erschöpften. Wir bedürfen also nach wie yor einer grossen Hülfe durch zahlende
Mitglieder. Die Staatszuschüsse, welche uns der Herr Unterrichts-Minister in
liberaler Weise fortbewUligt hat und welche in Wirklichkeit eine stete Voraus-
aussetzung für die Fortsetzung unserer literarischen Thätigkeit sind, reichen bei
Weitem nicht aus, um eine nennenswerthe Erweiterung unserer Sammlungen oder
gar die Unternehmung besonderer Forschungsreisen zu ermöglichen. Wir mtissen
uns auf das Notb wendigste beschränken und zufrieden sein, wenn wir den Platz
behaupten, auf den wir uns gestellt haben. Mögen unsere Freunde daher in der
Erfllllung ihrer Aufgabe, uns neue arbeitende und zahlende Mitglieder zuzufahren,
nicht erlahmen! *
Auch für solche Gollegen, welche, obwohl nicht zur Gesellschaft gehörig, ihr
doch, wenigstens in den Zielen, nahestanden, ist das ablaufende Jahr vielfach ver-
derblich gewesen. Ich erinnere an den Tod von Emil du Bois-Reymond, der
zu den Mitbegründern unserer Gesellschaft gehörte, von H. Welcker, Joliua
Schmidt, Ossowski, Boye, v. Sallet Ganz besonders hart hat uns der Ver-
lust unseres Malacca-Reisenden, Hrolf Vaughan Stevens, getroffen.
Eine grössere Zahl unserer Mitglieder ist wieder oder noch immer auf Reisen,
um neues Material zu sammeln. Auch unter ihnen hat der Tod einen der schein-
bar festesten erfasst: ich meine Eugen Zintgraff, der schon am Gongo, dann
aber namentlich im Hinterlande von Kamerun so manches Jahr auf gefahrvollen
Bahnen gewandelt ist und dem wir besonders aus der ersten Zeit seiner afrika-
nischen Forschungen wichtiges Material verdanken. Er hielt sich für gefeit gegen
Malaria; nichtsdestoweniger hat sie ihn diesmal in Kamerun bewältigt Er gin^
scheinbar gebessert von da nach Teneriffe, ist aber dort am 3. December sanft
entschlafen. Er hat nur ein Alter von 40 Jahren erreicht.
Mit Betiübniss sehen wir Hm. Adolf Bastian immer noch fem von uns in
Batavia. Hätte er uns nicht seine ^indischen Studien" geschickt, so würden wir
nicht einmal den Gegenstand seiner Forschungen kennen. Seine Marmorbüste, die
jetzt in diesem Saale aufgestellt ist, mahnt uns immer von Neuem an die Lücke,
die seine lange Abwesenheit in unserer Mitte geschaffen hat. — Hr. Georg Scbwein-
furth dürfte gegenwärtig wieder in Aegypten sein, um den Faden seiner scharf-
sinnigen Beobachtungen aufzunehmen. Hr. Bässler, der neulich auf Moorea (Verh.
8. 313) durch Sturz verauglückte, hat sich wieder erholt; nach dem mündlichen
Bericht des eben von einer nordamerikanischen Reise zurückgekehrten Hm. Paul
Magnus war er in Arizona und gedachte nach Südamerica zu gehen. Hr. Joeat
J k^
(581)
war zuletzt in Australien und beabsichtigte Neu-Seeland zu besuchen. Hr. Carl
von den Steinen weilt noch auf den Marquesas. Hr. Wilhelm Krause ist so-
eben von seiner australischen Reise heimgekehrt Hr. Lehmann-Nitzsche hat
die ihm verliehene Stelle am Museum von La Plata angetreten. Hr. Dieseldorff
war im Sommer hier, ist aber trotz der schlimmen politischen und commerciellen
Zustände nach Guatemala zurückgegangen. Hr. Boas befindet sich mit der grossen
amerikanischen ethnologischen Expedition an der Nord Westküste, um später nach
Nordost-Asien hinüberzugehen.
Wir haben inzwischen unsere Thätigkeit in gewohnter Weise fortgesetzt. Die
Sitzungen sind stets von zahlreichen Mitgliedern besucht gewesen. Die Reich-
haltigkeit der Vorträge und die rege Betheiligung an den Verhandlungen wird
dargelegt durch den Umfang der gedruckten Berichte, deren Ausstattung unter
grossen Opfern in der herkömmlichen Freigebigkeit hergestellt wird. Der Tod
unseres bewährten Zeichners, des Hrn. Eyrich, hat uns leider eines stets bereiten
und höchst erfahrenen Helfers beraubt, aber es ist gelungen, in Hrn. Hei big einen
zuverlässigen Ersatz zu finden.
Unsere Beziehungen zu der Deutschen Anthropologischen Oeselischaft sind
ungetrübt. Die General- Versammlungen derselben haben mit jedem Jahre sich
mehr zu volksthümlichen Einrichtungen entwickelt. Sie tragen dazu bei, das Ver-
ständniss für anthropologische und ethnologische Dinge in immer grössere Kreise
zu verpflanzen und die Verbindung mit den ausländischen Gesellschaften zu stärken.
Die Zahl der Provincial- und Local -Museen mehrt sich in dem Maasse, als neue
Local-Gesellschaften gebildet werden. Nicht wenige von diesen haben ihre beson-
deren Publicationen fortgesetzt oder neue Berichte herauszugeben begonnen. Unter
ihnen zeichnen sich, wie bisher, die beiden Lausitzer Gesellschaften durch die
2jahl ihrer Mitglieder und durch die Energie in der Ergründung der heimischen
Alterthümer aus.
Die einst so glanzvollen internationalen Congresse für prähistorische Archäo-
logie und Anthropologie sind seit Jahren eingestellt worden, seitdem die von ihnen
verfolgten Aufgaben in die Hand der vielen Landes- und Ortsvereine übergegangen
sind und auch andere Congresse, z. B. die deutsche Naturforscher -Versammlung,
der internationale medicinische Congress u. s. w., in erhöhtem Maasse neben ihren
eigentlichen Zielen auch die Anthropologie mehr in den Kreis ihrer Verhandlungen
gezogen haben. Ich erinnere nur an die bedeutenden Leistungen der Russischen
Archäologischen Gesellschaft, welche unter der Leitung ihres vortrefflichen Prä-
sidenten, der Gräfin Uwarow, eine bedeutende Stellung eingenommen hat. Seitdem
unsere Deutsche Gesellschaft zu wiederholten Malen neben ihrer eigentlichen
Generalversammlung auch Einladungen von Nachbarstädten, welche sich durch
lehrreiche Sammlungen und durch erfolgreiche Forschungen sachverständiger Bürger
auszeichnen, angenommen hat, und so gewissermaassen Wandercongresse
begonnen worden sind, war der Gedanke aufgekommen, eine solche Einrichtung
auch auf internationale Gebiete zu übertragen, und es war für die nächste 2jeit
ein grosser Wandercongress für die Schweiz geplant. Leider hat sich diese
Hoffnung zerschlagen; vielleicht wird die 2jeit nicht mehr fem sein, wo darauf
zurückgekommen werden kann. Nur die Wiener Anthropologische Gesellschaft hat
mit Erfolg solche Unternehmungen, freilich in kleinerem Maasse, zur Durchführung
gebracht; so im vorigen Jahre nach Bosnien, im gegenwärtigen nach Mähren. Wir
sind ihr dafür um so mehr verbunden, als das freundliche Verhältniss der Mit-
glieder beider Gesellschaften, welches wir als eine theure Errungenschaft bewahren,
dadurch neu gekräftigt und erweitert worden ist.
(582)
üeber die CoDgresse des Jahres ist, soweit unsere Mitglieder daran betheiligt
waren, bereits in früheren Sitzungen berichtet worden. Auch sind die zahlreichen
Ausstellungen, welche namentlich in unserer Stadt stattgeftinden und uns nicht
bloss ethnographische Erzeugnisse, sondern auch eine Ftille lebender Menschen
aus fremden Hassen zur Anschaung gebracht haben, erwähnt worden. Eine der-
selben, die Golonial- Ausstellung in Treptow, hat einem unserer Mitglieder, Hm. F.
y. Luschan, das Material zu einer umfassenden wissenschaftlichen Arbeit geboten.
Unser Museum für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse der Handarbeit
hat sich an einer Reihe der Ausstellungen betheiligt und seine Vorführungen sind
mit grossem Beifall aufgenommen worden. Leider ist es nicht gelungen, die Ein-
nahmen oder Zuwendungen für diese wichtige Anstalt so zu steigern, dass es mög-
lich geworden wäre, bedeutende neue Erwerbungen zu machen. Nur hat der Vor-
stand ein erstes Heft von „Mittheilungen" herausgegeben und bald weitere in Aus-
sicht gestellt, von denen erwartet wird, dass sie dem Museum neue Helfer und zahl-
reicheren Besuch zuführen werden. Die Hoffnung, dass die königliche Staatsregiemng,
in deren Besitz der gegenwärtige Verein das ganze Trachten-Museum überzuleiten
versprochen hat, ein nach Lage und Bäumlichkeiten mehr genügendes Gebäude
für die Aufstellung desselben hergeben werde, ist ihrer Erfüllung noch nicht näher
gerückt, und unser Vorschlag, ein besonderes deutsches National -Museum zu
grtlnden, ist, wie schon im vorigen Jahre (1896, S. 579) mitgetheilt wurde, von
dem Herrn ünterrichtsminister geradezu abgewiesen worden. Damit ist auch die
Arbeits- und Opferfreudigkeit der berufenen Classen stark beeinträchtigt.
In einer fast noch schwierigeren Lage befindet sich das Orient-Comite. Ob-
wohl dasselbe durch die Einziehung seiner Vorschüsse nach und nach wieder
grössere Mittel gesammelt, auch unter einem neuen Vorstande sich neu constituirt
hat, so sind ihm durch die politischen Vorgänge in Vorderasten und den Wett-
betrieb anderer Genossenschaften Enttäuschungen mannichfaltiger Art bereitet
worden. Eine schon beschlossene Expedition nach Mesopotamien musste aufgegeben
werden, und die Fortführung der mit beispiellosem Erfolge begonnenen und trotz
mancher Widerstände glücklich fortgeführten Ausgrabungen in Sendschirli ist noch
nicht ermöglicht worden. Selbst die Publication des zweiten Heftes des Sendschirii-
Berichts lässt auf sich warten.
Sehr viel glücklicher hat sich seit der festen Oiganisation unter Leitung des
Hrn. Lindenschmit (Sohn) das Mainzer römisch -germanische Central-Mnseam
entwickelt. Der Ausbau der alten Halle hat Fortschritte gemacht und die Sammlung
der heimischen Funde ist über deutsche Provinzen, besonders des Nordens und des
Ostens, ausgedehnt worden, welche bis dahin etwas bei Seite geschoben waren. Die
Berliner Ausstellung bot die Gelegenheit, dem Museum nach einer anderen Rich-
tung zu helfen. Aus der grossen Sammlung Cjrprischer Alterthümer, weiche
Hr. Ohnefalsch-Richter daselbst vorgeführt hatte, wurde ein werthvolier Theil
ausgesondert und angekauft Die Rudolf Virchow-Stiftung und der stets hülfreiche
Vorsitzende unseres ethnologischen Comites, Hr. Valentin Weisbach, steuerten zxl
gleichen Theilen dazu bei. Der Mainzer Vorstand nahm das Anerbieten, ihm
diese Sammlung zu überlassen, mit grossem Danke an, und hat jetzt, nachdem die
Aufstellung in Mainz vollendet ist, seine Würdigung dieser Sammlung in beredten
Worten ausgesprochen.
In dem vorjährigen Bericht (S. 579) sind die Verhandlungen über die Durch-
querung des alten Schlossberges im Spreewalde durch eine Vicinalbahn
ausführlich mitgetheilt worden. Wie heuer in früheren Sitzungen (S. 314 u. 489) aus-
geführt worden ist, hat der Vorstand und Ausschuss der Gesellschaft, in Erwägaoj^
(583)
des öffentliehen Nutzens einer solchen Bahn, meinem Vorschlag, den Durchstich
mitten durch den Berg an seiner tiefeten Stelle anzulegen und das ganze Aeussere
intact zu erhalten, zugestimmt, und auf dieser Basis ist denn auch die Verstän-
digung mit den Bauunternehmern und die Genehmigung der Rönigl. Staatsregierung
erreicht worden. Der Durchschnitt ist seitdem ausgefOhrt. Ein genauerer Schlüsse
bericht wird der Gesellschaft erstattet werden. Mir persönlich ist mit dieser
Entscheidung die Last der Verantwortlichkeit abgenommen worden, welche mir
durch den Aufkrag der General-Versammlung der Deutschen Anthropologischen
Gesellschaft in Speyer zugewiesen war. Es wird jetzt die Aufgabe der Staats- und
Proyincial -Behörden, sowie der Localvereine und aller Freunde der heimischen
Alterthumskunde und Geschichte sein, darüber zu wachen, dass der noch erhaltene
Rest des alten Burgwalles vor Zerstörung durch unberufene Hände geschützt und
dass, wenn möglich, dieser Wall ganz in öffentlichen Besitz übernommen werde. —
Der von den Statuten geforderte Bericht über die Sammlungen der Ge-
sellschaft kann in Kürze dahin gegeben werden:
Bericht des Hm. Lissauer:
1. Die Bibliothek ist vornehmlich durch Ankauf und Tauschverkehr um
257 Bände (davon 170 Zeitschriften) und 71 Broschüren vermehrt worden,
so dass der Gesammtbestand sich jetzt auf 7740 Bände und 1150 Broschüren
beläua
2. Die Sammlung der Gypse wurde durch 5 Abgüsse vermehrt.
3. Die anthropologische Sammlung konnte durch Einreihung von 12 Schädeln,
1 Skelet und 2 Haut-Präparaten vergrössert werden. —
Bericht des Hm. M. Bartels:
Die Zahl der Photographien hat sich um 51 Nummem vermehrt. Sie be-
trägt jetzt 3560 Nummem.
(3) Der Schatzmeister Hr. W. Ritter legt die
Rechnung fttr das Jahr 1897.
Bestand aus dem Jahre 1896 605 Mk. 76 Pfg.
Einnahmen:
Jahres-Beiträge der MitgUeder .... 10695 Mk. — Pfg.
Staatszuschuss für 1897/98 1 500 ,, — „
Zahlung des Hrn. Ünterrichts-Ministers für
die Nachrichten über deutsche Alter-
thumsfunde für 1897 1 000 Mk. —Pfg.
Capital- und Depositen-Zinsen .... 803 „ 55 ^
12 195 , - ,
1803 ^ 55 ^
Bestand und Einnahmen zusammen 14 604 Mk. 31 Pfg.
Ausgaben:
Miethe an das Museum für Völkerkunde 600 Mk. — Pfg.
Hitglieder-Beiträge an die Deutsche Anthropol. Gesellschaft . 1 590 „ — „
Ankauf von Exemplaren der Zeitschrift für die ordentlichen Mit-
glieder 2 793 „ — ^
Latus 4 983 Mk. — Pfg.
(584)
Transport 4 983 Mk. — ?(g.
Nachrichten über deutsche Alterthumsfnnde (Jahii^ang 1897),
einschliesslich der Remoneration für die Bibliographie, aber
ausschliesslich der Abbildungen lOllMk. 15 Pig.
Einladungen zu den Sitzungen 115 ^ 75 ^
Index der Verhandlungen für 1896 150 „ — ^
Porti und Frachten 1 202 ^ 06 „
BibUothek (Ankauf von Werken, Einbände u. s. w.) . . • . 408 „ 90 „
Remunerationen 173 ^ 05 „
Bureau- und Schreib-Materialien 49 „ 55 ,
Ankauf wissenschaftlicher Gegenstände:
a) Zeichnungen 21 1 Mk. 25 Pfg.
b) Schädel 105 ^ — ^
c) verschiedene Ausgaben 113 „ — „
An die Verlags-Buchhandlung Asher&Co.
für überzählige Bogen und Abbildungen
zu der Zeitschrift uod den Verhandlungen
für 1896 2 233 Mk. 60 Pfg.
Abschlagszahlung für 1897 an As her & Co. 2 500 „ ~
429 „ 25 ,
— 4 733 . 60
Ankauf von 3V,proc. Berliner Stadt-Anleihe 600 Mk. — Pfg.
V
612 , 40 ,
Gesammt-Ausgaben . . 13 868 Mk. 71 Pljg,
Bleibt Bestand für 1898 735 Mk. 60 ?fg.
Der Capitalbesitz besteht aus:
1. den verfügbaren Beträgen von
a) Preussischen 3 y, procentigen Consols ... 8 000 Mk.
b) „ 3Ygproc. Consols, convertirten 900 ^
c) Berliner S'/iprocentiger Stadt-Anleihe . . 11600 ^
2. dem eisernen Fonds, gebildet aus den ein-
maligen Zahlungen von je 300 Mk. Seitens
5 lebenslänglicher Mitglieder, angelegt in Preuss.
3 7, procentigen Consols, convertirten ... 1 500 ^
Summa 22 000Mk.
Der Vorsitzende erinnert daran, dass in der Jahresrecbnung noch nicht die
Verpflichtungen der Gesellschaft zu voller Erscheinung kommen. Dies wird erst
in der nächsten Rechnung geschehen, da der Druck der Verhandlungen vor dem
Februar nicht beendet sein kann und dann erst das Register zu fertigen ist Die
Gesellschaft beginnt daher ihr Etatsjahr stets mit einer nicht geringen schwebenden
Schuld, deren Höhe nur nach den Ei^bnissen des Vorjahres vermuthungsweiae
veranschlagt werden kann. Um diesen Betrag nicht zu hoch anwachsen zu lassen,
ist vorläufig eine Abschlagszahlung von 2500 Mk. an die Verlagshandlung gemacht
worden.
Da die ganze in das neue Verwaltungsjahr zu übertragende Summe nur 735 Mk.
beträgt, so müssen wir nicht bloss auf die Treue unserer zahlenden Mitglieder,
sondern auch auf das fortdauernde Wohlwollen des Herrn Ünterrichts-Ministers
rechnen, wenn wir unsere Veröffentlichungen auf der bisherigen Höhe erhalten
sollen.
(585)
Die Rechnung ist statntenmässig (§ 36) dem Aasscbusse durch den Vorstand
vorgelegt worden. Derselbe hat durch die HHrn. Friedel und Lissauer eine
Prüfung stattfinden lassen und dem Vorstande Decharge ertheilt.
Namens der Gesellschaft spreche ich dem Herrn Schatzmeister für seine ge-
wissenhafte Geschäftsführung den Dank aus. —
(4) Hr. Rud. Virchow macht Mittheilung über die
Rechnung der Rudolf Virchow- Stiftung für das Jahr 1897.
Bei der Reichsbank waren deponirt Ende des Jahres 1896
(vei^l. Verhandl. 1896, S. 582) nominell 120 600 Mk. — Pfg.
Dazu sind hinzagetreten im Laufe des Jahres 1897 nominell
an 4procentigen Consols lOOOOMk. — Pfg.
„ 3Vjprocentiger Berliner Stadt-Anleihe 5 000 ^ — ^
so dass gegenwärtig zusammen 1 35 600 Mk. — Pfg.
den Effecten-Bestand der Stiftung bilden.
Der schon im vorigen Jahre angekündigte Ankauf neuer Effecten ist vor-
genommen worden, um die Verminderung der Einnahmen in Folge von Conver-
tirungen auszugleichen.
Der flüssige Bestand betrug am Schlüsse des Jahres 1896 17 531 Mk. 05 Pfg.
Aus demselben sind folgende Ausgaben geleistet worden:
für Ankauf von 10000 Mk. 4proc. Consols 10 445 Mk. — Pfg.
„ „ „ 5000 „ Berlin. St.-Anl. 5 129 „ 20 „
an Dr. Mies in Cöln für anthr. Apparate 263 , — „
^ den Bildhauer Rolbow f. Oypsabgüsse 192 „ — „
^ ^ 2ieichner Heibig für Zeichnungen 338 „ — „
„ das Frl. R. duBois „ , 500 „ — „
„ Spesen und Provision ^ 27 ^ 30 ^
zusammen 16 894 Mk. 50 Pfg.
An Zinsen sind vereinnahmt worden . 4 984 ^ 10 „
bleibt ein Ueberschuss an Ausgaben von 11 910 Mk. 40 Pfg.
somit hat sich der flüssige Bestand reducirt auf 5 620 Mk. 65 Pfg.
Auf die bevorstehende Noth wendigkeit, gegenüber den fortschreitenden Con-
versionen der Staatsanleihen und der Verminderung der Zinserträge eine Erhöhung
des Capitalstockes herbeizuführen, ist schon im vorigen Jahre (S. 583) vorbereitet
worden.
Für neue Ausgaben, insbesondere fQr die schon lange in Aussicht genommene,
aber durch die schwierigen Zeitverhältnisse immer noch verhinderte armenische
Expedition, musste dagegen eine genügende Sicherheit in Rücklagen geschaffen
werden. —
(5) Es folgt die
Neuwahl des Vorstandes für das Jahr 1898.
Auf Vorschlag des Hm. Friedel wird der alte Vorstand durch widerspruchs-
lose Acclamation wiedergewählt.
Derselbe besteht somit aus den Herren
Rud. Virchow als Vorsitzendem,
(586)
TO-' o u X } als Stellvertretern desselben,
W. Schwartz J '
A. Voss I
M. Bartels > als Schriftführern,
B. Neuhanss |
W, Bitter als Schatzmeister.
(6) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. M. Milchner in Berlin.
^ Stabsarzt Dr. Friedr. Lippelt in Braunschweig.
„ Dr. med. F. Gattel in Berlin.
„ Dr. Richard Bethge in Berlin.
„ Freiherr Rdlmdn v. Miske in Röszeg (Giinz), Ungarn.
„ Director Hermann Seide in Berlin.
(7) Graf Eugen Zichy tibersendet aas Budapest, 26. November; einen Dank-
brief für seine Ernennung zum correspondirenden Mitgliede und verspricht, die
Interessen der Gesellschaft nach besten Kräften zu fördern. —
Der Vorsitzende überreicht ein ihm gtltigst überschicktes photographisches
Bild des Grafen für die Sammlung der Gesellschaft. —
(8) Die deutsche Colonial-Gesellschaft, Abtheilung Berlin, hat zu
einem Vortrage des Hrn. Arning über ühehe als Ansiedelungsgebiet fttr
deutsche Landwirthe, der am 2. December stattOnden sollte, eine Einladung ge-
schickt, von der nachträglich Renntniss gegeben wird. —
Die Verlagshandlung Wilh. Buchholz übersendet ein Exemplar des deutschen
Colonial-Abreiss-Ralenders für 1898, herausgegeben von F. Hessener. —
(9) Die centraleExecutiv-Commission der portugiesischen Centenar-
feier (Amaral, Cordeiro, Vasconcellos) in Lissabon übermittelt das General-
Programm, welches sich dem früher (1896, S. 462, 533; mitgetheilten in den Haupt-
sachen anschliesst, jedoch als Termin für die Feier den Jahrestag der Ankunft Vasco's
da Gama in dem Hafen von Calicut wählt Der 17. bis 20. Mai sollen in allen
portugiesischen Besitzungen festlich begangen werden. Dabei sollen wissenschaft-
liche Conferenzen, eine grosse Ausstellung, eine Flotten-Revue u. A. stattfinden. —
(10) Hr. Blanchard zeigt unter dem Datum Paris, 20. November, an, daas
als Präsident des nächsten, 4. internationalen Congresses ftir Zoologie Sir John
Lnbbock (an Stelle des zurückgetretenen Sir William Fl o wer) fungiren wird. —
(11) Aus Livorno ist im November die Anzeige von der Gründung eines
Istituto Antropologico Italiano durch Prof. Giuseppe Marina eingegangen. —
(12) Die Verlagshandlung A. Pichler's Wittwe & Sohn überschickt aus
Wien, 1. December, 5 Probeblätter von
Umlauft -Trent in, WandbUder der Völker Oesterrelch-Ungams.
Die vortrefflich ausgeführten, farbigen Tafeln sind im Sitzungssaale ausgehängt
und erregen allgemeine Bewunderung.
Der Vorsitzende erklärt, dass er einigen Neid empfinde, dass gleich gut«
Bilder der Volkstypen und Volkstrachten in Deutschland nicht existiren. HofTentltcli
(587)
werde das trefTliche Vorbild bei ans und andereu Völkern eine Nachfol^ finden.
I Mittel, die Renntniss dea eigenen Volkes und seiner rerscbiedenen
I in das Bewnsstsein der Lebenden einzuführen, könne nicht erdacht «erden.
Er vünacht daher dem schönen Ontemehmen einen nngestörten Fortgang. —
Die Oesellschalt schliesst sich dem Danke des Vorsitzenden an and überweist
die Blätter dem Huseum fOr deutsche Trachten. —
(13) Hr. P. Reinecke abersendet aus Mainz, 16. December, als Geschenk
des Römisch -Germanischen Central -Musen ms einige Photographien von
Antiken (ierinanen-Daratellnnfcen in Bronze.
Diese Bronzen befinden sich imCabinetdesÄntiqueset Mcd»iIleaderBibliotheqne
Nationale zu Paris (Rabelon-Blanchet, Cataloguc des bronzes antiqaes etc. 1895,
No-Slä, 913, 915), wo wir sie, da keine GypsabgUssc hergestellt werden konnten,
photographiren Messen. Nr. 912— 13 sind Rundflgurcn, 915 ist Flachreücr; unsere
etw» */i d. natürl. Gr.
ptwa ", d natörl. Gr.
Aufnahmen sind in natürl. Grösse gemacht Der Germiine 'Mi silzt mit gebundenen
Händen auf einem Felsblock; er ist bärtig und mit Hosen und einem Mantel be-
kleidet Hinter ihm (nicht sichtbar) ist ein hexagonaler Schild imgebracht. Auf
seiner linken Schulter ruht der Fusa einer grösseren Figur, etwa einer Victoria
oder eines siegreichen Fcldherrn. Nr. 9l'i ist ähnlich, nur kniet hier der Ger-
mane, auch ist er nur mit Hosen bekleidet: seine linke Schulter trügt die Basis
tür einen Fuss. Derartige Darstet Inngen, ein geresselter Barbar, anf welchen eine
Victoria oder ein Feldherr den Fuss setzt, kehren in lömiachcr Zeit öfter wieder;
auf MfiDzen, allerdings erst des IV. Jahrb., kommen sie gelegentlich vor, doch
fehlen sie auch nicht in ülterer Zeit, wie diese Bronzen, sowie das bekannte Silber-
Relief ron Nieder-Biber bei Neuwied (Allcrth. uns. heidn. Vorz. I, vii, 5, 1) be-
weisen. Besprochen wurden diese beiden Statuetten bereits in der Revue archeo-
logique 1893, Mai-Juin, p. 292—295.
(588)
Nr. 915 stammt von einem fferde-Brostschmnck und ^hörte za einer Kampf-
Bcene zwischen Römern nnd Germanen. Der nnbärtige Germane ist mit Hosen
und daKQ mit einem Mantel bekleidet. Der sueviBch-bastaroische Haarknoten, auf
etw» '/. d. natfiil. Gr.
dessen Darstellunt; man erst durch Adamküssi uaTmerksara wurde, ist hier sehr
deutticb zu sehen. — Germanen - FigU rohen der gleichen Art befinden sieb auch
noch in anderen Maseen; Ich bin gerade damit bescbafUgt, GypsabgUsse oder Photo-
graphien derselben für das Rüm.-Germ. Central'Mnsenm zu beschaffen. —
(14) Hr. L. Schneider schickt ans SmiHc, 1&. December, verBchiedene
Mittheilangen znr Kenntnis» der
VertfaeilDDg der Schwarrhaarigen io Böhmen.
Die nPalaeethnoIogischen Aphorismen" des Verrassers, die von einer gröasercn
Anzahl von Karten begleitet sind, werden später besprochen werden. Ans dem
jetzt vorliegenden Hriere werden folgende Abschnitte Interesse erregen:
,In Bezog auf die Schwarzhaarigen, die ich mit der Terramare-Kensiik ver-
binde, kann ich nunmehr berichten, dass heuer im Sommer in der NAfae ron
Pardubic bei Bahnarbeiten mehrere Geraase und darunter eine sogenannte
Thüringer Amphora, wie sie bei uns gewöhnlich mit dem Schnoromamente vor>
(5«9)
kommen, — später im Herbste aber neben dem Heierfaofe von Lipa, also aof
der seit dem Jahre 1866 berühmten Anhöhe „Chlnm", eine AnBiedelimg mit
Ten-amare-Keramik und anderen einschläglgien Artefakten gefunden wnrden. Oe-
tSsse Tom Typne „l'netice" (s. Fig. 1) wurden wohl schon i. J. 1845 aoT einer
anderen Anhöhe südlich von Ghlam bei dem Pfarr-
dorfe Libfiany in Skeictgräbern mit Stein- and
Bronzegeiäth entdeckt Von ungarischen Kupfer-
beilen mit iwei Schneiden kam vor einigen Jahren
angeblich ein ganzes Depot (zwei sind im König-
grätaer Museum) in dem neben Libüany gelegenen Dorfe
Kondnice zum Vorschein, ein kupfernes Flachbeil
auch zu Rosnice, welches mit Lipa in demselben
Pfairaprengel Viestary, also nahe an Chlum liegt
Aeltere Terramare-Keramik wai ans der Gegend von
Königgrätz bisher nicht bekannt. Wir hatten hier wohl mehrere Ansiedelungen
(SmiHce, Holohlavy, Trotina und Pfedmt'fice, Plotistö, Öemoiice, Semoniceu.S.w.)
mit typischen Scherben der frllbneolit bischen Zeit vom Typus der GefSase ans
mährischen Höhlen, z. B. Vypostek (halbkuglig, als Ornament durch Spiralen
oder gerade Linien rerbundene Grübchen), dann die becherförmigen Getässe mit
pnnktirten Bändern nnd Sparren, aber weiter nur die Keramik der Lansitzer
ümenfelder und diejenige der La-Tene-Gräber.
„Von Hrn. Jira habe ich Photographien des Terrasigillata-Scherbens von
Podbaba bei Prag erhalten (s. Fig. 2). Ans einem neuen Berichte des Hm. Ji'ra
entnehme ich, daas derselbe dieser Tage bei Grabungen in der betreßenden An-
siedelung noch weitere Scherben von demselben Gefässe gefunden hat. Die Fries-
verzierung stimmt mit der Verzierung des römischen Getässcs von Stockstadt im
Aschaffenbnrger Mnseam (Album der Berliner Ausstellung Vlll, Tab. I) Uberein.
„Ich habe die Absicht, ihnen auch drei, zu Gefässcn verarbeitete Stücke
Ton Schädeln aus der Tcrramare - Cultnrschlcht auf dem Berge Velii bei
(590)
Jicin Toraalegea, am deren üntersachnng ich bei anseren Prager Anthropolo^n
bereits Tor 3 Jahren vergeblich angeaacht habe.
„Aach habe ich einen karzen Bericht rorbereitet über BronEekealen ans
Bjjhmen, ron welchen bei nna lanf^ Zeit bloss eine einzige, gefunden 1863 m
Taus, welche aber mit dem dortigen Depdtrande (Kicbly, Bronzezeit in Böhmen)
nichts gemein hat, bekannt war. In den letzten Jahren worden aber in meüwai
Rayon 4 oder 5 solche Bronzekeulen gefunden; es fehlen mir noch die Abbildnngsn
von zwei derselben, welche das städtische Mnseum zu Jaromis besilct; darnm lege
ich vorlänflg bloss die Photographien des einen za Ktlniggrätz (s. Pig. 3 a and h)
bei OraodgrabtiDgcn zum Adalbertinnm getondenen bei.
Fig.3o. V.
Fig.SA. '/,
„In Bezug aaf die Schwarzhaarigen in Böhmen citirc ich noch eine von mir
früher übersehene Nachricht (Pamdtky, TI, p. 235), wonach Im Jahre 1863 bei
Ober-Cerekve (an der mährischen Grenze) anter einem Buume eine Menge roa
Thonfigürchcn, ägyptische Mumien darstellend, gefunden wurde, von denen
ein Maschinenschlosser eine dem Landesmaseum schenkte. Prof. Wocel bemerkte
bei diesem Anlasse, eine ägyptische Bronzefigur sei vor einigen Jahren in den
Grubeni von Svilno bei Skalsko (Skelette mit Stein- und Bronzegerälh , Oold-
gewinden und Um'-ticer Gefässen, wie das von Lib^'an) gefunden and von dem
Pfarrer H. Maryska dem Landcsmuseam tibergeben worden.
„Später werden diese beiden Funde nirgends mehr erwähnt; dieselben sind
wohl in der kleinen ägyptischen Sammlnog des Landesmnseuma verschollen.
Skalsko liegt im Gebiete der laer ganz nahe an der Terramare-Ansiedelang von
Horky (Gross-Horka).
„Interesairt hat mich in den 'Lübecker Verhandlangen die Schilderung der
Oldenburg von Uadeby, welche mich sogleich an den Bericht des Tacitaa:
„Cataalda inrumpit (Marbodi) regiam castellumque juxta situm" erinnerte. Diese
Worte passen darchans nicht auf das Hradistc ron Stradonice, wohl aber anf
solche Anlagen, wie der Geburtsort des hl. Adalbert — Libice — eine dantellL*' —
Der Vorsitzende erinnert in Betreff der Stachelkcolen an die sogenanoleo
Hotgensteme der deutschen Museen. Ür. H. Schamann hat noch kürzlich über
solche Keulcnköpfe einen interessanten, wenngleich lange nicht Tollständigeo
Bericht erstattet (S. 241). —
(591)
(15) Hr. H. Jentsch, Gaben, bespricht in einer Mittheiltmg die
archäologische Stellnng der Schale mit Yogelflgar von Barg
im Spreewalde.
Zwischen die in der Pete rmann 'sehen Sammlung zu Burg befindliche, in
ihrer Umgebung isoUrt erscheinende Thonschale mit eingesteckter schlanker Vogel-
ftgor aus Thon (siehe diese Verhandl. 1897, S. 362) und das durchaus ähnliche
Seitenstuck aus dem grossen, bronzearmen Gräberfelde bei Bucz, Rr. Schmiege!,
im Proyipcial- Museum zu Posen tritt als ein von beiden Fundorten ziemlich
gleich weit entferntes Mittelglied ein ähnliches Stück, das in diesem Zusammen-
hange in anderem Lichte als frtlher erscheint: eine nach Abstossung des Randes
als Gefössdeckel verwendete Schale von Trettin, östlich von der Oder, 6 km
nördlich von Frankfurt, abgebildet in diesen Verhandl. 1886, 8. 655, Fig. 5. Auch
bei ihr hat der flache Mittelknopf eine senkrechte Einbohrung zur Aufnahme eines
Zapfens. Dasselbe ist der Fall bei einer gleichfalls im Posener Provincial-Museum
aufbewahrten Schale von Samter. Bei diesen beiden Stücken ist der aufzusetzende
Glegenstand nicht erhalten. Diese Schalen haben eine grössere Standfläche, als
die kleineren in Gestalt einer Rugelmütze mit centralem Bodeneindruck: sie waren
wohl auch nicht zu Schöpf- oder Trinkgefössen, sondern zur Aufstellung bestimmt;
falls sie zur Aufnahme von Flüssigkeiten dienten, war die aus ihrer Mitte
aufstrebende Gestalt eines langbeinigen Wasservogels eine ganz natürliche De-
coration. Der Fund von Burg wird durch seine Seitenstücke jener unter öst-
lichem Einflüsse aus der Provinz Posen stehenden Gruppe von Thon-
gefässen angeschlossen, die sich, der westlichen Biegung der Oder von
Tschicherzig, Kreis Züllichau, bis Schiedlo folgend, durch die Kreise Ost-
und Weststemberg, Crossen und Lebus, den nördlichen Theil der Kreise Guben
und Lübben streifend (vergl. diese Verhandl. 1890, S. 490), bis in den Beeskow-
Storkower Kreis, — indessen, so viel bis jetzt zu erkennen ist, nicht nördlich von
der Storkow-Zossener Seenreihe — hinzieht und durch die Verzierungsart charakte-
risirte Ausläufer nach Süden aussendet. In dieser ganzen Gruppe finden sich
auch hin und wieder ähnliche Schalen, bei denen auf die mittlere Bodenerhebung
ein oben ebener Thonzapfen, jedoch ohne Einstich, aufgesetzt ist, z. B. im Gräber-
felde bei Weissig, Kr. Crossen (siehe diese Verhandl. 18?^6, S. 656), das gerade
mit dem bei Bucz auch anderweitige Aehnlichkeit zeigt, bei Seh önf Hess unweit
Pttrstenbeig a. 0. (ebd. 1893, 8.564), bei Pfeiferhahn, Kr. Crossen. Dass diese
östliche Einwirkung die Stelle erreichte, die als geeigneter Uebergang über das
hier, vor dem alten Seebecken des jetzigen Spreewaldes, schmalere Flussbett, — an
einem Punkte, der durch den umninglichen Wall des Schlossbergs jederzeit ge-
sicherte Unterkunft gewährte, — den Verkehr besonders anziehen musste, kann wohl
nicht auffallend erscheinen : liegen dafür doch auch in anderen Einfohrgegenständen
für die Zeit der alten Lausitzer Gräberfelder — allerdings nicht mehr für die
La Tene- und provincialrömische Periode — Beweise vor. —
(16) Hr. Friedel bespricht ein
vorgeschichtliches Gefäss ans dem salzigen See,
12 km südöstlich von Eisleben, welches der Sammlung des Vereins für Geschichte
und Alterthümer der Grafschaft Mansfeld gehört und welches der eifrige Alter-
thumsforscher Prof. Dr. H. Grössler in Eisleben eingesendet hat. Es ist ein
Thongeföss von etwa 5^0 g Schwere, 11 bis 1 2 cm hoch ; der Durchmesser der
(592)
Oeffnnng beträgt, wie der grösste Banchdorchmesser, 11,5 cm; letzterer befindet sich
3,5 cm unter der Kante des Randes. Dieser ist etwas nach Aassen gebogen und
mit einem Werkzeng glatt gestrichen. Das vasenartige Gefäss ist äusserst plump
und obAe völlige Symmetrie, henkellos, gearbeitet, unverhältnissmässig und un-
gleich dick in der Wandung, daher die erhebliche Schwere. Die Farbe ist durch
Schmockfeuerang aussen schwarz gerathen, innen fahl schwärzlich und gelblich.
Die Thonmasse ist sehr grob, mit grossen Stein bisschen gemengt Auf der Aussen-
seite zieht sich bald wagerecht, bald gewellt ein aus drei gleichsinnigen Linien
mit einem Strichler gezogenes Band von etwa ^/, cm Breite ringa herum, das zick-
zackformig verläuft.
Das gut erhaltene Gefäss wurde in einer merkwürdigen Steinpackung (künst-
licher Insel) des salzigen Sees gefanden, welche, Badenden und Schwimmenden
längst bekannt, nach dem Zurückgehen des Sees L J. 1S96 abgetragen ward.
Dieser Steinhorst bestand aus Buntsandstein-Blöcken, aus einem (}efels, das u. A.
in dem am Ostgestade des Sees gelegenen Flegelsberg ansteht Der Steinhorst
beschrieb ein Eirund, in der grössten Länge 53 m, in der grössten Breite 16 «.
Die Höhe mochte 2,10 m betragen, wovon etwa die Hälfte in dem weichen See-
boden allmählich versackt war. Beim Abtragen dieser grossen künstlichen Stein-
packung fand sich nur wenig Bemerkenswerthes, nehmlich ausser Hinf grösseren
Kohlensandsteinen, an denen man Spuren von Bearbeitung mit der Zweispitze tu
entdecken glaubte, nur noch am Südende nahe der Aussenwandung das beschriebene
thöneme Gefäss, welches, wie Hr. Grössler in seinem ^Bericht über einen im
Winter 1896 abgetragenen Steinhorst im Salzigen See^ (Mansfelder Blätter, XI. Jahr-
gang 1897, S. 134—140) sagt, mit Erde gefüllt war und in dessen Nähe kleinere
Bruchstücke von allerhand Knochen bemerkt wurden. Leider ist nicht festgestellt
worden, ob die Erde in der Urne aschen- oder knochenhaltig war, und auch nicht»
ob die Knochen solche von Menschen oder Thieren, ob sie verbrannt oder nicfat
verbrannt waren.
Prof. Grössler möchte nun wissen, in welche Zeit das von ihm als ^Ume^
bezeichnete Gefäss gehöre. Trotz des ausgesprochenen Wellenomaments hat er
Zweifel, ob das Gefäss altslavisch sei, und er führt eine Reihe von Fällen anf^
wo wellenartige Zierathe an nicht slavischen Gefässen gefunden seien; u.a. bezieht
er sich auf das ponmierische Gefäss von Schwennenz, welches mit archaistischen
Bronzen (Hängebecken) zusammen gefunden wurde und das Hr. Schumann in
unseren Verhandlungen 1894, S. 437 abgebildet hat ^Angesichts dieser Funde
(sagt Prof. Grössler) dürfte es nicht zulässig sein, ThongefUsse, welche das
Wellenornament tragen, und im Besonderen auch unsere in dem Steinhorste des
salzigen Sees gefundene Urne, ohne Weiteres für slavisch zu erklären. Ehe das
geschehen kann, müssen erst sicherere Kennzeichen des slavischen Ursprunges,
als bis jetzt geltend gemacht sind, ermittelt werden.^
Hr. Friedel ist trotzdem der Meinung, dass es sich um ein zweifellos alt-
slavisches (sorbisches) Gefäss handle; allerdings fehlt die Bearbeitung aof der
Drehscheibe, aber dies Fehlen ist auf wendischen Gefässen wiederholt beobarhtet
Man könnte geneigt sein, anzunehmen, dass, als die Slaven in Germanien ein-
wanderten, sie die Drehscheibe überhaupt noch nicht oder doch nicht alb^mein
anwendeten. Es ist aber auch denkbar, dass man in späterer wendischer Zeit
sich gelegentlich in primitiver Weise ohne Töpferdrehscheibe behalf.
Bei der Anwendung des Wortes Wellenlinie laufen ersichtlich oft Missverttänd-
nisse unter. Unter Wellenlinie ist das mit einem mehrzinkigen Geräth gesogene,
aus verschiedenen Parallel-Riefen bestehende, mitunter in seiner jähen Bewegtiog
(593)
wirklich an Wellen erinnernde Ornament zu verstehen. Jene Schwennenzer Urne
bat gar kein Wellenomaiueut, vielmehr ein deutliches SchlangenornamüLit.
Wellenornament und dag bei Niohlslaven vielfach vorkommende ScIiUngen-
ornament werden häufl(f verwechselt. Das Wellenorniiraent mögen die Staven
von den Römern der späteren Kaiserzeit, bei denen es — auch auf Ziegeln —
häufig ist, übernommen haben; auch auf spStgermanischen Gefüssen kommt es,
wiewohl in charakteris lisch er Variante, und sehr verschieden von dem slavischen
Wellen Ornament behandelt, vor').
Sehr interessant wäre es gewesen, wenn sich dies altwendische Gefües als
Todtenarne mit I.eichenbrand feststellen licssc. l-'s witre damit die Zahl der
noch immer einigermaassen seltenen Fülle vermehrt, wo die Wenden — vielleicht zur
Zeit der Einwanderung, also in ihrer frühesten Ausbreitung auf vormals germanischem
Boden — die Leichenverbrennung uusliblen. Leider lässt der Fund vom Salzsee
uns hier im Stich. —
Hr. Rad. Virchow: Ich kannte den
Bericht des Hrn. Grüssler schon ans
einem mir Übersandten Sonderab druck aus
den „Mansfeldor Bliittern" 1897, XI, Seite
1Ö4. In Bezug auf das fragliche Thon-
fiefiiss, von dem ich nach der eben
genannten Abhandlung hier eine um
die Hälfte verkleinerte Autotypie gebe,
war ich zu demselben Ergebniss ge-
kommen, wie CS Hr. Friedel soeben
ansgesprochon hat. Es ist meiner Meinung
nach zweifellos slavisch. Die Ausfüh-
rnngen des Hrn. Grössler über das
Wellenornament habe ich nicht ohne Er-
staunen gelesen; da er so viel MUhe auf
die Sammlung von Nachrichten über das
Vorkommen des Wellenornamenla ver-
wendet hat, so ist es einigermaassen zu
verwundern, dass er auf keine der zahl-
reichen Stellen gestosaen ist, an denen ich Über dieses Ornament, das von mir seinen
Namen erhalten hat, gehandelt habe. Ich bemerke dabei, dass es ein Irrthum des
Hm. Grösaler ist, wenn er sagt, es sei bisher angenommen, dass dieses Omameni
der slaTischen Zeit ausBchlicsslich cigcnthUmlich sei. Es giebt immer viele
Menschen, welche übertreiben; ich selbst habe gut bestimmte Beispiele, nicht wie
Hr. Gröasler ans der Literatar, sondern aus der Wirklichkeit gesammelt, welche
den Beweis lieferten, dass dieses Ornament bis in die Gegenwart, z. B. in Aegypten,
sich erhalten hat. Die Warnung des Hm. Friedel vor einer falschen Anwendung
des Wortes ^ Wellenlinie" ist Übrigens sehr beherzigenswerth ; ich habe schon in
1) Tgl. schlangen förmige Ornamente (bochrolierortig) auf den Uruen bei Hostmann:
Der Cmenfrieilhof bei Darian, Braunschweig 1874, Tafel V, Fig. :!9, 4-i, 45, 48, welche H.
tnr slavischen Ursprungs (S. 18) erkUrt, obirobl er die mittlere Zeit dieses Umenlagers
in du 2. Jahih. n. Chr. (S. 31} versetit Selbst wenn man mit ihm (S. 6) die Benntinng des
Friedhofes auf 180 — 200 Jahre sch&tat, bleibt die jüngste Zeit desselben noch hinter der
slavischen Einwandenmg zurück. Der Schlangeniieratb bei Daraau hat eben mit den
Wenden nichts in thun.
(594)
meinem ersten Vortrage in dieser Gesellschaft; (2ieitschr. f. Ethnol. 1869 I, über
die nördlichen Pfahlbauten nnd Burgwälle) eine genaue Beschreibung geliefert.
Aber die Gewohnheit, die Originalartikel nicht zu lesen, nimmt so sehr zu, dass
ich an ähnliche Vorkommnisse ganz gewöhnt bin. —
(17) Hr. Priedel zeigt einen
silbernen Finger-Bing von Brüssow, Uckermark.
Derselbe ist an der inneren Fingerfläche kantig und erweitert sich nach dem
Kingkasten zu, dreifach gefältelt, mit schwachen Volutenansätzen. Der Ringkasten
ist aus Gold mit einem rundlich absetzenden Falz, der einen, einen Sardonyx nach-
ahmenden Stein umschliesst, welcher aber nach der Feststellung unseres Hit-
gliedes Hofjuwelier Paul Teige, dem Hr. Friedel beitritt, eine Glasfritte ist
Der untere Theil ist schwarzblau, die Kingplatte hellbläulich. Dieselbe weist das
Figürchen eines vor einem Baumstamm stehenden Merkurs auf, der in der Rechten
einen gefüllten Geldbeutel, in der Linken den Flügelstab hält. Die innere hellere
Ringplatte ist oval, die Längsachse etwa 11 mm. Dazu kommt von der dunkeln
Unterplatte oben und unten je 1 mm hinzu, so dass die gesammte Ringplatte in
der Längsaxe etwa 13 mm^ in der Querachse bezw. etwa 8 und 2 mm, zusammen
nicht ganz 11 mm misst. Nach einer Mittheilung des Königlichen Antiquariums
hierselbst ist diese Merkur-Darstellung eine in der spätrömischen Raiserzeit ge-
läufige. Die Ausführung ist keine besonders kunstfeine, wenn man auch berück-
sichtigt, dass der Glasfluss trotz seiner relativen Härte etwas von der Witterung
gelitten hat. Man geht vielleicht nicht fehl, in dieser Gemme eine römische
Provincialarbeit des 4. Jahrhunderts zu sehen. Auf dem vormals römischen
Besitzthum innerhalb des alten Germaniens sind ähnliche Ringe nicht eben selten;
so bildet L. Lindenschmit (Die AI terthtlmer unserer heidnischen Vorzeit, Bd. IV,
Taf. 15) einen ähnlichen, allerdings in der Fassung ganz goldenen Fingerring mit
einem ähnlichen bläulichen Stein ab, in den ein Mars eingravirt ist; er wurde im
Rhein bei Mainz gefunden, während der heut vorgezeigte Ring ohne bemerisens-
werthe weitere Umstände im Sande bei Brüssow, Kreis Prenzlau, Provinz Branden-
burg, ausgegraben und vom Märkischen Museum (Kat. B. H. Nr. 21 247) erwort>en
worden ist. Die Linden seh mit'sche Abbildung wurde vorgezeigt.
Nicht unerheblich dürfte — wie Hr. Friedel bemerkt — es sein, schliesslich
daran zu erinnern, dass das Material der Gemmen vom Alsener Typus mit den
bekannten barbarisirten fratzenhaften Figuren dem des Brüssower Ringes gleicht,
so dass die Platte in der Entfernung gleich einer der kleinen derartigen Dar-
stellungen, wie sie sich z. B. im Museum zu Darmstadt befinden, aussieht. Schon
im Jahre 1874 erwähnte unser Mitglied Hr. Bartels, dass George Stephens (Tre
barbariske-classiske Gemmer, fundne i Danmark) durch altnordische Goldbracteateo,
welche römischen Münzen nachgebildet sind, beweisen zu können glaube,
diese Gemmen seien etwa in das vierte oder fünfte Jahrhundert n. Chr. zu setzen.
Die Brüssower Gemme hätte ganz wohl zu einem derartigen Nachahmungsversach
seitens nordischer Künstler anreizen können. Vgl. Nachrichtsblatt FV, S. 91
Der Typus des Hermes mit Geldbeutel und Rerykeion ist im hiesigen Königlichen
Antiquarium vielfach vertreten, vgl. Nr. 2379, 2539, 2566, 2696 ff. der Beschreibung
der geschnittenen Steine im Antiquarium 1896. Der Sandberg, in welchem der
Ring gefunden wurde, gehört zu der Ortschaft Hammelstall bei Brüssow; in der
Nähe befinden sich Hünengräber. —
(595)
(18) Der „Berliner Herold^ vom 8. December bringt einen kurzen nnd wenig
ergiebigen Bericht über eine Ausgrabung, welche Hr. Adersberg aus Mühl-
hausen i. Eis. auf dem
Oberkietz bei Oderber^ in der Mark
gemacht hat. Dabei wurde eine Steinkammer von etwa 15 m Höhe, 8 m Länge und
4 m Breite aufgedeckt, in welcher 40—50 Thonumen von 0,5 — 1,0 m Höhe aufgestellt
waren. Unter denselben sollen Waffen (nach Hrn. Heintze Bronzeschwerter und
Steinäxte), Steintruhen u. s. w. gefunden sein. Kein Skelet. —
Genauerer Bericht wird abzuwarten sein. —
(19) Die „lllustrirte Zeitung^ vom 9. December (Nr. 2841) bringt einen mit
zahlreichen Abbildungen ausgestatteten Bericht des Hrn. Karl Wiegand über neu-
entdeckte
vorgeschichtliche Lehmgräber in Sandhügeln des Königreichs Sachsen.
Der Verf. bezeichnet das Flachland zu beiden Seiten der Elbe unterhalb
Meissens als ein Hauptgebiet vorgeschichtlicher Ansiedelungsplätze und Urnen-
Friedhöfe. Am rechten Ufer entdeckte er 52, am linken nur 12 solcher Plätze.
Soviel sich aus der vorliegenden Schilderung ersehen lässt, handelt es sich aus-
schliesslich um flache Brandgräber mit einem reichen Liventar an Thongefässen
jeder Art und Grösse. Der Verf. rechnet sie wesentlich zur Hallstatt- und T^ne-
Zeit. Am meisten bemerkenswerth darunter sind die von ihm sogenannten Lehm-
gräber, von denen er namentlich bei Köderau gute Beispiele antraf. Der Lehm
ist in den sandigen Boden eingebracht und lässt sich durch einen eingestossenen
Spiess leicht entdecken. Beim Nachgraben findet man 1 — 2,5 m tiefe, cylindrische
oder trichterförmige Gruben, deren Hals durch einen vortretenden ^ Glockenhügel ^
aus Lehm, der sich über das Niveau des Mutterbodens erhebt, verschlossen ist.
Am Grunde des Cylinders oder Trichters stehen die Thongefässe, zuweilen in
grösserer Zahl; in einer Grube traf man 2 Haupt- und 46 Nebengefässe in 3 Gruppen
(einer mit Haupt-, zwei mit Nebengefässen). Darunter werden Käuchergefässe mit
Fenstern erwähnt, die auf einer tellerartigen Schale standen. Manche Gefässe
trugen einen Graphit-Ueberzug. Ihre Formen stimmen mit denen anderer nord-
deutschen und böhmischen Gräberfelder, namentlich des Lausitzer Typus, vielfach
überein. Von Bronzen wurde nur wenig gefunden: einige Nadeln und Ringe, üeber
die chronologische Stellung der Gräber behält der Verf. sich das ürtheil vor.
Es ist noch zu erwähnen, dass auch Wohnplätze, sogen. Mardellen oder Trichter-
gruben aus der Eisenzeit aufgedeckt wurden, in denen Reste von Eisenschmelze,
auch einzelne Schmelzöfen und „4 Stätten der ältesten Eisengewinnung mittelst des
sogen. Renn feuer- Verfahrens** nachzuweisen waren. Verf. beruft sich auf das
Zeugniss des Hrn. A. Voss. Einzelne Blöcke von Eisenschlacke waren sehr gross:
ein 100 kg schwerer Block soll „noch ganz deutlich die Spuren einer Gussform^
zeigen. —
Eine ausführliche Monographie wird in Aussicht gestellt. —
(20) Hr. W. V. Schulen bürg schickt aus Baden-Baden, 9. December, eine
Abhandlung über den
Dnngkeller des Tacitns.
In den Verhandlungen (1893, S. 148) wurde von mir in Hinsicht auf das
Spinnen in Ställen in Ober-Italien hingewiesen auf die Berichte des Plinius und
88*
(596)
des Tacitus über Webe- und Vorrathskeller der Germanen, und in den Niederlausitzer
Mittheilungen (I, S. 145) die Vermuthung ausgesprochen, dass sie gleichfalls als
Spinnstuben gedient haben dürften. Wie ich später ersehen, hat schon Jacob
Grimm (im deutschen Wörterbuch) eine reichhaltige Zusammenstellung ent-
sprechender Nachrichten gegeben und damit den Zusammenhang der Webekeller
des I.Jahrhunderts n. Chr. mit „der" Dunk des Mittelalters und der Neuzeit dar-
gethan. Grimm sagt u. A.: „so hat das altnordische dyngia auch die bedentung
von webegemach der frauen: in einer solchen dyngia singen die Walküren das
schicksalslied zu ihrem grausenhaften gewebe (Nialssa^a c. 158) . . die arbeits-
stuben der frauen werden in der lex salica, der lex Frisionum und dem capitulare
de villis screona genannt . . wovon das französische ecraigne escregne abstammt
. . kleine unterirdische, mit mist bedeckte gemacher, wo die mädchen im winter
zur abendzeit zusammen sitzen" . . und jedenfalls auch spannen, wie ich hinzufüge,
denn das war dann ihre Hauptbeschäftigung.
Schiller und Lübben*) haben: „dunk, m. (also männlich), unterirdisches
Gemach, welches zum Weben, zur Winterwohnung und zur Aufbewahrung von
Getreide diente", und aus dem Zeitbuch des Eike van Repgow, 215: „De keiserinne
sande ok to Home eren bref unde umbot dar, se wolde dat de utgesnedene
(eunuchus) Narses mit eren wiwen in erer düng spunne." Wenn das Spinnen im
Dung damals eine bekannte Sache war, so dürfte damit, bei der vormaligen An-
dauer der Sitten, auch wohl das Spinnen im vorgeschichtlichen Dung erwiesen sein.
In üebereinstimmung mit Tacitus erklärt auch Pischart^): „er hab dann
glaubt, was gut sei für Hitz, sey auch gut für Frost, wie die Bronnen, wie der
Weber Dunckkeller») . ."
Es bestätigen demnach spätere Zeugnisse die Angabe des Tacitus von den
Dungkellern der Germanen (solent et subterraneos specus aperire eosque mnlto
insuper fimo^) onerant), nur dass man die ungefüge Bezeichnung „unterirdische
Höhlen" fallen lassen muss^). Zu bemerken wäre indessen, dass solche Dnngkeller
1) Mittelniederdeutsches Wörterbuch, 1876.
2) Geschichtklitterung, 1570—1590, Neuausgabe v. Alslebon, Halle 1891, S. ITS.
8) Schmeller (Bayerisches Wörterbuch, 1827—1887; neu von Fromann, 18271 ver-
merkt: ^dic Dunk (augsb.).**
4) A. Baumstark bemerkt in einer Ausgabe der Germania (Leipzig, Weigel, 187*^«
S. 61): „FimuB, Mist (von stercus verschieden, als ein weniger widerlicher Ausdruck) ist
nicht Dünger.'^ Da hier Dünger doch wohl gleich Dung gesetzt ist, so wäre zu erwähnen,
dass in Norddeutschland östlich von der Elbe, soweit ich weiss, bei den Landleut«n Mist das
gebräuchliche und das derbere Wort ist Dung gilt mehr als feinerer Ausdruck, ist ab^r
völlig dasselbe, und ebenso in Oberbayem, Wurtemberg (^d'Mischtena*) und Baden ^au^h
Mischtel, Viscum albnm), soweit mir mehr vereinzelt bekannt geworden. Mistgrube, Mistwagen.
Mistbeet u. dergL m. sind allgemeine Ausdrücke; misten, ein Fachausdruck bei Pferde*
besitzen! und Stallwärtem: den Stall ausmisten, die Thätigkeit, die der nachmals zum Gt>^t
erhobene Herkules der alten Griechen in seiner Zeit als Arbeitsmann oder Knecht mit Eifer
vollführte (dem in sonstigen ländlichen Kraftstücken der starke Hans der Deutschen eben-
bürtig ist, nur dass seine Landsleut«, frühzeitig durch fremden Geist entvolkt, Um nicht
zu solcher Höhe brachten) ; „das ist nicht auf deutschem Mist gewachsen*, eine Terbreiftet^
Redensart Mist ist auch bildlich bei gebildeten jungen Leuten ein nicht seltener AotdriKk
für gewisse geistige Arbeiten, entsprechend den Zeitwörtern büffeln und ochsen. Es d&HW
sich verlohnen zu erfahren, wo in Deutschland die Bauern von jeher Dung sagen.
5) Schreibt doch auch, nach Zeitungsberichten, der Afrikaner Amur bin Kasnr tos
den Kellerwohnungen in Berlin: ^ unten in den Häusern sind Gruben, darin wobneo die
armen Leute.''
(597)
in nassen Niederungen wegen des Grundwassers wohl weniger üblich sein konnten
als in trockenem und bergigem Gelände, unbeschadet der Thatsache, dass in der
Mark und auch sonst in Norddentschland im vorgeschichtlichen Alterthnm, zeitweise
wenigstens, hier und da der Grundwasserstand ein anderer gewesen sein muss, als
heute, dass trockenes Land war, wo heute nasser Grund ist, woför deutliche Merk-
«
male vorliegen^).
Erdgaden als Vorrathsräume erwähnt Wilmar'): „Gaden, masc, jetzt nur
noch in der Obergrafschafl Hanau und zwar in der ursprünglichen Bedeutung
üblicher Ausdruck: kleiner einstöckiger, meist nur aus einem einzigen Raum
bestehender Nebenbau*). In früherer Zeit muss das Wort, auch in dem angegebenen
uralten Sinn, ziemlich überall in Hessen verbreitet gewesen sein; so ist in Dörfern
der Umgegend von Kassel (|Heckershausen u. a.) von Erdgaden die Rede, welche
übrigens zum Theil zu Wohnungen*) gedient zu haben scheinen. In dem Sinn
von Yorrathsraum, Vorrathshaus kommt Gaden bis in das 17. Jahr.(hundert) oft vor."
Aus dem Worte Erdgaden dürfte doch wohl hervorgehen, dass diese Gaden sich
ursprünglich mehr oder weniger in der Erde befanden.
Frl. M. Lehmann-Pilhes theilte mir freundlichst brieflich mit: „Dr. Valtyr
Gutfmundsson spricht in seinem Buche ^Privatboligen paa Island i Sagatiden^
von dem Yorrathshause, der skemma, einem einzeln stehenden Gebäude und sagt,
sie sei in Island selten, in Dänemark, Schweden und Norwegen in der Regel als
Schlafraum, sowohl für die Familienglieder, als für angesehene Gäste benutzt worden.
In den letztgenannten Ländern habe sie gewöhnlich 2 Stockwerke gehabt, von
denen aber das untere zuweilen nur ein in die Erde gegrabener Keller gewesen
sei. Yon Island sei dies nur einmal erwähnt (Sturlunga saga) und nie zwei Stock-
werke über der Erde. Es gab hier aber unterirdische Gänge (jarrt"hus = Erdhaus),
die zum Entfliehen^), und unterirdische Stuben (jariJ'stofa), die als Gefangniss
dienten.'*
Betreffs der von Grimm erwähnten nordischen „dyngia" hatte Frl. Lehmann-
Filhes die Güte mir mitzutheilen: „Dr. Yaltvr GuiJmundsson sagt (S. 245), nach-
dem er Lage und Zweck des Prauengemachs (dyngja) nach einigen Sagastcllen
erläutert hat, von dem Worte an sich: ^Was den Namen dyngja und seinen
Ursprung betrifft, so bedeutet es eigentlich nur einen Haufen (dänisch: djmge),
welche Bedeutung das Wort im Isländischen noch jetzt hat (vergl. ösku dyngja =
1) Vergl. Brandenburgia, 1897, S. 1:50, 181.
2) Idiotikon von Kurhessen, Marburg, 1868.
3) Im Schwarzwald, in der Gegend von Tribcrg, heisst in den Bauemhäusem die
Schlafstube für Bauer und Bäuerin, Vater nnd Mutter: Gade; in Oberbayem dieselbe:
Stubenkammer, Stumkomma.
4) Der volkskundige Schulze Hantscho-Hano in Schleife bemerkt (Nicdorlausitzer
Mittheilungen, I., 1890, S. 78) : „In der hiesigen Schleifer Sandgegend (Kreis Rothenburg,
Schlesien) waren ehedem die alten Ansiedlungen Erd Wohnungen. Die Wände wurden von
Kiefemstangcn über Kreuz gelegt, etwa ein Meter tief in die Erde hinein. Was oberhalb
der Erde war, wurde mit Lehm und Sand bestrichen und die Wohnung war fertig.** Wenn
dies*! Angabe auch nur auf mündlicher Ueberlieferung beruht, so verdient sie doch wegen
der früheren Abgeschiedenheit jener wendischen Dörfer einige Beachtung. Vergleiche die
Lutchen in der Brandenburgia.
ö; Auch Tacitus denkt bei den Dungkellem an feindliche Bedrohung. Germania, K»:
^Solent et subterraneos specns aperire . . qnia . . ot, si quando hostis advenit, aperta
populatur, abdita antem et defossa aut ignorantnr aut eo ipso faUunt quod quaerenda
sunt."
(598)
Aschenhaufen, und das Verbum alT dyngja saman = Zusammenbau fen), während die
andere Bedeutung (Frauenstube) in der jetzigen Sprache verloren ist, da man keine
besondere Frauenstube mehr hat. Das Wort steht in Verbindung mit dem englischen
^dung^, d. h. Mist (angels. düng, dyng, dtsch. düng, dünger; ahd. tunc, d. i. unter-
irdische Webestube, (Kluge, Etymol. Wörterbuch), da dieses Haus ursprünglich
grösstentheils in die Erde gegraben war, woher nur das Dach oder dessen oberster
Theil, das zum Schutz gegen die Winterkälte ursprünglich mit Dtinger bedeckt
war (Tac. Germ. 16), sich über die Erdoberfläche erhob. Das Wort tunc wird
infolge alter Glossen (Fritzner's Wörterb., 2. Ausg.) mit lat. hypogeum, textrina,
geneceum (Graff V, 433 u. IV. 217; Mhd. Wörterb. III, 130) d. h. gynaeceum
übersetzt und in Süddeutschland und der Schweiz noch für unterirdische Webestube
gebraucht. Hiermit kann verglichen werden, was Plinius berichtet . ." Fräulein
Lehmann-Filhes fügt dem noch hinzu: „Ich denke mir auch, das es angenehm
ist, im Keller zu weben, weil die Fäden, wenigstens Flachsfäden, in feuchter Luft
weniger leicht reissen. — Als Name von vulcanischen Bergen kommt dyngja jetzt
in Island häufig vor: Trölladyngja = Trollenfrauengemach, KoUötta dyngja, wohl
„ein runder Haufen^, denn kollottur heisst „ungehömt^, rundköpfig. Dünger oder
Mist heisst im Isländischen jetzt „myki oder mykja und tad*, pl. tötT'.
Diese altnordische dyngja dürfte auch ihrerseits, besonders in Hinsicht auf
eigenthümliche Sitten, den Zusammenhang der skandinavischen Nordgermanen mit
den von Tacitus eingehend geschilderten deutschen Südgermanen erweisen. Wahr-
scheinlich ist doch auch, dass zur Zeit des Tacitus die germanischen Webekeller
ähnlich hiesseUf wie der neuere und mitteralterliche Dunk.
Baumstark^) bemerkt, dabei wohl in Uebereinstimmung mit vielen an-
deren Gelehrten, zur Angabe des Tacitus „solent et snbterraneos specus aperire
eosque multo insuper fimo onerant^: „Solent bezeichnet die Allgemeinheit der
Sache, welche dem germanischen Culturbilde äusserst uni^ünstig erscheint.*^ Dieser
Schlussfolgerung wird man nicht beitreten können. Bei der Beurtheilung der
„Cultur" eines Volkes muss dessen Gesittung wesentlich maassgebend sein. Eine
höher entwickelte Gesittung hängt aber nicht ausschliesslich von der reichen Ent-
wicklung äusserer Lebenseinrichtungen ab. In Island z. B. war eine hohe Ge-
sittung und auch Bildung^) herrschend. Trotzdem heisst es in isländischen Be-
richten von den Wohnungen der ärmeren Bevölkerung im Bezirk SkagaQördur im
Nordland (auf Island), und zwar von solchen aus der ersten Hälfte unseres Jahr-
hunderts, nach M. Lehmann-Filhes: „Die bekkabadstofur') (Wohn- und Schlaf-
1) A.a.O. S.61.
2) M. Lehmann-Filhes, Colturgeschichtliches aus Island, nach dem Ifiländis4?h<^a,
in der Zeitschrift des Vereins f&r Volkskunde, Berlin 189<), S. 2:^. Auf dem badstofulopt
ausserhalb der Kammer, die das Gemach („herbergi") des Ehepaares bildete (wie das von
mir erwähnte Gade und die Stubenkammer im Schwarzwald und in Oberbajem), ,5t«iid
eine mit einer zusammengefalteten Decke belegte Truhe; das war der Sitz des Knechtes
Thorsteinn, der Abends dort sass und allerlei ausbesserte und schnitzte und daxwischen die
Aulgabe hatte, Geschichten (sögur) vorzulesen und lange Gedichte (rfmur) aufzusagen. Die
drei M&gde sitzen auf ihren Betten und spinnen*' u. s. w.
^i) Badstofa biess ursprünglich Badstube und bezeichnete (^nach Lehmann-Filhos)
in alter Zeit den auf jedem islindischen Gehöft befindlichen, mit einem grossen steinemeo
Ofen versehenen Raum zum Baden. Ebenso ist noch heute in Oberbajem das Wort Bad*
Stube, Bodstum, erhalten geblieben. Es weist ebenfalls zurück auf die ehemalige Bad-
stube zum Baden und bezeichnet jetzt Gebäude (insoweit ich sie kennen lemte\ die al«
(599)
Stuben) hatten fast immer das Erdreich zum Fussboden; an beiden Längswänden
standen die Betten, die nackten Erdwände hinter ihnen waren grauweiss von
Schimmel nnd Feuchtigkeit').^ ^Die Giebelwände der Badstofur waren damals
gleich den übrigen stets von Rasen und so dick, dass die Fenster im Dache sein
mussten ')^ „In den ärmlichsten Badstofur war das Torfdach zwischen dem Latten-
werk sichtbar'). Ausserdem, was den Isländern zur besseren Ausstattung doch
mehr fehlte, Holz, hatten die deutschen Germanen in Fülle. Zudem hatten sie
ausser jenen „Tungen^ noch die eigentlichen Wohnhäuser, die nach der Beschreibung
des Tacitus Blockbauten waren, wie sie noch heate in Deutschland, aber auch in
Norwegen u. a. vorkommen.
Der dunkle Raum der Tungkeller lässt zumal für lange Winterabende eine
künstliche Beleuchtung voraussetzen. Vom Standpunkte der Neuzeit oder des
Mitteiters könnte man dabei an Lampe, Unschlittkerze oder Span denken. Das
Spanlicht hat sich bis in unsere Zeit erhalten. Rienspähne der Kiefer wurden ver-
einzelt in der weitereu Umgegend von Berlin (auf dem Lande) in einem mir
bekannten Hause noch vor 10 Jahren, mehrfach bis vor 20 Jahren, allgemeiner in
Dörfern der Moskauer Gegend noch vor 15 — 20 Jahren, vielleicht noch jetzt,
gebrannt. Noch in den letzten Jahren sah ich in Oberbayem, höher im Gebirge,
im Hause zu allerhand Verrichtungen mit Fichtenspähnen leuchten^).
Ob für das Tageslicht irgendwie eine Luke im Dach des Tung oder sonstwie
vorhanden war, wird nicht weiter von Tacitus berichtet, ebensowenig von den
Wohnhäusern. Aber es wäre denkbar, dass man sich in beiden irgendwie statt mit den
heutigen Fenstern anderweitig beholfen hätte. Aus Island heisst es denkwürdig^):
^In dem Rasendache, das man überall durch die Dachlatten hindurch sah, war
eines jener oft nur handgrossen Fenster ( sk jag luggi); ein hölzernes Band wurde
zu einem Ringe zusammengebogen (oder auch wohl ein länglicher oder viereckiger
Rahmen angefertigt), mit der Eihaut eines Kalbes bespannt und in die zu diesem
Zwecke hergestellte Dachöffnung gepasst. Diese dünne Haut wurde oft zerstört, bald
durch den Wind, bald durch die Katze . . ; man musste daher stets Vorrath an solchen
Häuten haben . .^ „Junge Mädchen, die auf sich hielten, haben den liknarbelgur
so gut als möglich gewaschen und geschabt, bevor sie ihn in das Fensterchen über,
ihrem Bette brachten, und dann mit ihrer Handarbeit oben auf dem Bette möglichst
nahe an dieser Lichtquelle gesessen^. „Eine Frau, die 1811 geboren war, erinnerte
sich aus ihrer Jugend keiner anderen Fenster^).^
Für einzelne Gegenden wenigstens (in Niederdeutschland, auch in Norwegen,
Schweden und England) kann das Vorhandensein von Lichtluken an Häusern vor-
geschichtlicher Zeit als erwiesen gelten seit Auffindung der Fensterurnen aus
Gräbern. Die Todtenume, wie sonst das Grab, galt, sicherlich für eine gewisse
Zeitdauer, als Wohnung des Todten. Das beweist der Volksglaube der letzten
Dörrkammem für den Flachs dienen und um darin den Flachs zu brechen. Vergleiche diese
Verhandlungen 1889, 8.22, nnd Mittheilungon der Wiener Anthropologischen Gesellschaft,
26 (16), 8.79. Auch Tacitus erw&hnt, dass die alten Deutschen B&der nahmen. Ger-
mania, 22: „Statim e somoo, quem plernmque in diem cxtrahunt, lavantnr, sacpius calida
ut apud quos plurimum hiems occupaf
1) M. Lebmann-Filh6s, a.a.O., 8.237.
2) Ebenda, 8.239.
3) Ebenda, 8. 289.
4) VergL Brandenburgia, Berlin 1896, 8. 151.
5} M. Lehmann-Filhes, a.a.O., 8.230.
6) Ebenda, 8.239.
(600;
Jahrhunderte, in dem der Glaube der alten Deutschen mehr oder weniger gebrochen
sich abspiegelt, und die Auffindung der Hausurnen. In ihnen hat man Häuser der
Lebendigen nachgebildet oder angedeutet. Dazu kommt die Auffindung der Fenster-
urnen. Wenn unten am Boden derselben durchsichtige Glasstücke eingesetzt
wurden, so sollten sie vermuthlich ein Fenster am Hause des Todten vorstellen,
wie man ein solches „Fenster" oder solche „Fenster" gekannt hatte an seinem
Hause zu seinen Lebzeiten, oder sonst an Häusern von Lebenden. Denn Brauch
und Sitte sind immer der Ausdruck einer bestimmten Anschauungsweise.
In Hinsicht auf das Spinnen in Ställen zur Winterzeit in Oberitalien möchte
ich erwähnen, dass der italienische Maler Hr. Segantini im vorigen Winter in
Berlin bei Schulte unter anderen zwei grosse Gemälde ausgestellt hatte, von
denen das eine bei Laternenlicht im Kuhstall (wohl in den Alpen Italiens oder der
Schweiz?) eine Mutter mit einem Kinde sitzend zeigte, das andere ebenso eine
Spinnerin. —
(21) Hr. W. V. Schulen bürg überschickt ferner einen Artikel über den
Tradenfüss bei Wilshofen in Bayern.
Als Drudenfuss gilt allgemein das verschränkte Dreieck. Wolf*^ theilt
darüber (aus Keysslers Antiquit. selectae septent. et celticae p. jOI) bemerkens-
werth mit: „Druden etiam in Franconia et Helvetia adpellantur sagae, Drütner,
incantatores, magi. Figura pentagona, olim '>/€:«*;, sive salutis Signum ^ (quod
multis superstitiouibus commaculant et nocte Stae. Walburgae sacra creta inscri-
bunt stabulorum portis, ne Sagae et Druidae ad armenta et pecora penetrent) ad-
pellatur Drudenfuss, pes Dioiidum "'•'). „Diesem Drudenfusse') entspricht genau
der niederdeutsche Familienname Marevoet", setzt Wolf hinzu.
Eine andere Art von „Trudenfuss" als das Pentangulum, und zwar aus Weiden-
rinde hergestellt, ist mir, während meines früheren Aufenthalts in Bayern, aus
Xiederbayern bekannt geworden. Es herrscht beim Landvolk, so in der Gegend
von Wilshofen bei Passau u. a. die Sitte, wie mir seiner Zeit Hr. Klostermejer,
von dort gebürtig, mündlich mittheilte, „dass man am Charfreitag auf einem freien
Platze zwischen den Gräbern des Kirchhofs ein Feuer anmacht, in dieses geweihte
Feuer Stöcke oder stärkere Ruthen von einer Weide steckt und sie an den Enden
verkohlen lässt. Aus der Rinde derselben verfertigt man Trudenfüsslein.
Die angekohlten Stöcke werden oben gespalten und ein Trudenfüsslein hinein-
1) Niederländische Sagen. Leipzig 1843, S. 190.
2) Carus Sterne (Sommerblumen, Leipzig 1884, S. IHI — 1S4) bespricht gewisse Eijren-
thümlichkeiteu der 5 Kelchblätter der Rose und giebt ;^S. 182) eine Zeichnung ,von der
Knosponlage der Kclchzipfel der Moosrose mit eingezeichnetem Pentagramm*, das man
erhalte, wenn man bei Verfolgung des ..kurzen Weges" die Kelchzipfel in einem Haudxiigp
mit geraden Linien verbindet: er weist zugleich darauf hin, dass „schliesslich die Rose selbst
statt des Drudenfusses" gesetzt wurde. Das Yolksräthsel von den 6 Brüdern (bei Wossidlo
die Kelchblätter der •Hundsrose'*), das Carns Sterne als Uebersetznng eines Thefles eines
lateinischen Epigramms eines 16.')0 gedruckten Buches erklärt, findet sich nach Wossidlo
(Meklenburgischo Volksübcrlicferungen I. Wismar 1897, S. 75, 290) vielfach beim Land-
volke verbreitet.
:>} In der Gegend von Bühl in Baden wurde noch vor .50— (X) Jahren in die Pfosten
des Kuhstalls mit dem Messer ein Zeichen eingeschnitten, dass keine Hexen in den St^U
kämen und die Kühe melkten: doch war jetzt nicht mehr genau festzustellen, wie diese«
Zeichen ausgesehen hat.
(601)
geklemmt und dann der Stock in den Acker gesteckt, damit die Erde vor allem
bösen Einfluss gesichert sei. Auch im Hause wird der Trudenfuss verwendet.
So gegen Alpdrücken, das man den Truden und Hexen zuschreibt, die sich Nachts
dem Bauer auf die Brust setzen und ihn nach Herzenslust drücken. Dagegen
nagelt der Bauer 3 Trudenfüsse an die Bettlade und drückt dann Nachts im Ge-
fühle der Sicherheit seine müden Augen zu.'^
Zu weiterer Bestätigung wandte ich mich neuerdings (1896), auf Empfehlung
des Hrn. Prof. Sepp in München, an den volkskundigen Hrn. Pfarrer Kitzinger
in Osterhofen bei Passau. Hr. Kitzinger hatte die Güte, mir die nebenstehend
A. »A
B.
i
abgebildeten Trudenfüsse zu übersenden und bemerkte freundlichst, wegen des
Pentangulum hinweisend auf Armamentarium ecclesiasticum von P. Fr. Ubaldus
Stoiber vom Jahre 1726 (H. S. 60 und folg.): „Alte Amulette tragen nicht
nur die Zeichen des Pentangulum, sondern auch ^^einen Schwan*', zum Capitel
„Wallküren* oder Alfenfuss gehörig, weil sich die Wallküren nach der Mythe in
einen Schwan verwandeln konnten. Im christlichen Zeitalter haben die mystischen
Zeichen der Gnostiker eine christliche Form angenommen; dahin gehören auch
die Druden kreuzchen oder Trudenfüsse. Auffallenderweise finde ich bei der
Volksschilderang in Müller's „Der bayrische Wald" S. 64 und Heinrich Reder's
„Bayerwald'', S. 113 hiervon nichts erwähnt, obwohl besonders der Waldler auch
die geweihten Sachen häufig abergläubisch gebraucht. In hie-siger Gegend ist
hiervon Nichts bekannt; ich war 2 Jahre in Wilshofen, habe nie etwas gehört.
Ich fragte Personen aus dem Wils- und Roththale, Priester und Laien, keiner
wusste Aufschluss zu geben. Ein Mann ans der Gegend von Wiechtach weiss,
dass man in seiner Heimath das Hexenzeichen (Pentangulum) mit Kreide auf
Bettladen und Stallthüren zeichnet. Ein pensionirter Lehrer aus der Oberpfalz
saicte mir, dass man „in der Pfalz hinten'' Druden -Kreuze ^egen den „Bömess-
Schnitf* (in anderen Orten „Durchschnitt** geheissen) in die Getreidefelder steckt,
um die schadenden Eleiuentar-Geister abzuhalten. Auf meine weitere Frage, was
denn dieser sogenannte „Bömess" sei, sagte er: „ein böser Mensch thut es mit
Hülfe eines bösen Wesens (Trude)." In der Gegend von Pfatter besteht auch
vielfach der Glaube an die Wirksamkeit des „Trudenfusses."
In Hinsicht auf das von mir erwähnte Feuer u. s. w. bemerkt Hr. Kitzinger:
„Jeder Katholik weiss, dass am Palmsonntage Palmen geweiht werden, die man
im Hause bewahrt und ehrt. Uebers Jahr werden diese Palmen gesammelt und ver-
brannt, und mit dieser Asche wird jene ernste Ceremonie der Einäscherung vor-
(602)
genommen mit den Worten: ^Memento, homo, qoia pulvis es et in pulrerem
reverteris." Die Stange (Stock), an welche das Palmenbüschlein gebunden wird,
ist eine Weide. Im Frühjahre ist diese Rinde leicht löslich, und davon werden
die sogenannten Drudenfttsse gemacht, grösser oder kleiner, wie man eben will.
Die Verschlingung erinnert an die Tephilim oder Phylacteria Judaeorura (vide
Commeni in Calmet. V. Test. Tom. I, pag. 773). Am Charsamstage wird be-
kanntlich das „Feuer^ geweiht. Die Leute stecken Prügel, Stecken u. dgl. in das
geweihte Feuer und stecken diese „Brände*' dann auf die Felder. In Pfarrdörfem
wird das Feuer gewöhnlich im Friedhofe an einem freien Platze geweiht. Als
solche „Brände^ benutzt man entweder den Palmbaum-Stecken ^) selbst, oder einen
Theil desselben. Ist er angebrannt, so spaltet man ihn oben, steckt ein anderes
„ Brandhölzchen ^ überquer ein und formirt so ein Kreuz. Wer einen ^Truden-
fuss^ hat, steckt diesen hinein, er hat ja die Rreuzesform. Gewöhnlich am 3. Mai
(Rreuzerfindung) oder bald nach der Oster-Feuer- und Wasser- Weihe werden diese
Kreuze auf die Felder gesteckt, diese unter Gebeten mit geweihtem Wasser be-
sprengt und das Gedeihen der Feldfrüchte und Abwendung alles Schädlichen Gott
empfohlen." —
(22) Freiherr v. Stein, Premier-Lieutenant in der Kaiserlichen Schutztruppe
und Stationschef der Kaiserlichen Keg.-Station Lolodorf in Kamerun, hat unter
dem 6. October Hm. Rud. Virchow folgende Mittheilung übersendet, betreffend
Anthropologisches, namentlich auch Zwerge in Kamemn.
Als einen Beweis meines Interesses an der Anthropologie bin ich in der glück-
lichen Lage, Ihnen das annähernd vollständige Skelet eines Ndogunbuea (süd-
östlicher Bakoko-Unterstamm) zu übersenden. Es wird allerdings wohl erst mit
nächster Post eintreffen. Der betreffende Mann soll vor etwa Jahresfrist als Ge-
fangener hier auf der Station umgekommen sein. — Ich war damals noch nicht
hier, aber es zeigte mir ein Schwarzer den Beerdignngsplatz. Wenn ich nicht mehr
sende, so liegt dies an den Ihnen wohl bekannten Umständen, dass es nehmlich
äusserst schwer hält, die Leute zu dem ZiCigen oder gar der Oeffnung eines Grabes
zu vermögen. Das Glück unterstützte mich diesmal insofern, als gerade die
Ndogunbuea in ihrer gebirgigsten Bakoko-Landschafl bei dem Feldzuge gegen die
Bakoko im Frühjahr 1895 der Truppe empfindliche Verluste beibrachten und das
wohl ein Grund für meinen schwarzen Unterofßzier war, mir aus eigenem An-
triebe das Grab zu zeigen. Wie der Mann um's liCben kam, ist mir unbekannt
geblieben.
Wenn ich im Uebrigen auf den Schlusspassus Ihres so interessanten Vortrages
(S. 158) eingehen darf, so möchte ich bemerken, dass ich bereits, im Gegensatz
zu Hm. Hauptmann Morgen, überall im Schutzgebiet herumgekommen bin, und
dass, meines Erachtens, den Sprachverschiedenheiten nach 3 oder 4 ganz verschiedene
Völker den bis jetzt zugänglichen Theil des Schutzgebietes bewohnen. Während
1) Vergleiche daiu meine Mittheilongen in den Yerhandlimgen 1896, S. 'M>\ und S40,
841. Hinsichtlich der dort erwähnten Palmschw&nchen, Scbwinen ans Backwerk, und
der Schwine an vorgeschichtlichen Bronxewagen wäre hiniaznfogen, dass auf dem Berge
hinter dem Dorfe Burg im Spreewald (Kreis Cottbus, Provini Brandenburg) eine kleine
Thonschale mit einem langhalsigen Schwan ans Thon (aufbewahrt in der Sammlung <les
Hrn. Apothekers Petermann im Dorfe Burg) nebst Broniestücken in der Erde vor-
gefunden wurde (S. 862). Es ist ersichtlich , dass es sich bei diesem hOehst denkwünlig^D
Funde um keinen Qebrauchsgegenstand handelt.
(603)
die Bakwiri (oder Bakwili), die Dualla, alle ausserordentlich volkreichen und
ausgedehnten Bakoko (Bassa, Lungale, Babimbi, Ndogohem, Ndogohega, Ndogun-
kumak, Ndoghende, Ndogadkhe, Ndogunbuea, Ndokupe, Bekok, Mangalle, Ndokök,
£dea, Ndogsean, Ndogschok, Badjöb, Ndosuelle, Ndogobella, Ndögohek, Ndaga-
bessol, Jabbi u. s. w.), die Jaunde-Buley-Pangwe-Untergruppe, schliesslich
mit Genoa, Janda, Mpongete mehr oder weniger verwandt sind, bifden die
Bakundu, Ngolo, Barombi, Bayong u. s. w. im Norden einen in Sitten,
Gewohnheiten, Tättowirung, Sprache u. s. w. absolut davon verschiedenen Stamm,
der aber sehr wohl von den um Ngilla, Wüte, Balong u. s. w. sitzenden Völkern zu
unterscheiden ist. Eine absolut unterschiedene, wenn auch kleine Sprachinsel, die
sich auch durch den äusseren Habitus der Bevölkerung geltend macht, sind die
Ngomba, Mabea u. s. w. im Waldlande östlich von Rribi. Eine schliesslich in
Sprache u. s. w , auch von den ans Gabun stets weiter nach Norden dringenden
Buleystämmen (wozu auch Jaunde, Bane u. s. w. zu rechnen sind)
wiederum ganz verschiedene Gegend ist weiter nach Osten im Süd bezirk gelegen
und beginnt etwa 14 Tugemärsche (zu 25 — 40 hn) östlich von Kribi mit den Jengone.
Diese Stämme sind aber noch so gut wie unbekannt. Meine Hauptgegner sind die
Bane (Zwischenstamm zwischen Jaunde und Buley).
Nun das Beste zuletzt: Das seiner Zeit von mir so skeptisch beurtheilte Vor-
kommen einer Zwergrasse ohne festen Wohnsitz zwischen hier und der Rüste
scheint mir doch einen thatsächlichen Untergrund zu haben, und ich habe sogar
gegründete Hoffnung, genaue Maasse, Haarproben u. s. w. demnächst zu erwerben.
Einen Mann, den ich als Kreuzung dieser z werghaften Easse und der Ngomba ansprechen
möchte, werde ich jedenfalls dieser Tage anthropologisch untersuchen können, und
ein ganz reines, richtiges Mitglied der Zwergrasse, die offenbar nur wenige hundert
Leute höchstens stark ist, ist mir in Aussicht gestellt. —
Hr. R. Virchow spricht seinen besonderen Dank für die Mittheilungen des
Freiherm v. Stein aus. Ganz besonders freut er sich darüber, dass nun endlich
positive Nachrichten über Zwerge unter den Buschvölkem in Kamerun gewonnen
sind. Schon seitdem Hr. du Chaillu unter den Gabun -Stämmen Zwerge auf-
gefunden hatte, ist die Aufmerksamkeit auf das Vorkommen weiterer Pygmäen in
den Waldgegenden von Westafrica gerichtet geblieben und manche vereinzelte
Nachricht hat ihren Weg zu uns gefunden. Hr. Bastian (Die deutsche Expedition
an der Loango-Küste, Jena 1874, [., S. 135) hatte über die ßabongo ausführliche
Nachrichten niedergeschrieben, aber der Widerspruch des Hrn. Falkenstein
(Verhandl. 1877, S. 177) hat alle diese Nachrichten discreditirt. Trotzdem habe ich
den Glauben nicht verloren, dass es doch westafrikanische Zwerge gebe. Man lese
nur die Erörterungen des Hrn. Schweinfurth (Im Herzen von Africa. Leipzig und
London 1884, H., S. 143), der die älteren und neueren Angaben gesammelt hat,
und man wird nicht umhinkönnen, ihm beizutreten, dass seine Akka und die Obongo
von du Chaillu in eine gewisse Verbindung zu bringen sind. Nun sind auch noch
die centralafrikanischen Länder hinzugekommen und der Gedanke, dass Reste einer
primitiven Urbevölkerung sich durch das ganze Waldgebiet von Africa erhalten
haben, ist mit neuer Stärke erwacht. Dazu kommt, dass Hr. Hauptmann Kund
(Mitth. aus den deutschen Schutzgebieten, IL, S. 1 (^9) auch in Kamerun Leute „von
niedrigem Wuchs, gelblicher Hautfarbe und fremdartigem Gesichtsausdruck^ gesehen
hat, von denen er in seiner vorsichtigen Weise sagt, er könne sie nicht Zwerge
nennen, die er aber doch von den anderen Stämmen unterscheidet. Möge es Frei-
herm V. Stein gelingen, in dieses Dunkel Licht zu verbreiten und positive Merk-
male, wenn möglich Messungen zu geben! —
(604)
(23) Hr. Rud. Virchow bespricht
6 Schädel von Jaunde aus Kamenm.
Diese Schädel sind mir mit einem Begleitschreiben des Directors des Kaiser-
lichen Gesundheits-Amtes vom 8. Mai zugegangen. Damach sind sie von dem
Lieutenant der Schntztrappe, Hrn.. Dominik zu Jaunde, für mich bestimmt und
Seitens der Colonial-Abtheilung des Auswärtigen Amtes tibermittelt worden. Ein
beigefügtes Blatt, welches die Unterschrift des Dr. Döring, 21. Juni 1896 trägt,
hat den Zusatz „Wogobetschi?". üeber die Art der Gewinnung ist nichts be-
merkt.
Für unsere Kenntniss der Ramerun-Stämme ist die Sendung von grosser Wichtig-
keit. Noch in der Sitzung vom 20. März (Verhandl. 1897, S. 158) hob ich die Un-
sicherheit der bisherigen Thatsachen über die Rraniologie unserer Colonie und
die Noth wendigkeit weiterer Ermittelungen hervor, und zwar mit besonderer Hervor-
hebung der von Hrn. Morgen angegebenen Verschiedenheit der nördlichen und
der südlichen Stämme. Jetzt habe ich zum ersten Mal brauchbares Material fUr
das südliche Gebiet. Freilich ist dies Material kein so gleichartiges, dass es genügt,
um zu erkennen, ob alle diese Schädel demselben Stamme angehört haben, und
es entsteht die schwer zu behandelnde Frage, ob ihre Verschiedenheit auf bloss
individuelle Variation oder auf eine Mischung verschiedener Stämme zu beziehen
ist. Dabei tritt erschwerend der Umstand hervor, dass überhaupt bei diesen
Stämmen die Geschlechts-Unterschiede der Schädel nicht mit genügender Sicher-
heit bekannt sind (vergl. a. a. 0. S. 154).
Ich bemerke daher unter aller Reserve, dass ich einen der vorliegenden
Schädel (Nr. 6) für einen weiblichen, die übrij^en für männliche halte. Einer der-
selben, der weibliche (Nr. 6), der zugleich zahlreiche noch anhaftende, ziemlich
feste Weichtheil-Reste trägt, also sehr frisch sein muss, und niemals in einem
Grabe gewesen sein kann, ist offenbar gewaltsam abgetrennt worden; erzeigt einen
grossen Defect mit unregelmässigem, durch eine Reihe von Hieben zerfetztem
Rande, der sich vom Hinterhauptsloche aus weit in die Squama occip. erstreckt
Von hinten her geführte Schnitte sind auch an den Gelenkhöckem bemerkbar.
Von den anderen sind zwei Schädel (Nr. 2 u. 3), die ausgedehnte Laterit-Färbung
tragen und offenbar aus Gräbern stammen, ohne Spuren äusserer Gewalt-Einwirkung.
Dagegen sind «grössere Verletzungen sichtbar an Nr. 1 , 4 und 5. Von diesen
dürften die von Nr, 1 und 5 posthumer Art sein: es sind grössere, gebrochene
Löcher an der Basis cranii (vergl. Fig. 3), wie sie bei dem explorativen Suchen
nach Gräbern mittelst in die Erde eingestossener Stangen leicht erzeugt werden.
Als während des Lebens durch scharfe Geräthe hervorgebiacht ist aber wenigstens
die Mehrzahl der zahlreichen Verletzungen anzusehen, welche Nr. 4 erlitten hat.
Hier ist durch einen scharfen Hieb der Stirnfortsatz des Wangenbeins auf der
linken Seite zerschlagen und die ganze orbitale Partie dieses Knochens bis in den
Joehbogen hin weggenommen, so dass die Augenhöhle nach links ganz offen ist
Nahe daran findet sich, gleichfalls auf der linken Seite, ein Loch, welches die
Spitze des Felsenbeins und des Proc. spinosus des Reilbeins umfasst und so gross
ist, dass man einen Daumen hindurchstecken kann. Endlich befindet sich, an der
unteren Fläche der Apoph. basil., kurz vor ihrem vorderen Ende mehr nach rechts,
ein von unten her kommender Eindruck mit Splitterung, der aussieht, als sei er
durch das Anprallen einer kleinen Rugel hervorgebracht. Auch trägt das rechte
Parietale, nahe hinter der Coronaria, eine offenbar alte Grube, die ein narben*
artiges Aussehen hat. Dieser Schädel hat manche Eigenschaften, die ihn als einen
CÜ05)
weiblichen charaktcrisiren könnten; weDn ich ihn trotzdem als männlichen aulTUhrc,
so flndc ich in seiner Orässe (1590 ccm) and in den zahlreichen und grossen Zer-
stoningen traumatischer Art, die auf einen Kampf hinweisen, starke HUITsmomente
für die Diagnose.
Bei 2 Schädeln ist das Schädeldach durch pathologische Proccsse, namentlich
darch Verdickung und stärkere Gefussentnickelun^, ausgezeichnet: bei Xr. 1 ßnden
sich zahlreiche, fast wie Emissarien gestellte Löcher an der miiskelfreien Partie,
namentlich hinten und zu beiden Seiten der Pfeilnaht (Fig. 2); bei Nr. 4 sind die
Parietalia und die Oberschnppe in einem grob-poroti sehen Zustande. Eine be-
stimmte Einwirkung dieser Veränderungen riuf die Schädelform ist nicht erkennbar.
Dagegen bestehen bei zwei anderen Schädeln Synostosen der Schädeldach-
Knochen, denen wohl eine Bedeutung für die Schädelfonn zuzuschreiben sein
dürfte: bei dem mesocephalen Schädel Nr. 3 eine Verwachsung der unteren lateralen
Enden der Coronaria; bei dem stark dolichocephalen Schädel Nr. 5 eine prämature
Synostose der Pfeil- und der oberen Lambdanaht, sowie der unteren lateralen Thcile
der Coronaria. Nach den wenig abgenutzten Zähnen des Oberkiefers zu urtheüen,
waren sämmtliche Individuen roll erwachsen und von einem massigen Aller.
Sehr ungewöhnlich ist der Schädel Nr, 1 (Fig. 1^3}. Derselbe macht bei der
äusseren Betrachtung den Eindruck bedeutender Grösse, und doch hat eine wieder-
holte Messung nur eine Capucität von 1322 ccui ergeben. Nahezu dasselbe Maass
(1329 rem') fand ich bei dem von mir als männlich gedeuteten Schädel eines
Bakwiri (a. a. 0. S. lüä, Fig. I), mit dem er auch sonst einige Aehnlichkeit hat.
Der falsche Eindruck der Grösse erklärt sich durch die beträchtliche Länge (195 iiim)
des Jaunde-Schädels, welche noch um 1 1 mm über die des Bakwiri hinausgeht. Da
auch sein Horizontalumfang (520 mm) um ~20 tum den Umfang des Bnkwtri Über-
trifft, und die grösste Breite (140u»mi) um II mm grösser ist, so war ich versucht,
den Jaunde-Schädel als den absolut grösseren zu schätzen. Doss trotzdem die
Capacität desselben nicht nur nicht grösser, sondern sogar nm 7 ccm kleiner ist,
als die des Bakwiri, wird nur erklärlich aus der Nieilrigkeit des Jaunde-Schädels
(Fig. 1): sein Längen höhen in des ist ausgemacht chamaecephal (fi8,7). Da dies
ein ganz solitärcr Fall ist, so
darf wohl als sicher angenommen '^"
werden^ dass seine Chamae-
cephalie keine Stam mes eigen -
thümlichkeit ist, sondern eine
individuelle Variation. Immerhin
gestattet die Vei^lcichungmit dem
Bakwiri, dessen langgestreckter
Schädel mir besonders auffiel, die
Vermuthung, dass unser Jaunde
die extreme individuelle Aas-
gestal tu ng der gleichen Grund-
form darstellt. Daraus Hesse sich
aoreinVera-andtschartsverhältDiss
beider Stämme schliessen.
Die vergleichende Messung
der einzelnen Schädel abschnitte
bei den Jaunde lehrt, dass die Grösseoznnahme in der Länge am meisten der
Stirn, demnächst dem Hinterhaupt zulKIlt. Denn der frontale Abschnitt der Scheilel-
curve beträgt 34,8, der occipitale 33,7,';_der parietale nur 31,3 pCt. des Gesammt-
(606)
Sogittalmaasses (367 »iin). Die Grösse des Stirnum fange b ist wiederum bedingt
durch die starke Estwickelong der Stirnhöhlen, velche eine beträchtliche
Prominenz der ganzen Stimaasen- Gegend herrorgebracht bat (Fig. 1). Es kann
dabei zugleich erwähnt werden, dass die Plana temporalia eine colossale Grösse er-
reicht haben (Fig. 2), so dass sie nach hinten bis über die Seitentheile der Lambda-
naht hinüb eingreifen nnd diese mit einer dicken Knochenplatte überdecken (Fig. 3).
Pig. 2. . Pig. 3.
Kehren vir jetzt zu einer allgemeinen Cbarakterisirang der Jannde-Schädel
zurück, so stossen wir zunächst auf die grosse Verschiedenheit in der Capacität:
Nr. 1 1822 ccn Nr. 4 1590 et«.
„2 UG8 , „6 1275? ,
,3 14Ö5 , .6 1,252? ,
Obwohl die beiden letzten, insbesondere der weibliche Schädel Nr. 6, recht
klein sind, so überschreitet ihre Capacität doch die von mir angenommen^ Grenze
der Nannocephalie (1200 ccm). Drei andere sind von müssiger Grösse, darnnter
der schon besprochene Schädel Nr. 1 ; am meisten geräumig ist Nr. 4 mit der fUr
die schwarze Rasse nicht gewöhnlichen Cupacitat von 15U0 icm. Pilr die Ver-
gleichung stehen uns aus der kürzlich (S. 409) mitgetheilten Liste des Hm.
Waruschk.in A Ngnmba-Schädel zur Verfügung, aus einem Stamme, der den
Jaunde benachbart ist. Darunter ist ein weiblicher nannocephal (h) mit llTl crm
Capacität nnd ein als zweifelhaft bezeichneter männlicher Schädel (f) von nor
1228 can; die 3 anderen männlichen hatten 13Ü0, 1335 und 1437 ccm, also mittlere
Grössen, wie die Mehrzahl der Jaunde.
Die Scbädelform der letzteren ist, wenn wir von dem schon erwähnten
Nr. 1, der chamaedolichocephal ist, absehen, hauptsächlich bezeichnet durch
Hypsicephalie. Es beträgt der
^
Höhen-
Ohrhölifln
Indoi
iDdct
bei Nr. 2 . . . .
.... 72,6
61 ',2
- . 4. . . .
. . . . 78,:(
, . 6. . . .
. . . . 78,7
64,6
. . . . 81,2
66,1
(607)
Da nan 4 von diesen Schädeln (Nr. 2, 3, 4 und 6) mesocephal sind, so
ergiebt sich für die Mehrzahl em hypsimesocephaler Typus. Dabei ist be-
merkenswerth, dass auch der dolichocephale (Index 70,9) Schädel Nr. 5 aus-
gemacht hypsicephal ist.
Ich füge hinzu, dass nach Hrn. Waruschkin 2 seiner Ngumba- Schädel
dolicho-, 3 mesocephal und nach ihrem Höhenindex 2 hypsi-, 2 ortho- und
1 chamaecephal befunden sind. Dabei würde freilich erst auszumachen sein, ob
das Messverfahren, um völlig vergleichbare Resultate zu liefern, nicht noch einmal
controlirt werden sollte.
Von grösserer Bedeutung, zumal wegen der Einheitlichkeit des Messverfahrens,
sind meine eigenen Beobachtungen über die Kamerun-Schädel. Schon aus meiner
früheren üebersicht (Verh. 1891, S. 282) zog ich den Schluss, dass man die
Dualla nicht zu den Dolichocephalen werde rechnen können, dass aber Hypsi-
cephalie bei ihnen Regel zu sein scheine. Dafür sprachen nicht bloss die zwei
von Hrn. Zintgraff eingesandten Dualla-Schädel, welche hypsimesocephal waren,
sondern auch die von mir und von Zintgraff an Lebenden gewonnenen Resultate.
Später fand ich (Verh. 1895, S. 294) dasselbe bei 2 Schädeln von Mbome, während
bei neuerlichen Messungen an 2 Schädeln von Bakwiri (Verh. 1897, S. 155) der
männliche sich als orthodolichocephal, der weibliche als chamaemesocephal erwies.
Die Verschiedenheiten dieser beiden Schädel unter einander waren so gross, dass
ich Bedenken trug (ebendaselbst S. 158) sie als bloss individuelle Variationen an-
zuerkennen. Die Jaunde scheinen sich im Ganzen den Bantustämmen mehr zu nähern.
Die Verhältnisse des Gesichtsskelets bei den jetzt vorliegenden Schädeln sind
je nach den einzelnen Regionen verschieden zu beurtheilen. Am wenigsten
Differenzen zeigen die Nasen-, sehr grosse die Augenhöhlen:
Nasen- Orbital-
Index Index
Nr. 1 . . . 49,1 86,7
Nasen-
Orbital-
Index
Index
Nr. 4.
. . 60,0
89,7
» 5.
. . 5^,0
80,0
n 6.
. 4 48,0
86,0
„ 2 . . . 58,0 85,8
, :i . . . 52,0 78,8
Es waren also darunter:
mesorrhin 2 (Nr. 1 und 6) hypsikonch 1 (Nr. 2)
platyrrbin 8 ( „ 2, 3 o. 6) mesokonch 1 ( „ 6)
hyperplatyrrhin ... 1(^4) cbamaekonch .... 1 ( „ 5)
ultrahypsikoncb. . . 2 ( „ 1 und 4) altrachamaekoncb . . 1 ( „ 8)
Es ist demnach kein einziger leptorrhiner Schädel vorhanden ; dagegen zeigen
auch die mesorrhinen eine starke Abplattung und Verbreiterung der Nase, so dass
ihre Form der platyrrhinen recht nahe kommt. Damit verbindet sich eine starke
Prognathie des Oberkiefers, die nicht bloss dental ist.
Anders verhält es sich mit den Augenhöhlen, auf deren häufige Incongruenz
mit den übrigen Bestandtheilen des Gesichts ich wiederholt aufmerksam gemacht
habe. Hier treffen wir unter den 6 Schädeln nur einen mesokonchen, dagegen
3 hypsi-, ja ultrahypsikonche und andererseits 2 ausgemacht chamaekonche. Von
letzteren gehört einer zu den hypsidolichocephalen, einer zu den hypsimesocephalen.
Der chamaedolichocephale Schädel Nr. 1 hat einen hyperhypsikonchen Orbital-
index. — Der Gaumen lässt sich nur einigemal bestimmen: er ist durchweg
leptostaphylin. Seine Platte liegt tief. Die Zahncurvc steht weit vor.
Da leider sänmitliche Unterkiefer fehlen, so lässt sich der Gesichtsindex nicht
berechnen. Berechnet man den „Jochbreiten - Obergesichtshöhen - Index** nach
Roll mann und setzt man die Zahl 50 als Grenze zwischen Chamae- und Lepto-
(608)
prosopie, so wären 4 Schädel (Nr. 1, 2, 4 und 6) lepto-, 2 (Nr. 3 und 4) chamae-
prosop.
Besondere Anomalien des Schädeldaches (Proc. frontalis, Epiptericum u. s. w.)
sind nicht vorhanden. Mehrmals, wie schon bei Nr. 1 erwähnt, fällt die grosse
Längen-Entwickelung der Plana temporalia auf, die bis an oder gar bis über die
Seiten der Lambdanaht reichen; damit scheint einigen Znsammenhang zu haben
die Verschmälerung und Erhöhung der Hinterhauptsschuppe, z. B. bei
Nr. 3, 4 und 5. Die stärkste Verschmälerung erstreckt sich von der stark ver-
tieften hinteren Seitenfontanelle aus oberhalb der Protuberanz quer über die Schuppe
nach der anderen Seite. Gleichzeitig ist in der Kegel die Facies muscularis der
Hinterhauptsschuppe tief eingedrückt und die Linea semicircularis inferior bildet
einen scharfen Absatz (Fig. 1 und 3). Das Foramen magnum occip. ist verhält-
nissmässig klein. Bei Nr. 4, wo das Loch länger und grösser ist, finden sich vor
demselben an der Apophysis basilaris zwei ungleich grosse, starke Processus
papilläres, von denen der linke mit der Gelenkfläche des benachbarten Proc.
condyloides verschmolzen ist. Ausserdem liegt jederscits an der inneren Seite des
Gelenkfortsatzes eine kleine, abgesonderte, senkrecht gestellte Gelenkfläche; durch
sie wird der vordere Abschnitt des Foramen magnum stark verengt Die Apo-
physis ist vor diesen Fortsätzen bei Nr. 4 durch eine tiefe Einfurchung, welche
quer über die Apophysis verläuft, abgetheilt. —
In nachstehenden Tabellen sind die zahlenraässigen Ergebnisse zusammen-
gestellt:
L Absolate Messzahlen.
Jaunde
1.
2.
3.
4.
ö.
Capacität ccm
Horizontale Länge mm
Breite ,
Gerade Höhe „
Ohrhöhe ^
Horizontalumfang „
Sagittalumfang „
Stimbreite ^
Gesicht, Höhe B „
, , Breite a „
Orbita, Höhe
., , Breite „
Nase, Höhe „
» , Breite „
Gaumen, Länge ^
n , Breite „
Längenbreitenindex
Längenhöhenindex .
1
-
1
1
— — -.
-
1822
1468
1455
1590
1275?
1262?
195
186
1
186
184
182
178
140t '
142 1>
141p.
145 '
129
l:Wr
184
135
151
144
141
140
118
112
123
120
117
115
520 .
518
515
524
498
497
%7
379
375
375
368
—
104
101 1
% j
99 '
%
S3
79
69
65
65
72
6B
142
1.^*^
137
132
129
vx\
100
95
94
90
95
98
86
l\b
31
35
32
M
42
41
42
.39
40
40
67
50
50
45
50
5(1
28
29
26
27
26
24
58
58?
53?
1
64
89
?
35
32
37
:«
uiete
Indices.
71,8
76,3
75,4
78,8
70,9
76,4
68,7
72,6
81,2
78,3
77,0
78,7
(609)
Jaunde
Ohrhöhenindex .
Obergesichtsindex
Orbitalindex . .
Nasenindex . . .
Gaumenindex . .
1.
S
57,6
55,6
85,7
49,1
78,5
2.
c5
3.
s
60,2
66,1
51,8
47,4
85,3
78,8
58,0
52,0
—
66,0?
4.
s?
66,2
49,2
89,7
60,0
5.
s
63,9
56,1
80,0
52,0
6.
64,6
55,2
85,0
48,0
70,3
in. Die sa^ttalen Umfangsmaasse und deren procentnale Yertheilnng.
Stirnbein
Parietalia.
Hinterhaupt ,
Ganzer Sagittalumfang .
84,8
126
' 37,7 1
143
34,6
130
34,6
130
34,5
127
120
31,8
115
34,8
132 !
33,0
124
84,4
129
35,3
130
116
33,7
124
27,4
104
32,2
121
30,9
116
30,1
111
^^^,
867
379
375
375
368
—
(24) Hr. Ed. Seier übergiebt folgende
Nachrichten über den Aassatz in alten mexikanischen Quellen.
Dass der Aussatz, die Lepra, die Krankheit des heiligen Lazarus, um die Mitte
des 16. Jahrhunderts in Mexico bekannt ivar, unterliegt keinem Zweifel. Die Mexikaner
nannten sie teococoiiztli, „die göttliche, d. h. die ächte, die wahre, die unheil-
bare Rrankheif^, den Aussätzigen selbst entsprechend teococoxqui, und in den
weiter Torgeschrittenen Stadien, wo die Wucherungen zu Geschwürbildungen und
Eiterungen führen, teococoxcapapalanqui („leproso de lepra pestUencial y
espantable^. Molina, Vocabulario).
Der P. Sahagun, dessen Aufzeichnungen aus dem 7. Jahrzehnt des 16. Jahr-
hunderts stammen^), und der seine Nachrichten unmittelbar aus dem Munde der
Eingebornen erhielt und sie in der Sprache der Eingebomen niederschrieb, beschreibt
(Buch 10, cap. 28 § 5) den Aussatz folgendermaassen :
„Denen, welche an der Krankheit des Aussatzes leiden, pflegt es zu ge-
schehen, dass ihnen die Augenbrauen ausfallen, und dass sie grossen Hunger
haben. Um diese Krankheit zu heilen, wird es noth wendig sein, zwei oder
drei Mal ein Bad zu nehmen und nach Verlassen desselben sich mit den oben
genannten zerriebenen Kräutern und Wurzeln einzuschmieren^ —
gemeint sind die vorher bei Besprechung der gegen Hautflechten anzuwendenden
Heilmittel genannten Kräuter acocotli, atlepatli und die Wurzel tlalamatl —
„und ausserdem das Wasser einer gewissen Wurzel zu trinken, die man
tecpatli nennt.^
„Und wenn diese Heilmittel nicht helfen, so soll man die Kranken Yon
dem Umgang mit andern Leuten fern halten, damit diese sich nicht
anstecken."
1) Schon um das Jahr 1562 muss der Pater mit seinen Aufzeichnungen begonnen
haben. Im Jahre 1569 war das Werk in der Reinschrift vollendet.
VerhandL der B«rl. Antbropol. Gesellschaft 1897. 39
(610)
Wenn demnach an der Existenz der Krankheit in dieser Zeit absolut nicht
gezweifelt werden darf, so könnten einige andere Nachrichten vielleicht auch dafür
sprechen, dass die Krankheit schon in heidnischer Zeit den Mexikanern bekannt
gewesen sei.
Nach der Vorstellung der alten Mexikaner kamen die Seelen der Verstorbenen
nicht alle an einen Ort, sondern je nach der Art des Todes waren drei verschiedene
Oerter für sie vorgesehen. Die auf dem Schlachtfeld erschlagenen oder als Ge-
fangene auf dem Opferstein geschlachteten Krieger und die im Kindbett verstor-
benen Frauen kamen in den Himmel, in das Haus der Sonne, und hatten mit
Freudentänzen, die ersteren die Sonne vom Aufgang bis zum 2ienith zu begleiten,
die letzteren sie am Zenith in Empfang zu nehmen und zum Sonnenuntergang hinab-
zuführen. Die Masse der in ihrem Bett, an verschiedenen Krankheiten, Gestorbenen
ging zur ewigen Kühe ein in das Todtenreich Mictlan, das Reich der Finsternis«
und des Dunkels, das man sich tief in der Erde und im Norden gelegen dachte,
und aus dem es kein Entrinnen und keine Wiederkehr mehr gab. Diejenigen aber,
die durch Tlaloc, den Gott der Berge, der Gewitterstürme und des Regens, zu
Tode gekommen waren, die gingen in sein Reich ein, das hoch auf dem Berge
gelegen gedacht war, ein Reich der ewigen Feuchte, wo Alles wuchs und sprosste,
und an Feldfrüchten jeder Art ein Ueberfluss herrschte, eine Art irdischen Para-
dieses. Sie wurden auch nicht verbrannt, wie die andern Verstorbenen, sondern
in der Erde vergraben. Als solche, die durch Tlaloc umgekommen waren, galten
aber nicht nur die vom Blitz Erschlagenen und die Ertrunkenen, sondern auch die
an gichtischen, rheumatischen oder fieberhaften Krankheiten, und die an ansteckenden
Hautkrankheiten gestorben waren. Es werden im Einzelnen genannt (Sabagun,
Buch 3, Appendix, cap. 2):
iehoantin in teococoxque
yoan in nanavati yoan in xochicivi
yoan in xixiioti yoan in papalani
yoan in coacivi yoan in popo^avaliztli quinvica
in tepanoacivi ic miqui
„Die Aussätzigen
und die Syphilitischen, die Lustkranken,
die an der Hautkrankheit jiote leiden, und die an offenen Geschwtiren
leiden,
die Gichtkranken und, die die Anschwellung (Wassersucht) dahinrafft
und die an ansteckenden Krankheiten starben^ —
vom P. Sahagun ganz richtig folgendermaassen ¥riBdergegeben: — „los leproses,
bubosos, sarnosos, golosos e hidröpicos, . . que se raorian de enfermedades con-
tagiosas e incurables.
Dem Regengott, von dessen günstiger oder ungünstiger Gresinnung so Vieles
für die armen, die Scholle bebauenden und von den Früchten des Feldes sich
ernährenden Eingebomen abhing, wurde im Laufe des Jahres eine ganze Reihe von
Festen gefeiert und Opfer gebracht, die alle den Zweck hatten, günstige Regen-
verhältnisse für das Gedeihen der Feldfrüchte zu erzielen. Ausserdem aber wurde
in jedem achten Jahre im Herbst, an einem jedes Mal besonders bestimmten Tage,
ein Fest gefeiert, das atamalqualiztli, „das Essen von Wasserkrapfen ^ auch
ixnextiuay a, „wo man sich Mittel verschafft^, atecocoltiuaya, ,wo das Muschel-
hom geblasen wird", teoitotiloya, ^wo die Götter tanzen*^, genannt wurde, UDd
dessen Mittelpunkt ebenfalls Tlaloc, der Regengott, war. Es wurde dabei streng
(611)
gefastet, nur Wasserkrapfen gegessen, die aas der mit Wasser angerührten Mais-
masse, ohne Zasatz von Salz und Gapsicnm-PfelTer, und ohne dass der Mais vorher
durch Rochen mit Aetzkalk erweicht worden wäre, hergestellt wurden. Und man sagte,
dass man durch dieses Fest die'Lebensroittel, d. h. die Feldfrüchte, die in den acht
Jahren durch das Behandeln mit Salz, mit dem scharfen Pfeffer, mit Sodasalzerde und
durch das Kochen mit Aetzkalk gequält worden seien, ausruhen lassen und sie
neu beleben wolle. Den Mittelpunkt eines solchen Festes bildete mit Recht
Tlaloc. Es traten an ihm aber nicht nur er allein, sondern sämmtliche Götter,
d. h. Personen in die Tracht der Götter gekleidet, auf, die einen Tanz aufführten.
Ausserdem traten verschiedene Gharaktermasken auf, die mehr oder minder in
Beziehung zu Tlaloc stehen. Und die merkwürdigste Rolle bei diesem Feste spielten
gewisse Acteurs, Artisten — so zu sagen — , die, wie es scheint, einem besonderen
Volke angehörten oder aus einem besonderen Dorfe stammten, — denn sie werden
mit dem besondern Namen Mac^ateca „die aus dem Hirschland^ genannt, — und
die aus einem Wasseigefäss lebende Schlangen und andere Reptilien mit den Zähnen
ergriffen, damit herumtanzten und sie dann lebend herunterwürgten. Dieses mexi-
kanische Fest bildet daher eine merkwürdige Parallele zu dem berühmten Schlangen-
tanz der Hopi oder Moqui-Indianer von Arizona. Unter den Gharaktermasken nun,
die an dem atamalqualitzli auftraten, werden zunächst allerhand Thiere genannt:
Kolibri, Schmetterlinge, Bienen, Mücken, Vögel, Käfer, die essbaren Fliegenlarven
des mexikanischen Salzsees, Eulen, Käuzchen. Ferner Esswaaren, Fruchtkrapfen
in Schnüren, Truthahnfleischkrapfen u. a. Endlich aber auch Bettler, grob und
ärmlich gekleidete Leute und Aussätzige:
No ioan valnecia in teucucuxqui inipan moquixtiaya
„und ferner traten auf Leute, welche die Gestalt von Aussätzigen nach-
ahmten^)".
Die Erwähnung der Aussätzigen an diesem altheidnischen Fest, in dem Bericht
über die ältheidnischen Bestattungsgebräuche und mit Beziehung auf den alten Gott
des Regens, legt es in der That nahe, anzunehmen, dass den Mexikanern der Aus-
satz schon in alter heidnischer Zeit bekannt gewesen sei; denn die Gewährsleute des
Pater Sahagun waren ja alte vornehme Indianer, Gemeindeälteste von Tepepolco,
Tlateloleo und verschiedener Barrios der Hauptstadt, die die altheidnischen Zeiten
alle noch reichlich miterlebt hatten und in der altheidnischen überlieferten Wissen-
schaft wohl erfahren waren (diez, 6 doce principales ancianos, — hasta ocho 6
diez principales, escogidos entre todos muy hdbiles en su lengua, y en las cosas
de sus antiguallas'). Es ist kaum denkbar, dass diese, wenn ihnen die schreck-
liche Krankheit des Aussatzes als neue Krankheit bekannt geworden wäre, in der
oben angegebenen Weise hätten berichten können. Eine andere Möglichkeit aber
darf man nicht aus dem Auge lassen, dasa mit teococolitzli in alter Zeit viel-
leicht eine andere Hantkrankheit, etwa der jiote, bezeichnet worden sei, und dass man
nachher diesen Namen auf den Aussatz übertragen und so fälschlicher Weise auch
mit Rücksicht auf die alten Zeiten von Aussätzigen gesprochen habe. —
1) S ab agun, Buch 2, Appendix, Abschnitt 2. — Der ganze Abschnitt, Urtext und deutsche
von mir angefertigte Uebersetzung, und das grosse Bild, das in der Handschrift der Biblioteca
del Palacio in Madrid dem Texte beigegeben ist, ist von meinem Freunde Dr. Fewkes
im American Anthropologist, VoL VI, Nr. 3, July 1893, veröffentlicht worden.
2) Sahagun, Prologo. Edit. Bustamante, pag. II.
39*
(612)
(25) Fortsetzung der Discussion über
präcolambischen Aussatz und yerstttmmelte pemanische Thonfignu^n.
Hr. Polakowsky: Ich fahre in meinen Aasfiihrongen da fort, wo ich in der
vorigen Sitzung abbrechen musste, und bringe zunächst einen Auszug aus dem
Briefe des Hm. Dr. Marcos Jimenez de la Espada (aus Madrid) zur Verlesung.
Genannter Gelehrter schreibt mir unter dem 14. October 1897:
1. „Ich glaube nicht, dass die Lepra und ihre Varietät, die Elephantiasis,
praecolumbisch oder praehispanisch in Peru gewesen sind. Ich kenne kein Docu-
ment, welches diese Annahme beweist oder nur wahrscheinlich macht. Die Ge-
schwülste der Arme, Hände, Füsse und Beine mit Atrophien der Finger stellen
an einigen Vasen oder besser Votivbildern nach meiner Ansicht Personen mit
Symptomen anderer Krankheiten dar."
2. „Die schreckliche und abschreckende Abwesenheit der Nase und Ober-
lippen, welche die alten peruanischen Gefässe mit bewunderungswürdiger Genauig-
keit und fast mit Kunst copiren (besonders die kostbare Sammlung im Museum
des Trocadero), sind eine Folge, nach meiner Ansicht weder der Lepra, noch der
Syphilis (wenn auch dieses Virus acht amerikanisch wäre), sondern einer speciellen
Krankheit, an der man in alter Zeit litt und an der man noch heute in den heissen,
feuchten und tiefen Thälern Perus leidet, besonders in denen, wo die Coca ge-
wonnen wird. Der Name dieses Leidens lautet unter den Hispano- Peruanern
Uaga und unter den Quichuas oder Kechuas uta oder hutta, Ton welcher Wurzel
das Verbum huttuni, „das Zernagen des Mais in s.einem Halme durch die Made,^
kommt. Und in der That, die Krankheit zernagt, zerfrisst die Gewebe der Ober-
lippe und Nase und die des Schlundes und Gaumens. Deshalb ist die hutta ein
wahrer Lupus oder Tuberculosis".
„Das Document, welches zum Beweise dafür angezogen werden kann, dass
der grösste Theil der Verstümmelungen oder Krankheitstulle, welche die peru-
anischen Thongetässe ohne Nase und Lippen mit hasenartigem Anblicke ge-
währen, auf Lupus zurückzuführen sei, ist folgende Stelle, die ich copire aus „Viaje
ä Antamarca y Pangöa" des Mr. Barraillier (Bolet. de la Socied. geogr. de Lima,
TomoII*) nüm. 4, 5 y 6). Die Reise ist im Jahre 1891 ausgeführt."
Der genannte Reisende beschreibt die für Pangoa charakteristische und eigen-
thüra liehe Krankheit, die Uaga oder uta. Er sagt, die meisten Personen glauben,
dass sie vom Stiche einer giftigen Fliege herrühre. Die ün reinlich keit und die
Unmässigkcit der Arbeiter in jenen Ortschaften des sehr feuchten Gebietes unter-
stützen wesentlich die Wirkung des Giftes jener Insecten,
Die Llaga kündigt sich durch eine starke Hitze in dem befallenen Theile
an, welcher gewöhnlich die Nase ist. Darauf entzündet sich dieser Theil, wird
roth, dann braun und zuletzt schwarz. Die Stelle erscheint dann wie ron einem
aschgrauen Pulver bestreut, und nun beginnt der heisse Brand (gangraena) des
Fleisches, welches nach und nach abPällt; zuletzt verschwindet der befalleiHf
Theil vollständig und lässt ein schreckliches Loch zurück, welches täglich grösser
wird. Von der Nase springt die Krankheit regelmässig auf den Kehlkopf über
und tödtet den Kranken langsam unter furchtbaren Schmerzen.
1) Dieser Band fehlt in der BibL reg. berol. und in der Bibliothek der GesellschsiY
für Erdkunde in Berlin; war überhaupt in Berlin nicht aufzutreiben.
(613)
In einigen Fällen beobachtete der genannte Reisende die Llaga auch ati der
Hand and am Fasse, wo eine Wade vollständig yerschwunden war. ,,Diese Krank-
heit bat den grossen Vortheil, nicht ansteckend zn sein.'^ ^Kcine nach den Yor-
scbriften der Reinlichkeit lebende Person in Pangoa litt an dieser Krankheit.^
Hr. Jimenez de la Espada schreibt weiter:
„Mit Aasnahme der Bemerk ang über die Fliege glaube ich an die Richtigkeit
der Angaben des Hm B., und wenn es wahr ist, dass die Llaga der Nase and
Lippen dieselbe ist, wie die der Hände und Beine, so würde sich die Krankheit
aaf den fraglichen peruanischen Oefässen genugsam erklären, sowie auf denen,
welche Olieder darstellen, die zum Theil angefressen oder krankhaft geschwollen
sind. Aber in diesem Falle, und wenn dieses S3^ptom zusammen vorkäme mit
denen der Nase und des Mundes, wäre es nothwendig, eine Verschieden-
heit oder endemische Varietät der Tuberculosis, welche ei^enthümlich
für Peru wäre, anzunehmen. Denn soweit meine Kenntnisse in diesem Falle
reichen, glaube ich nicht, dass Lupus oder Tuberculosis auf die ßeine and
Hände 1) übergeht**
„Auch glaube ich nicht, dass die uta oder llaga ausschliesslich auf die
Gtebiige von Pangoa beschränkt sei oder war, sondern dass sie sich ausdehnte
auf die Localitäten von derselben Beschaffenheit. Sonst würden nicht so viele
Oefasse mit Darstellungen dieser Krankheit existiren, welche unzweifelhaft (? H. P.)
praehispanischen Ursprunges sind.^
3. ,,Ich bedaure, nicht mit den Ansichten des Dr. Carrasquilla und
meines gütigen und verehrten Freundes, des Hrn. Bastian, übereinzustimmen.
Ich kenne eingehende und officielle Berichte über die Strafgesetze und die von
den Jncas den Verbrechern auferlegten Strafen, welche der Padre Bemarbe Cobo
in seiner Historia del Nuevo Mundo im zwölften Buch, Gap. 26, zusammen fasst,
und in keinem von ihnen handelt es sich um Verstümmelungen, die als Strafe zu-
dictirt wurden. Ob einer der genannten Souveraine bei besonderen Umständen
diese Strafe auferlegte, weiss ich nicht; aber dies schafft keine allgemeine Regel.
Die Idee des Dr. Carrasquilla aus Bogota, die Verstümmelten auf diese Weise zum
Bettlerthum zu verurtheilen, sieht in vollständigem Widerspruche mit der socialen
Ordnung und den Grundgesetzen des Inca- Reiches, wo es nicht möglich war,
dass Bettler oder Arme existirten, welche die Mildthätigkeit (die dort nicht exi-
stirte) durch ihr schmerzvolles und elendes Aussehen anrufen mussten, wie es bei
uns vorkommt. Das Einzige, was über Verstümmelungen der Lippen und Nase
erzählt wird, ist das, was die kleinen Könige oder Curacas der Isla de la Puna
mit ihren Eunuchen ausführten, nachdem sie castrirt waren, damit zu der materiellen
Unmöglichkeit, den Goncubinen illegaler Weise gefällig zu sein, noch hinzukomme,
die weibliche Begierde nicht zu reizen. Ausserdem entsprechen die unregel-
mässigen und zerfressenen Ränder, welche an den peruanischen Oefässen die
Stellen zeigen, welche die Nase und der mittlere Theil der Oberlippe einnahmen^),
nicht den Rändern, welche sich ergeben hätten bei Verstümmelung durch ein
Messer oder ein ähnliches Instrument.^
In einer Nachschrift bemerkt noch Hr. Jimenez de la Espada, dass er noch
einen Bericht des Vicckönigs Dr. Martin Henri quez aus dem Jahre 1582 ge-
funden habe, worin über die Regierung, die Sitten und Gebräuche der Incas ge-
1) An den ausgestellten Gefässen des Museums f&r Völkerkunde in Berlin sind die
Hindo durchweg intact, normaL
2) Nicht bei aUen!
(614)
handelt und in allgemeinen Ausdrücken gesagt wird, dass die Amputation Ton
Gliedern als Bestrafung der Verbrecher üblich war. Er fährt fort: ^Aber nach
meiner Ansicht waren derartige Amputationen keine einfachen Körperstrafen, welche
dem Deliquenten das Leben Hessen, sondern eine Todesart, wie der Galgen und
andere. Der Text, auf den ich mich beziehe, sagt wörtlich: „Die Todesstrafen
wurden öffentlich ausgeführt und waren sehr grausam; einige wurden von Felsen
herabgestürzt, anderen schnitten sie die Glieder ab oder vollzogen ähnliche
grausame Strafen.'^ Zur Bestätigung seiner obigen Angaben über die uta des
Hm. Barraillier führt Hr. Jimenez noch folgende Stelle aus einer Relacion des
berühmten Santillan') an, welche lautet: ^Und da diese Provinzen der Anden,
Wo die Goca wächst, im Gebiete der Städte Gusco und la Paz und Gharchas, wo
die Witterang sehr kalt ist, liegen und sie die Leute von hier hernehmen und
nach den Andes bringen, um die Goca einzuernten, wo deshalb viele an dem
Witterangsunterschiede gestorben sind und andere an einer Krankheit, die sie
befiel, welche „Krankheit der Andes^ (Mal de los Andes) genannt wird und welche
eine Art von Krebs ist, so dass bereits nach 2 Tagen keine Hülfe mehr ist, und
andere durch Hunger und Arbeit^
Indem ich den Hrn. Stübel, Middendorf und Jimenez de la Espada auch
an dieser Stelle besten Dank für ihre Briefe sage, spreche ich die Hoffnung, ja
die Ueberzeugung aus, dass besonders der Bericht des Hrn. Jimenez de laEspada
nicht unwesentlich zu der Lösung der von den Hm. As hm e ad und Yirchow
angeregten Frage beitragen wird. Hr. Ashmead hat die Frage 1895 angeregt,
und Hr. Virchow hat sie in dieser Gesellschaft zur Sprache gebracht Hr.
Ashmead hat dann zur Intemationalen Lepra-Gonferenz einen kleinen Aufsatz
eingesandt'), dem die Abbildungen von 10 Giefässen beigegeben sind, welche den
hier ausgestellten meist sehr ähnlich sind. Ganz gleich ist aber nur ein Gefass,
welches Hr. Wilhelm v. d. Steinen mit einem Kreuze markirt hat
Hr. Ashmead schreibt: „Die altperuanischen Thongefässe mit deformirten Ge-
siebtem, wie Fingern oder Zehen, zeigen die allergeringste Aehnlichkeit mit Lepra. ^
Die Füsse bezeichnet er als amputirt, auch bei den Figuren mit unförmig dicken
Beinen, was ich nicht für richtig halte. „Die Nase ist in ihrem knorpeligen Theüe
abgefressen, dieses Abfressen zeigt aber keinerlei Aehnlichkeit mit der Deformation
durch Lepra. Die Oberlippe ist fortgefressen, nicht durch Veraarbung geschwunden.
Auch das kommt nicht bei Lepra vor.^ Hr. A. erklärt weiter: „Es kann Lupus
sein, es kann auch Syphilis sein, aber niemals Lepra.** — Nach dieser langen
Einleitung wende ich mich zur näheren Betrachtang der hier nochmals ausgestellten
Gefässe.
Zur besseren Uebersicht habe ich sie in Grappen geordnet Die Eintheilang
geschah nach der Beschaffenheit der Nase. Die erste, grosse Gruppe umfasst
die Gefässe, wo die Verstümmelungen der Nase unzweifelhaft pathologischer
Natur sind; die zweite Grappe die, wo man zweifelhaft sein kann, ob es sich um
Darstellung einer Krankheit oder um die operativen Eingriffe handelt Diese
Grappe ist hier nur durch ein Gefäss vertreten, obgleich im Museum mehrere dieser
Art vorhanden sind, auch in der vorigen Sitzung 2 oder 3 Stück ausgestellt waren.
Die dritte Grappe, die gleichfalls nur durch ein Specimen, ein Unicum, vertreten
1) M. Jimenez de la Espada: Tres relaciones de antignedades peruanas. Uadrid
1872, p. 117.
2) Mittheilungen und Verhandlungen der Intemationalen wissenschafUichen L«pr»>
Conferenz. Berlin, October 1897. L 4. Abth. 8.71 ff. — Berlin, A, Hirsch wald, 1897.
(615)
ist, zeigt eine durch gewaltsamen Eingriff deformirte Nase. Das Septum ist ge-
spalten und so eine Doppelnase gebildet Man findet eine Abbildung dieses Oe-
fässes, welches einea Iscaicinga-Indianer darstellt, in einer Broschüre^), die mir
Hr. Jimenez de la Espada kürzlich zuschickte. Diese ganze Figur eines Iscaicinga
findet sich im Museum des Trocadero. Iscaicinga bedeutet aus der Quetschua-
Sprache in das Spanische und Deutsche übersetzt: Indios de dos narices, Indianer
mit zwei Nasen. Dieser halb sagenhafte Stamm soll am Amazonas in der Nähe
der Mündung der Huallaga gewohnt haben und sich durch Körpergrösse, Tapfer-
keit und Gk>ldreichtbum ausgezeichnet haben. Ein altperuanischcr Schriftsteller
berichtet, dass die Incas vor Ankunft der Spanier mit diesen Indianern im Kriege
lagen. Auf den Inhalt der Broschüre, die ich vorlege, kann ich nicht weiter ein-
gehen, und wende mich nun zur ersten grossen Gruppe, die wieder in vier Unter-
gruppen zerfällt
Die erste besteht aus zwei gleichen, sehr sorgfältig gearbeiteten kleinen Figuren
einer ganzen Gestalt Hr. Virchow lenkte bereits die Aufmerksamkeit der Lepra-
Gonferenz auf diese Figuren und sagte'): ^Das bemerkenswertheste Stück ist hier
eine kleine, knieende Figur, die anscheinend einen Bettler, einen Aussätzigen dar-
stellt — wenigstens können wir wohl vorläufig sagen: einen Aussätzigen — , der
die Mildthätigkeit der Vorübergehenden anspricht Er hat eine Art Trommel, mit
der er klappert, und hat ein sehr bittendes und demüthiges Gesicht angenommen. '^
Ich habe diese Figur genau in der gleichen Weise aufgefasst und ich bin über-
zeugt, wer sich in ihre Betrachtung versenkt, wird unserer Ansicht zustimmen : es
handelt sich um einen Bettler. Nun erfahren wir aber durch Hm. Jimenez de la
Espada, dass es im alten Peru keine Bettler gab, geben konnte, was alle
Historiker und alle namhaften Amerikanisten, die über Peru geschrieben haben,
bestätigen. — Um aus diesem Dilemma herauszukommen, giebt es zwei Wege.
Der erste ist der von Hrn. Garrasquilla gewiesene. Danach handelt es sich
um bestrafte, verstümmelte Verbrecher, für welche die Familie oder Gemeinde
nicht zu soigen brauchte, ja vielleicht nicht sorgen durfte, und die zur andauernden
Strafe auf die Bettelei angewiesen waren. Dieser Weg ist aber durch die An-
gaben des Hm. Jimenez de la Espada verschlossen, und wir, die wir hier in den
letzten Monaten eifrig in den alten Historikern gesucht haben, konnten gleich-
falls keine Stelle finden, die von derartigen barbarischem Strafen berichtet Die
Idee, dass es sich hier um bestrafte Verbrecher handle, ist also definitiv aufzu-
geben, wenigstens bis Hr. Garrasquilladie Beweise für seine Erklärang geliefert
hat. — Es bleibt also nur noch ein Ausweg, und dieser scheint mir der unbedingt
richtige zu sein. Meine Herren! Dieses Gefäss ist gar nicht praecolumbischen Ur-
sprangs, sondern, als die Macht der Incas gebrochen war, zerfiel das ganze altpemanische
Reich, dessen vorzügliche sociale und wirthschaftliche Organisation noch bis heute
die Bewunderung vieler National-Oekonomen erregt hat, sehr schnell, und da gab
es denn auch bald Bettler. Und diese kamen, da die Peraaner eine Vorliebe für
die Nachbildung hässlicher, abschreckender Gestalten hatten, sehr bald zur künst-
lerischen Darstellung. Diese Annahme wird durch folgende Thatsache bestätigt.
Als ich beschlossen hatte, mich näher mit diesen Gefässen zu beschäftigen, ging
ich wenige Tage nach der Lepra-Conferenz nach dem hiesigen Museum für Völker-
1) La Jornada del Capitan Alonso Mercadillo ä los Indios Chopachos e Iscaicingas
por M. Jimenez de la Espada. Madrid, Impr. Fortanet. Jahreszahl fehlt.
2) MittheiloDgen und Yerhandlungen der Internationalen wissenschaftlichen Lepra-
Confereni zu Berlin, October 1897. 11. 8. 80.
(616)
künde und richtete an Hrn. Dr. Seier die Vorfrage: Sind diese sämmtlichen in
Frage kommenden Gtefösse, oder wenigstens ihre grosse Mehrzahl, sicher prae-
colamhischen Ursprunges? Hr. Seier verneinte diese Frage karz und bestimmt.
Damit ist nach meiner Ansicht jede Möglichkeit, ans der Beschaffenheit dieser
Gelasse Schlösse auf die Existenz einer praecolumbischen Lepra zu ziehen, aus-
geschlossen. — Noch mache ich darauf aufmerksam, dass der hier dargestellte
Mann erblindet ist und durchaus nicht wie ein Lepröser aussieht Obgleich
Nasenspitze und Oberlippe fehlen, zeigt der Kopf keine Anzeichen von Leontiasis
oder Tuberkeln, und obgleich die Füsse abgefallen oder amputirt sind, sind die
Finger yöllig normal, haben ihre Bewegungsfreiheit behalten. Der Mann hält das
Tamburin mit einer Hand und mit der anderen entlockt er ihm Töne.
Die zweite Untergruppe ist durch 3 Exemplare repräsentirt. Wir sind wohl
alle darüber einig, dass diese Gefasse keine Phantasie - Gebilde oder Gari-
caturen darstellen, sondern lebende Vorbilder veranschaulichen sollen. Der Künstler
hat aber sein ganzes Können und Wissen auf die Darstellung des Hauptes con-
centrirt und den Kumpf und die unteren Extremitäten vernachlässigt, nur schemu-
tisch dargestellt. Dies gilt für die grosse Mehrzahl der altperuanischen Gefässt'
und besonders für die Glieder dieser Unteigruppe. Die Oberschenkel sind unförmlich
dick, die Unterschenkel fehlen oder sind nur schwach angedeutet, die Füsse fehlen.
Hier ist es schwer zu sagen, ob mangelhafte Ausführung vorliegt, oder ob Krank-
heiten der unteren Extremitäten daigestellt werden sollten. Jedenfalls halte ich e^
für sehr gewagt, ja unmöglich, nach dieser iTaTstaUjing der Beine eine Diagnose
zu bilden.
Die dritte Untergruppe bilden 3 Getässe aus der Sammlung Macedo (Nr. 30i
304 und 306), die im Kataloge^) als an Syphilis leidende Personen bezeichnet
sind. Ob dies richtig ist, oder ob es sich um die Darstellung\von der llaga
befallener Personen handelt, was wohl wahrscheinlicher ist, mögeW die Herren
Aerzte entscheiden, denen ich das nähere Studium der uta oder\llaga em-
pfehle. Jedenfalls sprechen die Verstümmelungen der Nase bei dies€^r Unter-
gruppe und überhaupt bei der ganzen ersten Gruppe entschiedet gogi'n
Lepra. Wird die Nase von der Lepra befallen, so wird sie breiter, schwillt an,
bedeckt sich mit Knoten (Tuberkeln), am Septum bilden sich Geschwüre« da::
Septum wird bald angegriffen und perforirt. Selten und viel später geht die f-^pr»
auf die Oberlippe über. Sie finden 3 Aufsätze über die Lepra der Nase in dem
L Bande der Mittheilungen der Lepra -Conferenz. Darunter befindet sich aKh
eine grosse Arbeit des Hrn. Dr. Glück, Chef- Arztes des Lepra - Hospi»^*
in Serajevo. Dieser Herr sagte mir nach der October- Sitzung: Ich hätte gtf'
richtig geurtheilt, diese Gefasse stellten keine Leprösen dar. Er forderte mich J^*
bei nächster Gelegenheit zu sagen (mit Berufung auf ihn), das die Nasen Leprt>^l'
anders aussähen. Der Nasenrücken senke sich, die Nasenöffnungen würden vei
schlössen, die Nasenflügel schwöllen gewaltig an, ähnelten einem Operngucker. K>
sind dies ipsissima verba des Hrn. Dr. Glück. Uebrigens gebraucht einer der
ersten Lepraärzte, der leider früh verstorbene H. Leloir, die gleiche Bezeichnung.
Vom Rande dieses Opernguckers beginnt dann die Zerstörung der fleischigen und
knorpeligen Theile der Nase. — Keines dieser Symptome findet sich bei den vor-
liegenden Figuren. — Sei es nun Syphilis oder uta, der Irrthum bliebe in der
Familie. Hat doch unser Vorsitzender bereits vor etwa 35 Jahren und — wenn
ich nicht irre — zuerst eingehend auf die nahe Verwandtschnft zwischen Lepm.
1) Catalogne d'objets archeologiques du P^rou. Paris, Impr. hisp.-americ. 1881.
(617)
Sypbilia und Taberculosis, zu der auch Lnpas und LIaga gehören, hingewiesen, und
erklärte doch auf der Lepni-Conferenz Hr. Dr. Ehlers (Copenhagen), dass diese
3 Krankheiten so verwandt seien, wie es in der Chemie die Elemente Chlor, Brom
nnd Jod sind.
Heine Herren! Die mir bewilligte Zeit ist abgelanfen, ich roass schliessen.
Ich bin der Anfforderung unseres verehrten Herrn Vorsitzenden, sich mit der
Erklärung dieser alt- peruanischen GePässe zu beschälligen, nachgekommen, so weit
dies in meinen Rr&fleo stand, und habe vorgetragen, was ich ermitteln konnte
und das Wichtigste von dem, was ich selbst tlber verschiedene dieser GePässe
denke. —
Hr. Wilhelm von den Steinen: Im künigl. Museum für Völkerkunde be-
finden sich zur Zeit 17 Thongerässe (HenkelOaschen), welche Darstellungen von
Verstümmelungen aurweisen. Die Gefasse stellen zum Theil Köpfe dar, zum Tbeil
ganze Figuren, eine von diesen in liegender, die übrigen in knieender Stellung oder
mit untergeschlagenen Beinen. Bei allen ist eine Verstümmelung der Nasenspitze,
zum grössten Theil zugleich der Oberlippe bemerkbar; bei den in ganzer Figur
dargestellten Fehlen bei vieren beide Fttsse. Bei den anderen bedeckt ein um die
Hüften geachlongenea Tuch die unteren Extremitäten, doch ist die Darstellung so,
dass man das Fehlen der Füsse vermuthen muss.
Von den KopF- Henkel Haschen ist die in Figur 1 abgebildete von Chimbote,
Fiff. 1". '/.
Fig. 1/.. V.
was genaue Wiedergabe anbelangt, wohl die am meisten vollendete. Nasenspitze
und Oberlippe sind zerstört, die Wangen verquollen nnd von Falten oder Narben
dorchzogen. In ähnlicher Weise aufgerasst, wenn auch mehr schematisch dar-
gestellt, weist die Sammlung noch weitere drei Exemplare auf.
(618)
Ein Fehlen der Nasenspitze zeigt auch Fig. 2; die Oberiippe ist erhalten, jedoch
in geschwollenem, Tortretendem Zustande wiedergegeben; an der Oberlippe and
anr beiden Qesichtsseiten befinden sich narbenartige Einschnitte. Ein anderes Gefksa
im Mnseam enthält die gleichen Merkmale-
Pig. 2a. V,
(819)
Eine ebenrallB sehr getreue nod künstlerische Wiedenjabe sehen wir nn dem
Kopr (Fig. 3) einer tböneraen UenkelOasche: die Verstammelnng der Nase mit
heraastretendem Septam, die in nti regelmässigen Linien zerrressene Oberlippe, das
HeiTortreten von itlnr Zühnen des Oberkiefers.
Fig. 4 Teranschaulicbt ans einen aaf der Seite liegenden Menschen mit den-
selben Merkmalen im Gesicht, zugleich aber fehlen den Beinen die Fttsse; der
Unterachenkel endigt in einem eingekerbten Stumpf.
Dieselben Erscheinungen weisen die fol-
genden (Fig. 5 and 6) Oefässe auf, beide in Fig. 6. V,
knicender Stellung. Bei Fig. 5 fallt noch der
geschwollene und vortretende Untertheil des
Gesichts auf. Bei Fig. 6, einem Trommel-
schläger, fehlen ausserdem die Augäpfel, so
daas wir hier wohl einen Blinden vor ans
haben.
Die übrigen Thonkrflge zeigen, wie er-
wähnt, ebenfalls Zerstömngen an Nase nnd
Oberlippe; die unteren Gliedmaassen sind
entweder antergeschtagcn oder dnrch ein Tuch
bedeckt.
Die in Fig. 1, 2 und 3 wiedergegebenen
Köpfe scheinen pathologische Zustände aus-
zudrücken; dasselbe niuss man auch wohl
von den anderen Durstellungen sagen. Der
Auffassung des Hrn. Prof. Oarrasqui.lla,
dass es sich um Verbrecher, welche durch
Abschneiden von Nase und Oberlippe und
durch Abhacken der Füssc bestraft waren,
handelt, kann ich mich nicht anschliessen,
um so weniger, als in den hinteriassenen Nachrichten über die Oesctzespflege
und Strafen bei den Inca (Cieza de Leon, Herrera, Garcilaso de laVega,
Cobo u. A-) nichts davon erwähnt wird.
Fig. C-2. '/, Fig. G/.. '/,
(620)
Was die VerstUmmeiung der Beine anlangt, möge es sich dabei um AmpatatioQ
oder um Krankheit handeln, keinenfalls haben wir hier eine skizzenhafte oder an-
vollendete Darstellung der Füsse. Bei allen peruanischen Gelassen, wo Füsse ab-
gebildet werden, sind diese als solche gut erkennbar. Die Genauigkeit in der Wieder-
gabe geht sogar so weit, dass bei einigen Nachbildungen von Personen mit unter-
geschlagenen Beinen die Form der Füsse auf der Unterseite des Gefösses in den
Thon eingeritzt ist. Dass die alten Peruaner gern Darstellungen von mit auf-
fälligen Krankheits-Erscheinungen behafteten Personen in ihren Gefässen wieder-
gaben, zeigt in der Berliner Sammlung auch die grosse Anzahl von Nachbildungen
von Blinden, Einäugigen, Schiefmäuligen u. a.
Was die Herkunft der Gefässe anbelangt, so sind die Fundorte unserer Stücke
leider nicht sicher bestimmt; der grösste Theil hat die Angabe Chimbote, ausserdem
noch Trujillo und Chancay. —
Hr. R. Yirchow: Es lässt sich nicht leugnen, dass die von Hm. Garras-
qnilla aufgestellte Behauptung, es handle sich nicht um die Folgen einer Krank-
heit, sondern um eine Art der Bestrafung, geeignet ist, Eindruck zu machen. Der
dargestellte Defect der Unterextremitäten gleicht in der That demjenigen nach einer
Amputation der Unterschenkel und nicht dem nach einer leprösen Mutilation. Auch
das Verhalten der Nase lässt sich recht gut mit der Vemarbung nach Abhauen
oder Abschneiden der Nasenspitze vergleichen. Schwierigkeit bereitet nur der
grosse, zuweilen mit Blosslegung der mittleren Oberkieferzähne verbundene
Defect der Oberlippe, der bei gewöhnlichen Verwundungen wohl kaum vorkommen,
jedenfalls dann nur unter ganz besonderer und absichtlicher Haltung des schnei-
denden Werkzeuges zu erzeugen sein dürfte. Immerhin liesse sich darauf zurück-
kommen, sobald die behauptete Art der Bestrafung historisch nachgewiesen würde.
Das Citat des Hrn. Carrasquilla hat sich bisher nicht auffinden lassen.
Alle Nachforschungen in den spanischen Geschichtsschreibern der Conquista sind
ergebnisslos geblieben. Dagegen lässt sich ein anderes negirendes Argument vor^
bringen. Gefangene mit einem Strick um den Hals sind gleichfalls in Thon nach-
gebildet worden und unser Museum besitzt deren, aber alle sind ohne Verstüm-
melung. Ein sehr sonderbares Stück habe ich in der Sitzung vom 18. Oct 1873
(Verhandl. S. 153, Taf. XV, Fig. 1) beschrieben. Es ist eine im Hamburger Museum
befindliche Holzfigur, die im Guano einer der Ghincha-Inseln aufgefunden ist Sie
trägt den dicken, um den Hals gelegten Strick mit weit herabhangendem Ende,
aber ihre Nase zeigt nicht nur keine Verstümmelung, sondern, wie ich es damals
ausdrückte, die Form einer „Adler- oder Getemase mit herabhangender Spitze**,
ganz so wie die Nasen an unversehrten peruanischen Thonfiguren dargestellt
werden. Ich konnte nachträglich (a. a. 0. Anm.) hinzufügen, dass zwei der besten
englischen Kenner, David Forbes und A. W. Franks, die im Guano gefundenen
Holzfiguren als Abbildungen von Gefangenen ansehen. Ihre weitere Vermuthung,
dass die Darstellung irgend eine Beziehung auf Syphilis habe, konnte ich schon
damals widerlegen.
Die Frage nach einer absichtlichen Verstümmelung wird dadurch weit hinaus-
gerückt. Anders verhält es sich mit der Frage nacli einer mutilirenden Krankheit
welche nicht Lepra war. In dieser Beziehung können die durch Hm. Polakowskj
beigebrachten Nachrichten des Hm. Jimenez de la Espada von grossem Wcrthe
sein. Leider ist mir über die von ihm gemeldete Krankheit der Gebii^gsgegenden
sonst nichts bekannt Es wird vielmehr Aufgabe weiterer Forschung sein, die
Natur und die Verbreitung der Llaga sicher festzustellen.
I
v
(621)
Eine andere Frage, die bis jetzt nicht genügend geklärt ist, betrifft die prae-
col um bische Herstellung der verstümmelten Thonflguren. Nicht ohne Grund ist
der Zweifel angeregt worden, ob diese Figuren nicht erst nach der Ankunft der
Spanier angefertigt worden sind. Hr. Ashmead erklärt freilich auf das Zuver-
sichtlichste, die Figuren seien zweifellos praecolumbisch, indess hat er beweisendes
Detail über die Funde, soweit ich sehe, nicht beigebracht. Das müsste also
noch geschehen. Vorläufig sehe ich noch keinen Grund, diese Figuren als spätere
aus der grossen Zahl ganz analoger Darstellungen aus altperuanischer Zeit aus-
zusondern.
In Beziehung auf die Frage der Lepra ist ein Einwand des Hrn. Polakowsky
bemerkenswerth. Er weist auf den Widerspruch hin, dass die Hände vollständig
dargestellt sind, während die Füsse so grosse Defecte zeigen. Dieser Einwand würde
eine grössere Bedeutung haben, wenn angenonimen werden müsste, dass die Verstüm-
melung der Unterextremitäten ganz und gar durch Lepra hervorgebracht und darauf
vollständig vernarbt wäre. Diese Annahme wäre wenig zutreffend. In der That haben
die meisten Beschreibungen der fraglichen Verstümmelung sich auf eine Amputation
bezogen. Diese könnte auch bei Leprösen vorgenommen sein, und es würde dann
nur zu erklären sein, wieso die Hände so wenig ergriffen seien. Hierzu möchte
ich bemerken, dass nach meiner auf das Studium norwegischer Aussätziger begrün-
deten Darstellung (vgl. meine Onkologie, Berlin 1864—65, H. S. 528) die sogenannte
Lepra mutilans keine direct lepröse Erkrankung ist; ^die Ulcerationen gehen nicht
aus Knoten hervor, sondern aus maligner Entzündung, welche sich ganz nach
Art der sogenannten neuroparaly tischen Entzündung in Folge der Anästhesie
entwickelt.*^ Am häufigsten ist die nächste Ursache dieser Veränderungen eine
äussere: Erfrierung, Verbrennung, stumpfe mechanische Einwirkungen u. s. w. Je
nach Ort und Klima, nach Lebensweise und Gebräuchen können solchen Einwirkungen
bald mehr die oberen, bald mehr die unteren Extremitäten ausgesetzt sein. So
hat die Geschichte der letzten Pestepidemie auf die Erklärung geführt, warum
die Japaner häufiger an den unteren Extremitäten, die Chinesen mehr an den
oberen erkranken: jene gehen vielfach barfuss, diese tragen die Füsse beständig
bedeckt.
Wir werden daher vorläufig darauf verzichten müssen, ein bestimmtes Urtheil
über die Mutilation der alten Peruaner abzugeben. Bis jetzt ist keine andere
Erklärung für dieselbe gefunden, als eine pathologische. Noch immer ist die An-
nahme einer leprösen Affection nicht ganz auszuschliessen. Ob irgend eine andere
Krankheit, wie die von Hrn. Jimenez de la Espada angeführte Llaga, be-
schuldigt werden darf, wird später zu untersuchen sein. —
(26) Hr. Maass bespricht das anwesende
Bärenweib.
Bereits in der Sitzung vom 18. Mai 1895 habe ich hier das „ Bären weib^ vor-
gestellt. Dasselbe zeigte sich damals unter diesem Namen in Castan^s Panopticum,
weil es, mit einem Bärenfell bekleidet und auf allen Vieren gehend, auftrat, wie
es schon zuvor in Newyork bei Barnum und in andern grossen Städten oft
gethan hatte. Ich sagte damals, dass dieses Weib die Tochter einer Mestize
und eines Negers aus Mount pleasant in Texas sei; dass seine Mutter eine ganz
ähnliche Verkrüppelung der Extremitäten habe, dass aber seine, des Bärenweibes,
damals zweijährige Tochter ganz normal gebaut sein solle. Ich habe bei der Vor-
stellung wörtlich gesagt: „Ihre 4 Extremitäten sind seit ihrer Geburt in der Art
(622)
verkrüppelt, dass an den Beinen die Rniee und Unterschenkel fehlen und die Füsse
unmittelbar mit den Oberschenkeln articuliren; ebenso an den Armen, an welchen
die Unterarme nur rudimentär Yorhanden sind. Hände und Füsse sind ebenfalls
verkrüppelt, doch ist ein Greifen mit den Händen, selbst Schreiben, Nähen u. s. w.
wohl möglich, ebenso das Aufrechtgehen auf den Füssen, jedoch nur mit Hülfe
besonders dazu gefertigter Schuhe, da die Frau nicht mit der Sohle, sondern nur
mit dem äusseren Rande derselben auftritt Grosse Geschicklichkeit hat sie aber
in dem Gehen auf allen Vieren erlangt, und ihr Gang dabei erinnert allerdings an
den Gang eines Bären, was sie bei ihren Vor^llungen im Panopticum noch da-
durch unterstützt, dass sie, mit einem Bärenfell bekleidet, aus einer, natürlich
künstlichen. Höhle hervorkommt.^
So habe ich damals gesagt, und so ist es abgedruckt in dem Sitzungsbericht
vom 18. Mai 1895.
In der Sitzung vom 15. Juni 1895 legte der Vorsitzende, Hr. Rud. Virchow,
eine Mittheilung des Hrn. Louis Henning aus Antwerpen vor. Darin hiess es:
„Auf der letztjährigen (1894er) Antwerpener Welt -Ausstellung waren in dem
an ^Pawnee Bills Wild West^ sich anschliessenden „Museum^ zwei Menschen zu
sehen, welche, angeblich zum ersten Male in Europa, die Beachtung Wissenschaft-
lieber Kreise wohl verdienen. Ich meine den mit ungeheuer vergrösserten Füssen
ausgestatteten Eugen Berry und die verkrüppelte Alice Wance.
„Die Negerin Alice Wance ist 28 Jahre alt und geboren in Texas. Ihr
Vater war normal, dagegen ihre Mutter in gleicher Weise verunstaltet, wie sie.
Sie giebt an, niemals krank gewesen zu sein und keine Geschwister zu haben.
Ihre Mutter lebt in Newyork, wo sie sich ebenfalls für Geld sehen lässt. Alice
Wance spricht sehr gut englisch, näht und stickt, und macht überhaupt den Ein-
druck von Intelligenz. Alle an sie gerichteten Fragen beantwortet sie klar und
deutlich. Die nähere Untersuchung, welche ich an diesem unglücklichen Wesen
vornahm, ergab folgendes Resultat. Beide Oberarme sind normal gebildet; erst
unterhalb des Ellbogengelenks ist an beiden Seiten eine starke Geschwulst bemerkbar,
an welche sich die Hände unmittelbar anschliessen; wir haben es hier mit einem
Beispiele der „Klumphand^ zu thun. Beide Hände sind nicht gerade verkrüppelt zu
nennen, indessen sind die einzelnen Finger doch nicht vollkommen streckbar. An
jeder Hand sind 5 Finger.
„In Betreff der Unterschenkel ist zu constatiren, dass solche in Wahrheit nicht
vorhanden, sondern die Füsse unmittelbar an dem Knie angewachsen sind. Beide
Füsse erscheinen stark geschwollen; die Geschwulst verjüngt sich nur gegen
die Zehen hin. Die Wance geht zwar aufrecht, doch nur sehr schwer, liebt es
vielmehr, auf allen Vieren zu kriechen, wobei sie, aus der Feme gesehen, den Elin-
druck eines sich bewegenden Thieres macht. "
Dies Alles ist über 2 Jahre her. Hr. Castan hatte nun im Herbst vorigen
Jahres in seinem Panopticum in Dresden die Frau vorgeführt, als ihm plötzlich
daselbst im November 1896 die weitere Schaustellung des Bärenweibes polizeilich
untersagt wurde. Der Grund dieser polizeilichen Maassregel, die ich hier durchmos
nicht kritisiren kann und will, war ihm unbekannt, aber die Dresdner Presse
brachte einige Tage darauf Folgendes. Der „Dresdner Anzeiger** vom 18. Novbr.
1896 sagt: „Die Königliche Polizei-Direction hat die weitere Schaustellung des im
hiesigen Castan' sehen Panopticum — Stadtwaldschlösschen — ausgestellten so-
genannten „Bärenweibes^ untersagt Eine behördlich angeordnete Untersuchong
hat nchmlich ergeben, dass das zur Schau gestellte Wesen keinesweges, wie nach
den hier veröffentlichten Placaten, sowie nach dem bei der Vorftihrung gehaltenen
(623)
Vortrage angenommen werden muss, eine unerklärliche Abnormität, sondern ledig-
lich eine in Folge einer früheren Erkrankung — wahrscheinlich der sogenannten
englischen Krankheit — an Armen und Beinen rerkrttppelte, übrigens aber durchaus
normale Frauensperson ist — — — Seltsamer Weise hat man das Bärenweib
mehrere Monate lang in Berlin unbeanstandet gezeigt und weder Polizei noch die
Aerzte, deren Namen man zu Reclamen benutzte, haben Notiz davon genommen, so
dass es erst der Dresdner Behörde vorbehalten blieb, die Täuschung
aufzudecken.^
Femer schreiben die „Dresdner Nachrichten** vom 18. Novbr. 1896:
Zuerst derselbe Anfang wie im „Dresdner Anzeiger^, dann folgt aber:
„Die ganze Schaustellung erweist sich also als ein frecher Schwindel, der um so
widerwärtiger ist, als man sich dabei eines krankhaft verunstalteten Menschen
bedient hat. Derselbe konnte natürlich nur durch eine genaue Untersuchung auf-
gedeckt werden u. s. w.**
Diese beiden Artikel sind erst im vorigen Monat zu meiner Kenntnis gekommen,
und da nun das „Bärenweib^ oder, wie sie eigentlich heisst, Frau Alice Wance,
geb. Reed, seit einigen Wochen wieder hier im Castan^schen Panopticam zu
sehen ist, so habe ich Gelegenheit genommen, sie wiederholt genau zu untersuchen,
um diese Beschuldigung der Dresdner Presse, als seien die Berliner ärztlichen
Kreise nicht im Stande, angeborene Abnormitäten richtig zu taxiren, und müssten
sie erst von Dresden aus darüber belehrt werden, von dieser Stelle aus energisch
zurückzuweisen.
Hr. Castan hat die hier vorliegenden Gypsabgüsse eines Beines und Fusses,
sowie eines Armes mit Hand gemacht. Da diese aber zur richtigen Würdigung
des Falles doch nicht ausreichen, so ist in dem hiesigen Staats -Institut für
Untersuchung mit Röntgen -Strahlen eine Reihe von Durchleuchtungen gemacht
worden, welche alle ergeben haben, dass meine im Jahre 1895 gemachten An-
gaben richtig waren, und dass von einer auf rachitischer Basis beruhenden Ver-
unstaltung keine Rede sein kann. Die Frau tritt mit dem Gelenkende des Ober-
schenkels beim aufrechten Gehen auf; Kniee und Unterschenkel sind nicht vor-
handen; die beiden Füsse haben zwar sämmtliche Knochen des Mittel fusses und
der Zehen, dieselben sind aber derartig verkümmert, dass sie nicht zum Gehen
benutzt werden können, denn nur der äussere Rand des Fusess berührt den Boden.
Bei den beiden Armen ist es so, dass die Unterarmknochen zwar rudimentär vor-
handen, aber nur einige Centimeter lang sind; dann kommen sogleich die Metacarpal-
knochen und die stark verkrümmten Finger. Beweglichkeit der Hand ist vorhanden,
auch immerhin die Möglichkeit, mit den Fingern leichte Arbeiten, als Nähen,
Schreiben u. s. w., zu verrichten.
Ich habe es nicht für unwichtig gehalten, dies hier zur Sprache zu bringen,
um festzustellen, dass es sich in diesem Falle um eine angeborene Anomalie der
Körperbildung handelt, und nicht um einen frechen Schwindel, den maü in
Berlin nicht aufzudecken verstanden hätte, wie die Dresdner Presse sich auszu-
drücken beliebt —
Hr. EL 6 runmach berichtet über seine im August d. J. an dem Bären weihe
angestellten Untersuchungen mit Hülfe der Röntgenstrahlen und hebt hervor,
dass vor der Aufnahme der Aktinogramme von den einzelnen Körpertheilen diese
zunächst von ihm mit dem Fluorescenzschirm, sowohl in ihrer Ruhelage, als auch
bei Bewegungen, genau beobachtet wurden. — Das Ei^ebniss dieser Beobachtungen
stinunte im Wesentlichen mit den Befunden in den Aktinogrammen überein.
(624)
Was zunächst den Thorax anbetrifft, so Hessen sich weder an dem Schulter-
gUrtel, noch an den Rippen, dem Brustbein und der Wirbelsäule irgend welche
Abnormitäten aus dem gewonnenen Röntgengebilde nachweisen; ebensowenig zeigten
die im Brustkorbe befindlichen Organe ein abnormes Verhalten. — Dagegen fand
Hr. Grün mach in den Aktinogrammen der oberen Extremitäten zwar einen gut
entwickelten Humerus. aber statt des Radius und der Ulnae zwei kurze Rudimente
(2 — 3 cm lang, breit und dick); ausserdem einen rudimentären Carpus, während
die Metacarpal- und Phalangenknochen vollzählig vorhanden waren, letztere jedoch
einen etwas krallenaKigen Eindruck machten.
Dem Bau der oberen Extremitäten entsprach auch das Verhalten der unteren.
Während hier wieder der Oberschenkel gut entwickelt erschien, zeigten sich im
Aktinogramme die Unterschenkelknochen als Rudimente (4—5 cm lang, breit und
dick): daran schloss sich der rudimentäre Tarsus, während sich die Metatarsal-
und Fusszehenknochen vollständig ausgebildet darboten.
Endlich ergab sich noch aus dieser Untersuchung des Bärenweibes, dass beim
Stehen und Gehen desselben sich die Hände und Filsse dorsalwärts spitzwinklig
zum Verlauf der Oberarme, bezw. Oberschenkel stellten, so dass also das Bären-
weib in Wirklichkeit auf den Condylen dieser letzteren Knochen einherschreitet
In anschaulicher Weise konnte Hr. Orunmach dieses eigenthttmliche Lage-
verhältniss der rudimentären Unterarm- und Handwurzelknochen zum Oberannbein
einerseits, sowie der rudimentären Unterschenkel- und Pusswurzelknochen zum
Oberschenkelbein andererseits an verkleinerten Diapositiven seiner Aktinogramme
verständlich machen. —
Hr. Rud. Virchow bestätigt die Angaben der HHrn. Maass und Grunmach
und bemerkt, dass ihm schon nach den Untersuchungen des Jahres 1895 über die
Natur des Falles kein Zweifel geblieben sei. Derselbe gehöre in die Gruppe der
Phokomelen und stelle eine der beroerkenswerthesten angebornen Miasbil-
du^i^en dar. Er behalte sich vor, in der nächsten Sitzung diese Gruppe genauer
zu erläutern. Dass man in Dresden geglaubt habe, das Product einer erworbenen
Krankheit vor sich zu haben, sei schwer verständlich; noch weniger, dass eine so
schlecht unterrichtete Zeitung einen so unhöflichen Ton angeschlagen habe. —
(27) Hr. Maass zeigt ein
armloses Mädchen.
Dasselbe ist ohne Arme und mit einem verkrüppelten Thorax geboren, hat aber
gelernt, mit den Fusszehen das zu verrichten, wozu Andere die Hände gebrauchen»
als Essen, Trinken, Schreiben, Nähen u. s. w.
Die jetzt 19 jährige Hargarethe Ger mann ist in Mainz geboren als erstes
Kind einer sehr wohlgebildeten Mutter. Sie hat noch mehrere Brfider und
Schwestern, die alle körperlich und geistig normal heranwachsen. Sie selbst ist
geistig recht gut begabt und hat einen intelligenten Gesichtsausdruck. Bei ihrer
Vorstellung vor der Gesellschaft musste ihre Mutter ihr behülflich sein, ihr, als
sie auf den Tisch gestiegen war, die Schuhe auszuziehen, um die Zehen zu ent-
blossen. Sie trägt sehr hoch hinaufgehende schwarze Strümpfe, welche aber die
vordere Hälfte der Füsse unbedeckt lassen. Sie setzt sich in hockender Stellimg
auf die Tischplatte und schreibt mit einem, zwischen die grosse und zweite Zehe
des rechten Fusses geklemmten Bleistift ihren Namen in deutlicher Schrift auf ein
Blatt Papier.
(625)
Ihr entblösster Oberkörper zeigt eine höchst merkwürdige Verkrüppelang. Das
Becken ist derart verschoben, dass der rechte Hüflknochen fast zwei Hände breit
höher hinauf reicht, als der Unke. Die Wirbelsäule ist in der Magengegend
lordotisch stark verkrümmt und biegt dann nach rechts über. Die rechte Seite der
Bmst ist tlberhaupt viel stärker entwickelt und hervoigewölbt, als die linke; auch
die rechte Mamma ist ziemlich voll vorhanden, während die linke nur durch einen
massigen Hautlappen angedeutet ist, unter dem man in einer Art von Höhlung die
verkümmerten linken Rippen fühlen kann. Das Herz ist ebenfalls nach rechts
dislocirt, wie tlberhaupt die ganze linke Thoraxhälfte verkümmert ist.
An beiden Schultern fehlen die Armknochen vollständig, doch sind die Schlüssel-
beine und die Schulterblätter vorhanden; nur liegt das rechte Schulterblatt in
natürlicher Grösse, statt auf der hinteren, auf der vorderen Seite; das linke dagegen
befindet steh auf der Rückenseite und ist sehr verkleinert. Beide Schulterblätter sind
willkürlich beweglich. Die Körperlänge der bemitleidenswerthen Person ist ungefähr
1 m, dabei ist sie äusserst mager, soll aber mit gutem Appetit essen.' —
(;2S) Hr. Rud. Virchow giebt Aufschluss über eine von Hrn. L. Gas tan
ausgestellte
Gyps-Nachbildung eines gleichsam verhärteten Menschen.
Nicht ohne üeberraschung sehe ich die lebensgrosse Nachbildung eines Mannes
vor mir, der sich im Sommer mir vorstellen Hess und der mir merkwürdig genug
schien, um ihm den Vorschlag zu machen, sich auf der Naturforscher-Versamm-
lung in Braunschweig einzufinden^ wo ich ihn den versammelten Aerzten demon-
striren wollte. Meine lange Abwesenheit verhinderte mich, mich um den Mann zu
bekümmern. Auch kam er nicht nach Braunschweig. Zum ersten Male sehe ich
jetzt die Gypsfigur, der ich nachrühmen kann, dass sie alle Hauptveränderungen
gut wiedergiebt
Soweit ich mich erinnere, war der betrefl'ende Mann seinen Ausweisen nach
aus Südfrankreich und 26 Jahre alt. Aber seine Entwickelung war zurückgeblieben,
80 dass er dem Knabenalter kaum entwachsen zu sein schien. Sein Leiden war
eine allgemeine Sklerodermie, d. h. eine chronische, schleichende, mit Ver-
härtung und Schrumpfung verbundene, sehr gleichmässige Entartung der Haut und
Unterhaut. Theoretisch betrachtet würde das eine chronische Entzündung zu nennen
sein; praktisch dagegen scheinen entzündliche Symptome (Hitze, Röthe, Schmerz
u. s. w.) niemals in erheblichem Maasse vorhanden gewesen zu sein. Eine bestimmte
Ursache ist ebensowenig erkennbar; im Gegentheil, es scheint, als sei der Anfang
des Ucbels schon in die Fötalzeit zurückzuverlegen. Dies haben verschiedene
Aerzte in Frankreich und Oesterreich angenommen, und es lässt sich nicht bestreiten,
dass der ganze Habitus des leidenden Körpers für eine solche Annahme spricht.
Fast alle Oberflächen sind glatt, ohne irgend welche Knotenbildung, und fühlen sich
ganz hart an; an den meisten Stellen ist die Haut von den unterliegenden Theilen
(Knochen, Muskeln und Fascien) nicht abzuziehen, und diese Weichtheile fühlen
sich ihrerseits ganz fest an. Die Extremitäten sind nicht verkrümmt, aber ganz
dünn, wie „Stöcke**. Die Knochen sind schwer durchzufühlen, lassen aber keine
Pormveränderung erkennen. Eine lebensgrosse Pariser Röntgen -Photographie,
welche der Mann bei sich führt, bestätigt dieses: es ist weder ein rachitisches
Symptom, noch eine auffällige Atrophie der Knochen hervorgetreten.
Es handelt sich also, trotz der Tiefe, in welche die Induration hinabreicht,
um eine mehr flächen hafte Schrumpfung, wie sie z. B. ein durch Wasser
Verbaodl. üer Bert. Anthropol. Oesellse^taft l»)H. 40
(626)
und nachfolgende Eintrocknung zusammenschrumpfender Stiefel erzeugen wQrde.
Weitergehende Störungen sind an den Orificien, namentlieh des Gesichtes, ein-
getreten. Die Schrumpfung der Weichtheile hat Starrheit und Retraction der Lippen,
der Nasenflügel und der Augenlider heryorgebracht Die Folge davon ist die
Erschwerung im Schliessen der Oeffhungen und Exposition der nächsten inneren
Theile gegen äussere Einwirkungen (Kälte und Wärme, Staub u. dergL). Insbeson-
dere die Augen leiden, wie bei Ektropion, an chronischer Entztindung der Cornea
und der Conjunctiva. Ein durch die Ereignisse des Tages aufgeregter Beobachter
könnte an die Augen eines Aussätzigen erinnert werden. Von ii^nd welchen Be-
ziehungen zu Lepra kann jedoch keine Rede sein. Der sehr intelligente und zu-
gleich liebenswürdig duldsame Mann giebt tlber seine Empfindungen so genaa
Auskunft, dass man ihre Wahrheit nicht bezweifeln darf. —
(29) Neu eingegangene Schriften:
1. Davenport, C. B., The role of water in growth. Boston 1897. (Proc.
Boston Soc. N. H.) Gesch. d. Verf.
2. Davis, W. M., The Harvard geographical modeis. Boston 1897. (Proc.
Boston Soc. N. H.) Gesch. d. Verf.
3. Lewis, M., Glymene producta Sp. nov. Boston 1897. (Proc. Boston Soc.
N. H.) Gesch. d. Verf.
4. Miller, G. S., Notes on the mammals of Ontario. Boston 1897. (Proc.
Boston Soc. N. H.) Gesch. d. Verf.
5. Polakowsky, H., Die Lepra in Columbien. Leipzig 1897. (Deutsche med.
Wochenschrift.) Gesch. d. Verf.
6. Schwartz, W., Der Schimmelreiter und die weisse Frau. Ein Stfick
deutscher Mythologie. Berlin 1897. (Zeitsch. d. V. f. Volkskunde.)
7. Derselbe, Die altgriechischen Schlangengottheiten. Neuer Abdruck derProgramm-
Abh. des Friedr.-Werd. Gymnasiums zu Berlin vom Jahre 1858. Berlin 1897.
Nr. 6 u. 7 Gesch. d. Verf.
8. Louw, P. J. F., De Java-oorlog van 1825—30. IL Deel Text en Kaarien.
Batavia 1897.
9. Jahresbericht des Directors des Königl. Geodätischen Instituts fUr die Zeit vom
AprU 1896 bis April 1897. Potsdam 1897.
10. v.Hellwald-üle, Die Erde und ihre Völker. 4. Aufl. Liefr. 20— 29. BerUn 1897.
1 1 . Rozprawy Akademii umiej^tnoäci. Wydzial matematyczno-przyrodniczy. Serie II.
Tom 11 u. 12. W Krakowie 1896/97.
12. Nehring, A., Ueber Herberstain und Hirsfogel. Berlin 1897.
13. Tageblatt der 69. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Braun-
schweig vom 20. bis 25. September 1897. Braunschweig 1897.
14. Bulletin de la Societö Imperiale des Naturalistes de Moscou. Ann^ 1897.
No. 1. Moscou 1897.
Nr. 8 — 14 durch Hm. R. Virchow.
15. Fritsch, G., Süd-Africa bis zum Sambesi. L Leipzig 1885. (Der Weltüieä
Africa in Einzel-Darstellungen.)
16. Bastian, A., Inselgruppen in Oceanien. Berlin 1883.
17. Derselbe, Zur Kenntniss Hawaii's. Berlin 1883.
18. Derselbe, Einiges aus Samoa und anderen Inseln der Sttdsee. Berlin 1889.
19. Derselbe, Indonesien oder die Inseln des Malayischen Archipels. 1 — 4.
Berün 1884—89.
Nr. 15 — 19 sind angekauft
(627)
20. Schweinfurth, 6., Einiges über die Ornamentik der ältesten Gulturepoche
Aegyptens. Wien 1897. (Oesterr. Monatsschr. f. d. Orient.) Gesch. d.
Oesterr. Handeb-Museoms in Wien.
21. Proceedings of the annual meeting of the Boston Society of Natural History.
May 5, 1897. Boston 1897. Gesch. d. Gesellsch.
22. Olympia. Textband 1, nebst einer Mappe mit Karten und Plänen. Berlin 1897.
Gesch. d. HHm. Asher & Co.
23. Deininger, J. W., Das Bauernhaus in Tirol und Vorarlberg. Abth. I. Heft 7.
Wien 1897. Angekauft.
24. Strömberg, J. D., Undersökningtir i läran om själ och kropp enligt identitets-
hypotesen eller parallelteorien. Lund 1897. (Akad. Afhandl.)
25. Almgren, 0., Studien über nordeuropäische Fibelformen der ersten nach-
christlichen Jahrhunderte mit Berücksichtigung der provincialrömischen
und südrussischen Formen. Stockholm 1897. (Akad. Dissertation.)
26. Nordlindh, A., Descartes' lära om känslan. Upsala 1897. (Akad. Afhandl.)
Nr. 24—26 Gesch. d. Königl. Üniv.-Bibl. in Upsala.
27. Krause, W., Australien, o. O. 1897. (Internat. Monatschr. für Anatom, und
Physiologie.) Gesch. d. Verf.
28. Marina, G., LMstituto antropologico italiano di Livorno. Livorno 1897. Gesch.
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30. Apostolides, B., La statue dlrenee et la ville de Soknopee. Alexandrie 1894.
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31. Prietze, R., Beiträge zur Erforschung von Sprache und Volksgeist in der
Togo-Colonie. Berlin 1897. (Zeitschr. f. afrik. u. oceanische Sprachen.)
Nr. 29—31 Gesch. d. Hm. Rud. Virchow.
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(Arch. per TAntropoIogia e TEtnologia.)
33. Dieselben, Asimmetrie nella norma facciale (Gavitä orbitarie) Reggio-Emilia 1897.
(Rivista Speriment. di Freniatria.)
Nr. 32 u. 33 Gesch. d. Verf.
34. Hantschel, F., Prähistorische Fund-Chronik für das Gebiet des Nord-
böhmischen Excursions-Glubs und die angrenzenden Landstriche. Leipal897.
(Mitth. d. Nordböhm. Excursions-Clubs.) Gesch. d. Verf.
35. Blasius, W., Megalithische Grabdenkmäler des nordwestlichen Deutschlands
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Amer. Folk-Lore.)
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38. Observaciones meteorolögicas de San Salvador. Abril 1897. San Salvador,
0. A. 1897. Gesch. d. Observatoriums in San Salvador.
39. Perrot, G., et Gh. Chipiez, Histoire de l'art dans Fantiquite. No. 346—349.
Paris 1898. Angekauft.
40
Chronologisches Inhaltsverzeichniss
der
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft
für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 1897.
Verzeichniss des Vorstandes, des Ausschusses und der Ehren -Mitglieder S. 3, der
eorrespondirenden Mitglieder S. 4, der ordentlichen Mitglieder (einschliesslich
der immerwährenden) 8. 7.
üebersicht der durch Tausch oder als Geschenk zugehenden periodischen Publi-
cationen S. 16.
Sitzung vom IG. Januar 1897. Wahl des Ausschusses für 1897 S. 25. — Gäste
S. 25. — Galori f S. 25, Bahnsen, E. du Bois-Reymond, Don Jose
Rizal, J. V. Gerlach und P. Krauss f S- 26. — Neue Mitglieder S. 27. —
Ohina in ethischer, industrieller und politischer Beziehung, v. Brandt S. 27. —
Zoologische Station in Neapel, 25 jähriges Jubiläum S. 27. — Intematiooaie
Ausstellung in Brüssel S. 27. — Vormenesische Alterthümer in Aegypten.
e. Sohwefnfurth 8. 27; R. Virchow S. 81; SafkowsM S. 32. — Frage der partiellen
Zerstörung des Schlossberges bei Burg a. d. Spree. R. Virchow S. 34. — Lapp-
länder im Costüm. E. Krause S. 34. — Angriffe auf E. Jacob sc n S. 34. —
Der europäische Mensch und die Tiroler. F. Tappeiner S. 35. — Weisse Sub-
stanz in Örnamentritzen vorgeschichtlicher Thongefässe Westpreussens. 0. Hetai,
R. Virchow S. 35. — Neu au^fundene Bronze-Urne von Topolno, Kreis Schweiz
(2 Autotypien und 1 Karte). Anger S. 36. — Neue Funde auf der Lösskuppe
bei Lobositz an der Elbe (4 Situationsskizzen und 1 Zinkogr). R- v. Weiazterf
S. 42. — Drachenfels bei Dürkheim a. d. H. C. Hehlis S. 51. — Hungersnoth
in Transvaal. C. Beuster S. 52. — Antiker Mutterkranz von Duna Szekcsü,
Ungarn. H. Bartels S. 52. — Die australische Mission auf den Bismarck-Inseln,
Herensky S. 53; R. Virchow S. 54. — Metrologische Nova. C. F. Lehmann S. 54. -
Märkische Alterthümer. H. Busse: 1. Umenfelder von Leibsch, Spreewald
(3 Zinkogr.) S. 54. 2. Rundwall bei Leibsch S. 56. 3. und 4. Umenfelder
bei Diensdorf und Hügelgräber bei Theresienhof, Kreis Beeskow-Storkow S. M.
5. Urnenfeld bei Buchholz, Ober-Barnim S. 57. — Schlossberg von Mehlkon.
Kreis Carthaus, Westpr. (1 Sitnationsskizze und 8 Zinkogr.). A. Treichel S. »v^.
SchifiTsanker von dort S. 65. Eisenmoor S. ^6. — Tapfenstein von Mehlken
und Steine mit Fussspuren im Allgemeinen (2 Zinkogr.). A. Treichel S. 1^8. —
Geheimgemach. A. Treichel S. 80. — Neue Schriften S. 82. — Berichtigunij^vn
S. 82.
Sitzung vom 20. Februar 1 897. Gäste S. 83, — Ausschuss S. 83. — Kärnbach.
Heimann, Arons, Eyrich f S. 83. — Kubary, Hirschberger, Wiepken*
Ferraris f S. 84. — Neue Mitglieder S. 84. — A. Bastian's Reise S, 85. —
Demission von Serrurier S. 85. — Comite für ein Grab-Monuroent in West-
Africa für L. Wolf, Kling und Bugslag S. 85. — Deutsches Colonial-Moseom
in Berlin S. 85. — Orient-Comite S. 85. — Loubat- Stiftung S. 85. — NetHrr
Landesverein für sächsische Volkskunde. R. Virchow S. 85. — GeneraURegtsttfr
für die Serie II der Verhandlungen (1889—1899) S. 86. — Schweizersbild bei
Schaffhausen. J. Nüesch S. 86. - Römische und neolithische Gräberfelder bei
Worms. C. K6hi S. 87. — Die Milseburg in der Rhön. Sclmelder, R,
(629)
S. 87. — Steinzeitgrab von Retzin, Pommern. H. Sohuoiann 8. 87. — Brand-
gräber der Volk er Wanderungszeit von Messdorf, Kreis Osterburg. A. G5tze
§. 87. — Römische Villa auf dem Weilberge bei Üngstein, Rheinpfalz.
C. Mehlls S. 88. — Männer mit Elephantiasis scroti von Samoa. B. Fränkel
S. 88. — Photographien und Schädel aus Australien. Baron v. Korff S. 88. —
Anmerkungen zu Bartels-Ploss: „Das Weib". F. W. K. Müller S. 88. - Das
Vorkommen von Zwergen neben grossen Leuten in demselben Volk. A. Nehring
S. 91: R VIrchow S. 94. — Zwergrassen. R. G. Hatiburton S. 95. — Steingeräthe
der Ababde, Africa. G. Schweinfurth S. 95. — Spinnen mit Spindel und Wirtel,
Sökeland, W. Schwartz S. 95. — Carneol-, bezw. Achatperlen aus Mossi (Moschi).
P. Staudinger 8. 91). — Zinnvorkommen im tropischen Africa und Zinn-Industrie
der dortigen Eingebornen. P. Staudinger S. 97. — Hausgewerbliche Gegenstände
aus Bosnien (16 Zinkogr.). M. Bartels S. 98. — Metall-Einlagen in Holz, Hörn
und Bein (14 Zinkogr. \ E. Jacobsthal S. 104. — Vorlagen aus dem Museum
für Völkerkunde. F. v. Luschan S. 110. Lagos-Masken. P. Staudinger S. 110. —
Neue Schriften S. 110.
Sitzung vom 20. März 1897. Neue correspondirende und ordentliche Mitglieder
S. 111. — Schiaparelli •}• S. 111. — General -Versammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft zu Lübeck, Schwerin und Kiel S. 1 11. — Nansen-
Festfeier in Berlin S. 1 1 1 . — Deutscher Geographentag zu Jena S. 111. —
Centenarfeier für Rosmini in Rovereto S. 111. — Russischer Archäologischer
Congress in Kiew 1>S99 und internationaler medicinischer Congress in Moskau 1897
S. 112. — Grabfund in der Fides-Kirche zu Schlettstadt. Elsass. A. v. Heyden
S. 112. — Neuseeländische Altcrthümer. A. Bässler S. 112. — La Tene-Gräber
in Böhmen. H. Matiegka S. 115. — Lappische Geräthe (4 Zinkogr.). E.Krause
iS. 115. — Sagen, welche an vorgeschichtliche Gräber anknüpfen. E. Krause
S. 117. — Drachen-Sage von Seddin, West-Friegnitz. E. Krause S. 119. —
Sagen von Trebichow, Kreis Crossen. H. v. Schierstädt S. 120. — Bronze-
Depotfund von Clempenow, Pommern. H. Schumann S. 122. — Durchschneidung
des Schlossberges von Burg im Spreewalde. R. VIrchow S. 122. — Märkische
Alterthümer. H. Busse S. 123. — Chemische Untersuchung vorgeschichtlicher
Bronzen in Elbing (5 Zinkogr.). 0. Helm S. 123. — Mehlken, Kreis Carthaus.
A. Treichel S. 1 29. — Neue Forschungen in Aegypten und Einbalsamirung von
Köpfen im Alterthum. G. Schweinfurth (1 Zinkogr.) S. 131; Fouquet S. 134;
R. VIrchow (4 gr. Zinkogr.) S. 13); E. Satliowslii S. 138. — Ausgrabungen auf
der Moorschanze bei Quedlinburg (12 Zinkogr., 3 Situationsskizzen und 2 Auto-
typien). Brecht S. 140; R. VIrchow (6 Zinkogr.) S. 146. — Schädel der Bakwiri,
Kamerun (2 Zinkogr.). R. VIrchow S. 154. — Künstlerische Darstellungen aus
Kaiser Wilhelms-Land und deren Beziehungen zur Ethnologie. Preuss S. 159. —
Neu eingegangene Schriften S. 159. — Berichtigung S. 160.
Sitzung vom 24. April 1897. Gäste S. 161. — Heinrich Wanke 1, Hermann Weiss,
Frank (Schussenried) 7 S. 161. — Sachverständigen -Commissionen für die
Abtheilungen des Königl. Museums für Völkerkunde S. 162. — Staatszuschuss
für die Gesellschaft S. 162. — Correspondirende und ordentliche Mitglieder.
Lehmann-Nitsche und JoestS. 162. — Nordamerikanische Expedition nach
der Nordwest -Küste und den benachbarten asiatischen Ländern S. 162. —
Hauptversammlung der Niederlausitzer anthropologischen Gesellschaft in Pinater-
walae S. 163. — Congres international colonial in Brüssel S. 163, — Aus-
stellung bosnischer hausgewerblicher Erzeugnisse in Berlin S. 163. — Grund-
.steinlegung für das neue Museum in Cairo S. 163. -^ Denkmal für Johannes
Müller in Coblenz S. 164. — Darstellungen assyrischer Ruhebetten (Zinkogr.).
C. F. Lehmann S. 164. — Neue Gräberfunde bei Worms. Kohl S. 165. — Freysnes
im östlichen Island. M. Lehmann -Fithes S. 165. — Die Harpa auf Island und
die Harfe in der Mark. W. v. Schulenburg S. 168. — Wollespinnen mit Spindel
und Wirtel (3 Zinkogr.). W. v. Schutenburg S. 168. — Skarabäen- Gemme von
Sadersdorf, Kreis Guben (3 Zinkogr.). H. Jentsch S. 169. — Burgwall und vor-
älavischer Urnen-Friedhof von Königsbrunn, Cujavien (2 Situationsskizzen und
^) Zinkogr.). Lehmann-Nitsche S. 171. — Photographie des Marktes in Lyck.
M. Bartels S. 175. — Photographien von Dayaks, West-Borneo. F. Schnitze
(630)
S. 175. — Zeitschrift für Criminal -Anthropologie, Gefangniss -Wissenschaft
und Prostitutionswesen. S. 176. — Doppelaxt aus Kupfer von Börssum.
Th. Voges S. 176. — Gewellte Bronze -Urnen (Zinkogr.). Ussawer S. 17fi. —
Ausfüllungs-Material der yeHieften Ornamente an Thongeräth. Olshauseii S. IHO.
— Technisches aus Troja. A. G5tze S. 183. — Raphael's Adam und Eva im
Ori^nal und Kupferstich. G. Fritsch S. 183. — Skizze aber Kaschmir (7 Auto-
typien). 6. Oppert S. 188. — Neue Form der Armbrust bei den Bakwiri,
itamerun (Zinkogr.) F. v. Luschan S. 204. — Neu eingegangene Schriften S. 205.
Sitzung vom 15. Mai 1897. Menger, Strassmann, Mariraon yTudö f S. *i07.
— Ordentliches Mitglied S. 207. — Auffindung eines Rönigsgrabes in Negada.
J. de Morgan S. 207. — Australische Reise. W. Krause S. 208. - Anthro-
pologische Excursion nach Brunn und Umgegend S. 208. — Niederlausitzer
anthropologische Hauptversammlung S. 'i08. — Congres archeologique de
Malines, Exposition internationale in Brüssel und internationaler Congress für
Nerven-Pathologie ebendaselbst S. 208. — Verein ftir sächsische Volkskunde
S. 208. — Ausschuss fUr die Erhaltung der deutschen Spracheninsel Hohen-
stadt, Mähren S. 208. — Photographien kaukasischer Typen, v. Erckert S. 20i^.
— Archäologische Funde in Transkaukasien: 1. Prähistorische Thongefässe
von Dshawat, Gouvernement Baku (Zinkogr.). 2. Durchbohrter Steinhammer
von Horadies, Gouv. Elisabethpol (Zinkogr.). E. Rösler S. 20*J; Rad. Vircbow
S. 212. — Japanisches Schädel-Artefakt. J. D. E. Schmeltz. Sermrfer R. Vircho«
S. 213. — Eiserne Dolchklinge mit Inschrift aus dem Bieler See. V. Grott.
E. Frledel S. 2i:i — Das Wort Kurkel. J. A. Jentsch S. 213. — Geflügelte
Lanzenspitzen (2 Zinkogr.). Köhler S. 214. Bronze -Schwert aus der Peene
(3 Zinkogr.). H. Schumann S. 221 ; Rud. Virohow 8. 222. — Photographien von
Javanerinnen. M. Bartels, F. Schultze S. 222. — Photographien von Javanero.
Beyfuss S. 222. — Pflanzenreste in vorgeschichtlichen Gefässen der Mark
(5 Zinkogr.). H. Busse S. 223; Rud. Virchow S. 225. — Besuch der Höhlen von
St. Canzian bei Triest (1 Situationsskizze und 1 Zinkogr.). R. Viroliow S. 225,
— Tättowirte Hautstücke des Menschen. G. Fritsch S. 231; F. v. LMCbu.
R. Virchow S. 232. - Monströse Pflanzen wurzel. 6. Fritsch S. 232. — Neu ein-
gegangene Schriften S. 233.
Sitzung vom 13. Juni 1897. Gäste und zurückgekehrte Reisende S. 235. — Hrolf
Yaughan Stevens ^ S. 235. — Sir Aug. Wollaston Franks, August v. Heyden,
Carl Fischer f S. 236. — Ossowski, Berger, Boye, v. Falcke. Sahl t
S. 237. ~ Neues correspondirendes Mitglied S. 237. — Neue ordentliche Mit-
glieder S. 237. — Abreise von Karl von den Steinen S. 237. — 70jähnger
Geburtstag von Carl Günther S 237. — Brief von A. Bastian S. 237. -
Reise von W. Joest S. 238. — Transvaal-Ausstellung und Vorstellung von
Tuaregs S. 238. — Anthropologische Excursion nach Brandenburg n. H. S. 23X.
— Conferenz von Polizei- und Gefängniss-Beamten in Bezug auf die Körper-
messung S. 238. — Rivista italiana di Sociologia S. 238. — Trachten-Museum
in Berlin, Beschaffung von Mitteln zur Erweiterung desselben S. 238. —
Neues Planimetor. F. v. Loschan S. 238. — Kupferbeil von Augustenhof. Kreis
AVirsitz, Posen (2 Autotypien). Lehmann-Nitsche S. 239. — Bronzekenle (Morgen-
stem) von Butzke, Pommern (5 Zinkographien). H. SchHmanR S. 241. ~ Prä-
historische plastische Thonfiguren aus Böhmen (7 Autotypien). R. v. WeluicH
S. 240. — Ausgrabungen von Gesichtsurnon in Hinterpommem. Ed. Krasit
S. 260. — Thöneme Kinderklapper von Luckau, Niederlausitz (3 Zinko^"-
Ed. Krause S. 261. — Alte Gräber in Ober- und Nieder-Bamim, Provinz Branden-
burg (4 Zinkogr.). H. Busse S. 261. — Rechts und links arbeiten. W. RInp«
S. 263. — Photographie eines Maquamba -Weibes mit Knopfnase. OliMftiltob>
Richter S. 263. — Ursprung der Aegvpter (4 Zinkogr.). 6. Sehwei«ftrtii S. 2tkv
— Frührömische Fibel mit der Aufschrift AVC^ISSA aus Rheinh<»8«tm (^ Zinko-
graphien). 0. Otshausen S. 2S6. — Bronze-Depotfunde von CzemowiU, Kreu
Thom (4 Abbildungen). Semrau S. 290. — Das Dorf Lietzow auf Rügen und
seine vorgeschichtliche Feuerstein -Werkstätte. A. Haas S. 291. — Chiüdifche
Forschungen. Zur FVage nach dem ursprünglichen Standort der l>ciden
assyrischen Inschriften Sardur's, Sohnes des Lutipris. W, Betok S. ^U^2- -
(631)
Ausffrabung von Hügelgräbern in der Haarstorfer Feldmark. H. Weyer S. 308.
— Funde auf dem langobardisch-sächsischen Friedhofe bei Nienbüttel, Kreis
Uelzen. H. Meyer S. 308. — Neuere japanische Sachen. F. W. K. Müller 8. 308.
— Neu eingegangene Schriften S. 308.
Sitzung vom 17. Juli 1897. Gast S. 311. — Japetus Steenstrup, Boer,
Schweitzer, Karl Groos sen., Will. Th. Preyer f S. 311. — Neue Mit-
glieder S. 312. — Neues correspondirendes Mitglied S. 312. — Congres d'hygiene
et de climatologie medicale de la Belgique et du Congo in Brüssel S. 312. —
General- Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Lübeck,
Schwerin und Kiel S. 312. — Orient-Comite in Berlin S. 312. — Anthro-
pologische Excursion nach Brandenbui]g a. H. und Butzow. G. Stimming,
M. Bartels, E. Müller Kränkel S. 312. — Trunsvaal-Ausstellnng in Berlin. Ohne-
falsch-Richter, M. Bartels S. 312. — Kinder der Wüste Sahara in Berlin. M. Bartels
S. 313. — Folynesische Reise. A. Bässler S. 313. — Weitere Reise im Osten.
W. Krause S. 313. — Photographie von Eyrich S. 314. — Neue Arbeiten über
die Urbeschäftigungen in Ungarn. Otto Hermann, M. Bartels S. 314. — Alt-
türkische Inschriften. W. RadlofT S. 314. — Schlossberg bei Burg im Spree-
walde und darauf bezügliche Ministerial-Verfügungen. Rud. VIrchow S. 314. —
Bernde aus römischen Wohnstätten unter dem Zwiesel in Ober-Bayern (4 Zinko-
graphien). Jos. Maurer, H. Jentsch S. 316. — Neolithisches von Au bei Hammerau,
Bez. Traunstein, Ober-Bayern (14 Zinkogr.). Liohtenecker, H. Jentsch S. 319. —
Deformirte Gräberschädel von Guatemala [Chajcar und Papa] (2 Zinkogr.).
E. DieseldorfT, R. VIrchow S. 324. — Europäische Tätto wirungen (4 Zinkogr.).
Rud. Vlrohow S. 328. — Photographien von Verbrecher- Physiognomien und
Tätto wirungen. Minovicl S. 331. — Anthropologische Excursion nach Mähren
(1 Kartenskizze). R. VIrchow S. 331, — Gesichts-Thürumen von Eilsdorf, Kreis
Oschersleben, Provinz Sachsen. Vasel, A. Voss S. 343. — Chemische Unter-
suchungen des Hrn. Kröhnke an vorgeschichtlichen Bronzen Schleswig-Hol-
steins. 0. Olshausen S. 344. — Steingefässe der Ababde und andere Stein-
fferäthe aus Aegypten. G. Schweinfurth, A. Voss, R. VIrchow, M. Bartels S. 355. —
Neu eingegangene Schriften S. 356.
Sitzung vom 16. Oktober 1897. Gäste S. 357. — Franz Pulszky, W. Wattenbach,
fl. Welcker f S.357, R. Berlin f S. 358. — Neues correspondirendes Mit-
flied und neue ordentliche Mitglieder S. 358. — R. A.Philipp i, J. D. E. Schmeltz
. 358. — Reise nach den Marquesas. Karl von den Steinen S. 358. — Erinne-
rungsfeier für Paulus Diaconus in Cividale 1^>99. Aufruf S. 358. — Gedenk-
feier der Danziger Anthropologischen Gesellschaft S. 359. — Jahresvcrsanmi-
lung des Voigtlündischen alterthumsforschenden Vereins S. 359. — Nahrungs-
mittel-Ausstellung in Berlin, Betheiligung des Trachten -Museums S. 359. —
Sternwarte in Treptow bei Berlin S. 360. — Stockholmer Araerikanisten-Congress
von 1^94 und Ausgrabungen von Costa Rica. HJalmar Stolpe, Hartmann S. 360.
— Zwei Nekropolen bei S. Canzian, Triest (Situationsskizze). C. de Marchesetti
S. 360; R. VIrchow S. 361. — Eiserne Schwerter auf dem Wesenberge bei
Brandenburg a. H. G. Stimming S. 361. — Fund eines Vorrathes von Leinsamen
in einer primistorischen Wohnstätte bei Frehnc, Ostpriegnitz. Buchholz S. 361. —
Thönemer Schwan von Burg a. Spree. Petermann, Behta S. 362. — Photogra-
phien von Thongefässen aus bayrischen Grabhügeln der Bronzezeit. P. Reinecke
S. 362. — Slavische Gräberfunde im krontiscnen und slovenischen Gebiete.
P. Reinecke S. 363. — Phantastisches Bild eines Bicyclanthropus cnrvatus.
Gessner S. 367. — Schädelmasken aus Neu-Britannien. B. Scheppig. M. Bartels
S. 367. — Südrussische Amulette. S. Weissenherg S. 368; Bartels S. 369. —
Ausgrabung der Hünen- oder Frankenburg an der Langen Wand bei Rinteln a.W.
Plath S. 369. — Küstenfund bei Lietzow, Rügen. R. Baler S. 372. — Araber
von Nordafrica. Paula Karsten S. 372. — Der Vorabend des niuselnianischen
Sabbaths bei den 'Aisawa. P. Karsten S. 37(>. — Urnen feld bei Schlepzig,
N.-Lausitz. Weineck S. 379. — Herberstains Angaben über die Samogiten.
A. Nehring S. 379; R. VIrchow S. 385. — Vorgeschichte Aegyptens: I. Inhalt
eines Schädels vom Gebel Silsileh. E. Salkowski S. 389. 2. Ornamentik der
ältesten Cultur-Epoche Aegyptens (2 zinkogr. Gruppen und 3 kleinere Zinkogr.).
(632)
G. Sohweinfurth S. 391; R. Virchow S. 401. 3. Kopfhaare aus prähistorischen
Gräbern Ober-Aegyptens. R. Virchow S. 401. — Beschreibung von 5 Ngumba-
Schädeln aus Kamerun. A. Wiarosohkln S. 405. — Anthropologische Aufnahmen
« von Eingebornen aus Udjidji (13 Zinkogr.). F. Hdsemann S. 410; R. VirdMW
S. 426. — Schädel eines Mtussi (2 Zinkogr.). F. Hösemann, R. Virchow S. 426. —
Märkische Alterthümer und Gebräuche. W. v. Schulenhorf : 1. Schwedenschanze
bei Görbitzsch (Situationssk.), Neuroark S. 429. 2. Farbenstein von Görbitzsch
S. 432. 3. Borchwald bei Klauswalde, West-Sternbei>? S. 434. 4. Das alte
Haus bei Stemberg S. 435. 5. Der Beelitzer Heiden -Kirchhof bei Stemberg
S. 435. G, Feuerstein- Werkstätten und Gräber am Küchenteich bei Stemberg
(I Zinkogr.) S. 436. 7. Gräber am Ost- Ausgange voi^ Görbitzsch S. 457.
J^. Gräber beim Neuen Vorwerk bei Görbitzsch S. 438. 9. Vorgeschichtliche
Funde bei Kemnath-Theerofen, W.-Sternberg S. 438. 10. u. 11. Fundstellen
auf der Landzunge an der Eilang S. 438. i2. Gesichtsurnen bei Stern berg
(4G Zinkogr.) S. 439. 13— HJ. Steine bei Tornow (I Zinkogr.), Klauswalde,
Breesen und Biberteich S. 441.' — Fundstätten im Kreise West -Stemberg.
Wiliich S.442.— Angebohrtes Steinbeil vomüraenfelde bei Görbitzsch (1 Zinkogr.).
W. V. Schutenhurg S. 443. — Der Lindenhörst bei Lüdersdorf, Kr. Teltow
(8 Zinkogr.) W. v.' SchuJenburg S. 443. — Grosse Scheibenfibel aus Bronze von
Wustrow, Kr. W.-Priegnitz (1 Zinkogr.) Paschlie, W. v. Schulenhorg S. 447. —
Voi||^schichtliche Funde von Gandow, Kr. W.-Priegnitz (Grappenbild mit
'2(\ Zinkogr.) W. v. Schulenhorg S. 447. — Frau Harke in der Neumark. W. v.
Schulenhorg S. 449. — Ornamente von Kaiser-Wilhelmsland, N.- Guinea. Preiiss
•S. 449; R. Virchow S. 450. — Gewellte Bronze-Urne von Nijmegen (Holland)
(I Zinkogr.) Lissauer S. 450. — Die anthropologischen Versammlungen des Spät-
sommers. R. Virchow S. 452: 1. General- Versaramlnng der Deutschen Anthro-
pologischen Gesellschaft in Lübeck, Schwerin, Kiel S. 452. Neolithische An-
siedlung und alte Holzarbeiten von Flensbui^ S. 458. 2. Anthropologische
Section des internationalen medicinischen Congresses in Moskau S. 459. Schädel
der älteren Steinzeit von Wolosowo, Gouv. Wladimir S. 460. 3. Ethnographische
und archäologische Sammlungen in Hamburg S. 462. 4. Abtheilung für An-
thropologie und Ethnologie auf der Naturforscher -Versammlung in Braun-
schweig S. 463. — Eröffnung prähistorischer und römischer Gräber in Worms.
R. Virchow S. 464. — Thierreste aus dem Gräberfelde der jüngeren Steinzeit
bei Worms. 0. Schötensack S. 470. — Die internationale Lepra -Conferenz in
Berlin und die verstümmelten pemanischen Thonfiguren. R. Virchow S. 474;
Polaliowsliy S. 476. — Neue eingegangene Schriften S. 477.
Sitzung vom 20. November 1897. Ansprache des Hrn. Wald eye r und Antwort des Hm.
R. Virchow S. 479. — Gäste S. 480. — Güterbock, L. Fischer, Palm-
Siemsen,J. Schmidt-j-S. 480. — Correspondirende Mitglieder S. 480. — Neues
ordentliches Mitglied S. 480. — Erinnerung an Don Jose Rizal f S. 480. — Neue
Gesellschaft für Völker- und Erdkunde in SteUin S. 481. — Deutsche Colonial-
Gesellschaft S. 481. — Verein „Neue Menschheit*' S. 481. — Fortsetzung des
Stammbaums von J. L. Härtens in Batavia. F. Schulze S.481. — Niederiändiscber
Natur- und Heilkundigen -Congress in Delft; Untersuchung der Schulkinder in
Niederland. Bos S. 483. — Kalmücken-Karawane. Gehrinq S. 483. — Ausstellung
für Frauen- und Kinderpflege. Frau v. BurchanI, Trachten-Museum S. 483. —
Anthropologische Bemerkungen über die Eingebornen von Malacca. H. VanjiM
Stevens, M. Bartels S. 483. — Querschnittform des Kopfhaares der Kaukasier
J Pohl (Pincus) und A. Pohl (1 Zinkogr.) S. 483. — Sicilianische Flora. 6. Sdmeiii-
furth S. 488. — Bronze- Arm band von Serrieres bei Neuchätel (1 Aut) V. Otmo
S. -189. — Durchschneidung des Schlossberges bei Burg a. Spree. R. Virchow
S. 489. — Bauopfer. Sartori 8. 491. — v. Schulenhorf : 1. Knotenzeichen der Müller
in Baden (12 Zinkogr.) S. 491. 2. Feuersprung zu Johanni in Baden S. 4^4.
3. Die Howölfel, ein Neujahrsgebäck in Baden S. 496. 4. Bauopfer im Badischen :
der erste Nagel im Hause u. s. w. S. 496. 5. Gewellte Strichverzierung an Tbon-
scherben des Kr. Teltow (2 Zinkogr.) S. 497. — Giebelverzierungen in Ostpreussen
(o8 Zinkogr.). E. Lemhe S. 498. — Drei angebliche Eisenobjecte aus di»r
zweituntersten Ruinenschicht von Hissarlik. 0. Olobasseo 8. 500; A.
S. 504. — Peruanischer Thurmkopf aus Arica (3 Zinkogr.). Beoloodorf, R.
(633)
S. 506. — Nachbildungen ethnologischer Schädel in Gyps. F. Kolzow, R. Virchow
S.508. — Australische Schädel. W. Krause S. 508; R. Virchow S. 558. — Ver-
stttmmelte Thonfiguren aus Peru. R. Virchow, W. von den Steinen S. 558:
Polalcowsliy 8. 559. — Kaukasische Projectionsbilder und scheinbare Bron^^
Idole. Katz, R. Virchow 8. 561. ~ Anthropologische Aufnahmen in Udjidji
(18 Zinkogr.). Ramsay S. 561; R. Virchow S. 570. — Neu eingegangene Schriften
S. 571. — , Anhang: El ultimo adios von Don Jose Rizat S. 575, übersetzt von
E. Seier S. 577.
Sitzung vom 18. December 1897. Gäste S. 579. — Verwaltungsbericht ftir das
Jahr 1897. Rud. Virchow S. 579. — Rechnung der Gesellschaft für 1897.
W. Ritter S. 583; R. Virchow S. 584. — Rechnung der Rudolf Virchow -Stiftung
für das Jahr 1897. R. Virchow S. 585. — Neuwahl des Vorstandes für das Jahr 1898
S. 585. — Neue Mitglieder S. 586. — Graf Eugen Zichy S. 586. — Deutsche
Colonial-Gesellschaft, Besicdelung von Uhehe S. 586. — Centenarfeier in
Portugal zur Erinnerung an die Fahrt Vasco's da Gama nach Indien S. 586. —
Internationaler Congress für Zoologie S. 586. — Istituto Antropologico Italiano
in Livorno S. 586. — Wandbilder der Völker Oesterreich-üng-arns. Umlauft-
Trentln S. 586. — Antike Germanen-Darstellungen in Bronze (3 Aut ). P. Reinecke
S. 587. — Vertheilung der Schwarzhaarigen in Böhmen, neolithische und
römische Funde daselbst (I Zinkogr. und 3 Aut). L. Schneider S. 588, R. Virchow
S. 590. — Archäologische Stellung der Schale mit Vogelfigur von Burg im
Spreewalde. H. Jentsch 592. Vorgeschichtliches Gefäss aus dem salzigen See
bei Eisleben (1 Aut.). Grössler, Friedel S. 591; R. Virchow S. 593. — Silberner
römischer Finfferring von Brüssow, Kr. Prenzlau. Friede! S. 594. — Grabfund
auf dem Oberkietz bei Oderberg i. d. Mark. Adersberg S. 595. — Vorgeschicht-
liche Lehmgräber in Sandhügcln des Königreichs Sachsen. K. Wiegand S. 595. —
Dungkeller des Tacitus. v. Schulenburg S. 595. — Trudenfuss bei Wilshofen
in Bayern (2 Zinkogr.). v. Scholenburg S. 600. — Ethnologisches, namentlich
Zweite in Kamerun. Freiherr v. Stein, R. Virchow S. 602. — Sechs Schädel
von tfaunde in Kamerun (3 Zinkogr.). Dominik, R. Virchow S. 604. — Nach-
richten über den Aussatz in altmexikanischen Quellen. Ed. Seier S. 609. —
Discussion über präcolumbischen Aussatz und verstümmelte peruanische Thon-
figuren. Polakowsky S. 612; W. von den Steinen (9 Zinkogr.) S. 617; R. Virchow
8 620. — Bärenweib. Maass S. 621; E. Grunmach S. 623; R. Virchow S. 624. —
Armloses Mädchen. Maass S. 624. — Gypsnachbildung eines Mannes mit all-
gemeiner Sklerodermie. L. Castan, R. Virchow S. 625. — Neu eingegangene
Schriften S. 6-26.
Chronologisches Inhaltsverzeichniss der Sitzungen von 1897 S. 628.
Alphabetisches Namen-Register S. 634.
Sachregister zu den Verhandlungen S. 635.
(634)
Autoren -Verzeichniss.
Andree, Eichard, Brannschweig 263.
Attger, Graudenz 36.
Ashmead, Albert 8., New York 475, 614.
iässl^r, A., z. Z. aaf Reisen 112, 318.
iabrTeldt, 213.
Baler, Rnd., Stralsund .'(72.
Barrailller 612.
BiHels, Max, Berlin 52, 89, 98, 161, 175, 222,
237, 312, :nn, 314, :555, .S67, ^69, 48.% 58:5.
Bastian, Ad., z. Z. auf Reisen 85, 2:^7.
Behia, Rob., Luckau :^2.
Bfick, Waldemar, Frankfurt a. M. :W)2.
Beuster, C, Ha Tschewasse, Nord-Transvaal 52.
Beyfoss, Gustav, Berlin 222.
Brecht, Gustav, Quedlinburg 140.
Buchholi, Rudolf, Berlin a61.
Bnschan, G., Stettin 481.
Busse, Hermann, Berlin 54, 12:i, 22:i, 261.
Biesfldiffr, Erwin P., Guatemala ^24.
Btmlnlk, Jaunde (Kamerun) 604.
f. Erckert, R., Berlin 209.
Espada, Marcos Jimenez de la, Madrid 560,
612.
Fliedner, Karl, Monshcim 286.
Frinkel, B., Berlin 88.
Friedel, E., Berlin 591, 594.
Frllscfc, Gust., Berlin 183, 231, 232.
Fonqoet, Cairo IM, IM.
(ifssoff, Berlin :167.
«itse, A., Berlin 87, 18a, 504.
Grisslff, H., Eisleben 591.
«ross, Victor, Neuveville 2V\ 489.
«runmacb, E., Berlin 62:t.
Baas, A., Stettin 291.
flalibarton, R. G., Boston, Mass. 95.
flantscho-flan», Schleife 168.
flaasmann, R., Dorpat 112.
V. flajdfu, A., Berlin 112.
fleliii, Otto, Danzig 35, 12:i.
flennlng, Louis, Antwerpen 163.
BrnuaDii, Otto, Budapest 314.
flaseniaBii, F., Udjidji 410, 426.
Jacobstbal, E., Berlin 104.
JfBtsch, H., Guben 163, 169, 208, 316, 591.
— , J. A., Dresden 213.
Jofst, W., z. Z. auf Reisen 162.
Jonssan, Jon, Island 165.
Karsten, Paula, Berlin 372, 376.
Kati, 0., Berlin 561.
: KihI, C, Worms 87, 165.
Kahler, Posen 214.
I Kfibtw, Fritz, Berlin 508.
i Kvrff, Baron v., Berlin 88.
Krinkel, Brandenburg a. H. 312.
. Krause, Eduard, BerUn 34, 115, 117, 119, 120,
175, 260, 261.
—, Wilh., Berlin 208, 313, 508, 558.
1 KflJ, Steinitz :m9.
Lehmann, C. F., Berlin 54, 164, :X)2.
Lehmann-Fllbes, Fräul. Marg., Berlin 165, 597.
Uhuann-Nltsche, La Plata 171, 2^9.
Lemke, Fräul. E., Berlin 49a
Ussaaer, Berlin 176, 450, 583.
f. Luschaii, F., Berlin 110, 204, 2:^2, 2:iS.
Haass, K., BerUn 621, 624.
de Marchesettl, G., Triest 360.
üatlei^a, H., Prag 115.
IHaarer, Jos., Reicbenhall 316.
HehUs, C, Neustadt a. d. H. 51, 88.
lerenskj, Berlin 5^^.
Meyer, H., Haarstorf bei Ebstorf (Hannover)
808.
IHintflci, Bukarest :^1.
de Marfan, J., Cairo 207.
Maller, F. W. K., Berlin 88, 808.
Mnnro, Edinburgh 162.
Nehring, A., Berlin 91, ^79.
Neamann, R., Berlin 238, 318.
Nuesch, Jacob, Schaffhausen 86.
Ohnefalsch-RIchter, Max. Berlin 288, 268, 312.
Olshaasen, 0., BerUn 180, 286, 344, 500.
Op^rt, G., Berlin 188.
Pelrle, Flinders, London 162.
Phlllppl, R. A.. Santiago 858.
Platk, BerUn 369.
Plebn, A., Kamerun 154.
Pabi, Alfred, BerUn 483.
Paiaawskj, H., Berlin 476, 558, 612.
Prenss, K. Tb., BerUn 159, 449.
RadUff, W., Martyschkino bei Oranienbaum :tl4.
Ramsav, Udjidji 561.
Reinecke, Paul, Mainz :(62, 363, 587.
Rebs, W., Schloss Könitz 559.
Rimpan, W., Schlanstedt 263.
Ritter, W., Berlin 5S3.
Riial, Don Jose, Manila 480, 575.
Risler, Emil, Schuscha 209.
Salkanskl, E.. BcrUn 32. 138, 389.
(635)
Strterl, Paul, Dortmund 491.
Scbepplg, B., Kiel 367.
f. Schfentidt, H., Frankfurt a. 0. 120, 121.
Sckmelti, J. D. £., Leiden 21B.
Sehieider, Fulda 87.
SehltcMack, Otto, Heidelberg 470.
f. Schnlenbarg, W., Charlottenburg 168, 429,
491, 595, 600.
Schabe, Fedor, Batavia 481.
Schinaan, H., Löcknitz 87, 122, 221, 241.
SchwaHi, W , Berlin 95, 161.
SchwfliAirth, Georg, z. Z. in Aegjpten 27, 95,
181, 263, 355, 889, :^9I, 488.
Seler, Eduard, Berlin-Steglitz 609.
Semuiler, F. W., Greifswald 242.
SemriQ, Thom 290.
Semrier, Bataria 85.
Sikelaad, H., Berlin 95.
Stao4liiger, Faul Berlin 96, 97, HO.
Stell, Freiherr y., Kamerun 154, 602.
fon itn Steinen, K., z. Z. auf Reisen 287.
— , W., Gross-Lichterfelde b. Berlin 475, 558,
617.
Stlmnini:, Gustav, Brandenburg a. H. 312, 861
Stflpe, Hjalmar, Tjrstorp 360.
Stfibel, Alfons, Dresden 559.
Tap^lner, Franz, Meran 35.
Treichel, A., Hoch-Paleschken 58, 68, 80, 129.
Vasel, Braunschweig 343.
Vlrcfcow, Rud., Berlin 25, 27, 31, 34, 35, 54, 88,
85, 87, 94, 95, 111, 122, 134, 135, 140,
146, 154, 207, 212, 213, 222, 225, 232,
235, 2H8, 311, 313, 314, 324, 328, 331,
355, 357, 359, 361, :;85, :;89, 401, 426,
450, 452, 464, 474, 489, 506, 508, 558,
561, 570, 579, 584, 585, 590, 593, 603,
604, 620, 624, 625.
Vages, Th., Wolfenbüttel 176,
Voss, A., Berlin 343, :J55, 369.
Wilderer, Berlin 479.
Waruschklii, Alexander, Manchen 405.
Weineck, Lübben 379.
▼. Wflnilerl, R., Prag 42, 246.
Welssenberg, S., Elisabethgrad 367, 369.
Wiegand, Karl, Röderau 595.
Willlch, Paul, Stemberg 431.
WIttnack, Berlin 224.
ZIchj, Eugen, Graf, Budapest 586.
Sach-Kegister.
A.
AUhit, Steingeräthe von 95, 272, 355.
Akerglanbf in der Mark 117, bei Geburt eines
Pferdes im hannöv. Wcndlande 119, beim
Schutz des Feldes ebendaselbst 119, in
Bayern 601,
Afbatperlen ans Mossi 96.
Adam und Kra Raphaels 183.
Afgjptea, s. Ababde, Bischarin, Einbalsaniirung,
Feuerstoingeräthe, Forschungen, Gehim-
substanz, Getreide, Grabbeigaben, Ha-
miten, Hocker, Inschriften, Kieselmesser,
Königsgräber, Kopfhaare, Negada, Orna-
mente, Ornamentik, MPriester umien,
Rasse, Steingefasse, Stein- Inschrift, l'nter-
suchnngen, Urbewohncr.
— , Amulette 277, Altorthumer, vormenesische
27, Funde aus, in Böhmen 590, Schuler-
Photographien 355, Steingefasse und -Ge-
räthe 355, Steinzeitfunde 260, Vorge-
schichte 389, Weichtheile 135.
Aegypter, Ursprung der 268.
Aftica siehe Achatperlen, Aegypten, Algier,
Bronzen , Derwische , Einbalsamirung,
Hungersnoth, Kamerun, Knopfnase, Lagos-
Masken, Marocco, Metall-Einlagen, Mossi,
Mquamba, Ngumba, Ornamentik, Poly-
dactylie, Reisebilder, Rinderiiest, Sabbath-
foier, Schädel, Steingefasse, Steingerätho,
Steinzeit, Tättowirung, Udjidji, Wander-
Heuschrecken, Zinnvorkommen, Zwerge.
'AiMWi in Nord-Africa 370, 376.
Alabaster «Ciefisse in altägyptischon Königs-
gräbem 279.
Algler, Dolmengr&ber 278.
Alnlua, altassyrische Stadt 303.
AlMn-Geninirn 594.
Allerthfimer, märkische, aus der Umgogen<l von
Brandenburg a. H. 312, aus den Kreisen
(636)
Nieder- und Ober-Banjim, Beeskow-
Storkow, Ost-Havelland 12B.
Iltertlifinier, neuseeländische 112, vonnenesische,
in Aegypten 27.
Alt-Lfibeck, Burgwall 452.
America, s. Aussatz, Costa Kica, Expedition,
Gräberschädel, Guatemala, La Plata,
Lepra, Lupus, Peru, Thurmkopf, Tubercu-
losis.
Amtiti, Kr. Guben, Skarabäen-Gemme 170.
Amulettf, sudrussische 367.
Anaivsf der Bronzekeule von Butzke 244.
westpreussischer Bronzen 123, des Kupfer-
beiles von Augustenhof 238.
Aiithropvlogrnfabrt nacli Kiel und Schwerin 45b.
Anthriipologrn-VcrsiiiumiuiigeN des Spätsommers
452.
Antbropalagle der Eingeborenen von Malacca
483i.
.4ntbr»polfflscbe Aufiiabiiirn von Eingebomen aus
üdjidji 410, 561.
Aiilbrapolagiscbes, namentlich auch Zwerge in
Kamerun 602.
An(hr»popbagle in der prähistorischen Ansiede-
lung bei Knovize und in der pr&histo-
rischon Zeit überhaupt 115, scheinbare, in
Böhmen 61.
.4n(iiii«u in westpreussischen Bronzen 124.
— -Geritbe. russische 462.
Antwfrpfn, Schädel im Museum du Steen und
der zoolog. (iarten 208.
Araber von Nord-Africa 372.
ArckaoloKen-Congress, russischer 112.
Arie«, Chile (Peru), Thurmkopf 506.
Aruibrnst der Bakwiri, neue Form 204.
Arons f 88, 579.
4rtefactf aus dem Löss von Predmost 337.
AsebeBgrobfn bei Wehinitz, Böhmen 115.
Asiea s. Anthropologie von Malacca, Damas-
cus, Dayaken, Eisenobjecte, Java, Japan,
Indien, Kaschmir, Kaukasus, Metall -Ein-
lagen. Reise, Ruhebetten, Technisches,
Transkaukasien.
AsjuiRirtrlr der Extremitäten 115.
Ass.>rifii, Ruhebetten 164.
Au, bei Hammerau, Bezirk Traunstein, Ober-
Bayeni: neolitlnsche Funde 3U).
Angttsteibtf, Kr. Wirsitz, Kupferbeil 239.
Aanetiti, Typus von 44.
Ausf&lliDgs- Material der vertieften Ornamente
an Thoogeräth 180.
Aiisgrabaiifieii s. Udgelgräber.
— in Costa Rica 360, im Danewerk 458, in
Hinterponunem 260, die Hünen- oder
Frankenburg an der Langen Wand bei
Rinteln a. W. 369, auf der Moorschanze
bei Quedlinburg 140, bei Oberkieti bei
Oderberg L d. Mark 595, russische 44)2,
bei Worms 468.
Aassitiige bei altmexikanischen Festen 611.
Aasstti, Nachrichten über den, in alten ameri-
kanischen Quellen 609 s. Lepra.
Aasscbnss-WabI 25, 83.
Attsstellniif in Brüssel 27, für Frauen- und Kinder-
pflege in Berlin 483, der bosnischen In-
dustrie-Schulen 163.
Aastrallen s. Bemalung, Erdbeben, Mischlinge,
Myositis, Photographien, Reise.
Anstniler-Scbädfl 88, 528.
AVCISS4, Inschrift auf frührömischen Bronze-
Übeln 286.
Aitbainiufr aus Stein von Görbitzsch 443.
B.
Baden s. Hausbau, Howölfel, Feuersprung,
Knotenzeichen, Zigeuner.
Bireiscbide! aus dem Schlossberge bei Bui^
490.
Birenwfib 621.
Bännie beschenken in Salzwedel 119.
Babns»!!, Kristian, Kopenhagen f 26, 579.
Bakwiri, Kamerun, Armbrust der 204, Schädel
154.
Balkfw, Kr. Cottbus, Drachen-Sage 121.
Balsamlmiii; altägyptischer Leichen 30.
Banat, Metall-Einlege-Arbeiten 108.
Barnim, Nieder- und Ober-, Alterthömer 123.
BasQtf in Berlin 312.
Bancblanz der Afrikanerinnen 313.
Bauopfer 491.
Baareste aus der Hünenburg bei Rinteln 370.
Bauwerke des Mittelalters in Braunschweig
464.
Bawfuda in Berlin 312.
Bayern s. An, Drachenfels, Neolithisches^ Photo-
graphien, Trudenfuss, Ungsteio, Wachen-
heim, Wohnstätten, Zwiesel.
— , Sekundär-Bestattungen 278.
Beduinen in Berlin 813.
Beellli, Kr. West-Stemberg, Heiden-Kirchhof
485.
Beesktw-StorLow, Alterthümer 123.
Belgien s. Antwerpen, Brüssel, Congres, Congre^.
Bemalung, rothe, von menschlichen Skeletten
337, ö:I5, 542, 548, 645, 552.
Benin, Africa, s. Bronzen.
Berger, Stephan, Prägt 237.
Berlin s. Kinder der Wüste, Lepra, TransaVAl-
Ausstellung.
Berlin, Rudolf f 358, 579.
(637)
Berutdnstraflse 382. | IrauileBburg a. I., Anthropolog:i8che Excursion
BerUlltB-SjBtem zur Messnog and Feststellung j 238.
Ton Personen 238. — , Schwertfund am Wesenberg 861.
BMpreefcen und Verhexen 119, 498. ' Braadgrab, neolithisches, in Böhmen 42.
BlUlttbek der Gesellschaft 588. ! — , der I.aTene-Zeit bei Wachenheim, Rhein-
BicjdaithrtpQS eonatus 867. pfalz 165.
Bieler See, Dolchklinge 213. | Brandgriber der Yölkenifanderungszeit von
BId« Br4«, Slayonien, slavischo Skeletgr&ber > Messdorf, Kr. Osterburg 87.
862.
Bieseatbal, Kr. Ober-Barnim, alt-germanische
Gräher 261.
— , Rundwall 262.
Blscbarin in Aegjrpten 131.
Blswarck-Inseln s. Mission.
Blei in westpreussischen Bronzen 124.
Blitzrihren aus gefrittetem Sand 436.
Bl«ii4e in Altägypten bisher nicht bewiesen
404.
Bibiuea siehe Anthropophagie, Aschengrube,
Bronzekeulen, Öaslau, Öemy vül, Feuer-
bestattung, Harrau, Lobositz, Lössfunde,
Podbaba, Schädel als Gefässe, Schlauer
Berg, Schwarzhaarige, Skelet - Gräber,
Steinzeit, Stierköpfe, La Tene- Gräber,
Urnen - Gräber, Yölkerwanderungszeit,
Wiessen.
— , Beginn der historischen Zeit 258.
— , Funde ägyptischer Gegenstände 590.
— , vorgeschichtliche Thonfiguren 246, 258.
Btmess- Schnitt, Schutz gegen den — böser
Geister auf Feldern 601.
Btert 311, 579.
Beeren in Berlin 312.
Birssuin, Kupfer-Doppelazt 176.
Bisfl, Kr. Lüchow, Aberglaube 118.
Btls-Rf jintnd, da, l^iiill, BerUn f 26, 580.
Bm piiiulgenlHs in prähist. Gräbern, Worms 471.
— , tanras brachyceros in Worms 472.
Btsnlen s. Metall-Einlagen.
— , Hausgewerb liehe Gegenstände U8.
— , Industrie- Schulen 163.
B»jf, V., Kopenhagen f 237, 580.
Brachjcfpbalie von Mbwari-Leuten 571.
Braknianen-(Pandit-) Schule in Vemag, Kasch-
mir 190.
Brandenburg siehe Alt^rthümer, Beelitz, Biesen- Briist«w, Uckermark, silberner Fingerring 594.
thal, Brüssow, Burg, Burgwall, Diensdorf, , Briiite der Mwinsa, Udjidji 561.
Drachensage, Fingerring, Finsterwalde, i Brnstlati mit Ringen, Brautschmuck der Lappen
Frau Harke, Frehne, Fundstätten, Gadsdorf, i 117.
Gesichtsnmen, Görbitzsch, Gräberfelder, Bnckelnrnen von Wilmersdorf, Kr. Beeskow-
Kinderklapper, Klanswalde, Leibsch, Lind- Storkow 223.
hörst. Luckau, Lüdersdorf, Oberkietz, Rund- ^ Bnea, Kamerun, Schädel 154.
wall. Sagen, Schlossberg, Schwert, Skara- Bnkofac, Kroatien, slayische Gräberfunde 364.
bäen-Gemme, Stemberg,Tomow, Wenden- Borg a. Spree, Schlossberg, Dnrchschneidung
reste. 34, 814, 489, 582, thönemer Schwan 362.
Braunscbwelg s. Bauwerke, General -Versamm-
lung, Naturforscher- Versammlung. .
Brantscbmock der Lappen 117.
Bregma - Gegend , gefaltete, an deformirten
Schädeln 231.
Brief A. Bastian's 237.
Briefe von W. Joest 162.
Branie- Armband von Serrieres bei Neuchatel,
489, -Cisto mit Inschrift von Panstorf
455, -Depotfund von Clempenow, Pom-
mern 122, von Czernowitz, Kr. Thom 290,
-Dolche, ganz kurze, von Lnndenburg,
Obran 343, -Gefäss von Mnnsterwalde,
Westproussen 39, -Gürtelblech mit Thier-
Omamenten aus Transkaukasien 462,
-Guss, heimischer, 447, -Helm aus einer
Höhle bei St. Canzian 230, -Idole, schein-
bare, aus Tiilis 561, -Keule (Morgen-
stern) von Butzke, Pommern 241, -Keulen
aus Böhmen 599, -Pferd von Brunn 343,
-Sachen von Wilmersdorf, Kr. Beeskow-
Storkow 223, -Schwert aus der Peene 231,
-Skeletgräber in dem slavischen Gräber-
feld bei Bielo Brdo 363, -Stier aus der
B^öiskala-Höhle 342, -Urne von Nijm-
egen 450, von Topolno, Kr. Schwetz 36,
-Urnen, gewellte 176, -Zeit in Böhmen 44,
- und Steinfunde vom grossen Werder im
Liepnitz-See, Kr. Nieder-Bamim 262.
Bronzen von Benin, Westafrica 463, Her-
stellung der alten, aus Erzen 127, in
Mähren 342, s. Untersuchung.
Bränn, s. Bronzepferd, Skeletfund.
— , anthropologische Excursion 208.
Brüssel, (Jongr^s international colonial 163,
Internationale Ausstellung, Classe für
Anthropologie 27.
(638)
Burg wall bei Görbitzsch 429, yorslayiscber, bei
Klanswalde 483, bei Mehlken, Er. Gart-
hang 129, -Scherben von Görbitzsch 481,
und vorslavischer Urnen - Friedhof yon
Eönigsbmnn in Ci^'avien 171.
Butike bei Beigard, Pommern, Bronzekenle 241.
Batittw, Kreis Westhavelland, s. Excnrsion.
B;^(iskäla-Höhle, Mähren 841.
C.
faire, das neue Mnseum 168.
Calori, Lulgl, Bologna f 25, 579.
Canis famlllarls in neolithischen Gräbern 472.
Caniian, St. bei Triest, s. Bronzehelm, Kupfer-
fnnde, Nekropole, Thierknochen, Thon-
getäss,
— , Höhlen 225, die beiden Kekropolen bei 860. Derwlscke in Nord-Africa 878.
fapaclfat aostraliscber Schädel 518. ' Dlensilorf, Kr. Beeskow-Storkow, Umenfeld 57.
(ap-nadchen in Berlin 812. | Dllaflum, Thiere des, in Mähren 888.
farne«!- bezw. Achat-Perlen ans Mossi, West- ' Dollchacepballe von Anstralier-Schädeln 509, der
Africa %. Steinzeit -Schädel von Worms 467, 46M,
iaslan, Böhmen, Gefäss mit Widderkopf 256. von Udjidji-Lenter 571.
^ernjf val, Böhmen, Stierkopf ans Thon 251. Dolnengriker in Algier 278, 283.
Cervas elaphns in neolithischen Gräbern bei I Dtppelazt ans Kupfer von Börssum 176.
Dainasciia, Metall-Einlege-Arbeiten 107.
Danewerk, Ausgrabungen 458.
Danilf, Gedenkfeier der Anthropol Gesell-
schaft 359.
Oajakeo-Pkfttgraphleii 175.
Deformallon der Gräberschädel von Guatemala
324.
— eines Peruaner-Schädels von Arica 507.
— eines prähistorischen Schädels v. St.Caniian
861.
Delft s. Congress.
Denmlo, Pommern, Bronze-Schwert 221.
Denknal für Johannes Möller 164.
— für Dr. Ludwig Wolff 85.
Worms 472.
Cfjlan BIB.
Cki^car, Guatemala, Gräberschädel 325.
Ckaldisebe Forsckaugeii 302.
Ckamaedolicbecepbale von Quedlinburg 150.
Cbamaemesopkalle eines Bakwiri-Schädels 156.
Diffllnde und Johannisfeuer 495.
Drackcnfek, bei Dnrkheim a. H. 51.
DracbeB«age von Balkow, Kr. Cottbus 121, von
Seddm, West-Priegnitz 119.
Dsbawat, Transkankasien, vorgeschichtl. Thon-
gefässe 209.
rblcago-Saittnilunf des Museums für deutsche Dnugkeller des Tacitus 595.
Djnasllr, Königsgräber der ersten, in Aegyptea
276.
Eigentbnaisoiarkeii in Bosnien 99.
Elbdarf, Kr. Oschersleben, Gesichts-Thnrunien
348.
Volkstrachten 238.
Ckina in ethischer, industrieUer und politischer
Beziehung 27.
Civldalf im Friaul, Erinnerungsfeier für Paulns
:\bH.
Clenipenow, Pommern, Bronze-Depotfund 122.
iolonlal-AbtbeUang des Auswärtigen Amtes 561.
C«laDlal-6esell$cbaft, Deutsche, Abtheilnng Berlin I Elnbalsanlraif von Köpfen im Altertfaoni 181.
27, 481, 586. BlBiraBderoB|;en, alte, in Aegypten 266.
C«ngres archeologique de Malines, Belgien 208. Elsen-Flbeja in Mähren 342.
— international colonial in Brüssel 163. — -Funde in der Hfinenburg bei Rinteln 370.
— d'hygiene et de climatologie medicale de — -Matr im Stolpe-Thale, WestprensMo 66.
la Belgiqne et du Congo in Br&ssel 312. — -Objecte angebliche aus der zweitmiiersten
iengress, internationaler, f. Nervenheilkunde, Buinenstadt von Uissarlik 500.
Brüssel 208. ScbiaelieD, vorgeschichtliche, bei Böderan,
— 6. Niederländischer Natur- und Heilkun-
digen- in Delffc 483.
•— für Zoologie, internationaler 586.
Caagresse 111, 112, 581.
Catk-Inaeli, Besuch der 818.
Ctsta Rica, Ausgrabungen 860.
Ceiriisanea, japanische 89.
€rinilaal-.4Btbrtp«lHie 176, 238.
Königreich Sachsen 595.
Eisleben, prähistorisches Gefäss vom sahugen
See 592.
EiepbaBtIasis scrtü 8a
EireabHa-FlgireB in einem altägjpt Kdnigs-
grabe 207.
ElfnibeiatchnltiereleB in altägjptischen Qribeni
479.
Cieniowiti, Kr. Thom, Bronze-Depotfunde 290. ' EnaiDea in slavischen Gräbern 868 iL
(639J
EnifMuBf, posthome, der Haare altägji)t]8cher
Leichen 403.
EatbMpfBBg an ägyptischen Miimienll87.
EHbeben in Adelaide 814.
ErBihniig Erwachsener mit Frauenmilch 89.
Erpel hei Schneidemfihl s. Goldfund.
Ear«pa, Tättowimngen 328.
EicirsloB, anthropologische, nach Branden-
hnrg a. H. und Butzow 238, 812; nach
Brunn und Umgegend 208, 831.
EifftMen an Australiersch&deln 515.
Eipetfitlfo, nordamerikanische, nach der Nord-
west-Küste und nach den asiatischen Nach-
harländem 162.
Eiptsltltn iBlemaUtnale in Brüssel 208.
Ejrick, Emil, Berlin, f 88, 579.
F.
FMeB der Haare hei den Somal und anf Neu-
guinea 277.
Flicke, Jacob v., Wien t 237.
Ftrke der prähistorischen Bevölkerung Aegyp-
tens 404.
FarkeB im Löss von Pfedmost 387.
FtrkeBftste an altägyptischen Grabbeigaben 277.
FirkeastelB bei Görbitzsch 482.
FauBi, praeglaciale in Mähren 839.
FeM-Besprechen 119.
FellBBf der Zähne in üdjidji 418, 419, 422, 561.
Feaster der Basenhütten in Island 599.
Feste, altheidnische, im alten Mexico 610.
Feiff-BestattaBf in der Steinzeit 51.
^'efcropolen, königliche von Negada, Aegyp-
ten 264, in Aegypten 276.
— SpriH» der, zu Johanni 494.
Feaerstela-Aexte und -Keile von Lietzow, Rügen
300.
Btbrer von Lietzow 801.
Gtritke in einem ägyptischen Königsgrabe
207, in Mähren 842, -Lanzenspitzen 801,
-Messer und -Schaber 300, -Sichelmesser
301, - Werkstätte bei Lietzow auf Bügen
291.
WerkstiUeB und Gräber am Küchenteich,
Kr. W. Stemberg 486.
FIkel, frührömische, mit der Inschrift AV CISSA,
aus Rheinhessen 286.
FfkflB, Art ihres Tragens zu römischer Zeit
288.
— aus dem Hradisko von Obfan 842.
Flgires, Thon-, verstümmelte, aus Peru 474, s.
Lepra.
FUlgrtMrkelteB, vorgeschichtliche, vom Jahde-
busen 462.
FlUgnuMckaBck von Bielo Brdo 868.
FlBfer-RIng, silberner, von Brüssow, Ucker-
mark 594.
Fiscker in Udjidji, anthropologische Aufnahmen
568.
Fiscker, Carl, Lenzen a. £. f 236, 579.
Fiscker, Louis t 480, 579.
Flackeelt aus Kupfer, Tominz-Höhle bei St. Can-
zian 228.
FleBskarg, neolithische Funde 458.
Fl«ra, sicilianische 488.
FIbss, unterirdischer, bei St. Canzian 22G.
Fraas, Stuttgart f 579.
Fraak, Eugen f 161.
FraBkeakoff s. Ausgrabung.
Freakreick s. St Germain cn Laye, Germanen-
Darstellungen.
Fraaks, Sir Augustus W., London f 286, 579.
FraneBarkdt in Nord-Africa 373.
Frau Harke in der Neumark 449.
Frekae, Kr. Ostpriegnitz, Leinsamenfund 361.
FrejsBes im östlichen Island 165.
Frledköfe, vor- und frühgeschichtliche, bei
Worms 464.
FossspareB in Steinen 68.
G.
Ciadsdorf, Kr. Teltow, Gräber vorslavischer Zeit
497.
tÜBse-Eier, bemalte, in einem römischen Kinder-
sarge von Worms 165.
fiaadow, Kr. West-Priegnitz, vorgeschichtliche
Funde 447.
Ciekelae, menschliche, in der Tominzhöhle bei
St Gantian 230.
«ekfl-SUstlek, Inhalt eines Schädels 389.
Gefiss, slavischos, aus dem salzigen See bei
Eisleben 591.
Ciekeimgeuiack 80.
GekirasukstaBi einer altägyptischen Leiche 30,
eines Schädels aus Peru 82, Entfernung
der, aus Mumien 185.
GelsseluBgeii der Alssäwa 877.
GeM, Urgeschichte desselben 500.
General -VersauiBiluBf der Deutschen Anthro-
pologischen Gesellschaft 111, 812, 452.
GetgrapkeBtaf, deutscher 111.
Gerltke, lappische 115.
Gerippe und Schädel mehrerer Menschen in
der Moorschanze bei Quedlinburg 142, 145,
146.
T. Gerlack, Joseph; Erlangen f 26.
St. Gernuln ea Laje, Fibel mit Inschrift 287.
GeraMBeB-DarsfellBBgeB, antike, in Bronze 587.
GerflMBB, Margarethe, das armlose Mädchen
624.
(642)
KrrbsckBitt-Yerilening ans Bosnien 99.
Kesithclj-Calfor 866.
Eettlacktypiis 866.
EeilenUpfe ans Bronze 248, mit Stacheln 248,
ans Stein 242.
Kiefer, menschliche, im Löss von Pi^edmost
336.
Kiel s. Anthropologenfahrt^ General-Yersamm-
lung, Museum.
Kiniler der Wüste in Berlin 818.
Klnderklappcr von Luckau, Nieder-Lausits 261.
Klesclmesser, altägjptische 188.
Kiew, Archäologen-Congress 112.
Klaaswalde belReppen, Kreis West-Stemberg,
Burgwall 483.
KlrMang, altgermanische 586.
Klcln-Kensau, Kreis Tuchel, Steinkisten-Grab
88.
KDecben-Gerithe von Au, Ober-Bayern 822.
libleo auf Neu-Seeland 112.
Kotpfbase eines Mquamba- Weibes 268.
Kniten-Scliriri der Zigeuner 498.
— -Zeicbfn der Müller 491.
Köntpbroiiii, Kr. Strelno, Burgwall und Urnen-
Friedhof 171.
Kfnlfsgriber bei Abydos und Negada in Aegjpten
207, 276.
Kipfc, Einbalsamirung der, in Aegypten 181.
Kirper-Abgass einer Frauenleiehe des 12. Jahr-
hunderts 112.
Kfpfhaar der Kaukasier, Querschnitt 488.
Ktpfhaare aus prfthistorischen Or&bem Ober-
Aegyptens 401.
Ktpf- und Körpermaasse von Afrikanern in
üdjidji 410, Ö66.
Korangesetir, Umgehung der 874.
Kralo, slavische Gräber 868.
Krams, Ost-Priegnitz, Wiesenkönig 118.
Kraass, Franz, Wien f 26.
KrtaticD, slavische Gräberfunde 864.
KrMDmaii, Mähren, vorgeschichtL Funde 842.
Kobarj f 84.
Kfichen-Iifritbf, steinerne, der Ababde 272. •
Kestenfünd auf Rügen 872.
Kapfer-Axt von Börssum 176.
— -Icll von Augustenhof, Kr. Wirsitz, Provinz 1
Posen 289. !
Beilf in Böhmen 589.
— u. Bronze-Geräthe in altägyptischen KOnigs-
gräbem 279.
Cdt von St. Canzian 228.
— -Dticbe von St. Canzian 229.
— -^fgfBsttnde von Abydos, Aegypten 188.
Verlast bei Verwitterung von Bronzen 844.
Knrkel, das Wort, = Pantoffel 218.
110.
Landesfereio für sächsische Volkskunde 86.
Laage Wand s. Hfinenborg.
Lanieoipidcii, eiserne, der Karolingerzeit 214.
Lappiäoder im Gostum 84.
— , Qeräihe 115.
Lebensmittel -Ascbei aus ägyptischen prähisto*
rischen Gräbern 182.
Lebingrlber, vorgesehiehtliche, in Sandhfigeln
des Königreichs Sachsen 596.
Leibscb, Unter-Spreeirald, Umen-Griberfelder
54.
Ldcbenbraofl in der Steinzeit 182.
Leicbiam , Einzwänzung in einen beschränkten
Raum 278.
LeMen, National-Museum 85.
LelDsaraeD-Ytrratb in einer prähistorischen Wohn-
stätte bei Frehne, Kr. Ost-Priegnits 861.
Lepra, präcolumblsche, in America 569, 609,
612.
Conferens, internationale, in Berlin 474«
LIböany, Böhmen, Skeletgräber mit Steine und
Bronze-Geräth 589.
Liebsbanseo, Böhmen, Skeletgräber der La Tene-
Zeit 115.
Llepnlts-8pf, Bronze- und Steinfonde 262.
LIelaew (Rügen), vorgeschichtliche Feaentein-
Werkstätte 291.
Lindenblr»!, der, bei Lüdersdorf 448^
Llpa, Böhmen, Steinzeit- Gef&sse 589.
LIaga oder Uta, aussatsähnliehe Krankheit i«
Peru 612.
Lebfsits a. d. Elbe, Funde auf der LSsakappt
42.
LMTel, durchbrochen geschnitzter und gimvirter,
der Lappen 117.
LIssfHade b. Lobositz in Böhmen 42, in M4hr«a
882.
Lembok, Reise nach der Insel 85.
Uabat-8(lftu« 85.
Laekau, thöneme Kinderklapper 261.
Lfibeek, Anthropologen-Versammlung 452, Stein-
zeit 455.
Udersdtrf, Kreis Teltow, vorgeschichtd. Funde
445.
Lapis in Peru 612.
LnsQs nattrae 282.
Ljck, Mssuren, Marktscenen 176.
Haassf, alte, in der Müllerei 492.
MUnder Omatteat, Entstehong des 460.
nidchen, armloses 624.
(643)
Hlkrrii s. Brfinn, DilaTium, Höhlen, üöhleD-| Hlucklliife in Australien 514.
b&r, Hradisko, Mammathknochen, Mensch, < Mlailva, aostralische, auf den Bismarek-Inseln
Obran, Pi^edmost, Schoschuwka, Slonp, | 58.
Steingeräthe. , lllglleder-yenekkatet 3.
— , B^«iBkiUa-Höhle 341, Anthropologische Ex- Hlttel-Eurtp«, MeUll-Einlage- Arbeiten 108.
corsion 331. Monasav (Melasgert), altassjrische Stadt 307.
■Aaierarkvit in Nord-Africa 378. ' Iftret s. Uöhlengr&ber.
Halicca s. Anthropologie. Hmf- und Wokiiplalifiiii4e der Steinzeit in
MaauMtk in den Höhlen bei Slonp, Mähren 840. , Meklenbnrg 457.
lannatkkatckcH mit Fenerstein-Splittem nnd i ÜAtrsckaiu bei Quedlinburg 140.
menschlichem Unterkiefer bei Plredmost Mmeastemc aus Bronze 241, 590.
886. Mtsckee in Srinagar, Kaschmir 202.
Ht«ri-Allertk Aller 112. Mtskai s. Medicinischer Congress, Museen.
laquMka-lMtc in Berlin 312. Mtssi, W.-Africa, Achatperlen 96.
lariBMi j Ti4«, Sevilla f 207, 580. Mqaanka-Weib mit sog. Knopfnase 268.
■arMc«, Metall-Einlage-Arbeiten lOa Mroniii-Frau, Udjidji 567.
Marqaesat-lBscia/pteise nach den 858. Mtonl-Schftdel, Udjidji 426.
Hartent, Jacobus Leonardus, Stammbaum 481. ■iasterwalde, Westpreussen, Bronze-GefiUs 39,
■aniagi, Mann, Udjidji 564. 176.
Mkwari in Udji4}i 568. HnaieB aus dem Burgwall bei Mehlken 60,
■4141 in Udjicyi 565. römische, in Slayengrftbem 368, römische,
■•dldBltcker Ctugms, |inteniationaler, Moskau vom Zwiesel 819.
112, Anthropologische Section 459. !IIA(seii4eckel von Königsbrunn, Kr. Stirelno 173.
IcgaUtkgrlker des nordwestlichen Deutschlands , lokaninc4aBcr aus Kaschmir 208.
468. ffasckebckalea als Verzierung aufThonscherben
■f kikea. Kr. Carthans, Burgwall 58, Historisches , 180.
129. . Moscbelseknoek von Krommau, Mfthren 342.
Meister Haas, der Drache 122. Miseum, in Agram, Slaven-Gr&berlunde 363,
IMIeakiirK s. Hünengräber, Museum, Paläo- deutsches Colonial- 85, fir Kunst und 6e-
lithisches, Schwerin, Steinzeit. werbe in Hamburg 468, in Kiel 458, in
r, Berlin f 207, 580. Laibach, Slavengräberfunde 865, in La PlaU
■easck, der europäische, und der Tiroler 35, 162, in Leiden 358, in Lübeck 452, in
in mährischen Höhlen 340. Moskau 462, römisch-germanisches Gen-
MtMckeircttr im Löss von Pjredmost 336. tral- in Mainz 582, in Schwerin 456, in Triest
lcrevliscfielt,|Funde der, in Worms 464. Slavengräberfunde 865, für Völkerkunde
Xeseceipkalle,*^ der ^Schädel aus der Römer- und [ in Hamburg 462, für deutsche Volks-
Frankenzeit von Worms. 469, vonMwinsa-
Leuten 571.
trachten in Berlin 238, 359, 582, in Worms
464.
■rssdtrf, Kr.^Osterburg, Brandgräber 87. ■■slk-Iaitraneate aus Nord-Africa 874.
HcMiag nnd Feststellung von Personen nach ■■tterkrais, antiker von Duna Szekscö, Ungarn
Bertillon's System 238. 52.
XHail-Eiolsgfa in Holz, Hom und Bein 104, Mwiosa-Lente in Udjidji 561.
auf bosnischen Holzgeräthen*104. ; lljtslUs tssificans, Skelet mit, in Adelaide 314.
Melalltaäe aus römischen Wohnstätten am
Zwiesel 319, der transkaukasischen Gräber , ^•
210. Nackkll4uof;eo ethnologischer Schädel in Gjps
lrtaU-ttcgeaslia4e in einem ägyptischen Königs- ' 508.
grabe 207. j .\ackgekort von Thieren 119.
IHaV-latarsisoIrMtcB in Bosnien 99, indische j NackUlger auf dem Beelitzer Heidenkirchhofe
107. 435, im Burgwall von Klauswalde 483.
iHaUvKle in Altägypten 284. Nacktreiter am Teufelssee 120.
ans Troja 183. ^Hl^K ^^i* erste, im Hause, Baden 496.
■rtwisite, Nova 54. ^akriigsMlttel-Attsstellug in Berlin 859.
die Perle der Khön 87. Kakmigsteffe aus der Hünenburg bei Rinteln
liiMrr, Unterrichts-, Staatszuschuss 1G2. I 371.
41
(642)
Krrhftcknitf-Yenlerang ans Bosnien 99.
KesitMj-Coltar 866.
lettlachtypiis 366.
letleikjpfe ans Bronze 248, mit Stacheln 248,
ans Stein 242.
Kiefer, menschliche, im Löss von Pi^edmost
336.
KIfl s. Anthropologenfahit, Qeneral-Yenarom-
long, Mnseum.
Klniler der Wüste in Berlin 318.
Rlnderkltpiifr von Luckan, Nieder-Laositz 261.
KleteliueMer, altftgjptische 188.
Kiew, Arch&ologen-Congress 112.
Klaaswtldc bei Reppen, Kreis West-Stemberg,
Bnrgwall 483.
Klrlding, altgermanische 586.
KlelD-Kensaa, Kreis Tuchel, Steinkisten-Grab
88.
Kotcbeo-fierithe von An, Ober-Bayern 822.
l«hleD anf Nen-Seeland 112.
Kitpfbase eines Mquamba- Weibes 263.
Kottea-Scbrlft der Zigeuner 498.
— -SeIckfB der MüUer 491.
KJnlpbmap, Kr. Strelno, Bnrgwall und Urnen-
Friedhof 171.
Kfalgsgriber bei Abydos und Negada in Aegypten
207, 276.
KifUy Einbalsamirung der, in Aegypten 181.
Klrpff-Abfoss einer Franenleiche des 12. Jahr-
hunderts 112.
K«pfbaar der Kaukasier, Querschnitt 488.
Ktpfhaare aus pr&historischen Gr&bem Ober-
Aegyptens 401.
Ktpf- und Körpermaasse von Afrikanern in
üdjidji 410, 666.
Karangnetsf, Umgehung der 874.
KrtlD, slavische Grftber 868.
KnuM, Ost-Priegnitz, Wiesenkönig 118.
Krauts, Franz, Wien f 26.
Krtatlea, slavische Gräberfunde 864.
KrMnnaH, M&hren, vorgeschichtL Funde 842.
Knbary f 84.
Kicbea-fterltbf, steinerne, der Ababde 272.
Kistenfünil auf RQgen 872. !
Kopffr-Azt von Börssum 176. j
— -IHI von Augustenhof, Kr. Wirsitx, Provinz
Posen 289.
Beilf in Böhmen 589.
— u. Bronze-Ger&the in alt&gyptischen Königs- \
gribem 279. '
Cfit von St. Canzian 228.
— -ielcbe von St Canzian 229.
— -SifeBstlnde von Abydos, Aegypten 188» |
— -Verhut bei Verwitterung von Bronzen 844.
Karkel, das Wort, = Pantoffel 218.
LiSW-lukea 110.
LindesverHo f&r s&chsisehe Volkskunde 85.
Laage Wand s. Hfinenborg.
Lanieasplizen, eiserne, der Karolingerzeit 214.
Lai^rllii^ im Costüm 84.
— , Geräihe 115.
Lfbensmfttel-ABckeo aus ägyptischen prähisto-
rischen Gräbern 182.
Lekoigrlker, vorgeschichtliche, in Sandhögehi
des Königreichs Sachsen 596.
Leibscb, Unter-Spreeirald, ümen-GräbeifeUer
54.
Ukkeakraail in der Steinzeit 182.
Lelcbnam, Einzwänzung in einen beschränkten
Raum 27a
LeiäfB, National-Museum 85.
Lelasamea-ytrratk in einer prähistorischen Wohn-
stätte bei Frehne, Kr. Ost-Priegnüi 86L
U^n, präcolumbische, in America 659, 609^
612.
Ctofereas, internationale, in Berlin 474.
Liböaay, Böhmen, Skeletgräber mit Stein- vaä
Bronze-Geräth 589.
Lieksbaasea, Böhmen, Skeletgräber der La Teno-
Zeit 115.
Llfpnlts-8ff, Bronze- und Steinfosde 263.
Lldzew (Rftgen), vorgeschichtliche Fenenteiii*
Werkstätte 291.
Uodenkir»!, der, bei Lüdersdorf 448.
Ups, Böhmen, Steinzeit- Geflsse 589.
LIaga oder Uta, anssatzähnliche Krankheit in
Peru 612.
Lobtsits a. d. Elbe, Funde auf der Löaskapft
42.
LMTel, durchbrochen geschnititer und gimvütet;
der Lappen 117.
UstfHS^e b. Lobositz in Böhmen 42, in Mihr«
382.
Uflib«k, Reise nach der Insel 86.
LMbii-8(lftaag 85.
Lickaa, thöneme Kinderklapper 261.
Ubeck, Anthropologen-Versammlung 452, Stein-
zeit 455.
Udfrs^trf, Kreis Teltow, vorgeschicfalL Fmde
445.
Ufm in Peru 612.
Ums aatme 282.
Ljck, Mfsuren, Marktseenen 175^
S alte, in der Müllerei 492.
■laa^cr OrMUMat, Entstefausg dea 46a
Hl^ckea, armloses 624.
(643)
■ährfR 8. Brunn, Diluvium, Höhlen, Höhlen-
bär, Hradisko, Manunuthknochen, Mensch,
Obiran, Predmost, Schoschuwka, Sloup,
Steingeräthe.
— , B/öiskila-Höhlo 841, Anthropologische Ex-
cursion 8dl.
■ABMfirbvIt in Nord-Africa 878.
■alacca s. Anthropologie.
.Vannith in den Höhlen bei Sloup, Mähren 340.
MammatbkRtchen mit Feuerstein-Splittern und
menschlichem Unterkiefer bei Piedmost
886.
■atrl-AheHkumer 112.
Ha^Hanka-liMte in Berlin 812.
narimto j Todt, Sevilla f 207, 580.
■arMco, Metall-Einlage-Arbeiten 108.
lar|tfsat-lB8€la,'ptei8e nach den 858.
MarteM, Jacobus Leonardns, Stammbaum 481.
Mamagi, Mann, Ui^ic^i 564.
Ikwari in Udji4ji 568.
HdJI^I in Ucyicyi 565.
■edkinltcker Ctugms, ^internationaler, Moskau
112, Anthropologische Section 459.
■egalitkgriker des nordwestlichen Deutschlands
468.
Meklkea, Kr.Carthans, Bnrgwall 58, Historisches
129.
Heister Haas, der Drache 122.
HeklcBktirK s. Hünengräber, Museum, Paläo-
lithisches, Schwerin, Steinzeit.
■ei«0r, Berlin f 207, 580.
Heaaeb, der europäische, und der Tiroler 85,
in mährischen Höhlen 340.
MMsckfirettr im Löss von Piredmost 886.
lertvlBgeneit,tFunde der, in Worms 464.
Het«€e|pkalle,'' der ^Schädel ans der Bömer- und
Frankenzeit von, Worms. 469, vonMwinsa-
Leuten 571.
■ets^erf, Kr.^Osterburg, Brandgräber 87.
Hestaag und Feststellung von Personen nach
Bertillon's System 288.
Netall -Einlaici in Holz, Hom und Bein 104,
anf bosnischen Holzgeräthen^l04.
lelallAui4e ans römischen Wohnstätten am
Zwiesel 819, der transkaukasischen Gräber
210.
Ne(aU-lkcgeBslia4e in einem ägyptischen Königs-
grabe 207.
HHaU-Intarsia-ArMtea in Bosnien 99, indische
107.
HHdlvgie in Altägypten 284.
letaHargisckei aus Troja 188.
■Hrtlsgie, Nova 54.
Mlbclwg, die Perle dw Rhön 87.
■laMer, Unterrichts-, Staatsznschnss 162.
Hlscklioff in Australien 514.
Mission, australische, auf den Bismarck-Inseln
58.
nitglleder-Yerzelcbnlsfi 3.
Mittel-Europa, Metall-Einlage-Arbeiten 108.
MonaMT (Melasgert), altassyrische Stadt 807.
Motrea s. Höhlengräber.
Mfor- und Wohuplatifüiide der Steinzeit in
Meklenburg 457.
Motrschaase bei Quedlinburg 140.
Mfrgensterne aus Bronze 241, 590.
Mtsckee in Srinagar, Kaschmir 202.
Mtskai s. Medicinischer Congress, Museen.
Mfssl, W.-Africa, Achatperlen %.
Mqoanika-Weib mit sog. Knopfnase 268.
Mraadl-Frau, Udjidji 567.
Mtassl-Schädel, Udji(yi 426.
H&nstffwaMe, Westpreussen, Bronze-Oefäss 89,
176.
MfiiWi aus dem Burgwall bei Mehlken 60,
römische, in Slavengräbem 868, römische,
vom Zwiesel 819.
Mfitiendeckel von Königsbrunn, Kr. Stirelno 173.
MakaBimetoer aus Kaschmir 208.
Musckelscbalen als Verzierung auf Thonscherben
180.
Musckebckmack von Krommau, Mähren 842.
MoseiiBi, in Agram, Slaven-Gräberfunde 368,
deutsches Colonial- 85, fir Kunst und Ge-
werbe in Hamburg 468, in Kiel 458, in
Laibach, Slavengräberf unde 865, in La Plata
162, in Leiden 358, in Lübeck 452, in
Moskau 462, römisch-germanisches Cen-
tral- in Mainz 582, in Schwerin 456, in Triest
Slavengräberfunde 365, für Völkerkunde
in Hamburg 462, für deutsche Volks-
trachten in Berlin 288, 859, 582, in Worms
464.
MasIk-lastrumeBie aus Nord-Africa 874.
Hatterkrans, antiker von Duna Ssekscö, Ungarn
52.
MwiBsa-Leute in Udjidji 561.
Mjtaitls tsslficaas, Skelet mit, in Adelaide 314.
NachbilduBf^eB ethnologischer Schädel in Gyps
508.
^•chgebart von Thieren 119.
NackUlser auf dem Beelitzer Heidenkirchhofe
435, im Burgwall von Klauswalde 488.
Nachtreiter am Teufelssee 120.
^a^el, der erste, im Hause, Baden 496.
.^akrangsBrittd-Attsstellanf in Berlin 859.
KaliniBSstaip ans der Hünenburg bei Rinteln
371.
41*
(644)
Narben, bei Arabem, als Erinnenmgszeichen
gebrannt 875.
Nase der Mbwari, üdjidji 568, der Mwinsa,561.
Nasen von ostafrikanischen Vdlkerstämmen 561.
Natlfnal-Ctstlm in Bosnien 99.
Natarfirscber-Versammlung in Braunschweig 463.
Natarspiele 282.
Natur- nnd letlkiinillgeu - Congress , Niederlän-
discher 488.
Ndfgunbn^a, Bakoko-Unterstanim in Kamerun
602.
Nea^l, Fibel mit Inschrift 287, zoolog. Sta-
tion, Jubiläum 27.
Nega^, Aegypten, Auffindung eines Königs-
grabes 207, Menschenhaar und Getreide-
kömer 404.
Nekreptlen bei St Canzian, Triest 230, 360.
Neolltkiscke Funde aus Au, Bez. Traunstcin 819,
in Mähren 843, bei Worms 87.
Neu-fiulnea, Kaiser- Wilhelmsland, Ornamente
159.
Neu-Seeland, Alterthümer 112.
NenwakI des Vorstandes 585.
Ngunba-SckUel 405.
NiederlansHi s. Gesellschaft
NIenbfittel, Kr. Uelzen, langobardisch-sächsi-
scher Friedhof 808.
NUmegen, Holland, gewellt-e Bronze-Urne 450.
Neda i\ Salemtne 494.
Nerdwesikfiste Nord-Americas und benachbarte
asiatische Länder, Expedition 162.
0.
Oberkleti in der Mark, Ansgabung 595.
Okamlky Posen, eiserne Lanzenspitzen der Karo-
lingerzeit 214.
OUran, Mähren, Hradisko 832, 342.
Oeeaalen s. Alterthfimer, Cook-Inseln, Darstel-
lungen, Elephantiasis, Höhlengräber, Mis-
sion, Ornamente, Photographien Ton
Schädelmasken, Samoa.
— , Reisen 813, 358.
Oetterrelck, Böhmen, Bosnien, Brunn, St Can-
zian, Excursion, Hohenstadt, Kroatien,
Mähren, Mensch, Slavonien, Thonfiguren
Triest, Wandbüder.
Okrringe von Königsbmnn, Kr. Strelno 175.
Orakel, der Aissäwa 877.
Orient- €tailU, Auflösung 85, Reconstruction
812, 582.
Ornamente ans Kaiser-Wilhelmsland 449.
OrnauMutik, altägyptische 264, 280, der ältesten
Cultnr-Epoehe Aegjptens 391.
Ortkfdolkkvcefkalie eines Bakwiri-Schädels von
Kamerun 155.
OssowskI, Q., Tomsk f 237, 580.
Ost-Havelland, Alterthümer 128.
Ostpreussen s. Giebelyerzierungen, LycL
Ostsee s. Seeverkehr.
Ovis arles in neolithischen Gr&bem bei Worms
472.
F.
Palitlltkisckes in Aegypten 266, in Meklen-
burg 457.
Paln-Slemsen, f 480.
Pauken, 5-Steinchenspiel 446.
Pansttrf bei Lübeck, Bronzeciste 455.
Parduklc, Böhmen, Steinzeitfnnde 588.
Papü, Guatemala, Gräberschädel 327.
Paulus DIaeenus, Erinnerungsfeier in Cividale 856.
Peene, Bronzeschwert aus der 221.
Perforatlen des Schädelgrondes in ägyptischen
Mumienscäädeln 135.
Persien, Metall-Einlege-Arbeiien 105.
Peru, Thon-Figuren mit verstanmielten Nasen
und Beinen 474, 528, Inhalt eines Schä-
dels 82.
Pfkkikan von Alt-Lfibeck 454, von Sehosseft-
ried 161.
Pferd In mährischen Höhlen 840.
Pferde-Ilefer in der Moorschanze bei Quedlin-
burg 142.
Pfellerkluscken auf der Nahe-Brftcke in Kreuz-
nach 81.
Pflanien als Urbilder von ägyptischen Hiero-
glyphen 893, -Ornamente auf altägypti-
schen Thongefässen 282, -Reste in vor-
geschichtlichen Gräbern 228.
Pflanienwnrzel, monströse 282.
Piugsckar in Altägypten 284.
PkekfUMle, das Bärenweib als 624.
PkotHrapkle-Alban der Gesellschaft 314, 666.
Pkilegrapklen ägyptischer Schüler 855, von Be-
duinen, Tuaregs, Marokkanern 818, tob
Dayaken, West-Bomeo 175 1 einor eiser-
nen Dolchklinge aus dem BieWSee 913,
von Elephantiasis scroti ans Samoa 88,
von der Excursion nach Brandenburg a. H.
312, antiker Germanen-Darstellungen 587,
von Javanern und Javanerinnen 222, ans
dem Kaukasus 561, von Lyck, MasoreB,
Marktscenen 175, eines Mqnambaweibee
mit sog. Knopfoase 263, von Port Darwin,
Australien 88, des romanischen Capitalls
in der Krypta des Domes in Braodett-
bürg a. H. 312, von Schädelmaskan aof
Neu-Britannien 367, prähistorischer Tboe*
gefässe von Dschawat, Gouv. Baku 9n8,
kaukasischer Typen 209, von Thongefi«sn
(645)
aus bayrischen (hmbhdgeln der Bronze-
zeit 362, aas U<yidji 661, von Veitrechei^
Physiognomien und T&ttowinmgen 331,
Ton Weddahs 314, -Sammlung der Gesell-
schaft 583.
Piagaeate, Istrien, Siayengr&ber 865.
Pfauilneter, neues 288.
PltfjknfiBle an Yorgeschichtlichen Skeletten
von Worms 465.
Pktjrrhlnle eines Mtussi-Sch&dels 428.
Pe4kate, Böhmen, Stierkopf aus Thon 250,
TerrasigiUata-Scherben 589.
Plppeadorf bei Lfibeck, Bingwall 454.
Pelydadjlie eines Mwinsa in Udjidji 561.
Ptlyaetkii, Reise 813.
Ptnneni, Ausgrabungen, Bronzekeule, Butske,
Clempenow, Gesichtsamen, Küstenfund,
lietiow, Rügen, Stein-Depotfunde, Stein-
leitgrab.
~, Bronieschirert aus der Peene 221.
Pttei 8. Augustenhof, Goldfund, Kupferbeil,
ObomÜL
PMntst, M&hren, Artefakte und Menschen-
schfldel im Löss 887, menschliche und
thierische Beste der Diluyialzeit 386,
Mammuthknochen mit Pfeilspitze 886.
Preyer, Will, Thieny t 811.
Prleiter-Miaüea von Deir-el-Bahri 185.
Prtcessos fronlalis squamae temporalis am
Bakwiri-Schädel 156.
— lemurianuB an Gräberschfldeln ron Gua-
temala 826.
Prillwlnkel australischer Sch&del 518.
Prepathic der Bakwiri-Schftdel 156, von Ja-
unde-Sch&deln 607.
PrtJecUtasUMer kaukasischer Gegenden und
Menschen 561.
Pnkskj, Franz v. f 857, 579.
PjgMiM s. Zwerge 91.
QaedUnbarg s. Moorsehanze.
B.
fUdeiitckcl, Kr. Cottbus, Schimmel-Spuk 120.
RiacbergefiiM von Röderau 595.
lUpkaeTi Adan und Era im Original und Kupfer-
stich 188.
Ente der in alt&gyptischen Gräbern Bestatteten
288, 402,404.
ReWatterf, Kreis Lüchow, Ungererdschken und
anderer Aberglaube 118.
lUckaaog der Gesellschaft für das Jahr 1897
588, der Rudolf Yirchow-Stiftung für das
Jahr 1897 585.
Reckts und links arbeiten 268.
Rflcheakall s. Funde, Hausst&tten.
ReikerWrg b. Biesenthal, Rundwall 262.
Reise in Aegypten 182, anthropologische, nach
Australien 207, 313, 508, nach Neu-Guinea
288, nach der Insel Lombok 85, poly-
nesische 813, 858.
RelseMder aus Deutsch-Südwest- Africa 481.
ReligIfBeQ Kaschmir's 200.
Renfklerreste in mährischen Höhlen 840.
Retsln, Ponunem, Steinzeitgrab 87.
RkHigewaaa bei Worms, neolithische Skelet-
gräber 465.
RkHiprtftns s. Trier.
Rklntcerw-KiecbeB, bearbeitete 834.
Rln^trklefer aus der Moorschanze bei Quedlin-
burg 158.
Rinilerpesi in Süd-Africa 52.
Rlngwall Milseburg in der Rhön 87, bei Obran,
Mähren 382, 842, die Schanze von Pöppen-
dorf 454.
Rlntelo a. W., Ausgrabung der Hünen- oder
Frankenburg 869.
Rlvlsta ItallaBa di sociologia 288.
Rliil, Don Jose, Luzon f 26, 480.
— Letztes Lebewohl 575.
RMeran, Lehmgräber 595.
Riacndt, Funde der, in Worms 464, 468.
Ritbel im Löss von Pfedmost 887.
Reaalcc, Böhmen, Kupferbeil 589.
Retkfiuiaiig von Skelettheilen im Löss 334.
— 8. Bemalung.
Retkkatrige bei den Somal und auf Neu-Guinea
277.
RiiilBke, Böhmen, Kupferbeile 589.
Rfifen, Küstenfnnd 872.
— 8. Lietzow, Stein-Depotfunde.
Rakekettra, assyrische 164.
Riidwali bei Biesenthal 262, bei Leibsch, Spree-
wald 56.
Roitlaid s. Amulette, Antimongeräthe, Bronze-
Gürtelblech, Gräberfunde, Kalmücken,
Kaukasus, Kephalonie, Mediciner-Congress
Museen, Schädel, Transkaukasien, Wolo-
sowo.
S.
Stbkftkfelcr der'ATsawa 376, der NordaMkaner
893.
Sacksen s. Aberglaube, Eilsdorf, Gesichts-Thür-
Umen, Gründung, Lehmgräber, Messdorf.
Sackferstinillge für das Königl. Museum für
Völkerkunde 162.
Stdert^orf, Kr. Guben, Skarabäen-Gemme 169.
Sirge, goldene, in Hügelgräbern 117.
(646)
Sage vom Farbensteio bei Görbitzsch 432.
Sagen vom Schlossberge Mehlken 68, der Um-
gegend von Trebichow, Kr. Cottbus 120,
welche an vorgeschichtliche Grftber an-
knüpfen und anderer Aberglaube 117.
Sakara-Bewfbner in Berlin 288.
SabI, Sidney f 287.
Sallet, V. t 580.
Salikacker in Udjidji 561.
Saliwedel, Bäume beschenken 119.
Saiaea s. Elephantiasis.
SantglteD 379.
SaMtgHiea, Zwerge 92.
Sammlung Petermann in Burg a. Spree 49 t.
Sammlungen*, ethnographische und archäolo-
gische in Hamburg 462, der Gesellschaft
588.
Scbädel s. Nachbildungen.
— aus algerischen Dolmen 288, australische
88, 506, mit pathologischen Zuständen
514, der Bakwiri, Kamerun 154, von den
Cook -Inseln 818, deformirter von Arica
506, vom Gebel Silsileh, Inhalt 889, zu
Gef&ssen verarbeitete aus Böhmen 589,
von Jaunde aus Kamerun 604, mensch-
licher, im Löss von Piredmost 887, in der
Moorschanze bei Quedlinburg 144, eines
Mtussi von Udjidji amTanganyika-See 426,
aus einer neolithischen Ansiedelung in
Böhmen 46, von Ngumba, Kamerun 405,
von Neu -Seeland 114, der Römerteit
in Worms 468, der Steinzeit, älteste, von
Wolosowo, Russland 459, ans der Tominz-
höhle bei St Canzian 230, deformirter
281.
Artefakt, japanisches 218.
— -Inhalt (harzartige Masse) aus einem alt-
ägjptischen Schädel und ans peruanischen
Mumienköpfen 32, 188.
NasLen aus Neu-Britannien 867.
Sammlung der Gesellschaft 588.
Schaffkansen s. Schweizersbild.
Sckale mit Vogelfigur von Burg im Spree-
walde 591.
Schauiammlung von ethnologischen Schädeln
508.
Sckerken, vorslavische, vom Lindhörst 445.
SehlDianker von Mehlken 65.
Schlmmel-Spnk 120.
Sckläfenrlnge von Bielo Brdo 368, in Istrien
865, in Krain 365, in KroaHen 864.
Scblagenlhln, Kr. Tuehel, Hügelgräber 88.
Scklaner Berg, Böhmen, Stiertiguren 254.
ScklangenbeKkwJrer, marokkanische, in Berlin
813.
Scblangen-Oraament in Mähren 842, der Urne
von Schwennenz 593.
ScUappanHz, Mähren, neolithische Gefässe 848.
Schleife, Kr. Rothenburg, Schlesien, Wolle-
spinnen 168.
ScUepzIg im Spreewald, Umenfeld 379.
Schlesien 8. Schleife.
Schletwlg-Halsteln s. Danewerk, Flensburg, HoU-
arbeiten, Kiel.
— , Bronze-Analysen 344.
SchletUUdt, Grabfund in der Fides -Kirche
112.
Schllemann-Biste in Schwerin 456.
Scbllttkntcben von Obiran, Mähren 342, aus dem
Schlossberg bei Burg a. Spree 490.
SeUtssherg von Burg, s. Burg.
— von Mehlken, Kreis Carthans 58.
Schmdztlrgel von Au, Ober-Bachern 822.
Schmidt, Julius, HaUe f 480, 580.
SrhmiickMcken aus röm. Wohnstätt«n am Zwieitcl
319.
Scheschnwka, Mähren, Höhlen 840.
Schrifl, Kunst der, in Altägypten 284.
Gelinder in einem ägyptischen Königagrabe
207.
Schrinen-Aottansch 16.
Schnlklnder-Untenucbung in Niederland 488.
— in Aegypten, s. Photographien.
Schnsaenried, Pfahlbau von 161.
Schutamitlel gegen Viehseuche und Blit« 469.
Schwan, thönemer, vom Lüttgenberge bei Burg
im Spreewald 862.
Sehwarihaarlge in Böhmen 588.
Schweden s. Lappländer.
Schwedenschanze, die, bei Görbitzsch 429.
SchwHnefcntchen in der Moonchanze bei QaedUii-
bürg 158.
Schweitzer t 311, 580.
Schweiz s. Gesellschaft, SchwetzersbildfSeniexWK
Zeitalter.
— , Dolchklinge aus dem Bieler See 213.
— , mährische 336.
SchwHzershlld bei Schaffhausen 86.
Schwerin s. General- Versammlung.
— , Anthropologen-Fahrt nnd Museum 466.
Schwerter, eiserne, vom Wesenberg bei Bn»-
denburg a.H. 861.
SfcnndIr-BfstaUnngen in Aegypten 277.
Seddln, Westpriegnitx, Drachensage ll9,GTftbn^
sage 117.
Seeverkehr, alter, auf der Ostsee 457.
Senieres, Schweiz, Bronze- Armband 4A9
Sicillen s. Flora.
SiehbHn, Perforation des, in Mumien 186
SHherharren von Troja 500.
(647)
SltteriDiiiieii, angarische, in Slavengr&bern 368,
in vorgeschtl. Zeit(?) in Transkankasien
210. ^
Sinefc, Kroatien, slansohe Alterthümer 865.
SkarabiMi-CftemBe von Amtitz, Kreia Gaben 170,
von Sadersdorf, Kreis Gaben 169, von
Tammendorf, Kreis Crossen 170.
Skfift eines Ndogunbaea, Kamemn 602.
— -Bestattoag in Holzsftrgen der röm. Kaiser-
zeit in Worms 165.
— -Fand im Löss von Bronn 884.
— -(iriker mit ägyptischen Beigaben in Böh-
men 590, der Bronzezeit zwischen sla-
vischen 868, bei Gross-Czemossek-Czalo-
sitz, Böhmen 115, aaf Neu-Seeland 118,
slavische in Tstrien 865, in Krain 865, bei
Stemberg 489.
-FHd, slavisches bei Svinjarevce, Sla-
vonien 364.
•— •latchen, roth bemalte, von Neu -Seeland
118, von Brdnn 887, s. Bemalang.
SkelHtr, vorgeschichtliche von Worms 465.
SkHeUhflle in der Moorschanze bei Qaedlin-
barg 145.
Sklertdermle, allgemeine 625.
SlaThckes fiefist aas dem salzigen See bei
Eisleben 591.
Slaflsckes aas dem Schlossberg bei Borg an
der Spree 490.
Slavonlea, slavische Skeletgrftber 362.
SItap, M&hren, Höhlen 889.
Spina trtcblearls an Australier-Schädeln 515.
SfhM aas Bosnien 102.
Spinn» mit Spindel und Wirtel 95, 168, in
St&Uen 595.
Spinnrocken (Kankeln) aus Bosnien 100.
Sprachen derBismarck-Insulaner58, inKamenm
608.
Staate-Beihilfe för die Gesellschaft 162.
Stachelkenlen aas Bronze s. Morgenstern.
Stanrnbaum s. Martens.
Stetnstmp, Joh. Japetus Smith f 811, 579.
Stein, der, bei Biberteich, Breesen, Klaaswalde,
Tomow 441.
.4eite in Meklenbarg 467.
— -.innlelte in altftgyptischen Gräbern 277.
— -Ban in der Moorschanze bei Qaedlinbnrg
141.
— -BelftahHi in altägyptischen Gräbern i>77, 279.
— -Bell vom grossen Werder im Liepnite-See
268.
— -BepftAin4f aaf Rügen and in Vorpommern
458.
— -^flise der Ababde und andere ans Aegyp-
ten 272y 855, in einem ägyptischen Königs-
grabe 207, aas altägyptischen Gräbern 188,
275, 279.
StHn-Geritbe der Ababde 95, von An, Ober-
Bayern 820, in Mähren 888, in der Metall-
zeit 456.
— -Hiinmer, durchbohrter, von Horadies, Gouv.
Elisabethpol, Transkaukasien 210.
— -Inschrift der XVIII. ägyptischen Dynastie
184.
Kininifr von Oberkietz 595.
Rl»tf bei Klein-Kensau, Kreis Tuchel 88.
KIsteniriher in Costa Rica 360, b. Görbitzch
487.
Sarkophigf, römische, in Worms 165, 468.
Tmhen von Oberkietz 595.
Stelnielt in Aegypten 28, plastische Figuren
der, aus Böhmen 258, im Lübecker Museum
455, in Meklenburg 457.
— -Funde aus Aegypten 268, von Au, Ober-
Bayern 320, in ßöhmen 588, bei Flens-
burg 458, aus den Höhlen von St. Ganzian
228, aus der Gegend von Homburg 463,
in Mähren 348, von Waldhusen 455, in
Worms 464.
~ -Grah bei Retzin, Pommern 87.
(SriherfeM, neues, bei Worms 165.
Skelette von der Rheingewann bei Worms
465.
Scherhen vom Burgwall Königsbrunn 172,
aus der Moorschanze bei Quedlinburg 140.
Stfliftass, selbstgefertigter, eines Lappländers
84, 117.
Stempel für Brot 99, auf mährischen erfassen
843, auf Terra -sigillata- Scherben vom
Zwiesel 318.
Sternhf rf , Kreis West-Stemberg, das alte Haus
I 435, Feuerstein -Werkstätten und Gräber
436, Fundstätten 442.
{ Sternwarte auf dem Treptower Ausstellungs-
I platze 360.
! Stettin s. Gesellschaft.
Stefent, Hrolf Vaughan, Aneberg, Sarawak f
235, 580.
Stier-Figuren aus Böhmen 254.
— -Kffpf^ aus Thon, Böhmen 250.
Stiftnng für amerikanistische Studien 85.
Stirnhöhlen, starke, von Jaunde-Schädeln 606.
Strassatnn, Berlin f 207.
Snhftani, weisse, in den Ornament-Ritzen vor-
geschichtlicherThongefässeWestpreussens
35.
Satnra frenlalls persistens an Australier-Schädeln
515, an Peruaner-Schädel 507.
Svinjarrvce, Slavonien, slavisches Skelet-
Gräberfeld 364.
(648)
Swail-HanB in Berlin 812.
SjQfsttseo an Jannde-Schädeln 605.
T.
TtUkpfelfen, steinerae, der Ababde und der
Begarölker, Ostafrica 274.
Ttbu-W6rter in der Hochzeitsnacbt der Ja-
paner 91.
TtDier von Shangus, Kaschmir 199.
Tittf wirang , eorop&ische ron Menschenhant
281, 828, in Kamerun 608, eines Mwinsa
ans Kassenga (Udjidji) 561, in U^jidji 414,
418.
Tahiti 8. Höhlengräber.
TalkMhiefer als l£aterial für Töpfe 278.
Tamllea und Singhalesen auf Ceylon 818.
TanoMadirf, Kreis Crossen, Skarabäengemme
170.
Taii der 'Ais&ira 877.
TapfeDstdD von Mehlken und Steine mit Fuss-
spuren überhaupt 68.
Tir-kascbl, Draht-Einlege-Arbeit 105.
TaakB-FIM vom Zwiesel 819.
Tauf, Böhmen, Bronzekeulen 590.
Teckotk einer yorgeschichtlichen thönemen
Kinderklapper 261.
Teckniscbes aus Troja 188.
Tem^ auf Island 166.
Tempdralaen yon Martand, Kaschmir 199.
Teae-fiefiss, aus der Moorschanze bei Quedlin-
burg 140.
ftrlkr in Böhmen 115.
Te^^k -Weberei in Bosnien 99.
TerrasigUlafa-ScherkeB von Podbaba, Böhmen
589.
ThtBwaare vom Zwiesel bei Reichenhall 818,
Therealenkof s. Hügelgriber.
Thiergestalteo aus Stein in altägyptischen Or&-
bem 277, ab Vorbilder für Hieroglyphen
399.
Thlerkntchei in der Moorschanie bei Quedlin-
burg 142, aus den neolithischen Gräbern
Yon Worms 470, aus der Tominihöhle von
St Canzian bei Triest 229.
mer-OmameDle auf altägjptischenThongefässen
281.
Tkler-Reste, Diluviale, in Mähren 388.
Thtnerde, phosphorsäurehaltige, als Material von
Pseudomorphosen des Grab-Inhalts 853.
Thtafigarea, vorgeschichtliche plastische, aus
Böhmen 246.
Tbeagefiit der Steinzeit ans der Tominihöhle
bei St Caniian 228.
ThtagcdMe in altägjptischen Gräbern 277, mit
Darstellungen Verstümmelter, Peru 528,
614, römische, in Worms 165, slaviicbe,
aus dem Burgwall Alt-Lübeck 458.
Thfogerllh aus einer neolithischen Ansiedelong
von Lobosita, Böhnfen 46, vom Zwiesel
bei Reichenhall 317.
Tbengeschlrr von Au, Ober-Bajem 822.
ThiDscberbeB, bemalte, von Obhm, Mähren
342.
Tbormkff f, peruanischer, aus Arica 506.
Tlkl= Zwerg, weite Verbreitung des Wortes 95.
Tlrtler s. Mensch.
Tipferel in Troja 188, prähistor., in Trans-
kaukasien 210.
Ttf (iKberbea vom Schlossberge bei Mehlken 72.
Ttpelat, Kreis Schwetz, Bronie-Ume 86, 176.
Tfifrind, Knochen in Worms 472.
Toraew, Kreis West-Stemberg, grosser Stein
441.
Trarbtea-Haseam in Berlin 288, 859, 582.
Traatkaakasica, archäologische Funde 209, s.
Metallfnnde, Silber-Münien, Steinhammer.
Transvaal s. Hungersnoth.
Traatvaal-ABsstellaBis in Berlin 288, 812.
Trebicbf w, Kreis Cottbus, Sagen 120.
Trichter der Lappen 116.
Trier, Fibel mit Inschrift 287.
Troja 8. EÜsenobjecte, Silberbarren, Techni-
sches.
Tradenftass bei Wilshofen, Bayern 600.
Taarfgs in Berlin 288, 818.
Tubereeltas mailllt-nialarit und malarer Gesichts-
durchmesser 462.
Tirkel, alte Dischriften 814.
TjBBs, Aunötitier 44.
ü.
Uebergaagsielt-ttriber in Böhmen 44.
Dbebe als Ansiedelungsgebiet für deutsche
Landwirthe 586.
UJUi = U^idji, Anthropologie von Eingebonen
410, 561.
D4JI4JI s. Tättowimngen.
PwfiiagiBiaasse von Jaonde-Sehädeln 609.
Darracbtbarfcell der Frauen au eri[ennen 88.
Ungarn s. Mutterkrani, Urbeschäftigungen.
tJagstdn, Rheinpfali, römische Villa 88.
Unterklefer-llälfle eines Menschen im Löaa von
Pi^edmost, Mähren 386.
Vntcrsacbang, chemische, vorgeschichtlkher
Bronien 123, aus Schleswig-HolstdB SR
IJnTerwBBdbarkHt(?) der 'Aisäwa 87&
VrbcschifUgnngen in Ungarn, Forachimgen 814.
Drbewobner von Aegypten 270.
Dme s. Bronie.
Imen von Königsbrunn 178.
(649)
UnwifeM bei Buchhols, Kr. Ober-Barnim 57,
bei Diensdorf, Kr. Beeskow-Storkow 57,
bei Schlepiig, Kr. Nieder-Laositi B79.
VineDgriber der Bronzeieit in Böhmen 45, bei
Görbitzsch 488.
Dineohan-AasfBllaDgen auf Gef&ssacherben 180.
Drepiniig der Aegypter 268.
y.
Yanc«, Fraa Alice, geb. Reed, das Bftrenweib
621.
YarleUten an Anstralier-Sch&deln 515.
YeMes, Kndn, slavische Skeletgr&berfonde 365.
Yerbreeker • Phjslfgneiiilen und Tftttowirongen
881.
Yereln f&r sftchsische Volkskunde s. Yclks-
knnde.
— 8. Trachten-Moseom.
Yergletsckeraiif M&hrens Yon Norden her 882.
YentiniMeling, angeborene, des Bftrenweibes
621.
— , als Strafe (?) in Fem 559.
— , an Thonfiguren aus Peru 558, 614.
YerwallvagsWricht der Gesellschaft für das Jahr
1897 579.
YiUa, römische, auf dem Weilberge bei Ung-
stein, Rheinpfalz 88.
Yirckew-Stlftaag, Jahresrechnung 585.
YÜUntiane Kameruns 608.
YilkerwaDdeniDisiell, Brandgräber 87, Thier-
figuren aus Böhmen 258.
Yfg«l^nteltang Yon Hayrau, Böhmen 257.
Ytgelfigir Yon Burg a. Spree 591.
Tfflkskande, sftchsische, Verein f&r 208.
YtraWid des muselmannischen Sabbaths bei
den 'Aisawa 876.
Yergttchldite Aegypt^ns 389.
W.
Waclieabeini in der Rheinpfalz, La Tene-Grab
165.
WlsckeUepfer aus Bosnien 100.
Waffen der Bosniaken 98, aus der Hfinenburg
bei Rinteln 871.
WaykaseB bei Lübeck, Hünengrab 454.
Wall, prähistorischer s. Königsbrunn, Milse-
bürg, Moorschanze.
— , YorslaTischer, bei Burg a. d. Spree 490.
Walpargitaadit im hannöYer. Wendlande 119.
WandMMer der Völker Gestenreich - Ungarns
586.
WaB4cr-€fii|reste 581.
— -leMckrecken in Transvaal 52.
Wankel, Heinrich f 161, 579.
Wafpeaf laaie, altftgyptische 895.
Wattenkack, Wilhelm f 857.
WedM-Pket«grapkleD 814.
Weklnltz, Böhmen, Aschengrube 115.
Wdcktkelle, Entfernung der, aus ägyptischen
Mumien 185.
WelknacktskraBck im hannÖY. Wendlande 119.
Weiss, Hermann f 161.
Wdcker, Hermann f 857, 580.
Wellenllnlen-Oroaiiient Yon Gadsdorf, Kr. Teltow
497, römisches 818.
Wellen-Ornameat und Schlangen-Ornament 598.
Wenden bei Lüdersdorf 445.
Weudland, Weihnachtsbrauch im Hannoverschen
119.
Weslprenssen s. Analysen, Antimon, Blei, Bronze-
Depot -Funde, Bronze -Urnen, Burgwall,
Gedenkfeier, Hügelgräber, Kalk, Klein-
Kensau, Mehlken, Münsterwalde, Sagen,
Schlagenthin , Schlossberg , Steinkiste,
Tapfenstein, Untersuchung.
Wetterkexen 498.
Welzstein-Ificksen aus Bosnien 102.
Widderkepf an einem Gefäss Yon Öaslau, Böhmen
256.
Wiege, goldene, sagenhafte, im Hügelgrabe Yon
Gross-Chüden, Altmark 119.
Wle|»ken, 0. F. f 84.
WIessen bei Saaz, Böhmen, Stierkopf aus Thon
258.
Wllmersderf, Kreis Beeskow-Storkow, Urnen-
Gräberfeld 228.
Wllskefen, Bayern, Trudenfuss 600.
Wirterkicker und Literatur der Sprachen im
Bismarck-Archipel 54.
Weknst&ttea, neolithische, bei Iiobositz 45,
römische, bei Reichenhall 816.
Wellespinnen mit Spindel und Wirtel 95, 168.
Welfstwe, GouY. Wladimir, älteste Steinzeit-
Schädel 459.
Wemifl s. Gräberfeld, MeroYingerzeit, Museum,
Platyknemie, Römerzeit, Skelet-Gräber,
i Steinzeit, Thierknochen.
- , römische und neolithische Gräberfelder 87,
464.
Wfirttenkerg s. Schussenried.
Z.
laknfentinuaelang in Udjidji 418, 419, 422.
lankerftfimeln, japanische 89.
lankerknetea 498.
Zaakerwelker 498.
leLe, längste, bei Afrikanern 561.
leldien des Südens in ägyptischen Hieroglyphen
282.
XeHalter, Dauer der Yorgeschichtlichen 86
(G50)
fOr Criminftl-Anthiopologie , Ge-
ss-WisseDschaft und FrostitutioDB-
176.
der gewellten Bronie- Urnen 178,
esJchts-Umen 260, der amerika-
D ThongefiUtte mit Darstellungen
mmelter 615, 621.
Dze-llnen 176.
f, Angebliche, der Lolchen bei der
tnng 278.
D Udjidji 436.
Knotenechrift.
lUachee, in Qr&bern 362.
lei verwitterten Bronzen 348.
Zlitt-TerkHUMa ini tropischen Afnca ud Zinn-
Indoatrie der Eingebomon t>T.
ZiBipir, Engen t &t<0.
XmIhI», internationaler Congress 586.
ZaIg-lUchtn in Berlin 312.
Ewtrge in Kamemu 602, und grosse Leute in
demselben Volke 91, 379, bei Thieren
Kamenin 603.
X*cfErauei in Marocco 95.
IwicMl bei Beichenhall, Ober-Bayern, rOmiache
Wohnst&tten und Griberfeld 816.
Eduard Kraase.
Naehriehten
über
deutsehe Alterthumsfunde
1897.
Mit Unterstützung
des Königlich Preussischen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts-
und Medicinal- Angelegenheiten
herausgegeben von der
Berliner Gesellschaft fOr Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte
unter Redaction von
R. VIrchow und A. Voss.
Erg&niungsbl&tter rar Zeitsehrift Ar Ethnologie.
BERLIN.
Verlag von A. Asher&Co.
1898.
Inhalts -Verzeicimiss.
Seite
1) Brandgräber der Yölkerwandernngs-Zeit Ton Messdorf, Kr. Osterburg 1
2) Germanische Begr&bnissstätten am Niederrhein:
I. Ausgrabungen in Heumar 2
II. , bei Duisburg 6
8) Bronze-Depotfund von Clempenow, Pommern (ö Zinkogr.) 7
4) Ein römischer Meierhof bei Ungstein in der Pfalz 11
5) Neue Funde von der Feuerstein- Werkst&tte bei Guschter-Holländer, Kr. Friodoberg 11
6) Halbfertige Steinh&nuner von der Bremsdorfer Mühle, Kr. Guben 12
7) Otterfallen von Gross-Lichterfelde, Kr. Teltow 12
8) Steingerftthe auf Rügen 18
9) Thongefftss der Völkerwanderungs-Zeit von Behlo, Posen (8 Zinkogr.) 15
10) MeroTingische Emailperlen von Dollgen, Kr. Prenzlau (2 Zinkogr.) 16
11) Hügelgräber auf dem Brommbarge, Wessenstedt, Kr. Uelzen (8 Sitnationsskizzen,
2 Autotypien und 1 Holzschnitt) 17
12) Hügelgräber bei Schlagenthin, Kr. Tuchel (4 Situationsskizzen) 88
13) Steinkiste bei Kl. Kensau, Kr. Tuchel (1 Autogr.) 85
14) YorgeschichÜicho Funde aus der Umgegend von Grandenz (1 Autogr.) 86
16) Märkische Alterthümer (8 Zinkogr.) 86
16) Kupferne Doppelaxt von Börssum (1 Zinkogr.) 41
17) Bronzefund von Lekow, Kr. Schivelbein, Pommern 42
18) Fundstelle bei Bornim, Kr. Ost-Havelland 44
19) Zwei Bronzefnnde aus Pommern (Rügen und Usedom^ (12 Zinkogr.) .... 44. 96
20) Römische Fingerringe von Hammelstall bei Brüssow, Uckermark (1 Zinkogr.) . . 48
21) Bericht über das Provincialmuscum in Bonn 18%/9T 69
22) Bericht über das Provincialmuseum in Trier 18%/97 78
28) Langobardisch- sächsischer Friedhof bei Nienbüttcl, Kr. Uelzen (9 Abbild.) .... 77
24) Nene Funde von S. Lucia bei Tolmein - 80
25) Hügelgräber am Losenmeere bei Haarstorf, Kreis Uelzen (1 Situationsskizze und
18 Abbüd.) 81
26) Umenfeld bei Schlopzig, Kr. Lübben, Niederlausitz (6 Abbild.) 88
27) £in Küstenfund bei Lietzow, Rügen 94
28) Bronzeschwert von Felchow, Kr. Angermünde 95
Geographische Uebersicht nach Lindern nnd Provinzen
(nach den Niimmem do8 Inhalts- Verzeichnisses}.
Preussen; Nr.
Brandenburg 1, 5, 6, 7, 10, 15, 18, 20, 26
Hannover 11, 23, 25
Pommern * 3, 8, 17, 19, 27, 28
Posen 9
Rheinprovinz 2, 21, 22
Westpreussen 12, 18, 14
1
Nr.
16
htsche Uebersicbt über deatscbe (and iiaolib>rlIclie) AlterthntBBftuda
fttr das Jahr 189«.
r AbkünnngeD Ü
agen, tDS&mmeafasseiide Berichte und nene Hittheilungen über Sitete
60
und Mittheilnngen über nene Funde 5T
e Uebereicht 66
der Schriftsteller nud der Seobachter 67
Ergänzangablätter znr Zeitschrift fttr Ethnologie.
Nachrichten über deutsche Alterthnmsfimde.
Mit Unterstützung des Konisch Preuss. Ministeriums
der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten
herausgegeben von der
Berliner Cfesellsehaft fflr Anthropologie, Ethnologie und Urgesehlchte
unter Bedaction von
R. Virchow und A. Voss.
Achter Jahrg. 1897. Verlag Yon A. ASHER & Co. in Berlin.
Heft L
Brandgräber der Völkerwanderungszeit von Messdorf,
Osterburg.
Dicht bei Messdorf erhebt sich ein Sandrücken mit ziemlich steilen Abhängen,
wo Artther Urnen gefunden sein sollen. Ueber eine Untersuchung der Fundstelle
seitens des Verfassers sei Folgendes berichtet:
Das Gräberfeld befindet sich nordwestlich von der auf dem Abhänge liegenden
Kirche auf einer noch höheren Stelle desselben SandhUgels. Ein tiefer Hohlweg
trennt Kirchhof und Fundstelle; die an der Seite der letzteren gelegene Wand
wird zur Sandgewinnung abgebrochen, wobei die Urnen herabfallen. Eine von
diesen hatte der Schmiedemeister Bob lecke in Messdorf aufbewahrt und schenkte
sie dem Kgl. Museum für Völkerkunde. Es ist eine verhältnissmässig hohe
Schalenume ohne Ornament ßemerkenswerth ist die Angabe des dortigen Pfarrers
Hm. Lamprecht, dass die Kirche eine alte Anlage des Klosters Corvey ist
und einen der ältesten Mittelpunkte des christlichen Lebens in dortiger Gegend
darstellt.
An der Fundstelle sondirte ich in etwa 80 cm Tiefe ein Steinlager. Die Aus-
grabung ergab eine pflasterartige Steinpackung, in der die Urnen theils dicht an
den Steinen, theils in Sandnestem zwischen diesen standen. Ueber dem Steinlager
zog sich eine durchgehende sepiabraune sehr feste Sandschicht von 1 — 2 cm Stärke
hin, wie sie dann auch in den Urnen am Boden gefunden wurde. Eine aus den
letzteren entnommene Probe enthielt — abgesehen von den darin steckenden
Brand knochen — keine organischen Substanzen.
Urne 1 stand dicht am Rande des Abhanges in 1 m Tiefe im Sand. Sie ist
nicht verziert und enthält nur Brandknochen. Urne 2 befand sich 1 m NW. von
Urne 1 in und unter dem Packlager, sie ist mit einer Reihe schräger Kerben,
altemirend schrägen Strichgruppen und Festons verziert; zwischen den Brand-
knochen fanden sich spärliche Bronzefragmente. An dritter Stelle lag 0,30 m W.
Ton Urne 2 ein Haufen von Brandknochen und eine Thonscherbe frei zwischen Sand
und Steinen. Die letzte Urne wurde '/« m NW. von Urne 2 geftmden, sie ist mit
1
— 2 —
vertikalen Strichgrappen nod Fisch^ten - Ornament yeraehen. Bei der Unter-
sachung des Inhaltes der Urne zeigt sich, dass die nicht sehr zerkleinerten Brand-
knochen nicht hineingeschttttet, sondern gelegt worden waren, so dass die längeren
Stücke häutig parallel zu einander in Bündeln liegen.
Die Anlage gehört der Völkerwandenings-Zeit an.
Die Urnen schliessen sich den sonst ans dieser Zeit und Qegend bekannten
Fanden an. A. Oötze.
Germanische Begräbnissstätten am Niederrhein.
I. Ausgrabungen in Heumar.
Der Begräbnissplatz, welchen ich im April 1896 untersuchte, bildet die Fort-
setzung des in den „Nachrichten'^ bereits mehrfach erwähnten prähistonachen
Friedhofes in der Nähe des Forsthanses zu Ueumar. Tannenwald besteht den
letzteren Theil, während Gestrüpp und Gehölz den erstgenannten stets bedeckte
und unkenntlich machte. Dieses Kleinholz war nun im yergangenen Winter be-
seitigt und der Platz zu einer Neubesäung vorbereitei Er hat eine Ausdehnung
Ton etwa 100 Schritt nach Süden, dortbin sich abdachend. Im Westen grenzt die
Stelle ebenfalls an eine Bodensenkung, im Osten bildet er mit dem dort sich fort-
setzenden Walde dieselbe Höhe. Der Boden ist Sand mit reichlichem Quarz yer-
mischt; aus demselben Material bestehen auch die Hügel. Nur Bnndhflgel
koDunen vor, meistens kleinere ?on 10 Schritt Durchmesser, die sich aUmählicb
sehr abgeflacht haben, so dass sie sich nur Vi — ^ ^ erheben. Etwa 6 grössere
Hügel giebt es hier Ton 2 m Höhe und 20—30 Schritt Durchmesser. Die Hügel
liegen sehr nahe zusammen, 10 Schritt beträgt der Abstand. Ein System für die
Gräberanlage konnte auch hier nicht festgestellt werden, obschon es mir scheinea
will, als ob die Grabstätten nicht regellos, nach Willkür, angelegt seien.
Von den 25 Hügeln wurden iO geöffnet Die Ausbeute an erhaltenen Ge-
lassen und Beigaben war äusserst gering. Das Resultat ist folgendes:
J. Hügel. Flacher Bundhügel, 9 Schritt Durchmesser. 60 em tief eine Unra
mit Deckel in der Mitte auf dem gewachsenen Boden. Zur Seite des Deckels in
der Brandschicht lagen zerstreut Bronzereste in Gestalt ?on Klümpchen, die durch
das Feuer sich gebildet hatten. Ein grösseres, blechartiges Stück besass einen n
einer Oehse umgebogenen Band; kleinere, dünne Bronzeblechstflckcben ähnelten
einem plattgedrückten Löffel ron 2 cm Durchmesser. Der überiiängende Deckel
hatte die gewöhnliche (Gestalt mit leicht umgebogenem Bande. Er war stark ge-
schwärzt, innen und aussen geglättet, innen mit 7 parallelen Zickzacklinien, die
Spitze der 7. Linie traf die Kuppe des Deckels. Durch Graphitstriche waren Linien
hergestellt Die rermorschte Urne konnte nicht gerettet werden. Gestalt: gewöhnlioli,
bauchig, mit senkrechtem, 2Vs cm hohem Bande ohne Verzierungen, ebenfaUs
schwarz geglättet Unterer Theil der Urne rauh. In der Urne ein Beigettas,
geglättet, röthlich, sehr gut erhalten, schön gearbeitet, einzebe schwarze Braod-
spuren. Der kleine Fuss des kelchf^rmigen Gefässes war nach innen eingebogen.
Höhe desselben 5 cm^ oberer Durchmesser 7 om^ Fuss 3,3 cm. Zwischen den
Knochen fand sich noch ein kleines Bronzekügelchen.
n. Hügel. Flacher Bundhügel, 12 SchriU Durchmesser. Urne mit Dedul,
90 cm tief. Deckel überhängend, Urne bauchig mit 3 parallelen Billen an Habe.
— 3 —
Deckel lehmgelb, geglättet, mit grosser (10,2 cm Darebmesser) Kuppe, Rand ohne
EinbiegQDg. Urne aussen lehmgelb, oben geglättet, unten rauh, innen geglättet
und geschwärzt. Inhalt: Knochen und Sand.
m. Hügel. Urne mit Deckel 40 cm tief in der Brandschichi Deckel hoch,
aussen geglättet, geschwärzt, innen ebenfalls geglättet Höhe 10 cn?, grösster Durch-
messer 13 cm, oberer Durchmesser 7 cm, Urne röthlich, geglättet, hoch. Höhe
20 cm, Fuss 9 cm, grösste Weite 1 1 cm. Der Deckel lag fest auf der mit Sand
hoch angeftillten Urne. Durch Wurzeln war der Deckel gesprengt, beim Abheben
der Stücke hatte sich jedoch genau in dem darunter liegenden Sande die Gestalt
des Deckels erhalten und durch Wurzelwerk Festigkeit erlangt Deshalb wurde
die Urne nicht ausgenommen, da sie einen guten Beweis liefert, wie sorgföltig die
Germanen dieses Gefäss über den Knochen mit Sand gefüllt halten.
IV. Hügel. Knochen und Kohle, sowie einzelne Gefässscherben ohne Be-
deutung.
y. Hügel. 25 Schritt Durchmesser. 1 V, m tief die Urne mit Deckel, letzterer
umgekehrt aufgelegt. Alles gänzlich zerstört.
VI. Hügel. Urne mit aufliegendem Deckel. Deckel innen und aussen schwarz,
geglättet; Urne desgleichen, unten rauh. In der Urne ein Bronzeblech, nach Tom
löifelartig zulaufend; Länge desselben 4 cm,
Vn. Hügel. Kein Resultat
VIU. Hügel. Grosser, gewölbter Rundhügel am Eingange des Begräbniss-
platzes. Die umfangreichen Nachgrabungen hatten wenig Erfolg. Auf dem ge-
wachsenen Boden fand sich eine dünne Aschenschicht und röthlich angebrannter
Sand. Ein Haufen Knochen und Kohle, sowie Stücke des Deckels und etliche
Gefässscherben wurden zu Tage gefördert
IX. Hügel. 12 Schritt Durchmesser; 1,30 cm tief stand die dickwandige Urne
ohne Deckel, ohne Verzierungen, aussen oben geglättet, schwarz, unten rauh.
Fuss vermodert, Bauch ziemlich spitz, weitester Durchmesser in der Mitte. Höhe
26 cm, oberer Durchmesser 25,5 cm, grösster Durchmesser 32 cm, Wanddicke 1 cm,
X. Hügel. In einer Tiefe von 80 cm eine Urne ohne Deckel, gewöhnlich, ohne
Verzierung, zerstört.
XI. Hügel. 50 cm tief eine sehr bauchige, am Halse ziemlich eingeschnürte
Urne mit überhängendem Deckel. Letzterer gewöhnlich, geglättet. Urne oben
geschwärzt, glatt, unten rauh. Halsweite 16 cm, Bauchweite 48 cm. Inhalt:
Knochen und Sand.
XII. Hügel. 70 cm tief eine Urne ohne Deckel. Urnenhals konisch, Rand
sehr schräge, fast wagerecht zu dem konischen Halse. Urne bauchig, innen und
aussen geglättet, geschwärzt, unterer Theil rauh. In der Urne der Deckel, mit
der OeSnung nach oben. Deckelweite 25 cm, Höhe 9 cm, Kuppe 10 cm. Deckel
dickwandig, röthlich, wenig geglättet
XUI. Hügel. 80 cm tief eine Urne ohne Deckel. In der Brandschicht über der
Urne eine Anzahl Ton Bronzostücken, einzelne zu Klümpchen geschmolzen, formlos,
andere flach, blechähnlich, einer mit Schnuröhse. Auf einigen fanden sich parallele
Strichrerzierungen, welche die ganze Oberfläche einnahmen. Ein Stück war der
Ueberrest eines yiereckigen, massiven Ringes. Die dickwandige (1 cm) Urne war
lehmgelb, schlecht gebrannt, oben wenig geglättet, unten sehr rauh, Hals wenig
eingeschntirt, Bauch nur wenig vorspringend, innen schwach geglättet Der auf-
rechtstehende Rand zeigte oben als Verzierungen unregelmässige, halbkugelförmige
Eindrücke im Durchmesser von Va — 1 c^» Aehnliche Verzierungen kommen in
Goch vor (siehe „Nachrichten^ 1896 Heftl); diese waren jedoch mit dem Finger
— 4 —
hergestellt, da man den Nageleindrack noch deutlich erkennt. Die Eindracke stehen
in Abständen von 1—2 cm. Gleiche Eindrücke laufen anch um den Hals der Urne
in denselben Abständen. Trotz der vielen Bisse konnte die Urne gehoben werden,
da die Wurzeln das Gefäss im Innern vollständig zusammenhalten. In der Urne
steckte ein Beigefass mit der Oeffnung nach unten, nahe am Umenrande. Eb
gleicht einer Obertasse; der Henkel war abgeschlagen, die Enden konnten deutlich
erkannt werden. Das lehmgelbe, dickwandige Beigeföss passte im Aeussem genau
zu der Urne. Höhe derselben 26 ei«, oberer Durchmesser 20 cm, grösster Durch-
messer in der Höhe von 17 cm, Fuss 11 cm. Höhe des Beigefösses 4,5 cm, obere
Weite 8,5 cm^ Puss 4,5 cm,
XIY. Htlgel. Kleiner, kaum tlber den Boden sich erhebender Htlgel. In der
Brandschicht über der Urne unter Kohlen und Knochen lag ein ziemlich erhaltener,
dünner, gedrehter Bronzoring von 2 cm Durchmesser. Urne klein, bauchig, roth-
schwarz, geglättet, mit Deckel von derselben Farbe. Die Urne war bis dicht unter
den Deckel mit Sand gefüllt, der durch Wurzeln wiederum Festigkeit erlangt hatte,
so dass trotz aller Bisse Deckel und Urne fest zusammenhielten. Deshalb wurde
beides in dem Zustande gelassen. Höhe der Urne mit Deckel 16,5 cm, Deckel*
kuppe 5 cm, grösster Durchmesser in der Höhe von 8 cm betrug 25 cm,
XY. Hügel. Urne ohne Deckel, ohne Halseinschntlrung, innen geschwant,
geglättet, aussen ebenso, unten rauh. Fast ganz verfault Inhalt: Knochen und
Sand.
XVI. Hügel. 1 m tief eine bauchige Urne mit überhängendem Deckel. Beide
gänzlich zerstört, nur Bruchstücke konnten gehoben werden. Der Deckel hotte
die gewöhnliche Gestalt, war aussen schwarz geglättet; die Urne besass einen senk-
rechten Band von 3 cm; sie war innen und aussen schwarz, geglättet. Im Innern
zeigten sich deutliche Spuren einer weissen Incrustation, wie ich sie in Siegbuig
(vergl. „Nachrichten*^ 1895 Heft 2) beobachtet habe. Unterer Theil rauh, Fass
ein wenig vorspringend. Der eingeschnürte Hals war mit drei parallelen Billen
verziert, daran schlössen sich nach unten zu je drei parallele, nach oben sich ver-
jüngende, halbkreisförmige Billen. Zwischen diesen befand sich wieder je eine
senkrechte Bille, nach unten laufend und in 3 Spitzen endigend. Die Entfernung
der senkrechten Billen beträgt 5 cm. Der Deckel hatte keine Incrustation.
XVn. Hügel. Urne mit Deckel. Urne bauchig, innen und aussen geschwant,
geglättet, gewöhnliches Format. Untertheil rauh. Verzierungen fehlten auf der
Urne. Deckel aussen glänzend schwarz polirt, ebenso innen. Spuren des alten
Glanzes sind noch deutlich erkennbar. Die Kuppe des Deckels bildet eine halb-
kugelförmige Höhlung. Das Innere des Deckels ist bemerkenswerth. Die vorhin
besprochene Höhlung, im Innern als eine erhabene Halbkugel sich darstellend, ist
mit einer Bille eingefasst. Von diesem Kreise aus ist der ganze Baum in i 2 Felder
eingetheilt durch je zwei nach dem Bande hin diveiigirende Billen, die soigftltig
mit Hülfe eines Instrumentes gezogen sind. 6 Felder sind ganz frei, 6 jedoch
dmrch je eine Bille in zwei Theile getheilt, und von dieser MittelriQe ziehen sidi
nach Art der Kielfederomamente Qncrrillen, ebenfalls genau hergestellt. Wir
haben hier ein schönes Beispiel des bekannten Ornamentes vor uns, welches ich
bisher auf rheinischen Begräbnissplätzen in dieser Vollkommenheit noch nicht ge-
funden habe. Leider war die Urne zertrümmert; auch von dem sehr beschädigten
Deckel konnten nicht alle Stücke aufgefunden werden. Er war ganz zerdrfi^
und steckte zum grössten Theil in der Urne.
XVIII. Hügel Sehr beschädigte Urne mit Deckel. Urne bauchig, innen
geschwärzt und geglättet, ebenso aussen; Untertheil rauh. Deckel aussen glftniend
— 5 —
schwarz, ebenfalls im Innern, dort durch Rillen verziert Je vier parallele Rillen
zogen sich Ton der Kuppe bis zum Rande, Ton diesen zweigten sich in der Mitte
Rillenbündel ab, so dass das Ganze einem Spinngewebe nicht unähnlich sieht Von
dem Deckel wurden leider nur wenige ßruchstttcke gefunden.
XIX. Httgel. Zerstörte, dickwandige, bauchige Urne mit Deckel; letzterer
tiberhängend. Spuren von schwarzer Politur; Urne unten rauh. l!\iss sehr dick,
schwarze Bruchfläche. In der Urne stand ein Beigeföss, konisch, nach unten sich
yerjttngend. Inhalt der Urne: Knochen und Sand, sowie ein kleines Bronzering-
stilck. Höhe des Beigefässes: 6 cm^ obere Weite 10,2 cm^ Fuss 6 cm.
XX. Hügel. Bruchstücke einer bauchigen Urne mit Deckel.
II. Ausgrabungen bei Duisburg.
Bei Duisbuig befinden sich ausgedehnte Gräberfelder, über welche Wilms
im Anfange der 70er Jahre in den Bonner Jahrbüchern und Qenthe in dem
GynmasialprogrammTonDuisburg im Jahre 1881 ausführlich berichtet haben. Genthe
schätzte damals die Anzahl der noch vorhandenen Hügel auf etwa 120; sie seien
aber fast alle schon ausgegraben.
Da hat nun im Jahre 1895 Hr. Ingenieur Bonnet zu Duisbuig, jetzt zu Karls-
ruhe, derselbe, welcher die neolithischen Funde auf dem Michelsberge bei Unter-
Grombach, A. Bruchsal, zu Tage gefördert hat, über welche auf der Versammlung
in Speyer Hr. Geheimrath Wagner berichtete, weit über 100 Gräber geöffnet und
eine reiche Ausbeute erhalten. Ich habe die Sammlung im Jahre 189.> besichtigt
und will in Ktlrze die Resultate der Ausgrabungen nach den mir gütigst zur Ver-
fügung gestellten Angaben an dieser Stelle vorführen, weil durch die Ausgrabungen
des Hm. Bonnet unsere Kentniss der rheinischen Begräbnissstätten sehr ge-
fördert worden ist. In hochherziger Weise hat der Herr die rorztigliche Sammlung
Tor seinem Scheiden von Duisburg dieser Stadt zum Geschenk gemacht. Es würde
zu weit führen, jedes einzelne Grab besonders zu behandeln; darum soll das
Folgende nur eine Uebersicht über die Funde und ihre Bedeutung bieten.
1. Orte der Ausgrabungen.
a) Grabhügel bei Grossenbaum. Es giebt daselbst ein „Heidenhäuschen^ in
der Nähe, links vom Rodweg (Vgl. Köln. Ztg. 1890).
b) Das Buchholz.
c) Das Neudorfer Feld.
d) Auf dem Friedhofe bei Duisburg wurden immer Urnen gefunden, aber sie
fielen stets der Vernichtung anheiro. In der Schonung am Kirchhofe sind
Hügel.
e) Gefässscherben finden sich in der obersten Sandschicht auf dem Terrain,
wo gegenwärtig in der Wedau für den Bagger abgeräumt wird. Die
Scherben sehen alle aus, als ob sie im Wasser gelegen hätten; sie sind
sogar theilweise abgerollt und zeigen vielfach Verzierungen, wie sie an
den Urnen nicht vorkommen.
2. Gestalt der Hügel.
Es sind grössere und kleinere Rundhügel, die einen stärker gewölbt, bis 2,50 m
hoch, die anderen flach. Für die Anordnung der Hügel fehlen auch hier leitende
Gesichtspunkte zur Beurtheilung.
3. Inhalt der Hügel.
In den meisten Fällen steht die Urne in der Mitte des Hügels auf dem ge-
wachsenen Boden, von der Brandschicht umgeben. Eine Steinsetzung wurde nur
einmal beobachtet Rund um die Urne standen Kiesel, die bis zur Bauchweite des
— 6 ^
Gefösses reichten, kleinere und grössere. Der Deckel war ebenfalls mit Stauen
beschwert. Unter den 120 Fällen gab es zwei, in welchen ein einzelner Stein aaf^
und 5 Fälle, in denen er neben dem Oefösse sich befand. In 2 Grabhügeln standen
2 Urnen über einander, in zweien wiederum neben einander, doch so, dass die
Oefässe sich berührten; in 5 Fällen wurde noch eine Urne mit ToUstftndigem
Inhalte gehoben, sie stand nach dem Rande zu, während der Aschenkrug in der
Mitte bereits gehoben war, was die Vertiefung auf dem Hügel bewies.
Was nun die Gestalt der Urnen angeht, so lassen sich 4 Hauptgruppen unter-
scheiden: Flachumen, Eimenimen, bauchige und konische Urnen.
Der Urnenrand ist wieder sehr verschieden. Einige sind ohne Band, andere
besitzen einen sehr niedrigen (bis 2 cm)y andere einen sehr hohen (bis G cm).
Bald ist der Rand nach aussen geschrägt, bald nach aussen gewölbt, bald steht
er senkrecht.
Auch das äussere Aussehen der Urnen ist mannichfadi. Bald sind sie hart, roth
gebrannt, bald schwarz gebrannt, bald gelbroth und weich; einige Urnen besitzen
einen schmalen, andere einen profilirten Fuss. Nicht wenige sind hart gebrannt
und glatt poliri
Verzierungen bedecken entweder die ganze Urne (selten), oder den unteren,
bezw. den oberen Theil bis zum Halse. Es sind Linien und Funkte. Die Linien sind
entweder gerade, bogenförmige oder Zickzacklinien. Die geraden Linien sind am Halse
meistens Rillen, eine, zwei oder drei, parallellaufend. Vielfach kommen Ramm-
strichrerzierungen vor, an der Urne sowohl, wie auf dem Deckel. Diese kreuzen
sich vom Halse anfangend so, dass Rauten freibleiben, oder rom Bauche anfang^id
sind die einen senkrecht, die anderen wagerecht gezogen, so dass Trapeze ftei-
bleiben. Die Verbindung von geraden und krummen Linien ist ebenfalls nicht
selten. An die Halsrillen setzen sich parallele Halbkreise, oder der Zwischenraum
zwischen senkrechten und wagerechten Kammstrichen ist mit parallelen Bogen-
linien ausgefüllt. Oft zieren den Hals Zickzacklinien, von denen je eine durch
drei parallele Striche, und zwar abwechselnd, verstärkt ist Doppelzickzack kommt
ebenfalls vor mit meistens je drei Linien. Die Striche sind in den allermeisten
Fällen vertieft, entweder mit dem Fingernagel oder mit einem Stein oder einem Rund-
holz helgestellt; doch finden sich auch farbige Streifen (Gr^hit). Punkte sind stets
zu Punktgruppen vereinigt; 5 Urnen hatten 4 X je 3 Punkte, 1 Urne 5X2«
1 Urne 6X6 und endlich wieder eine 7 X je 6 Punkte. Die Urnen haben
im Allgemeinen keine Henkel. Nur eine wurde gefunden, die 4 Henkel hatte,
ebenso ein Deckel mit einem Henkel. Mehrere Urnen haben Ansätze^), die theUs
durchbohrt, theils glatt sind; ebenso die Deckel. Ein Deckel hatte 2 Bchnurdhsen
ohne Ansatz. Was die Arbeit anlangt, so sind die Urnen entweder roh bearbeitet, oder
zierlicher, mit Sorgfalt hergestellt. Der Untertheil ist mit Vorliebe rauh, entwedtf
beworfen, oder erst geglättet, dann mit Streifen rauh gemacht und endlich beworfen.
Eine Urne war innen und aussen rauh.
Die Urnen sind entweder mit oder ohne Deckel. Von den 120 waren li
ganz ohne Deckel. Eine Urne hatte 3 über einander liegende Deckel. Der Deckel
ist entweder abgepasst, oder ein schüsselartiges Gefäss wird als Deckel gebraucht
In drei Fällen diente ein Umenstück als Deckel. 30 Urnen hatten ein grösseres
oder kleineres Beigeföss, das in, auf oder neben der Urne sich befand. Nicht sehen
sind es nur Reste anderer Gefässe, die als BeigefÜsse verwendet worden sind. Die
1) Die Ans&tse der Urnen und Deekel sind nioht angeklebt, sondem meistens
artig angesetst
— 7 —
Beigefässe sind in allen Gestalten, ron der flachen Schale bis zur Kelchform;
eines besass drei FOsse.
Beigaben. Die Ansbente an Beigaben ist äusserst gering, was auf Rechnung des
Leichenbrandes £u setzen ist. In 1 1 Gräbern fanden sich Bronzespuren, in 1 9 weiteren
kleinere oder grössere Bronzereste, entweder in oder neben der Urne: Stücke ron
4 mm dicken, gedrehten Bronzeringen, gewundene Bronzestttcke, Bruchstücke von
Bronzenadeln mit Knöpfen mit Strich Verzierungen; meistens ist es eine formlose
Masse. Nur in vier Hügeln kamen zum Theil schwache Eisenspuren vor. Ein
Gegenstand, der pincettenähnlich ist, hat sich erkennbar erhalten. Bechnen wir
noch dazu ein durchbohrtes Steinscheibchen, das zerbrochen in dem oberen Theile
einer Urne lag uud das als Schmuckgegenstand aufgefasst werden kann, sowie
ein kleines, cylinderförmiges Geräth aus Thon, von 1 cm Durchmesser und 1 cm
Höhe, so haben wir sämmtliche Beigaben angeführt.
Die Zähne waren yielfach gut erbalten; in einer Urne befanden sich vier
Backenzähne, noch nicht entwickelt, die einer jugendlichen Leiche angehört haben.
Geschmolzene Bronzekügelchen auf Knochen sind nicht selten. Die Knochen sind
alle zerkleinert, was die Enge des Gefässes bedingte. Die Tordere Hälfte eines
Unterkiefers wurde, ziemlich erbalten, aufgefunden.
Wie wir sehen, bieten die Begräbnissstätten bei Duisburg uns im Grossen
und Qwazen dasselbe Bild, wie die übrigen niederrheinischen Friedhöfe. Neue
Formen, neue Verzierungen kommen nicht Tor, nur die Henkel an der einen
Urne sind neu; sie sind bisher an den Urnen selbst noch nicht gelinden worden,
wohl an Beigefässen. Auch die Durchbohrungen und Schnuröhsen sind eine
Eigenthttmlichkeit dieses Begräbnissfeldes. 0. Rademacher.
Bronze-Depotfund von Clempenow, Pommern.
(Vorgelegt in der Sitsung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft am 20. Man 1897).
Etwa 12 km nördlich ron Treptow a. T. im Kreise Demmin ist die Domäne
Clempenow gelegen. Hier fand man in einem nahe beim Oute befindlichen Moore
beim Torfstechen im vergangenen Jahre eine Anzahl von Bronzen, die ohne Zweifel
einen der bekannten, in Pommern häufigen, Depotfunde gebildet haben. Der Fund
besteht aus sieben Stücken und enthält wiederum eine für uns neue Form. Es
sind 4 Spiralen, eine grosse Nadel, ein diademartiger Halsschmuck, ein Armring
und Fragmente von Spiralen. Das Aussehen der Bronzen ist, wie dies bei Torf-
funden zu sein pflegt, bräunlich, ohne Patina, der Erhaltungszustand ziemlich gut.
1. Der diademartige Halsschmuck (Fig. 1) besteht aus einem halbrund
gebogenen Bronzeblech von 44 mm Breite, nach den Enden zu sich verschmälemd ;
an einem Ende ist noch die Andeutung einer Oehse vorhanden. Omamentirt ist
derselbe durch 7 horizontale erhabene Rippen. Er stellt eine Form dar, die
unserer älteren Bronzezeit angehört (Periode II) und kommt in Pommern mehr-
fach vor, so in Crüssow, Babbin, lüsdroy und Sparrenfelde. Ausser Pommern
findet sich dieser Halsschmuck vielfach im ganzen Gebiet der nordischen Bronze-
zeit von Westpreussen bis Hannover und von Brandenburg bis Scandinavien, wenn
auch vielfach in der Omamentirung wechselnd. Die besonders in Meklenburg
häufige, mit Spiralen verzierte, Form ist in Pommern noch nicht beobachtet, sondern
nur die mit (meist sieben) Bippen verzierte Form.
2. Armepirale (Fig. 3), aas 27 mm breitem Bronzeblech iii 2'/, Viadun^n
hergestellt. LäDge 179 mtn, Durchmesser 110 min, nach den Enden z& in modea
Bronzedraht Bnalanfend, der wabrscheinitch ursprünglich noch zu kleinen 8piral-
scheibchen aufgewickelt war, die aber jetzt verloren sind. Oniamentirt i§t die
breite Spirale durch eine Mittelrippe, die unterhalb durch eine Reibe ein-
geschlagener Punkte begrenzt ist, während über derselben diese Ponkte in Zick-
zacklinien angeordnet sind.
3. Armspirale von gleicher Grösse, Form ond Omamenürang wie die
vorige.
Derartige breite Spiralen mit Mittelrippc finden sich in Pommern sonst noch
in Babbiii and Bruchhaosen mit scböucn Endspiralen; sie gehären gleichfalls
unserer älteren Bronzezeit an (Periode II). In den Depotfnnden der jtlngeren
Bronzezeit (Periode III) wurden sie noch nie beobachtet. Auch anster Pommern
kommen diese breiten Spiralcy linder vor. So sind solche ans Westprenasen be-
— 9 —
kannt von Ruzoice (Lissaner, Bronzezeit in Westprenssen Taf. lY. 6 und 7). Ans
Meklenbnrg kennt man solche von Ketzow, Schwasdorf und Rlink (Beltz Jahr«
bticher d. Ver. f. roekl. Gesch. 61 S. 233). Aus Brandenburg sind solche be-
kannt Ton Lichterfelde (Berliner Museum) und Blankenburg, Kreis Prenzlau, wo
die breiten Endspiralen zum Theil noch erhalten sind (Phoi Album, von Voss
und Günther. Seci III. Taf. 1, im Stettiner Museum). Aus Schlesien sind solche
bekannt von Pscheidel bei Rosel (Phoi Alb. v. Voss und Günther Sect. IV.
Taf. V. Fig. 23, und Katalog von Voss S. 561). Besonders verbreitet sind diese
Spiralen im Gebiete der ungarischen Bronzezeit (Hampel, Bronzezeit in Ungarn
Taf. 44 und 45), vro sich ganz gleiche Formen finden. Wir werden auch
unsere nordischen Exemplare auf derartige südliche Vorbilder zurückführen dürfen.
4. Arm Spirale (Fig. 3). Spiralcylinder von 285 mm Länge, in 17 Windungen
aus 6 mm breitem Bronzeblechstreifen hergestellt, an einer Seite 75, an der anderen
^ mm Durchmesser. Der Blechstreifen selbst ist an der Innenseite eben, an der
Aussenseite mit etwas hervorstehender Mitte versehen, also nahezu dreikantig.
Die Enden besassen wohl keine Endspirale, denn an einem unverletzten Ende
läuft der Draht allmählig zugespitzt aus.
5. Armspirale, der vorigen ähnlich, von 250 mm Länge, 12 Windungen aus
7,5 mm breitem Bronzeblechstreifen hergestellt, an beiden Seiten etwa 65 vtm Durch-
messer, gleichfalls mit etwas vorstehender Mitte; hier waren aber, nach den Enden
der Spirale zu urtheilen, möglicherweise Endspiralscheibeh vorhanden.
Schmale Spiralcylinder, wie die vorliegenden, kommen in Pommern gleichfalls
schon in der älteren Bronzezeit (Periode II) vor in Bonin, Rösow, Crüssow, Bruch-
hausen, doch sind dieselben zählebiger, als die vorigen, und haben sich noch in
der jüngeren Bronzezeit erhalten (Schönfeld, Treptow a. R., Depot von Schwennenz).
Doch ist zu beachten, dass neb^n diesen schmalen Spiralcylindem der jüngeren
Bronzezeit mit deutlich hervorgewölbter Mittellinie auch eine ganz flache, fast
ebene Form vorkommt, bei der die Mittelkante gar nicht mehr hervortritt (Stein-
kiste von Schwennenz, Depot von Hökendorf)*
In Brandenburg ist das Verhältniss ähnlich. Auch im Funde von Blanken-
burg, der der ältesten Bronzezeit angehört, kommen die breiten und schmalen
Spiralcylinder neben einander vor. Aus Westprenssen werden schmale, jüngere
Spiralcylinder angeführt von Stegers und Gzersk (Lis sauer, Bronzezeit in West-
prenssen, Taf. V u. VI). Aus Meklenbnrg sind solche ältere bekannt von
Blücherhof, Sarmsdorf, Retzow, Teterow (Beltz, Meklenburger Jahrb. 54,
S. 106). Besonders zahlreich finden sich diese Spiralen wiederum in Ungarn,
wo Hampel, Bronzezeit in Ungarn Taf. 36 u. 113 deren abbildet, so dass wir
auch für diesen Typus eine Abstammung von dort annehmen dürfen. * Uebrigens
kommen auch ganz ähnliche Spiralcylinder mit Endspiralen schon in der IV. Periode
der oberitalischen Bronzezeit vor, z. B. in den Gräbern mit Leichenbrand von
Bismantova; doch sind dieselben ziemlich flach, ohne dreikantigen Querschnitt und
wtlrden unseren jüngeren Formen entsprechen, während die Elndspinilen konisch
gewickelt sind, wie bei vielen ungarischen Spiralcylindem. Sie finden sich dort
neben der einfachen Bogenfibel, dem halbmondförmigen gestielten Messer (Undset,
Eisen. Taf. IV, Fig. 4) und gedrehten Halsringen mit Endöhsen, die bei uns so
häufig vorkommen (Morgenitz, Hannsdorf, Glowitz, Neides, Mohratz u. s. w.),
die gleichfalls der jüngeren Bronzezeit entsprechen und für die auch ungarische
Provenienz angenommen wird (Montelius, La civiüsation primitive en Italic
depnis l'introdaction des metaux. PI. 41, Fig. 6.) In diesem Falle wird man
eher eine Beinflnssung Oberitaliens durch Ungarn annehmen müssen, wie umgekehrt
— 10 —
6. Scheibennadel (Fig. 4). Die grosse Nadel hat eine Länge ron 26,5
die Ropfplatte einen Durchmesser yon 90 mm. Oben hat die Kq>fplatte eineii
Fortsatz, der wohl eine Art Oehse gebildet hat, aber znm Theil abgebrochen ial
Omamentirt ist die Nadel durch grössere Bnckel, die mit Punzen eingeschlagen
sind. Ein solcher befindet sich in der Mitte, um ihn herum ein Kranz, gleich groaa;
weiter nach der Peripherie hin kommen noch drei Reihen ebenfalls mit Pansen
eingeschlagener kleiner Buckelchen. Bei yerschiedcnen derselben ist der Schlag
mit der Punze zu stark ausgefallen und durch das dünne Bronzeblech durch-
gedrungen, so dass kleinere Löcher entstanden sind. Scheibennadeln, wie die Tor-
liegende, waren bisher in Pommern nicht gefunden.
Was den Verbreitungsbezirk dieser Nadeln betriCrt, so sind solche bekannt ans
Meklenburg aus Kegelgräbern von Sparow bei Plan, von Lüssow bei Gttstrow
und von Zierzow bei Grabow (nach gütiger Mittheilung Ton Dr. Beltz). Femer
aus einem Depotfund von Heinrichswalde in Meklenburg-Strelitz, zusammen mit
,,Diadem^, Lanzenspitze, Armspiralen, Tutuli (Verhandl. der BerL Oes. f. Anthr.
1886, S. 613 und Baier, Die vorgeschichtlichen Alterthtimer des Proviniialmus.
zu Stralsund S. 40). Femer aus einem Funde von Lemmersdorf, Kreis Prenzlao,
mit Oürtelblech, „Diadem^ u. s. w., und von Schabernack (Ostpriegnitz) mit grosser
Nadel und Messer (Verhandl. 1874, 11. Juli). Die Nadeln kommen bei uns also
sowohl in Hügelgräbem, wie in Depotfunden vor. Weiterhin wird über eine der-
artige Nadel berichtet von Fritzen in Ostpreussen (Verhandl. 1886, S. 383). Anf
eine gleiche Nadel, wahrscheinlich aus dem Eibgebiet (Estorffsche Sammlung)
und eine solche aus Nieder-Oesterreich weist Baier hin (Alterthümer des
Provinzialmuseums von Vorpommem und Rügen in Stralsund S. 41 Note').
Es ist bemerkenswerth, dass bei uns die Fundstellen auf ein enger Gebiet be-
schränkt sind und zum Theil in Mecklenburg selbst, zum Theil dicht an den
Grenzen dieses Landes liegen. Es kommen somit von 10 Fundstellen 8 auf diesen
engen Bezirk. Weiter nach Westen und Süden werden unsere Nadeln dordi die
dort häufigen Badnadeln ersetzt Auffallend oft kommen unsere Nadeln bü
Spiralen und „Diademen^ zusammen vor.
7. Armring (Fig. 5) von 60 mm Durchmesser (also nur für eine Kinderhand
passend), aus vierkantigem Bronzedraht beigestellt, so dass nach aussen und innen
eine Rippe vortritt. Armringe dieser Art finden sich gleichfalls häufig im Norden;
besonders verbreitet sind dieselben aber im Gebiet der ungarischen Bronieseil
(Hampel, Bronzezeit in Ungam, Taf. 48 u. 50.).
Unser neuer Depotfund ist also unzweifelhaft der älteren Bronzezeit, Periode II,
(Montelius II — III) zuzuweisen und zeigt ganz verschiedene Formen. Erstens
solche, die' der ganzen nordischen Bronzezeit gemeinsam sind: diademartiger Hals*
schmuck; femer solche, die auf ungarische Einflüsse hinweisen: breite und schmale
Spiralen und Armring, und endlich solche, die, wie es scheint, eine Localfonn
bilden: die Scheibennadel'). — Hugo Schumann (Löckniti).
1) Nadeln von ähnlicher Form kommen nach Yirchow auch in ansserenropliscb««
Ländern vor. So von Silber bei den Araukanem S&damerica's und von Brom« in den
alten Gräbern von Peru und Ecuador (Verhandl. 1882, 8. 471). Ebenso in dem Gräberfeld
von Kobsn im Kaukasus: Yirchow, das Gräberfeld von Koban 8. 84 und Yeriiaadl.
1890, S. 418.
2) Nachträglich ersehe ich, dass diese grossen Seheibennadeln auch in dem Depeiftoid
von Mellenau an der Meklenburgischen Grenze (Yerh. 1888 8. 607) vorkommen, wodardi
noch ein neuer Fundort in derselben Gegend hinzukommt
— 11 —
Ein römischer Meierliof bei Ungstein in der Pfalz.
Die Rndera der auf dem Weilberge (= Villa - Berge) bei Ungstein entdeckten
römischen Villa — Meierhof — wurden am 6. Febraar vom Dürkheimer Alter-
thamsverein besichtigt; Hr. Philipp Zumstein, Besitzer des Terrains, erklärte die
Reste. Letzte Woche besuchten den Platz die HHm. Rektoren Ohlenschlager
und Roth. — Die Reste bestehen in den zwei Aussenmauern eines grösseren
Gebäudes von 12 und 8 m Länge, welche nach innen und aussen zu Ton mehreren
Quermauem, deren Stärke zwischen 0,50 bis 0,75 m wechselt, geschnitten werden,
so dass hier mindestens 5 Räume anzunehmen sind. Die Höhe der Mauer über
dem Betonboden beträgt 0,73 m. Li einer Tiefe von 0,70 m liegt ein horizontaler
Beton-Estrich von 20 cm Dicke. Die Wände waren mit einem 1 cm starken Ver-
putz versehen, dessen weisse Oberfläche mit rothen, parallelen Streifen vendfrt
war. An diesen Bau schliesst sich im Westen und Nordwesten ein weiteres Bau-
werk an. Der Boden bestand hier grössten Theiles aus Platten weissen Sand-
steines aus dem nahen Rallstadter Thälchen. Diese sind zum Theil mit Rinnen
für Brettereinlagen, zum Theil mit Höhlungen für das Spielen von Thüren ver-
sehen. In der Mitte dieses viereckigen Raumes (Atrium ?) befand sich eine kleinere,
viereckige Orube, die wahrscheinlich zur Aufnahme des Regen wassers bestimmt
war (Jmpluvium?). — An kleineren Gegenständen eingaben sich: 1. 2 Bronzemünzen
aus der Zeit der Konstantine; 2. viele Dachziegel verschiedener Form (tegulae
hamatae und tegalae imbrices); 3. grössere Bodenplättchen (3 Stück); 4. zahl-
reiche Reste von Amphoren, Tellern, Bechern, zum Theil aus Terra sigillata
(Terra Arretina) von glänzend rother und schwarzer Farbe. Besonderes Interesse
erregt unter ihnen die schwarze Glasur. Die hellblaue und gelbe Glasur
ist den Besuchern des Trierer Museums bekannt Ein Geföss, das Prof.
Mehlis zu finden das Glück hatte, trägt den Stempel: A. ATA (Bruch) = A. Atta,
ein Töpfer, dessen Officin auf sonst bekannten Stempeln erscheint; 5. Klumpen
geschmolzenen Bleies (Dachrinnen?); 6. ein eiserner Striegel; 7. Thierknochen u. A.
— Die Villa ging nach zahlreichen Spuren durch Brand zu Grunde, etwa um
400 n. Chr. — Die Ausgrabungen werden mit Mitteln des Altert humsvereins
nach Thunlichkeit fortgesetzt. — Die Hauptfunde gelangen als Geschenk des
Hm. Gutsbesitzers Ph. Zumstein in das Dürkheimer Gantonalmuseum; einige
andere Fundgegenstände wurden dem Gymnasium zu Neustadt zum Geschenke
gemacht. — Mehlis.
Neue Funde von der Feuerstein-Werkstätte bei Gusciiter-Holiänder,
Kreis Friedeberg.
Von der bereits bekannten Feuerstein -Werkstätte bei Guschter-Holländer er-
hielt das Kgt. Museum für Völkerkunde als Geschenk des Hm. Prem.-Lieut d. L.
Voigt in Guscht eine grössere Anzahl von Fundstücken: runde und lange Schaber,
Messer, massive dreikantige Bohrer, Nuclei, eine grosse Menge von Abfallsplittern,
Bruchstücke von geschliffenen Feuersteinbeilen, die Schneidehälfte eines ge-
schliffenen Beiles aus dioritartigem Gestein, sowie mehrere Scherben von Thon-
gefässen. Einer der letzteren, ein sehr roh gearbeitetes Bwidstück, verdient
- 12 -
wegen des Ornamentes Beachtung; dieses besteht ans einer Reihe von Gh-übchen,
die iVt cm nnter dem Rande in Abständen von ca. 1 cm mittelst eines etwa
meisselartigen Instrumentes in der Weise ausgehoben wurden, dass die FOhning
des Instrumentes in horizontaler Richtung erfolgte; die „Schneide^ des Instrumentes
hat deutlich sichtbare Furchen hinterlassen, sie war also uneben. Es liegt hier
offenbar ein Beispiel des von Voss') beschriebenen Gruben- und Loch-Ornamentes
vor, welches, allerdings selten, bereits aus der Neumark bekannt ist*).
A. Oötze.
Halbfertige Steinhämmer von der Bremsdorfer Mühle,
Kreis Guben.
In den Besitz des Kgl. Museuros (tlr Völkerkunde gelangten zwei Stein-
hämmer, deren Querschnitt in der rechtwinklig zum SchafÜoch stehenden Ebene
ein Fünfeck bildet, während der Querschnitt parallel zum Schaflloch rechteckig
ist. Es ist dies ein Typus, welcher in neolithischen Funden meines Wissens
noch nicht, dagegen zuweilen in Niederlausitzer Gräberfeldern beobachtet wurde,
er scheint sich also erst nach der Steinzeit gebildet zu haben Deshalb ist es
nun wichtig, dass das grössere Exemplar (Länge 14 c/it) eine unrollendete Bohrung
mittelst eines cylindrischen Hohlbohrers aufweist; die Bohrung reicht etwa bis
zur Mitte des Stückes, der Bohrzapfen ist bis auf eine geringe Erhöhung ab-
geschliffen. Man kann hieraus sehen, dass der neolithische Hohlbohrer auch noch
in der Zeit der Lausitzer Gräberfelder in Gebrauch war. Das zweite kleinere
Stück ist nur roh behauen, die Bohrung hat noch nicht begonnen. Die Fundstelle
liegt an einer Anhöhe auf dem rechten Ufer der Schlaube zwischen der Brems-
dorfer Mühle und dem Gr. Treppelsee. A. Götze.
Otterfallen von Gross-Lichterfelde, Kreis Teltow.
Im yergangenen Jahre wurden auf dem Grundstücke des Hm F. Bluth in
Gross -Lichterfelde fünf sogen, hölzerne Ottcrfallen und Bruchstücke ron einer
sechsten bei Erdarbeiten im Moor in einer Tiefe von ca. l'/t — ^ ni gefunden und
von Hrn. Bluth dem Kgl. Museum für Völkerkunde geschenkt. Die Fundstelle
liegt dicht neben der Bake, einem kleinen Fliess, welches einige 100 Schritt zu-
vor am Fusse des Fichteberges bei Steglitz entspringt und sich in sumpfigen
Wiesen zwischen Steglitz und Gross-Lichterfelde, dann im Bogen durch letzteren
Ort nach dem Teltower See schlängelt. Die Otterfallen lagen zusammen über
einander geschichtet, in der Nähe wurde ein anscheinend moderner Bronzering
gefunden, der mit den Fallen wohl in keinem Zusammenhange steht Die Länge
der Fallen beträgt 57, 61, 62, 65 und 68 cm bei verhältnissmässig geringer Breite.
Leider bringt auch dieser Fund kein neues Material zur Datirung jener eigen-
thümlichen Geräthe. A. Götze.
1) Yerh. der Berl. Anthrop. Oesellsehaft 1891, S. 71.
2) A. QOtie, Die Vorgeschichte der NeomarL WOnburg 1897, S. 9.
— 13 —
Funde von Steingeräthen auf RQgen.
Das Kgl. Museum für Völkerkunde besitzt eine Anzahl zusammengehöriger
Funde von Steingcrätheif, deren Mittheilung zur Venrollständigung der Liste der
bisher bekannten Depot- und Gräber-Funde erwünscht sein dürfte. Das Museom
erwarb vor mehreren Jahren die Sammlung des Hm. Juwelier Sie wert in Bergen,
und damit eine Anzahl yon Steingeräthen, welche sich nicht nur wegen der diesbezüg-
lichen Notizen in dem Originalyerzeichniss dieser Sammlung, sondern auch wegen
der Zusammensetzung und der Patinirung als Theile zusammengehöriger Funde
erwiesen. Es sind folgende (Nr. 1—13):
1. Ftinf Feuersteinbeile „zusammen gefanden in einem Hünengrabe beim
Dorfe Hagen auf Jasmund^. Ein Stück ist verhältnissmässig dick (ähnlich Mes-
torf, Voigesch. Alterthümer aus Schleswig-Holstein, Fig. 24) und an den Breit-
seiten geschlififen; von den 4 andern von flachem Typus (Mestorf a. a. 0. Fig. 34)
sind zwei behauen und nur ganz vom an der Schneide ein wenig geschliffen, die
beiden letzten auf den Breitseiten geschliffen. Das Matenal ist ziemlich einheitlich
grau, nur bei einem Stück etwas dunkler. — Kat. I. c. 1168—1172.
2. Acht Feuersteinbeile und ein Beil aus schwärzlichem Gestein, „zusammen
gefunden im Hünengrabe beim Dorfe Hagen ^. Dieser Fund hat ganz das
Aeussere eine Depotfandes. Die 8 Feuersteinbeile sind wie aas einer Form, sie
gehören dem Typus mit spitz zulaufendem Bahnende und mandelförmigem Quer-
schnitte an (S. Müller, Ordning af Danmarks Oldsager, Stenalderen Fig. 46).
Die Bearbeitung erfolgte nur durch Behauen, aber obgleich die einzelnen Ab-
muschelungen bedeutend grössere Dimensionen, als z. B. bei den Dolchen und
Lanzenspitzen, haben, hat man doch in geschickter Weise eine zierliche und ge-
fällige Form erreicht. Ihre Länge beträgt 12-15,5, ihre Breite 3,8—4,7 cm. Sie
besitzen eine schöne gleichmässigc hellgraue Patina mit einem Stich ins Bläuliche.
Das Beil aus schwärzlichem Gestein ist geschliffen, aber nicht polirt, es ist im
Querschnitt vierkantig, am Bahnende ziemlich dick und erinnert an den ent-
sprechenden Typus aus Feuerstein (etwa S. Müller a. a. 0. Fig. 59); Länge 13,2,
Breite 4,4 cm. - Rat L c. 1174—1182.
3. Verschiedene Feuersteingeräthe, ^zusammen gefunden in einem Hünengrabe^
bei Buddenhagen: ein ziemlich fertig behauenes Beil von dem gleichen Typus,
wie diejenigen des vorigen Fundes, mit spitzem Bahnende und mandelförmigem
Querschnitt (Länge 12, Breite 4,2 cm); ein roher Entwurf zu einem solchen Beil
(Länge 13,5, Breite 5 cm); drei rohe Entwürfe zu ovalen Geräthen (Länge 16,5;
20,2; 32,3 cm); zwei rohe Entwürfe zu grossen Aexten (Länge 18,5 und 23 cm,
Brette 10,2 und 7,8 cm); ein grosser regelmässiger Nucleus (Länge 12 cm). Das
Material ist Feuerstein mit rothbrauner Patina von ziemlich gleichmässigem Aus-
sehen — Kai L c. 1199-1206.
.4. „In einem Hünengrabe bei der Oberförsterei Werder" wurden fünf derbe
prismatische Messer und ein roher Entwurf etwa zu einem meisselartigen Geräthe
aus grauem Feaerstein gefunden. — Kat. L c. 133*s.
5. Aus „einem Hünengrabe in der Stubnitz" stammen ein rundlicher und
zwei sehr schöne grosse ovale Schaber, sowie ein sehr rohes (beilartiges?) Geräth,
alles aus grauem Feuerstein. — Kat I. c 1339.
6. „Zusammen gefunden in einem Hünengrabe bei der Waldhalle Stubnitz"
wurden zwei rohe Entwürfe etwa zu sichelförmigen Messern (Länge 13,2 und
13,3 cm), die Hälfte eines sehr grossen sichelförmigen Messers (Länge des Bruch-
— u —
Stückes 13,8 cm\ und ein grosser ovaler Schaber (Länge 9,7 cm) ans Feaerstein
mit ziemlich gleichmässiger hellgrauer Patina. — Kai I. c. 1347 — 1360.
7. Acht runde Rlopfsteine, sieben aus Feuerstein, der achte aus Granit,
wurden „zusammen gefunden im Acker bei Nen-Muckrau^. — Kai I. c 1384.
8. Von den ^zusammen auf dem Acker zu Nardevitz^ gefundenen Gegen-
ständen gehören wegen der gleichmässig dunkelgranen Farbe sicher zusammen
ein Schaber mit Griff-Fortsatz und zwei kleine zierliche Beile oder Meissel rom
Kjökkenmöddinger-Typus. Angeblich gehört noch zum Funde ein gleiches Beilcben
mit graublauer Patina und zwei derbe prismatische Messer mit grauer, besw.
graugelber Patina. — Kat I. c. 1328—1329.
9. „Zusammen gefunden in den Lankener Bei^n^ wurden zwei rohe Ent-
würfe zu grossen Beilen aus Feuerstein mit gleichmässiger hellgrauer Patina. Der
eine ist vierkantig (Länge 18,8, Breite 6,1 cm), der andere au dem schmaleren
Ende ebenfalls vierkantig, am anderen unregelmässig gestaltet (Länge 14,3 cm). —
Kat. L c. 1216—1217.
10. Zwei schöne lange in Form und Farbe ziemlich gleichartige Nudei mit
brauner Patina, „zusammen gefunden in dem Lankener Torfmoor^. Länge 10,7 cm,
— Rat. L c. 1281.
11. Von Posewald stammen ein sehr rohes Beil ohne ausgeprägten Typus
(Länge 13 cm) und ein prismatisches zweischneidiges Messer (Länge 9,1 cm) ans
grauem Feuerstein, „zusammen gefunden auf dem Acker^. — Kat. L c 1306 — 1307.
12. Zwei mondsichelförmige Messer oder Sägen mit brauner Patina, „zusammen
gefunden in Sabitz"". Länge 13,5 und 15,2 cm. — Kat. L c. 1236—1237.
13. Zwei rohe Entwürfe zu Schmalmeisseln aus grauem Feuerstein, „zusammen
gefunden im Acker zu Mönkendorf^. Länge 14,2 und 16,7 cm. — Kai I. a
1268—1269.
Aus der im Jahre 1891 erworbenen Sanmilnng Paulsdorff stammen die beiden
folgenden Funde:
14. Zwei schön geschliffene Hohläxte mit grauer Patina, bei Neuenkirchen
zusammen gefunden. Länge 10,8 und 12,2 cm, — Kat. 1. c. 1456 — 1457.
15. Bei Dumsevitz wurden zusammen gefunden: ein ziemlich dickes Beü,
welches nur an der Schneide geschliffen, im übrigen behauen ist, ähnlich Mestorf
a. a. 0. Fig. 24 (Länge 13,5, Breite 5 cm\ ein dünneres, auf allen Seiten ge-
schliffenes Beil, ähnlich Mestorf a. a. 0. Fig. 36 (Länge 12,7, Breite 6 cm\ und
ein kleines behauenes, nur an der Schneide geschliffenes Beil von ziemlich platter
Form, änlich Mestorf a. a. 0. Fig. 49 (Länge 10,1, Breite 4 cm). Das Material
ist bei allen drei Stücken ein gelbbraun patinirter Feuerstein. — Kat L c 1449
bis 1451.
Die im Jahre 1893 erworbene Sammlung Borgmeyer enthält u. A. swet
DepotAinde:
16. Depotfund von Mariendorf, bestehend aus einem behauenen Beile «n
hell- und dunkelgrau geflecktem Feuerstein, ähnlich S. Müller a. a. O. Fig. 59
(Länge 20, Breite 4,7 cm)^ einem kleinen Beile aus ebenfalls grau geflecktem
Feuerstein, der allseitig begonnene Schliff ist nicht überall durchgeführt, ähnlich
S. Müller a. a. 0. Fig. 55 (Länge 14, Breite 4,3 cm); einem ganz ähnlichen braun
patinirten Stück (Länge 14,6, Breite 4 cm)\ einem allseitig geschliffenen, helign«
patinirten Beile von ziemlich platter Form, ähnlich S. Müller a. a. O. Fig. 6i
(Länge 24, Breite 6,3 cm) und einem dicken, nur an den Breitseiten geschliffaieB
Beile mit hellgrauer Patina, ähnlich Mestorf a. a. O. Fig. 24 (Unge 21,
5,5 cm). — Kat. L c 2142—2146.
— 15 —
17, Depotfand von KI«iD-Hagen enthttlt di«i Sttlcke ans gnaem Peuer-
stein Ton dem Typus mJi dickem Bahnende, und zwar swei Hohläxte, von denen
die eine behanen (Länge 36, Breite 5,1 em), die andere an der Bchneidehällle ge-
schliffen ist (Länge 13,3, Breite 5,6 cm), sowie ein kleines nur aa der Schneide-
hJütie geschliffenes Beil (Länge 11,1, Breite 5,1 cm). Sie entsprechen etwa den
Typen 61, 66 und 65 bei 8. Maller. — Kat. I. c. 2147—2149. A. Götze.
Ein Thongenss der Völkerwandeningszelt aus der Provinz Posen.
Ein änsserlich anscheinbarer, we^n der Lage des Fundortes aber nicht nnin-
teressanter Gegenstand wurde vor einiger Zeit dem Kgl. Hnsenm fUr Völkerkunde
von Hm. Oekonom Manske in Behle geschenkt. Der Fandort ist Behle, Kreis
Czamikau, Prorinz Posen. Es ist ein beim Brennen TernngiackteB Thongefass,
welches in mehrere Stücke zerbrochen und so sehr verbogen ist, dass die Stücke
sich nicht zusammensetzen lassen. Es ist offenbar eine Schale mit weiter Oeffnong
und einem abgesetzten, etwas hohlen Fuss; auf der Schulter sind in geringen Ab-
ständen vertikale Furchen, sowie 3 oder 4 warzenliirmige Knöpfe angebracht.
Darüber läuft eine horizontale hcrausroodellirte Kante mit seichten Einstichen
(Fig. 1), Wenn man das ProBl des Gelasses, so gut es geht, rekonstmirt, so
Fig. 1.
erhält man eine Form, welche mit einem Gefässc von Butzow, Kr. Wealhavelland
(Kgl. Museom t. Völkerkunde I, f, 1699) die grösste Aebnlicbkeit hat (Fig. 3).
Das letztere Gefäss entstammt einem grossen Graberfelde der Völkerwanderungs-
zeit, dessen Funde zum Theil von Voss und Stimraing (Vo^escbichtl. Alter-
tbOmer ans der Hark Brandenburg) publicirt sind. Wenn das Bntzower Geläss
sich auch von allen anderen Urnen dieses Feldes durch die Fassbildung unter-
scheidet, so ist es doch wegen der Uebereinstimmung in allen anderen Elementen
(Profil, Ornament, Technik) in dieselbe Zeit and Kultur zu setzen, d. h. in die
Völkerwanderungszeit. Das Gefass von Behle nnn ist nicht nnr hinsichtlich der
Form ein Seitenstflck zu der genannten Butzower Urne, sondern auch die Or-
namente finden sich in gleicher Weise an mehreren anderen Urnen des Butzower
Feldes wieder, es gehört also zweifellos ebenfalls der Völkerwanderungszeit an.
— 16 —
Sehr auffällig ist daa östliche Vorkommen einer solchen Schalenume'), deren
nächste Verwandten bisher im Wesentlichen auf westlichere Gebiete, insbesondere
die Gegenden anf beiden Ufern der untered Elbe (im weiterem Umkreise), be-
schränkt sind. Um ein zufällig verschlepptes Sttlck kann es sich nicht handeln,
weil es eben beim Brennen yerunglückt ist, es muss also in der Nähe des Fund-
ortes helgestellt sein. Wenn nicht noch grössere Mengen solcher Schalennmen
im östlichen Deutschland zum Vorschein kommen, was freilich nach den bis-
herigen Erfahrungen kaum zu erwarten ist, so muss man annehmen, dass das
Gefass von einem auf der Wanderschaft begriffenen germanischen Stamme, dessen
Heimath in dem Verbreitungsgebiete der Schalennmen lag, unterwegs hergestellt
wurde. A. Götze.
Merovingische Emailperlen aus der Mark Brandenburg.
Vor mehreren Jahren wurde auf dem Vorwerk Dollgen, Kr. Prenzlau, 2 Fuss
tief im gelben Lehm ein Skelet gefunden, auf welchem ein massig grosser Feld-
stein gelegen haben soll. Die Länge des Skelets Mrurde nach einem Unterarm-
knochen Ton einem Arzte auf etwa 5 Fuss geschätzt. In der Gegend der Hals-
wirbel lagen mehrere Email- und Glasperlen, die durch gütige Vermittelung des
Hm. Prem-Lieut. a. D. H. v. Schierstädt als Geschenk des Hm. t. Wedelt
auf Kutzerow an das Kgl. Museum für Völkerkunde gelangten. Es sind:
CD
1. eine cylindnsche Perle aus rothem Email mit gelb eingelegten Streifen,
ähnlich Fig. 1, aber dicker;
2. eine und eine halbe Perle von ovalem Querschnitt aus rothem Email mit
gelb eingelegten Streifen; ähnlich Fig. 2;
3. vier cylindrische Perlen aus gelbem Email mit roth eingelegten Streifen
(Pig. 1);
4. zwei Perlen Yon oralem Querschnitt aus gelbem Email mit roth eingelegten
Streifen (Fig. 2);
5. eine Perle aus gelbem Email, kleiner als Fig. 2;
6. eine kleine rundliche Perle aus schwarzem Email, in roher Weise lu-
sammengedreht;
7. eine grössere ringförmige Perle aus blauem Glas.
Der Typus dieser Perlen, besonders der unter Nr. 1—5 aufgeführten, weicht
erheblich von den sonst in Ost-Deutschland Torkommenden Typen ab, ist jedoch
eine ganz gewöhnliche Erscheinung auf dem Gebiete des meroringischen Cultar-
kreises. A. Götze,
1) Vgl Weigel, Das Gräberfeld von Dahlhausen, Arohiv f. Anthrop. XXII, 8. 347.
AbgMehJoMM im Min 1S97.
Ergäaraaggblätter gar Zeitschrift fttr Ethnologie.
Nachrichten Aber deutsche Alterthnmsfimde.
Mit Unterstützung des Königlich Preuss. Ministeriums
der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten
herausgegeben Yon der
Berliner fiesellsebaft Ar Anthropologie, Ethnologie und Urgescbicbte
unter Redaction Yon
R. Virchow und A. Voss.
Hügelgräber auf dem Brommbarge') in der Heide des Hofbesitzers
Gross-Hahn, Wessenstedt, Kreis Uelzen, Hannover.
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Sitnationsskizze der Hügelgräber auf dem Brommbarge in der Wessenstedter Heide.
Fund -Protokolle.
(Abkürzungen: h = Höbe; d - Durchmesser.)
Grab 1. Hügel: h = 0,20 m; d = 5 iw.
In der Mitte befand sich 40 cm tief die durch Wurzeln des Heidekrautes zer-
sprengte deckellose Urne 97 *). Sie war etwa zu V4 niit den verbrannten Knochen
eines Erwachsenen gefüllt und mit weissem Sande, der mit sehr wenigen Kohien-
stücken von durchschnittlich 3 mm Durchmesser yermischt war, bis zu einer Ent-
1) Der Brommbarg wird erwähnt in J. Taube, Beiträge zur Naturkunde des Herzog-
thums Zelle I, 112, 113: Freudenthal — Heidefahrten.
2) Die Nummern hinter den Fundsachen beziehen sich auf den Katalog.
2
— 18 —
fernong von 0,40 m umgeben. Die Uroe besteht, wie alle Gefösse dieses Fried-
hofes, aas Thon und hat, wie die meisten, eine gelbbraune bis graubraune Farbe.
Vom Humus war unter der Orundfläche des Hügels hier, wie in allen übrigen
Gh*äbem, nichts zu finden.
Grab 2. Hügel: h = 0,70 wi; d = 8 iw.
Mitten im Hügel lagen 15 cm unter der Erde — also oberhalb der Grrund-
fläche des Hügels — die ersten G^fässscherben und zwischen ihnen die zwei
Eisenstücke 114, deren Bestimmung nicht mehr zu erkennen ist, da sie sehr ron
Rost zerfressen sind. Dann folgten, ron Scherben umgeben, die verbrannten
Knochen eines Erwachsenen. Die oberen Scherben gehörten hauptsächlich dem
durch Streifen um Hals und Bauch verzierten, einhenkeligen Beigefässe 115b und
dem am unteren Theile spärlich durch Striche verzierten, einhenkeligen Deckel
115 c der Urne 115ad an, deren Scherben nicht verziert waren und zu unterst
lagen. Alle drei Oefässe waren durch Frost und Wurzeln des Heidekrautes zer-
sprengt. Unter den Scherben lag ein flacher Feldstein von 25 cm Länge, 18 cm
Breite und 11 cm Dicke, welcher der Urne als Unterlage diente. Kohlen fanden
sich, wie in dem vorigen Grabe, vor.
Grab 3. Hügel: h = etwa 0,20 m; d = 3 w.
Der Hügel war uneben und durch einen Fuchs, der hier seinen Bau hatte,
zerstört. In der Mitte lagen 34 cm tief — also unter der Grundfläche des Hügels
— die Scherben der Urne 145 und ihres durch Bandkerben verzierten, ein-
henkeligen Deckels 144, welcher aussen rothbraun und bis einige Centimeter unter
dem Bande rauh beworfen ist und innen eine fast schwarze Färbung hat. Zwischen
Deckel und Urne lagen die verbrannten Knochen eines Erwachsenen. Kohlen wie
in Grab 1.
Grab 4. Hügel: h = etwa 0,15 m; d = 5 m.
In der Mitte lagen fast an der Oberfläche die Scherben der Urne 158 und
ihres einhenkeligen Deckels 159, jedoch so zerstört, dass eine Form nicht mehr
zu erkennen war. Verbrannte Knochen wurden nur wenige gefunden; sie ge-
hörten wahrscheinlich einem Erwachsenen an. Kohlen wie in Grab 1.
Grab 5. Hügel: h = 0,50 m; d = 8 m.
In der Mitte befand sich die Urne 83 mit ihrem Rande 40 cm unter der
Grundfläche des Hügels. Sie war mit dem einhenkeligen Deckel 84 (Fig. 9) be-
deckt. Neben ihr und zwar an ihrer Südwest-Seite stand das einhenkelige und
durch Streifen verzierte Beigefäss 82, welches reinen Sand enthielt Die Urne
aber war zu etwa */^ mit den verbrannten Knochen eines Erwachsenen angefüllt,
und zwischen diesen steckte die bronzene Nadel 85 (Fig. 13) so, dass sie mit dem
Knopfende aus den Knochen herausragte. Kohlen wie in Grab 1.
Grab 6. Hügel: h = 0,15 m; d = 3 m.
Fast an der Oberfläche stand in der Mitte die zweibenkelige Urne 140 (Fig. 4),
von der ein Henkel abgebrochen ist und nicht zu finden war. 10 cm von ihr nach
Süden hin entfernt und mit dem Rande 20 cm unter dem der Urne 140 stand die
zweite Urne 141 (Fig. 5), welche mit dem einhenkeligen Deckel 142 zugedeckt
war. Beide Urnen waren mit den verbrannten Knochen von Erwachsenen an-
gefüllt, — 140 zu etwa '/, und 141 fast bis an den Rand. Dicht unter der Urne 141
lag eine Kohlenschicht (HS) von 40 cm Durchmesser und 10 — 20 cm Dicke,
Knochen waren zwischen den Kohlen nicht zu finden. Uro die Urnen lagen die
Kohlen wie in Grab 1.
Grab 7. Hügel: h = 0,50 m; d = 6,30 wi.
Mitten im Hügel befanden sich, mit ihren Rändern 14, bez. 80 cm unter der
— 29 —
mit einem Stabe gemacht sind, nnregelmässig yertheili An dem Beigeföss 82 laafen
3 parallele Streifen, die mit 3 breiten Stäben gemacht sind, horizontal in Höhe
des unteren Henkelansatzes um das Gefass. SiS sind yon gleicher Breite und
Tiefe, wie die vorigen, und haben 2 — 3 mm Abstand yon einander. Gleiche
Streifen befinden sich in gleicher Höhe um das Gefass 115b. Unter diesen
verzieren aber noch andere den Bauch des Gelasses. Ihre Richtung ist aber
leider nicht mehr festzustellen, da das Gefass vollkommen zerbrochen ist. Auch
das diesem an Verzierung ähnliche Gefass 221 ist leider zerbrochen. In Höhe
der Henkel befinden sich aber 6 den vorigen ähnliche Streifen um das Gefass.
Ausser diesen laufen senkrecht über jeden Henkel 3 Streifen, die von hier aus
unter den horizontalen den oberen Theil des Bauches im Zickzack verzieren.
Drückte man nun mit dem Stabe etwas fester in den Thon hinein, so entstanden
Furchen, wie sie die Scheibe des Beigefässes 152 zeigt.
Diese Verzierungen, die Form und das Material der Grefässe, sowie der Bau
der Gräber geben uns aber nur sehr wenig Aufklärung über ihre Hersteller. Eher
schon geschieht dies durch die Beigaben. Denn ausser den Kohlen des
Scheiterhaufens, die sich in allen Gräbern vorfanden, legte man dem Todten
noch andere Beigaben mit ins Grab. Vor allen Dingen das einhenkelige Bei*
gefass. Es findet sich in 11 von 35 Gräbern und war, wo es sich noch fest-
stellen Hess, immer mit weissem, reinem Sande gefüllt. Nur das Beigefäss 13G
enthielt die verbrannten Knochen eines Kindes; es ist das grösste der Beigefasse.
Die Lage dieser Gefässe ist theils in der Urne (Grab 16 und 21) oder Steinkiste
(Grab 15, 18 und 24), theils neben der Urne (Grab 5 und 8) oder Steinkiste
(Grab 12 und 14), und dann in 2 Fällen östlich und in 4 Fällen westlich von der
Urne oder Steinkiste. Als weitere Beigaben finden sich zwei bronzene Nadeln,
die beide senkrecht zwischen den Knochen der Urnen 83 und 88 steckten, so dass
sie mit ihren Knöpfen aus den Knochen herausragten. Die 11,5 cm lange Nadel 85
(Fig. 13)'), welche oben schwanenhalsartig gebogen ist, hat einen kleinen Knopf,
der einem abgestumpften Kegel von 3 mm Höhe gleicht. Seine obere Fläche misst
3 mm im Durchmesser, seine Grundfläche 5 mm. An diese setzt sich die
Nadel an. In einer Entfernung von 3 mm vom Knopfe hat sie noch eine flache,
um den Hals laufende Vertiefung. Ihr Gewicht beträgt 47s g* Die Nadel 87
(Fig. 12) ist wie Nadel 85 gebogen, 10,4 cm lang und hat einen flachen, scheiben-
förmigen Knopf von 6 mm Durchmesser und 1 mm Dicke. 2 mm unter dem Knopfe
läuft ein erhabener, l'/a ^"^ breiter Streifen um die Nadel. Ihr Gewicht beträgt
374 ff' Beide Nadeln sind mit schöner Patina überzogen und haben picht vom
Feuer gelitten. In Urne 70 dagegen befand sich geschmolzene Bronze (135), die
ihrer Menge und ihrem Gewichte nach zu urtheilen von einer den beiden ersten
ähnlichen Nadel herrühren mag. Ausser diesen 3 Beigaben von Bronze wurden
noch 2 Stücke eines bronzenen Halsringes gefunden. Dieselben lagen direct auf
der zerbrochenen Urne 104. Sie bestehen aus 4 bronzenen Streifen von ungefähr
1 cm Breite, die sich um eine Achse schraubenförmig winden. Man sollte an-
nehmen, dass sich auch noch andere Theile des Ringes hätten finden müssen.
Das war aber nicht der Fall, obwohl der Hügel unverletzt war. Die wenigen
Stücke waren also wohl schon grosse Kostbarkeiten; denn Minderwerthiges hätte
1} Aehnliche Nadeln (Akademie der Wissenschaften, Manchen): Kcsselbrnnn, Kirchen-
birlich, Mandlan, Lesau, Yor^endorf, Wittcnhofen, Staufersbuch. Fast gleiche Nadeln wie
Flg. 18 im Bayerischen National-Mnseuni No. 541; Naue, Hfigelgr&ber XXII. Fig. II;
V. Estorf, Heidnische Alterthümer Taf. VIII. Fig. 23.
Grab 10. Hügel: h ==0,25m; d = 4 m.
Im Norden begrenzt den Hügel ein 2,30 m langer Steinbogen aus unbearbeiteten
Feldsteinen, deren Länge 0,25—0,45 m. Breite 0,20—0,30 m und Dicke 0,14—0,28 ™
beträgt. Im Süden ist der Hflgel nnd wahrscheinlich anch die Fortsetznng des
Steinbogens durch einen Torbeigelegten Graben zerstört. In der Mitte lagen
5 — ^5 cm tief die Scherben der Urne 157 nnd ihres einhenkeligen Deckels.
Zwischen ihnen die rcrbrunnten Knochen eines Erwachsenen. Kohlen wie in
Grab 1.
Grab 1 1. Hügel : h = 0,15 m; d = 5 tn.
Der Hügel ist wahrscheinlich durch einen Steinkranz begrenzt gewesen, denn
es befinden sich noch anr der Südost - Seite drei Steine, die bogenTörmig gelegt
sind; ihnen entsprechende Löcher nm den Hügel lassen auf Wegnahme der
Übrigen Steine schliessen. Ihre Grösse ist dieselbe, wie die in Grab 10. Mitten
auf der Grundfläche des Hügels stand die Urne 221. Sie ist durch Streifen nm
Fig. 14-20.
Gi>r&SBC aus Hügelgräbern anf dem Brommbarge, Wessenatedt. '
Hals und Baach verziert und besitzt zwei gleichmässig rerzierte Henkel, welche
znm Durchziehen einer Schnur bestimmt sind. Im Boden hat die Urne ein Loch,
welches durch eine daranfgelegte Scheibe verdeckt ist. Ihr einhenkeliger Deckel
223 war an der Oberfluche sichtbar nnd. wie auch die Urne selbst, durch
Frost nnd Wurzeln des Hvidekraules zersprengt In der Urne lagen die ver*
brannten Knochen eines Erwachsenen, welche sie zn etwa -i, anlllllten, nnd die
eiserne Nadel i£2. Kohlen fanden sich wie in Grab 1.
Grab 12. Hügel: h = U,30"i; d = 4,50 m.
Um den Hügel befindet sich ein kreisförmig gelegter Steinring, dessen Steine
denen des vorigen HUkcIs ähneln. Mitten auf dem Hügel war der Deckstein
einer Steinkiste sichtbar. Er war 40 cm lang, 36 cm breit, 15 cm dick, und
ruhte auf 4 ihm ähnlichen Steinen, welche auf ihre schmale, kurze Seite gestellt.
— 21 —
einen viereckigen Raum einschlössen. Zur Stütze von aussen dienten ihnen 9
mehr rundliche Sieine. Den Boden bildete ein 31 cm langer, 26 cm breiter und
20 cm dicker Stein, welcher etwas unter der Orundfläche des Hügels lag. Sämmt-
liche Steine waren unbearbeitete Pel(f8teine. In der so gebildeten Steinkiste
(Fig. 21) stand die mit dem einhenkeligen Deckel 71 yerschlossene, am unteren
Fig. 21.
^mfrmfmfmr/7T/mi77T77777m
Senkrechter Durchschnitt durch die Mitte des Grabes 12.
a) Heide-Narbe, b) Gelber Sand, c) Gerdllschicht, d) Grober weisser Sand.
Theil des Bauches durch Striche (wie Urne 93) verzierte Urne 66, welche bis zu
etwa V4 ixiit den verbrannten Knochen eines Erwachsenen gefüllt war. Der übrige
Kaum der Steinkiste war mit weissem Sande, welchem Kohlen, wie in Grab 1, bei-
gemengt waren, ausgefüllt Ausserhalb der Steinkiste — aber unmittelbar an ihr
— stand im Osten auf der Stütze eines Setzsteines das einhenkelige und aus
freier Hand gearbeitete Beigefass 67 (Fig. 10); dasselbe war mit reinem Sande
gefüllt, ist aussen und innen gelb und hat einen hohlen Fuss. Ausserhalb der
Steinkiste befanden sich keine Kohlen mehr.
Grab 13. Hügel; h = etwa 0,60 wi; d = 7 w.
Ein regelmässiges Sechseck aus unbearbeiteten Feldsteinen von gleicher Grösse,
wie um voriges Grab, begrenzte den Hügel. Eine Ecke des Sechsecks zeigte nach
Osten. Mitten auf dem Hügel lag ein 30 cm langer, 27 cm breiter und 8 cm dicker
Feldstein. Unter diesem lagen bis zu einer Tiefe von 40 cm Scherben der rauh
beworfenen Urne 156, ihres einhenkeligen Deckels 231 und verbrannte Knochen
eines Erwachsenen in regellosem Durcheinander. Das Grab ist schon früher ge-
öffnet; der Stein diente wohl als Bodenstein einer Steinkiste. Kohlen wie in
Grab 1.
Grab 14. Hügel: h = 0,60 m; d = 7 w.
Mitten im Hügel lag 20 cm tief der Deckstein einer Steinkiste, welche wie
in Grab 12 gebaut war, und deren Steine denen in 12 an Form und Grösse
glichen. Die bis zur grössten Weite rauh beworfene Urne 63 (Fig. S), welche
mit dem einhenkeligen Deckel 64 bedeckt war, sowie auch das mit reinem Sande
gefüllte und durch parallele Striche um den Hals verzierie einhenkelige Beigefass
65 hatten dieselbe Stellung inne, wie die Gefasse in Grab 12. Die verbrannten
Knochen, welche die Urne zu etwa Vs anfüllten, gehören einem Erwachsenen an.
Kohlen ebenfalls wie in Grab 12.
Grab 15. Hügel: h = 0,40 m\ d = 6 m.
In der Mitte lagen 30 cm tief 2 flache Decksteine, welche auf 3 Setzsteinen
ruhten und mit einem Bodenstein zusammen eine dreieckige Steinkiste bildeten,
die aber an ihren Ecken nicht ganz geschlossen war. Sie stand fast unter der
Grundfläche des Hügels, und ihre Steine waren an Grösse denen der vorigen
Gräber etwas überlegen, an Form aber glichen sie ihnen. Die Steinkiste ent-
hielt 3 Gefasse, die rauh beworfene Urne 137 mit ihrem einhenkeligen Deckel
138 und das einhenkelige Beigefass 136 (Fig. 7), welches bis an den Rand mit
den verbrannten Knochen eines Kindes gefüllt war und westlich neben 1 37 stand.
Die Urne enthält die verbrannten Knochen eines Erwachsenen, die sie ungefähr
bis zu '/4 anfüllten. Kohlen wie in Grab 12.
- 22 —
Grab 16. Hügel: h = 0,60 m; d = 7 m.
In der Mitte lag 3 cm tief der Deckstein der Steinkiste, welche aas einem
Bodenstein und 8 Steinen bestand, die theils als Setzsteine, theils als ihre Stützen
dienten. Die Form und Grösse der Steine ist denen in Grab 12 ähnlich. In der
Steinkiste lag nur weisser Sand, der mit Kohlen, wie in Grab 12, yermischt war.
Dicht unter dem Bodenstein aber stand die deckellose Urne 89, welche die rer-
brannten Knochen eines Erwachsenen und das einhenkelige Beigefäss 133 (Fig. 11)
barg. Im Beigefäss befanden sich unten Sand, oben Knochen, die aber durch
den Druck der Knochen in die Urne hineingedrückt waren. 50 cm von dieser
Urne nach Osten hin entfernt, aber 40 cm höher, stand die Urne 90 frei in
der Erde. Auch sie enthielt die yerbrannten Knochen eines Erwachsenen und war
ohne Deckel. Beide Urnen waren fast bis zum Bande mit den Knochen gefüllt
und mit Kohlen, wie in Grab 1, umgeben.
Grab 17. Hügel: h = 0,50 w; d = 6 m.
35 cm unter der Erde befand sich in der Mitte der 53 cm lange, 40 an breite
und 15 cm dicke Deckstein der aus 5 Setzsteinen bestehenden Steinkiste. Der
Bodenstein fehlte. In dieser Steinkiste stand die Urne 110, welche mit dem ein-
henkeligen Deckel 237 verschlossen war und die yerbrannten Knochen eines Er-
wachsenen enthielt. Urne und Deckel waren durch die zerfallene Steinkiste zer-
stört. 30 cm westlich von der Urne stand fast an der Oberfläche des Hügels die
zweite Urne V^4 ohne Deckel und ohne Steinkiste. Sie ist fast bis an den Rand
rauh beworfen und sehr zerbrochen. In ihr lagen ebenfalls die yerbrannten
Knochen eines Erwachsenen und direct auf ihr zwei Stücke eines bronzenen Hals-
ringes 105. Trotz eifrigen Nachsuchens konnten keine weiteren Stücke des Hals-
ringes gefunden werden. Kohlen fanden sich in der Steinkiste, wie in Grab I:?»
und um die Urne 104, wie in Grab 1.
Grab 18. Hügel: h = 0,80 m; d = 8 m.
In der Mitte befand sich 1 m tief die mit dem einhenkeligen Deckel 69
versehene Urne 70, und westlich neben ihr das einhenkelige Beigefäss 68 (Fig. 16),
welches mit reinem Sande gefüllt war. Die Urne enthielt die verbrannten Knochen
eines Erwachsenen, welche sie etwa zu '/« anfüllten, und zwischen den Knochen —
fast auf dem Boden — die geschmolzene Bronze 135. Um diese (befasse, welche
unter der Grundfläche des Htigels standen, waren 4 flache Steine gestellt, an Form
und Grösse den Setzsteinen in Grab 12 gleich. Kohlen wie in Grab 12.
Grab 19. Hügel: h -= 1,10 m; d = 8 m.
Dieser Hügel war der höchste. 6 Steine bildeten in der Mitte in einer Tiefe
von 1 m eine Steinkiste, deren Deckstein fehlte. Die Steine glichen denen der
vorigen Gräber. In der Steinkiste standen die beiden Urnen 79 und 81 (Fig. \\
von denen 79 einen einhenkeligen Deckel besass und die verbrannten Knochen
eines Erwachsenen enthielt. Urne 81, welche nördlich neben 79 stand, gleicht mehr
einem Beigefässe, enthält die verbrannten Knochen eines Kindes und besitzt Henkel-
narben, der Henkel war aber nicht zu finden. 50 cm östlich von Urne 79 und
75 cm höher stand die dritte Urne 86 frei in der Erde. Sie besitzt keinen Deckel,
hat aber Narben von 2 Henkeln und enthielt die verbrannten Knochen eines Er-
wachsenen. Alle drei Gefässe waren fast bis an den Rand mit Knochen gefüllt,
und um sie lagen Kohlen wie in Grab 1 resp. 12. In diesem Grabe lagen auch
noch auf der Grundfläche des Hügels einige bis zu 1 cm im Durchmesser grosse
Kohlenstücke zerstreut.
Grab 20. Hügel: h = 0,35 m; d = 5,50 m.
Die Steinkiste war in diesem Hügel sorgfältiger, als in den vorigen, gebaut
— 23 —
Mitten unter der Grundfläche des Hügels waren 5 flache Setzsteine, denen noch
zwei mehr rundliche Steine als Stützen dienten, um die Urnen gestellt; 7 nicht
ganz flache Steine lagen mit ihrem einen Ende so auf den Setzsteinen, dass sie
die senkrechten inneren Flächen nur wenig überragten. Auf diesen Steinen ruhte
der Deckstein. Ein Bodenstein war nicht vorhanden. In der Steinkiste standen
die beiden rauh beworfenen Urnen 108 und 224, welche beide etwa zu *U
mit den verbrannten Knochen von Erwachsenen angefüllt waren. Die Urne 108
hatte den einhenkeligen Deckel 109 (Fig. 14), während Urne 224, welche südlich
neben 108 stand, keinen Deckel hatte. Kohlen lagen auch hier wie in Grab 12.
Grab 21. Hügel: h = 0,90 m; d = 10 m.
Mitten auf der Grundfläche des Hügels stand die 85 cm hohe, 1,50 m lange und
1 m breite Steinkiste, welche 2 flache Deckelsteine und einen Bodenstein hatte,
errichtet 23 Steine, welche durchschnittlich kleiner waren, als die der vorigen
Gräber, dienten als Setzsteine und Stützen deirselben. In der Steinkiste stand die
Urne 88 (Fig. 3). Sie war mit dem einhenkeligen Deckel 130 zugedeckt und ent-
hielt die verbrannten Knochen eines Erwachsenen, die sie etwa bis zu Vs anfüllten.
Femer enthielt sie das mit der freien Hand geformte und vollkommen zerbrochene
Beigefass 131 und die bronzene Nadel 87 (Fig. 12), welche senkrecht zwischen
den Knochen steckte und nur mit dem Knopfe aus ihnen heraussah. Sie ist der
Nadel in Grab 5 ähnlich. Kohlen wie in Grab 12.
Grab 22. Hügel: h = 0,30 m; d = 4 m.
Die zwei Decksteine der Steinkiste lagen in der Mitte 55 cm tief, also unter
der Grundfläche des Hügels. Ein Bodenstein war nicht vorhanden. 15 Steine
dienten als Setzsteine und Stützen. In der Steinkiste stand die Urne 154, welche
mit dem einhenkeligen Deckel 155 bedeckt und fast bis an den Rand mit den
Knochen eines Erwachsenen angefüllt war. Kohlen wie in Grab 12.
Grab 23. Hügel: h = 0,40 m; d = 7 m.
55 cm unter der Erde befand sich in der Mitte die am unteren Theile des
Bauches durch einzelne bogenförmige Streifen verzierte Urne 91, welche mit dem
einhenkeligen Deckel 92 bedeckt und von den verbrannten Knochen eines Er-
wachsenen etwa zu 7» angefüllt war. Neben der Urne lag im Süden und Norden
je ein Stein von 10 — 12 cm Durchmesser. Kohlen wie in Grab 1.
Grab 24. Hügel: h = 0,70 m; d = 5,20 m.
Die Steinkiste (Fig. 22) dieses Hügels war, wie die in Grab 20, gebaut. Nur
Fig. 22.
o.s.o.
Senkrechter Durchschnitt durch die Mitte des Grabes 24.
a— d wie bei Fig. 22.
waren alle Steine durchschnittlich etwas grösser, und die 6 Setzsteine schnitten
mit ihren oberen Kanten mit der Grundfläche des Hügels ab, so dass die theil weise
auf den Setzsteinen ruhenden 7 Steine auch auf der Grundfläche des Hügels
lagen. In der Steinkiste stand die mit dem einhenkeligen Deckel 102 bedeckte
und mit den verbrannten Knochen eines Erwachsenen zu *U angefüllte Urne 99
(Fig. 19). Sie hat oben am Bauche 2 Henkel besessen, die aber nicht zu finden
— 24 -
waren. In der Höhe ihres Randes stand 15 cm WNW. von ihr das einhenkelige
Beigefäss 101, welches nur mit reinem Sande gefüllt war. Kohlen wie in Grab 12.
Grab 25. Plachgrab?
Das Grab hatte keinen Hügel und lag NO. am Fusse des Hügels 24. Es war
daher nicht festzustellen, ob es ein besonderes Grab war oder ob es zum Grabe
24 gehörte. Zwischen 6 rundlichen Steinen von 6 — 15 cm Durchmesser lagen Ton
der Oberfläche ab bis zu einer Tiefe von 30 cm die Scherben 152 von 3 Gefässen,
darunter eine Henkelscherbe und ein durch parallele Furchen horizontal verziertes
Stück. Wahrscheinlich gehören diese Scherben einer Urne, einem Deckel und
einem Beigefasse an. Das Grab war schon zerstört.
Grab 26. Hügel: h = 0,10 m; d = 2,40 m.
In der Mitte befand sich eine, der im Grabe 24 gefundenen ähnliche Steinkiste,
aber kleiner. Ihr Deckstein war an der Oberfläche sichtbar, auch ein Boden-
stein war vorhanden. Sie enthielt die mit dem Deckel 119 versehene, bis an den
Hals rauh beworfene Urne 118, die fast bis an den Rand mit den verbrannten
Knochen eines Erwachsenen gefüllt war. Kohlen wie in Grab 12.
Grab 27. Hügel: h = ? m; d = 4,40 m.
Das Grab war schon zerstört. Reste einer Steinkiste wurden gefunden,
Scherben und Knochen aber nicht.
Grab 28. Hachgrab? d = 1 w.
Ein Hügel war nicht vorhanden, aber über dem Grabe ist Heide gehauen,
wodurch der Hügel vielleicht verschwimden ist 15 rundliche Steine von 8— iOrm
Durchmesser umgaben die zweihenkelige Urne 232, welche mit dem einhenkeligen
Deckel 233 bedeckt war Unter der Urne lag ein etwas flacher Stein als Boden-
stein und auf ihr ein gleicher als Deckstein. Letzterer war an der Oberfläche
sichtbar. Die Urne war zu etwa V4 niit den verbrannten Knochen eines Kindes ge-
füllt Kohlen wurden nur wenige und von geringer Grösse zwischen den Steinen
gefunden.
Grab 29. Hügel: h = 0,25 tw?; d = 3 m.
In der Mitte lagen sehr zerstreut und ungefähr 25 cm tief 33 nicht ganz so
grosse Steine, wie im vorigen Grabe, und zwischen ihnen kleine verbrannte Knochen-
stücke und wenige Scherben, aus denen man nicht mehr auf die Art und Form
der Gefässe schliessen konnte. Kohlen wie in Grab 28. Das Grab war schon
zerstört
Grab 30. Hügel: h = 0,20 m; d = 5 m.
In der Mitte stand auf einem flachen Feldsteine die Urne 111 (Fig. 2) (mit
ihrem Rande 50 cm unter der Erde). Sie war mit dem einhenkeligen Deckel 129
zugedeckt Südöstlich neben ihr stand in einer nach der Urne 111 zu offenen
Steinkiste die Urne 112 ohne Deckel. Die Steinkiste hatte 2 Decksteine, aber
keinen Bodenstein. Ihre Steine glichen denen in Grab 12. Nordöstlich neben
der Urne 111 stand die mit dem einhenkeligen Deckel 121 bedeckte und rauh
beworfene Urne 113 frei in der Erde. Alle drei Urnen standen unter der Grund-
fläche des Hügels und enthielten die verbrannten Knochen von Erwachsenen, die
sie bis etwa *U anfüllten. Kohlen lagen wie in Grab 1 resp. 12.
Grab 31. Hügel: h = 0,10 m?; d = 3,50 m.
In der Mitte lagen nur einige vom Feuer beschädigte Knochen eines Elrwachaenen.
Scherben waren aber nicht zu finden. Das Grab war schon zerstört Leichea-
bestattung hat nicht stattgefunden.
— 25 —
Grab 32. Langgestreckter Httgel: h = 0,50 m?, Länge 13 m und Breite 2,50 m.
Dieses Grab ist das einzige des Friedhofes, welches keinen Hügel von kugel-
segmenta^iger Form besitzt oder flach ist. Der Hügel ist langgestreckt and über-
all gleich breit. ImNW.-Ende des Hügels fanden sich auf Steinen von 10— 18 cm
Durchmesser, welche auf der Grundfläche des Hügels eine Art Pflasterung von
1,50 m Länge und 1,30 m Breite bildeten, einige gelbbraune Scherben von 2 Ge-
fössen (Urne mit Deckel?) und einige yerbrannte Menschenknochen vor. Am süd-
östlichen Ende befanden sich ebenfalls in derselben Lage und Höhe Steine von
ähnlicher Grösse. Nur gab es hier keine Scherben und Knochen. Kohlen von
geringer Grösse lagen auf den Steinen beider Enden nur sehr wenige. Leichen-
bestattung hat nicht stattgefunden, auch war die Geröllschicht unverletzt Das
Grab ist wahrscheinlich schon einmal geöffnet worden.
Grab 33. Hügel: h = 0,20 m; d = 2,20 m.
In der Mitte wurde in einer Tiefe von 25 cm eine Kohlenschicht von 0,70 cm
Durchmesser und 10 cm Dicke gefunden. 30 an südöstlich von ihr befand sich
in derselben Ebene eine zweite gleich grosse und dicke Kohlenschicht Eine dritte
Kohlenschicht, welche einen Durchmesser von 1 m und eine Dicke von 0,25 — 0,35 cm
hatte, lag 5 — 10 cm südwestlich von diesen beiden und 0,70 m unter der Erde.
Knochen und Scherben wurden nicht gefunden. Die Geröllschicht war bei der
letzten Kohlenschicht, welche unter ihr lag, etwa 2 m im Durchmesser durchbrochen.
Grab 34. Hügel: h = 0,05 m; d = 3 m.
In der Mitte befand sich die Urne 478, welche mit einem einhenkeligen
Deckel bedeckt und zu etwa Vs ^^^ den verbrannten Knochen eines Erwachsenen
gefüllt war, mit ihrem Rande 0,35 m tief frei in der Erde, also unter der
Grundfläche des Hügels. Kohlen wie in Grab 1.
Grab 35. Hügel: h = ?; d = ?
Das Grab befand sich auf dem Ackerlande und war vollkommen zerstört, so
dass der Hügel fast verschwunden war. In der Mitte lagen einige Scherben und
verbrannte Knochen, aus denen man aber auf nichts Bestimmtes schliessen konnte. —
Hat man auf dem Wege von Luttmissen nach Ebstorf, welcher über den
höchsten Punkt des Brommbargs führt, das Wegkreuz Luttmissen - Ebstorf und
Wessenstedt - Oitzfelde um 381 m überschritten, so sieht man WNW. des Weges
— also auf dem SSW.-Ausläufer des Brommbargs — - mehrere kleine Hügel ') von
0 — 1,10 m Höhe und 1 — 10 m Durchmesser. Es sind Hügelgräber.
Sie haben in der Regel eine kugelsegmentartige Gestalt. Nur Grab 32 hat
einen langgestreckten Hügel, während die Gräber 9, 25 und 28 keinen Hügel be-
sitzen. Jedoch lässt sich annehmen, dass auch diese Gräber, deren Inhalt nicht
geringer war, als der der übrigen, einst Hügel gehabt haben, die aber im Laufe
der Jahrhunderte durch Witterungseinflüsse verschwunden oder mit der Heidt-
wicke öfter geschält sind, wie man es bei Grab 8 und über Grab 28 wahrnehmen
konnte. Vielleicht hatten sie auch andere Merkmale, z. B. Denksteine, wie
sie auf den langobardisch - sächsischen Friedhöfen standen, die dann aber
später zum Häuser- und Strassenbau verwendet wurden. So lagen bei Grab 9 noch
Splitter eines grösseren gespaltenen Steines. Einige Hügel sind auch mit Steinen
ganz oder theilweise umlegt; so besitzt Hügel 12 einen Steinkranz, und die
Gräber 9, 10 und 11 haben Steinbogen. Diese sind aber wohl nur Reste von
Steinkränzen, denn bei Grab 10 wurde der Steinkranz durch einen vorbeigelegten
1) Aehnliche Gräber siehe bei v. Estorff, Heidnische Alterthümer Taf. XIV. Fig. 7,
Ripdorf; XVI. Fig. 7 und 8, Wellendorf; Ranke, Der Mensch, IL Bd. 605, Ober-Italien.
Hflgel 14 liegt 133,80 m vom Wege Luttmissen-Ebstorf.
— 26 —
Graben zerstört, und bei Grab 9 und 1 1 Hessen einige entsprechende Vertiefungen
um den Hügel auf weggenommene Steine schliessen. Um Hügel 13 befindet sieh
ein regelmässiges Sechseck, dessen eine Spitze nach Osten gerichtet ist Die
Steine hatten bei allen diesen Gräbern nur einen Durchmesser von 5 — 45 cm,
waren unbehauene Feldsteine und nur an ihrer Oberfläche sichtbar.
Alle Hügel aber bestehen aus fast ockergelbem Sande, welcher unter der nur
1 0 — 20 cm starken Heidenarbe auf dem ganzen Friedhofe ausgebreitet ist Dieser
Sand hat unter der Grundfläche der Hügel eine Stärke von 25—50 cm und über-
deckt eine Geröllschicht von 10 — 25 cm Dicke, welche nach der Höhe zu fester
und dicker ist, als am westlichen Abhänge. Unter dieser Schicht liegt grobkörniger
weisser Sand, der nur in wenigen Fällen (Grab 5, 16 und 22) zur Aufnahme der
hier Ruhenden benutzt wurde.
Die Leute vom Brommbarge begnügten sich yielmehr damit, die Reste ihrer
Todten nur wenig mit Erde zu bedecken. Es genügte ja auch vollkommen. Hatten
sie doch ihre Todten sorgfältig verbrannt, die gesammelten Knochen in weite Oe*
fasse gelegt und diese mit grossen Schalen bedeckt. So konnte kein übler Geruch
raublustige Thiere anlocken oder das Verweilen auf dem Friedhofe verleiden.
Die Leute hatten also nur Sorgfalt darauf zu verwenden, dass die Gefässe nicht zer-
drückt wurden, und dies thaten sie auch, so gut sie es konnten. Sie streuten stets
auf die Knochen in der Urne noch Sand und Asche, damit sie voll wurde und
so dem Drucke der Erde von aussen widerstehen konnte. Dann erst bedeckten
sie dieselbe mit dem Deckel. Nun stellten sie die Urne frei auf den Boden
(Grab 2, 7, 8 und 1 1), von dem sie wohl noch den Humus entfernten, oder setzten
sie in eine ungefähr 1 m im Durchmesser haltende, flachere oder tiefere Grube
(Grab 1, 3, 5, 9, 6, 34), umgaben sie mit schönem, weissem Sande, dem sie einige
Kohlen vom Scheiterhaufen beimengten, und wölbten als Denkmal einen Hügel
darüber. "Wollten sie zum Schutze der Urnen noch mehr thun, und dies ge-
schah meistens, so machten sie eine Grube von 10 — 90 cm Tiefe, legten unten
einen flachen Stein hinein, stellten um diesen mehrere breite und ebenfalls flache
Steine, die sie noch durch mehr rundliche stützten, indem sie diese zwischen
erstere und die Wände der Grube schoben oder sie, wenn die Grube sehr flach
war, gegen die Setzsteine lehnten. In diese so gebaute Kiste stellten sie nun die
Gefässe und füllten den leeren Raum der Kiste mit derselben Sand- und Kohlen-
Mischung aus, mit der sie sonst die Gefässe umgaben. War die Kiste an-
gefüllt, so wurde ein grosser und flacher Stein — oder mehrere, je nach Bedarf —
darübergedeckt und der Hügel aufgeworfen.
Sollten nun späterhin noch Familienmitglieder in dem Hügel ruhen, so konnte
man, ohne Gefahr die Gefässe zu verletzen, den Hügel öfitnen und die Urnen bei-
setzen. Wir haben deshalb auch da, wo wir Urnen in Steinkisten und Urnen trei
in der Erde finden, die ersteren für die älteren zu halten (Grab 17, 19 und 30).
Finden sich aber zwei Urnen in der Steinkiste oder in gleicher Höhe unter der
Erde, so lässt sich wohl nicht bestimmen, welches die ältere ist, — es sei denn,
dass die unverzierte, aus weniger gutem Thon gebrannte die ältere wäre, wie
z. B. Urne 141 in Grab 6 und Urne 94 in Grab 7. Vielleicht aber wurde auch
in der besseren Urne das angesehenere Familienmitglied beerdigt Auffallend ist
wenigstens, dass sich sehr häufig eine Urne von gefälligerer Form und ans besseren
Thon neben einer geringeren und aus schlechterem Thon gearbeiteten befindet
Das Eingraben zweier solcher Urnen geschah jedenfalls gleichzeitig. Entweder
trat der Tod bei den Betrcfl'enden zu gleicher Zeit ein, — vielleicht auch dorch
Mitverbrennen — , oder die Aschenreste des verstorbenen Gatten (denn solch«.
— 27 —
nehme ich an, ruhen gewöhnlich in zwei nebeneinander stehenden Urnen)
wurden bis zum Tode des noch Lebenden in der Wohnung aufbewahrt Geschah
dies nicht, so war es doch leicht möglich, beim Eingraben der zweiten Urne die
erste zu beschädigen. Eine sonderbare Stellung der Urnen befindet sich in
Grab 16. Hier steht die eine Urne fast an der Oberfläche des Hügels, während
die andere dicht unter dem Bodenstein der Steinkiste steht. Diese selbst aber
enthält weder Urnen noch Knochen.
Sie ist jedenfalls gleichzeitig mit dem Eingraben der unter ihr stehenden Urne
gebaut und ist entweder zur Aufnahme eines anderen Familienmitgliedes bestimmt,
der aber hier seine Ruhestätte nicht finden sollte und vielleicht in der oberen
Urne ruht, — denn es konnte ja vergessen sein, dass die Steinkiste leer gelassen
war — , oder, was wahrscheinlicher ist, sie ist zur Erinnerung dessen gesetzt,
der fem von der Heimath starb oder so verunglückte, dass man seine Leiche
nicht bergen konnte; die dem weissen Sande beigemengten Kohlen in der
Steinkiste sprechen für einen ihm zu Ehren angezündeten Scheiterhaufen. Auch
in Grab 33, welches keine Spur von Zerstörung aufwies, fanden sich weder
Knochen noch Scherben, und doch lagen an drei verschiedenen Stellen Kohlen-
schichten, die an die Kohlenschicht im Grabe 6 erinnerten, auf welcher die
Urne 141 stand. Auch diese Kohlen sind wohl dem Scheiterhaufen entnommen,
der zu dem Andenken des Todten loderte, und statt der Asche beerdigt worden.
Sehen wir nun von diesen beiden und von den Gräbern 8, 25, 27, 29, 32, 35
ab, so sind, wenn sich nicht noch Gräber ohne Hügel finden, 38 Personen
(darunter 4 kleine Kinder) auf dem Friedhofe beerdigt. Die Reste der Er-
wachsenen lagen alle in grossen, die der Kinder in kleineren Urnen.
Im Ganzen wurden 41 Urnen, 29 Deckel und 11 Beigefässe gefunden. Die
Urnen, welche alle einen flachen Boden haben, zerfallen in 3 Gruppen.
Die Urnen der ersten sind aus schlechtem Thon gemacht, der mit sehr grobem
Sande vermischt ist. Sie sind dickwandig, aussen gewöhnlich rothbraun, innen
dunkelgraubraun bis schwarz gefärbt. Ihre Oberfläche ist aussen und innen durch
den groben Sand des Thons rauh und bisweilen aussen bis einige Gentimeter
unter den Rand rauh beworfen. Von der grössten Weite an werden diese Ge-
lasse nach oben nur wenig enger; sie besitzen niemals einen abgegrenzten Hals
oder Rand. Einige von ihnen haben zwei Henkel, die zum Tragen mit beiden
Händen dienen. [Urne 141 (Fig. 5); 94 (Fig. 18)].
Die zweite Gruppe hat etwas dünnere Wände, einen weiten Bauch, kurzen
geschweiften Hals und weite Oeffnung. Die Gefässe sind aus Thon, dem grober
Sand beigemengt ist, angefertigt, aussen gelbbraun und glatt (selten bis an den
Rand rauh beworfen), innen ebenfalls glatt, aber dunkel - graubraun. Henkel
fehlen immer. [Urnen 88 (Fig. 3); 63 (Fig. 8); 70 (Fig. 15)].
Die dritte Gruppe hat verhältnissmässig dünnere Wände und ist aus feinerem
Thon, als die vorige, der aber auch mit grobem Sande vermischt ist Aussen sind
diese Urnen glatt und gelbbraun, innen ebenfalls glatt, aber oft dunkel-graubraun.
Ihr Bauch ist weit und bisweilen, wie auch ihr Hals, durch Striche und Streifen
verziert. An seinem oberen Theile hat der Bauch in einigen Fällen Henkel, die
zum Durchziehen einer Schnur bestimmt sind. [Urnen 93 (Fig. 17); 99 (Fig. 19);
111 (Fig. 2); 221].
Die Deckel, die ebenfalls einen flachen Boden und immer einen grossen
breiten Benkel haben, welcher am Rande beginnt und etwas tiefer befestigt ist,
sind fast alle gleich geformt. Ihre grösste Weite liegt am Rande oder einige
Centimeter darunter. Einige sind gewölbt und besitzen einen stark nach einwärts
— 28 —
gebogenen Rand. Die meisten aber haben sehr schräge, gerade "Wände. Der
Thon ist theils mit sehr grobem, theils mit feinerem Sande yermischt Die Farbe
der Gefässe ist aussen gelbbraun bis brann, innen braun bis dunkel-graubraun.
Deckel: 84 (Pig. 9); 109 (Fig. 14).
Auch die Beigefösse sehen sich alle sehr ähnlich. Ihr Boden ist flach; ihr
Hals, vom Bauche durch einen Absatz oder Verzierungen getrennt, ist geschweift
oder gerade, ihr Rand wenig oder gar nicht nach auswärts gebogen. Sie haben alle
einen grossen breiten Henkel, der am Rande beginnt und meistens auf der grössten
Weite endigt, und sind aussen und innen gelbbraun bis dunkel -graubraun. Ihr
Thon ist gut geschlemmt und mit massig grobem Sandevermischt. Beigefäss Fig. 6,
7, 11, 16, 20. Eine Ausnahme macht Beigefäss 67 (Fig. 10). Dasselbe besteht aus
sehr feinem Thon, ist aussen und innen gelb und besitzt einen hohlen Fuss. Dies
Geföss und das Beigefäss 131 sind mit der freien Hand gemacht, während alle
übrigen GefUsse mit der Drehscheibe oder einer ähnlichen Maschine angefertigt sind.
Aus diesem Grunde, wie auch der verschiedenen Gruppen wegen, können wir
wohl annehmen, dass es schon Töpfereien gab, in der die Gefässe beigestellt
wurden, oder dass ihre Herstellung in den Händen einzelner Geübterer lag.
Auch muss ihr Preis nicht niedrig gewesen sein, denn sogar zerbrochene Ge-
fässe, wie Urne 221, welche ein Loch im Boden hatte, und wie Urne 99,
der die Henkel fehlten, vmrden noch zur Aufnahme der Reste der Todten
benutzt. Im Bruch zeigen die grösseren Gefässe den massig geschlemmten
Thon zwecks besseren Zusammenhaltens mit grobem Sande vermischt und
nach aussen stärker gebrannt, als nach innen, so dass die Farbe im Innern
der Gefässe immer dunkler oder mehr naturfarbig ist, als aussen. Die kleineren
Gefässe sind gleichmässiger gebrannt, und ihre Farbe ist daher auch aussen
und innen fast dieselbe. Das Brennen geschah wahrscheinlich am offenen
Feuer, welches ringförmig um die zu brennenden Gefässe angezündet wurde. Be-
vor man aber ans Brennnen ging, wurden die Gefässe noch mit glatten Stein^i
oder Knochen mehr oder weniger geglättet oder bis fast an den Rand mit Lehm
oder Thon beworfen, so dass sie eine sehr rauhe Oberfläche erhielten. Einige
wurden auch durch Fingemägeleindrücke auf den Rand (Deckel 144) oder einige
Centimeter darunter (Deckel 478) verziert. Diese Eindrücke laufen in 1—2 c»-
Abständen in einer Reihe horizontal um die Gefässe und rühren von kleinen
Daumen her, so dass man fast vermuthen sollte, sie wären von einer Frau ge-
macht worden. Als weitere Verzierung mit blosser Hand findet sich nur noch
die des Randes der Urne 478. Hier wurde der Daumen oben in den Rand und
etwas nach aussen hin mit dem Nagel eingedrückt, der Zeigefinger mit dem zweiten
oder ersten Gliede an die innere Wand des Gefässes gelegt und nun das GefSUs
gedreht. Hierdurch entstand auf dem Rande des Gefässes eine Furche, deren innerer
Rand höher, als der äussere wurde. Die anderen Verzierungen sind mit Stäben ge-
macht, die mehr oder weniger zugespitzt waren, und mit denen man den weichen
Thon ritzte oder streifte. Bei dem Deckel 115b finden sich unten am Bauche nur
einige regellose Striche von 1 mm Breite, die mit einem Stabe gemacht worden sind.
Nahm man nun mehrere derartige Stäbe neben einander, so erhielt man parallele
Striche. So hat die Urne 93 sieben solcher parallelen Striche von 1 mm Breite,
7o mm Tiefe und 2 mm Entfernung von einander, die unten am Bauche in verschiedenen
Richtungen laufen, sich kreuzen und berühren. Bei Gefäss 65 befinden sieb
nur 5 parallele und sehr schmale Striche um den Hals. Waren die Stäbe breiter,
so entstanden Streifen, wie sie bei Urne 91 zu finden sind. Unten am Bauche
sieht man 4 mm breite, 1 mm tiefe und 2 cm lange bogenförmige Streifen, die nur
— 29 —
mit einem Stabe gemacht sind, miregelmässig yertheili An dem Beigefäss 82 laufen
3 parallele Streifen, die mit 3 breiten Stäben gemacht sind, horizontal in Höhe
des imteren Henkelansatzes am das Gefäss. Si^ sind von gleicher Breite und
Tiefe, wie die vorigen, und haben 2 — 3 mm Abstand von einander. Gleiche
Streifen befinden sich in gleicher Höhe um das Gefäss 115b. Unter diesen
verzieren aber noch andere den Bauch des Gefasses. Ihre Richtung ist aber
leider nicht mehr festzustellen, da das Gefäss vollkommen zerbrochen ist Auch
das diesem an Verzierung ähnliche Gefäss 221 ist leider zerbrochen. In Höhe
der Henkel befinden sich aber 6 den vorigen ähnliche Streifen um das Gefäss.
Ausser diesen laufen senkrecht über jeden Henkel 3 Streifen, die von hier aus
unter den horizontalen den oberen Theil des Bauches im Zickzack verzieren.
Drückte man nun mit dem Stabe etwas fester in den Thon hinein, so entstanden
Furchen, wie sie die Scheibe des Beigefässes 152 zeigt.
Diese Verzierungen, die Form und das Material der G^fässe, sowie der Bau
der Gräber geben uns aber nur sehr wenig Aufklärung über ihre Hersteller. Eher
schon geschieht dies durch die Beigaben. Denn ausser den Kohlen des
Scheiterhaufens, die sich in allen Gräbern vorfanden, legte man dem Todten
noch andere Beigaben mit ins Grab. Vor allen Dingen das einhenkelige Bei-
gefäss. Es findet sich in 11 von 35 Gräbern und war, wo es sich noch fest-
stellen Hess, immer mit weissem, reinem Sande gefüllt Nur das Beigefäss 136
enthielt die verbrannten Knochen eines Kindes; es ist das grösste der Beigefasse.
Die Lage dieser Gefässe ist theils in der Urne (Grab 16 und 21) oder Steinkiste
(Grab 15, 18 und 24), theils neben der Urne (Grab 5 und 8) oder Steinkiste
(Grab 12 und 14), und dann in 2 Fällen östlich und in 4 Fällen westlich von der
Urne oder Steinkiste. Als weitere Beigaben finden sich zwei bronzene Nadeln,
die beide senkrecht zwischen den Knochen der Urnen 83 und 88 steckten, so dass
sie mit ihren Knöpfen aus den Knochen herausragten. Die 11,5 cm lange Nadel 85
(ß^S- ^^)')) welche oben schwanenhalsartig gebogen ist, hat einen kleinen Knopf,
der einem abgestumpften Kegel von 3 mm Höhe gleicht. Seine obere Fläche misst
3 mm im Durchmesser, seine Grundfläche 5 mm. An diese setzt sich die
Nadel an. In einer Entfernung von 3 mm vom Knopfe hat sie noch eine flache,
um den Hals laufende Vertiefung. Ihr Gewicht beträgt 4*/» 9- Die Nadel 87
(Fig. 12) ist wie Nadel 85 gebogen, 10,4 cm lang und hat einen flachen, scheiben-
förmigen Knopf von 6 mm Durchmesser und 1 mm Dicke. 2 mm unter dem Knopfe
läuft ein erhabener, l'/s mm breiter Streifen um die Nadel. Ihr Gewicht beträgt
374 <7. Beide Nadeln sind mit schöner Patina überzogen und haben picht vom
Feuer gelitten. In Urne 70 dagegen befand sich geschmolzene Bronze (135), die
ihrer Menge und ihrem Gewichte nach zu urtheilen von einer den beiden ersten
ähnlichen Nadel herrühren mag. Ausser diesen 3 Beigaben von Bronze wurden
noch 2 Stücke eines bronzenen Halsringes gefunden. Dieselben lagen direct auf
der zerbrochenen Urne 104. Sie bestehen aus 4 bronzenen Streifen von ungefähr
1 cm Breite, die sich um eine Achse schraubenförmig winden. Man sollte an-
nehmen, dass sich auch noch andere Theile des Ringes hätten finden müssen.
Das war aber nicht der Fall, obwohl der Hügel unverletzt war. Die wenigen
Stücke waren also wohl schon grosse Kostbarkeiten; denn Minderwerthiges hätte
1) Aehnlicbe Nadeln (Akademie der Wissenschaften, Mfinchen) : Kesselbrann, Kirchen-
birlich, Mandlan, Lesau, Vorgendorf, Wittenhofen, Staufersbach. Fast gleiche Nadeln wie
Fig. 18 im Bajerischen National-Mosemn No. 541; Naue, Hügelgräber XXII. Fig. 11;
V. Estorf, Heidnische Alterthümer Taf. YUl. Fig. 28.
— 30 —
man doch dem Todten nicht mitgegeben. Noch spärlicher aber, als die Beigaben
ans Bronze, waren die ans Eisen. In der verzierten Urne 115 a d lagen die Eisen-
stücke 114, deren Verwendung *aber nicht mehr zn erkennen ist. Femer befand
sich in der verzierten Urne 93 die am oberen Ende U- förmig gebogene und mit
grossem, flachem Knopf versehene eiserne Nadel 103 (Fig. 23). Sie ist etwa 8 cn
Fig. 28. Vs.
Eiserne Nadel No. 108 (vgl. S. 19).
lang und so sehr verrostet, dass eine genaue Form nicht mehr zu erkennen ist
Auch die eiserne Nadel 222, welche in der verzierten Urne 221 gefunden wurde,
ist leider zerbrochen und verrostet. Sie hat wahrscheinlich dieselbe Grösse und
Form, wie die vorige Nadel, gehabt Alle diese eisernen (Gegenstände wurden in
Gräbern an der Seite des Friedhofs gefunden, also in den jflngeren, während die
Gegenstände aus Bronze mehr in der Mitte des Friedhofes lagen.
Waffen wurden nicht gefunden, woraus wir aber nicht schliessen dOrfen, dass
diese den Bestattern fremd waren; denn WafTen waren zu damaliger Zeit unbedingt
erforderlich sowohl zum Schutze gegen wilde Thiere, wie auch zur Yertheidigung in
Krieg und Frieden. Entweder war es nicht Brauch, dem Todten Waffen mit in's
Grab zu legen, oder sie waren zu kostbar und zum Leben zu nothwendig. Sollten
aber die hier Ruhenden kein Volk gebildet haben, sondern nur den ärmeren Tfaeil
eines Volkes, so erklärt es sich von selbst, dass die Waffen fehlten und die Bei-
gaben so gering waren. Ich nehme aber an, dass dies Letztere nicht der Fall
war, sondern dass sie selbst Herren waren. Denn diese Art der Beerdigung, die
in allen Gräbern die gleiche war, müsste doch in gewisser Beziehung auch der
in den grossen Gräbern der Bronzezeit — denn nur um solche kann es sich
handeln — ähneln, wenn die in den kleineren Ruhenden Hörige der in den
grösseren gewesen wären. In den grösseren Hügeln der Bronzezeit fehlen aber
in dieser Gegend die gleich geformten Deckel, auch fast immer die Beigefasse
und besonders das Eisen. Es kann sich deshalb nur darum handeln: Lebte dieses
Volk vor dem der grossen Gräber der Bronzezeit oder nachher? Lebten die Leute
vorher, so wären ihnen doch vielleicht Steinwa£fen noch bekannt gewesen, und
diese hätten sie dem Todten mit ins Grab legen können, ohne sich in zu grosse
Unkosten zu stürzen. Auch hätte man dann wohl öfter in den grossen Hügeln
der Bron^zeit, in denen man doch sehr reiche Beigaben von Bronze antrifft das
damals schon bekannte Eisen finden müssen. Wir können uns daher wohl fUr das
Letztere entschliessen, dass nehmlich dieses Volk später, als das der grossen
Hügel der Bronzezeit, lebte. Die bedeutende Einfuhr von Bronze hatte durch
irgend welche Ereignisse aufgehört, und nun begann es an Waffen zu fehlen, denn
das Herstellen von Steinwaffen war wohl nicht mehr geübt und in Folge dessen
verlernt worden. Kurz, die bronzenen Waffen und Schmuckgegenstände wurden
so theuer, dass sie zu Grabbeigaben nicht mehr verwendet werden konnten.
In dieser Zeit trat nun wohl zum ersten Male das Eisen auf. Hiernir spricht
besonders, dass das Eisen stets in den oberen und verzierten Urnen und in den
Gräbern an der Seite des Friedhofes gefunden wurde, gleichen Zwecken wie die
Bronze diente und sogar nur einmal weniger auftrat
Die Leute vom Brommbarge haben wir als Angehörige eines germanischen
Stammes zu betrachten, die vor den Langobarden lebten oder schon Langobarden
waren.
31 —
Maasse i
an Gefässen.
Kata-
log-
Boden-
Durch-
Grösster
Durch-
Kleinster
Durch-
Band-
Durch-
Höhe des
grössten
Durch-
Höhe des
kleinsten
Durch-
Höhe des
Rand-
Durch-
No.
messer
messer
messer
messer
messers
messers
messers
cm
cm
cm
cm
cm
ctn
cm
68
10
25,6
25
22
15
20
21
67
2,6
6
—
5
8,5
—
5,5
68
6
11
—
10,5
5
—
10
70
12,5
80,5
29,5
26
18
22,5
25
81
7
18,5
—
9
8
—
14,5
82
8,5
7,5
5
5,7
2
4
6
84
11
26
—
25
10
—
12
88
18
82,6
81
29,5
18,5
19
21
98
12
28
—
19,5
19
—
86
94
8,5
19,5
—
15
10
—
20,5
99
14
29,5
—
16
18,5
—
29
101
6,5
16
12
18
7
11
12,6
109
9
—
—
81
—
—
12,5
111
9
25
—
17
10
—
18
112
12
25
—
17
14
—
20
120
7
11,5
?
?
6,5
9
11
188
4,5
7,5
?
?
8,5
5
6
186
7,6
16
15,5
10,6
7
18
14
140
9,5
28
18
18,5
10
24
25
141
11
25,5
—
22
15
—
24,5
154
9
26
—
17
11
—
25
üebersicht der
Funde.
No.
des
Gra-
bes
Urne
Deckel
Bei-
ge-
fäss
Ver-
sierte
Gefässe
Beigaben
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41
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11
12
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84 Erwach-
sene, 4 Kinder
88
5
10
H. Meyer in Haarstorf bei Ebatorl^ Hanaorer.
ErgiBzingsblätter zur Zeitschrift für Ethnologie.
Nachrichten über deutsche Alterthnmsfimde.
Mit Unterstützung des Königlich Preuss. Ministerinms
der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten
herausgegeben Ton der
Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
anter Redaction von
R. Virchow und A. Voss. 1
Aehter Jahrg. 1897. it Verlag von A. A8HEB & Co. in Berlin. !, Heft 8.
Fundbericht Über die Aufdeclcung von zwei Hügelgräbern bei
Schlagenthin, Kreis Tuchel, am 12. u. 13. Sept 1896.
Südlich von dem Wege Schlagenthin — Dtsch. Czeckzin, auf dem Felde des Be-
sitzers Rnchenbecker-Schlagenthin, entdeckte ich bei Gelegenheit der Tmppen-
tibungen zwei Steinhügel, die, nach der Regelmässigkeit der dieselben bedeckenden
grossen Steine zu urtheilen, vorgeschichtliche Gräber zu bei^n schienen. Die Auf-
deckung dieser Hügel hatte folgendes Ergebniss:
Hügel I, hart an der neuen Scheune. Der Umfang des Hügels betrug
40 Schritt, die Höhe über dem gewachsenen Boden etwa 1,50 m. Ein Theil der Steine
war Ton dem Besitzer bereits zu Bauzwecken herausgenommen, bezw. abgefahren.
Ungefähr in der Mitte des Hügels stiess ich auf eine kammerförmige Stein-
setzung, in der Richtung von Ost nach West liegend, in der Art einer Steinkiste,
nur dass die Dimension der Steine viel grösser war, als solche bei Steinkisten
vorzukommen pflegt, ohne Deckplatte. Die 30 — 40 cm breiten, aufrecht stehenden
Steine, Granit, standen mit ihrem Fuss etwa in der Höhe des gewachsenen Bodens.
Die Maasse der Rammer waren: Höhe 1,30 m. Breite 1 m, Länge 1,50 m. Die
Kammer war mit Sand angefüllt; ziemlich an ihrem Boden stiess ich auf Kohlen-
reste, and in der Mitte der Kammer etwa, auf einen einzelnen, unverzierten, dünn-
wandigen Scherben, sowie auf einen bearbeiteten Feuersteinsplitter. Der Boden
der Kammer bestand aus pflasterartig zusammengefügten Steinplatten, im Allgemeinen
von geringem Umfang. Nur am Ostrand der Kammer befand sich eine grössere
Steinplatte und dicht an derselben ein faustgrosses Töpfchen, zerdrückt, aber in
der Form noch zu erkennen, mit zwei Henkeln und beifolgender Verzierung (^4);
Knochenreste wurden in der ganzen Steinkammer keine angetroffen. Neben der
Kammer wurde bis an den gewachsenen Boden gegraben, aber weder Scherben
noch Knochen worden entdeckt.
Der übrige Theil des Hügels bestand aus sehr grossen Steinen, welche, wie
schon bemerkt, zum Theil an die Seite gerollt waren; der ganze Hügel scheint nur
zur Bergung der Steinkammer aufgeschichtet worden zu sein. Die Verzierung
des kleinen Töpfchens halte ich für steinzeitlich und glaube in dieser Steinkammer
eine Leichenbestattung annehmen zu dürfen, von welcher allerdings nur die spär-
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SeblmgcnUiiD. Hlig«t U. ^^ Stellen mit Scherben, Kohlen ood Knoehen.
— 35 —
liehen Holzkohlenreate erhalten sind. Bei der Lunge der Kammer von 1,50 ni
würde auf ein Begraben in litzfinder Stellung tu achliessen sein.
Die Erhaltang dieser Steinkammer erscheint mir wttnschenswerth; dcrBegitzer,
Hr. Rochenbecker, wSre dasa wohl geneigt
HUgel II. Der etwa 100 m öBtlich von Hügel I gelegene zweite Hügel war
noch unberührt
Bei einem Umfang von 42 Schritt nnd einer Höhe von 2 m über dem ge-
wachsenen Boden betrug sein Darchmesser 12 Schritt
ADDähemd kreisförmig, war er theils von oben aufliegenden groBsen Steinen
bedeckt, theils ragten die Steine ans der Erde herror, Nach Fartrttnmeii der oberen
Steine, welche Arbeit das Anstellen von AMann mit Hebebänmen erforderte, traf
ich, meist an den Stellen, wo ein grosser Stein gelegen hatte, Branderde and
Knochenreete, sowie einzelne Umenscherben. Beim weiteren Abtragen der Erde
und Forträumen der kleinen, zwischen den grossen liegenden Feldsteine traten
Setzungen von 3 — 4 Steinen zu Tage, zwischen welchen bei tieferem Graben
regelmässig auf Branderde, Umenscherben und Reste von gebrannten Knochen
gestesaen wurde. Ausserdem wurden in dieser Schicht zwei bearbeitete Feuer-
steinsplitter gefunden. Es war zu erkennen, dass in jeder derartig durch grosse
Steine gebildeten Abteilung eine Urne gestanden hatte, aaf einer kleinen Steinplatte
von Feldsteinen umstellt. Im Gegensatz zu Hügel I, woselbst die Grabkammer
auf dem gewachsenen Boden errichtet worden war, lagen diese Stellen etwa 50 cm
hoher. Zur Orientierung wnrde noch etwa 1 m tiefer gegraben, doch wurden weder
Scherben noch Knochen angetroffen.
Alle aufgefundenen Scherben waren sehr dünnwandig und sämmtlich nicht ver-
ziert. Beigaben wurden auch hier keine gefunden. Schmidt, Graudenz.
Fundbericht Über die Aufdeckung einer Steinkiste bei Kl. Kensau,
Kreis Tuche), am 8. Sept 1896.
Nach Mittheilung des Hm. Robe, Kl. Kensan, waren bei Anlage der Trift nach
dem Lonsk Steinkisten zerstört worden.
Bei Untersuchung des an die Trift grenzenden Feldes wnrde ein, nur wenig
aus der Erde hervorragender, flacher Stein blossgelegt, — die Deckplatte einer
k
Steinkiste. Die Kiste (Abbildung) enthielt zwei Urnen, von welchen die grössere,
mit einer flachen Schale mit Henkel bedeckt, ziemlich zerdrtickt, jedoch der Form
noch erhalten war.
— 36 —
Höhe dieser Urne etwa 35 cm, Dorchmesser annähernd ebenso, mit zwei
kleinen Henkeln etwa 10 cm unterhalb des oberen Randes versehen. Der Hals
bis zu den Henkeln geglättet, der untere Theil rauh. Die Urne war mit kleinen
Feldsteinen umstellt und stand auf einer Steinplatte, welche den Boden der Riste
bildete. Die zweite, etwas kleinere Urne war in ihrem oberen Theil zerdrückt
Beide Urnen mit gebrannten Knochen gefüllt Beigaben: keine\
Schmidt, Graudenz.
lieber einige urgeschichtliche, wahrscheinlich neolithische
Fundstellen in der Umgegend von Graudenz.
Im Laufe des Jahres 1896 wurden von mir folgende urgeschichtliche Fund-
stellen, aller Wahrscheinlichkeit nach neolithische, in der Umgegend der Stadt
Graudenz neu festgestellt:
1. Am Ostufer des Flötenauer Sees; bei den Sandbei^n des Dorfes Flötenau,
Kreis Schwetz. Fundstelle von zahlreichen Feuersteinsplittem und Schabern, —
solche von 8 cm Länge sind nicht selten, — sowie von unverzierten Umenscherben.
2. Am Westufer des Flötenauer Sees gleichfalls Fundstellen Ton zahlreichen
Splittern und Schabern und von unverzierten Umenscherben.
3. Am Ostufer des grossen Rudnick-Sees, Kreis Graudenz.
Die ganze Abdachung der Sandberge nach dem Seeufer zu zeigt Feuerstein-
splitter und Schaber in grosser Anzahl, sowie zahlreiche Umenscherben, auch Reste
gebrannter Knochen.
Die Umenscherben liegen oft dicht zusammen, so dass es den
Anschein hat, als ob die Umen seiner Zeit vom Winde blossgelegt
worden wären.
Die Scherben meist nicht verziert; jedoch wurde ein Scherben mit
Schnur-Ornament gefunden« Ein Steinbeil aus dieser Fundstelle ist
im Besitz des Premierlieutenant Math es, Graudenz. Ich selbst
fand hier etwas landeinwärts eine schön gearbeitete Pfeilspitze aus
Feuerstein (s. die Abbildung). Dieselbe befindet sich in meiner
Sammlung. Schmidt, Graudenz.
Märkische Aitertbainer').
Vorgelegt in der Sitsong der Berliner Anthropologischen Gesellschalt vom 20. Man 1897.
1. Feuerstein-Hohlmeissel rom grossen Liepnitz-Werder,
Kreis Nieder-Barnim (Fig. 1).
Derselbe ist von hellgrauer Farbe, nur unten an der Schneide etwas scharf
geschliffen, sonst ganz roh zugehauen, die Oberfläche muschelig. Länge 14 rm,
an der Schneide 2,5, am Kopf 1,2 cm breit. Grösste Dicke 1,5, am Kopf 1»2 cm.
Gewicht 81 ^. — Diesen Meissel gab ich dem Königl. Museum; er ist dort
unter No. 4846 eingetragen. Er ist bei der Beparatur des Pächterhauses in
dessen Fundament zum Vorschein gekommen; wir verdanken ihn dem Aber-
glauben der alten Bewohner, denn der Meissel ist jedenfalls dort absichtlich
eingemauert worden, wahrscheinlich um die Geister der früheren EigenthUmer
des Hauses zu bannen, vielleicht auch zum Schutz des Hauses gegen Blitz und
1) Vgl Verhandl. der Berliner Anthropolog. Gesellsch. 1896, S. 128.
J
— 37 —
Feuersgefabr. AehnKches habe ich schon mehrfach in den benachbarten Orten
angetroffen. Der alte Förster Rosenberg aus dem nahen Forsthaus auf dem
Woltersdorf erzählte mir: als in Uen yierziger Jahren das alte Forsthaus abgerissen
und das heutige neue gebaut wurde, fanden sich im Lehm und zwischen
Schutt und Steinen mehrere Meissel und Lanzenspitzen aus Bronze. Sem Sohn,
jetzt Förster in Berkenbrttck bei Fürstenwalde, hat mir die Sache bestätigt; er
hat als Knabe mit den Lanzenspitzen gespielt. Die Leute glaubten, dass sie aus
den Hussiten-Kriegen stammen. Leider sind die Sachen dann verloren gegangen.
Fig. 1. V.
e mittlerer Querschnitt^
d Querschnitt in der
Nähe der Schneide.
a Breitseite, 6 Schmalseite.
Der Meissel vom Liepnitz- Werder ist als ein sehr seltener Fund aus unserer Mark
zu betrachten; das von mir S. 128 der Verhandlungen 1896 beschriebene Feuer-
steinbeil von Runersdorf hat wohl dieselbe muschlige Oberfläche, ist aber bis zur
Hälfte hinauf geschliffen.
Der grosse Liepnitzwerder, eine 180 Morgen grosse Insel im Liepnitz-See, ist
bekannt durch seine vorgeschichtlichen Funde; der Reiz geschichtlicher Thaten
und der Zauber der Sage umschweben diese Lisel. Meinen ersten grösseren Fund
von da, eine grosse bronzene Platten-Fibula, gab ich dem Mark. Museum, ebenso
einen gewundenen Bronzemeissel. Ersterer ist abgebildet in den Verhandlungen
der Berliner Gesellschaft für Anthropologie 1892, S. 88, letzterer in den Nach-
richten über deutsche Alterthumsfunde 1893, Heft 5, S. 80 und von Buchholz
besprochen. Ein kleineres Steinbeil vom Forstacker vom Liepnitz-See habe ich
auf S. 4 der „Mittheilungen des Berliner Geschichts-Vereins^ von 1893 beschrieben.
Dasselbe ist gleichfalls dem Mark. Museum einverleibt, ebenso mehrere grössere
Gefässstücke und Bronzeringe von dem Umenfelde auf der Insel, das am Abhang
der sich südlich nach dem See hinziehenden Schlucht liegt Auch Netzsenker aus
Thon, Steinkugeln, Feuersteinmesser, Knochen von Menschen und Thieren von
dort gab ich demselben Museum. Einige neuere Funde von der Insel, eine Bronze-
schnalle, ein Ring, eine schön verzierte Fibula aus Bronze und mehrere Gefäss-
stücke sind noch in meiner Sammlung.
Die vorgeschichtliche Ansiedlung auf der Insel lag etwa 100 m von der Süd-
westecke; hier ist der Boden metertief in grösserem Umkreise ganz mit Kohle
durchsetzt, worin massenhaft Gefässscherben liegen. Auch obige Platten-Fibula
lag in dieser kohligen Erde. — Auch der nordöstlich vom grossen gelegene kleine
Werder, der vor 3 Jahren aufgeforstet wurde, lieferte viele vorgeschichtliche
Funde. Schöne Exemplare von Feuerstein-Artefacten und von germanischen und
wendischen Gefässscherben aus einer alten Ansiedlung auf seiner Nordseite, nach
Uetzdorf zu, habe ich hier gefunden und dem Mark. Museum gegeben.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht unterlassen, auf mehrere geschicht-
liche Ungenauigkeiten über diese Gegend auftnerksam zu machen. Nach Beck-
mann soll das alte Dorf Liepe, Liepa oder Liepnitz dicht am Liepnitzsee gelegen
— 38 —
haben; noch 1715 seien Ueberreste einer Kirche 8ichU)ar gewesen. Ebenso schreibt
Berghaus anf 8. 462, 1. Theil seines ^Landbachs der Mark^: Das alte Dorf Liepnitz
ist im SOjähr. Kriege zerstört. Klöden und Fidicin sagen: j^Aas Dorf hat am Liepnitt-
see gelegen nnd hat später Woltersdorf geheissen^. Alles das ist nicht richtig.
Meine Forschungen haben ergeben, dass das Dorf Liepnitz etwa Vs km südlich rom
Liepnitz, im heutigen Jagen 66 gelegen hat. Beim Bau der Bernau -Wandlitzer
Chaussee 1888 — 1889 wurden auf bezeichneter Stelle Fundamente von Häusern an-
getroffen, und ich constatirte, dass sich eben solche noch weiter im Walde befanden.
Dicht dabei sah ich neben dem Mauerwerk Kohle und auch Klumpen von Theer,
und hundert Schritt südlich Ton der Chaussee befindet sich eine umwallte Stelle, in
der ich viele Knochen, wendische und frühmittelalterliche Thonscherben fand, die
ich sämmtlich dem Mark. Provincialmuseum übergab. Diese Stelle ist mit hoben
Kiefern bewachsen und wird heute noch im Volksmund „der Kirchhof^ genannt
Jene Fundamente und den Kirchhof betrachte ich als die Reste des alten Dorfes
Liepnitz, das in älteren Schriften auch Lubenitz genannt wird. Diese Feldmark
gehört schon seit dem 14. Jahrhundert zur Stadt Bernau, ist nie beackert, sondern
stets bewaldet gewesen. Das Dorf ist jedenfalls schon in den endlosen Kriegen
zwischen Wenden und Christen eingeäschert worden. — Auch das Dorf Wolters-
dorf hat nie am Liepnitzsee gelegeu. sondern 3 km südöstlich davon, da wo heat
an der Chaussee von Bernau nach Lanke das Forsthaus ^auf dem Woltersdorf
steht. Im Forstacker daselbst, 100 — 150 m westlich von der Chaussee, auch im
Walde daneben habe ich schon vor 8 Jahren mehrere Hänser-Fundamente gefunden,
auch einen gemauerten Heerd mit Asche und Kohlen darauf, ebenso einen Brunnen.
Der grosse Wald rings herum, 2633 Morgen, heisst „der Woltersdorf"; in ge-
schichtlichen Zeiten kommt ein Dorf Woltersdorf nii^nds vor. In der Sage
jedoch um so mehr. Die Glocken des Dorfes Woltersdorf sollen in einem der
drei heiligen Pfuhle, die westlich zwischen dem Liepnitz- und Wandlitzsee liegen,
versunken sein.
2. Steinbeil aus dem Freigrunde bei Wilmersdorf,
Kreis Beeskow-Storkow (Fig. 2).
Im Königl. Museum unter Nr. 4847 eingetragen. Das Material des Beiles ist
ein sehr hartes, jedoch dasselbe, woraus die meisten Findlinge der Mark bestehen»
Fig. 2. V,
a obere Ansicht, b seitliche Ansicht, c mittlerer Querschnitt
also jedenfalls auch hier gefertigt. Die Länge betragt 12 cm, grösste Breite 4, am
abgerundeten Kopf 2 cm. Auf der Schmalseite, die 3'/, cm hoch ist, befindet sich
das l'/jcw weite und T/j cw tiefe Bohrloch. Dasselbe ist jedoch nicht gnnz
— 89 —
durchgebohrt; in demselben sitzt noch der 3 mm hohe Bohrzapfen. Die Kanten des
Steinbeils sind abgerundet^ die Schneide geschliffen. Das Gewicht beträgt 280 q.
Der Freigmnd, Vs ^^ nördlich von Wilmersdorf, ist ein kleines )^aldthal, das sich
westlich bis zum Scharmtttzelsee hinzieht In seiner Nähe im Walde befinden
sich einige Httgelgräber.
Die Skizzen 1 und 2 sind durch die Güte des Hm. Directors Voss im Rönigl.
Museum angefertigt, wofUr besten Dank von dieser Stelle!
3. Feuersteinmesser aus einem Urnengrabe bei Vehlefanz,
Kreis Ost-Havelland (Fig. 3 und 4).
Am 25. November 1894 besuchte ich mit dem Supemumerar Hm. Zimmer-
mann das an der Nordostecke des Kremerwaldes, 3 km südlich von Vehlefanz
und 2 km westlich von Eichstedt gelegene bekannte Umenfeld. Der genannte Herr
hat hier bedeutende Umen- und Bronzefunde gemacht; mehrere davon sind in
den Nachrichten über deutsche Alterthumsfande 1894, S. 29/30 und 1895, S. 32
von Buchholz beschrieben worden. Die Gräber liegen in einem 180 — 200 w im
Durchschnitt breiten Sandhügel, der zur Hälfte abgefahren ist. In der abgegrabenen
Hälfte befanden sich die schönen Bronzefunde, theil weise auch solche ausr Eisen.
Die andere Hälfte ist mit Kiefem bewachsen, und der Besitzer leidet nicht, dass
dieselbe abgegraben wird. Wir konnten also nur mit vieler Mühe zwischen den
Bäimien arbeiten und gingen an drei Stellen bis 2 m in den sandigen Boden hinein,
was auch seine Schwierigkeiten hatte, da der Sand immer nachfiel, so dass ich
einmal bis zur Brust beschüttet wurde und längere Zeit brauchte, mich wieder
herauszuarbeiten. Im ersten Loch wurde nichts gefunden; im zweiten kam eine
allein stehende, mit einem Stein bedeckte, terrinenförmige, gut gebrannte, bräun-
liche Urne ans Tageslicht, ohne weitere Beigaben. Hr. Zimmermann wollte
dieselbe dem Mark. Museum geben. — Im dritten Loch fand ich eine auch mit
einem Stein bedeckte, aber zerdrückte grössere üme; die Thonmasse war ganz
zerbröckelt, kaum noch zu erkennen, nur einige Bodenstücke hatten sich besser
erhalten. Zwischen den Knochen und der Asche lagen keine Beigaben. Aber
unter der Urne, etwas seitlich, fand ich zwei recht schöne Feuerstein -Artefacte.
Das grössere Messer aus grauem Feuerstein ist recht spitz und auf beiden Seiten
Fig. 8. V,
Fig. 4. V.
sehr scharf. Länge 10 cm, grösste Breite 2,8 cm; das kleinere Messer ist nur 4 cm
lang und 1,2 breit, aber aus demselben Material. — Buchholz rechnet das Gräber-
feld zur La Tene-Periode; doch möchte ich behaupten, dass die von mir geöffneten
Gräber, namentlich das mit den Feuersteinmessera, einer älteren Zeit angehören.
In den Gräbem von Vogelsang bei Fürstenberg a. 0., Kreis Guben, die ich
m den „Nieder -Lausitzer Mittheilungen ^ 1894, S. 404 beschrieben habe, traf ich
auch bereits Feuersteinmesser; diese Gräber werden zur Hallstätter Zeit gerechnet.
Im Uebrigen empfehle ich die Vehlefanzer Gräberstelle angelegentlich den Ver-
waltungen der Museen; hier ist noch reiche Ausbeute zu erhoffen, dazu muss man
sich nur mit dem Besitzer des Hügels, der in Eichstedt wohnt, in Verbindung
setzen.
Die Funde sind noch in meiner Sammlung.
— 40 —
4. Rundwail und alte Bargstelle in Yehlefanz, Kreis Ost-Havelland.
Am Südende des Dorfes Yehlefanz zweigt sich westlich die Buigstrasse ab.
Hier wohnt links in einem alten Herrenhause der Amtsrorsteher. Dahinter liegen
auf erhöhtem Terrain Fundamente und noch einige Wandmauem, aus Backsteinen
der älteren Zeit und aus Findlingen bestehend. Letztere Mauertheile werden nicht
mehr lange der Zeit trotzen. Hier soll eine Bredow'sche Burg gestanden haben.
— Von dieser Buigstelle 4<— 500 Schritt nördlich, also hinter den westl. Häusern
des Dorfes, erhebt sich ein sehr gut erhaltener, 4 m hoher, oben 40 m breiter, ganz
mit Gras bewachsener Kundwall, der sich namentlich vom Torliegenden Luch ans
imponirend ausnimmt. Ein Stück Graben ist noch sichtbar. Wegen vorgerückter
Zeit konnte ich keine nähere Untersuchung vornehmen.
5. Vorgeschichtliche und mittelalterliche Funde vom Schlossberg
bei Biesenthal, Kreis Ober-Barnim.
1. SteinkeU (Fig. 5),
2. Eiserne Lanzenspitzc (Fig. 6),
3. Degenknauf (Fig. 7),
4. Zwei Thonkrüge (Fig. 8).
Sämmtliche Sachen sind beim Ausschachten der Erde zum Fundament eines
neuen Hauses in der Nähe des Schlossberges gefunden worden. Der Steinkeil
lag 4 Fuss tiei^ er hat einen quadratförmigen Kopf von 4,5 cm Durchmesser.
Grösste Länge 8 cniy Breite der Schneide 4 cm. Die Schneide ist wenig scharf.
Fig. 5. V.
Fig. 6. V,
Fg. 8.
Fig. 7. V.
y/wm>
fmjmi
a Langfl&che, b Breitfl&che.
Spuren vom Anfang eines Bohrlochs sind zu erkennen. Gewicht 320 y. — Die
Lanzenspitze ist stark verrostet und jedenfalls im Feuer gewesen. Viele kleine
Steinchen sitzen fest darauf. Länge 28 cm, Breite in der Mitte 3 cm, Dicke unten %
oben 1 Vs c^ Das Schaftloch ist 3,5 cm weit Der Degenknauf, auch von Eisen, ist
6 cm lang, 4 breit, oben 1,3, unten 1,5 cm im Durchmesser. — Die beiden Triak-
kannen, von hellbraunem Thon, sind ziemlich gleich, beide mit Henkeln versehen.
- 41-
Ihre Höhe beträgt 29 cm^ die grösste Weite im Banch 10, im Hals 6 cm. Oeff-
nimg 6,3 cm. Der Fass ist gezackt. Die Oberfläche wagerecht gerippt 200 m
nördlich vom Schlossbei^ liegen der Reiherberg, ein slavischer, abgetragener Rnnd-
wall, aber noch gut zu erkennen, 60 Schritt im Durchmesser, und 500 m nordöstlich
der Wehrmühlenberg, der vorgeschichtliche Gräber birgt. — Der Schlossberg ist
sehr bekannt und mit vielen Sagen umwoben. Die Funde sind dem Märkischen
Museum übergeben. Hermann Busse.
Kupferne Doppelaxt von Börssum.
(Vorgelegt in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft
vom 24. April 1897.)
Vor einiger Zeit ist in dem braunschweigischen Dorfe Börssum ein Fund
ans Tageslicht getreten, der für die Vorgeschichte des dem Harze nördlich vor-
gelagerten Hügellandes von Wichtigkeit ist Der Ackermann H. Botel wollte
auf seinem, dicht an der Nordseite des Ortes belegenen Grundstücke einen Brunnen
graben, und bei dem Ausschachten desselben wurde in einer Tiefe von 2 m im
heimathlichen Diluvialsande ein zierliches, zweischneidiges Geräth gefunden. Es
ist eine jener in Deutschland bisher seltenen Doppeläxte. Sie ist 29 cm lang.
Die beiden Schneiden sind gleich gross, nehmlich 6,2 und 6,4 cm hoch, und
stehen senkrecht, also mit dem Stilloche parallel. Die Klingen werden nach der
Mitte zu je schmaler, desto dicker, so dass die Axt am Stilloche nur noch 1,5 cm
hoch ist, während ihre Breite hier 3,1 cm beträgt. Das Loch ist auch bei dieser
Axt so klein, dass eine Schäftung völlig ausgeschlossen erscheint Es ist nicht
ganz genau kreisrund, sondern misst 0,9 bis 1,1 c/n im Durchmesser. Die Axt
ist grösstentheils mit einem bräunlichen Koste überzogen, nur einige Stellen sind
grün patinirt. Das Gewicht betrug 616 //.
Das Metall ist in dem chemischen Laboratorium der technischen Hochschule
zu Braunschweig unter Leitung des Hekrn Professors Dr. Max Müller analysirt
worden; dieser hatte die Güte, über das Ei^bniss der Untersuchung folgende
Mittheilung zu machen: „Das Metall enthielt 95,3 pCt Rupfer. (Die Rupferbestimm-
ung ist mehrere Male mit dem gleichen Kesultate ausgeführt worden.) Zinn ist
nicht darin enthalten, Blei und Zink in geringen Spuren, ebenso kleine Mengen
von Eisen, Arsen und Antimon. Demnach liegt ein Schmelzproduct vor, welches
der heutige Hüttenmann als Schwarzkupfer bezeichnen würde. Es ist ein aus
Rupfererzen durch Röstreduction hergestelltes unreines Rupfer, welches in Folge
der geringen Verunreinigungen härter ist, als reines Rupfer***).
1) Ich sage Herrn Professor M&ller auch an dieser Stelle nochmals meinen Dank.
— 42 —
Soweit sich bis jetzt übersehen lässt, gehören die in Deutschland gefundenen
Kupferbeile mit senkrecht stehenden gleichsinnigen Schneiden zwei Oroppen an.
Die östliche Gruppe umfasst Stücke aus der Umgegend von Mainz, Worms und
FrankenthaP). Die östliche Gruppe enthält die Funde ans dem Saale- ond
UnstrutUiale, nehmlich die Stücke von Cölleda, Weissenfeis, vom Petersbei^ bei
Halle, von Calbe an der Saale (2 Stück) und von Altenburg bei Bemboig
(3 Stück)'). Daran sehliesst sich nordöstlich der Fund von Retzin an der HareK
nordwestlich die Axt von Westeregeln, nahe der Bode, und zuletzt die Axt Ton
Börssum, schon im Okergebiete.
Bei der Wichtigkeit des seltenen Doppelbeiles mögen hier noch einige geo-
logische Mittheilungen über die Fundstätte desselben f^gen'). Das Dorf Börssum
liegt auf den oberen Schichten des Gaults und dem Cenomanmergel. Unmittelbar
zwischen dem Minimusthon und dem Flammenmergel schiebt sich, von Norden
nach Süden ziehend, keilartig ein Dilumllager, das am östlichen Rande grob-
kömige Sande, Granit-, Gneis- und Dioritgerölle, am Westrande dagegen Block-
lehme aufweist. Diese Blocklehme sind nun in der alten Alluvialzeit durch einen
Bach ebenfalls der Län^re nach Ton Norden nach Süden rillenartig ausgewaschen.
Der Bach ist heute nicht mehr vorhanden, doch beweisen die folgenden Schiebten
sein ehemaliges Vorhandensein. Unter der Ackerkrume von 1,10 m Höhe lie^
in einer Stärke von l,5ow ein Moorboden, der sehr reich ist an Ueberresten von
Typha latifolia L. In derselben Schicht wurden später, auf dem F. Böterschen
Grundstücke, Knochen des Zwergrindes (Bos taurus primigenius Wollemann)
aufgefunden. Dann folgt sandiger Lehm (Aulehm), 0,\0 bis 0,15 m stark, und
darunter liegt der Flusssand, der aus heimathlichem Materiale besteht In ihm
lag die Doppelaxt. Th. Voges.
Bronzefund von Lekow, Kreis Schivelbein, Provinz Pommern.
Vor etwa 30 Jahren wurden ungefähr 25 Bronzen bei Lekow gefunden und
gelangten in den Besitz des Herrn Rittergutsbesitzers Cleve daselbst; von da
gingen 8 Stück theils als Geschenk des Herrn Cleve, theils auf dem Wege des
Antiquitätenhandels an das Königl. Museum für Völkerkunde über (L c. 1763 —
1768, 1874—1875). Je ein Hals und Armring wurden, wie Herr Conservator
Stubenrauch in Stettin auf meine Anfrage gefalligst mittheilt, vom Stettiner
Provincial- Museum aus der nachgelassenen Sammlung des 1^93 verstorbenen
Majors von Manteuffel in Redel bei Schivelbein erworben, welchem sie seiner
Zeit von Herrn Cleve geschenkt worden waren. Obgleich etwas Genaueres über
die Fundumstände jetzt nicht mehr zu ermitteln ist, handelt es sich nach der
Zusammensetzung des Fundes und der Beschaffenheit der einzelnen Stücke offen-
bar um einen Depotfund, welcher vielleicht in einem Thongefässe niedei^legt
war, da zugleich mit den Bronzen seiner Zeit auch „Umenscherben^ an Herrn
Cleve eingeliefert wurden; von diesen Scherben ist jetzt nichts mehr vorhanden.
1) Die Funde hat neuerdings C. Koehl susammengestellt: Neue prihistorische Fttnde
aus Worms und Umgebung. S. 54 und 57.
2) Fischer, Stein- und bronsezeitliche Beziehungen des Orients zu dem Scblenri|r-
Holsteinschen Bemsteinlande u. s. w. Zeitschr. des Harzvereins XXIX (1896) 8. 669.
8) Ich verdanke dieselben dem Lehrer L. Kuoop in Börssum, der auch der Eigen*
thümer der Axt ist.
— 43 —
Der Fond, wie er jetzt im Rönigi. Moseam für Völkerkunde zu Berlin und
im Provincial-Maseam zu Stettin liegt, besteht ans:
^ 6 ovalen Armringen,
3 Halsringen,
1 Celt.
lieber den Verbleib der übrigen Stücke ist nichts bekannt.
Beschreibung der in Berlin befindlichen Fundstücke.
Die ovalen Ringe, welche etwa die Grösse von Armringen haben und offen
sind, gehören dem bekannten Typus an, bei welchem der im Querschnitte runde
Körper sich nach den Enden zu verjüngt, ohne jedoch in eine Spitze auszulaufen ').
Bei einem der Ringe sind die beiden Enden mit je 8 ringförmig umlaufenden
Einschnitten versehen, bei einem anderen Ringe sind in Folge Abnutzung nur
noch Spuren solcher Einschnitte Torhanden, während bei den drei übrigen nichts
deiigleichen zu bemerken ist. Die grössere Breite, nach den Aussenrändem ge-
messen, schwankt zwischen 14,3 und 12,9 cm, die kleinere Breite zwischen 10,5
und 9,7 cm. Wenn diese Differenz auch hauptsächlich durch die verschiedene
Biegung verursacht ist, so ist doch auch die Länge der Stäbe verschieden.
Letztere beträgt mit dem Bandmaass gemessen 36,1 — 36,6—36,6—36,6 — 36,9 cm.
Die offenen Halsringe haben eine häufig vorkommende und weit verbreitete
Form'). Sie verjüngen sich ebenfalls, aber nur wenig nach den Enden, welche
flach gehämmert und nach aussen umgerollt sind. Irgend welche Verzierungen
sind nicht bemerkbar.
Bei diesem Typus, der über einen grossen Theil Europas verbreitet ist, kann
man zwei Varietäten unterscheiden, eine sehr rohe und plumpe und eine feiner
gearbeitete. Unsere Ringe gehören zur letzteren. Grösste Breite 16,4 und
17,5 cm, Länge des Stabes (mit dem Bandmaass gemessen) 43,3 und 46,5 cm. -^
Der Celt gehört zu jenem Typus der Flachcelte, bei welchem der Körper in
der Mitte in der Richtung der Schmalseiten vorspringt und zwei mehr oder weniger
scharfkantige Ausbuchtungen bildet. Die Schneide ist abgebrochen, die Bruch-
fläche patinirt. Das Bahnende läuft in eine abgerundete Kante aus. Länge 12,2 cm,
grösste Breite 1,9 cm. —
Alle Stücke des Fundes sind mit einer theils tiefgrünen glatten Patina von
geringer Stärke, theils mit hellgrtlner Mehlpatina versehen; letztere ist stellenweise
abgegriffen und hat eine rauhe Oberfläche hinterlassen.
Was das Alter des Fundes anlangt, so kommen ^le drei Typen bereits in
der älteren Bronzezeit vor; so ist z. B. diese Celtform auch in dem bekannten
Grabfunde von Leubingen in der Provinz Sachsen vertreten. —
Zum Schluss sei noch bemerkt, dass das Königl. Museum für Völkerkunde
zwei ovale Armringe von demselben Typus aus Pommern kürzlich erwarb. Der
Körper des einen bei Stolzen bürg, Kreis Uckermünde, gefundenen Ringes ist
aber bedeutend stärker, die schmutziggrüne Patina zum Theil beschädigt. In den
beiden kleineren Bogen des Ovals bemerkt man starke Abnutzungsspuren in Form
von Abflachungen, die nach der einen Seite geneigt sind. Nach der entgegenge-
setzten Seite neigt sich eine Abnutzungsfläche in der Gegend der Ringöffnung.
Breite 13 und 10 cm. — Der andere Ring von Dargitz, Kreis Uckermünde, ist
ganz ähnlich, nur fehlt die Abnatzungsspur in dem einen kleinen Bogen des Ovals.
Die Maasse sind dieselben, wie die des vorigen Ringes. A. Götze.
1) Vgl. Götze, Die Vorgeschichte der Neuraark, Würzburg 1897, S. 19, Fig. 17.
2) Ebenda, S. 19, Fig. 16.
— 44 —
Fundsteile bei Bornim, Kreis Osthavelland, Provinz Brandenburg.
Wenn man sich von Potsdam über Bornstedt in nordwestlicher Richtung weiter
begiebt, so erreicht man in einer kleinen Stande am Ende des Höhenzuges, welcher
den Weg auf der linken Seite eine lange Strecke begleitet, das Dorf Bomim.
Hier zweigt sich nach links ein fast schlachtartiges, zam Theil sampfigea Thal ab,
in weiches der obere Theil des Dorfes sich hinzieht. Gerade an der darch dieses
Thal gebildeten Ecke des erwähnten Höhenzages wurden durch den dort an-
sässigen Oastwirt Berlin bei Grartenarbeiten verschiedene Alterthttmer entdeckt,
welche die Veranlassung zu einer Besichtigung der Fundstelle durch Herrn Di-
rector Dr. Voss, Herrn Sanitätsrat Lissauer, Herrn Brauereibesitzer Lamm
aus Potsdam und den Unterzeichneten gaben.
Auf dem unteren Theil der Anhöhe, etwa 4 — 5 m über der Thalsohle, hatte
der Besitzer den Boden 1 m tief rigolt and hierbei Scherben, Urnen and Stein-
geräthe gefunden. Letztere bestanden aus einem yierkantigen Steinbeil und einem
facettirten Hammer von dem bekannten Thüringer I^us. Es ist ein sicher
aus Thüringen importirtes Stück und liegt auf der Linie, welche Verf. als einen
von Thüringen durch die Mark nach Pommern gehenden Handelsweg der jüngeren
Steinzeit erkannt hat'). Der jüngeren Steinzeit sind femer einige Thonscherben,
insbesondere einer mit Stichomament, zuzuweisen. Aus späteren Perioden worden
Scherben gefanden, welche zum Theil sicher der römischen Kaisereeit and der
Völkerwanderungszeit angehören. Von ganzen Thongefassen, die auf Grabstätten
deuten, wurden im Ganzen drei Stück gesanuneli An das erste erinnerte man
sich erst, als die weiteren Funde zam Vorschein kamen; von ihm ist nichts mehr
vorhanden. Das zweite ist auch gänzlich in Trümmer gegangen. Das dritte end-
lich liess sich aus den Scherben wieder zusammensetzen und ergab so eine Fen-
sierurne. Sie soll in einer länglichen Packung aus Steinen gestanden haben.
Weitere Funde sind an dieser Stelle wegen des Rigolens nicht zu erwarten.
Ueber diesem Grundstück zieht sich der Pfarracker und über diesem der Friedhof
(etwa in halber Höhe des Berges) hin. Auf dem brachliegenden Pfarracker stiess
man nach längerem vergeblichem Sondiren in etwa 1 m Tiefe auf Steine. Eine
Nachgrabung ergab nur einige isolirte Rollkiesel, von denen der eine allerdings
gespdten war, sowie eine prähistorische Scherbe aus dunklem Thon. A. Götze.
Zwei Bronzefunde aus Pommern.
I. Depotfund von Bergen auf Rügen.
In der Nähe des Nonnensees bei Bergen stiessen Arbeiter beim Steinegraben
auf eine Art Mauer und fanden unter einem grossen platten Steine eine Anzahl
Bronzen und eine Feuerstein-Lanzenspitze
zusammen liegend. Diese Stücke gelangten
an das Rönigl. Museum für Völkerkunde
(Kat I. c. 2012-2023).
1. Hohlcelt mit Oehr. Abgesehen von
der wulstigen runden Mündung ist der
Körper vierkantig gestaltet und trägt auf
Fig. 1. beiden Seitenflächen je 5 erhabene Kippen,
1) A. Götze, Ueber neolithischen Handel. Bastian-Feat«chrift 1896.
— 45 —
die an dem gegen die Schneide gewandten Theile in Knäpfchen endigen. Patina
Mhwärzlich. Länge 11, grösste Breite 4,7 cm (Fig. 1).
2. Ein ganz ähnliches Stück mit nur 3 Rippen anf jeder Seite. Die Patina
ist ebenfallB schwänlich. Länge 10, gröBSl« Breite 4,4 cm. Obgleich der Celt
stark abgenutzt zn sein scheint, bat man doch nicht die Gnssnaht aus dem Oehr
entremt, welches hierdurch völlig geschlossen ist.
3. Hohlcelt mit Uehr; der Querschnitt in der Mitte ist ungelahr sechseckig,
die HUndting rund. Auf den beiden Breitseiten befinden sich je 4 kurze erhabene
Rippen. Die Oberfläche ist mit einer dicken grtlnlich-grauen Patina überzogen.
Länge 8,5, grfisste Breite 4,5 cm (Fig. 2).
"'■'■
4. Bruchstück (MUndangstbeil) eines Hohlceltes mit Oehr und 6 kurzen, wenig
erhabenen Rippen auf jeder Hreitseile. Das eine Ende des Oebrs endigt in ein
nicht vollständig erhaltenes, etwa blattförmiges erhabenes Ornament, das eine ganz
abgeschwächte Reminiscenz an Schaniappen zu sein scheint; es ist anf der ent-
gegengesetzten Seite wiederholt, Das Stück igt dadurch besonders interessant, dass
an der inneren Wandung der Breitseiten je eine erhabene Rippe parallel zur
Längsase länrt. Der Zweck solcher Rippen ist nach Olshansens') Darl^ongen
der, eine gleichmässige und schnelle Yertheilung des geschmolzenen Metalls beim
Gusa zu bewirken, was besonders bei dünnwandigen Gegenständen nöthig ist. Das
Stück ist, auch in der Bruchfläche, dunkelgrau patinirt (Fig. 3).
5. Kleiner Hohlcelt mit Oehr. Querschnitt in der Mitte sechseckig. Auf der
einen Breitseite ist ein hufeisenförmiges Ornament in
Relief angebracht, die andere Seite ist an der Oberfläche
stark beschädigt, so dass von einem etwa vorhanden ge-
wesenen Ornament nichts mehr zu sehen ist. Hellgrüne
Mehlpatina. Länge 6,9, grösste Breite 4 cm (Pig. 4).
6. Kleiner Hohlcelt mit Oehr von ähnlicher Form.
Das Ornament stellt sich als eine Nachahmung von ^*^' „.
Schaftiappen dar, eine an Bohtcelten sehr häufige Ver-
zierung. Das Stück ist durch die hellgraue Mehlpatina stark mitgenommen.
Länge 6, Breite 3,8 cm.
7. Das merkwürdigste Stück ist eine sehr kleine Hohlaxt von eigenthUmI icher
Form. Der Körper in der Mitte und die Mündung sind oval, die Schneide nach
Art der Hohläxte gebogen, so dass sie nicht senkrecht, sondern quer gestanden
haben mnss. Demgemäss sitzt auch dos Oehr nicht in der Ebene der Schneide,
wie in der Regel hei den Hohlcelten, sondern im rechten Winkel zu ihr. Am
SchafUoch befinden sich in der Verlängerung der längeren Axe der ovalen Münd-
ung zwei nach aussen gerichtete Vorsprünge. Im Gegensatz zu den vorhergehen-
t) Olshaasen, Technik alter Bronien. Vcrh. der BerL Anthr. Gesellsch. 1B85, S. 410.
— 46 —
den Gelten, welche sämmtlich mittelst einer doppelten
Form gegossen sind, hat man hier den Gass nach
einem Wachsmodell in der verlorenen Form ange-
wendet, was bei der complicirten Gestalt des Gegen-
standes auch nöthig war. Helle grünlich-graue Mefal-
patina. Länge 4,5, Breite der Schneide 2,8, der MOnd-
ung 2,5 und 1,9 cm (Fig. 5).
8. Lanzenspitze. Die an die Schafitiüle unmittel-
bar sich anschliessende Mittelrippe ist fast auf der
ganzen Länge hohl; in der Schaf^le befinden sich
in der Ebene des Blattes zwei Nietlöcher. Dunkelgraue Patina. Länge 19 etn (Fig. 6).
Fig. 6.
Fig. 6.
9. Stark corrodirte Lanzenspitze von ähnlicher Form, hellgrüne Mehlpaüna.
Länge 15,5 cm.
10. Einschneidige Messerklinge von gestreckter, schmaler Form, mit dickem,
abgeschrägtem Rücken. Längs des Rückens läuft auf der einen Seitenfläche zwischen
zwei Rippen eine Furche; die andere Seitenfläche ist glatt. Trotz der abweichen-
Fig. 7.
den Form schliesst sich das Stück stilistisch an die bekannten, auch nur auf einer
Seite omamentirten Sicheln an. Hellgraue Mehlpatina. Länge 15,5, grösste
Breite 1,3, Dicke des Rückens 0,5 cm (Fig. 7).
11. Eine im Yerhältniss zur Länge ungewöhnlich dicke Nadel mit konischem
Kopf. Soweit die infolge der Mehl-
patina stark vorgeschrittene Corrosion
erkennen lässt, scheint der Hals mehr-
fach gerillt gewesen zu sein. Länge 13,4,
Breite des Kopfes 1,9 cm (Fig. 8).
12. Ein kleines formloses Bronzefragment mit hellgrüner Mehlpatina. Läng«
2,9 cm,
13. Lanzenspitze aus hellgrauem Feuerstein, lanzettförmig. Die Muschelung
ist nicht sehr fein ausgefähri Länge 17,2, grösste Breite 3,2 cm (Fig. 9).
m\m\i\m\r"- ^*
Fig. 8.
Fiir. 9.
n. Hohlcelte von Heringsdorf, Kr. Üsedom-Wollin.
Im Jahre 1879 fanden Arbeiter westlich von Heringsdorf drei Hohlcelte und
das Bruchstück eines vierten. Etwas Genaueres über di^ Fundumstände iat
— 47 —
nicht bekttnnt, doch stammt diese kurze Notiz von glaubwürdiger Seite. Die Fund-
stücke befinden sich seit Kurzem im Kgl. Museum lUr Völkerkunde unter Eat. I'
c. 2008—2011; es sind folgende:
1. Hohlcelt mit Oebr ron der gleichen Gestalt, wie der im vorigen Funde
unter No. I beschriebene, also ebenralls vierkantig und insbesondere mit 5 durch
Knöpfcheo abgeschlossenen Rippen
auf jeder Breitseite versehen. Er
unterscheidet sich von Xo. 1 hinsicht-
lich der Länge und dadurch, dass
das Terhältnissmässig breite band-
förmige Oehr mit dem einen Ende
nicht, wie gewöhnlich, unmittelbar an
dem Bandwuist, sondern auf der Fig. 10.
ebenen Flüche aufsitzt. Die Patina
ist ziemlich abgegrifTcn. Lange 13, grösste Breite 4 cm (Fig. 10).
2. Vierkantiger Hohlcelt ohne Oehr; auf den beiden Seitenflächen befindet sich
je eine parabelförmige erhabene Rippe, deren Bogen gegen die Schneide geöffnet
ist. Die Patina ist schmnizig-dunkelgrän. Länge 1 3,3, gröaste Breite 4,3 cm (Fig. 1 1 ).
Fig. 11. Fig. la.
3. Vierkantiger Hohlcelt ohne Oehr; während die beiden vorhergehenden sich
□ar wenig nach der Schneide zu verbreitem, geschieht] dies hier in grosserem
Maasae. An der Innenwandung der beiden Breitseiten befindet sich je eine 3 eta
lange und parallel zur Längsaxe laufende Leiste. Sie können wegen ihrer geringen
Länge nicht denselben metallurgisch-technischen Zweck gehabt haben, wie die oben
erwähnten Innenrippen (vgl. Fig. 3), sondern mögen zur besseren Befestigung des
Holzschaltes beigetragen haben, was um so nutbiger war, als ein Oehr nicht vor-
handen ist. Die Patina ist ungleich massig hell- und dunkelgrün. Länge 13,3, grösste
Breite 4,7 cm (Fig. 12).
4. Bruchstück (Schneidehälfle) eines Uohiceltea. Die Bruchfläche ist frisch.
Dunkelgrüne Patina. Grösste Breite 4,0 cm. —
Diese beiden Bronzefunde sind in mehr als einem Punkte interessant. Was
zunächst die vierkantigen Uohicelte anlangt, so kommen sie häufig in Frankreich
vor. Allerdings sind sie auch von andern Fundstellen aus Deutschland bekannt.
So besitzt das Kgl. Museum Exemplare dieses Typus z. B. von Gingst anf Rtlgen
(mit kurzen Ornamentrippen ähnlich Fig. 3 und 3), in dem grossen Funde von
Plestlin, Kr. Demmin, Prov. Pommern, femer ein kleines Exemplar von Uelzen,
Prov. Hannover. Andere Stücke von Gülzow, Kr, Cammin, und von Beyersdorf,
Kr. Pyritz, beGndcn sich nach |gefl. Mittheitungen des Herrn Directors Voss im
Stettiuer Museum. Wenn der vierkantige Typus auch noch in andern Ländern
Europas vereinzelt vorkommt, so findet sich eine Analogie zu den mit einem Knopf
— .48 —
abschliessenden Omamentrippen nur in Frankreich.') Um der Frage, ob es sich
um directe Beziehungen zwischen Pommern und Frankreich handelt und welcher
Art dieselben waren, näher zu treten, liegt noch nicht genügend Material vor.
Die kleine Hohlaxt Fig. 5 ist in dieser Form ein Unicum. Allerdings kommen
Hohlmeissel mit gebogener Schneide in den Schweizer Pfahlbauten vor'), doch
kann man sie mit dem Torlicgenden Stück stilistisch kaum in Verbindung bringen.
Die Stellung der Schneide quer zum Schaft, welche hier freilich durch die Bieg-
ung der Schneide bedingt ist, kommt auch sonst an Hohlcelten vor, ist aber ziem-
lich selten. Uebrigens kann man hier deutlich sehen, dass das Befestigungsoehr
in der Richtung nach dem GrifPende des Schaftes angebracht ist Für den schon
oft geführten, aber eben so oft unberücksichtigt gelassenen Nachweis, dass Stein-
geräthe anscheinend neolithischer Form bis weit in die Bronzezeit im Gebrauch
waren, bietet die Zusammensetzung des ersten Fundes einen weiteren Beleg.
A. Götze.
Römische Fingerringe von Hainmeistali, Uckermark.
Etwa 3 Kilometer südlich von dem Städtchen Brüssow liegt das Vorwerk
Hammelstall und dicht daneben eine höchst interessante Localität, der Hammel-
staller Berg. Es ist dies eine sandige Anhöhe, die zum Theil beackert w^ird, zum
Thcil in neuerer Zeit mit Riefern angeschont ist. Hier befindet sich eine ziemlich
ausgedehnte Feuersteinschlagstelle, wo der Schreiber dieser Zeilen Mengen
von prismatischen Messerchen gesammelt hat; auch geschliffene Meissel und be-
sonders sehr zierlich zugehauene Pfeilspitzen wurden daselbst gefunden, während
am Abhänge des Hügels vor einigen Jahren noch ein zerstörtes steinzeitliches
Kistcngrab lag. Auch in der Bronzezeit war die Localität besiedelt, wie einige
auf der Höhe gefundene Steinkisten mit kleinen einhenkligen GefÜssen in Töpfchen-
form bewiesen.
Im vorigen Jahre wurden beim Pflügen an diesem Hügel ^ Ringe gefunden.
Der eine derselben war von Silber, mit einer ziemlich
roh geschnittenen blauen Gemme versehen, welche eine
menschliche Figur darstellte, die einen Gegenstand, etwa
einen Beutel, in der Hand hielt. Leider wurde d^r Ring
nach auswärts an einen Sammler verkauft, so dass eine
Abbildung nicht mehr gegeben werden kann. — Der zweite
Ring ist noch vorhanden (s. Abbild.). Derselbe ist gross,
massiv aus Bronze gegossen, von 27,5 g Gewicht, leicht
patinirt. Der Umfang ist plattrund, 6 mni dick. An der
~ unteren schmäleren Seite, wo noch die Spur des Guss-
zapfens erkennbar ist, 7 mm breit, oben 9 mm. An diesem
oberen breiteren Theile ist auch eine durch Guss imitirte Ringplatte vorhanden.
Die lichte Weite des Ringes ist 2ö:23/ww, er passte also nur auf einen sehr
dicken Mannsftnger. Man wird den Ring der späteren römischen Raiserzeit zu-
rechnen dürfen. Bei uns im Norden gehören römische Fingerringe dieser Form
noch zu den Seltenheiten. H. Schumann.
1) Mortui et, Musiie prehistorique, PI. 75, Fig. 788, F.-O. Bretagne,
2) Heierli, Der Pfahlbau Wollishofen, Taf. II, Fig. 23.
Abgeschlossen im Juli 189'.
i
ErgänzttPgsblätter zur Zeitschrift fttr Ethnologie,
Nachrichten Aber deutsche Alterthnmsfnnde.
Mit Unterstfitznng des Königlich Preuss. Ministeriums
der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten
herausgegeben Ton der
Berliner Gesellschaft fBr Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
unter Redaction von
R. Virchow und A. Voss.
Achter Jahrg. 1897. i Verlag von A. ASHEB & Co. in Berlin. Heft 4.
Bibliographische Uebersicht Über deutsche Alterthumsftinde
fUr das Jahr 1896.
Bearbeitet von Dr. F. Moewes in Berlin.
Abkllrzangen der Zeitsehriftentitel.
Es bezeichnen allgemein:
Alt. = Alterthumskonde. Ann. = Annalen.
Anthr. = Anthropologie. Anz. = Anzeiger.
Arch. = Archiv. Ber. = Berichte. Ethn. =
Geschichte. Jahrb. = Jahrbücher. K.-B. =
Eorrespondenzblatt Mitth. = Mittheilnngen.
Sitzgsb. = Sitzungsberichte. Ver. = Verein.
Ethnologie. Ges. = Gesellschaft Gesch. = i Verh. = Verhandlungen. Z. = Zeitschrift
Für die h&ufiger vorkommenden Zeitschriften sind folgende Abkürzungen benutzt:
Ann. Ver. Nass. Alt = Ann. d. Ver.'s f. Jahrb. Ges. lothr. Gesch. = Jahrb. d. Ges. f
Nassauische Alt u. Geschichtsforsch. (Wies- lothringische Gesch. u. Alt (MetzX Jahrg. VI
baden). Bd. 28. u. VII (t).
Anz. Schweiz. Alt. = Anz. f. Schweizerische K.-B. deutsch. Ges. Aothr. = K.-B. d. deutschen
Alt (Zürich), Jahrg. 29. 1 Ges. f. Anthr , Ethn. u. Urgesch. (München),
Arch.-ep. Mitth. = Archäologisch-epigraphische Jahrg. 27.
Mitth. aus Oesterreich - Ungarn (Wien), ' K.-B. Gesammtver. = K.-B. d. G^sammtvereins
Jahrg. 19. der deutschen Geschichts- und Alterthums-
Arch. L Anthr. - Arch. f. Anthr. (Braun- 1 vereine (Berlin), Jahrg. 44.
schweig), Bd. 24, Heft 1/2 u. 8. J E.-B. wd. Z. = K.-B. d. westdeutschen Z. f.
Ber. westpr. Mus. = XVII. amtlicher Bericht . Gesch. u. Kunst (Trier), Jahrg. 15.
ü. d. Verwaltung d. naturhistorischen, arch&o- , Limesbl. = Limesblatt. Mitth. d. Strecken-
logischen und ethnologischen Sammlungen kommissare bei d. Reichslimes-Komnmsion
d. Westpreussischen Provinzialmuseums in (Trier), Nr. 17-20.
Danzig für 1896. , Mitth. anthr. Ges. Wien = Mitth. d. anthro-
Bonn. Jahrb. = Jahrb. d. Ver.'s v. Alterthums- pologischen Ges. in Wien. Bd. 26. N. F.
freunden im Rheinlande (Bonn), Heft 99. Bd. 16.
Brandenburgia = Brandenburgia, Monatsschrift Mitth. Bosn.-Uerceg. = Wissenschaftliche Mit-
d. Ges. f. Heimatskunde d. Prov. Branden- theilungen aus Bosnien und der Hercego-
burg (Berlin), Jahrg. IV, Nr. 10-11, vina (Wien). Bd. 4.
Jahrg. V, Nr. 1—9. Mitth. Centr. Comm. = Mitth. d. K. K. Central-
4
— 50 —
Commission zur Erforschung u. Erhaltung der ' Prahlst. Bl. = Prähistorische Blätter (München),
Kunst- und histor. Denkmale (Wien), Bd. 22. | Jahrg. 8.
Mitth. Ver. Erfurt = Mitth. d. Ver.'s f. Gesch. i Rhein. Geschhlr. = Rheinische Geschichts-
u. Alt. V. Erfurt, Heft 18. ] blfitter (Bonn), Jahrg. I, Nr. 8-12 (f s
Mitth. Ver. Osnabrück = Mitth. d. Vereins f. I Jahrg. II, Nr. 1—6 (t), Jahrg. II, Nr. 7 u.8.
Gesch. und Landeskunde von Osnabrück i Sitzgsb. Prussia = Sitzgsb. d. Alterthomsges.
(Historischer Ver.), Bd. 21. | Prussia zu Königsberg i. Pr. Jahrg. 51,
Mitth. Schlesw.-Holst. = Mitth. d. anthropolog. I Heft 20.
Ver.'s in Schleswig-Holstein (Kiel), Heft 8 (f) ' Verb. Berl Ges. Anthr. = Verh. der Berliner
u. Heft 9.
Monatsblätter = Monatsblätter. Herausgegeben
von d. Ges. f. Pommersche Gesch. u. Alt.
(Stettin), Jahrg. 1896.
Monatsschr. Oberbay. = Monatsschrift d. histor.
Ver.'s V. Oberbayem (München), Jahrg. 4 (f)
u. Jahrg. 6.
Nachr. - Nachrichten ü. deutsche Alterthums-
fnnde (Berlin), Jahrg. 7.
Niederlaus. Mitth. = Niederlausitzer Mit-
Ges. f. Anthr., Ethn. u. Urgesch. Jahrg. 1896.
Die eingeklammerten Bezeichnungen weisen
auf das Heft d. Z. f. Ethn. (s. d.) hin, in
dem die „Verh.** enthalten sind.
Wd. Z. = Westdeutsche Z. f. Gesch. u. Kunst
(Trier), Jahrg. 15.
Württ. Vierteljahrshefbe = Württembergische
Vierteljahrshefte für Landesgesch. (Stutt-
gart), Jahrg. ö.
Z. f. Ethn. = Z. f. Ethn. (Berlin), Jahrg. 28.
theilungen. Z. d. Niederlausitzer Ges. f. j Z. Harzverein = Z. d. Harzvereins f. Gesch.
Anthr. u. Alt. (Guben), Bd. 4, Heft 5/6 u. 7/8. i u. Alt. (Wernigerode), Jahrg. 29.
Nachträge aus früheren Jahren sind durch ein f kenntlich gemacht.
L Abhandlungen, zasammenfassende Berichte und neue Mittheilnngren
Aber ftltere Funde.
Achat s. Bogenspannring.
Alemannische Gräber b. Brombach, A. Lörrach,
Württ. E. Wagner: Prähist. Bl. Nr. 3,
S. 43-45. K.-B. wd. Z. Nr. 6, 8p. 113
bis 116. Abb.
Alsengemme, neue, a. d. Kirchenschatze v.
Säekingen. Sökeland: Verh. Berl. Ges.
Anthr. (H. 4), S. 288-291. Abb.
Alteburg s. Feuersteinwerkstätte.
Ansiedlungen s. Debelo brdo, Römische An-
siedlung.
Anthropophagie in der prähist. Ansiedlung
b. Knovlze u. in der prähist. Zeit überhaupt
Matiegka: Mitth. anthr. Ges. Wien. S. 129
bis 140. Taf.
f Argentaria, Argentovaria, Castrum Ai^en-
tariensc (Horburg). Waldner: Z. f. d.
Gesch. d. Oberrheins. N. F. Bd. 10, H. 3,
S. 444—447. Herrenschneider: Ebenda
S. 461—467.
f Baumaterial der Römer am Niederrhein.
J. Schneider: Rhein. Geschhlr. Jahrg. I,
Nr. 11, S. 351—54. Baumaterial im Legions-
lager V. Novaesium. Koenen: Ebenda
S. 366—56.
Becher v. Jerxheim s. Braunschweig.
Befestigungen, spätröm., im Haardtgeb.
M e h 1 i s : K.-B. deutsch. G es. Anthr. Nr. 10.
S. 189-142.
Bielefeld. Römische u. vorröm. Fundstücke
a. Metall aus d. Geg. v. B. Wilbrand:
K.-B Gesammtver. Nr. 4, S. 41—42.
Bildwerke a. altslav. Zeit. Zur Beurteil, dors.
Koehler: Arch. f. Anthr, H. 1/2, S. 145
bis 149.
Blasen an den Pferdemäulem der Bronze-
Ciste V. Moritzing, Tirol. M. Börnes:
Verh. Berl. Ges. Anthr. (H. 2), S. 112-114.
Bodensee s. Pfahlbauten.
Böhmen. Allg. Bemerk, ü. urgeschichtl. Ver-
hältnisse in der südl. Hälfte B.^s. Bichlj:
Mitth. Centr. Comm. H. 4, S. 181—185.
— Materialien zur Vorgesch. und Volks-
kunde B.^s. Teil III. Pleiivec u. »eine
nächste Umgeb. in d. Vorgesch. J e Hn e k :
Mitth. anthr. Ges. Wien. 8. 195-286. Abbn.
Bogenfibeln. M. H ö r n e s : Mitth. Bosn«-Herceg.
S. 383—385.
Bogenspannring a. Achat v. Campi: Mitth.
anthr. Ges. Wien. Sitsgsb. Nr. 2, S. 90.
Bohlwegsuntersuchungen in dem Grenzmoor
zw. Oldenburg u. Preussen and in Melling-
hausen, Kr. Solingen. Prejawa: Mitth.
Ver. Osnabrück. 8. 98—178. Tafii. Abbn.
— Eingetretene Verschiebungen an dem
Bohlwege im Dievenmoore iw. Damme n.
— 51 —
Huntebnrg. Plathner: Mitth. Ver. Osna-
brück. S. 179-190. Taf.
Bodo. Ber. ü. d. Thätigkeit d. Provinsial-
mns. 1895-96. Klein: Nachr. H. 4, S. 49
bis 52. K.-B. Gesammtver. Nr. 8, S. 97—99.
Bosnien. Versch. prfthist. u. röm. Fände u.
Altertümer von dort Fiala: Mitth. Bosn.-
Herceg. S. 170-184. Abbn. Radimsk^:
Ebenda S. 185—201. Abbn.
Brandwally ehemaliger, t. Koschütz b. Dresden.
Virchow: Verh. Berl. Ges. Anthr. (H. 4),
8.863.
Braunsehweig. Beiträge zur Vorgesch. des
Landes B. (Gesch. d. Prähistorie, alt. Stein-
zeit, Stoingeräte, Lübbensteine, Gräber,
Becher t. Jerxheim, Bronzefand am Regen-
stein, Höhle b. Holzen, Bronzen). Voges:
Braonschweig. Magazin. Bd. 1, Nr. 6, S. 41
bis 45. Nr. 9, S. 68—71. Bd. 2, Nr. 1,
S. 6-8. Nr. 25, 8. 195-200. Nr. 26,
S. 205—208.
Brigantinm. Bauliche Überreste. Jenny:
Mitth. Centr. Comm. H. 8, S. 128—128.
Abbn. Plan.
Bronzeciste v. Moritzing s. Blasen.
Bronze-Depotfand v. Riesdorf^ Kr. Radegast,
Anhalt Götze: Nachr. H. 5, 8. 75—77.
Bronzefunde s. Brannschweig, Hohlringe.
Bronzehelm a. Yrankamen b. Erupa, Bosn.
Trnhelka: Mitth. Bosn.-Herceg. 8. 381
bis 383. Abbn.
Bronzemesser m. figürl. Darsteli. (v. Borgdorf,
Holst). Mestorf: Mitth. Schlesw.- Holst.
S. 9— 18. Abbn,
Bronzezeit, jüngere, in Meklenbnrg. Neue
Funde aus ders. (Hügelgräber, ümenfelder,
Depotfunde, Einzelfunde). Beltz: Jahrb.
u. Jahresber. d. Ver.^s f. mecklenburg. Gesch.
u. Alt (Schwerin). Jahrg. 61, 8. 182 bis
288. Abbn.
— s.Grahhügelfunde, Handwerkzeug. Meklen-
bnrg, Rheinhessen, Skeletgräber.
t Buckelquadem (röm.). Piper: Monatsschr.
Oberbay. Nr. 1, S. 2-8.
Budweis. Erwerbungen d. Mus. Lindner:
Mitth. anthr. Ges. Wien. Sitzgsb. Nr. 2,
8.81-83. Abbn.
Burgen. Römischer Ursprung ders. Segler:
Monatsschr. Oberbay. Nr. 10, 8. 105—109.
Burgn^rälleT. Görsdorf u Buckow, Kr. Beeskow-
Storkow, Brand. Busse: Verh. BerL Ges.
Anthr. (H. 2X S. 129-180. Pläne.
— in der Umgeg. t. Drambnrg, Pomm.
Stubenrauch: Monatsblätter. Nr. 9, S. 137
bis 139!* Nr. 11, S. 168—171.
Burgwälle in Ostpommem (Kreis Bütow).
Treichel: Verh. BerL Ges. Anthr. (H. 2),
S. 180—137. Pläne. Abbn.
— in Westpreussen. Conwentz: Ber. westpr.
Mus. S. 47-49.
Burg- und Rundwälle s. Brandwall, Gradina
Öungar, Heidenmauer, Rundwall, Schloss-
berg, Wallbauten, Wallburgen.
Dalmatien. Arch.-ep. Untersuch, z. Gesch. d.
röm. ProT. D. Patsch: Mitth. Bosn.-Herceg.
S. 243—295.
Debelo brdo b. Sarajevo. Prähist. Ansiedlung
auf demselb. Fiala: Mitth. Bosn.-Herceg.
S. 38-72. Abbn.
t Decempagi (Tarquinpol). Bericht ü. die
Ausgrabungen in der Römerstation 1892 bis
1894. Wichmann: Jahrb. Ges. iothr.
Gesch. VIT, Hälfte 2, S. 173-194. Abbn.
Denarfund y. Fiddichow, Pomm. (1867). Bahr-
feldt: Monatsblätter Nr. 3, S. 33—40.
Depotfunde s. Bronzedepotfunde, Bronzezeit
Domavia b. Srebrenica. Ausgrabungen 1892
u. 1893. Radimsk^: Mitth Bosn.-Herceg.
S. 202-242. Tafh. Abbn.
Donarkult in Bayern. W. M. Schmid: K.-B.
deutsch. Ges. Anthr. Nr. 7, S. 51-52.
fiinbaumfunde aus jüngster Zeit. Globus.
Bd. 69, Nr. 8, S. 132.
Eisen. Erstes Auftreten desselben im Nord-
harzgebiete. Höfer: K.-B. Gesammtver.
Nr. 10/11, S. 128- 137. Abbn.
Eisenalter, yorgeschichtl.,im skandinar.Norden.
Mestorf: Arch f. Anthr. H. 3, S. 339-346.
Eisenfunde d. Niederlausitz. S. 11. Straupitz.
Epora (kelt. Göttin). Hang: Bonn. Jahrb.
S. 241-251. Abb.
f^ensterurne t. Sadersdorf, Kr. Guben, Brand.
Jfentsch: Verh. Berl. Ges. Anthr. (H. 3),
S. 240-241. Abbn.
Feuerstein- Schlagstätten im Posener Gebiet
Koehler: Verh. Berl. Ges. Anthr. (H. 4),
8.346-350. Abbn.
Feuerstein- Werkstätte auf d. Alteburg b. Arn-
stadt, Thüringen. Götze: Verh. Beri. Ges.
Anthr. (H. 2), S. 119-122. Abbn.
Fibeln s. Bogenfibeln.
Figürliche Darstellungen s. Bronzemesser,
Körperteile, Terra sigillata.
Fränkische Kunstweise. Koenen: Rhein.
Geschblr. Jahrg. 2, Nr. 7, S. 219—221.
4*
— 52 -
CUUisches Oppidum s. Herapel.
Gefäss der Steinzeity m. Sehnareindräcken,
V. Yandsbnrg, Westpr. Conwentz: Ber.
westpr. Mas. S. 88. Abb.
Gefässe m. vierfach. Wellenlinie. Jentsch:
Niederlans. Mittli. H. 7/8, 8. 865.
-^ s. Braonschweig, Goldgefässe, Neoli-
thische Gef&sse, Neolithische Keramik,
Neolithische Thongefftssreste, Bheinhessen,
Terra sigillata, Thongefässe, Urnen.
t Gef&sskunde, rheinische, Beiträge dazn.
Eoenen, Dragendorff, F. Hettner:
Rhein. Geschblr. Jahrg. 2, Nr. 4, S. 122
bis 128.
Germanische Begräbnisstätten am Niederrhein
Ausgrabungen 1895. I. Zw. Sieg n. Wnpper
n. Zw. Rhein n. Niers. Rademacher:
Nachr. H. 1. S. 6—14.
— Waffen a. Tonnerovingischer Zeit (Kastell
Osterburken). Schumacher: E.-B. wd. Z.
Nr. 4, Sp. 65—67.
Gesichtsumen, neue, a. Westpr. Conwentz:
Ber. westpr. Mus. S. 86.
— moderne. Schmid: Oberbajr. Arch. f.
Vaterland. Gesch. (München), Bd. 49, H. 2,
S. 687-542. Abbn.
— s. Urne m. Mntzendeckel^ Haus- u. Gesichts-
umen.
Gigantenreiter (Saarbrücken). Lehn er: K.-B.
wd. Z, Nr. 8-9, Sp. 165-178. Abbn.
Glasinac. Ergebnisse d. Untersuch, prähist
Grabhügel auf dem G. im J. 1894. Fiala:
Mitth. Bosn.-Herceg. S. 8—82. Abbn.
Goldgefässe (Hallstattzeit) von Langendorf b.
Stralsund. R. Baier: Z. l Ethn. H. 2,
S.92— 96. Taf.
Grabdenkmäler, röm., a Bonn u. Köln. Ihm:
K.-B. wd. Z. Nr. 6, Sp. 123—181.
Grabhügel bei Wengen in Mittelfranken.
Ziegler, Naue: Prähist Bl. Nr. 1, S. 9
bis 12.
Grabhügelfnnde, neue, in Oberbaj. (Alt u.
jung Bronzezeit, alt , mittl. u. jung. Hall-
stattzeit). Naue: Prahlst BL Nr. 1,S. 1— 9.
Nr. 2, S. 17 25. Nr. 8, S. 88-88. Nr. 4,
8. 49-57. Nr. 5, S. 67—72. Nr. 6, S. 81
bis 89. Tafh.
Gradina Öungar bei Gazin. Prähist WaU
(Neolith. u. Uallstattfunde). Radimsk^:
Mitth. Bosn.-Herceg. S. 78-98. Abbn.
Gräber v. Gross-Bogendorf^ Kr. Sagan, Schles.
(Gefässe, Steinbeile), v. Schulenburg:
Verh. Berl. Ges. Anthr. (H. 8), S. 190-191.
Abbn.
Gräberfeld (Lausitzer Typ.) b. Gross-Teuplitz,
Kr. Sorau. Jentsch: Niederlans. Mitth.
H. 5/6, S. 241-248.
Ghräbeifeld v. Rominten (La Tene). Bezien-
berger: Sitsgsb. Prussia. 8.85—66. Tafn.
Abbn. Plan.
— V. Stradonitz b. Prag. Funde von dort.
Heurer, Yirchow: K.-B. deutsch. Ges.
Anthr. Nr. 11/12, 8. 167.
— (La Tene u. Spätrömisch) v. Vitske in der
Altmark. Ed. Krause: Globus Bd. 70,
Nr. 17, 8. 261-266. Abbn.
— V. Wilkieten, Kr. MemeL Alt Mitteilung
darüber (1842) n. neue Untersuch. H o 1 1 a c k :
Sitzgsb. Prussia. 8. 128—125.
Gräberfelder, vorgeschichtl., auf d. Silberberge
b. Lenzen u. Serpien, Ki. Elbing. Dorr:
K.-B. deutsch. Ges. Anthr. Nr. 8, 8. 66—66.
(}räber u. Gräberfelder s. Alemannische (Mber^
Braunschweig, Bronzezeit, Germanische Be-
gräbnisstätten, Glasinac, Grabhügel, Grab-
hügelfunde, Haus- u. Gesichtsomen, Hügel-
gräber, Meklenburg, Ostprenssen, Poetovio,
Römische Brandgräber, Rom. Gräber, Skelet-
gräber, Steinkammergrab, Steinkistengräber.
Gräfte V. Driburg, v. Stoltzenberg: K.-Bw
deutsch. Ges. Anthr. Nr. 4, 8. 82—84. Yeiii.
Berl. Ges. Anthr. (H. 6), 8. 600-618. Tat
Gnbener Kreis. VorgeschichtL Funde von dort
I Jentsch: Nachr. H. 1, 8. 2— 6. Abbn.
Hacksilberfunde v. Qnlow, Buch holz:
Brandenburgia. Nr. 8, S. 298—297. Abbn.
Vgl. n. Gralow.
f — im Mus. zu KieL Mestorf: Mitth.
Schlesw.-Holst H.8, 8. 8-12. Abbn.
Hallstatt Ausgrabungen d.MusealTereins 1896.
Mitth. anthr. Ges. Wien. Sitigsb. Nr. 2,
S. 26, 28-29. Abbn.
Hallstattzeit s. Goldgefässe, Grabhügelftmde,
Gradina Öungar, Schädel.
Handwerkzeuge eines reisenden Schmiedes d.
Bronzezeit in Böhmen. (Bmchenfimd t.
Ryde« [Ritschen] b. Leimeritz). Ricklf:
Mitth. Centr. Comm. H. 8, 8. 121 — 12S.
Abbn.
Hausforschung. Giebelvenierungen in West-
preussen. Treichel: YeriL Berl. €re8.ABthr.
(H. 4), 8. 868. (H. 6), 8. 869-878. Abbn.
— Friesische Häuser auf den Hallig«.
Traeger: Mitth. aus dem gennan. National*
mus. (Nürnberg). 8. 112—119. Pliae.
— Ein Bauernhaus im Berchtesgadener Land-
chen. V. Schnlenburg: Mitth. anthr. Ges.
Wien. S. 61-86. Abbn.
— 53 —
Hanaforschon^. Fonchnsgeii o. Stadien über
das Haus. Bancalari: Mitth. anthr. Qes.
Wien. 8.93-128. Abbn.
— Hans n. Hof bei den Hniolen. Eaindl:
Mitth. anthr. Qes. Wien. S. 147— 185. Abbn.
Hans- und Gesichtsnmen, Eilsdorfer, n. ihr
Gräberfeld. Hein r. Becker: Z. Harzrerein.
8.265—297. Tafa.
Heidenbnrgb.Ereimbach. Aosgrabnngen 1895.
Mehlis: K.-B. deatseh. Ges. Anthr. Nr. 2,
8.14— 16. Plan.
— 8. Pfalz.
Heidenmauer (Ringwall) b Dürkheim. E.-B.
deutsch. Ges. Anthr. Nr. 11/12, 8. 168-169.
Heidentempel, e. vermeintlicher, b. Soest, Westf.
Benkert: Z. f. Taterl&nd. Gesch. u. Alt
(Münster). Bd. 54, 8. 108-189. Tafh.
t HerapeL Oppidum (gallisch u. galloröm.,
später fränk. u. alemannisch) auf demHerapel
bei Kochern, Lothr. Hub er: Jahrb. Ges.
lothr. G^esch. VI, 8. 296—804. Tafh.
Höhlen. Einst bewohnte Felshöhlen des Karstes
im Österreich. Litorale. Moser: Globus.
Bd. 69, Nr. 19, S. 302-806. Abbn.
— s. Braunschweig, Runeninschrift.
Hohlringe a. Bronze. Steinmetz: K.-B.
deutsch. Ges. Anthr. Nr. 8, 8. 69—71.
Hügelgräber v. Gapowo, Westpr. Lakowitz:
K. B. deutsch. Ges. Anthr. Nr. 8, S. 64—65.
— T. Brezje b. Hönigstein, Krain. (Peönik),
Rutar: Ifitth. Centr. Comm. H. 4, 8. 225
bis 227.
— s. Bronzezeit, Glasinac, Grabhügel, Grab-
hügelfnnde, Meklenburg, Tnmuli.
Istrien s. Libumien.
^adeitaxt, die erste in Schleswig -Holstein.
Mestorf: Nachr. H. 2, 8. 23.
Karolingische Funde s. Pfalz.
Keltische FlussgotUieiten. Ihm: Arch.-ep.
Mitth. 8.78.
— Gottheiten s. Epona, Medros.
Knochenazt s. Rheinhessen.
Köln. Römische Ausgrabungen an d. Luxem-
burgstrasse (Gebäude, omament. silb. Be-
schlagstück etc.). Kisa:Bonn. Jahrb. 8.21
bis 53. Abbn.
Körperteile. Nachbildungen v. solchen als
Grabbeigaben. Nowotny: Mitth. anthr.
Ges. Wien. Sitzgsb. Nr. 4, 8. 64—65.
Kultnsstätten, vorgeschichtl., u.überMardellen.
Florschütz: K.-B. Gesammtrer. Nr. 12,
S. 147—150.
Kupferaxt v. Kwieciszewo, CujaTien. Analyse
ders. u. die Bearbeitung der Kupfererze.
Weeren: Verb. Berl. Ges. Anthr. (H. 5),
8. 880-883.
Knpf erbeile a. Böhmen u. Mähren. Richl^:
Mitth. Centr. Comm. H. 4, 8. 227. Abbn.
Kupferbergwerk d. Kupferzeit auf d. Mitter-
berge, Salzburg. Bartels: Verb. Berl. Ges.
Anthr. (tt 4), 8. 292-297. (H. 6), 8. 584.
Kupfercelt m. wenig Zinn im Braunschweiger
Mus. Andre e: Braunschweig. Magazin.
Bd. 2, Nr. 6, S. 47.
— V. Neuzelle. 8. Gubener Kreis.
Kupfergeräte s. Rheinhessen.
Kupferzeit. Neuere Studien ü. dieselb.
Hampel: Z.f.Ethn. H.2, 8.57-91. Abbn.
Kurische Nehrung. Ältere Ifitteilung (1832)
über die steinzeitl. Fundplätze b. Nidden.
Hol lack: Sitzgsb. Pmssia. 8. 116—128.
Ija Tene-Funde, Nauheimer. Welchem Volke
gehören sie? Kossinna, Kuthe: K.-B.
deutsch. Ges. Anthr. Nr. 4, 8. 30-32.
La T^ne s. Gräberfeld, Meklenburg, Umenfeld.
Lausitzer Altertümer. (Behla), Voss: Yerh.
Berl. Ges. Anthr. (H. 5), 8. 406—407.
— Typus s. Gräberfeld.
t Legionsfolge in d. Xantener Gemarkung.
Koenen: Rhein. Geschblr. Jahrg. 2, Nr. 3,
8. 94-95.
Libumien u. Istrien. Rom. Funde auf Yeglia
(Cnrictae) u. Umgeb. Nowotny, Sticotti:
Arch.-ep. Mitth. 8. 159—180. Abbn.
Limesforschung. Kastelle v. Würzberg u. Eul-
bach (Odenwaldlinie). Kofi er: Limesbl.
Nr. 18, Sp. 497—601.
— Die mutmasslich ältesten Kastelle der
Odenwaldlinie. Kofi er: Limesbl. Nr. 19,
Sp. 527—534.
— Untersuch, am bad. Limes. Schumacher:
LimesbL Nr. 20, Sp. 549—552.
— Yerpalissadierte Blockhäuser oder Holz-
türme am rätischen Limes. Kohl: Limesbl.
Nr. 20, Sp. 663-557. Pläne.
— Flurnamen am Limes. Hamm er an: Wd.Z.
tt 1, 8. 45—59.
— Ergebnisse d. Limesforschungen 1895 m.
bes. Berücksicht. d. Odenwaldlinie. 8 o 1 d a n :
MitÜL d. Oberhess. Geschichtaver.'s (Giessen).
N. F. Bd. 6, 8. 198—204.
— Beziehungen des rätischen Limes zum Vor-
gelände. Seyler, Ohlenschlager: K.-B.
deutsch. Ges. Anthr. Nr. 10, 8. 135—189.
— Bericht ü. d. 4. Ausgrabungsjahr (1895).
Hang: K.-B. Gesammtrer. Nr. 6/7, 8.69-73.
54 —
Limesforschong s. Rom. Meierhöfc, Schanze b.
Imsing.
Lochornament. S.u. Gaben, Reichersdorf.
Lübbensteine s. Braonschweig.
Mfthren. Beitr&ge zur Urgeschichte M.'8.
Makowsky: Mitth. anthr. Ges. Wien. S. 87
bis 90. Taf.
Mainz. Ber. ü. die Thätigkeit d. röm.-germ.
Centralmus. f. 1895/96. Beck: K.-B. Ge-
sammtver. Nr. 10/11, S. 123—124.
MardeUen s. Kultusstätten.
Medros, gallischer Gott. Kenne*. K.-B. wd. Z.
Nr. 1, Sp. 18—19. Christ: Nr. 12, Sp. 244
bis 245.
Meklenburg. Neuere Ausgrab. (Hügelgräber,
Flachgrab d. alt. Bronzezeit, Umenfeld d.
La Tene-Zeit). Beltz: Prähist Bl. Nr. 3,
S. 39-43. Nr. 4, 8.60-61..
Mensch, der fossile, u. die Menschenrassen.
Ranke: K.-B. deutsch. Ges. Anthr. Nr. 11/12,
S. 151-156.
Mithraeum u. and. röm. Funde y. Saarburg,
Lothr. Kenne: Wd. Z. S. 334— 342. K.-B.
wd. Z. Nr. 2/8, Sp. 49—62.
Moorbrucken, d. römischen, in Deutschland.
Knoke: Z. f. Vaterland. Gesch. u. Alt
(Münster). Bd. 54, S. 172-185.
Mosaikboden v. Monastero, Küstenld. MittL
Centr. Conmi. H. 3, S. 162. Abb.
Münzen, bosnische, serbische u. bulgarische,
d. Landesmus. in Sarajevo. Verzeichnis ders.
Truhelka: Mitth. Bosn.-Herceg. S. 302
bis 323. Abbn.
— s. Denarfund, Römische Denare, Römische
Münzen.
Museen s. Bonn, Budweis, Museographie,
Stralsund, Trier.
Museographie f. 1895 (Erwerbungen, Unter-
suchungen u. s. w. der Museen in Aachen,
Birkenfeld, Bonn, Crefeld, Darmstadt, Eiber-
feld, Frankfurt a.M., Hanau, Karlsruhe, Köln, '
Konstanz, Kreuznach, Mainz, Mengen, Metz,
Rottenburg, Saarbrücken, Speyer, Trier,
Überlingen, Yillingen, Wiesbaden, Worms, ,
Zürich). Wd. Z. H. 4, S. 383-384. |
I
!
Heolithische Funde, neuere, im Spessart n. in
Baden. Kanke, Wagner: K.-B. deutsch.
Ges. Anthr. Nr. 10, 8. 133—184. '
— — 8. Steinzeit. '
— Gefässe v. d. Rheingewann b. Worms. Ver-
gleichung m. denen v. Albsheim. Koehl:'
Nachr. H. 6, S. 92-96. Vgl. 11. Worms.
Neolithische Keramik, importiert«, in Böhmes.
V. Weinzierl: Prähist.BL Nr. 6, 8. 89-92.
Tafn.
— ThongefiJssreste, bemalte, a.M&hr. n.Nieder-
öst. Szombathj: Mitth. anthr. Ges. Wien.
Sitzgsb. Nr. 4, S. 66.
Opferstein, heidnischer (v. WQdenan i.VogtL)
Mothes: K.-B. Gesammtver. Nr. 5, S. 57
bis 58.
Osterreich. Forschungen 1895. Heger: Mitth.
anthr. Ges. Wien. Sitzgsb. Nr. 2, S. 20— 25.
Osterberg. Der sog. 0. b. Nenenhaus eine alte
Kastell- od. Wachthnrm- Anlage. Hacke:
Mitth. Ver. Osnabrück. S. 190-194. Abb.
Ostpreussen. Y orgeschichtl.Grabfunde. Lemke:
Nachr. a 2, S. 17—19. Abbn.
Palaeolithische Funde s. Steinzeit
Pettauer Antiken. I. Die Nutrices Augnstae.
Gurlitt: Arch.-ep. Mitth. S. 1—26. Abbn.
Pfahlbauten d. Bodensees. Topograph. Auf-
nahme ders. V. Tröltsch: K.-B. deutsch.
Ges. Anthr. Nr 8, S. 66—67.
Pfalz. Die P. in prähist Z. Ohlenschlager:
K.-B. deuUch. Ges. Anthr. Nr. 9, 8. 86-90.
Über vorröm. Beziehungen d. Pfalz m. Italien.
Harster, Mehlis, Virchow, Ohlen-
schlager: Ebenda S. 104—109.
— Archäologisches aus d. P. (Karolingische
Funde, Ausgrab, auf d. Heidenburg, röm.
Münzfnnde). Mehlis: K.-B. Gesammtver.
Nr. 1, S. 10-11.
Poetovio. Die Ausgrabungen im Gräberfelde
d. Römerstadt P. in Steiermark. Gurlitt:
Mitth. anthr. Ges. Wien. Sitzgsb. Nr. 2«
8.80-81.
— Vorlauf. Ber. u. d. Ausgrab. 1889—1896.
Gurlitt: Mitth. Centr. Comm. H. 8, S. 162
bis 164.
— (Ausgrabungen 1893—94). Jennj: Mitth.
Genta-. Comm. S. 1—22. Abbn. Tafii. Pläne.
Pola. Römische Altertümer in u. umP. Weist-
häupl: Mitth. Centr. Comm. H. l, S. 4—6.
Pommern. Die Kultur P.*s in vorgetchichL
Zeit Hugo Schumann: Baltische Stndiem.
Jahrg. 46. S. 103-208. Tafo.
Provinzialromische Funde in d. Niederlaas.
J e n t s c h : Niederlaus. Mittth. 8. 867—961.
Pjxis a. Elfenbein im Wiesbadener Alteitnnu-
mus. Donner — v. Richter: Ann. Ver.
Nass. Alt S. 287-296. Taf.
Regenbogenschftsselchen ans W&rttemberg.
Walcker: Verh. Bert. Ges. Anthr. (VLT^
S. 76.
— 55 —
Rheinhessen. YorgoschichtL Funde (Edle Stein*
beile, Hammeraxt a. Knoch., Becher m.
Schniurverzier. , Kupfergeräte , Bronzezeit-
fund). Koehl; Nachr. H. 6, S. 69—74.
Ringwftllc 8. Burg- und Rundwftlle.
Römischer Altar in Rorio, Ct. Tessin. A.
Schneider: Anz. Schweiz. Alt. Nr. 4, S. 102
bis 108.
Römische Ansiedlung r. Erlstätt b. Traimstein.
If ajr: Monatsschr. Oberbaj. Nr. 1, S. 4
bis 14. Abb.
t — Bananlage v. Blankenheim i. d. Eifel.
(Klein): Rhein. Geschblr. Jahrg. I, Nr. 8,
S. 257-2Ö8.
— Brandgräber t. Reichenhall in Oberbay.
Wilser: Globus. Bd. 70, Nr. 8, S. 40— 42.
— Denare. Gesamtfund a. Marienfels, Reg.-
Bez. Wiesbaden. Ritterling: Wd. Z. H. 8,
S. 267-274.
— Denksteine zu Risstissen. Schmid (Rin-
gingen): Württ Yicrteljahrshefte. H. 8/4,
S. 266.
t Römisches Felsrelief am „pompösen Bronn"
b. Lemberg, Ct. Bitsch, Lothr. Michaelis:
Jahrb. Ges. lothr. Gesch. VH, H&lfle 1,
S. 128— 168. Abbn. Tafu.
Römische Gebändereste u. Kleinfnnde in Baden,
Schweiz. (Ausgrabungen 1895 und 18%).
0. Haus er: Anz. Schweiz. Alt. Nr. 1,
S. 2-5.
t — Gräber innerhalb v. Ummauerungen
(NoTaesium). Koenen: Rhein. Geschblr.
Jahrg. 2, Nr. 8, S. 95-96.
— Inschrift im Metzer Mus. Kenne: K.-B.
wd. Z. Nr. 1, Sp. 16-18.
— Inschriften von Aquileja (seit 1898).
Majonica: Arch.-ep. Mitth. S. 205— 211.
Abbn.
— — u. Skulpturen v. Bingen u. Mainz.
Körber: K.-B. wd. Z. Nr. 1, Sp. 5— 12.
V. Mainz (Steinsärge (1888), Altar (1896),
SigiUata- Stempel (1896). Körber: K.-B.
wd. Z. Nr. 5, Sp. 81-89.
im Schloss zu Fange b. Metz. Kenne:
K.-B. wd. Z. Nr. 1, Sp. 1-5.
in Württemberg. Bemerk, zu einigen
Eigennamen auf solchen. Nestle: Württ.
Vierjahrshefte. H. 8/4, S. 251— 256.
s. Grabdenkmäler.
— Meierhöfe im Limesgebiet (Baden)
Schumacher: Wd. Z. H. 1, S. 1—7. Plan.
t Römischer Meilenstein b. Saarburg, Lotbr.
Kenne: Jahrb. Ges. lothr. Gesch. VI, S. 824
bis 826. VII, Hälfte 1, S. 194-195.
Rom. Münzen a. Wiesbaden u. Cmgeg. im Alter-
tums-Mus. zu Wiesbaden. Ritterling: Ann.
Ver. Nass. Alt. S. 181-244.
Rom. Münzen. Zwei Gesamtfunde a. Heddem-
heim im Mus. zu Wiesbaden. Quill in g:
Ann. Ver. Nass. Alt. S. 245 -286. K.-B.wd.Z.
Nr. 6, Sp. 118—119.
t Massenfund Tom Marienplatz in Köln.
Ph. Braun: Rhein. Geschblr. Jahrg. 2, Nr. 5,
S. 158-160.
8. Römische Denare.
Römisches Mysterienrelief im bosnisch -her-
cegoYinischen Landesmus. Nowotny: Mitth.
Bosn-Herceg. S. 296— 802.
t Römische Strasse von Augsburg nach Türk-
heim u. Wörishofen. Schuster: Z. d. bist.
Ver.^s f. Schwaben u. Neuburg. Jahrg. 21,
S. 169—180.
t — — nach Krumbach. Beschreib.
ders. Schuster: Z. d. bist. Ver.'s f.
Schwaben u. Neuburg. Jahrg. 22, S. 212
bis 228.
t in d. Oberförsterei St. Avold, Lothr.
Hinrichs: Jahrb. Ges. lothr. Gesch. VI,
S. 804— 809. Tafh.
t — Thonfiguren u. Münzen Tom Marxberge
b. Saarburg (1891). Wichmann: Jahrb.
Ges. lothr. Gesch. VI, 8. 317—823.
t — Villa V. Sankt Ulrich, Lotiir. Wich-
mann: Jahrb. Ges. lothr. Gesch. VI, S. 818
bis 816. Taf.
— Funde und Altertümer s. Argentaria, Bau-
material, Befestigungen, Bielefeld, Bohl-
weguntersuchungen, Bosnien, Brigantium,
Buckelquadem, Burgen, Dalmatien, Decem-
pagi, Domavia, Gigantenreiter, Grabdenk-
mäler, Gräberfeld, Heidenburg, Herapel,
Köln, Legionsfolge, Libumien, Limes-
forschung, Ifithraeum, Moorbrücken, Mosaik-
boden, Osterberg, Pettauer Antiken, Pfalz,
Poetorio, Pola, Strassen, Trier, Tutatio,
Vetera, Waadt, Wallbauton.
Rundwall b. Trebitz, Kr. Lübben. Jentsch:
Niederlaus. Mitth. H. 5/6, S. 249.
t — m. Graben v. Tincry, Lothr., kein röm.
Lager, sond. vorgeschichtL Paulus: Jahrb.
Ges. lothr. Gesch. VI, S. 111— 118. Tafh.
Rundwälle s. Burg- und Rundwälle.
Runeninschrift in d. Drachenhöhle b. Dürk-
heira a.d. Haardt. Mehlis: K.-B. deutsch.
Ges. Anthr. Nr. 5, S. 86-88. Nr. 6, 8. 44
bis 48.
S^chädel, vorgeschichtL, t. Ochsenfurt s.
Skeletgräber.
— aus d. alt. Hallstatt-Zeit vom Mühlhart b.
— 56 —
Wildenroth, Bay. (Naue), Virchow: Verh.
Berl. Ges. Anthr. (H. 3), 8. 248-246 Abb.
Schanze b. Irnsing a. d. Donau nicht röm.
Ursprungs. Fink: Limesbl. Nr. 18, Sp. 619
bis 520.
Schl&fenringe. Fundorte von solchen in der
Prov. Posen. Eoehler: Verh. Berl. Ges.
Anthr. (H. 3), S. 246-261. W. Schwartx:
Ebenda (H. 6), S. 638—640. Abbn.
— , slav., in Dalmatien. Reinecke: Yerh. Berl.
Ges. Anthr. (H. 5), S. 469—470.
Schlossberg y. Burg im Spree wald. Virchow:
K.-B. deutsch. Ges. Anthr. Nr. 10, S. 134
bis 186.
S chulzenhammer. t. Schulenburg: Branden-
burgia. Nr. 2, S. 66—60.
Segelschiffe auf Grabdenkm&lem. Kenne:
K.-B. wd. Z. Nr. 2/3, Sp. 63.
Skeletgrftber aus d. arab.-nord. u. aus früherer
Zeit. Conwentz: K.-B. deutsch. Ges. Anthr.
Nr. 8, S. 63.
— (neoUth. od. frühe Bronzezeit) v. Ochsen-
furt^Unterfranken. Beinecke: K.-B. deutsch.
Ges. Anthr. Nr. 8, S. 69—62.
Skulpturendenkmäler, Yorgeschichtl., im Canton
Wallis. 3.Ber. Reber: Arch.f.Anthr. ai/2,
S. 91— 116. Abbn.
— s. Bildwerke.
Skjthische Altertümer in Mitteleur. Reinecke'
Z. f. Ethn. U. 1, S. 1—43. Taf. Nachträgl.
Bemerk. Verh. Berl. Ges. Anthr. (H. 3),
S. 261—266.
St^in-Altertümer. Fundstelle in F&hrhof auf
Rügen, y. Platen-Venz: K.-B. deutsch-
Ges. Anthr. Nr. 2, S. 9-12.
Steinbeile s. Gräber, Jadeitaxt, Neolithische
Funde etc., Rheinhessen.
Steine mit Fussspuren. Koehler: K.-B.deutsch.
Ges. Anthr. Nr. 7, S. 65-58.
Steingeräte s. Feuerstein werkstätte, Feuerstein-
Schlagstätten, Suiten.
t Steinkammergrab r. Elisenlund b. Apenrade.
Splieth: Mitth. Schlesw.-Holst S. 81--32.
Steinkistengräber im Kreise Pr.-Ejlau (1892).
Heydeck: Sitzgsb.Prussia. 8.67—74. Tafo.
Steinzeit, alt. Eine' Fundstätte in Holstein
(Marienbad b. Neustadt). Brüchmann:
Mitth. Schlesw.-Holst. S. 3— 7. Abbn.
— (alt. u. jung.) s. Braunschweig, GefäsS)
Gradina Öungar, Kurische Nehrung, Neoli-
thische Funde etc., Skeletgräber, Thon-
gefässe.
Stralsund. Neue vorgeschichtl. Funde im
Provinzialmus. Bai er: Nachr. H. 2, S. 24
bis 20.
Strassen, alte, in Hessen. Kofier: Wd. Z.
H. 1, S. 18-44. Karte.
— 8. Römische Strassen.
Suiten b. Starenhagen. Altertümer t. dort im
Rostocker Mus. (Steingeräte, Spinnwirt«!,
ümenreste). L.Krause: Jahrb. u. Jahres-
her. d. Ver.'s f. meklenbnrg. Gesch. u. Alt.
(Schwerin). Jahrg. 61. Quartalber. 2, 8. 25
bis 26.
Terra sigillata-Fabrikation. Scherbe m. Imien-
YerzieruBg. Quilling: K.-B. wd. Z. Nr. 18,
Sp. 286— 289. Abbn.
Terra sigillata m. mytholog. Scenen im Frank-
furter Mus. Quilling: K.-B. wd. Z. Nr. 12,
Sp. 239-244.
Terra sigiUata-Gefässe. Verzeichnis d. Stempel
auf solchen (70—260 n. Chr.). Dragen-
dorf f: Bonn. Jahrb. S. 54^163.
Thongefässe, YorgeschichtL Chem. Unter-
suchungen solcher. Helm: K.-B. deutsch.
Ges. Anthr. Nr. 8, 8. 62-68.
— a. d. Steinzeit auf d. Insel Rügen. Bai er:
Verh. Berl. Ges. Anthr. (H. 4), S. 860-361.
Abbn.
Thonscherben a. Bosnien. Bartels: Verfa.
Berl. Ges. Anthr. (H. 8), S. 219-290.
Trier. Römische Stadtbefestigung. Lehser:
Wd. Z. H. 3, 8. 211—266. Abbn. Tafii.
— Ber. ü. d. Thätigkeit d. ProYinzialmus. 1896
bis 18%. Lehn er: Nachr. H.4, S.&2— 66.
K.-B. GesammtYer. Nr. 9, S. 109—111.
Tumuli im Bez. Bilek, Herceg. Radimsk/:
Mitth. Bosn.-Herceg. S. 88-87. Abbn.
— b. Sieding u. im Grabensee, Niederdst
Szombathy: Mitth. Centr. Comm. H. 8,
S. 160.
TuUtio (röm. Station) b. Mühldorf, Nieder6sL
Straborger: Mitth. Centr. Conun. H. %
S. 94.
Tutuli a. Bronze, stahl^^ue, — Nachbildung
Yon Eberzähnen u. Aüsgrab. in Boseofelde,
Pomm. Stubenrauch: Monatsblätter. NrJ2,
S.21— 27. Abbn. Vgl 11. Bosenfelde.
Urne m. Mützendeckel u. Ohrringen t. Welste»-
hOhe, Kr. Wirsitz, Pos. Götze: Nachr. H.5,
S. 80. Abb.
— m. spitz zulauL Boden y. Reeehl b. Mmatow,
Kreis Naugard, Pomm. Stnbenrauch:
Monatsblätter. Nr. 12, S. 181—188. Abb.
Urnen m. Beigab, a. Bronze n. Bit. t. e. Un«a-
felde b. Heyrothsberge b. Magdeburg. F.
Bauer: Nachr. H. 6,3.81— 88. Abbn.
— 57 —
Urnen s. Fensteninie, Gesichtsornen, Hans-
u. Gesichtsornen.
Urnenfeld t. Bülstringen, P. Sachs (T^a T^ne).
Wegener: K.-B.Ge8ammtTer. Kr. 2/8,8.27.
— - b. Seebach, Er. Ruppin, Brand. (Bü sc hing
1780), W. Schwarte: Nachr. H. 4, S. 56
bis 57. Abb.
TJmenfelder s. Bronzezeit, Meklenbnrg.
Taraslager u. Leichenhügel im Habichtswalde
b. Stift Leoden. Schnchhardt, Knoke,
Hamm: Mitth. Ter. Osnabrück. S. 195— 229.
-f Yetera, Castra ülpia o. Golonia Tngana.
J. Schneider: Rhein. Geschblr. Jahrg. 2,
Nr. 8, S. 84—94.
Waadt o. Wallis. Archaeol. Untersuchungen
in beiden Cantonen im J. 18%. (Gallische
Per., röm. Per.). Naef: Anz. Schweiz. Alt.
Nr. 4, S. 112— 121. Abbn. Tafa.
Waffen s. Germanische Waffen.
Wallbauten in nordwestl. Bosnien. Fiala:
Mitth. Bo8n.-Herceg. S. 94—100. Abbn.
Wallbauten im Bez. Biha<5. R a d i m s k ^ : Mitth.
Bosn.-Herceg. S. 101—112. Abbn.
— , prähist., u. Überreste a. röm. Zeit im Bez.
2upanjec, Bosn. Radimsk^: Mitth. Bosn.-
Herceg. S. 185—169. Abbn.
Wallburgen, Thüringer. Götze: Yerh. Berl.
Ges. Anthr. (H. 2), S. 115-119. Abb. Plan.
t — , Burgstalle u. Schanzen in Oberbajem.
I. Herren-Chiemsee u. Langeubürgner See.
Der Specker Turm am Ratzinger Berg. Das
Römerkastell b. Grünwald. Popp: Ober-
bajr. Arch. f. vaterl&nd. Gesch. (München).
Bd. 49, H. 1, S. 161-199. Abbn.
Wellenlinien an rorslav. Gefftssen u. Deckel-
dosen. Jentsch: Yerh. BerL Ges. Anthr.
(H.8), S. 241-242. Abbn.
Wellenomament s. Gef&sse.
Wikingerschiffe. Treichel: Yerh. Berl. Ges.
Anthr. (H. 4), S. 882-884.
ZinkgU8S,vorgeschichtLYermeintl.Yorkommen
desselb. in Siebenbürgen. Y i r c h o w : Yerh.
i Berl. QeB, Anthr. (H. 4), S. 888-889.
II. Berichte und Mitthellongeu über neue Funde.
JLlbona u. Fianona, Istrien. Röm. Skulpturen
und Inschrifttafeln. Weisshänpl: Mitth.
Centr. Conmi. H. 1, S. 48—49.
Alt-Lobitz, Kr. Deutsch-Krone, Westpr. Stein-
kisten m. Urnen u. Beigef., eis. Schwanen-
halsnadel m. Bronzekopf. Gonwentz: Ber.
westpr. Mus. S. 48.
Arnstadt, Thür. S. I, Feuersteinwerkstfttte.
Arzheim s. Braubach.
Aschet b. Wels, Oberöst. Rom. Mauerreste,
Bruchstücke e. kupf. Gel, Theil e. Schuppen-
panzers u. and. Funde a. Eis. u. Bronze,
Thon- und Terrasig.- Scherben, Münzen.
V. Benak: Mitth. Centr. Comm. H. 8, S. 161
bis 162. Abb.
Atterwasch, Kr. Guben. Yorslav. Wohnreste.
Jentsch: Niederlaus. Mitth. H.5/6, S.285
bis 240.
Attinghausen s. Engelberg.
Arenches, Ct. Waadt Röm. Brunnen, Bronze-
statuotten. Anz. Schweiz. Alt. Nr. 2, S. 70
bis 71.
lladen, Schweiz. Neue römische Funde. S. I.
Römische Geb&udereste und Kleinfunde.
Beierstedt, Braunschw. Neue Funde vom
Heeseberg. Thongef&sse, Steinger&te Feuer-
steinspftne. Yog es: Brannschweig. Magazin.
Bd. 2, Nr. 18, 8. 143—144.
Bendargau, Kr. Carthaus, Westpr. Doppelwall.
Treichel: Yerh. Berl. Ges. Anthr. (H. 6),
S. 876-879. Plan.
Bern, Schweiz. Gräber der Früh -La Tene-
Zeit; Skeletreste, Armringe a. Kobaltglas,
Bronzeketten u. and. Bronzeschmucksach.;
Kurzschwert, Armring a. Gagat, verziert
Fingerring a. Silb. etc. — Alemannengr&ber
mit Skramasaxen, Bronzebeschlägen. —
Burgundionisches Grab m. Skramasax u.
silb. Gürtelschnalle. — Totenfeld d. Yölker-
wanderungszeit ; Skelette m. Skramasaxen,
Bronzeknöpfen etc. — Alemannengräber m.
Skeletten, Waif., Beschlagstücken. K a s s e r :
Anz. Schweiz. Alt. Nr. 8, S. 77—79.
Bihaö 8. Golubid.
Birkenfeld s. Dienstweiler.
Bistrzitz, Mähr. Bronzearmband vom Hosteiner
Berge. S. I. Mähren.
Brandenburg a. d. H. Urnen d. spät Bronze-
zeit m. Knoch., Bronzespiralen. — Urne m.
Knoch., ohne Beigab. (Krenckel): 26. bis
28. Jahresbericht d. bist Yer.^s zu Branden-
burg a. d. H. S. 99-100. S. 102.
Braubach, Oberlahnstein u. Arzheim. Röm.
Bauanlagen (zw. Limes u. Rhein). Sigillata-
scherb., Sichel u. Pflugschar. Bodewig:
K.-B. Gesammtver. Nr. 5, S. 68—59.
Breitfeld b. St. Vith, Rheinpr. Röm. YiUen-
— 58 —
Niederlass. PraeforDiam , Urnen, Ziegel, Dobrichow, Böhm. Begrftbnisakügel Piäion
Lanzenspitze. (Schütz), Donsbach: Bonn.
Jahrb. 8.264—265. Plan.
Brezje, Erain. Neue Funde in den Hügel-
gräbern. S. I. Hügelgräber.
Briesen b. Teplitz, Böhm. Grabhügel m. Urnen
m. Enoch. u. Beigab, a. Feuerstein, Bronze
u. Eis. Steinlagen, Messer a. Cameol, Urnen-
Skelette, Thonumen m. Beigab, a. Bronze
(Spangen, Messer, Gürteltheile), Knochen,
Silber (Spangen, eine m. Golddraht rersiert;,
Gold (Bing). (VanSk),Pri§ek: Yerh.BerL
Ges.Anthr. (H.6),S.54I— 542. Bemerkungen
dazu. Yirchow, Voss: Ebenda S. 542
bis 648.
scherb. Yersch. Steingeräte, Handmühlen, ! Dobrozkowitz, Mähr. Armringe a. Gagat o.
Bronzeschmucksach., Schwert, Pfeilspitzen, Bronze, Bronzefibel. S. I. Mähren.
Sporen a. Eis., Räuchergefässe etc. Laube: | Dolnji-Vrtoce, Bosn. Rom. Gräber, Skelette,
Mitth. Ceutr. Comm. H. 4, S. 227. | Münzen, Schmucksachen etc., Inscbrift-
Bublitz, Pomm. Brandgrubengräber a. d. Zeit i fragmente, Prähist Ansiedl. (Wallbau). S. L
röm. Kultureinflusses. Urnen , Feuerstein- 1 Bosnien.
Pfeilspitze, Glasperle, Bronzeschnalle, Spinn- - DroboYic b. Öaslau, Böhm. Steinaxt a. Amphi-
wirtel. Stubeur auch: Monatsblätter. Nr. 6,' bolit, Henkelgefässe, d. eine mit Baumpech
S. 81—88. ' zusammengeklebt Öermik: Verh. Berl.
Buckau bei Magdeburg. Nannocephaler | Ges. Anthr. (H. 4), S. 881 — 882. Abbn.
Menschenschädel. Nehring: Verb. Berl. Drvar, Bosn. Bronzene Fibeln, Gürtelhakea.
Ges. Anthr. (H. 5), S. 405—406. ! Anhängsel etc. a. e. Grabe (Röm. u. alt.
Bühl, A. Waldshut, Württ Neolith. Ansiedl. ; | Eisenzeit). S. I. Bosnien.
Scherb., Mahl- u. Reibsteine, Steinbeile, | Duisburg, Rheinpr. Grabhügel a. rersch. Per.
Pfeilspitzen, Geräthe a. Hirschhorn u. Knoch.
u. s. w. Röm. Mauer, Scherb. u Ziegelstempel.
Alemann. Reihengräber m. Eisenwaff. £.
Wagner: Prähist. BL Nr. 4, S. 59-60.
K.-B. wd. Z. Nr. 7, Sp. 145—147.
Busovaöa, Bosn. Röm. Thonlämpchen m. Inschr.
S. I. Bosnien.
m. Urnen u. Beigef., Eisen u. Bronzesach.
( B on n e t ) : Rhein. Geschblr. Jahrg. II, Nr. 8,
S. 255.
Ciisgrub, Mähr. Grab m. Skelet, Thongefäsaen
u. Beigab, a. Gold u. Bronze. 8. 1. Mähren.
Eisleben, P. Sachs. Einbaum aus dem salzigen
See. S. I. Einbaumfunde.
Caslau, Böhm. Phallus a. Thon, Skelet, | ^"^«^^^''^ "' Attinghausen, Ct üri. Born,
Scherben, Feuerherde a. d. slav. Schicht d. i ^^°'«° C^^^^"«) ^^«^ «^^^ Surenenalpe. Ani.
HrÄdek. Öermäk: Verh. Berl. Ges. Anthr. I ^ S«*^^«'*- ^It. Nr. 2, 8. 70.
(H. 4), S. 330-831. Abbn. | Erkner, Kr. Nieder-Bamim, Brand. Alter
— s. DroboYic.
Czutellen u. Sakuten, Kr. Memel, Ostpr.
Skeletbestattungen, Sargreste, Metallring,
Münze vom ,, Hexenkirchhof''. Hollack:
Sitzgsb. Prussia. S. 125.
Friedhof (viell. modern) am Dämeritzae«*.
Feuersteinmesser, German. Gef&sscherben.
H. Busse: Brandenbugia. Nr. 12, S. 87H
bis 874.
Dannewitz, Kr. Ober -Barnim, Brand. Yor-
geschichtl. Brunnen. Frühgerman. Thon-
scherb., Platten v. Steinkisten. H. Busse:
Brandenburgia. Nr. 12, S. 872—378.
Deutsch -Altenburg, Nioderöst. Röm. Stein- 1
Sarkophag m. Resten e. Holzsarges, Knoch.,
Fährhof, Rügen. S. I. Stein-Altertümer.
Fall b. Wilhering, Oberöst Röm. Ziegel u.
Thonscherb., vorgeschichtl. SpinnwirteL
Straberger: Mitth. Centr. Comm. H. :3.
S. 95.
Fehraltorf, Ct. Zürich. Röm. Heizeinriehtang
in der „Speck*". Terra tig.- Scherb. Ani.
Schweiz. Alt Nr. 2, S. 71.
Haarzöpfen, gold. Schmucksach. u. Resten ' Fersenau (Abbau), Kr. Bereut, Westpr. Stein-
d. Sandalen- u. Korksohlen (1. Jahrb. n. i kisten mit Urnen, Beigef., Bronzesach.
Chr). Nowalski de Lilia: Mitth. Centr. ' Conwentz: Ber. westpr. Mus. S. 87.
Comm. R 4, S. 228. Fianona s. Albona.
Dienstweiler b. Birkenfeld. Röm. J^andhaus. Föhr s. Gross- Dunsum.
(f efässe a. Thon, Terrasig. (Schale m. Reliefs) Frankfurt a. M. Rom. Strassen u. Ansiedlungen
u. Bronze. Back: K.-B. wd. Z. Nr. 6, in d. Umgebung. Wolff: Limeabl. Nr. 18.
Sp. 119—121. Sp. 492-497. Nr. 19, 8p. 526—527.
- 59 —
Frauenbnrg, Ostpr. Wikingerschiff (Pohl,
Bottiche r): K.-B. Gesammtver. Nr. 6/7,
S. 80-81.
Free«dorf, Kr. Lnckan. Durchbohrter Henkel
d. Steinzeit S. I. Lausitzer Alterthümer.
Qamehl s. Kalsow.
Gaya, M&hr. Skeletgrab d. siar. Heidenzeit
m. eis. Streitaxt, Messer, Sporen, Helm,
Bronxe - Ohrringen , Glasperlen , Thongel,
Nadelbüchse a. Knoch. m. Nähnadeln a.
Bronze u. Eis, Spinnwirtel. Kill: Mitth.
Centr. Comm. H. 1, S. 6—10. Abbn.
Gehren, Kr. Luckau. Absatzcelt. S. I. Lausitzer
Alterthümer.
Geisslingen, A. Waldshut, Württ Grabhügel
d. Hallstattzeit. Gef&sse, Armringe u. Nadeln
a. Bronze, Eisensach., Nadelbüchschen (?)
m. Deckelchen v. Eis., innen m. Bronzeblech.
E. Wagner: Prähist Bl. Nr. 4, S. 60.
Getzersdorf b. Herzogenburg, Niederdst. Skelet
u. Bronzeringe. — Vorgeschichtl. Ansiedl.
Gefftssscherben und Gebftusbruchstücke.
Zündel: Mitth, Centr. Comm. H. 2, S. 96
bis 96. Abbn. H. 4, S. 227.
Gmünd, Württ. Reste von Eichenpfosten u.
e. Balkens am Limesübergang über das
Schiessthal. Steimle: Limesbl. Nr. 18,
Sp. 616—518.
Golubid b. Biha<5, Bosn. Rom. Bronzeglocke
u. Lanienspitzen. 8. 1. Bosnien.
Gradac, Bosn. Tumulus. Henkelgef&ss, Stein-
kiste m. Skeletresten u. Gefftssbruchstücken.
S. L Bosnien.
Grahovo, Bosn. Rom. u. prähist. Bronzefunde.
S. I. Bosnien.
Gralow, Kr. Landsberg, Brand. Hacksilber-
fund. Wend. Topf, Silb. Barrenstückchen,
Schmucksachenstückchen , zerhackte arab.
u. europ. Münzen (870—980;. S. I. Hack-
silberfünde.
Gross-Dunsum auf Fdhr. Kjökkenmödding a.
d. Völkerwanderungszeit. Muscheln u. Thier-
knocb., Scherben, Knochengeräthe, Schlag-
u. Klopfsteine, weberschifffönn. Quarzit.
— Urnen mit Knoch. u. Spinnwirteln.
(Philippsen), Splieth: Mitth. Schlesw.-
Holst. S. 15— 19.
GroBS-Steegen, Kr. Pr.-Eylau, Ostpr. Kisten-
grab m. 14 Urnen. Bezzenberger: Sitzgsb.
Prusria. S. 106.
Gross-Teuplitz s. I. Gräberfeld.
Grutschno und Topolno, Kr. Schwetz. Gräber-
felder. SlaT. Gräber v. Grutschno (800 bis
1200 n. Chr.); Skelette u. Schädel, Schläfen-
ringe, Bronze -Fingerringe, silb. Ring m.
Kreuz u. Blattverzier., Bracteat, Bronze-
dolchheft m. Dreieckverzier., Perlen et^^
— Glockenumen u. Bronzeume m. gebr.
Knoch. V. Topolno. (Anger): Nachr. H. 5,
S. 77-80. Abbn.
Guben. Gräber d. provinzialröm. Per. Thon-
gefäss m. Knoch., eis. Messer, Knochenkamm,
Messerschärfer, Feuerstein. — Flachmeissel
a. Feuerstein. — Rom. Münze (Ant. Pius).
Jentsch: Niederlaus. Mitth. H. 7/8, S. 867
bis 361. Abbn.
— Dreifächerige Dose, vogelart. Gebilde,.
Schüssel m. radialer Innenzeichnung, Bronze-
ringe, Hohlcelt a. Eis., Henkeltöpfchen m.
Lochomament v. d. Gräberfeld auf der
Chöneflur. Jentsch: Niederlaus. Mitth.
H. 7/8, S. ?61— 363. Abbn.
Gumbin, Kr. Stolp, Pomm. Ausgrabungen auf
dem Brandgruben- Gräberfelde d. vorröm.
Eisenzeit Urnen m. Beigef. u. Fibeln a.
Eis. u. Bronze, Schwert, Lanzen spitze etc.
Stubenrauch: Monatsblätter. Nr. 5, S. 69
bis 71. Schmidt (Graudenz): Ebenda
Nr. 8, 8. 118-116. Abbn.
Gunskirchen s. Salling.
Gunzenhausen, Bay. Limes-Uebergang über die
Altmühl - Niederung. Grenzversteinung n.
Gräbchen, Palissaden, Fundamentpfähle v.
Holzthürmen, Doppelpfahlreihe von zuge-
spitxten Pfählen (m. Flechtwerk?), Limea-
mauer m. Limesstrasse u. Furt, in Fels
gehauene Gräben m. Scherb., Bronze- u.
Eisensach. Eidam: Limesbl. Nr. 20, Sp. 667
bis 668. Plan. Abbu.
Gute Herberge, Kr. Danziger Höhe, Westpr.
Gesichtsurne m. Knoch., Bronzedraht u.
Glasperlen a. e. Steinkiste. Conwentz:
Ber. westpr. Mus. S. 87.
Hanov b. Mühlhausen, Bdhm. Steingräber,
Bronzekessel m. Asche, Deckel a. Kiefer-
ringen, Bronzedeckel, Quarzsteindeckel (Hall-
stattzeit). — Reste e. eis. Gef. u. Eisen-
gürtels, Thongefäss. HraSe: Mitth. Centr.
Comm. H. 8, S. 160.
Herzogenburg s. Getzersdorf.
Hesselbach-Lützelbach, Hess. (Limesstrecke).
Ausgrab, auf d. Odenwaldlinie. St«inthürme
u. Unterbauten t Holzthürme, Graben,
Palissadenzaun, Zwischen-Kastclle. 8 o 1 d a n ,
Anthes: Limesbl. Nr. 17, Sp. 464-483.
Plan.
Heyrothsberge, P. Sachs. S. L Urnen.
Hofheim a. Taunus. Rom. Rundschanze auf
60 —
d. Kapellenberge. Köm. u. vorgeschichtL
Gefässscherb., frühröm. Bronzefibel, Jadeit-
beü. Wolff: Limesbl. Nr. 20, Sp. 639— 548.
Plan.
Horst b. Buhnow, Kr. Regenwalde, Poiom.
solche. — Pferdebegr&bniss (11.-12. Jahrh.
n.Chr.). Hollack: Sitzgsb. Pmasia. S. 111
bis 114.
Kloin-Czyste, Kr. Kulm, Westpr. Yierffisa. Üme
u. and. Urnen a. e. Steinldste. (Titz),
Urnen m. Branderde a. Kohle. Bernhardt Conwentz: Ber. westpr. Mus. S. 42. Abbn.
Schmidt: Monatsbl&tter. Nr.7,S. 105— 106. i Klein-Petcrkau, Westpr. Bnrgwall auf e.
Brandgrabengrabm.Umenscherb. Derselbe I Insel im Deeper 8ee. Thonscherb., Eisen*
ebenda Nr. 8, 8. 118—119.
HradiStg, Böhm. Hügelgräber m. Steinsetz.
stück, eich. Pfahlrost. Gonwentz: B«r.
westpr. Mas. S. 49.
Uebergang zw. Hallstatt n. La Tene). Ge- | f Klein-Schöppenstedt, Braimschw. Schaftcelt
fasse, wen. Beig. a. Eis. u. Bronze. Bichl^: | a. Bronze (Paalstab). Grabowskj: Braun-
Mitth. anthr. Ges. Wien. Sitzgsb. Nr. 2, { schweig. Magazin. Bd. 1, Nr. 1, S. 7.
S. 34-86. JKöln. (Stephanstr.). Rom. Münzen d. spit
Hunzel b. Miehlen, P. Hess. Rdm. Kastell i Kaiser. Stedtfeld: K.-B. wd. Z. Nr. 6,
und bürgerl. Niederlass. Sigillatascherb., i Sp. 126—128.
Schleuderkugel^Münze. Bodewig: Limesbl. I — (Loxemborgerstr.). S. I. Römische Ana-
Nr. 20, Sp. 537—539. ' grabung«.
Königgrfttz s. Königinbof.
Jasmond s. Lietzow. j Königinhof u. Königgrfttz, Böhm. Funde yersch.
I Per. a. d. Umgeg. L. Schneider: Mitth.
Kaaso. Gefftsse m. Omam. d. Steinzeit. S. L Centr. Comm. H. 3, S. 159.
Gabener Kreis. Krftsem, Kr. West-Stemberg, Brand. Griber-
Kabelitz, Kr. Jerichow II, P. Sachs. Burg- < feld m. Aschenumen n. Beigef. t. Lausitzer
wall m. slav. Scherb. — Urnen m. Knoch., Typ.; Kinderklapper in Entenform; desgL
Beigef. u. Bronzebeigab. (Hart wich), in Flaschenform; Bronzestüoke, Bernstein-
Voss: Nachr. H. 6, S. 85— 89. Abbn. scheibe. Buchholz: Nachr. H. 1, 8. 14
KadinaYoda, Bosn. Wallanlage „Gradina' bis 16. Abbn.
Radmaniöi*. Mauerwerk, röm. u. prfthist. | Kralowitz, Böhm. La T^ne-Schwert. — Hügel-
Funde. S. I. Bosnien. | grftber. 1. M. Leichenbrand u. Gefftsaeo.
Kfimten. Röm. Inschriftsteine v. Kamburg, i 2. M. Bestattung, Gefftsaen, Ringen, Messer.
Maria-Saal u. Tom Magdalenenberg; Grab- Haumesser, Schwert a. Eis. (La Tene\
fund im Zollfelde. Häuser: Mitth. Centr. Bronzefibel m. Eisenachse, Glasperlen etc.
Comm. H. 3, 8. 166. Tal Franc: Mitth. anthr. Ges. Wien. Sitxgsb.
Kalsow b. Gamehl, Mekl. Wend. Wohngruben. Nr. 2, 8. 36—38.
Brandschichten m. Steinsetzungen n. Gefäss- Kunersdorf , Kr. Beeskow - Storkow, Brand.
scherb. Beltz: Nachr. H. 1, 8. 16. Steinbeil a. geschlag. Feuerstein. Baase:
Kaltem s. Montiggl. Yerh. BerL Ges. Anthr. (H. 2), 8. 128.
Karlsburg, Siebenbürg. Neue Funde a. d.
röm. Kolonie Apulum. (Legionsstempel, l^aktaii, Bosn. Kupferaxt, Bronzeannbaod,
Urnen, Thongefftss m. Zierrat u. Inschr., Thonwirtel (prfthist.) rom Römerbad. S. I.
Ära m. Inschr., Marmortafel m. Inschr. Bosnien.
Jung: Arch.-ep. Mitth. 8.69—70. Abb. Landau. Umcn, Beigef., Knochenwerkieoge
Kartschorina, Steiemik. Röm. Münzen, Ge- a. e. neolith. Grabe. H eur er : K.-B. deutsch,
fftsse a. Thon u. Terra sig., Stimziegel, Ges. Anthr. Nr. 11/12, 8. 156—157.
Fibeln u. Glöckchen a. Bronze y. d. ^ Adels- Langengrassau, Kr. Schweinitz, P.Sachs. Stetn-
berger Realität*. Kohaut: Mitth. Centr. klöppel m. Schftftungsrille. 8.1. Lausitz«>r
Comm. H. 2, S. 96. Abbn. Alterthümer.
Kieselwitz, Kr. Guben. Hügelgrftber m. Stein- Langenhain in Taunus. Hügelgrab m. Stein*
pack. Brandknochon, Scherben y. Thongef. setz. Feuersteinpfeilspitze, Dolch (Üt. Hall-
(u. A. Buckelume), Kammer m. Thongefftss. stattzeit) u. Nadel a. Bronze, Gefftssscherb.
Götze: Nachr. H. 5, S. 74— 75. Abbn. Ritterling: Ann. Ter. Nass. Alt S. 810
Klein-Blumenau, Kr. Fischhausen, Ostpr. Neue bis 312.
Grabungen auf d. Gräberfeld (2.-3. Jahrh. La Roche, Ct. Freiburg, Schweiz. Skelet m.
n. Chr.), Urnen ni. Beigab, a. Eis. u. ohue Skramasax u. Messer. — Merowingische
— 61 —
Goldmtnze. — Barg^d.Schwert. Reichlen:
Ans. Schweiz. Alt Nr. 8, S. 79—81.
La&ra, Bosn. Dolch n. Ziencheibe a. Bronze.
Eis. Lanzenspitze, Doppelmesser. S. I.
Bosnien.
Lanbst, Kr.Calan. BronzespiralfibeL Stephan:
Niederlans. Mitth. H. 7/8, S. 858— 866. Abbn.
Leitikan, P. Sachs. Urnen m. Beigab, a.
Bronze u. Eis., Glasperlen etc. (La Tene).
F. Baner: Nachr. H. 6, S. 88— 86. Abbn.
Leohain, Kr. Neustadt, Westpr. Steingrftber
(Eopca od. Grobe). Treichel: Yerh. Berl.
Ges. Anthr. (H. 6), S. 874—876. Abbn.
f Los Bachats b. Rodt, Kr. Saarbnrg, Lothr.
Yorgeschichtl. Wohnst&tte (Hütte r. Holz-
stftmmen) a. e. Torfschicht (Mare). Rom.
Doppelgefäss a. Bronze (Tma). t. Hammer-
stein: Jahrb. Ges. lothr. Gesch. VI, S. 810
bis 818.
Libau s. Schönfeld.
Lietzow a. Jasmnnd, Rügen. Nene Feuerstein-
werkstfttte. -Haas: Monatsblättter. Nr. 12,
S. 182-1S4.
Lützelbach s. Hesselbach.
Magdeburg s. Buckau.
Mainz. Rom. Soldatengrabsteine m. Inschr. —
Frühchristi. Grabschrift. Körb er: K.-B.
wd. Z. Nr. 8/9, Sp. 161—165. Meilensteine,
Kaiserinschrift, Alt&re, Sigillatastempel.
Ders. ebenda Nr. 10/11, Sp. 193—207.
— Rom. Altar m. Inschr. — Sigillata-Stempel.
S. L Römische Luschriften.
Meizza s. Pinguente.
Metz 8. Sablon.
Mewe s. Warmhot
Micheldorf, Ob^röst. Unfertiger Steinhammer,
Bohrzapfen, Spinnwirtel a. Thon. Stra-
berger: Mitth. Centr. Comm. H. 1, S. 94.
Abb.
Miehlen s. HunzeL
Mönchsrot, Bay. Pfahlreste vom rfttischen
Limes im Wömitzthale. Kohl: Limesbl.
Nr. 17, Sp. 483-488. Abb.
Mona8tero,Küsteuld. Grabsteine t. Genturionen.
Majonica: Mitth. Centr. Comm. H. 1, S.46
bis 48. Abbn.
Montiggl u. Kaltem, Tirol. Untersuch, d.
prfthist. Steinw&lle am Hohenbühel u. Joben-
büheL Tappeiner: Mitth. Centr. Comm.
H. 1, S. 10-12.
Mühlhausen (Böhm.) s. HanoT.
Muschau b. Nikolsburg, M&hr. Grab m.
Skelet u. Thongefässen. K r a s s n i g : Mitth.
Centr. Comm. H. 8, S. 160—161. Abbn.
Neuhaldensleben, P. Sachs. Herdst&tten m.
neoUth. Scherb., Knochen-, Hom- u. Stein-
geräthen. Weg euer: K.-B. Gesammtver.
Nr. 2/8, S. 27.
Nikolsburg s. Muschau.
Nugla, Istrien. Grabungen in d. Höhle „Pecina
jamapod ostriyrh.'' Asche, Stein- U.Knochen-
geräthe, Thierknoch., Schneckenschalen,
Gef&ssreste. Moser: Mitth. Centr. Comm.
H. 1, S. 44—46.
Oberlahnstein s. Branbach.
Oberscheidenthal, Bad. Grabungen am Kastell.
Mauern, Erdwohnungen, Baderaum, Gebftude
d. bürgerl. Ansiedl. etc. Schleuderkugeln
a. Sandstein. Schumacher: Limesbl.
Nr. 18, Sp. 501—603.
Oehringen, Württ. Grenzmarkiemng am Limes
u. röm. Strasse. Sixt: LimesbL Nr. 18,
Sp. 503-504.
Oels, Schles. Kelt Grab m. Skelet, Panzer-
hemd, Armringen, Schmucksach. a. Gold
u. Bronze. K.-B. Gesammtrer. Nr. 6/7, 8. 91.
Okarben, Hess. Neue Funde am Kastell u.
Auffind. d. Badgebftudes. Ziegelstempel,
Thongef. , Bronzesichel , Lanzenspitzen.
Wolff: Limesbl. Nr. 18. Sp. 489-492.
Osterburken, Bad. Holzthürme am Limes.
Schumacher: Limesbl. Nr. 19, Sp. 584
bis 535.
Papraöa, Bosn. Bronzedepotfund (Hohlcelt,
Lanzenspitze, Sicheln etc.) v. d. Ruin»
Peringrad. S. L Bosnien.
Pforzheim. Grabstfttte a. d. Reihengräberzeit.
Skeletreste u. Waffen. Bissinger: K.-B.
wd. Z. Nr. 12, Sp. 225.
Pinguente u. Meizza, Küstenld. Gräber m.
Ohrringen m. Tropfen od. Filigranarb.
(11. Jahrii.). (Gandusio): Mitth. Centr.
Comm. H. 1, S. 46. Abbn.
Pola, Küstenld. S. I. Röm. Alterthümer.
Polog, Bosn. Tumulus m. Steinkisten. S. L
Bosnien.
Postlin, Kr. Westpriegnitz, Brand. Brand-
gräberfeld d. jung, german. Zeit. Urnen,
wen. Beigef., Eis. Nadeln, Ringe u. Gürtel-
haken, Pincette a. Bronze, Bemsteinperle.
— Reste wend. Thonscherb. vom „Burg-
wall*. Buchholz: Nachr. H. 4, S. 57— 69.
Abbn.
Prenzlawitz, Kr. Graudenz, Westpr. Bronze-
Depotfund (Terrinengefäss, Trinkhömer).
Conwentz: Ber. westpr. Mus. S. 88—42».
Abbn.
- 62 —
Pulst, Kärnten. Grundmauern e. röm. Tempels,
Inschriftsteine, Säulenfragmente. — Bruchst.
e. Bronzefibel (La Tene) a. e. Qrabe.
Ha US er: Mitth. Centr. Comm. H. H, S. 164
bis 16«. Abbn. Taf.
Raben, Kr. Beizig, Brand. Gräber a. d.
2. Jabrh. n. Chr. Urne, Fibeln a. Bronze
u. Silb., Schlüsselschild, Schlossfeder u.
Beschlagstücke a. Eis., Knochenkamm etc.
L i s s a u e r : Y erh. Berl. Ges. Anthr. (EL 6),
S. 408-411.
Reichersdorf, Kr. Guben. Henkelgefftss m.
Lochomament. Jentsch: Niederlaus. Mitth.
H. 7/8, S. 864. Abb.
Retzin, Pomm. Steinzeitgrab m. Steinplatte,
Skeletten, Thonscherb., Feuersteinmeissel.
H. Schumann: Nachr. H. 6, S. 95—%.
Abbn.
Rodt s. Les Bachats.
Rominten, Ostpr. Skelet* u. Brandgräber (La
Tene). Urnen, Bronze- u. Eisensach. S. I.
Gräberfeld.
Rosenfelde, Kr. Regenwalde, Pomm. Kegel-
grab m. Urnen, Bronzegefäss, Halsschmuck
Y. Bronze. S. I. Tutuli.
Rottenburg, Württ Röm. Befestigungsanlage
(Steinum Wallung u. Erdwall). Herzog:
LimesbL Nr. 18, Sp. 510-613.
Rottweil, Württ. Ausgrab, im rOm. Lager.
Gebäude, Ziegelstempel, Münzen, Töpfer-
stempel, Scherb. Mettler: Limesbl. Nr. 18,
Sp. 518—516.
Rügen s. Lietzow.
Ruhnow s. Horst.
Rntzau, Westpr. Neue Funde aus d. Küchen-
abfaUhaufen d. Steinzeit. Conwentz: Ber.
westpr. Mus. S. 82.
iS^aaben, Kr. Preuss.-Stargard, Westpr. Stein-
kiste m. Urnen m. Knochenasche, Resten v.
Bronzeringen, Glasperlen. Conwentz: Ber.
westpr. Mus. S. 88.
Saarburg s. Sankt Ulrich.
t Sablon b. Metz. Röm. Ziegelplattengrab m.
Skelet, Urne u. Messer. Weitere Platten-
gräber u. Steinsärge. Kenne: Jahrb. Ges.
lothr. Gesch. VI, S. 827. VII, Hälfte 1,
S. 195-196.
Sadersdorf. Funde d. jung. La Tene -Zeit.
<,Fibeln). S. I. Gubeuer Kreis.
Sakuten s. Czutellen.
Siüling b. Gunskirchen, Oberöst Rom. Ziegel,
Thonplattcn, Gefässe. S trab erger: Mitth.
Centr. Comm. H. 2, S. 95.
San Canziano b. Triest. Nekropole a. d. Ueber-
gange zw. Bronzezeit zur ViUanovaperiode.
Bronzewaffen, Bogen- und Brillenfibeln.
(Marchesetti): Verh. BerL Ges. Anthr.
(H. 6), S. 584.
t Sankt Ulrich b. Saarburg, Lothr. Frink.
Gräber m. Schädeln u. Skeletresten, beinernen
Kämmen, Ringen, Haarnadel, röm. Mfinxen
u. s. w. Wichmann: Jahrb. Ges. lothr.
Gesch. VI, S. 815—816.
Sankt Vith s. Breitfeld.
Sanskimo8t(Bez.),Bo6n. Eisenhohlcelt,Bronie-
spiralarmbänder. — Bronzeschwert S. L
Bosnien.
Schlatt, Ct. Thurgau. Grabfund der Bronze-
zeit Nadeln, Doppelspiralhaken, Spangen.
Heierli: Anz. Schweiz. Alt 8.87—88. Taf.
Schieitheim, Ct Schaff hausen. Rom. Gold*
münze (Germanicus). Anz. Schweift. AH.
Nr. 2, S. 70.
Schleswig. Arab. Münzen (900 n. Chr.'.
Mestorf: Mikth. Schlesw.-Holst S. 14.
— s. Schuby.
t Schönfeld b. Libau, Bez. Bromberg. Stein-
kistengräber. Skelet, Schale, Schmucksach.;
Urnen m. Knoch. Schuckert: Jahrbuch d.
bist Ges. f. d. Netzedistrikt zu Bromber?.
1895, S. 51—58.
Schroda s. W^gierskie.
t Schuby b. Schleswig. Grabhügel b. Decker-
krug. Schalensteine; Eicbenholzschicbt
Bronze • Armring; Skelette, Steingeritbe,
Scherb. — Grabhügel an der Treeae-
niederung. Skeletreste, Steingeräthe, Broaie-
sach., Reste e. Ledergürtels m. Bronzecelt,
Thongefässe. Splieth: Mitth. Schkw.-
Holst S. 18-80. Abbn.
Sindlingen, P. Hess. Urnen, Waff., Schmoek-
sach. etc. aus d., Frankengräbem. Prihiit.
Bl. Nr. 8, S. 45.
Sitten 8. TourbiUon.
Soböice, Ger.-Bez. HoHc, Böhm. Eis. Speer-
spitze u Fibel d.Mittel-LaTene-Zeit Gefätt-
scherb. d. Kultur d. schles. Umenfelder o. iUt.
Scherb. L.Schneider: Mitth. Centr. Comm.
H. 8, S. 159-160. Abbn.
Solothum. Bronzedelphin (Henkel) Ton dfr
Scharlmatte (Röm. Villa). Anz. Schwor.
Alt. Nr. 2, 8. 70.
Stammham a. Inn, Baj. Halsschmnck i. Bronze-
ringe) d. Bronzezeit Schmid: Monat— rhr.
Oberbay. Nr. 8, S. 42—44. AbU
Stendsitz, Kr. Karthaua, Westpr. Hügelgrib«
d. ftlt Bronzezeit Gefissscherb., Knochen-
reste, Armbänder u. Ring a« Bronze. ( Lak t -
y
- 63 —
witB), Conwentz: Ber. westpr. Mus. 8.B4
bis 85. Abbn.
Stockheim, B.-A. üindelheim, Baj. Bronze-
schwort, wahrsch. a. e. Hügelgrabe. A.
Schröder: Prähist BL Nr. 4, S. 67— 59.
Taf.
Stockstadt, Baj. Badgebände d. Kastells.
Ziegelstempel, Skulpturen, Funde a. Eis.,
Bronze, Enoch., Glas. Conradj: Limesbl.
Nr. 17, Sp. 457-464. Plan.
Stradow, Kr. Kalau, Brand. Urnen u. Bei-
gefässe z. T. m. Buckeln, Bronzenadel, v. e.
Brandgr&berfelde der Hallstattzeit. Söke-
land: Yerh. BerL Ges. Anthr. (H. 4), S. 291
bis 292. Abb.
Straupitz, Kr. Lübben. Eisenfnnd d. proYinzial-
röm. Per. (Scheeren, Messer, Messerschftrfer,
Äxte, Lanzenspitzen). Wein eck: Nieder-
laus. Mitth. H. 7/8, S. 822-350. Abbn. Vor-
geschichtl. Wohnstätten. D e r s. ebenda S. 850
bis 352.
Strega. Gefässe m. Omam. d. Steinzeit. S. I.
Gubener Kreis.
Strellenthin, Kr. Lauenburg, Pomm. Steinkiste
m. Urnen. Gesichtsume m. Bronzeohrringen
in den Ohren; and. Urnen m. Bronzeringen
und Ohrgehänge. Schmidt (Graudenz):
Monatsblätter Nr. 8, S. 116—117. Abbn.
Suczawa u. Uidesci, Bukowina. Yorgesch.
Ansiedlungen ; Thon- u. Glasscherb. etc.
Bomstorfer: Mitth. Centr. Comm. H. 2,
S. 111—112.
Sulz, Württ. Rom. Kastell. Münzen, GreCässe
a. Thon u. Terra sig., Stempel. Herzog:
Limesbl. Nr. 19, Sp. 536—586.
Tarquinpol s. I. DecempagL
Teplitz s. Briesen.
Thale a. H. Hügelgrab m. Umenscherb. (Nach-
bestatt.), Steinsetz. m. Umenscherb. (Nach-
bestatt.), Brandstellen, lieg. Hockerskelett
m. Beigefäss unter Steinpack. (Ursprüngl.
Begräbniss). Nolte: Z. Hanverein. S. 298
bis 306. Abbn. Höfer: Ebenda S. 306.
Tharau, Ostpr. Urnen ra. Knoch. u. Bronze-
resten (jung. Bronzezeit), v. Gzihak:
Sitzgsb. Prussia. S. 105—106.
Topolno s. Grutschno.
TourbiUonb.Sitten, Schweiz. Kupferinstrument,
Muschelarmband, Kohlen- u. Aschenreste.
Reber: Anz. Schweiz. Alt Nr. 2, S. 34
bis 37. Taf.
Trier. Gallo -röm. Yotivdenkmal. Lehner:
K.-B. wd. Z. Nr. 2, Sp. 33-49.
Trier. Weiheinschrift an Mars Intarabus.
Lehner: K.-B. wd.Z. Nr. 6, Sp. 121—126.
Köm. Steindenkmal m. Reliefs. Christi. Grab-
inschriften. Ders. ebenda Nr. 12, Sp. 225
bis 228.
Triest s. San Canziano.
I Uidesci s. Suczawa.
'Uttenthal, Oberöst Skelette; Kupferplatte
(Reihengräber der Yölkerwanderungszeit?).
S trab erger: Mitth. Centr. Comm. H. 2,
S. 94-95.
Telburg, Oberpfalz. König-Otto-Höhle: Thier-
u. Menschenknoch., Holzkohlen, Spirale u.
Nadel a. Bronze. Felsnische b. St. Wolf-
gang; Thier- u. Menschenknoch., Kohlen,
Topfscherb., Feuersteinabfälle, Bronzenadel,
Pfriemen a. Knoch., Wetzstein. Schlosser:
K.-B. deutsch. Ges. Anthr. Nr. 8, S. 19—24.
Yiehof, Kr. Labiau, Ostpr. Weitere Unter-
such, d. gemischt-periodischen Gräberfeldes.
Eisenwaffen, Steigbügel, Trensen, Bronze-
schnallen, Bronzeknauf^ Umenscherb. (11. bis
12. Jahrh. n. Chr.). Hol lack: Sitzgsb.
Prussia. S. 114—116. Abb.
Iirachenzell, Ifittelfranken. Untersuch, d.
Hügelgräber I— lY. Skeletreste, Urnen,
Schmucksach. u. Dolchklinge a. Bronze.
Prähist. BL Nr. 6, S. 93-94.
Wandlitz, Kr. Nieder-Bamim, Brand. Hügel-
grab. Steinkiste m. Gefässscherben. Grüfte
m. Steinpflaster, darin Urnen m. Leichen-
brand, Bronzedraht. H. B u s s e : Yerh. Berl.
Ges. Anthr. (H. 4), S. 286-288. Abbn.
Warmhof b.Mewe, Westpr. Gemischtes Gräber-
feld d. alt. Eisenzeit. Ümengräber m. versch.
Bronzebeigab.; Brandgruben m. Beigab, a.
Eis. u. Bronze, Spinn wirtein, Knochen-
kämmen, Glas- u. Emailperlen; Skeletgräber
m. Beigab, a. Eis., Bronze, Gold u. Silb.
(Kumm;, Conwentz: Ber. westpr. Mus.
S. 44-45. Abb.
Wattendorf, Oberfrauk. Grabstätte d. jung.
Hallstattieit. Skelette, Bronze- u. Eisenfunde,
Köberlin: Prähist BL Nr. 3, S. 88-89.
W^gierskie b. Schroda, Pos. Schädel unbest
Alters. Köhler, Yirchow: Yerh.BerLGes.
Anthr. (H. 6), S. 691—592.
Wels, Oberöst. Meilenstein d. Maximinus
Thraz. Nowotny: Ifitth. Centr. Comm.
H. 1, S. 1—4. Abb.
— 64 -
Wels, Oberöst. (Yorstadtplatz). Rdm. Bronze-
fibel n. and. Metallgerätiie, Scherb., Mfrnien,
Ziegel, Mauerreste. t. B e n a k : Mitth. Centr.
Comm. H. 3, S. 162. Abb.
— 8. Aschet
Welzheim, Württ Wachtthnrm, Ziegelofen,
Zwischenkastell Ebnisee, Grenzabsteinung
am Kastell Welzheim, Thürme, Zwischen-
kastell Rötelsee. Sixt: Limesbl. Kr. 18,
Sp. 504—609.
Wiedikon, Ct Zürich. Kelt Grab m. Schmuck-
sach, a. Bronze u. violetten Glasperlen.
Anz. Schweiz. Alt. Nr. 2, S. 71.
Wiesbaden. Beste der Umfassungsmauer e.
Yorflay. Kastells auf d. Heidenberg. Gefftss-
scherb., Fibel u. Sonde a. Bronze. Ritter-
ling: Limesbl Nr. 19, Sp. 521—526.
— Neolith. Wohnplätze (Mardellen). Gefäss-
scherb., Bruchstücke t. Mahlsteinen u. Stein-
werkzeugen etc. Pallat: Ann. Yer. Nass.
Alt. S. 848-846.
Wiessen, Böhm. Umengr&ber m. Leichenbrand
u. Thongef. t. gemischtem Typ. r. Wein-
zierl: Prähist Bl. Nr. 2, S.25— 27. Abbn.
Wildenan, Sachs. Ueidn. Opferstein. S. I.
Opferstein.
Wilhering s. FaU.
Wilkieten, Kr. Memel, Ostpr. Bronze- u. Eisen-
sach, a. d. Gräberfeld. S. L Gräberfeld.
Willendorf, Niederöst PalaeoUth. Fundstelle
im Löss. Mammnthknoch., Schlagsteine,
Klopfsteine. L. H. Fischer: Mitth. anthr.
Qea, Wien. Sitzgsb. Nr. 1, S. 18—16. Abbn.
Wilmersdorf, Kr. Beeskow- Storkow, Brand.
Urnen m. Beigef. u. Beigaben a. Bronze
(Angelhaken, Armband, Pfeilspitze, Ringe,
Nadel) u. Stein (Dioritbeil)'a. d. Umenfelde.
Busse: Yerh. Berl. Ges. Anthr. (H. 2), 8. 126
bis 128. Abbn.
Worms. Neolith. Grabfeld auf d. Rhein-
gewann. Skeletreste, Schädel, Geftsse^
Geräthe u. Waff. a. Stein, Muschelschmock,
Armringe a. Stein, Getreidemühlen, Thier-
knoch. Koehl: Nachr. H.l, ai— 2. Abb.
H. 4, S. 69-64. H. 5, S. 65-69. K.-B.
deutsch. Ges. Anthr. Nr. 10, S. 127^182.
Vgl. L Neolithische Gefftsse. Koenen:
Rhein. Geschblr. Jahrg. 2, Nr. 8, 8. 250
bis 255.
— Rom. Gräberfeld „am Bollwerk"* (1897^.
Steinsarkophage u. Holzsärge, z. Th. m.
Skeletten in Gjps, Gefässen, Münzen etc. —
Gräber d. Grabfeldes ^am Schildweg*;
Kindergrab m. Spielsach. a. Glas u. Thon,
Franengrab m. Gefässen (Trinkbecher m.
Inschr. etc) u. MetaUbeigab. Koehl: Nachr.
H. 6, S. 89—92.
— Neue Gräberfunde in Maria - Hfinster.
(4. Jahrii. n. Chr.). Stein- a. Holsaärge^
Skelette, Schmucksach. (gold. Nadel m.
herald. Adler), Gef&sse a. Glas, Thon o.
Terra sig., Münzen. (Koehl): K.-B. wd. Z.
Nr. 6, Sp. 116-118.
Zeipen-Gerge, Kr. Memel, Ostpr. Gräberfeld
(zerstört). Bezzenberger: Sitzgsb. Pmssia.
S. 107—108.
Zermatt, Schweiz. YorgeschichtL Skulpturen-
steine auf dem Hubelwängen. Reber: Ant.
Schweiz. Alt Nr. 3, S. 74-77. Abbn.
Zöschingen, Baj. Untersuch, d. Hügelgräber
X-XIII (vgl. den rorjähr. Bericht). Hoch-
äcker. Trichtergruben. Benz: Prähist. BL
Nr. 6, S. 72—77. Tat
(Schlass folgt)
Abgeschlossen im Jali 1897.
Ergäntttügsbiatter zar Zeitschrift fttr Ethnologie.
Nachrichten ttßer deutsche Alterthnmsfnnde.
Mit Unterstützung des Königlich Preuss. Ministeriums
der geistlichen, Unterrichts- nnd Medicinal- Angelegenheiten
heraosgegeben von der
Berliner Gesellschaft fftr Anthropologie, Ethnologie nnd Urgeschichte
unter Redaction Ton
R. Yirchow und A. Voss.
Achter Jahrg. 1897. Verlag von A. ASHBB & Co. in Berlin, i Heft 5.
Bibliographische Uebersicht Über deutsche Alterthumsfiinde
für das Jahr 1896.
Bearbeitet von Dr. F. Moewes in Berlin.
(Schluss.)
Geographische Uebersicht
Deutsches Reich.
Prenssen. Kieselwitz, Kräsem, Kunersdorf, Laubst,
Ostprcussen: I. Gräberfeld, kurische Nch- . Postlin, Raben, Reichersdorf, Sadersdorf,
rung, Ostprcussen, Steinkistengräber. II. | Stradow, Straupitz, 8trega,Wandlitz,Wilmers-
Czutellen, Frauenburg, Gross- Steegen, Klein- i dorf.
BInmenau, Rominten, Tharau, Viehof, Wil-
kieten, Zoipen-Gerge.
Westpreussen: I. Burgwälle, Gefäss der
Steinzeit, Gesichtsumen, Gräberfelder, Haus-
Schlesien: I. Gräber. II. Oels.
Sachsen: I. Eisen, Gräberfeld, Haus- und
Gesichtiiumen, Lausitzer Altertbümer, Urnen,
Umenfeld. II. Buckau, Eisleben, Heyroths-
forschung, Hügelgräber, Skeletgräber. II. berge, Kabelitz, Langengrassau, Leitzkau,
Alt-Lobitz, Bendargau, Fersenau, Grutschno, Neuhaldensleben, Thale.
Gute Herberge, Klein Czyste, Klein Peterkau, Westfalen: I. Bielefeld, Gräfte, Heidentempel.
Lcohain, Prenzlawitz, Rutzau, Saaben, Rheinprovinz: I. Baumaterial, Bonn, Ge-
Stendsitz, Warmhof. fässkunde. Germanische Begräbnissstätten,
Posen: I. Feuerstein-Schlagstätten, Kupfer- | Üigantenreiter, Grabdenkmäler, Legionsfolge,
axt, Schläfenringe, Urne. II. Schönfeld,
Wfgierskie.
Pommern: I. Burgwälle, Denarfnnd, Gold-
gefasse, Pommern, Stein-Alterthümer, Stral-
sund, Thongefässe, Tatuli, Urne. IL Bublitz,
Fährhof, Gumbin, Horst, Lietzow, Retzin,
Rosenfelde, Strellcnthin.
Brandenburg: I. Bargwälle, Fensterume,
Gräberfeld, Gubener Kreis, Hacksilberfunde,
Lansitzer Alterthümer, Provinzialrömische
Funde, Rundwall, Schulzenhammcr, Schloss-
berg, Urnenfeld. IL Atterwasch, Branden-
burg, Dannewitz, Erkner, Freesdorf, Gehren,
Gralow, Gross-Teuplitz, Guben, Kaasow,
Muscographie, Römische Bananlage, Römi-
sche Gräber, Römische Münzen, Trier,Vetera.
IL Arzheim, Breitfeld, Duisburg, Köln, Trier.
Schleswig-Holstein: I. Bronzemesser,
Eiscnalter, Hacksilberfan de, Hausforschung,
Jadeitaxt, Steinkammergrab, Steinzeit IL
Gross-Dunsum, Schleswig, Schuby.
Hannover: I. Bohlwegsuntersuchungen,
Osterberg, Varuslager.
Hessen: I. Museographie, Pyxis, Römische
Denare, Römische Münzen, Terra sigillata.
n. Braubach, Frankfurt, Hofheim, Hunzel,
Langenhain, Oberlahnstein, Sindlingen, Wies-
baden.
5
— 66 —
Sactaseo.
I. Brandwall, Opferstein. II. Wildenaa.
Bayern.
I. Befestigungen, Donarkult, Grabhügel, Grab-
hügelfunde, Hausforschung, Heidenburg,
Heidenmauer, Hohlringe, Limesforschung,
Museographie, , Neolithische Funde, Pfalz,
Komische Ansiodlung, Römische Brand-
gräber, Romische Strasse, Runeninschrift,
Schädel, Schanze, Skeletgräber, Wallburgen.
II. Gunzenhausen, Landau, Mönchsrot,
Stammham, Stockheim, Stockstadt, Yelbnrg,
Wachenzell, Wattendorf.
Württemberg.
I. Alemannische Gräber, Limesforschung,
Museographie , Regenbogenschüsselchen,
Römische Denksteine, Römische Inschriften.
II. Bühl, Geisslingen, Gmünd, Oehringen,
Rottenburg, Rottweil, Sulz, Welzheim.
Baden.
I. Alsengemme, Germanische Waffen, Limes-
forschung, Museographie, Neolithische Funde,
Römische Meierhöfe. II. Oberscheidenthal,
Osterbuiken, Pforzheim.
Hessen.
I. La Tene-Funde, Limesforschung, Mainz.
Museographie, Neolithische Gefässe, Rhein-
hessen, Römische Inschriften, Strassen. IL
Hesselbach, Mainz, Okarben, Worms.
Meklenbnrg.
L Bronzezeit, Meklenburg, Suiten. II. Ealsow.
Yersehledene Staaten-
Oldenburg: I. Bolilwegsuntersuchungen«
Museographie. II. Dienstweiler.
Thüringische Staaten: I. Feuersteinwerk-
stättc, Wallburgen.
Braunschweig: I. Braun schweig, Kupfer-
celt. II. Beierstedt, Elein-Schöppenstcdt.
Anhalt: I. Bronxe*Depotfund.
Elsass-Lotbringen.
I. Argentaria, Decempagi, Herapel, Mithraeunu
Museographie, Römisches Felsrelief, Rom.
Inschrift, Römischer Meilenstein, Römischi*
Strasse, Römische Thonfiguren, Römisch*^
Villa, Rundwall. II. Les Bachats. Sablon.
Sankt Ulrich, TarquiopoL
Oesterreich-Ungarn.
Allgemeines: I. Oesterreich.
Niederösterreich: I. Neolithische Thon-
gefässreste, Tumuli, Tutatio. IL Deutsch-
Altenburg, Getzersdorf, Willendorf.
Oberösterreich: I. Hallstatt. IL Aschet,
Fall, Micheldorf, Salling, Uttenthal, Wels.
Salzburg: L Kupferbergwerk.
Steiermark: I. Pettauer Antiken, Poetovio.
IL Kartschovina.
Kärnten. IL Kärnten, Pulst.
Krain: I. Hügelgräber. IL Brezje.
Küstenland: I. Höhlen, Liburaien, Mosaik-
brunnen, Pola, Römische Inschriften. II.
Albona, Monastero, Nugla, Pinguente, Pola,
San Canziano.
Tirol u. Vorarlberg: I. Blasen, Brigantium.
IL Montiggl.
Böhmen: I. Anthropophagie, Böhmen, Bud-
wcis, Gräberfeld, Handwerkzeuge, Kupfor-
beile, Neolithische Keramik. II. Brieson«
Öaslau, Dobrichow, Drobovic, Hanor, Hra-
distö, Königinhof, Kralowitz, Sobifi<*o,
Wiessen.
Mähren: I. Kupferbeile, Mähren, Neolithi-
sche Thongefassreste. IL Bistrzits, Dobr«»!-
kowitz. Eisgrub, Gaya, Muschau.
Galizien: I. Hansforschnng.
Bukovina: IL Suczawa.
Dalmatien: I. Dulmatien, Schläfenring«^
Ungarn: I. Zinkguss. IL Karlsbnrg.
Bosnien u. Hercegovina: I. Bogcnßbolii.
Bosnien, Bronzehehn. Debelo brdo, Domaria.
(vlasinac, Gradina Öungar, Münzen, Rötn.
Mystfrioorelief, Thonsch<^rben, Tumuli, Wal' -
bauton. IL Busova^a, Dolnji-Vrtoöe, Drvar,
Golubir, Gradar, Grahovo. Kadinav«»«l;i.
Laktasi, Lasva, Papra^a, Polog, Sanskim<
Kl«
Schweiz.
I. Museographie, Römischer Altar, Römische , Engelberer, Fehraltorf, La Roche, Schlatr,
Gobäudereste, Skulptureudeiikmäler, Waadt Schieitheim, Solothurn,Tourbillon,Wi«»dik<>n .
und Wallis. II. Avenchos, Baden, Bern, | Zeriiiatt.
— 67 —
Yerzeichniss der Schriftsteller und der Beobachter.
Andree: L Eupfercelt
ADger: II. Grutschno.
Anthes: II. Hesselbach.
Back: IL Dienstweil «r.
Bahrfeldt: I. Denarfand.
Baier: I. Goldgeftoe, Stralsund, Thongefftsse.
Bancalari: I. Haasforschung.
Bartels: ]. Kupferbergwerk, Thonscherben.
Bauer: I. Urnen. II. Leitzkau.
Beck: I. Mainz.
Becker: I. Haus- und Gesichtsumen.
Behla: I. Lausitzer Alterthümer.
Beltz: I. Bronzezeit, Meklenburg. IL Kalsow.
T. Benak: 11. Aschet, Wels.
Benkert: I. Heidentempel.
Bezzenberger: I. Gräberfeld. 11. Gross-
Steegen, Zeipen-Gerge.
Bissinger: IL Pforzheim.
Bodewig: II. Braubach, Hunzel.
Bdtticher: IL Frauenburg.
Bonnet: II. Duisburg.
Braun: I. Römische If&nzen.
Brnchmann: I. Steinzeit.
Buchholz: I. Hacksilberfunde. IL Erftsem,
PostUn.
Büsching: I. Umonfeld.
Busse: I. Burgwälle. II Dannewitz, Erkner,
Kunersdorf, Wandlitz, Wihnersdort
y. Campi: I. Bogenspannring.
äermäk: IL Öaslau, Drobovic.
Christ: L Medros.
Gonradj: IL Stockstedt.
Oonwontz: I. Burgwälle, Gef&ss d. Steinzeit,
Gesichtsumen, Skeletgräber. IL Alt-Lobitz,
Fersenau, Gute Herberge, Klein - Czyste,
Klein Peterkau, Prenzlawitz, Rutzau, Saaben,
Stendsitz, Warmhof.
T. Czihak: IL Tharan.
Donner v. Richter: I. Pyxis.
Donsbach: IL Breitfeld.
Dorr: I. Gräberfelder.
Dragendorff: I. Gefasskunde, Terra sigiUata-
Gefasse.
JBidam: IL Gunzenhausen.
Piala: I. Bosnien, Debelo brdo, Glasinac,
Wallbauten.
Fink: I. Schanze.
Fischer: IL Willendorf.
Florschatz: I. Kultusstätten.
Franc: 11. Kralowitz.
C^andusio: IL Pinguente.
Götze: I. Bronze-Depotfund, Feuersteinwerk-
stätte, Urne, Wallburgen, Kieselwitz.
Grabowskj: IL Klein-Schöppenstedt
Gurlitt: I. Pcttauer Antiken, Poetoyio.
Haas: IL Lietzow.
Hacke: I. Osterberg.
Hamm: Yaruslager.
Hamm er an: I. Limesforschung.
V. Hammerstein: U. Les Bachats.
Hampel: I. Kupferzeit
Harster: I. Pfalz.
Hart wich: II. Kabelitz.
Hang: I. Epona, Limesforschnng.
Haus er: IL Kärnten, Pulst
Haus er (Zürich): I. Römische Gebäudereste.
Heger: I. Oesterreich.
Heierli: IL Schlatt.
Helm: I. ThongeHUse.
Herrenschneider: I. Argentaria.
Herzog: IL Rottenburg, Sulz.
Hetttter: I. Gefasskunde.
H eurer: I. Gräberfeld. IL Landau.
Hejdeck: I. Steinkistengräber.
Hinrichs: I. Römische Strasse.
Höfer: L Eisen. IL Thale.
Hoernes: I. Blasen, Bogenfibeln.
Hollack: I. Gräberfeld, kurische Nehrung.
n. Czutellen, Klein Blumenau, Viehof.
Hrase: IL Hanov.
Hub er: L HerapeL
Ihm: I. Grabdenkmäler, keltische Flussgott-
heiten.
Jelinek: I. Böhmen.
Jenny: I. Brigantium, Poetovio.
Jentsch: I. Fensterume, Gefässe, Gräberfeld,
Gubenor Kreis, Provinzialrömische Funde,
Rundwall, Wellenlinien. IL Att erwasch,
Guben, Reichersdorf.
Jung: IL Karlsburg.
Kaindl: I. Hansforschung.
Kasser: IL Bern.
Keane: I. Medros, Mithraeum, Römische In-
schrift, Römische Inschriften, Römischer
Meilenstein, Segelschiffe. IL Sablon.
Klein: I. Bonn, Römische Bauanlagen.
Knoke: I. Moorbrücken, Yaruslager.
Köberlin: IL Wattendorf.
Koehl: I. Neolithische Gefässe, Rheinhessen.
IL Worms.
5*
— 68 —
K 0 e h 1 e r : I. Bildwerke, Feuerstein - Schlag- Piper; I. Buckelquadem.
Stätten, Schläfenringe, Steine m. Fussspurcn. ; v. Platen-Venz: I. Stein-Altcrtömer.
II. Wfgierskie. j Plattner: I. Bohlwegsuntersachnngen.
Koenen: I. Baumaterial, Fränkische Kunst-; Pohl: II. Frauenburg.
weise, Gefässkunde, Legionsfolge, Römische j Popp: I. Wallburgen.
Gräber. II. Worms. IPrägek: IL Dobrichow.
Körb er: I. Römische Inschriften. IL Mainz. Prejawa: I. Bohiwcgsuntersuchnngen.
Kofier: I. Limesforschnng, Strassen.
Kohaut: IL Kartschovina. i^uilling: L Römische Münzen, Terra sigil-
Kohl: L Limesforschung. IL Mönchsrot. ^^^*' ^erra sigillata-Fabrikation.
Kossinna: L La Tene-Funde. Bademacher: L Germanische Begräbnis-
Krassnig: IL Muschau. statten.
Krause, E.: L Gräberfeld. Radimsk^: L Bosnien, Domavia, Gradin*
Krause, L.: L Suiten. Öungar, Tumuli, Wallbauten.
Krenckel: IL Brandenburg. | Ranke: L Mensch, NeoÜthische Funde.
KriX: IL Gaya. , Reb er: L Skulpturendenkmäler, IL Tourbillon,
Kumm: IL Warmhof. Zermatt.
Kuthe: L La Tene-Funde. iReichlcn: IL La Roche.
l.akowitz: L Hügelgräber. IL Stcndsitz. 1»«^««^^^: I- Schläfenringe, Skcletgräber,
Laube: IL Briescn. i Skjthische Altertümer.
Lehner: L Gigantenreiter, Trier. IL Trier, j ^>^'^^^' ^' Böhmen, Handwerkzeuge, Kupfer-
Lemke: L Ostpreussen \ ^<^»1«- "• Hradi§tö.
Lindner: L Budweis. Ritterling: L Römische Denare, Römische
Lissauer: IL Raben. Münzen. IL Langenhain, Wiesbaden.
' Romstorfer: IL Suczawa.
Majonica: I. Römische Inschriften IL Rutar: I. Hügelgräber.
Monastero.
Makowsky: L Mähren. Schütz: IL Breitfeld.
Marchcsetti: IL San Canziano. Schlosser: IL Velburg.
Matiegka: L Anthropophagie. , Schmid, W. M.: L Donarkult, Gesichtsnmen.
Mayr: I. Römische Ansiedlung. ! IL SUmmham.
Mehlis: L Befestigungen, Heidenburg, Pfalz, ' ^«^"^^^(I^^'i^i"?^"^' I. Komische Denksteine.
Runeninschrift. Schmidt, B: IL Horst. - • -
Mestorf: L Bronzemesser, Eisenalter, Hack- 1 Schmidt (Graudenz): IL Gumbin, Strellen-
silberfunde, Jadeitaxt. IL Schleswig. ' *"'°'
Mettler: IL Rottweil Schneider, A.: L Römischer Altar.
Michaelis: L Römisches Felsrelief. -Schneider, J.: L Baumaterial, Vetera.
Moser: L Höhlen. IL Nugla. Schneider, L.: IL Königinhof, Sobi^ice.
Mothes: L Opferstein i Schröder: IL Stockheim.
I Schuchhardt: I. Varuslager:
Kaef: L Waadt. ;Schuckert: IL Schönfeld.
Naue: L Grabhügel, Grabhügclfunde, Schädel, jv. Schulenburg: L Gräber, Hausforschung,
Nohring: IL Buckau. , Schulzenhammer.
Nestle: L Römische Inschriften. Schumacher: Germanische Waffen. Lime.«-
Nolto: IL Thale. , forschung. Römische Meierhöfe. IL Ober-
Nowalski de Lilia: IL Deutsch-Altenburg, i scheidenthal, Osterburken.
Nowotny: 1. Körperteile, Liburnien, Rom. I Schumann: L Pommern. IL Retzin.
Mysterienrclief. IL Wels. ! Schuster: L Römische Strasse
Ohlenschlager: I. Limesforschung, Pfalz.
Schwartz: I. ürnenfeld.
Seyler: I. Burgen, Limesforschung.
Pallat: IL Wiesbaden. iSixt: IL Oehringen, Welzheim.
Patsch: I. Dalmaticn. jSökeland: I. Alsengemme. IL Stradow.
Paulus: I. Rundwall. { Soldan: I. Limesforschung. IL Hesselbach.
Peönik: I. Hügelgräber. Splieth: I. Steinkammergrab. IL Gross-
Philippsen: IL Gross-] )unsum. [ Dunsum, Schuby.
— 69 —
Stedtfeld: IL Köln. Voges: I. Braunschweig. IL Beierstedt
Steimle: IL Gmünd. Voss: L Lausitzer Alterthümer. Il.üobrichow,
Steinmetz: L Hohlringe. Kabelitz.
Stephan: IL Lanbst.
Sticotti: 1. Liburnien. Wagner: L Alemannische Gr&ber, Neolithi-
V. Stoltzenberg: I. Gräfte. sehe Funde. IL Bühl, Geisslingen.
Straberger: L Tutatio. IL Fall, Michel- Walcker: I. Regenbogenschüsselchen.
dorf, SallinjT, üttenthal. Waldner: L Argentaria.
Stubenrauch: I. Burgwälle, Tutuli, Urne. Woeren: I. Kupferait.
II. Bublitz, Gumbin. Weg euer: I. Umenfeld. IL Ncuhaldens-
Szombathj: I. Neolithische Thongefässreste, leben
TumuU. Wein eck: IL Straupitz.
T««..^,'«^». TT \f««f;.,«i V. Weinzier 1: I. Neolithische KeramiL IL
appeiner: IL Montiggl.
Titz: IL Klein Czyste. i T,r • r"' , r ,> , xr *,.
Traeger: L Hausforschung. I Weisshäupl: I. Pola. n. Albona.
Treichel: L Burgw&lle, Hausforschung, Wi- Wichmann: L Decempagi Römische Thon-
kingerschiffe. IL Bendargau, Leohain. J?;"'°^^^o^t ^?^
y. Tröltsch: I. Pfahlbauten. ' Wilbrand: L Bielefeld.
Truhelka: L Bronzehelm, Münzen. i Z'\Y/'\1 Römische Brandgräber
Wolff: IL Prankfurt, Hof heim, Okarben.
VanSk: 11. Dobrichow. 1
Virchow: L Brandwall, Gräberfeld, Pfalz, Ziegler: L Grabhügel.
Schädel, Schlossberg, Zinkguss. IL Do-' Bündel: IL Getzersdorf.
brichow, W^gierskie,
Bericht Über die Verwaltung des Provincialmuseums zu Bonn
in der Zeit vom I. April 1896 bis 31. März 1897.
Die Unternehmungen des hiesigen ProTincialmuseums coneentrirten sich diesmal
hnoptsächlich auf die Aufdeckung des Röraerlagers bei Neuss, welche dank der
reichlichen Bewilligungen Seitens der Museumscommission und des Provincial-
Ausschusses beträchtlich gefordert werden konnte. Zunächst wurde in dem nord-
östlichen Theile des Lagers die ron der via principalis zum Nordthore führende
Strasse auf deren ganzer Länge ron etwa 140 m durch Querschnitte untersucht,
welche feststellten, dass der mittlere Damm der Strasse an der Sohle aus festge-
stampftem Lehm bestand, über dem mehrere Kieslagen aufgetragen waren, und dass
ihre Gesammtbreite etwa 14 m betrug. Eine zweite, den Decimanus rechtwinklig
schneidende Strasse von 6 m Breite wurde 106 m südlich von der Umfassungsmauer
festgestellt, nebst der sie begleitenden, 49 cm im Lichten breiten Rinne, deren
Sohle aus Ziegelplatten und deren Wände aus Tuff hergestellt waren; alsdann das
Intervallum durch Quergräben in seiner Breite von etwa 29 m mit dem in seinem
Rücken angebrachten, in den früheren Berichten erwähnten Abschlusscanal ermittelt
und die Umfassungsmauer der Nordflanke auf eine Länge von 79 m blossgelegt.
Ein dabei gefundenes Stück des Aufbaues ergab, dass derselbe über dem 1,20 m
breiten, aus Rheingeächiebe und Lehm bestehenden Fundamente aus behauenen
Tufifsteinquadem von 30 t m Höhe und 60 cm Breite gebildet war, welche durch
Eisenklammem mit einander verbunden waren. Ebenso fand die Frage, ob auch
an der Nordseite ein Umfassungsgraben vorhanden war oder der Rhein hier diesen
Zweck erfüllte, ihre Lösung, indem das Vorhandensein eines solchen ermittelt
wurde, dessen Profil jedoch wegen der hier in der französischen Zeit angelegten
— 70 —
Ziegelöfen zerstört war. Wichtig war die Feststellung des Nordthores, bei
dem eine ältere und eine jüngere Anlage beobachtet wurde. Die ältere Anlage,
welche von den äusseren Mauerkanten gemessen eine Breite von 29 V, m bei
einer Tiefe von etwa 13 V, m hatte, zeigte einen von dem östlichen Theil der
Umfassungsmauer nach innen gehenden bogenförmigen, etwa 1,15 m starken Mauer-
arm, dem vielleicht auf der anderen Seite ein gleicher Arm entsprach. Ein in
der Mitte aufgedecktes Mauerfundament bewies, dass der Thordurchgang getheilt
war. Auf den fast bis zur Fundamentsohle ausgebrochenen Theilen dieser älteren
Thoranlage war ohne Benutzung ihrer Mauern die jtlngere von 26'/$ ^ Breite und
15 m Tiefe errichtet mit zwei 2,90 m breiten, durch mächtige Pfeiler getrennten
Thoröffnungen, die an jeder Seite durch einen Thurm von 15:9m Seitenlänge
flankirt waren. Während die Fundamente des älteren Thores aus Tuff bestanden,
bildete Sandstein das Material bei ' dem jüngeren Thore, an dessen Stelle im Aufbau
Tuff und in den ornamentalen Theilen Jurakalk getreten zu sein scheint In einem
Abstände von 57]^ ▼or der Umfassungsmauer kam ein etwa 8,70m langes Fundament
zum Vorschein, mit rechtwinklig abgehenden Seitenmauem, welche in ihrem Ver-
laufe durch die oben erwähnten Ziegeleien zerstört waren, so dass der Grundnss
unaufgeklärt bleiben musste. Indem die Grabungen nun sich dem Innern des
nordöstlichen Lagertheils zuwandten, wurden zunächst zwischen der zum Nordthor
führenden Strasse und dem Intervallum die Fundamente eines grossen Baues von
78 y, : 66 m Seitenlänge freigelegt, der einen inneren Hof mit einer Sänlenstellnng
auf allen 4 Seiten umschloss, um den sich 13,32 m tiefe Räume herumzogen. Die
Aussenseite der Manem war mit 60 cm breiten Pfeilern versehen. Von der MiUe
der Nordseite führte ein Canal das Abflusswasser des offenen Hofes in den grossen
Canal des Intervallums ab. Auf den Fundamentresten dieses Baues, welcher nach
der Analogie ähnlicher Anlagen als ein Horreum anzusehen ist, ist in späterer Zeit
ein anderes Magazin mit einem etwa 64 m langen und 21,10 m breiten, von Säulen
eingefassten Binnenhofe errichtet worden, den an allen Seiten Räume von 7,70 bis
8,50 m Tiefe umgeben. An beiden Seiten der Mauern, welche 1,20 m stark waren,
befanden sich in Abständen von 3 7« — 4 m Wandpfeiler von 1,48 m Breite und
70 cm Tiefe. Die östlichen Theile dieses jüngeren Baues bedeckten ausser den
Resten des älteren Horreum noch einen dieses östlich begrenzenden Weg und der
grössten Theil von zwei an diesem Weg liegenden Casemen. Dieselben gehören
zu einer Gruppe von vier kleineren, 35,20 — 35,70 m langen und 18,30 m breiten
Casemen, welche durchschnittlich 14 Räume verschiedener Grösse enthielten.
Ihre schmalen Grundmauern waren aus Schiefer und Grauwacke errichtet, während
für den Aufbau Tuff verwendet war. Beide Casemen werden durch eine schmale
Gasse getrennt, während eine zweite, an ihrer östlichen Langseite vorbeilaufende
Gasse sie von einer dritten Caserne scheidet, welche zwar die Beschaffenheit der
früher blossgelegten Cohorten-Casernen hatte, aber wegen ihrer geringen Dimen-
sionen nur Raum für eine Centurie bot Dadurch wurde das wichtige Ei^gebniss
gewonnen, dass in der Nordostecke des Lagers bloss 6 Centurien, also gerade eine
Cohorte, lagerten. Südlich von dem späteren Horreum wurde dann ein Colossalban
aufgefunden, welcher sich als die Badeanlage des Lagers erwies. Mit Rücksicht auf
die grossen Kosten, welche die Freilegung der Fundamente wegen ihrer grosaen
Tieflage verarsacht haben würde, beschränkten sich die Grabungen auf die Fest-
stellung der Breite des Gebäudes, welche 88,80 m beträgt, und die Aufdeckung
einzelner Theile, z. B. zweier grosser Säle mit halbkreisförmigen Anbanleo,
welche mit Ziegel-Estrich versehen waren. In dem östlichen Theile wurde &n
Ofen von 5,50 : 6 m Seitenlänge blossgelegt mit dem Praefurniuro, über dem in
— 71 —
höherer Lage ein Heizcana} von 18 cm lichter Breite und 20 cm lichter Höhe an-
getroffen wurde. Die Wände desselben waren mit Tuffstein, die Sohle und die
Abdeckung aus Ziegeln mit dem Stempel EX6ERINF hergestellt, was für die
Zeitbestimmung der Badeanlage von Bedeutung ist. Aus einem 20 m langen und
^ Va ^i breiten Gemach der Südostecke der Anlage, welches durch einen 2,90 m
breiten Gang nördlich von einem über 25 m langen und 15,30 m breiten Saale
getrennt wurde, kam ein in westlicher Richtung verlaufender, sorgfältig aus Tuff-
stein gearbeiteter Abflusscanal von 60 cm lichter Höhe und 40 cm lichter Breite,
dessen Sohle und Wände mit Ziegelplatten verkleidet waren.
Westlich von der zu dem Nordthor führenden Strasse wurden Theile von zwei
durch eine Quergasse getrennten Bauten aufgedeckt: zunächst nördlich von der Gasse
die Ostseite eines 78,50 m langen Gebäudes, dessen Tiefe bis zu 20 m verfolgt
werden konnte. Ein 4,44 m breiter Eingang in der Mitte führte zu einem 41 m
breiten Mittelraume, an den sich rechts und links 17 m breite Räume anschlössen,
lieber die Eintheilung dieses, sowie eines zweiten, südlich von der Quergasse an-
getroffenen grösseren Gebäudes können erst weitere Grabungen genaueren Ab-
schluss bringen.
Die im Spätherbst in dem südlich von der Cölner Chaussee gelegenen Lagertheile
vorgenommenen Grabungen stellten die Beschaffenheit der via quintana, des Inter-
vallum, der Umfassungsmauer auf dieser Strecke, sowie das Vorhandensein eines
3,20 m tiefen und 3 m breiten Thurmes an derselben fest Von Gebäuden, welche
ermittelt wurden, sind zu nennen die Rückseiten von 6 Casernen von 11,50 m
Breite, deren Vordertheile bereits bei früheren Grabungen blossgelegt worden waren,
femer nördlich von der via quintana und östlich von den erwähnten Casernen
ein grosser Bau von 89,20 : 50 m Seitenlänge mit einem Hof, um den sich zwei
Reihen durch 5 m breite Gänge geschiedener Zimmer gruppiren Ein Theil dieses
Gebäudes, über dessen Bestimmung die Fortsetzung der Grabungen auf dem
Nachbargrundstuck Aufklärung bringen kann, ist durch den Umfassungsgraben der
Westecke des späteren Alen-Lagers zerstört worden. Auch dieser Graben, welcher,
wie die Lagerecke selbst, abgerundet war, wurde durch Grabungen als ein doppelter
Spitzgraben bestimmt, während von der Umfassungsmauer des Alen-Lagers geringe
Spuren ermittelt wurden. Südlich von der via quintana wurden ferner die Hinterthcile
von vier Centurien-Casernen ausgegraben, welche dieselbe Einrichtung, wie die
früher aufgedeckten Casernen, hatten. Dieselbe Beschaffenheit ergaben auch drei
an der Südflanke aufgedeckte Centurien-Casernen, deren völlige Offenlegung für die
Bestimmung der hier lagernden Truppenmassc von Wichtigkeit war. Oestlich von
den eben genannten Centurien-Casernen wurden an der via quintana Theile von
zwei grossen, anscheinend in naher Beziehung zu einander stehenden Gebäuden
freigelegt, von denen das eine 59 tu, das andere 77,70 m Länge hat. Die Fest-
stellung der Breite und des Grundrisses im Einzelnen muss von weiteren
Grabungen erwartet werden. Nach den aufgefundenen starken Brandschichten und
Eisenschlacken dürften diese Gebäude Arbeitszwecken gedient haben. Unter überaus
schwierigen Verhältnissen erfolgten endlich Grabungen in den Gärten der an der Süd-
seite der Cölner Chaussee gelegenen Häuser, welche den Zweck hatten, die Grösse
des Praetoriums festzustellen. Die östliche Abschlussmauer des Praetoriums wurde
gefunden und seine ganze Breite auf 88,80 m, also auf genau 3(K)0 römische Fuss
festgestellt, ferner die dasselbe begrenzende östliche Seitenstrasse, sowie die Nord-
grenze der hinter dem Praetorium liegenden Bauten nebst der an ihr vorbeiführenden
Gasse ermittelt.
— 72 —
Das Ergebniss der Grabungen, welche Hr. Geheimrat Professor Nissen
leitete, war auch diesmal an Einzelfanden ein reiches. Unter den Fundstücken
(10508—10757. 10789—10883. 10901—10960. 11139—11235. 11326 bis
11361. 11372—11436), deren Zahl sich auf 597 Nummern belauft, sind ausser
vielen Stirnziegeln, mit figürlichen Darstellungen gestempelten Ziegeln, omamentirten
Architecturstücken, Waffen, Henkeln, Griffen, Bcschlagstücken, chirurgischen In-
strumenten und Münzen besonders hervorzuheben: aus Bronze ein Fint^ning mit
Genune, auf der Hercules mit der Keule dargestellt ist (10 612), zwölf Zicrkni^pfe
(11 333), eine versilberte Zierscheibe (10 882), eine emaillirte Scheibenfibula (10 881),
ein emaillirter Messergriff (10 883), ein Würfel mit Augen in gelbem und blauem
Email (10 613), eine hübsche Pincette (10 611), eine offene Lampe (11326), ein
Schiebschlüssel (10 691), ferner Gussformen für Bronzeornamente nebst Schmelz-
tiegel (11 231—11 234. 11 344— 11 345), sowie mehrere Inschriftfragraente (10 817
bis 10 823). —
Bei Weitersburg, unweit Bendorf, wurde im Spätherbst von der Reichs-
Limes-Gommission ein grösserer Gebäudecomplex entdeckt, dessen weitere Unter-
suchung von dem Museum auf seine Rosten übernommen wurde. Die bis Ende
October, soweit die Felder zugänglich wtiren, fortgesetzten Ausgrabungen ergaben
ein etwa 62 m langes ländliches Gehöfte mit Wohn- und Wirthschaftsräumen,
welches ausser einer Kelleranlage mit Nischen in allen vier Wänden und einem
mit Hypocaustum ausgestatteten B^ume nichts Ausserge wohnliches bot. Die Aus-
grabung stand unter der örtlichen Leitung des Herrn Dr. Ritterling. Die Ver-
öffentlichung der Resultate wird nach ihrer Vollendung erfolgen. Unter den
Fundstücken sind ein Schälchen (11072) und der Halbdeckel eines Gefasses aus
Bronze (11076) hervorzuheben. —
Innerhalb des römischen Lagers bei Bonn wurden bei den Fundamentirungs-
arbeiten für den Neubau einer Brauerei an der Nordstrasse Theile eines bedeutenden
Bauwerks gefunden, welche deshalb besonderes Interesse erregten, weil sie sich
unmittelbar an bereits früher auf dem Nachbargrundstück gefundene Mauerzüge
anschliessen. Der aufgedeckte Theil enthielt zu beiden Seiten eines Mittelganges
eine Reihe kleiner Räume, von denen die nördlichen nach Norden, die südlichen
nach Süden sich öffneten. Die Nordseite der ganzen Baugruppe war durch eine
Stellung von abwechselnd grossen und kleinen Pfeilern begrenzt, welche auf einen
ausgedehnten offenen Binnenhof hindeuten. Die Ausgrabungen wurden vom Museum
beobachtet und von Hrn. Stadtbaurath Schulze aulgenommen. Von den ins
Museum gelangten Fundstücken (10 993 — 11 016) ist namentlich ein Messergriff au»
Bronze in Gestalt eines Pferdekopfes (11007) zu nennen. Die Veröffentlichung
des Grundrisses erfolgt in dem in Druck befindlichen Jahrbuch 101 des hiesigen
Alterthumsvereins.
An mehreren Seminarconferenzen hielt der Unterzeichnete auch in dem ab-
gelaufenen Jahre Vorträge archäologischen Inhaltes und erklärte mehreren wissen-
schaftlichen Vereinen der Provinz die Alterthümer des Provincialmuseums.
Der Museumsdireeior
Klein.
— 73 —
Bericht Über die Thätigkeit des Provincialmuseums in der 2eit
vom I. April 1896 bis 31. März 1897.
Im Terflossenen Etatsjahre wurden nur in Trier selbst Ausgrabungen unter-
nommen, welche über yerschiedene wichtige Einzelheiten der römischen Topo-
graphie von Trier interessante Aufschlüsse brachten.
Westlich von den Ruinen des römischen Raiserpalastes, und zwar ziemlich
ge^iau in der Hauptachse dieses Gebäudes, wurde innerhalb des vermuthlich
ursprünglich zum Raiserpalast gehörigen Bezirkes bei Fundamentarbeiten für Neu-
bauten an der Agnetenkaserne ein römisches Badegebäude aufgefunden. Dank
dem Entgegenkommen der Garnison Verwaltung konnte das Museum die Anlage vor
der durch die Neubauten noth wendigen Zerstörung genau untersuchen und auf-
messen. Auch wurden wohlgelungene photographische Aufnahmen von der Ge-
sammtanlage und von verschiedenen Einzelheiten gemacht. Vollständig freigelegt
wurde der noch vortrefflich erhaltene Plattenboden des Auskleideraumes, aus
welchem man nach Norden und nach Süden durch kleine Treppen in je ein eben-
falls wohlerhaltenes Badebassin gelangte. Die beiden Bassins waren rechteckig
und von dicken Mauern umschlossen, die nach der Innenseite mit weissen Marmor-
platten verkleidet waren; auch der Boden zeigte einen Belag theils aus Marmor-,
theils aus weissen Kalksteinplatten. Die Platten, von denen sich noch eine Menge
ansehnlicher Bruchstücke fanden, waren mit langen Bronzestiften befestigt. Mehr
als ein Dutzend dieser Stifte werden im Museum aufbewahrt. Bleiröhren führten
das verbrauchte Wasser aus den beiden Bassins in zwei Canäle, welche unter dem
Boden des Auskleideraumes sich zu einem Canal vereinigten, der in der Richtung
nach Westen sich geradlinig fortsetzte. Während nun im Südwesten des Aus-
kleideraumes nur noch ein heizbarer Raum festgestellt werden konnte, da moderne
Gebäude dort der weiteren Untersuchung Halt geboten, setzt sich die Anlage nach
Osten, also nach dem Raiserpalast zu, noch weiter fort. Aus dem Auskleideraum
nehmlich trat man durch eine 1,70 m breite Thür, deren Schwelle noch erhalten
wnr, in ein heizbares Zimmer von 7:5m lichter Weite, in dessen östlicher
Wand zwei Präfurnien (Heizcanäle) angebracht waren. Eine 2 m weite Thür führt
alsdann in ein östlich anstossendes, anscheinend noch etwas geräumigeres Zimmer,
welches noch nicht untersucht ist Besonders wichtig ist, dass aus zahlreich ge-
fundenen Münzen, welche theils in den Abzugscanälen, theils in den Zimmern
1^^^") JA sogar in den Mörtel des einen Bassins festgebacken waren, und welche
sämmtlich der Zeit der sogenannten 30 Tyrannen angehören, sich mit Wahr-
scheinlichkeit die Erbauungszeit des Bades ergiebt Bestimmbar sind bisher je
ein Rleinerz des Pianonius Yictorinus und des Tetricus, sowie drei Rleinerze des
Claudius Gothicus. Zu den wichtigeren Einzelfunden gehört ein Ziegel mit dem
Stempel der XXII. Legion, in Trier bekanntlich eine grosse Seltenheit (21 034).
Dieses, allem Anscheine nach der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts angehörige
Badegebäude ist nun theilweisc über und neben den Resten eines älteren Bades
erbaut, wie die weitere Untersuchung im Südosten ergab. Dieses ältere B^d, von
dem bisher nur ein ziemlich kleines Bassin und ein daran anstossendes Zimmer
gefunden wurden, dürfte, nach den darin gefundenen Gefässscherben zu urtheilen,
der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr. angehören. Es wurde durch
Brand zerstört. Der Wasserabzugskanal des jüngeren Bades läuft quer über die
beiden bisher gefundenen Räume des älteren Bades weg und ist auf dessen Brand-
schutt errichtet. Die Fortsetzung der Ausgrabung gegen den Raiserpalast hin
wird alsbald beginnen; man darf hoffen, dass sich noch mit Sicherheit ergeben
— 74 —
wird, ob der Kaiserpalast mit dem jüngeren Bade zasammenhängt oder einer
anderen Periode angehört. —
Ueber die bisherigen Resultate der Ausgrabung der römischen Stadt-
befestigung von Trier ist durch den Unterzeichneten in der Westdeutschen
Zeitschrift XV, 1896, S. 211 ff. eingehend berichtet worden. Die Fortsetzung der
Grabungen im verflossenen Jahre hatte im Wesentlichen folgende Resultate.
Zunächst wurde die bisher noch wenig untersuchte Strecke nördlich rom Amphi-
theater in Angriff genommen. Der allgemeine Lauf der Mauer auf dieser Strecke«
die Bergstrasse entlang, war schon durch mehrere feste Punkte bekannt, doch war
hier namentlich noch kein einziger Thurm entdeckt worden. Wir fanden alsbald
einen solchen etwa 200 m nördlich vom Nordausgange des Amphitheaters in der
Nähe des Scbtltzenhauses. Obwohl nur im Fundament erhalten, liess er sich noch
genau messen ; es war ein Rundthurm von 8,63 m äusserem Durchmesser. Elr stimmt
also in Grösse imd Anlage mit den übrigen schon entdeckten Thürmen überein.
Die Versuche, von diesem Thurm aus auf den im Süden der Stadt ermittelten
Distanzen weitere Thürnie zu finden, waren bisher noch nicht erfolgreich; indessen
lässt sich jetzt schon sagen, dass die Thürme auf dieser Strecke jedenfalls nicht
enger gestanden haben, als auf der Südseite der Stadt. Die Breite des Stadt-
mauerfundamentes beträgt an dieser Stelle 3,63 m. Reste des rothen Fugenrer-
putzes wurden im Schutt gefanden, auch "ein Mörtelbrocken mit dem Abdruck
einer genagelten Schuhsohle (20 924). An einer Stelle lagen etwa 200 römische
Falschmünzformen aus Thon (20 660—20 852) haufenweise im Schutt —
Sehr wichtig war die Untersuchung einer etwa 90 m südlich vom Thunne
gelegenen Stelle der Stadtmauer, wo dieselbe früheren Beobachtungen zufolge
von der aus dem Ruwerthal kommenden römischen Wasserleitung durch-
schnitten werden musste. In der That fand sich auch der Schnittpunkt der einen
erhaltenen Kante der Wasserleitung mit der Aussenseite der Stadtmauer. In sehr
spitzem Winkel trifft das Grünsteinmauerwerk des Canals auf die Rnlksteinver-
kleidung der Stadtmauer, deren Steine an der Schnittstelle deutlich mit Rücksicht
auf die Wasserleitung abgeschrägt sind. Dieser Umstand führte za der Vermuthnng,
dass mit dem Bau der Stadtmauer auf die schon vorhandene Wasserleitung Rück-
sicht genommen werden musste, dass also die Wasserleitung älter sei, als die
Stadtmauer Um dieser, für die Chronologie wichtigen Frage noch weiter nach-
zugehen, wurde nunmehr ein langes Stück der Wasserleitung gegen den Petersberg
hin verfolgt, da man erwarten durfte, aus der Art, wie die Wasserleitung den
römischen Festungsgraben durchquerte, weitere Anhaltspunkte für das zeitliche
Verhältniss der beiden Anlagen zu einander zu bekommen. Wenn es nun auch
vorderhand noch nicht gelungen ist, zu einem abschliessenden E^rgebniss zu ge-
langen, so hatte die Grabung doch wichtige Resultate. — Der vorzugsweise ans
Grünstein erbaute Wasserleitungscanal hat 74 cm lichte Weite und 87 em lichte
Höhe. Im Innern mit dickem Wasserbeton verkleidet, zeigt er in den Fugen die
charakteristischen Mörtelwulste (Viertelrundstäbe). Aussen reicht das Hauerwerk
vom Gewölbeansatz 1,37 m weit in die Tiefe, die Dicke des Canalbodena betragt
also 50 cm. Oben ist der Ganal rundbogig überwölbt. Das Fundament ruht stellen-
weise, wo es der weiche, nasse Grund nöthig machte, auf einem Pfahlrost, dessen
Pfostenlöcher an einer Stelle noch deutlich erhalten sind. Sehr merkwürdig uad
noch nicht genügend erklärt ist die Erscheinung, dass der Canal auf der einen
Seite von einer langen Reihe mächtiger Kalk- und Sandsteinquadem begleitet ist,
welche augenscheinlich den Zweck der Festigung der einen Canalwand hatten.
— 75 —
Da diese Festigung gerade an demjenigen Theile des Canals angebracht ist,
welcher vermuthlich durch den Graben geführt hat, so ist es möglich, dass hierin
die Erklärung der auffallenden Erscheinung zu suchen ist; doch kann, bevor ein
gesichertes Grabenprofil an der Stelle ermittelt ist, noch nichts Bestimmteres hier-
über gesagt werden. Der Lauf der Wasserleitung wurde auf etwa 100 m durch
die Ausgrabungen festgestellt; sie ist an einigen Stellen dieser Strecke noch sehr
gut erhalten, an anderen dagegen fast spurlos verschwunden. —
Ganz neuerdings wurde der ebenfalls noch wenig untersuchte Theil der Be-
festigung östlich von der porta nigra an der Bahnhof-, bczw. Cbristophstrasse in
Augriff genommen. Zunächst stellte sich heraus, dass auch auf dieser Strecke das
Stadtmauerfundament die übliche Breite von etwa 3,50 m hut. Dann gelang es,
einen Theil des aufgehenden Mauerwerks zu finden, welcher, genau wie bei der
Südmauer, eine vierschichtige Dossirung, die Verkleidung des Schieferbruchmauer-
werks mit sauber zugerichteten Kalksteinen und deutliche Spuren des auch sonst
beobachteten rothen Fugen verputzes zeigte, so dass die Gleichartigkeit dieses
Mauertheils mit den übrigen vollständig gesichert ist. Etwa 100 m von der porta
nigra fand sich in allerletzter Zeit ein Thurm, der allem Anschein nach dieselbe
Beschaffenheit hat, wie die übrigen ThUrme Mit seiner Preilegung wird fort-
gefahren. —
Eine günstige Gelegenheit zur weiteren Untersuchung des nördlichen
römischen Gräberfeldes von Trier bot sich gerade gegenüber der porta nigra
auf der anderen Seite der Nordallee, wo die Pundamentgrube für ein grosses
Hotel ausgeschachtet wurde. Es fanden sich 31 römische Urnengräber des ersten
und zweiten Jahrhunderts, welche sämmtlich unter Aufsicht der Museumsdirection
gehoben und genau verzeichnet wurden. Dank dem Entgegeiikommen des Besitzers,
Hrn. Kühl wein, war es möglich, fünf von den Gräbern, die' besonders wichtig
sind, weil sie Münzen enthielten, für das Museum zu erwerben. Es sind die
Nummern des Inventars: 21 041 mit 4 Mittelerzen der Antonia Augusta und des
Tiberius; 21 042 mit 2 Mittelerzen des Tiberius; 21 043 mit einem Kleinerz des
Caligula vom Jahre 40 (Ch. 7); 21 044 mit einem Mittelerz des Traian und 21 045
mit einem Mittelerz des Nero. — Es wurde femer beobachtet, dass das Gräberfeld
nur bis etwa 60 m zur porta nigra erhalten ist, dagegen näher zur porta nigra
immer tiefer werdenden Schuttschichten Platz macht: eine Erscheinung, die man
mit Wahrscheinlichkeit der Anlage des römischen Pestungsgrabens zuschreiben darf.
üeber die auf der anderen Seite des Grabens dicht an der porta nigra
gefundene Portsetzung des Gräberfeldes ist bereits im vorjährigen Berichte ge-
handelt worden. —
Unter den Erwerbungen des Museums, welche sich insgesammt auf
038 Nummern belaufen, ist Folgendes hervorzuheben:
Römische Abtheilung.
I. Steindenkmäler. Inschriften: Weihe-Inschrift an den Gott Mars Inta-
rabus, gef. in Trier-Löwenbrücken (21 040, besprochen im Correspondenzblatt der
Westd. Zeitschrift XV, 1896, Nr. 39). Abguss der berühmten Ehren- und Dank-
inschrift der Civitas Treverornm an die XXII. Legion, gef. in Mainz (20483, s.
Westd. Ztschr. XV, 1896, S. 260). Zwei christliche Grabinschriften des Agricius
und der Rusticula, gef. in Maximin bei Trier (2o446 und 20 544, besprochen im
Corrbl. XV, 1896, Nr. 87 b und c).
— 76 —
Scnlptur- und Architectnrstücke: Wohlerhaltener Kopf ans weissem
Marmor, darstellend einen lockigen Knaben mit Lorbeerkranz, gef. in Trier an
der Agnetenkaserne (21 0'<8). Dreiseitig sculpirter Block von einem grösseren
Denkmal, darstellend : Apollo und Daphne, den delphischen Dreifossraub und einen
früchtenaschenden Eros, gef. in Trier an der Agnetenkaserne (20 616, s. Corrbl. XV,
1896, Nr. 87 a); Kopf aus Metzer Kalkstein, darstellend einen bärtigen, älteren
Mann mit verhülltem Hinterhaupt, vielleicht einen Priester' gef in Trier (20 600).
Bekränzter Kopf eines bärtigen Gottes, aus Sandstein, vielleicht von einer Gmppe
des Reiters mit dem Giganten, mit mehreren kleinen Sculpturfragmenten in Dud-
weiler bei Saarbrücken gefunden (20 612). Abguss der Epona-Statue des Saarbrücker
Museums (20 484, abgeb. Westd. Ztschr. XIV, 1895, S. 397). — Kleines, feinver-
ziertes Capitell ans weissem Marmor (20 466), ein sehr schön erhaltenes Composita-
Oapitell aus Kalkstein (20 465) und mehrere Bruchstücke sogenannter toscanischer
Säulen aus Sandstein (20 467—20 470), sämmtlich in Trier gefunden.
II. Grabfunde. Ein ürnengrab, bestehend aus einer Urne mit Schuppen-
verzierung, zwei Sigillataschalen, einem Henkelkrug und einem vortrefflich erhaltenen
bläulichen Glasbecher mit der gegossenen Darstellung von vier Wagenlenkem mit
ihren Quadrigen, sowie einer Uasenhetze; am oberen Rande des Glases stehen
die Namen der Wagenlcnker (21 (K)8 — 21013); gef. bei Jacobs-Knopp an der
Strasse Mürlenbach-Schönecken (Eifel). Die fünf durch Münzen datirten Urnen-
Gräber (21 041 — 45), welche schon oben erwähnt sind, aus dem nördl. Gräberfeld
von Trier. Mehrere ürnengräber aus Gusenburg (bei Hermeskeil); in einem befand
sich eine emaillirte Fibel (20 631—40). Der Inhalt eines Sarkophaggrabes, be-
stehend aus drei vorzüglich erhaltenen Henkelflaschen aus Glas, von denen eine
mit einem Glasfaden umsponnen ist, zwei schwarzen Thonbechem mit Aufschriften
^bibe^ und ^dos^, eitiem schwarzen und einem grauen Becher ohne Aufschrift
fnd einem Sigillatanäpfchen, gef. in Maximin bei Trier (20 545—52, s. Corrbl. XV,
896, Nr. 876). —
In der Woche nach Pfingsten wurde, wie alljährlich, der archäologische
Feriencursus für westdeutsche Gymnasiallehrer durch Hm. Professor Hettner
und den Unterzeichneten abgehalten. Ausserdem hielt der Unterzeichnete archäo-
logische Vorträge im wissenschaftlichen Verein und in der Gesellschaft für nütz-
liche Forschungen und erklärte den Schülern mehrerer Oberklassen hiesiger und
auswärtiger Gymnasien das Museum und die römischen Bauten von Trier.
Der Museumsdirector.
I. V.
Dr. Lehner.
Funde auf dem langobardisch-säohsischen Friedhofe bei NienbOttel
(Kreis Uelzen).
(Vorgelegt in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft vom 19. Juni 1S97.;
Ungefähr 300 m südlich von Nienbüttel liegt am Fasse des Haarstorfer Heid*
bergs, im Lande des Gutsbesitzers Meyer- Nienbüttel, eine sanfte Bodenerhebung.
Auf dieser befindet sich ein lango bardisch-sächsischer Friedhof, der von S. nach
N. etwa 135 Schritt lang und von 0. nach W. etwa 100 Schritt breit ist Jetil
ist er Ackerland. Früher war er mit Heide und Gras bewachsen und von einem
Graben umgeben. An verschiedenen Stellen standen auf dem Friedhofe mächtig«
— 77 —
Felsblöcke, die aber im LaaTe der Jahre su Bäaser- und Strassenbau verwandt
worden. Bin^ um den Friedhof lagen alte Feldscbläge von 8,50 m Breite und
nicht mehr featzostellender Länge parallel neben einander.
Die Verbrennung der Todten fand in der Haarstorrer Feldmark, etwa COO m
SSW. vom Friedhofe, auf dem Baienkampe (= Verbrennnngsplatz) statt Dieser Platz
liegt auf einem Analänfer des Baarstorfer Bergea, ttn dessen Abhänge sich ein
kleiner Saropf und eine Quelle befinden. Noch vor einigen Jahren lagen dort
Holzkohlen schichten von (1,50 — 1,50 m Dicke, zwischen denen auch einige Topf-
Bcberben, die denen des Friedbofs glichen, gefunden wurden.
Die Urnen standen anf dem Friedhofe fast an der Oberfläche der Erde etwa
1 — 3 ni von einander entfernt, besassen keinen Deckel und waren mit verbrannten
Menscbenkoochen geflillt. Viele dieser Urnen sind schon von wissenschaftlicher
Seite anagegraben, aber in keinem in der Nähe liegenden Museum zu ßnden. —
Der Rest ist vom Pfluge zerstört.
Fast alle Urnen bestanden ans gut geschlemmten und gut gebranntem Thon,
der mit mehr oder weniger grobem Sande vermischt war; nur einige waren ans
Bronze. Die Farbe der Thonurnen war dunkelbraun oder schwarz, die Oberfläche
glatt und durch Punkt-, Strich-, Streifen- und Tupf-Ornamente verziert Der Rand
war verdickt und etwas nach aussen umgebogen. Der Boden war klein und die
Oeffnnng weit. Die grösste Weite lag fast immer über der Mitte der Höhe. Henkel,
Henkclhuckcl und Hcnkelwülste besassen nur wenige. Die Henkel befanden sieb
stets am Rande, waren senkrecht gestellt und sehr klein, so dass sie sieb nur
zum Durchziehen einer Schnur oder zum Durchstecken eines Fingers eigneten.
Fiz. 1.
Im Jahre 1896 wurde an der Südseite des Friedhofs noch eine Schale, Fig. I,
ausgepDUgt. Sie war mit den verbrannten Knochen eines grösseren Kindes gefüllt
und besieht aus Bronze, die mit schöner grtlner Patina überzogen ist und an ver-
sehiedcncn Stellen noch das gelbe Metall durchschimmern lüsst. Der Boden ist
wenig gewölbt. Ihre grösste Weite betrügt 24,25 em, ihre kleinste Weite 22,5 cm,
ihre Rundweite 24,1 cni, die Höhe der prösstea Weite 2,a ti«, die pj_ g i.
der kleinsten Weite 5,4 ctn und die Randhöhe 5,8 cm. Der Rand
selbst besteht aus einem 14 — I6>n'» breiten, horizontalen, bronzenen
Blechatreifen. Fast an dessen Mitte setzt sich die Wand des
Gefässcs an, wie Fig. 2 zeigt. Auf dem Rande befinden sich QucKchuilt
zu beiden Seiten des Griffes eingeschlagene Verzierungen, Fig. 3 j^,^ Scbalc"
a und l>. Der Griff ist oben hohl, und dicht am Rande der
Schale mit einem Mcissel itbgGSchlngen, so dnss man ihn auf den ersten Blick für
einen Auslas hält. Das Abschlagen des GrifTes geschah wohl deshalb, nm die
Schale besser mit einem Tuche oder mit Leder zubinden zu können.
Im Laufe der letzten Jahre wurden noch rol^^cnde Gegenstände gefunden:
Fig. 4. Eine auf der vorderen Seite mit eingeschlagenen Figuren Toriicrtc
bronzene Schnnlle. Sie besteht aus dem Hügel a, dem Dome b und dem Beschlag-
bleche c. Alle drei Theile lassen sich um den SchDallenstift d drehen. Die
Schnalle selbst ist 3,5 c» breit und .3,3 cm lang. Üas Besclilagblech ist li,6 rm
lang, 2,5 cm breit und ausserdem oben roch Li »im nach hinten nm den Schnallen-
79
atift umgeschlagen and an drei Stellen für die Domöhse und die Bligelöhse dnrcn-
brochen. Der umgeschlagene Theil ist mit dem vorderen durch zwei Stitte ver-
bunden, so dasB zwischen beiden Blechen ein Biiam von 1 mm Tllr die Dicke des
Leders bleibt Die unteren beiden Stifte — ein Still Tehlt — verbanden hinten
das ßescblagblecb mit einem 21 mm langen und 6 mm breiten bronzenen Blech e.
Der mittlere Stifl scheint das Beschlagblech hinten mit einer runden bronzenen
Platte verbunden zu haben.
Fig. 5, Eine kleinere, an der vorderen Seite durch eingeschlagene Fignren
verzierte, bronzene Schnalle. Ihr Bchnallenstin ist an der Aossenseite des Bügels
umgeschlagen, so dasa sich der Bügel nicht am den Stift drehen kann. Das Be-
schlagblech ist unter den beiden oberen Stiften abgebrochen. Seine Länge betrügt
4,8 cm und seine Breite 1,9 cm. Nach hinten ist es 1,3 cm lang am den Schnallen*
Stift umgeschlagen und durch die beiden oberen Stifte mit dem vorderen Tbeilc
Fi«. 4.
FiK- 5-
Fig. G.
O o
verbunden, so dass hier ein Baum von 1,5 mm für die Dicke des Leders bleibt.
Die beiden unteren Stifte des Beschlagblechs verbinden das Beschlagblech mit
einem 1,6 cm lang:en und 9 mnt breiten Bisenblech. Der Raum für die Dicke des
Leders ist hier 2 »im gross. Die Schnalle selbst ist 2,.') cm lang und %:i cm breit.
Bei (I ist der Bügel wie auch der Dom von einem feinen .Silberdrahte umgeben.
Fig. U. Eine S,3 cm lange, 17, bezw. 23 twui breite Schnalle. Dieselbe be-
steht aus einem 2,5 mm breiten und ebenso dicken, viereckigen, bronzenen Draht-
bOgel, der vom durch Kreise mit je einem Punkte in der Mitte — wie sie Schnalle
Fig. 4 zwischen den beiden oberen und unteren Stißen auf dem Beschlagbleche
und Schnalle Fig. 5 auf dem Bügel zeigen — verziert ist. Am unteren Ende ist
der Schnatlenbügel mit einem '2,5 mm dicken, runden Stift vernietet, um den sieh
ein 4 mm dickes, vom Feuer beschädigtes Bronzeblech drehen lasst. Die Zunge der
Schnalle fehlt, 3 cm von dem Schnallenätifie ist der Bügel etwas dicker, und hier
— 80 —
befinden sich an seiner inneren Seite zwei einander gegenüberliegende Vertiefungen,
in denen sich eine Achse drehte, an der die Zunge befestigt war. Der Aufschlag
der Zunge ist auf der Biegung des Bügels durch eine kleine Vertiefung bezeichnet.
Fig. 7. Ein zerbrochener Scheidenbeschlag, auf der vorderen Seite mit ein-
gefeilter Strichverzierung.
Fig. 8. Eine zerbrochene bronzene Fibel, auf deren Bogen sich in einer
Rille zwei Paar gedrehter Silberdrähte befinden, welche unten am Bogen von zwei
nebeneinanderliegenden geringelten Silberdräbten begrenzt werden. Diese letzten
Fig. 8. FiR. 9. V*
Fig. 7. »/4
' Fig. 8a.
Y
Drähte sind quer um den Bogen bis an den, auf der Aussenseite mit cingefeilter
Fig. Ha verzierten Nadelhalter gebogen. Feder und Sehne der Nadel fehlen.
Fig. 9. Eine bronzene Fibel von 3 cm Länge. Sie hat eine 3 an lange
gerollte Feder, deren Sehne über dem Bogen liegt und durch eine auf dem Bogen
befindliche Oehse geht
Bruchstücke von eisernen Gegenständen (Speeren, Framen (Piken), Saxen,
Scheeren, Messern, Schildbuckeln mit Griffspangen, Fibeln, Rasirmessern und
Schnallen) wurden mehrere gefunden. Sie sind jedoch so verrostet und so stark
beschädigt, dass sich keine Form und Grösse erkennen lässt. II. Meyer.
Neue Funde von S. Lucia bei Tolmein.
(Vorgelegt in der Sitzung der BerL anthrop. Ges. v. 16. Oct 1897.)
Diesen Sommer habe ich nach einer Unterbrechung von zwei Jahren die
Grabungen in S. Lucia wieder aufgenommen, wobei am oberen Bande der Nekropole
weitere 67 Gräber eröffnet wurden, so dass die Zahl der von mir hier durchsuchten
Gräber auf 3194 gebracht wurde. Im Vergleiche mit den früheren Grabungen
waren heuer verhältnissmäseig häufiger die grossen Urnen (34), daiVnter zwei
prächtig erhaltene kolossale Situlen aus Bronze. Die eine derselben besitzt eine Höhe
von 83 cm und einen Umfang von 214 an^ so dass sie an Grösse alle früher jre-
fundenen weit übersteigt Die zweite ist 65 cm hoch und hat einen grössten Um-
fang von 169 cm. Auch die Zahl der beigegebenen kleinen Situlen aus Bronze war
ziemlich ansehnlich (14); aber leider waren nur 3 ganz unversehrt. Dagegen waren
Töpfe aus Thon sehr spärlich. In einer Situla fand sich ein wohlerhaltenes
hölzernes Gefäss in Form eines Näpfchens.
Wie gewöhnlich waren unter den Schmuckgegenständen am häufigsten die
Fibeln vertreten — gegen 100 Stück — , so dass ich aus S. Lucia deren bereits
2200 besitze. Einige Exemplare waren sehr reich mit Anhängseln verziert Weiter
erhielt ich eine Anzahl Finger-, Arm-, Hals- und Ohrringe, Knöpfe, Anhängsel,
Perlen u. s. w. Erwähnenswerth ist ein schöner, aus 32 grossen rothen Bernstein-
perlen bestehender Halsschmuck. C. de MarchesettL
Abgeschlossen im September 1897.
Ergänznngsblätter zur Zeitschrift für Ethnologie.
Nachrichten über deutsche Alterthnmsfonde.
Mit Unterstützimg des Eöniglicli Prenss. Ministeriums
der geistliclien, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten
herausgegeben von der
Berliner fiesellsehaft fftr Anthropologie, Ethnologie nnd Urgeschichte
unter Bedactlon von
R. Virchow und A. Voss.
Achter Jahrg. 1897» I Verlag von A. A8HEB & Co. in Berlin. Heft 6.
HOgelgräber am Losenmeere in der Haarstorfer Feldmark
(Kreis Uelzen).
(Vorgelegt in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft vom 19. Juni 1897.)
Das Losemeer, welches in der Haarstorfer Feldmark zwischen dem Voss- und
Brommbarge liegt, ist jetzt ein Sumpf, der im Sommer fast austrocknet und seinen
Abfluss nach Süden — nach Ebstorf — hin hat. Es geht Ton ihm die Sage:
^Das Losemeer hat seinen Namen von einem Manne mit Namen Lose, dessen
Haus im Losenmeere stand und dort unterging." Vermuthlich beruht diese Sage
auf Thatsachen, denn es ist recht gut möglich, — obwohl noch durch keine
Funde bewiesen, — dass sich im Losenmeere eine Wohnung (yielleicht ein
Pfahlbau) befand, dessen Besitzer wirklich Lose hiess. Wenn dieser Name auch
fast unwahrscheinlich klingen mag, so weise ich darauf hin, dass sich in hiesiger
Qegend mehrere Hügelgräber befinden, deren Namen ebenfalls auf die dort
Ruhenden zu deuten scheinen. Für die frühere EIxistenz einer Wohnung
sprechen die an den Ufern des Losenmeeres liegenden Hügelgräber, auf denen
einst grosse Steine standen und die auch mit Steinkränzen umgeben gewesen sein
sollen. Zwei Hügel, Nr. 1 und 2, liegen am östlichen Ufer, am WNW.-Hange des
Brommbarges. Ein dritter, Nr. 3, liegt am gegenüberliegenden Ufer, am O.-Hange
des Vossbarges. Ein vierter scheint am NO.-Ufer des Losenmeeres mit Nr. 1 und
2 in einer Reihe gelegen zu haben. Früher waren diese Hügel mit Buchen be-
wachsen, von denen man noch Wurzeln im Boden findet; dann waren sie eine
Zeit lang Ackerland, und vor einigen Jahren wurden sie mit Tannen bepflanzt
Es ist daher bei allen Hügeln die genaue Höhe und der genaue Durchmesser
nicht mehr festzustellen.
Hügelgrab 1 ist noch ungeöffnet. '
Hügelgrab 2 (Fig. 1) hatte ?or dem Oeflhen eine kugelsegmentartige Form,
eine Höhe von 1,30 m, einen Durchmesser von 16,70 m. Der Hügel wurde im Jahre
1892 geöffnet Im SO. befanden sich ungefähr 0,90 m von seiner Peripherie vier
Steine, die in .einem Bogen neben einander standen, und deren grösster 96 cm hoch,
75 cm breit und 52 cm dick war. Im SW. war in einer Entfernung von etwa
2,20 m von der Peripherie des Hügels eine bogenförmige Steinmauer von nicht
ganz so grossen Steinen, wie die im SO., gebaut Sie ist 5,95 m lang und besteht
aus aufrecht stehenden Steinen. Ihre Oberfläche ist eben; da, wo ein Stein
eine zu geringe Höhe hatte oder wo die dicht aneinandergestellten Steine oben
6
eine Lücke Hessen, waren Steine darauf- oder dazwischengelegt. Im NW. lagen
mehrere kleine Steine Ton angefähr 2(1 cm Dnrchroesser und zwischen ihnen einige
Fig. 1.
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Scherben eines dickwandigen Gefässea, einige verbrannte Knochen and sehr wenig
Kohlen. Vcrranthlich stand hier eine Urne. Im ONO. befand sich eine nngerähr
ti m lange Steinreihe ans ähnlichen Steinen, wie im NW. Dieselben lagen aber
— 83 —
sehr unregelmässtg, und der Boden liess — wie auch im NW. — Spuren von
früherer Zerstörung erkennen. Auch wurden hier Steinsplitter von gespaltenen Steinen
gefunden, so dass anzunehmen ist, dass hier grössere Steine, wie sie im 8W. und
80. standen, gespalten wurden. Alle diese Steine, vielleicht mit Ausnahme der
im NW., scheinen Theile eines ovalen Steinkranzes (der sich im Innern des Hügels
befand und dessen Längsaxe von SO. nach NW. gerichtet war) gewesen zu sein,
2umal da an entsprechenden Stellen noch einzelne Steine und Steinsplitter gefunden
wurden. Im WSW. hat dieser Steinkranz eine Oeffnnng gehabt, denn hier lagen
zwei bronzene Armringe, und von einer Zerstörung war hier nichts zu bemerken.
Die Spuren der Zerstörung Hessen sich erst etwa 2 m NW. von der Steinmauer er-
kennen.
Zwischen den Steinen im ONO. lagen an ihrem Nord ende einige Scherben
eines dickwandigen Gcfasses und die kleine, stark beschädigte Urne 164'), jedoch
nicht in ihrer ursprünglichen Lage. Sie hat wohl in der Nähe gestanden und ist
beim Ausheben der Steine hierher gerathen. Scherben von ihr wurden in der Nähe
und in verschiedenen Tiefen gefunden. In der nördlichen Hälfte und fast in
der Mitte des Hügels befanden sich zwei aus Feldsteinen erbaute, oben ebene
Verbrennnngsplätze. Sie ragten beide ^^O nn über der Grundfläche des Hügels
hervor und waren sehr sorgfältig und vollkommen gleicbmässig gebaut. Die
Erbauer dieser Brandstellen hatten zuerst zwei 1,20 m tiefe, 0,90 breite und 4,40 m
lange, rechtwinklige Gruben gegraben und die ausgeworfene Erde vollkommen
glcichmässig bis ungefähr zu einer Entfernung von 1,50 tu um die Gruben aus-
gebreitet, so dass sie mit der über den Humus hervorragenden Krandstelle gleich
hoch lag. Unten in der Grube hatten sie auf den schön geebneten Boden 4 — 6 cm
dicke, flache Steine von verschiedener Grösse so eng aneinandergelegt, dass mit
der Spitzhacke kaum zwischen sie zu kommen war. Ueber diesen Steinen lag
eine 7 cm dicke Schicht weissen Sandes, die mit huselnussgrossen Kohlen wenig
vermischt war. Auf iliesem Sande lagen Steine von ungefähr \0 — 50 cm Durch-
messer und zwischen ihnen reine Holzkohlen und Asche. Die nördliche Ver-
brennnngsstätte war von Osten nach Westen gerichtet. Die südliche lief fast in
gleicher Richtung, divergirte mit der ersteren aber etwas im Osten.
Auf der nördlichen Verbrennungsstätte lag auf einem Steine des westlichen
Endes die Nadel 21 (Fig. 2) mit der Spitze nach Westen. 35 cm nördlich von derselben
Verbrennungsstätte lag fast an ihrem Ostende auf dem Sande aus der Grube die
Fig. 2 Fig. 3.
HMIlUhti
Speerspitze 36 (Fig. 3) mit der Spitze gegen Osten. Um sie befand sich dunkle,
lehmige, mit Kohlen vermischte Erde, die sich nach Westen (der Schaftseite) hin
in geringer Breite ausdehnte. Am Ostende der Verbrennungstätte lagen in gleicher
Höhe, wie der Speer, einige Knochen einer vom Feuer beschädigten Hirnschale. Fast
von der SO.-Ecke dieser Verbrennungsstätte zog sich bis zum westlichen Drittel
der südlichen Verbrennungsstätte eine Steinpflasterung, die sich nach SO. hin aus-
dehnte und mit Kohlen und Asche — besonders sehr stark im NW. — bestreut
war. Sie wurde im NW. von einer nach dieser Richtung hin convexen Linie be-
grenzt. Im 80. war die Grenze etwas unregelmässig, da hier die Steine nicht
V Die Nummern hinter den Funden beziehen sich auf den Katalog.
84
eng aneinander) aften. Ungeßifar 70 em sddöstlich von dieser SIeinpflastening lagen in
der gelbUcben HUgelerde 4 Steine von 30 — 55 em DnrchmeaHer bogenfSnm^ mit
der concaTen Seite nach WNIP., i& cm höher, ala die Pflasterung, ohne mit
Kohlen und Asche bestreut zn sein. 56 cm sttdlicb von diesen Steinen begann die afid-
liche Verbrennangsstätte, die sich Ton hier aas in Tast westlicher Kichtnng erakeckte.
Fig. 4.
Fig. 6.
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O O03
Auf den Steinen ihres östlichen Endes lag der Hal8nng49 (Fig.4), mit derO
nach W., der Unterarmring 47 and die Perlen 50 (Fig. 5). 50 em efldlich von dieser
Verbrennnngsstätle lagen die Scherben der Urne 4:<, von dieser 2,70 m sOdöstlich die
Scherben der mit einem Deckel Tcrschen gewesenen Urne 75, und 1,30 m weiter
südöstlich die Scherben der Urne 77. Alle drei Gewisse beladen sich Itut an der
— 85 —
Oberfläche des Hügels und waren mit dunkler, lehmiger Erde und vereinzelt
liegenden Kohlen umgeben. Um 43 und 75 lagen in horizontaler Ebene ausserdem
noch je 5 Steine von ungefähr 10 — 20 cm Durchmesser. Die Urne 28 (Fig. 6)
befand sich mit ihrem Rande etwas unter der Grundfläche des Hligels und stand
westlich von beiden Yerbrennungsstätten. Um sie lagen Erde und Kohlen, wie
um die Yorigeu Urnen, und ausserdem 6 Steine in horizontaler Ebene und in Höhe
ihrer grössten Weise. Betrachten wir nun die Stellung dieser Urnen, so standen
sie ausser Urne 164 fast in einer Reihe von SO. nach NW. durch die Mitte des
Hügels. Dies macht es wahrscheinlich, dass bei den Steinen und Scherben im
NW., welche sich mit den Urnen in einer Reihe befanden, eine Urne ätand.
Zwischen der nördlichen Verbrennungsstätte und der Steinmauer im SW.
lagen nun die meisten bronzenen Gegenstände. Fast in der Mitte zwischen dem
NW.-Ende der Steinmauer und der SW.-Ecke der südlichen Verbrennungsstätte
lag der Oberarmring 40; 2,65 wi nach SO. der zu diesem-^gehörige* Oberarmring 48;
1,30 w weiter südöstlich der Unterarmring 54; 19 cm weiter die NaSel 56 (Fig. 8),
mit der Spitze nach SW. gerichtet, und 30 cm weiter nach SO. die mit vermodertem
Leder umgebene Spange 57 (Fig. 9), mit der Schildseite nach OSO. Von diesen
drei letzten Funden lag der Unterarmring 55 (Fig. 14), welcher dem Ringe 54
gleicht, ungefähr 80 cm SSW. Alle diese bronzenen Funde zwischen der südlichen
Verbrennungsstätte und der Steinmauer lagen auf der Grundfläche des Hügels und
waren mit dunkler, lehmiger Erde und einzeln liegenden Kohlen umgeben. Der
Ring 48 war ausserdem noch in horizontaler Ebene von 6 Steinen umlegt.- Der
Ring 55 und die Spange 57 lagen zwischen 2 Steinen, ein Stein lag im SO. neben
Nadel 56. 1,60 m NW. von der Steinmauer lagen der Oberarmring 39 (Fig. 7) und der
Unterarmring 38 (Fig. 15) fast an der ObeHläche des Hügels und mit gleicher Erde,
wie die letzten Bronzen, umgeben. Sie lagen, die Oeffnungen gegen einander gekehrt,
in NO.-Richtung neben einander und waren in horizontaler Ebene von 7 Steinen
umgeben. Diese Steine, wie auch die um die anderen Bronzen, hatten dieselbe
Grösse, wie die um die Urnen.
Betrachten wir nun die Lage der Funde zu den Yerbrennungsstätten, so finden
wir bei der nördlichen Verbrennungsstätte die Speerspitze und eine Nadel, bei der
südlichen Halsring, Armbänder, Perlen u. s. w. Auf der nördlichen wurde also
ein Mann, auf der südlichen eine oder mehrere Frauen verbrannt. Die Erbauung
dieser Verbrennungsstätten ist wahrscheinlich gleichzeitig gewesen, da die Erde
überall die gleiche Farbe und Zu^mmensetzung hatte.
Die Gefässe bestehen alle aus Thon, der mit Ausnahme von Urne 164 mit
sehr groben Sande und oft mit kleinen Steinchen vermischt ist. Sie waren schon
alle bei ihrem Biossiegen durch den Pflug oder durch Frost und Wurzeln zerstört.
Nur die Urne 28 (Fig. 6) ist noch verhältnissmässig heil. Sie war mit den sehr gut
verbrannten Knochen eines Erwachsenen bis zu etwa Vs gefüllt. Der obere Theil enthielt
die dunkle, lehmige Erde ihrer Umgebung, die, nach der trichterförmigen Senkung
über der Urne zu urtheilen, in sie hineingefallen war. Wir können deshalb wohl
annehmen, dass die Urne zuerst mit irgend einem Gegenstande zugedeckt war,
der später vermoderte und die Erde hineinfallen Hess. Der Bodendurchmesser
der Urne beträgt 12 cm, die grösste Weite 28,3 cm^ die Rand weite 21 cm, die
Höhe der grössten Weite 13,5 cm, die Randhöhe 21 cm^ die Dicke ihrer Wände
1,2 cm. Sie ist aussen glatt und gelbbraun bis schwarzbraun, innen ebenfalls glatt,
aber dunkler, als aussen. Die gleiche Oberfläche und Farbe hat Urne 77. Ihr
Bodendurchmesser beträgt 14,5 cm, die Dicke des Bodens 2,*i cm, die ihrer Wände
1,2 cm. Die Urnen 43 und 75 sind aussen röthlich braun und bis ungefähr zu 5 cm
- 86 —
unter dem Rande rauh beworfen, innen sind sie glatt und fast schwarz. Der
Bodendurchmesser von 75 beträgt II c", die Dicke des Bodens 1,*2 cm, die der
Wände 6 — 10 mm. Diese Urne hat einen Deckel besessen, von dem allerdings
nur die Randscherben zu erkennen waren. Die Scherben sind aussen und innen
glatt und rothbraun. Sie sind nach einwärts gebogen und lassen auf einen schalen-
förmigen Deckel schliessen. Eine von diesen Scherben zeigt eine Henkelnarbe,
die von einem kleinen, senkrechten, am Rande beginnenden Henkel herrührt. Der
Inhalt der drei letzten Urnen bestand ebenfalls nur aus verbrannten Knochen von
Erwachsenen. Die Urne 161 ist bedeutend kleiner, als die vorigen. Sie besteht
aus besser geschlemmtem Thon, der mit feinerem Sande vermischt ist, und enthielt
die verbrannten Knochen eines kleinen Kindes. Ihre Farbe ist dunkelbraun bis
schwarz, ihre Oberfläche aussen und innen glatt. Der Bodendurchmesser be-
trägt 6,5 i-ni, die grösste Weite U,5 cm, ihre Randhöhe 8 cw, die Dicke ihrer
Wände 4mm, Die übrigen Scherben, welche sehr zerstreut an verschiedenen
Stellen der Grundfläche des Httgels lagen, sowie auch die, welche bei den Steinen
im NW. gefunden wurden, rühren von grösseren dickwandigen Gefassen her, sind
fast alle aussen rauh beworfen und haben eine braune bis dunkelbraune Farbe.
Innen sind sie immer glatt und dunkler, als aussen, gefärbt.
Die Grabbeigaben*) bestehen, mit Ausnahme der Perlen aus Glas und Bern-
stein, alle aus Bronze. Dieselbe ist aber schon so stark in Patina übenj^egangen,
dass kaum noch ein schwacher Kern von Bronze übrig geblieben ist. Einige Bei-
gaben bestehen nur noch aus Patina und wurden daher beim Ausheben sehr
beschädigt.
Die Speerspitze 36 (Fig. 3) ist 14,6 cm lang; die grösste Breite des weideo-
blattartigen Blattes beträgt 3,7 cw, die Weite der Tülle 2,*J cm; die Weiten der sich
gegenüber liegenden Nietlöcher, welche mit dem Blatte in einer Ebene liegen,
betragen 5, bezw. 3 mm. Die Schaftröhre geht bis zur Spitze, ist innen sehr weit
hinauf hohl und enthält noch einen Theil des hölzernen Schaftes. Auf ihr befindet
sich eine 1 V ^ bis '2 mm breite Mittelrippe, die von der Spitze bis zum Ansatz des
Blattes läuft. Das Blatt selbst hat nur eine geringe Stärke und ist an den Schneiden
geschliffen. Was den Schaft anbetrifft, so lässt sich seine genaue Länge nicht
mehr feststellen, da er bis auf den Theil in der Tülle vollkommen vermodert ist.
Wenn ich aber die Ausdehnung der Kohlen und der dunklen Erde, die um die
Speerspitze lagen und sich in geringer Breite bis zu einer Länge von i,Ui im
von 0. nach W. hin ausdehnten und wohl den Schaft umgaben, in Betracht ziehe,
so mag der Speer mit der Spitze, wenn die gleiche Länge der dunklen Erde,
die nach Osten hin über die Spitze hinausragte, auch im Westen in Abrechnung
kommt, etwa 1,60 m lang gewesen sein.
Die Nadel 56 (Fig. 8) wird von der Spitze bis zum Halse allmählich dicker,
schwillt dann bis zu 5 mm an, um sich nach kurzer Verjüngung wieder zu einem
umgekehrt kegelförmigen, oben flachen Kopfe zu erweitem. Ihre Länge beträgt
21,2 cm,
1) AehnlJche und gleiche Funde, wie die oben beschriebenen:
1. V. Estorff, Heidnische Alterthümer, Tafel Vlf, Fig. 2 (Todtcnkamp b. Heitbnik .
2. Naue, Bronzcxeit, S 163, Fig l.
8. Naue, Bronzezeit, S. 155, Fig. E; v. Estorff, Heidnische Alterthümer, Tafel VIII,
Fig. 15 (Hanstedt b. Uelzen).
4. Naue, Bronzezeit, S. 177, Fig. A; v. Estorff, Heidnische Alterthümer, Tafel X,
Fig. 8 (Gross-Liedem).
5. v. Estorff, Heidnische Alterthümer, Tafel X, Fig. 13 ^Molzen:, Fig. 14 (Wellen-
dorf), Fig. 19 (Bödden8tedt\
— 87 —
Von etwa gleitiber Lunge war auch die Nadel ü (Fig. ä). Sie ist leider fast
Tollkommen zerfallen. Nar dag angegchwollene Stock des Halses ist erbalten.
Dieses ist geringelt uod in der Mitte 7 tum dick.
Der Halaring 49 (t^. 4), welcher — wie alle anderen Armringe — olfen ist,
schwillt nach der lütte bis zu 6 mm an und hat eingekerbte Windungen, die nach
einer Bichtnng laufen und 3,3 cm von den Enden beginnen.
Die Oberarmringe 40 und 48 (betr. 48 siehe Fig. 10 und 11) sind auf der
äuBBeren conrexen Seile durch 3 Zweiecke, die durch Bündel von parallelen hori-
Eonlalen und vertikalen Strichen getrennt sind, verziert. Innen sind sie etwas coacav
und nicht verziert. Der Oberarmring 39 (Fig. 7) ist den Bingen 40 und 48 Hbnlioh;
innen ist er aber etwas concaver, nnd seine änssere convexe Seite ist durch ?ier
Zweiecke, die durch drei Linien, wie in Fig. I2, begrenzt sind, verziert Die
mittler«] dieser beiden Zweiecke sind durch 4 senkrechte Bündel, die mit drei
horizontalen abwechseln, getrennt. Die Trennung der anderen Zweiecke ist, wie
bei 40 nnd -18. '
Fig. 10. Vonierung des OberaimringcB 48. N»t. QrOsse.
Fig. 12. VenieniDg des UnterannriDgea 38. Nat. Gröuse.
D
Unersehnitt von 48. „
Nst. Ürfl^Bo. Qumchintt von a
Nst. Grösse.
Die Unterarmbänder 54 und bb (Fig. 14) sind im Querschnitt mnd, aussen
geringelt, innen glatt Ihre Dicke beträgt 7 — 8 mm.
Das Unterarmband 38 (Fig. 12, 13 ii. 15) ist durch drei Zweiecke verziert,
die dorch Btlschet senkrechter paralleler Linien und horizontaler Winkellinien
getrennt sind. Bs ist aussen conven, innen eben und nicht verziert.
Der ihm ähnliche Unterarmring 47 ist stark durch den Spaten beschädigt
Auch er ist verziert, jedoch lässt sich von seiner Verzierung nur wenig erkennen.
Die Spange bl (Fig. 9} ist sehr zerbrochen; an ihrer Palina befanden und
befinden sich auch jetzt noch Reste von vermodertem Lcder. Die Durchmesser
der Spiralen bettagen 7,^ cm, ihre Dicke 4,5 mm, die Länge des Schildes
7,7 cm, seine Breite 3,3 cm. Die Nadel, deren oberer Theil vollkommen zerfiel,
ist von 4,5 mm Dicke, etwas gebogen und wird am Ende plötzlich spitz. Von
— 88 —
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Verzierungen ist nur anf dem Schilde etwas zu erkennen: es laufen längs der
Bänder desselben zwei Reihen Ton Strichen; die äusseren sind parallele senkrechte
Bogenstriche.
Von den Perlen bestehen 15 aus grünlichblauem Glase, eine aus schwarzem
Glase und eine aus Bernstein. Letztere ist aber Tollkommen verwittert Die
Glasperlen sind grösstentheils noch ziemlich gut erhalten. Ihre Durchmesser
betragen 9 — 13 mm, die ihrer Löcher 2 — 8 mm, ihre Höhen 5 — 6wiwi. —
Hügelgrab 3 hatte vor dem Oeffnen eine kugelsegmentartige Form, eine Höhe
Ton 0,70 m und einen Durchmesser von 12 m. Der Hügel war schon vollständig
zerstört. Auf seiner Oberfläche lagen mehrere, denen in Grab 2 ähnliche Scherben
von Gefässen und verbrannte Menschenknochen, die wohl früher in den GefÜssen
gelegen haben. Auf der Grundfläche fanden sich noch Reste von zwei Steinsetzungen
vor, die, 1,20 m von einander entfernt, von Osten nach Westen parallel liefen. Sie
sind unten beide 4,20 m lang und haben abgerundete Ecken. Die südliche, fast in
der Mitte liegende Steinsetzung hat unten eine Breite von fast 2 m, in einer Höhe
von 60 cm eine Breite von 1,55 m. Die nördliche war auf der Grundfläche etwas
schmäler als die vorige und fast vollständig zerstört, so dass keine Maasse genommen
werden konnten. Die Steine beider Steinsetzungen sind unbearbeitete Feldsteine
von etwa 10 — 40 cm Durchmesser. Kohlen wurden nur wenig und sehr zerstreut
liegend gefunden. Das Grab soll schon einmal von fachwissenschafllicher Seite
untersucht sein. Ich konnte jedoch nichts Näheres darüber erfahren.
H. Meyer.
Ein Urnenfeld bei Sclilepzig, Kr. Liibben, in der Niederlausitz.
(Vorgelegt in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft vom 16. Oct t897.^<
Schlepzig, ein ansehnliches Dorf, liegt 12 km nördlich von Lttbben am Rande
des Unterspreewaldes, auf einer in den alten See nach NO. vorspringenden Halb-
insel, mithin an einer Stelle, die für eine auf Fischfang und Viehzucht gegründete
Ansiedlung in der Vorzeit sehr günstig war und dieser guten Schute gewährte.
Und so giebt denn von einer solchen auch das ausgedehnte Umenfeld Zeugniss,
das der Lehrer Hr. Selling im letzten Frühjahr aufgedeckt und ausgenommen hat.
- 89 —
Es liegt etwa 200 Schritt nordöstlich von der Kirche am Rande der sumpfigen
Niederung. Seine Ausdehnung lässt sich nicht mehr feststellen, da es grosseniheils
schon zerstört war, wohl gelegentlich bei der Beackerung; denn Ton einer früheren
Ausgrabung ist nichts bekannt, doch sollen einige Tfaongefaese und wohl auch
Bronzesachen im Dorfe noch vorhanden sein. Was ich gehört und zum Theil
gesehen habe, ist Folgendes.
Lückenlos bei einander lagen noch 6 Gräber, 4—5 m von einander, vom Mittel-
punlct aus gemessen, und zwar waren dies die jüngsten. Auf w^elchem Theile des
ausgedehnten Umenfeldes diese aber lagen, kann ich nicht sagen. Von diesen lag
das nächste Grab wohl 30 m weit entfernt und das letzte noch aufgefundene wieder
20 m weiter, so dass dazwischen ohn fraglich viele schon zerstört waren.
Die Grüfte lagen 7v — 1 m unter dem jetzigen Ackerboden und waren mi
Steinen nur spärlich umsetzt, namentlich fehlte gänzlich eine Steindecke; doch kann
gerade diese sehr wohl beim Beackern weggeschafTt sein.
Indem zuletzt bezeichneten, weit abliegenden Grabe war die Leichen-
urne, so weit sich aus den Bruchstücken erkennen Hess, ein von unten weit aus-
gebauchter, dann aber ziemlich gerade aufsteigender Topf von etwa 40 cm Höhe
und 30 cm OefTnung, der am Boden jenes räthselhafte Loch hatte — für die Seele?
— oder zu wirthschaftlichen Zwecken, etwa zum Ablaufen des Molkens? Aus
dem Grabe ist früher schon ein diesem ganz ähnliches Beigefäss herausgekommen,
aussen rauh und oben noch mit leistenartigen Ansätzen versehen. An weiteren
Beigefössen enthielt das Grab die Bruchstücke zweier (oder nur einer?) Buckelume
mit wenig hervorstehenden Buckeln, einen kleinen, massig ausgebauchten henkel-
losen Topf mit breit umgeklapptem Rande und einen nach oben eingezogenen
Pokal auf hohem, stark verengtem Standfuss, über dem, wie wahrscheinlich auch
an dem fehlenden oberen Theile, er mit reifenartigen Parallel furchen umzogen war;
also mit der Leichenurne 6 (oder 5) Gefösse, die durch die Form und die sehr
spärliche Verzierung in die ältere 2jeit des Lausitzer Typus verweisen, aber, da
die Buckelurnen nur als Beigefässe und nur klein und mit niedrigen Buckeln er-
scheinen, an das Ende dieser Zeit, mithin ganz an den Ausgang des 7. oder eher
in den Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr., zumal da die Metall beigaben kein
höheres Alter verrathen.
Auf dem Leichenbrande lag nehmlich von Bronze eine leider nur zerbrochen
herausgebrachte Spirale von sehr dünnem, an beiden Enden zurückgebogenem
Draht, etwa 1 cm hoch und 2 cm weit, und eine im Feuer des Leichenbrandes am
Kopfende entstellte, etwas abgeschmolzene kleine Nadel, nur 7,7cm lang und 3 mm dick.
Muthmaasslich war das Kopfende von gleichem Durchmesser, wie die übrige Nadel,
kaum merklich abgeschnürt und lief vielleicht in eine (abgebrochene) kleine Spitze
aus, eine bei uns nicht gerade seltene, in der Hallstattzeit in Deutschland und im
Norden ziemlich verbreitete Art, bei der Sophos Müller auf ursprünglichen Import
aus dem Süden schliesst. Auf den Umenfeldem bei Beichersdorf, wo sie häufig
und zwar mit kugelrundem Knopfe vorkommt, bei Starzeddel und Guben-Chöne
ist sie bereits mit Eisen zusammen (Verhandl. d. Berl. Ges. f. Anthr., 1890, S. 358;
Niederl. Mitthlg., H, S. 396). Da somit diese Nadeln erst in späterer Zeit recht
verbreitet waren, so ist die unsere in dieser älteren Zeit ein seltenes und kostbares
Stück gewesen, und wir haben hier gewiss das Grab einer vornehmen Frau. Auf
das höhere Alter mag auch die mtlrbe Beschaffenheit der vollständig schmutzig
grünen und gesprenkelt oxydirten Bronze deuten.
Das andere vereinzelte Grab war schon arg durchwühlt, und so fanden
sich darin nur noch die Reste zweier Gefasse, der grossen Leichenume von ^obem
— 90 —
grauschwarzem Thon, die unten mit strahligen oder durcheinanderlaufenden
Strichen bedeckt war, und die eines dickwandigen, sehr weit geöffneten flachen,
aussen ganz rauh gemachten Gefässes, das unter dem stark eingezogenen und
umgelegten Halse einen perlenartig gegliederten Wulst hat, eine bei uns selten
Torkommende und der jüngeren Zeit angehörende Verzierung. — Metallbeigaben
fehlten.
Wieder andere, auf höheres Alter deutende Gefässe enthielt das erste der
zusammenliegenden Gräber. lieber dem fast kugelig gerundeten Untertheil
erhebt sich scharf abgesetzt gerade und schlicht der Hals, so viel ich mich erinnere,
an allen ohne Henkel oder Ochsen. Zwei von diesen vier Gefässen waren ganz
unverziert, die Leichenurne und ein kleines Beigefäss hatten schräg über die
Weitung herunterlaufende, weit von einander stehende, scharf abgestrichene Rippen.
Dazu kommen die Bruchstücke eines jedenfalls über die Rnochenurne gedeckten
Tellers mit mehrfach abgestrichenem Rande, sowie ein gehenkeltes und zwei un-
gehenkelte flache runde Schälchen mit der bekannten mittleren Bodenerhebung,
zusammen 8 Gefösse, eine nicht geringe Zahl. — Metall beigab^i fehlten auch in
dieser noch nicht durchwühlten Gruft. — Die immer noch scharf gebrochenen
Dmrisslinien, der Mangel an Verzierungen ausser den spiralig yerlaufenden Rippen
und diese selbst, die nicht mehr dick aufgelegt, aber auch noch nicht in der Art
der späteren Kehlstreifen dicht bei einander abgestrichen sind, verweisen nach der
Aehnlichkeit anderer Lausitzer Urnenfelder, z. B. des bei Friedland und Skuhlen.
Kr. Lübben, Ratzdorf und Roschen, Rr. Guben und Freiwalde und Tröbitz, Kr.
Luckau, das Grab in die Uebergangszeit zur ßlüthe des Lausitzer Typus.
Dieser Blüthezeit gehörte ohne Frage das Nachbargrab an, das am besten
hergerichtet, ausgestattet und auch erhalten war, das zweite in der zusammen-
hangenden Reihe. Ein loser Ring aus kleineren und mittleren Feldsteinen von etwa
1 Vi *» Durchmesser und darüber ein zweiter engerer schlössen die in der Mitte
zusammenstehenden 4 Leichengefässe und die 15 zugehörigen Beigefässe ein, die
in dem engen Raum zum Theil schräg über einander standen. Dass ein Grab
mehrere Beisetzungen umschlicsst, ist auf den Urnenfriedhöfen unserer Gegend,
ganz abgesehen von den Htigelgräbem, häufig beobachtet, so am Kietz und Raths-
Vorwerk bei Lübben, bei Steinkirchen — Ellerborn, bei Starzeddel und Gnben-
Chöne und namentlich bei Freiwalde. Ja, unsere Gruft scheint von vorn herein
darauf eingerichtet gewesen zu sein, da die Leichengefässe in der Mitte zu-
sammenstanden und so wohl für jedes mit den Beigefässen ein Kreisausschnitt
bestimmt war. Auch war keine Störung durch die Nachbegräbnisse wahrzunehmen,
ausser etwa dass gerade die Leichengefässe zerbrochen waren. Drei von diesen
waren grosse Terrinen mit Oehsen und Kehlstrcifen auf der Ausbauchung, und
diese enthielten reiche Beigaben von Bronze; die Rnochen der vierten Leiche lagen
in einer tiefen Schüssel, die mit einer ebensolchen bedeckt war, ohne Metall-
beigaben. An einer dieser Schüsseln war der Rand schräg gekerbt, an der andern
war die strickartige Rerbung auf der Umbiegung des nach innen umgelegten Randes
angebracht — An Beigefässen standen dabei kleinere Urnen mit Kehlstreifen
oder dem bekannten Bande ineinandergeschobener gCvStrichelter Dreiecke, eine
auch damit gezierte mittclgrosse Flasche, zwei etwas plumpe hohe und weite
Tassen, deren eine in ähnlicher Weise mit grossen Dreiecken von rechtwinklig
zu einander gestellton Gruppen paralleler Striche bedeckt war, eine kleine, sehr
zierliche Tasse mit ganz kleiner Stehfläche, weit und flach ausgebaucht, unter dem
stark eingezogenen Halse mit hohem Henkel durch umlaufende Parallel furchen
verziert einige gehenkelte und ungehenkelte fluche, runde Schalen mit innerer
_ 91 —
Bodenerhebung und Stttcke von Decktellern mit facettirtero Rande: alles Formen,
die dorchnus der BlUthezeit des Lansitzer Typus angehören. In den Anfang dieses
Zeitraama gehären nach Masse, Arbeit und Form auch zwei wohl in einem Nach-
bargrabe geftuidene äusserst seltene StUcki.', die ans feiaem, gut gebranntem,
gelbem Thone dünnwandig und sorgfältig hergestellt sind, erstlich ein ohne den
übrigen Gelässkörper beigelegter mUssig grosser Hals einer Flasche oder eines
Kruges mit einem aas zwei übereinander geordneten Oehsen bestehenden sogen.
B-Henkel (Fig. 1), deren bis jetzt meines Wissens erst 8 bekannt sind, in der
Niederlauaitz and an deren Grenzen einer Ton Schlagsdorf. Kr. Onben (Verhandl.
d. Berl. Oesellsch. f. Anthr., 1893, 8. 274 f.), zwei von Wilmersdorf bei Bceskow
(ebenda 1^93, S. 456), und weiter ab je einer von GUssreld bei Salzwedel, von
Königswartha in der Oberlansitz nnd von Beidenstatt bei Egenbnrg in Nieder-
üesterreich, nnd auoh im Königreich Sachsen soll ein solches Getäss gefunden
sein, und dazn nun das von Schlepzig. Das zweite ist eine Verzierung, die, so viel
ich weiss, noch nicht beobachtet ist, nämlich an dem Obertheil eines weitbiiuchigen
Kruges unter dem scharf abgesetzten cylindriscfaen Halse ein herumlaufendes
Band schmaler Parallel furchen, das, an den beiden Oehsen unterbrochfn, hier zu
jeder Seite ein Stück hemnterläun und dann mit 4 — i kurzen Querstrichen
abichliesst, offenbar die Nachbildung eines an beiden Seiten herabhangenden
bequasteton Gürtels. (Siehe nachstehende, ans dem Gedächtniss aafgczeichnete
Fig. 2.)
Fie. 1. Fig. 3. Fig 3. Fig. 4.
Ueber den angilbenen Zeitraum herunter weisen nun noch drei, ich weiss
nicht ob diesem oder einem Nacbbaigriibe entnommene sehr niedliche Gefässo,
die sich durch die dunklere Farbe wie durch die Form der erwähnten feineren
Tasse anschliessen : ein nur 8 na hohes und ebenso weit ausgcbaucbles, nach unten
und oben stark verjüngtes, mit reifenartigen Furchen Terzierles Fläschchen (Fig. i).
ein halbkugeliges gehenkeltes Schalchen von ti,j em Durchmesser und ein nur b (»i
hohes und etwa ebenso weit ausgebauchtes Uemchen mit allmählich etwas ver-
engtem Halse und mehrfacher Verzierung, indem unten an das die Oehsen ver-
bindende Band von t> Parallelstrichen ein solches aus gestrichelten, in einander
geschobenen Dreiecken angefügt ist und oben solche Dreiecke einzeln zinnen- oder
treppenartig aulgesetzt sind; das ist die Anfläaung eben jenes Ornaments (Fig. 4).
Solche kleine, danklere und weniger sorgfältig gearbeitete Gefusse sind in grosser
Menge anf Umenfeldem, auf denen das Risen auch bei uns erscheint und die der
Aasgangszeit des Lausitzer Typus angehören, gefanden worden, so in der
Nähe bei Steinkircben-Ellerborn und weiter ab bei Gut>en-Chöne, Rcichersdorf,
Strega a. a., ohne Zweifel meistens nicht etwa Kinders pielzeog, sondern verkleinerte
XachbilduDgeo von Gebrauchsgerässen, die zu dem Zwecke, an deren Stelle dem
Todten mitgegeben zu werden, in einer Zeit angefertigt wurden, da bei uns die
Töpferkunst sichtbar im Rückgang begrifTen war.
— 92 —
In Masse und Arbeit sind sonst die meisten aus feinerem Thone mit Geschick
und Geschmack hergestellten, leidlich bis scharf gebrannton, ziemlich dünnwandigen,
lederfarbigen bis chokoladenbraunen oder schiefer- und bläulich-grauen Thongefösse
ganz von der Art der rühmlichst bekannten Lausitzer Gefösse. Derart werden
auch die 5 gewesen sein, die in einem der drei noch übrigen Gräber standen,
von denen ich sonst nichts weiter habe erfahren können. An Metall und zwar
an Bronze enthielten die drei grossen Leichenumen der zuletzt beschriebenen
Familiengruft folgende Beigaben:
1. Zwei sehr gut erhaltene, dunkel oxydirte, fast noch glänzende Nadeln
von etwas mehr als \2 cm Länge und 3 — 4 mm Dicke, die 8—9 ww unter der
kleinen flachen und unverzierten Knopfscheibe eine doppel kegelförmige Verdickung
des Schaftes haben, übrigens mit stark hervorstehender Gussnaht und auch sonst
nicht sauber abgeputzt, eine wohl als Entartung der Vasen- oder Mohnkopfnadel
zu bezeichnende Form, die auch sonst in unserer Gegend bis in die beginnende
Eisenzeit hinein nicht allzu selten ist, z. B. bei Steinkirchen, Freiwalde und Haass.
2. Die Reste zweier nicht sehr breiter Armbänder, die aus drei platten;
3 — 4 mtn breiten Bandstreifen bestanden und wohl spiralig gewunden waren.
3. Die Bruchstücke eines kleinen Fingerreifs, der aus dünnstem Bronze-
draht schleifenartig umgebogen war, wie deren viele auf Gräberfeldern dieser
2jeit gefunden sind; ein wohl erhaltener, dunkel patinirter Spiralring von 1,9 — 2 cm
Durchmesser aus starkem, 3 — 4 mm breitem Bronzestreifen anderthalbmal henim-
gewunden und an den Enden schräg abgeschnitten (Fig. 5); ein kleinerer, aus
dickem rundem Draht zusammengebogener, aber an der Bertlhrungsstelle offener
Fingerring.
Fig. 6. V,
f^g. 6.
4. Ein strickartig gewundener Halsring aus 3— 4 mm dickem rundem Bronse*
draht mit vierkantigen, zu Ochsen zurOckgebogenen Enden, nach Tisch 1er ^s Be-
zeichnung ein ^Bügelring^ (Fig. 6), ursprünglich zwischen den Oehsen einige Genti-
meter weit geöffnet und, wenn kreisförmig gebogen, mit etwa 9 cm^ wenn mehr ovaL
mit 8 und 10 an Durchmesser, da der Draht gestreckt 28 cm lang ist, jetst aber
zu einem Langoval in sich zusammengebogen, übrigens in mehrere Stücke r&r^
brechen, mit schmutzig grüner, weiss gesprenkelter Patina. Es ist einer von den
dünnen Wendelringen, die mit Oehsen oder mit petschaftartigen Enden an mehreren
anderen Orten der Lausitz, vornehmlich nach dem Südosten hin (Straupitz, Sjauchel.
Strega, Sorge, Alt-Rehfeld; Frstl.-Drehna) und öfter mit Eisen zusammengefunden
sind und hier wie an der unteren Havel (Voss und Stimming, Alterth. d. Mark
Brdbrp., Abth. II, Taf. l) und in Ost-Holstein (Freund, Die präh. Ablhlg. d. Mus.
z. Lübeck, S. 11) der jüngeren und jüngsten Bronzezeit angehören, übrigens meist
Depot-Funde sind and nicht aus Gräbern herrühren.
5. Mehrere nicht bestimmbare Brocken von Schmucksachen.
— 93 —
6. Endlich — wieder eine grosse Seltenheit — in einer Leichenurne 91 sehr
gut erhaltene, ring- oder tönnchenfönnige Bronzeperlen von 1,5 — 5 mm Höhe
und 3 — G mm Durchmesser, an denen man noch recht deutlich sehen kann, wie
das zusammengebogene Stück des etwas gerundeten Bronzestreifens zugeschweisst
ist, ehedem zu einer kostbaren Halskette wohl mit verbrannten ZwischenstUckchen
von Holz oder einem anderen vergänglichen Stoff verbunden. Darauf deutet auch
der Umstand, dass öfter 3—5 Perlen auf einem feinen, mitunter sogar hohlen
Bronzedraht aufgereiht und nun durch Feuer oder Oxyd zusammengebacken sind.
So mögen sie vielleicht alle erst in solchen Gruppen und dann erst mit jenen
Zwischenstücken zur Rette aufgereiht gewesen sein.
Alle diese Beigaben sind Schmuckstücke; Waffen oder auch nur Messer fehlen
gänzlich. Demnach sind auch in diesen drei Leichenurnen Frauen begraben.
Sollten die in dem vierten Behältniss, in der bedeckten Schüssel ohne Beigaben
beigesetzten Gebeine etwa die des zugehörigen Mannes sein, zumal da in dieser Zeit,
wenigstens in der Lausitz, die Mitgabe bronzener Waffen nicht bräuchlich gewesen
zu sein scheint? Dann hätten wir, nach dem reichen Schmuck und der besonders
sorgfältigen Herrichtung der Grabstätte zu schliessen, hier die Gruft eines sehr
vornehmen Mannes mit seinen Frauen, etwa auch einer Tochter, vielleicht die des
Häuptlings der Ansiedler, die hier ihre Todten bestattet haben.
Sämmtliche Bronzen gehören, wie schon angedeutet, der Hallstattzeit und
zwar meist der jüngsten an, in der auch in der etwas abgelegenen Lausitz das
Eisen auftritt, obgleich hier auf unserem Umenfelde sich keins gefunden hat
Zu dieser Zeitbestimmung passt auch, was uns die Gefässe schon genauer
gezeigt haben; das Gräberfeld reicht vom Ausgang der älteren Lausitzer
Periode bis zum Ausgang der Lausitzer Blüthezeit, also etwa vom Anfang
des 6. vorchristlichen Jahrhunderts bis in das 4. hinein, und ist auch darin den
15 hn wostsüd westlich entfernten 3 bei Freiwalde gelegenen, von Degner in den
Verhandl. d. Berl. Ges. f. Anthr., Jahrg. 1890, S. 623—635 trefflich beschriebenen
Gräberfeldern besonders ähnlich. Und diese lange Zeit der Belegung beweist auch
wieder, dass leider! die meisten Grüfte schon länger zerstört sein müssen.
Steht so das Umenfeld mit allen seinen Einschlüssen in dem Lausitzer Formen-
kreis, so weisen seine Besonderheiten — wie auch die der Freiwalder Felder —
nach Osten und Südosten über die Lausitz hinaus. Die am üntertheil ge-
musterten Urnen, die schrägen^ Rippen, der fein profilirte Trinkbecher mit hohem
Standfuss, die Dreiecksverzierung der plumpen Tasse, auch das verhältnissmässige
Vorwiegen der Tassen unter den Beigefässen, selbst der B-Henkel (vgl. die 2 bei
Wilmersdoif b. Beeskow gefundenen), namentlich aber die mehrfache Verzierung
und das sogenannte Treppenomament an dem kleinen Uemchen verknüpfen es mit
den Gräberfeldern von Wittmannsdorf, Skuhlen, Friedland und Giesensdorf und
von Grunow und Ossig, Rr. Guben und durch diese weiter mit denen des Aurither
Formenkreises und des benachbarten Posens, von wo mithin die Einflüsse hier
am weitesten nach Westen vorgedrungen sind Das habe ich in der eingehenderen
Beschreibung des Urnenfeldes im 5. Bande unserer Niederlausitzer Mittheilungen
genauer nachgewiesen.
Lübben. Weineck.
— 94 —
Ein KUstenfund auf Rügen.
•:Vorgelef(t in der Sitzung der Anthropologischen QeselUchalt in Berlin am 16. Oet. 1897.)
Im Jahre 1895 übernahm der Maurermeister Dörfer in Sagard auf der Halb-
insel Jnsmund die Lieferung eines Theiles des zur Herstellung der auf ROgen zu
erbauenden sogenannten Kleinbahnen erforderlichen Rieses. Er fand diesen in
ausreichender Menge unmittelbar neben dem auf dem genannten Jasmund belegenen
Dorfe Lietzow.
Letzteres Dorf wird yon zwei mit einander in Verbindung stehenden Binnen-
(^ewässern, dem Grossen und Kleinen Jasmunder Bodden, bespült und in der Ver-
einigung beider Bodden ist vor einer Reihe Ton Jahren ein Damm gelegt, welcher
den landfesten Theil Rügens mit der Halbinsel Jasmund verbindet Dieser Damm
trägt die von der Stadt Beugen kommende Eisenbahn, die weiter nach Sassnitz
fahrt. Dort, wo der Eisenbahndamm den Boden Jasmunds berührt, setzt sich an
diesen in der Breite von ungefUhr 250 Schritt eine Landzunge an, die sich
südwärts in ungefährer Länge von 500 Schritt in den Kleinen Jasmunder Bodden
hineinzieht. Ein Theil dieser Landzunge hat sich nun als kieshaltig erwiesen und
ist zu dem oben angegebenen Zwecke in Benutzung genommen.
Schon im Jahre 1895 hatten einzelne in Lietzow sich aufhaltende Fremde, auf
die dort aufgeschütteten Kieshügel aufmerksam geworden, in ihnen Steine bemerkt
die eine, wenn auch sehr rohe, Arbeit der menschlichen Hand verriethen. Im
Laufe des Sommers 1896 wiederholten sich solche Funde. So verbreitete es sich,
dass dort zu Lietzow der zum Transport aufgeschüttete Kies SteinalterthOmer
zeige. Im October 1896 wuitien die Arbeiten zur Kiesgewinnung, die längere Zeit
geruht hatten, wieder aufgenommen und um dieselbe Zeit wurde mir die Kunde
von den Vorkommnissen zu Lietzow zugetragen. Da ich eine persönliche In-
augenscheinnahme der dortigen Sachlage für geboten erachtete, begab ich mich
ungesäumt nach Lietzow und fand — was meine Erwartungen weit übertraf.
Die Oberfläche der 1—2 Fuss über den Spiegel des Kleinen Jasmunder
Boddens emporragenden Landzunge ist mit einer ungefähr einen Fuss starken
schwarzen Erdschicht überdeckt. Unter dieser liegt — wenigstens dort, wo
bisher gegraben war — eine l Vs "* dicke Schicht von dichtem grobkörnigem
Kiese, meist aus Feuersteinbrocken bestehend, unter welchen sich in bedeutender
Zahl grössere Flintstücke befinden, die sich sofort öntweder als bearbeitet oder als
Abfalle bei der Arbeit ausweisen. Die Arbeit der Kiesgewinnung geht in der
Weise vor sich, dass die kieselgemischte Erde gesiebt und so eine Scheidung der
gröberen Bestandtheile bewirkt wird. Unter diesen letzteren braucht man nur zu
suchen, um bald auf Spuren menschlicher Arbeit zu ssossen Es sind die Findlimre
sämmtlich rohe Arbeiten, in grossen Schlaffen geschlagen, wahrscheinlich die ersten
Erzeugnisse der Handfertigkeit unserer ältesten Bewohner. In gar manchen Stücken
erkennt nur das geübte Auge beabsichtigte menschliche Einwirkung. Und wer
sich nicht von einem starken antiquarischen Interesse leiten lässt, wird sich kaum
bücken mögen, die formlos erscheinenden Steine vom Boden aufzulesen. Um so
mehr setzt bei genauerem Hinsehen die ungeheure Menge der Funde in EIrstaunen«
welche die Arbeit der menschlichen Hand verrathen. Tausende und Tausendr
solcher werden sich dort ohne langes Suchen finden lassen.
Die unter den Funden am häufigsten vorkommende Form ist die der sogenannten
prismatischen Messer, deren eine Seite von einem grösseren Blocke glatt abgespalten
ist, die andere aber durch mehrere in der Läni^e laufende Spaltflächen gebildet
wird. Dann folgen Aexte, deren Querdurchschnitt ein verschobenes Viereck bildet
— 95 —
Sophus Mttller nennt sie „Spalter^. Eine Unterart dieser Spalter charakterisirt
sich dnrcb ihre trianguläre Form. Femer finden sich Schaber und Bohrer. Es
sind dies alles Formen, wie sie sich in den dänischen Rjökkenmöddinger finden.
Hei der durchgehenden Gleichartigkeit nun der in Lietzow sich findenden Stein-
^eräthe mit den in den dänischen Abfallhaufen vorkommenden darf man die Ent-
stehung der ersteren in dieselbe frühe Zeit setzen wie die dänischen. Dabei
unterscheiden sich indess die dänischen Fundorte in einem wesentlichen Punkte
von der Fundstelle auf Jasmund. Hier in Lietzow sind, soweit ich erfahren,
Speisereste, also etwa Knochen und Gräten oder gar Scherben Ton Thongefassen
nicht gefunden. Man kann also die Zusammenhäufung hier nicht auf Rüchen-
abfalle zurückfahren.
Wie aber erklärt sich denn die Lagerung der Gegenstände zum Theil mehrere
Fuss tiefer als der jetzige Wasserspiegel des^Boddens? Bei Beantwortung dieser
Frage wird der Umstand ins Gewicht fallen, dass zahlreiche Stücke Einwirkung
des Wassers zeigen. An solchen Gegenständen erkennt man deutlich Schleif-
stellen; an einigen sind die Kanten abgerundet, Erscheinungen, die nur durch ein
Rollen in Wasser hervorgebracht sein können. Dieser Umstand muss Zweifel
ge^en die Vermuthung erregen, dass die Altsachen dort gearbeitet sind, wo sie
sich heute finden. Wiederum ist es Dänemark, welches eine Erklärung an die
Hand giebt, und zwar durch die dort vorkommenden sogenannten ^Küstenfunde^.
Es sind dies, um mit den Worten des bereits genannten Directors des National-
museums zu Kopenha^icen, Snphus Müller, zu reden, reiche Fundstätten von Feuer-
steinalterthümem ganz der gleichen Art, wie sie in den Muschelhaufen (Kjökken-
möddinger) vorkommen. Sie werden in Mengen am äussersten Rande des Strandes,
in seichtem Wasser oder draussen auf dem Vorstrand aufgelesen. Besonders in
den Küsten von Buchten und um die vorgelagerten Inseln wurden viele Küsten-
funde entdeckt. An manchen Stellen sind viele Hunderte von Feuersteingeräthen,
ganze und zerbrochene, halbfertige und misslungene Abfälle vom Behauen und
nur halbbenutztes Feuersteinmaterial gesammelt worden, alles ganz wie in den
Kjökkenmöddinger. Dass dies Culturreste von Wohnplätzen an der Küste sind,
die vom Meere abgespült und möglicherweise zugleich in Folge einer Senkung
des Landes weggeführt, umhergestreut und abermals an der neuen Küste abgelagert
worden sind, unterliegt keinem Zweifel. Müller führt einige Küstenfunde an,
darunter solche, die 2—3, andere, die 4 Vs — G Fuss unter dem gewöhnlichen Wasser-
stande des anstossenden Meeres lagen. Führt er diese tiefe Lage auf eine Senkung
der Küste zurück, so ist die gleiche Ursache auch auf Jasmund zu vermuthen,
denn wie sicher nachweisbar ist, hat für einzelne Theile Rügens eine Senkung
stattgefunden. Wir würden demnach hier auf Jasmund die völlig gleichen Er-
scheinungen wie in Dänemark haben.
Stralsund. Rudolf Baier.
Bronzeschwert von Felchow, Kreis Angermiinde, Brandenburg.
Das Schwert befindet sich im Besitze des Hm. Rittmeisters a. D. v. Arnim
auf Felchow, welcher es dem Kgl. Museum für Völkerkunde in zuvorkommender
Weise behufs Untersuchung und Anfertigung einer Nachbildung zeitweise überliess
und sich der Mühe unterzog, den Unterzeichneten an die Fundstelle zu führen.
Letztere liegt auf einem schmalen Sandrücken, welcher ursprünglich zwei Seen
von einander trennte: die (kleinere) Lanke und den (grösseren) Felchow-See; beide